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Nachdem der Baal-Schem die Braut auferweckt hatte, blieb er noch über den Sabbat in Berlin, wo man ihm die größten Ehren erwies. Am Sonntag früh reiste er ab, und die ganze Gemeinde gab ihm das Geleite. Am Dienstag gegen Abend hielt er vor einem Wirtshause und wollte da einkehren. Der Wirt schien sehr bekümmert, und es brannten viele Lichter in seiner Stube. Er begrüßte den Rabbi, den er nicht kannte. Und der Baal-Schem fragte ihn: »Kann ich bei Euch zur Nacht bleiben?« Der Wirt antwortete: »Nein.« Und der Rabbi fragte weiter: »Warum seid Ihr so traurig? Erzählt es mir, vielleicht werde ich Euch helfen können, denn ich bin der Baal-Schem.« Und der Wirt erzählte ihm: »Diese Nacht muß ich durchwachen, denn morgen will ich meinen neugeborenen Sohn beschneiden lassen. Es sind mir aber schon fünf Kinder genau um Mitternacht vor dem Beschneidungstage ganz plötzlich gestorben. Ich weiß gar nicht, woher das kommt, denn an den Kindern war gar keine Krankheit zu sehen. Nun ist schon die zehnte Abendstunde, und ich fürchte, daß mir wieder das Unglück zustößt. Darum bin ich so traurig, und darum will ich für diese Nacht keinen Gast aufnehmen.«
Und der heilige Rabbi sagte ihm: »Seid unbesorgt, denn es wird Euch diesmal nichts zustoßen. Bereitet alles zur Beschneidungsfeier vor.« Dann befahl der Baal-Schem zweien von seinen Begleitern, sich mit einem offenen Sack in den Händen neben der Wiege des Kindes hinzustellen. Und seinen übrigen Leuten befahl er, die ganze Nacht zu wachen und in heiligen Büchern zu lesen; sie dürften um Himmels willen nicht einschlafen; und wenn etwas in den Sack fallen würde, sollten sie den Sack sofort zubinden und ihn, Baal-Schem, aufwecken. Und er schärfte ihnen noch einmal ein, für keinen Augenblick einzuschlafen.
Die Leute taten alles, wie er ihnen geheißen. Gegen Mitternacht begannen die Lichter, eines nach dem andern, von selbst zu verlöschen. Doch die Schüler des Baal-Schem blieben stark und wachten weiter. Genau um Mitternacht fiel eine große Katze in den Sack. Sie banden den Sack sofort zu und weckten den Rabbi. Dieser befahl, den Sack mit noch einem Strick zu umbinden. Und als das geschehen war, mußten zwei Männer den Sack eine Zeitlang mit Stöcken prügeln. Dann befahl der Rabbi, den Sack aufzubinden und auf die Straße hinauszuwerfen. Und sie taten so.
Dem Kinde war nicht der geringste Schaden geschehen. Am nächsten Tage fand die Feier statt, und der Baal-Schem hielt als Pate das Kind während der Beschneidung auf seinem Schoße. Nachher bat der Wirt den Rabbi, er möchte auch zum Festmahle bleiben; er selbst müsse aber noch ins Schloß zum Gutsherrn gehen, um ihm ein Stück vom Honigkuchen, der zum Feste gebacken war, zu überbringen; dieser Gutsherr sei ein sehr böser Mensch, und alle Juden hätten vor ihm Angst. Der Baal-Schem sagte ihm: »Gehe in Frieden!« Und er ging.
Wie der Wirt auf den Schloßhof kam, sagte man ihm, daß der Herr verwundet sei und krank im Bette liege. Der Jude bat aber die Diener, sie möchten ihrem Herrn melden, daß er Honigkuchen gebracht habe. Als man das dem Gutsherrn meldete, befahl er, den Gastwirt vorzulassen. Er nahm ihn recht freundlich auf und fragte ihn: »Wen hast du bei dir im Hause zu Gast?« Und der Wirt antwortete: »Es ist ein gar feiner Jude aus Polen. Er hat mir mein Kind vom Tode errettet.« Und er erzählte dem Gutsherrn die ganze Begebenheit.
