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Als mein Buch »Fechsung« herausgekommen war, dachte ich: Heute riskierst du einmal ein Salon-Wannenbad im ersten Stocke, drei Kronen, wo wahrscheinlich nur die Aristokratie und das Gigerltum baden. Der alte Badediener sah aus wie ein General in Pension, der zu seinem Vergnügen und für Trinkgelder sich den Sport leiste, Bäder herzurichten. Ich sagte: »Das obere Fenster muß geöffnet bleiben!« »Ganz recht, aber wenn das Bad, 27 Grad, fertig ist, wird es geschlossen!« »Nein, es bleibt geöffnet!«
»Herr!« sagte er, »wir sind im März. Wenn die Haut warm ist und Sie heraussteigen, kommt die Lungenentzündung. Das riskier' ich nicht!« »Tun Sie, wie Ihnen befohlen wird!«
»Herr, hier sind die Salon-Bäder, hier habe ich für das Wohl meiner Herren Gäste zu sorgen! Wünschen der Herr einen Hühneraugen-Operateur?!« »Nein, ich habe keine!« »Was es heutzutag für Leute gibt!?« murmelte er und schloß sorgsam den Mechanismus des oberen Fensters.
Der berühmte Graphologe schrieb: »Besitzt schöpferische Phantasie, die bis in die Fingerspitzen übergleitet und dem fremden Auge plausibel gemacht werden muß!«
Die Gattin des Betroffenen, pardon des Betreffenden, sagte: »Das ist ja ein Maler!«
»Nicht wahr?!« sagte der Graphologe.
»Mein Gatte ist Advokat!«
»Aber mit versteckten künstlerischen Trieben, ›verschlagenen Winden‹ vergleichbar!«
»Durchaus nicht!«
»Also hatte sein Herr Vater ›verschlagene Winde‹?!«
»Bitte keine Beleidigung eines Verstorbenen!«
»Wieso wissen Sie und Ihr Mann, was er eigentlich hätte werden müssen?!«
»Das wissen wir allerdings nicht!«
»Nun also! 11 Kronen 70!«
»Und wann, Geliebte, wirst du dir endlich das Einzige, was ich an dir seit zwei Jahren auszusetzen habe, deine Nase, von Gersuny operieren lassen?!«
»Im Notfalle erst, Geliebter!«
»Im Notfalle weiß ich dir ein weniger schmerzliches Mittel! Lasse dir von G. K. oder von A. B. den Hof machen!«
» Weniger schmerzlich?! Für mich, aber nicht für dich, Geliebtester!«
Wenn man so die Berichte über die Schlacht von Lissa, gerade heute, 10 Uhr 30 vormittags, tief erschüttert liest und über das Gehaben der einfachen Männer Tegetthoff, Petz, Sterneck – – – dann begreift man es noch weniger, wieso gewisse Herren z. B. N. W., S. G., oder sogar »gute Sänger« bei Frauen soviel Glück haben! Ach ja, man begreift es, wenn man die Frauen kennt, bei denen sie es haben! Tegetthoff, auf der Kommandobrücke mit gegrätschten Beinen stehend, das Kommando gebend: »Rammen!«, Sterneck, in den Strickleitern hängend, das »Zurück!« nachkommandierend, Petz, mit seinem alten Holzschiffe »Kaiser« die Stahlpanzer vernichtend – – – diesen Leuten oder solchen Leuten würde ich sogar meine Paula Sch. gönnen!
Wenn ich alle Bücher aller Sprachen gelesen hätte, die für mich lesenswert, gewesen wären, wenn ich genug Geld gehabt hätte, um alle Länder (Schweiz, Schweden, Holland), zu bereisen, die für mich sehenswert gewesen wären, wenn ich alle Frauen kennen gelernt hätte, die für mich kennenswert gewesen wären – – – ich wäre vielleicht sogar, ohne mir zu schmeicheln, ein » Peter Altenberg« geworden!
»Das sind Sie ja doch auch so!«
»Das glauben Sie! Sie Dummrian!«
Jeder, Mensch ist nur ein armseliges Partikelchen von dem, was er wirklich ist!
Die das nicht spüren, sind die » Seligen im Geiste«. Ihr Geist schützt sie vor dem Geistigen! Er läßt sie daher schonungsvoll »selig« bleiben.
