Angelus Silesius
Cherubinischer Wandersmann
Angelus Silesius

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201. Der Mensch der andre GOtt.

Sag zwischen mir und GOtt den eingen Unterscheid?
Es ist mit einem Wort / nichts als die Anderheit.

 
202. Alleine seyn gleicht GOtt.

Wer stäts alleine lebt / und niemand wird gemein:
Der muß / ist er nicht GOtt / gewiß Vergöttet seyn.

 
203. Die Demut steigt am Höchsten.

Wer in der Demut GOtts am tiefsten ist versunken /
Der ist der höchste Glantz auß allen Himmelsfunken.

 
204. Der Mensch Jmmanuel

Wer stäts in sich die Schlang' und Drachen kan ermorden /
Der ist Jmmanuel in Christo JEsu worden.

 
205. Das Böse scheid vom Gutten.

Jß Butter iß mein Kind / und Hönig (GOtt) dabey:
Damit du lernst wie böß' und gutt zuscheyden sey.

 
206. Ein Mann und auch ein Kind.

Ein Mann ist nicht ein Kind: doch wisse daß ein Mann /
So du nur wilt in dir mein Kind / wol Leben kann.

 
207. GOtt ist in dir das Leben.

Nicht du bist der da lebt: denn das Geschöpff ist Tod:
Das Leben / das in dir dich leben macht ist GOtt.

 
208. Gelassen muß man ewig seyn.

Wer auch im Paradiß nicht noch sol untergehn /
Der Mensch muß ewiglich / auch GOttes / ledig stehn.

 
209. Die wahre Ledigkeit.

Die wahre Ledigkeit ist wie ein edles Faß /
Das Nectar in sich hat: Es hat / und weiß nicht waß.

 
210. Die Göttliche Heiligkeit.

Mensch ists dein Ernst / du kanst ohn allen falschen Schein
So heilig und gerecht / als GOtt dein Schöpffer seyn.

 
211. Was ist die Heiligkeit.

Rechtschaffne Heiligkeit ist wie ein guldnes Glaß
Durchauß polirt und rein. Geh / und betrachte das.

 
212. Sechs Dinge seynd nur Eins.

Rath / wie ein Mensch und GOtt / ein Löw / Lamm / Rieß' und Kind /
Jn einer Creatur ein einigs wesen sind?

 
213. Die Wortlein Auß und Ein.

Zwey Wörtlein lieb ich sehr; sie heissen Auß und Ein:
Auß Babel / und auß mir / in GOtt und JEsum ein.

 
214. Die Werke gelten gleiche.

Hab keinen unterscheid: heist Gott den Mist verführen /
Der Engel thuts so gern als ruhn und Musiciren.

 
215. Man muß sich recht bequämen.

Wer sich zum Aufgang kehrt / und wartt auf seinen Gott /
Jn dem komt bald herfür das gnädge Morgenroth.

 
216. Was heisset Englisch Leben?

Rein / Lauter / g'lassen seyn / recht lieben / dienen / schauen /
Heist wol mit guttem recht ein Englisch leben bauen.

 
217. Der achtmal seelige.

Sey Hungrig / Arm / und Sanfft / Barmhertzig / Friedlich / Rein /
Betrübt / Verfolgt umb GOtt: so kanstu seelig seyn.

 
218. Die Weißheit wird gemeistert.

Und GOtt sahe daß es alles gutt war / was Er gemacht hatte. Die Weißheit tadelt nichts; sie aber muß allein /
Von jhrer Creatur so offt getadelt seyn.

 
219. Die gutten Werke.

Mit Speise / Trank und Trost / Beherbrigen / Bekleyden /
Besuchen in der Noth / heist GOttes Lämmlein weiden.

 
220. Wachen / Fasten / Bethen.

Drey Werke muß man thun / wenn man für GOtt wil trethen /
Er fordert sonst auch nichts: als / Wachen / Fasten / Bethen.

 
221. GOtt sieht nur zwey Dinge.

Zwey Dinge siht nur GOtt / den Bok / und mich sein Lamm:
Vom Bokke scheydet mich Ein Einge Liebesflamm.

 
222. Es muß Gewuchert seyn.

Knecht wuchre daß du hast: denn wann der HErr wird kommen:
So wird von jhm allein der Wuchrer angenommen.

 
223. GOtt liebt die Keuschheit sehr.

Die Keuschheit ist bey GOtt / so kräfftig / wehrt und rein
Als tausend Lilien für einer Tulpe seyn.

 
224. Die liebreiche Busse.

Freund so du ja nicht wilt ein Junggeselle bleiben /
So wolle dich doch nur mit Magdalen beweiben.

 
225. Die Feuer-Tauffe.

Getauffet muß man seyn: wen Geist und Feuer taufft /
Der ists der Ewiglich in keinem Pful ersaufft.

 
226. Die Tauffe.

Ach Sünder trotze nicht daß du getauffet bist;
Die schönste Lilge wird im Koth zu Koth und Mist.

 
227. Auch darvon.

Was hilfft dichs daß du bist mit Wasser abgewaschen /
So du in dir nicht dämpffst die Lust vom Koth zunaschen?

 
228. Nur eins wil GOtt von uns.

Ein eintzigs Wort spricht Gott zu mir / zu dir / und allen /
Lieb; thun wir diß durch Jhn / wir müssen jhm gefallen.

 
229. Das Bildnuß halt inn Ehren.

Speystu die Bilder an / und bist doch selbst ein Bild?
Was meinstu dann von dir / wie du bestehen wilt?

