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Unter gutem Stern.

Von W. Fischer.

Er war gar kein übler Bub, der Gaberl. Das Blaue vom Himmel hat er sich nicht erst brauchen herunterzuholen. Das ist schon in seinen Augen gelegen; und gewachsen war er auch wie eins, das die Größe von seinen Jahren hat. Sein Heim war oben auf dem Schloßberg, wo er hat prächtig auf die ganze Stadt heruntersehen können und auf all die Häuser, die sich im Kreis um den Berg geschart haben. Hat sich auch nicht leicht vor etwas gefürchtet, weil er ein frommes Herz in sich gespürt hat; aber doch hat's einmal etwas gegeben, dem er nicht recht getraut hat. Kommt er nämlich zu einer alten Mauer, die von der Festung her übriggeblieben ist, und kann an ihr nicht weitergehen, weil alles mit Buschwerk verwachsen ist. Und der Weg wär' noch hübsch eben gewesen. So meint er halt, das Gesträuch wird nicht gar so wild sein und mich durchlassen, wenn ich mich recht anstell'. Tut's also und stellt sich recht klein an, damit er durchschlüpfen kann.

Das ist ihm gelungen. Aber jetzt sieht er in der Mauer eine Tür, und da war ihm etwas ängstlich zumute. Denn diese bewachten zwei Männer von beiden Seiten und trugen zugleich auf ihren Rücken die Türwölbung. Vor denen fürchtete er sich beinahe, obgleich sie so aussahen, als wenn sie von Stein wären. Aber der eine schaute ihn genau an und machte dazu ein böses Gesicht; der andere kümmerte sich wenig um ihn und sah weg. Jetzt ist den Gaberl die Scheu angegangen und hat ihm zuraunen mögen: besser umkehren. Aber da sieht er drüben einen hellgrünen Rasen, und steht dort ein schöner Bub, der ruft ihm zu: »Fürcht'st dich etwa?«

»Nein, das gerade nicht,« gibt ihm der Gaberl zur Antwort. »Aber der Mann gefällt mir nicht. Er schaut so verdrießlich drein.«

»O je!« sagt der andere, »er hat sich sein Gesicht auch nicht selber gemacht und muß ausschauen, wie er ist. – Willst nicht herkommen zu mir?«

»Wohl, ich komm' schon.«

Und ohne daß er sich besonderen Mut eingesprochen hätte, ging er getrost an dem Mann vorbei zu dem Knaben, der ihn rief. Der zeigte ihm jetzt wunderhübsche Spielsachen, daß er ganz erstaunt über die Herrlichkeit war; und sie spielten miteinander in aller Eintracht wie zwei gute kleine Gesellen.

Der Gaberl hätte gewiß vergessen, daß es eine Zeit gibt, die immer vorwärtsgeht; aber sein Spielkamerad hat ihn gemahnt: »Geh jetzt heim, und wenn du wieder herkommen magst, so brauchst mich nur bei meinem Namen zu rufen: Heilid! so wird dir der Mann nichts tun, und ich werd' wieder mit dir spielen. Aber sagen darfst du niemandem etwas davon; sonst siehst mich nimmer.«

Also ging der Gaberl wieder kühn an dem mürrischen Türsteher vorbei, ohne ihn viel anzusehen, und fand auch den Weg durch das dichtverwachsene Strauchwerk wieder heim in das Türmerhaus, wo seine Eltern wohnten.

Dann ist das oft geschehen, daß er mit dem Heilid gespielt hat, und war eine Freude, daß er's tun konnte. Die eigenen Augen sind ihm klar geworden, so oft er in die des anderen geschaut hat, und war ihm ganz fromm zumute dabei. Wenn er oben auf dem Schloßberg ging, wo er gerade als ein Kleiner über die Brüstung mit dem Kopfe langen konnte, da sah er viel Schönes, was er früher nicht bemerkt hatte. Die blauen Berge schienen ihm wie gute große Freunde zu sein, die ihm die Einladung überschickten, daß, wenn er einmal gewachsen sein würde, er zu ihnen kommen dürfe. Der helle Strom, die Mur, lachte ihm von unten zu und sagte: Auch das Höchste, was es gibt, die Sonn' beschaut sich in mir wie in einem Spiegel. – Dann strahlte die Mur vor Freude förmlich auf und strömte weit weg, daß er ihr nicht mit den Augen folgen konnte. Es war alles so schön, weil es groß und herrlich in der Weite lag; und er war zufrieden, daß er als kleiner Bub in der Nähe sein und alles betrachten konnte.