Jede zärtlichst geliebte Frau wird einem durch die anderen entwendet, gestohlen. Denn entweder man ist minder als sie, dann ist es ein Unglück. Oder man ist mehr als, sie, dann ist es ebenso ein Unglück. Denn die Frau fühlt nur: »Was heißt ›mehr‹?! Was heißt ›minder‹?! Er ist doch vor allem sehr nett! Ich bin doch kein Professor, der ›Sittenzeugnisse‹ ausstellt oder für ›Kenntnisse‹?!«
»Sie, sagen Sie, Sie sind doch ein so großer Frauenkenner, wie kann man also mit einer Frau dennoch auskommen?!«
» Gar nicht!«
Auskommen kann man eventuell mit seinem Geld, mit seiner Schwester, wenn sie einen nichts angeht, mit seiner Mutter, wenn sie gestorben ist, mit seinem Hund, wenn man ihm täglich zu fressen gibt. Ich wüßte kein Mittel, eine Frau wirklich zu befriedigen. Das, das Sie meinen, ist das unwirksamste!
Beschleunigter Zug. Er kommt von Triest. Wir stiegen in Mödling ein. Also »Eindringlinge« für Fernfahrt-Passagiere. Alle Fenster zu, natürlich. Reiche feine Menschen brauchen keine Luft. Sie haben auch so ihr gesichertes Auskommen. Paula stand im engen Gang, ich saß im Kupee. Plötzlich öffnete sie langsam, leise, vorsichtig, das Fenster mir gegenüber, blickte sich scheu um, sagte mir gleichsam: »Ich verschaffe dir Luft!«
Später sagte ich: »Weshalb tatest du es so zögernd?!«
»Ich befürchtete die rohen reichen luftzugfürchtigen Menschen! Und dann fürchtete ich, du würdest es für eine Frechheit halten, die anderen aufzureizen! Dazu sei ich nicht hübsch genug.«
»Habe ich dir das schon einmal gesagt?!«
»Nein, aber immer gedacht!«
Die Sorge einer Mama für ihr Kindchen!
Ja wirklich, die hattest du auf den Frühlings-Landpartien, von sieben Uhr früh bis acht Uhr abends. Ununterbrochen.
Ich danke dir.
Ich bin 56, und du 19.
Ein merkwürdig zartes altes Kindchen, eine merkwürdig liebevolle junge Mama!
Tramway, Eisenbahn, Dampftramway, Gasthauszimmer, immer sorgtest du, daß ich in frischer Zugluft sitze, sorgtest dich, daß jemand von den verfluchten Rheumatikern rufen könnte: »Bitte doch zu schließen, wir sind ja auch noch auf der Welt!«
»Abgehärtet« sein, ist dein Stolz, wie anderen »schön sein«!
Nur nützt es dir länger. Wie lang bleibt man denn schön?! Doch abgehärtet immer!
Du liebst die harte Luft, den Pfeif-Wind, den Biege-Sturm, die Feuchtigkeit, den Regen, und wenn die Kleider dann triefend dampfen in der wärmeren Stube, ist dir wohl und bergalmgemütlich.'
Da saugst du Wärme ein in durstigen Zügen, die du im Unwetter verloren hast!
Heil dir, Paula, die du statt Reismehlpuder die ganze Natur selbst zur Hautpflege benützest! Poren können nicht offen genug sein, so wie Kopf und Herz!
Auch fragen alte Ärzte diskret: »Haben Sie »Öffnung«?! Eine wichtige Frage!
Ja, öffne dich, Menschenblume, Mädchenblüte, der Sonne, dem Regen, dem Wind, Stubenhockerinnen und Reismehl-Puderinnen mögen verkommen!
Mitzi Th.: »Was hab ich schon davon, wenn ich also ganz gerecht, ganz gutmütig bin?! Ihre Anerkennung?! Und was hab ich von der?! Nichts! Wenn ich aber anders bin, treib' ich die Leut' durcheinander, und da fällt für mich auch etwas ab! Einer gönnt mich dann dem anderen nicht, juhu!«
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Ich habe gar keine »Apostel«. Weil ich mit den gut (?!) Bürgerlichen verkehre. Bei » Schweinehirten« und » Kuhhirten« hätte ich welche! Ich habe meinen Beruf verfehlt, ich predige Leuten, die nichts lernen können noch wollen!