Darauf sagte der Gutsherr: »Geh nach Hause und bitte deinen Gast, daß er zu mir kommt. Ich will mit ihm sprechen.« Der Wirt ging erschrocken heim. Wie er zurückgekehrt war, fragte ihn der Baal-Schem: »Warum bist du so erschrocken?« Und der Wirt erwiderte: »Ich bin in großer Sorge, denn der Gutsherr befahl mir, Euch zu ihm zu schicken. Ich fürchte, daß er Euch ein Leid antut, denn er ist ein böser Mensch. Ich würde Euch raten, sofort abzureisen. Dem Gutsherrn werde ich sagen, daß Ihr keine Zeit gehabt hättet und schon abgereist wäret.« Doch der Baal-Schem antwortete: »Ich habe vor ihm keine Angst. Gleich nach der Mahlzeit will ich zu ihm gehen.«
Wie der Rabbi vor den Gutsherrn trat, sagte ihm dieser: »Das ist doch wirklich keine Kunst, mich so plötzlich zu überfallen! Ich war ja gar nicht vorbereitet.« Der Gutsherr war nämlich ein gar böser Zauberer; er pflegte sich in irgendein Tier zu verwandeln und die Kinder des Gastwirtes zu erwürgen. »Wenn du dich mit mir messen willst, so will ich gerne ins freie Feld zu einem Zweikampf hinaustreten. Dann werden wir sehen, wer der größere Zauberer ist, ich oder du!«
Darauf sagte der Baal-Schem: »Wenn du mit mir streiten willst, so werde ich meine Schüler um mich versammeln und zu dir kommen. Und du schare um dich deine Genossen, und nach einem Monat werden wir beide zum Zweikampf hinaustreten. Dann wirst du sehen, daß es einen großen Gott gibt, der vor jedem Zauber beschützt!«
Und sie taten so. Der Baal-Schem kam nach einem Monat mit allen seinen Schülern, und der Zauberer versammelte um sich noch andere Zauberer, und sie traten alle ins freie Feld. Der Baal-Schem zog zwei Kreise um sich und noch einen besonderen Kreis um seine Schüler. Und den Schülern schärfte er ein: »Wendet eure Augen nicht von mir. Und wenn ihr mein Gesicht verändert seht, fangt sofort an, inbrünstig Bußgebete zu sprechen.« Auch der Zauberer zog einen Kreis um sich und seine Genossen.
Sie standen weit voneinander, und der Zauberer begann, aus seinem Kreise allerlei Tiere gegen den Rabbi zu schicken. Doch wie die Tiere zum ersten Kreise kamen, verschwanden sie alle spurlos. Und das dauerte den ganzen Tag, jeden Augenblick kam eine neue Art von wilden Tieren, doch sie alle verschwanden zu nichts, sobald sie den ersten Kreis erreichten. Zuletzt sandte der Zauberer gegen den Rabbi Wildschweine, die aus ihren Rachen Feuer spieen. Diesen Wildschweinen gelang es, den ersten Kreis zu überschreiten. Da bemerkten die Schüler in Baal-Schems Gesicht eine Veränderung, und sie beteten sofort mit großer Inbrunst zum Herrn, gesegnet sei sein Name. Wie nun die Wildschweine zum zweiten Kreis kamen, verschwanden sie wie Rauch. Und der Zauberer wiederholte das dreimal, und jedesmal verschwanden die Wildschweine vor dem zweiten Kreise.
Da sagte der Zauberer zum Rabbi: »Genug, ich habe keine Kraft mehr, und mit meiner Kunst ist es zu Ende. Nun weiß ich, daß du mich mit einem Blick umbringen wirst, und ich nehme Abschied von meiner Welt.« Und der Baal-Schem antwortete: »Hätte ich dich umbringen wollen, so wäre von dir längst nichts übriggeblieben. Ich wollte dir aber zeigen, daß es einen Gott auf der Welt gibt, und daß ich ganz ohne Zauberei mehr erreichen kann, als du mit deinen Künsten. Erhebe deine Augen und schau auf den Himmel!« Und wie der Zauberer seine Augen aufhob, kamen zwei Rehböcke gelaufen und stachen ihm mit ihren Hörnern beide Augen aus. Er blieb blind bis zu seinem Tode und konnte nicht mehr Zauberer sein. Er hatte begriffen, was für einen Gott wir haben.