Mit dem Heilid aber hatte er seine gute Zeit gehabt und sich allemal einen freundlichen Anblick geholt; und die beiden haben sich miteinander vertragen wie zwei rechte Frühlingskinder. Fragt ihn der Heilid einmal, was er sich gerne wünschen tät. Und er denkt nach, was das wohl sein möcht', und gibt dann zur Antwort: »Mir gefiel' am besten ein Stern, wie so viele zur Nacht am Himmel scheinen; einen solchen möcht' ich haben, der mir zu eigen gehört.«

»O du Tschapperl!« lachte der Heilid. »Die sind ja viel zu weit weg von dir. Wie willst du einen erlangen?«

»Ich möcht' nur, daß er mir gehört, wenn er auch weit weg ist,« meint der Gaberl befangen, weil ihm doch fürkommt, als hätt' er etwas Dummes gesagt.

»Na, vielleicht kriegst einmal einen, der über dich wachen wird, wenn du recht brav schlafen tust.«

»Da hab' ich ja nichts davon, wenn ich schlaf',« sagt der Gaberl.

»Das kannst nicht wissen. Die Kinder wachsen, auch wenn sie schlafen. Da kann's leicht sein, daß er dir dazu helfen mag.«

Der Gaberl mußte wohl ein braver Bub sein, da er solchen Spielkameraden fand. Wo sie saßen, da wuchsen die Blumen prächtig auf, daß er darüber staunte; denn er hatte nie so schöne aus dem Schloßberg gesehen. Und der Heilid sagte: »Siehst du, die Sterne sind auch Himmelsblumen, an denen der liebe Gott seine Freude hat. Und deshalb darf sich auch jedes Kind daran erfreuen, wenn es zu Nacht recht fromm hinausschaut.«

Da wunderte sich der Gaberl, wie sein Geselle so zu reden wußte, daß er selber immer etwas davon behielt, über das er nachdenken konnte.

Aber es kam die Zeit, daß das Jahr nicht mehr kindlich jung war, wie sie beide, und der Herbst nahte heran. Das Laub der Bäume trug rote und goldene Farben, die leuchteten und glühten; dann verließen sie ihre heimatlichen Äste und suchten sich auf dem Boden ein Lager. Der Heilid kam immer seltener zum Spielplatz, und mit dem ersten Schnee war er verschwunden und ließ sich mit keinem Rufen mehr herbeiholen. Der Gaberl war verwaist, als wenn er ein Brüderlein verloren hätte, und jetzt gesellte sich das Leid zu ihm in seiner Einsamkeit.

Der Winter ist auch ein gestrenger Herr; und wenn der ins Land einrückt, so verweht er alles mit Schnee, so daß ein weißer Teppich daliegt. Aber das Ärgere ist dem Gaberl zugestoßen; sein liebes Mutterl ist krank gelegen und tat sich schier nimmer auskennen vor lauter Wehtum. Der Arzt ist geholt worden, hat seine beste Miene aufgesetzt und doch nichts Gutes sagen können.