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»Der Peter mag mich nicht!«
»Ja, er hat Ihnen aber dennoch gesagt, Sie sollten abends nur ganz leicht verdauliche Speisen essen!?«
»Das sind nur so seine ›fixen Ideen‹!«
»Ja, die sind aber eben » menschenfreundlichst!«
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Wenn jemand im Gespräche sagt: »Ohne Ihnen nahetreten zu wollen selbstverständlich – – –,« tritt er einem direkt mitten in die Seele hinein!
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Sich nicht wehren können?! Wir können ja doch denken und innerlich guillotinieren! Dem Danton, Marat, Robespierre entging vielleicht doch so mancher. Mir keiner.
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» Mir zulieb!« ist eine Erpressung.
» Mir zulieb hat er den ganzen Abend nicht geraucht!« Erpresserin!
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Schimpfet mich nur keinen »Salon-Anarchisten!« Denn ich trage wirklich keine weißen gestärkten Hemden, sondern weiche farbige! Nu also?!
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Religion aller Religionen: Selbstlosigkeit! Bei den Juden erstreckt sie sich auf Gattin, Sohn, Tochter, Tante, Kusine. Bei den Christen sollte sie sich erstrecken auf die – – – Menschheit!
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Zum Heiraten gehört jene Verblendung, um von der Zukunft nicht mehr zu wissen als das Tier!
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Es gibt eine Menge »hochangesehener« Männer, bei deren Grabrede ein ehrlicher anständiger Redner nur sagen könnte: »Pfirsiche hat er nebbich riesig gerne gegessen!«
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Mein erster Vers (1868, in Reichenau bei Payerbach)
Bei Übersendung eines Veilchenstraußes an Frau Paula von W.:
Märzenveilchen – – – blühn nur ein Weilchen! Freust du dich dran nur ein Weilchen, erfreust du den Spender der Veilchen!
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Verse macher.
Das Wort, das nicht bescheiden auftritt als demütiger treuer Diener des Gedankens, ist ein frecher Kammerdiener, der in der Uniform seines Herrn einen Prinzen vorstellen möchte!
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Es gibt nur zwei moderne Gefahren:
Für den Staat – – – der Päderast!
Er verrät sein Vaterland für einen geliebten Engländer oder einen geliebten Franzosen!
Für den Mann – – – die Lesbierin!
Sie nützt den Unglückseligen aus – – – um ihrer geliebten Dame Präsente zu machen!
Beide müssen von Staatswegen unterdrückt, vernichtet werden!
Und die Männer, die sich aber naturgemäß, also Natur ungemäß, von Frauen unterjochen lassen?!
Die erst recht!
Mann, lebe dem Leben! Aber dem ganzen!
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An Frl. M. Th., Widmung:
Man muß immer lernen, immer; nämlich dazu lernen, was man noch nicht wußte, und verlernen, was man bisher falsch wußte!
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Es gibt auch »seelischen« Ehebruch. Eine Frau ist eben entzückt auch darüber, daß man sie verehrt, ohne etwas von ihr zu wollen! Natürlich will man – – – vor allem den Besitzenden schädigen! Eine Dame sagte zu mir: »Mein lieber P. A., das sind noch keine Probleme. Eine Gans, die so reagiert, die schmeißt man hinaus!« »Ja, aber wenn man sie doch gern hat?!« »Dann ist es doch gewiß kein Problem, dann behält man sie!«
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Weshalb früher weinen, ehe es dir das Schicksal unerbittlich gebietet?!
Weshalb früher königlich sein wollen, ehe der Purpur sich wirklich zu entfalten hat und die Goldkrone zu erglänzen hat?!
Weshalb früher das andeuten, wer und was man ist?!
Warte auf deine dich erlösende ideale Minute, warte!
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Daß mich eine verläßt, nachdem ich mir Jahre lang wirklich Mühe genommen habe, Sie zu einem »Menschen« zu erziehen – – – das verstehe ich. Sie will die Wirkung dieses neuen »Menschentums« eben ausprobieren an den anderen. Aber daß sie nicht reuevoll zurückkehrt, irgend einmal, das kränkt mich, Ihretwegen. Sie hat nichts profitiert, da sie nicht zurückgekehrt ist! Denn was hat sie gelernt, wenn sie bei den Trotteln verbleibt?!
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Danton, Marat, Robespierre, sie kämpften um »Ideale« und benützten dazu die Guillotine. Wir auch, wir auch, wir Dichter. Aber wir haben leider keine Guillotine!
