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Johann Petel Hebel.
Lange Kriegsfuhr

Im Dreißigjährigen Krieg, der Schwed' zog durch ein namhaftes Dorf im Wiesenkreis und in dem Dorf durchs Wirtshaus, und im Durchziehen durch den Hof blieb der Knecht des Wirts mit einem Wagen und vier Pferden an der Kolonne hängen. Denn er mußte Tornister führen und Offizierskisten und Weibsleute. Der Meister sagte: »Komm bald wieder heim, Jobbi!« Der Jobbi dachte: An mir soll's nicht fehlen. Die Meisterin weinte und lamentierte, aber ein schwedischer Korporal sagte: »Man wird Roß nicht fressen. Tatar frißt Roß.« Indessen ging die erste Tagesstation nur bis nach Freiburg, die zweite nur bis nach Rippenheim, die dritte nur bis nach Ortenberg, die vierte nur bis nach Hornberg, die fünfte nur bis nach Villingen im Schwarzwald. Dem armen Jobbi so hoch droben bei den Wolken war schon das Leben feil, und die Pferde hätten auch gern ins Gras gebissen, aber noch lieber in den Hafer. Und unter allen vieren beklagte der Jobbi am meisten sein Lieblingsroß, den Jockli, daß er schon in seinen besten Jahren ein Kriegsheld werden mußte. Aber das half alles nichts, wo man hinkam, waren keine Fuhren zu haben, so mußte der Jobbi und der Jockli mit, ungefragt und ungebeten, bis weit hinein ins Schwabenland und hinter sich und für sich, und aus so viel Tagen wurden so viel Monate und mehr, bis er einmal zwischen einem Montag und Dienstag Gelegenheit fand, eine Spazierfahrt für sich zu machen ins Freie. Die österreichischen Vorposten riefen ihn an: »Wer da?« – »Gut Freund.« – »Wer ist gut Freund?« – – »Der Jobbi von da und da.« – »Bassa mallergi«, sagte der Korporal, »bist du Jobbi von da und da?«