»Es ist halt so,« hat er gemeint; »ich werd' schon das Meinige tun, um der Frau zu helfen; aber unser Herrgott muß auch das Seinige tun.«

Und dem Gaberl hat es das Herz abgedrückt, wie er sein liebes Mutterl so krank und abgezehrt liegen sieht, und hat ihn jeder Tag schwer belastet. Auch der Vater, sonst ein starker Mann, hat trübselig dreingeschaut, wie die Mutter, die alles im Hause zusammengehalten hat und überall die bravste war, wie sie jetzt hilfsbedürftig im Bette liegt. Und der Arzt hat wieder einmal den Kopf geschüttelt und gemeint: »Verzweifeln dürfen wir nicht. Was meine Kunst vermag, das wird ihr alles zuteil werden; aber die gute Natur muß dazu helfen, die des lieben Gottes Dienstmagd ist und ihm alles zu Willen tut.«

Ja, und doch ist's schlimm gestanden um die gute Frau, und der kleine Bub hat geseufzt, wenn er an ihrem Bett gesessen ist, die er so gern gehabt hat.

Wenn der Gaberl jetzt vom Schloßberg aus sein Köpferl über die Brüstung streckte, so lagen unten die Häuser eingeschneit, und im Murfelde hoben sich nur die Fichtenwäldchen dunkelgrün vom weißen Grunde ab. Der Wind strich mit frostigen Flügeln von der Gleinalpe herunter, und wo er vorbeizog, da erstarrte jedes Wässerchen zu Eis. Wer die Mur eilte viel zu rasch dahin, daß er sie hätte fassen und zu Eis wandeln können. Sie behielt ihre Freiheit und strömte nur ernst zur strengen Zeit in die Ferne.

So war Weihnachten gekommen, das Fest, das alle Kinderherzen erfreute, nur Gaberl seines nicht; denn es konnte diesmal in der Türmerwohnung kein Christbäumchen geben, das wundersam erglänzte, und unter welchem sonst die Spenden für den Buben lagen, die das Christkindl gebracht hatte. Mit der Mutter war es gar übel bestellt, und der Arzt hatte die Hoffnung aufgegeben, daß sie wieder zu sich kommen und dem Leben erhalten bleiben könne. Das waren traurige Weihnachten für den armen Buben, und in der Christnacht wachte der Vater an dem Bette der Kranken, wobei ihm Gaberl mit dem eigenen Leid zur Seite stand. Das dauerte so lange, bis die Stunde heranrückte, wo der Vater in den Turm steigen mußte, um die große Glocke zur Christmette zu läuten. Er entfernte sich, und Gaberl blieb mit der Mutter allein. Die lag mit geschlossenen Augen, atmete schwer und wußte nichts von der heiligen Nacht, die sich mit Tausenden von schimmernden Bäumen geschmückt hatte. In dem Kinde aber war das Leid immer mächtiger, und es fiel ihm ein, daß er in die Stadt hinuntersteigen müsse, um den Arzt heraufzuholen, der ihr vielleicht noch helfen könnte. Er rief die alte Magd herein, daß sie bei der Mutter bleiben möge, bis er wiederkomme, was nicht zu lange dauern werde. Und die Magd, die wußte, daß Gaberl ein gescheiter Bub war, ließ ihn gewähren.

Also geht er in die Winternacht hinaus, und wenn man die Kälte hätte sehen können, so hätte sie der Mondschein gezeigt; aber so war sie nur zu fühlen und streng genug. Geht er über den festgefrorenen Schnee, der nur so geflimmert hat, seinen Weg. Der hat sich unter der weißen Decke verborgen gehalten; aber es macht nichts, denkt sich der Gaberl und kommt ein Stück abwärts. Da steht er plötzlich in einer Gegend, die war ihm fremd; und doch meint er, er müsse schon einmal dagewesen sein. Es war nichts weiter zu sehen, als ein dichtes kahles Gesträuch, und er denkt sich, da muß ich vorbei, um abwärts zu gelangen. Und wie er sich durchzwängt, bemerkt er eine Tür in der Mauer und etwas wie eine verwitterte Steingestalt, deren Gesicht aber verborgen bleibt. Und jetzt weiß er, daß er fehlgegangen ist. Die Erinnerung steigt aber so mächtig in ihm auf, daß er zu weinen angehoben und »Heilid!« gerufen hat.