Die meisten Mütter geben ihren Töchterchen den Rat: »Erwirb dir seine Achtung – – –.«
Sie müßten ihnen aber den Rat geben: »Erwirb dir seine Verachtung!«
Wehe der Frau, die vom usuellen Manne nicht verachtet wird und nicht mißverstanden wird, als hysterische, halb irrsinnige Persönlichkeit!
Wehe der Frau, die dem Manne verständlich ist! Wehe der Leichtfaßlichen, in jeder Beziehung! In ihrer Rätselhaftigkeit allein liegt ihre Persönlichkeit! Eine Frau verstehen, ist ihre Verurteilung! Das hat sie mit dem Genie gemeinsam! Mit beiden ist es daher gleich schwer, zu verkehren!!! Wenige nehmen sich die Mühe, sie zu »ergründen«. Die meisten ziehen sie nur geschickt-ungeschickt an ihre eigene »Oberfläche«! Die Frauen und die Genies denken daher: »Weshalb soll ich mich flach machen lassen, wenn ich aber doch tief bin?!?« Der Spinat fühlt: »Was bin ich für eine wunderbare Anordnung von lebendigen Zellen, was für ein Mysterium von geheimnisvollem Leben und Walten!?« Aber der Koch macht ein einfaches Püree daraus, und der Mensch frißt es, ohne Phantasie! Also verfährt man mit der Frau und mit dem Genie. Man appretiert sie zu gemeinnützlichen Gegenständen. Man verkocht sie und serviert sie in verdaulichem, genießbarem Format. Daher sagt der verkochte Dichter so oft zu der verkochten Frau: »Siehe, ich allein verstehe dich, und du verstehst mich! Lassen wir uns also ruhig verspeisen!« Und sie schließt die müden Augen, und läßt sich verspeisen, in verdaulichem, genießbarem Format! Wehe aber den Fressern und schlimm Verdauern!
Schon der gute alte, ewig junge neue Friedrich von Schiller sagt irgendwo: »Der Dichter stehe (oder steht) über den Parteien!« Etwas anderes gibt es überhaupt nicht! Der Dichter schaut von hoch oben herunter auf das » Getriebe« der in Vorurteilen dahin wankenden Welt, also sieht er mehr, also sieht er weiter, also sieht er besser, klarer, reiner! Er hockt gleichsam nahe bei Gottes Thron, und schaut mit ähnlich milden verständnisvollen Augen herunter, nur bringt er es meistens in Reime, während der »Höchste« schweigt!
Ein »Ausgleicher«, ein »Vermittler«, ein »zur Besinnung Bringer«, ein »geheimer Agent« des Schöpfers ist der Dichter! Ein » Politiker in höheren Sphären« ist er, weil er auch die fernste Zukunft noch sogar in seine Herzens-Rechnung miteinbezieht!
Wer die unglückselig-stupide Menge, diese » Unmündigen des Daseins«, diese » Kleinkinderbewahranstalt der Welt« aufwiegelt, irreführt, mit »blechernen Worten« hypnotisiert, ist ein feiger Schandbube, kein Dichter! Kindliche hat man sanft zu unterweisen, nicht rebellisch zu machen, nicht daß sie den Kopf verlieren, den sie noch überhaupt gar nicht haben!
[ Apollotheater.] Februar-Programm. Wirklich wunderschön. Gussy Holl ist für mich die seltenste (man darf wohl noch sagen, nach Yvette Guilbert) Edel-Repräsentantin jener mir selbst ganz besonders am Herzen liegenden Kunst, aus einem Nichts ein Etwas, aus einem Etwas ein Alles machen zu können. Kleinkunst, die große Kunst ist! Sie zu schildern, dazu bin ich zu begeistert von ihr. Schildern, mit Worten sich auspomeiseln, können nur die Unbegeisterten. Die haben immer leider ihren Verstand beisammen (?!). Texte null, Lieder null, aber was bringt ein Aufreißen ihrer metall-schimmernden Augen, ein Verzerren ihres Mundes, eine plötzliche scharfe Steigerung ihrer hellen Stimme, eine Geste, eine Pause, ein Nichts?! Von ihr könnten alle lernen – – – daß das Beste nämlich unerlernbar und ein mysteriöses Gnadengeschenk ist, das die unenträtselbare Natur eben einer unter Tausenden verleiht! Bei dem Lied mit der österreichischen grauen Soldaten-Feldkappe habe ich geweint. Ohne Grund, nein, mit!