 
230. Der Lebensbaum.

Sol dich deß Lebens baum befreyn von Todsbeschwerden /
So mustu selbst in GOtt ein Baum deß Lebens werden.

 
231. Die Sonnen wende.

Verwundre dich nicht Freund / daß ich auf nichts mag sehn /
Jch muß mich allezeit nach meiner Sonne drehn.

 
232. Grün und Weiß / hat den Preiß.

Zwey Farben halt' ich hoch / und suche sie mit fleiß:
Grün in Gerechtigkeit / in Christi Unschuld Weiß.

 
233. Die Tugend Lebt in Liebe.

Fürwahr die Tugend lebt / ich sags ohn deuteley:
Lieb / und so sihestu / daß Lieb jhr Leben sey.

 
234. Erwöhle was du wilt.

Lieb' ist die Königin / die Tugenden Jungfrawen /
Die Mägde Werk und That: wem wiltu dich vertrauen?

 
235. Die geheimbe Mässigkeit.

Wer keines Dings zu viel in sich Pflegt einzusauffen:
Auch Gottsdenotatur hic gula Spititualis. (versteh mich recht) den muß ich mässig tauffen.

 
236. Friedreich heist Gottes Sohn.

Nenn mich nicht Seraphin nicht Cherubin / nicht Thron;
Jch wil der Friedreich seyn: denn so heist Gottes Sohn.

 
237. GOtt wil vollkommne haben.

Entwachse dir mein Kind: wiltu zu GOtt hienein;
So mustu vor ein Mann vollkomnes Alters seyn.

 
238. Auß Tugend wächst der Friede.

Fried ist der Tugendlohn / jhr end und Unterhalt /
Jhr Band und Seeligkeit: ohn jhn zerstäubt sie bald.

 
239. Der jnnerliche Friede.

Jn sich mit GOtt und Mensch befriedigt seyn und Ein /
Das muß bey gutter Trew / Fried über Friede seyn!

 
240. Der Göttliche Friede.

Ach! wer in GOtt sein End und seinen Sabbat kommen /
Der ist inn Frieden selbst Verformbt und aufgenommen.

 
241. Die Vierfache überwindung.

Mit listigkeit / Gedult / Gehorsam / Mässigkeit /
Erhältstu wieder dich / GOtt / Welt / und Feind den Streit.

 
242. Jerusalem ligt mitten.

Wer in der mitten ligt / und lacht zu Spott und Hohn;
Der ist Jerusalem deß Königs Stadt und Thron.

 
243. Die Sanfften sind die Lämmer.

Wen weder GOtt noch Feind bringt auß der Sanfften Orden /
Der ist nu gantz ein Lamb im Lamme JEsu worden.

 
244. Verachtet seyn bringt Wonne.

Verlacht / Verlassen stehn / viel leyden in der Zeit /
Nichts haben / können / seyn / ist meine Herrlichkeit.

 
245. Die GOttheit ist meine Mutter.

Auß GOtt bin ich gebohrn: ists ohne deuteley;
So frage mich nur nicht wer meine Mutter sey.

 
246. Was der Teufel hört.

Der Teufel höret nichts / als Donnern / poltern / krachen:
Drumb kanstu jhn mit Lust durch Sanfftmuth thöricht machen.

 
247. Du kanst dem Feind vergeben.

Entbrenne doch mein Kind / und sey ein Licht in GOtt:
So bistu Belials Gifft / Finsternüß / und Tod.

 
248. Die Stille gleicht dem Ewgen nicht.

Nichts ist dem Nichts so gleich als Einsamkeit und Stille:
Deßwegen wil sie auch / so er was wil / mein Wille.

 
249. Der Teuffel sicht kein Licht.

Mensch wikle dich in GOtt / verbirg dich in sein Liecht:
Jch schwehre dir beym Jah / der Teufel sicht dich nicht.

 
250. Die Sanfftmuth zeigt es an.

Kan ich an deiner Thür vergoldet Oelholtz kennen.
So wil ich dich deß Bliks den Tempel Gottes nennen.

 
251. Es muß von GOtt herkommen.

Sol meine Lampe Licht und lautre Strahlen schissen /
So muß das Oel auß dir mein liebster JEsu fliessen.

 
252. Die höchste benedeiung.

Kein Mensch hat jemahls GOtt so hoch gebenedeyt /
Als der Jhm / daß er jhn zum Sohn gebiehrt / verleiht.

 
253. Mit meyden muß man streiten.

Hastu verworffenheit / verachten / meiden / fliehn /
So kanstu thurstiglich mit GOtt zu Felde ziehn.

 
254. Das Seraphinische Leben.

Auß Liebe gehn und stehn / Lieb äthmen / reden / singen:
Heist seine Lebenszeit wie Seraphim verbringen.

 
255. Fünff Staffeln sind in GOtt.

Fünff Staffeln sind in GOtt: Knecht / Freund / Sohn / Braut / Gemahl:
Wer weiter kombtannihilatur, â seipso diffluit, deficit &c. sc: moraliter. / verwird / und weiß nichts mehr von Zahl.

 
256. Nichts Unreins kombt für GOtt.

Ach Mensch werd' überformt: fürwahr du must so fein
Für GOttes Angesicht / als Christi Seele seyn.

 
257. Du auch must für Jhn Sterben.

Deß HErren Christi Tod hilfft dich nicht eh mein Christ /
Biß auch du selbst für Jhn in Jhm gestorben bist.

 
258. Die Ewigkeit.

Jm fall dich länger dünkt die Ewigkeit als Zeit:
So redestu von Peyn und nicht von Seeligkeit.

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