In derselben Zeit fängt der Vater im Turme zu läuten an, und die große Glocke, die Liesel, schickt ihre eherne Stimme in das weite Land hinaus und verkündet die Geburt des Herrn. Da ist es geschehen, daß der Schnee auf einmal verschwunden war, ein lieblicher Rasen hat sich gezeigt, aus dem wundersame Blumen sproßten, und ein holdseliger Glanz ist über ihnen gelegen wie Sonnenlicht in der Nacht. Und mitten unter den Blumen steht sein guter Kamerad, der Heilid, blickt ihm freundlich in die Augen und sagt: »Na, Gaberl, es ist recht, daß du mich aufgesucht hast. Ich will dir helfen. Mußt nur alles genau tun, wie ich dir's anzeigen will. Wirst dir's merken?«

»Gewiß,« antwortete er voller Freude und hat recht aufgepaßt, daß er nichts von alledem verliere, was der andere vermeldet. Der gibt ihm dann einen weißblühenden Zweig in die Hand und mahnt ihn: »Geh jetzt und schau' dich nimmer um.«

Kommt der Gaberl zu der Tür, sieht nicht rechts und nicht links und berührt sie mit dem blühenden Zweig. Die Tür tat sich von selber auf und er ging einwärts. –

Da lag ein herrliches Land, überglänzt von goldenem Sonnenschein. Blaue Berge ragten in der Ferne zum klaren Himmel auf, und wo er schritt, da grünte weicher Rasen, aus welchem die Blumen mit lieblichen Köpfchen emporstiegen, als wollten sie den Gaberl begrüßen. Die Bäume standen blütenvoll und beherbergten auf ihren Ästen eine Schar von Vöglein, die in bunten Federn glänzten und holdselig sangen, als wollten sie all die Schönheit verkünden, die überall ausgebreitet lag. Und es war dem Gaberl, als ob er durch die Landschaft ginge, die er vom Schloßberg aus in der Weiten erblickte; nur war alles verklärt in dem goldenen Scheine und hob sich wie selig über den eigenen Frieden in den Äther. Da floß auch ein Strom dahin, der wie die Mur grünlich erglänzte und sich von dem hellen Grün der Ufer in lebendiger Bewegung abhob. Und die Hügel säumten ihn in freundlichem Zuge, als freuten sie sich, ihn zu begleiten und das zarte Laub ihrer frühlingsgrünen Wälder in ihm spiegeln zu können. Zu denen konnte Gaberl nur hinaufblicken. Wenn er aber an den blühenden Bäumen vorbeischritt, die unten standen, so war es, als ob die Blütenäste sich vorneigten, um den Zweig zu bewundern, den er in der Hand trug, weil sie solchen niemals gesehen hatten.

So fühlte er sich frei und froh in der Zauberlandschaft. Es war ihm, als ob er auf leichten Sohlen aus der blühenden Nähe in die Ferne wanderte, und als ob der Goldglanz, der alles umhüllte, sich auch wie ein herrliches Gewand um seinen Leib schmiegte. Davon ward ihm das Herz traut bewegt, und sein Blick umfaßte die Nähe und die Ferne in einem holden Bild, das ihm gehörte, weil er darin lebte.

Jetzt kam er in ein schönes Tal, von dessen Hügeln weiße Landhäuser herab glänzten, und er sah eine Schar Knaben, die sich mit Ballspiel ergötzten. Sie waren ungefähr von seinem Alter und prächtig gekleidet, wie rechte Herrenkinder. Dem Gaberl gefiel es sehr, wie die Bälle in bunten Farben, grün, blau, rot, violett, durch die Luft flogen und gehascht wurden. Dabei waren die Bewegungen der Knaben kräftig und doch auch zierlich, daß er ein wenig stehen blieb und ihnen zusah.

»Willst mitspielen?« fragte ihn einer, der der Anführer zu sein schien.

»Ich möcht' schon, aber ich darf nicht,« erwiderte er.