Als dieses Referat erschienen war, kam am nächsten Tage Gussy Holl in mein Zimmer, setzte sich aufs Sofa und begann zu weinen.
»Aha!«, dachte, ich mir, »eine gut eingelernte Szene, eine gute Regie!«
»Ich habe es mir seit gestern abend vorgenommen, zu Ihnen zu kommen, mich aufs Sofa zu setzen, und mich auszuweinen über alles, über alles in meinem Leben und auch noch extra über Ihre gütige edle Anerkennung!«
Da schämte ich mich denn vor mir selber!
Zumal sie dann sagte, nach einer Pause: »Außerdem habe ich mir erlaubt, Ihnen fünfhundert Ihrer Lieblingszigaretten, Hanum, Korkmundstück, mitzubringen.«
»Mein lieber Altenberg, Sie haben in Ihrem gestrigen Referate über Ihre verehrte Tänzerin Grete Wiesenthal geschrieben, ihre neue Partnerin Ella Simmayer sei ebenso lieblich und graziös wie sie selbst. Das also ist Ihre Verehrung?!«
»Ich habe geschrieben: ›ebenso‹, aber ich hätte auch schreiben können ›noch lieblicher‹!«
»Wo ist da Ihre Freundschaft, Ihre Rücksicht?!«
»Ich wollte der Tänzerin die Ehre erweisen, daß sie der Kunst zuliebe sich eine ebenso liebliche Partnerin selbstlos gewählt habe!«
»Ich glaube, sie hätte auf diese Art Ehrung gern verzichtet und lieber gehört, daß sie die Schönere sei!«
»Dann wäre sie eine Gans und keine Künstlerin!«
»Peter, wenn Ihnen aber zum Beispiel Ihre Verehrer sagen würden, ein anderer Dichter sei ebenso gut wie Sie?!?«
»Pardon, erstens trauen sie sich das nicht, und dann bin ich ja auch ein ausgemachter Schafskopf!«
Also habt ihr euch schon beruhigt, feine Damen, daß euch das Gebäck aus zartem weißem Weizenmehl abhanden gekommen ist?! Ja, seht, spürt ihr denn nicht, daß Gebäck aus Kartoffelmehl und Maismehl viel schmackhafter, viel nahrhafter ist, viel schönere, goldgelbe, hellbraune delikate glasspröde Rinde ergibt?! Bei dieser Gelegenheit will ich euch statt des völlig unnötigen, meist zähen teuren Fleisches, eine ideale Speise sagen: Kipfel-Erdäpfel (Kipfler!) in dicken Scheiben geschnitten, mit Estragon-Essig, Bertram-Essig angemacht, in einer dicken kalten Eidotter-Sauce ( jetzt: Tunke!) schwimmend, in tiefer Glasschüssel serviert! Das Ganze benenne ich: Bertram-Kipfler (früher: pommes minces à l'Estragon!). Ja, der Krieg bringt Veränderungen mit sich. Also, nicht mehr so weinen um die Kaisersemmel und sich kränken wegen der Strizerl und Kipferl! Ein jeder muß, so schwer es ihm auch ankommt, sein Scherflein an Opfermut beitragen. Hihihi!
Ich verstehe einen Vater, der sein zartes Kindchen prügelt wegen einer Lüge. Aber nicht, weil es sich »angewischerlt« hat oder faul war.
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Aphorismen sind doch keine Aphorismen, um Gotteswillen! Es ist doch nur, um Euch im Leben rasch kurz zu helfen! Sie können doch daher weder geistreich noch blöd sein. Wie die Medizinen, die können doch auch weder geistreich noch blöd sein, sondern helfen oder nicht helfen!
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Wenn man einer geliebten noblen Dame sagt: »An dir hab ich nichts auszusetzen!«, bemüht sie sich von diesem Augenblick an, alles das zu vermeiden, was man bisher an ihr auszusetzen hatte!
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Mein Lohndiener im Hotel Johann hieß »Johann«. Infolgedessen sagten die beiden anderen Lohndiener zu ihm »Johann«. Denn er hieß so. Als er aber zum »Portier« avancierte, sagten die Lohndiener erst recht absichtlich »Johann«. Er verlangte, daß man »Herr Portier« zu ihm sage. Das besprachen die Lohndiener eine halbe Stunde lang erregt auf dem Hotelgang vor meinem Zimmerchen. »Wann der das von uns erlebt! So ane Überhebung!« Dann gingen sie hinunter und sagten: »Herr Portier«.