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Der Korporal hatte auch schon einen schluck Branntwein oder vierundzwanzig bei seinem Meister getrunken und kannte den Jobbi, und der Vorpostenhauptmann war auch schon auf dem Jockli nach Waldshut geritten und kannte den Jockli. Also sagte der Hauptmann: »Willst du einen Paß nach Haus, oder willst du bei uns bleiben und Geld genug verdienen?« Da dachte der Jobbi: Aufgegeben hat mich der Meister schon lang, und einen andern Zug gekauft. Attrappiert mich unterwegs der Schwede, so geht's zu bösen Häusern oder gar zu bösen Bäumen, und der Mund stand ihm voll Wasser, wenn er sah, wie die österreichischen Dukaten nur so flogen und auf den Boden fielen, und niemand bückte sich danach. Denn der österreichische Krieg hat Geld. Also blieb der Jobbi bei der Armee, hauderte hin und her, bis nach Preßburg hinein im Ungarland und wieder zurück, handelte auch ein wenig und gewann Hüte voll Geld. Der Wagen zerbrach; er kaufte sich einen neuen. Ein Pferd fiel nach dem andern, die Beute hatte andere. Nur der Jockli hielt aus, bergauf und -ab, durch dick und dünn. Gleichwohl dachte der alte Knabe oft an den Meister und an die Meisterin daheim, und wie er auch wieder einmal zurückwolle, wenn's sauber sei im Reich. Und der Meister und die Meisterin daheim dachten auch manchmal an den Jobbi selig, und wie es ihm möge ergangen sein bei den Schweden. Eines Tags, als schon alle Kanonen vom Rhein bis an die Donau und bis an die Ostsee versauft hatten – die Meisterin schnitt die Juppe ein zum Mittagessen, und der Wirt richtete den Zeiger an der Wanduhr, denn es schlug auf der Kirche –, da seufzte die Frau und sagte nichts. Der Meister fragte: »Was fehlt dir?« – »He, nichts«, sagte sie, »ich hab' an den Jobbi gedacht, Gott hab' ihn selig, und an den schönen Zug, heut jährt sich's wieder.« – »Es wird sich noch vielmal jähren«, sagte der Mann. »Gottlob, daß wieder Ruhe im Lande ist.« Indem tritt der Hausknecht herein und sagt: »Meister, da draußen haltet ein obstinater Gesell, ein Ungar mit schneeweißem Bart und vier Rossen, der aussieht wie ein Marketender und hat auch so ein Branntweinfäßlein auf dem Wagen. Kommt mir der Sapperment frangschemang in den 5tall und sagt: »An diesem Platz bin ich der Meister; drauf jagt er Eure Pferde in den Hof hinaus und bindet die seinigen an. Ist noch Krieg oder ist's Frieden?« Indem der Meister hinaus will, kommt der Ungar herein und sagt: »Gemach!« – Der Wirt fragt: »Woher des Landes? Solche Gäste haben wir auch schon gehabt.« – »Eine Halbe will ich«, sagte der Ungar, »von Euerm Besten und zwei Gläser.« – »Das ist nicht von Eurem Besten«, sagte er nachher, »von dem Kreuznacher will ich im hintern Keller oder von dem Laufemer hinter der Brotbahre, wo die Katz' draufsitzt.« – Der Wirt sagt: »Woher wißt Ihr, was für Wein ich im Keller habe?« Der Ungar sagt: »Von Eurem alten Knecht, dem Jobbi«, und wollte sich noch lange verstellen. Als er aber seinen Namen hörte, wiewohl er ihn selber aussprach, konnte er nimmer an sich halten, sondern ergriff die Hand des Meisters, und die Tränen rannen ihm aus den Augen in den weißen Bart wie der köstliche Balsam, der herabfließt in sein Kleid und Lust und Freude erregt. »Ich bin ja der alte Jobbi«, sagte der vermeinte Ungar, »wo einmal bei Euch –«; aber der Wirt und die Wirtin unterbrachen, ihn mit einem lauten Freudengeschrei; »– und den Jockli hab' ich auch wieder mitgebracht«, sagte der Jobbi, »die andern sind neu.« Jetzt ging's an ein Bewillkommnen und an ein Fragen, der Wirt rief die Kinder zusammen, der Jobbi sei wieder da, und die Mutter brachte die Kleinen, eins an der Hand, eins auf dem Arme, aber sie fürchteten sich und schrien vor dem fremden Bart; und der Herr Schulmeister kam im Vorbeigehen auch hinein. Als aber der Meister ein Glas zum Willkommen mit ihm getrunken hatte und wollte ihm nun das zweite einschenken, sagte der Jobbi: »Das Fäßlein! Wir müssen zuerst das Fäßlein abladen.« Drauf brachten der Wirt, der Jobbi und der Hausknecht ein Fäßlein, aber nicht mit Branntwein, nein voll kaiserlicher Taler und Chemnitzer Dukaten ab dem Wagen herein, so schwer sie tragen konnten. »Dies ist Euer Geld«, sagte der Jobbi, »das ich Euch ehrlich verdient habe. Ich verlange nichts als für die sechs Jahre meinen Lohn, und für den Jockli den Ruhestand.« Der Meister sagte: »Du sollst keinen Lohn von mir bekommen, sondern du sollst das Kind im Hause sein, und zwar das älteste.« Aber der Jobbi sagte: »Ihr habt unterdessen, wie ich sehe, Kinder genug bekommen. Laßt mich, wie ich bin«, und ging mit einem Mund voll Brot hinaus, um nach den Pferden zu sehen und seine alten Geschäfte zu verrichten wie vorher, als wenn er nie weg gewesen wäre.

Also blieb er bis an sein Ende im Dienste seines Meisters, und vermachte ihm, weil er keine Erben hatte, noch sein Vermögen von fünfhundertzwanzig Pfund Basler Währung, gut vierhundertsechzehn Gulden rheinisch. Der Meister aber rührte das Geld nicht an, sondern stiftete es für die Armen.

Zwei Tage nach dem Jobbi starb auch der Jockli.


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