»Dürfen! Was ein rechter Bub ist, der muß immer dürfen können, wenn er etwas will. Sonst ist er im Unrecht, wenn er etwas will.«

»Ich verstehe das nicht,« gibt er zur Antwort. »Aber mir fehlt die Zeit, ich muß weitergehen.«

»Hättest Zeit genug, wenn du den Verstand hättest, sie auszunützen.«

»Das mag wohl sein, daß mir der Verstand fehlt,« sagte der Gaberl; »deshalb geh' ich ihn jetzt suchen und kann nicht bei euch bleiben, so gern ich möcht'.« –

Da wurden sie freundlich und lockten ihn alle mit sanften Worten, nur ein wenig mit ihnen zu spielen. Den blühenden Zweig wollten sie ihm inzwischen auf einem sicheren Ort verwahren, damit er ihn wiederbekäme. Den ließ er aber nicht aus der Hand und sagte: »Behüt' euch Gott alle miteinander! Ich geh meinen Weg.«

Damit entfernte er sich von ihnen, die ihm jetzt spöttisch allerlei nachriefen. Er aber machte sich nichts daraus und meinte bei sich: ich hab' recht, und das könnt ihr mir mit all eurem Schreien nicht nehmen.

Jetzt sah er eine weiße Taube vor sich herfliegen. Die tat so, als wollte sie ihm den Weg zeigen.

Richtig, hat er sich gedacht, da gehen jetzt so viele Steige nach verschiedenen Seiten, und das Täuberl ist brav, daß es mich führen will. Es dreht ja von Zeit zu Zeit das Köpfchen nach mir her, um zu sehen, ob ich ihm folge. Freilich tue ich's.

Die Taube flog ihm voraus und führte ihn durch ein herrliches Gefilde, bis sie vor einem weißen Hause anhielt. Sie flatterte mit den Flügeln, als wollte sie ihm andeuten: Hier ist das Ziel. Dann flog sie über die Hofmauer hinweg und verschwand ins Innere. Gaberl kam freudig zur Pforte. Da verließ ihn aber die Freude, und der Schrecken stand plötzlich bei ihm; denn er sah an der Tür einen Mann, den er wohl kannte. Er war aber diesmal nicht von Stein, wie dort an der Pforte, wo er einst mit Heilid gespielt hatte, sondern lebendig. Der Mann machte ein furchtbares Gesicht, daß der Knabe schier zitterte, und fragte böse: »Was willst?«

»Hier möcht' ich eintreten,« antwortete Gaberl verzagt.

»Das ist leicht gesagt und schwer getan. Geh deines Weges, woher du gekommen bist, und laß dich nimmer blicken. Sonst – – Wer hat dich gerufen?«

»Eine Taube.«

»So,« sagte der Wann etwas gelinder. »Und wo ist dein Geleitbrief?«

»Hier!« und er zeigte ihm den blühenden Zweig.

Jetzt war der Mann ganz freundlich und sprach: »Die Tür steht dir offen. Du kannst zur Frau Irdne gehn.«

Also ging er hinein und kam in ein erstes Zimmer, das war voll von Kräutern, die dufteten und blühten in Töpfen, die auf Simsen rund herumstanden. Dann kam er in ein zweites Zimmer. Da leuchteten Blumen in Glasgefäßen, die einen Leib wie aus Sonnenschein trugen und in wundersamen Farben erschimmerten, so daß das ganze Gemach von Licht und Farbe durchzogen war. Dann kam er in ein drittes Zimmer. Da stand eine alte Frau vor einem Herd, der war mit Kristallschalen bedeckt, in die sie Kräuter und Blumensaft preßte. Sie wendete sich nach ihm um, blickte ihn mit scharfen hellblauen Augen an und sprach: »Bist gekommen, Gaberl, was bringst?«

Er überreichte ihr den blühenden Zweig: »Das hier.«

Sie nahm den Zweig in die Hand und verwunderte sich: »Brav! Den hab' ich mir schon längst gewünscht. Der hat mir gefehlt unter all dem, was ich an Blumen, Kräutern und Bäumen besitz'. Der Zweig ist dort gewachsen, wohin ich nicht komm'. Es ist aber etwas auf seinen Blättern geschrieben, was ich lesen kann. Ja – – du sollst dein Geschenk von mir bekommen.« Und sie goß aus den Kristallschalen Saft in ein Fläschchen: »Das nimm. Das wird deiner Mutter gut tun und ihr wieder die Gesundheit geben.« – Er nahm es und dankte ihr herzlich dafür. »Ja,« sagte sie, »du bist unter einem guten Stern geboren, Gaberl.«

»Was heißt das?« fragte er verwundert.

