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Die Rossdecke

Max Richter

            Der Weihnachtstag begann zu lichten,
der Nordsturm heulte durch den Forst,
da stürzten schneebelad'ne Fichten,
und selbst der Adler floh in seinen Horst.

Da schauert' tiefgebeugt vom Jammer
ein Greis in seiner öden Kammer,
die Wände schimmerten silberweiß,
gleich seinem Bart voll Reif und Eis.

Da ging der Greis in eins der Zimmer
des stolzen Ritters Balduin.
Dort flimmerte des Goldes Schimmer
an Prachtgerät und am Kamin.

Und sieh, er zog sich einen Sessel
dicht an des marmorn Herdes Rand,
um von des Frostes harter Fessel
zu lösen die erstarrte Hand.

Doch kaum berührt vom Hauch der Flammen
fuhr er vor Schrecken hoch zusammen,
denn Balduin, sein Sohn, trat rasch
mit Donnerstimme ins Gemach.

»Hinweg, was gibt's noch hier zu warten,
vergesst ihr, dass ich Burgherr bin?
Mir blüht voll Reiz des Lebens Garten,
nur ihr seid mir ein Dorn darin!«

»Oh, Sohn, gedenke doch,
dass heut der Heiland uns geboren ward,
sei ihm des Ruhmes Licht und Freude,
sei ihm zu Ehren nicht so hart.

Denn dein Gedächtnis wird Dir sagen,
wie oft ich einst in diesen Tagen
dir freundliche Geschenke bot,
und du verwehrst mir Dach und Brot.«

Doch nur verstockter ward der Ritter,
je mehr der Greis ins Herz ihm bat,
und tobte wie das Ungewitter,
das um die Burg her Bäume brach.

»Oh, schone mich, ich will dir weichen,
will ewig meiden deine Tür.
Doch, Balduin, ein kleines Zeichen
von Dankbarkeit erbitt ich mir:

Hörst du der Winterstürme Rasen?
Sieh meines Rocks zerriss'ne Flasen.
Drum schenke mir ein Reisekleid,
das jedem Sturm mir Trutz verleiht.«

»Die Gnade soll euch widerfahren.«
Sprach Balduin und wandte sich
zu seinem Söhnlein von acht Jahren,
das horchend jetzt ins Zimmer schlich.

»Georg, im Stall, in jener Ecke
hängt eine wollne Pferdedecke,
noch neu und rein; die bringe du
und wirf sie diesem Alten zu.«

Der Knabe ging, doch blieb sehr lange.
Sprach Balduin: »Wo hast Du verweilt?
Und seh ich gar, du böser Range,
wer hat die Decke geteilt?«

»Ich«, sprach der Knabe ohne Schrecken,
»die reicht schon hin, ihn zu bedecken.
Die andre Hälfte, dieser gleich,
bewahr ich, Väterchen, für euch.«

Mit Tränen sah der Greis gen Himmel,
wies stumm die Hölle von sich ab
und setzte dann ins Sturmgetümmel
getrost hinaus den Wanderstab.

Der Ritter schloss vergnügt die Pforte,
und er belächelte des Knaben Worte.
Doch dreißig Jahre drauf hieß ihn
sein Sohn Georg hinaus ins Elend ziehn.

 


 


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