»Das heißt, daß so ein Sterndl, das am Himmel leuchtet, dich gern hat.«

»Ja, ich möcht' es auch gern haben.«

»Du sollst es haben, aber in anderer Weis'; denn das Sterndl selbst kann ich dir nicht geben. Das wohnt weit weg mit seinen Brüdern im großen Himmelreich.«

Und Frau Irdne ging mit ihm in das zweite Zimmer, nahm aus einem der Glasgefäße eine weiße Knospe und sprach: »Die nimm mit. Wenn du wirklich ein braver Bub bist, der was Rechtes werden will, so wird das Knösperl morgen aufblühen, und niemand wird es sehen außer dir. Dann wird es in die Heimat zurückkehren, woher es stammt. Aber die Erinnerung daran wird immer in dir leben und dein Glück sein. Jetzt geh heim, aber auf einem kürzeren Weg als der vorige war.«

Sie rief den Mann, der Pförtner war, und hieß ihn den Knaben geleiten, der von ihr mit dankbarem Herzen Abschied nahm. Der Pförtner führte ihn durch einen dunklen Gang zu einer Tür, die sich auf sein Geheiß öffnete.

»Gehab' dich wohl, Gaberl,« sprach er.

Und der befand sich auf einmal in der strengen Winternacht auf dem Schloßberg nahe der Türmerwohnung.

Er ging froh hinein, und als er in das Zimmer trat, sagte die Magd: »Recht so. Bist nicht zu lange ausgeblieben. Jetzt kann ich wieder weg.«

So befand sich der Knabe allein mit der Mutter. Diese schlug die Augen auf und flüsterte schwach: »Bist du es, Gaberl?«

»Ja, Mutter, und ich bring' dir deine Arznei.« Er reichte ihr den Löffel, in welchen er den Heiltrank der Frau Irdne aus dem Fläschchen gegossen hatte, und sie nahm und trank ihn.

»O mein Gott,« seufzte sie hernach, »wie ist mir's um vieles besser!«

Da kam gerade der Vater vom Läuten im Turm zurück und hörte diese Worte.

»Gott geb's,« sagte er, »daß es so sei!«

Aber er war doch traurig, weil ihn die Hoffnung schon verlassen hatte.

Für den Buben aber war es Schlafenszeit, und er ging in seine Kammer hinauf. Die Knospe stellte er in einem Glas ans Fenster und legte sich mit glücklichem Herzen zur Ruhe.

Als er am andern Morgen erwachte, da schien die Wintersonne herein, und sein erstes war, nach der Knospe zu sehen. Die war aber jetzt zu einer weißen Sternblume erblüht, die wundersam erglänzte. Und wie der Gaberl mit gefalteten Händen vor ihr stand, sah er aus ihr eine weiße Gestalt mit Flügeln steigen, und er erkannte in dem Englein das Antlitz seines Spielkameraden Heilid. Der lächelte ihm zu. Dann entschwand die Gestalt und mit ihr die Blume.

Der Gaberl ging jetzt selig hinab in die Wohnstube. Da saß die Mutter aufrecht im Bett, und ihre Augen blickten hell und froh. Der Vater stand bei ihr und sagte: »So alt ich bin, habe ich nie glücklichere Weihnachten erlebt als diesmal.«

Der Gaberl aber dachte sich: Und mir hat das Christkindl nie etwas Schöneres geschenkt als diesmal: die Gesundheit meiner lieben Mutter. – Und wie er dieses im Herzen fühlte, ward sein Gesicht so verklärt davon, daß es die Mutter bemerkte, und ihn zu sich rief. Als er bei ihr war, umschloß sie ihn mit den Armen und küßte ihn glückselig auf die Stirn.

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