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»Peter, du hast diesem Entlassenen vom Hotel Panhans, Semmering, zehn Kronen geschenkt?! Ich habe ihn hinausgeschmissen!«
»Ja, ich habe ja aber auch einen guten Ruf zu bewahren, als Dichter und Menschenfreund! Aber Du?! Und dann – – – für dich ist er ein »Entlassener«, für mich aber ein »Verstoßener« aus diesem »Paradiese Semmering!« Gleich mir!
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Paula Sch., du bist die einzige Frau in meinem ganzen Leben, vor der ich » Achtung« habe. Daher meine ewige Angst, bei kleinsten Kleinlichkeiten, sie dennoch vielleicht verlieren zu müssen!
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Wenn man gern hat, wird man empfindlich. Wenn man nicht empfindlich wird, hat man nicht gern. Man kann auch empfindlich sein, ohne gern zu haben. Das ist dann eine Krankheit. Aber auch gern haben ist eine Art von Krankheit der zarten Seele.
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Münzensammeln?! Auch eine Art von Glück! Man muß ja nicht gerade Hasard spielen oder lieben!? Aber einer sagte zu mir: »Das mit dem Münzensammeln ist ja ganz nützlich, ich habe dadurch eine unglückliche Liebe überwunden. Aber andererseits, von den sieben existierenden Goldmünzen in der Welt »Kaiser Hadrian« kann ich doch keine je erstehen!«
Zwei Kerle wie wir zwei, sollten zusammen schreiten, wie Danton und Robespierre, mit der Guillotine des – –. Du wirst natürlich glauben, des Geistes! Nein. Denn der Geist ist leider immer milde, verständnisvoll, mitleidig und versöhnlich. Nein. Mit der Guillotine: Haß und Verachtung. Das taugt für die Herde!
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An eine ideale Geliebte:
Merke dir das, Juliane, du hast nur zwei Welten: Mich, den Armen, der dich versteht und anerkennt, und den voraussichtlich kommenden Geldmenschen, der dich versorgen wird! Zwischenstufen, Hofmacher, Blumensender, Im-Trüben-Fischer, gibt es nicht! Aber nicht vielleicht meinetwegen, sondern deinetwegen! Dich degradieren, wozu?!
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Ich lese in dem Antlitz einer Menge von Mädchen: »Weshalb habe ich mich, trotz meiner 150 000 Kronen, mit diesem ganz netten Idioten verlobt?! Mit P. A. wäre es bequemer, angenehmer, außergewöhnlicher, weniger strapaziös, und sogar weniger gefährlich gewesen! Jede Schwangerschaft ist einmal riskant. Wenn auch nur für unsere körperliche Schönheit. Und das Kind, das Kind. Gott, wer garantiert mir, daß es eine süße Stumpfnase bekommen werde, und keine abstehenden Ohrwascherln?! Ja, wer garantiert mir, daß es ein Mäderl werde?! Und ein Knabe fällt doch, zur Schande seiner Eltern, im Gymnasium durch, und wird im Kriege zum Krüppel geschossen. Oder er spielt Hasard und liebt eine schlechte Anna!?«
*
Schöne Frauen kann man nicht bessern! Denn so blöd sind sie ja doch nicht, daß sie ihre » Von-selbst-Wirkung« irgendwie dir noch bezahlen möchten mit Dankbarkeit oder Gutmütigkeit!
Der »Observer« sandte mir einen Zeitungs-Ausschnitt ein, Paris: Mercure de France, mit meinem spationiert gedruckten Namen! Ich errötete wie eine Jungfrau, der man ein riesiges, unverdientes Kompliment macht, um sie dranzukriegen, und auf das sie nie gefaßt war. Also bereits Paris, Mercure de France! Aus meinem »Nachtrag zu meinem berühmten Hygiene-Buch ›Prodromos‹, im ›Forum‹, waren die radikalsten, tiefsten, besondersten Stellen zitiert. Zum Schluß stand: »Glückliches Frankreich, um diesen Dichter hast du die Deutschen wahrlich nicht zu beneiden!«
Du bist also nicht reif für objektive Freundschaft und meine äußerste Anerkennung deiner mystisch-besondern Persönlichkeit!? Die sonst niemand erfaßte außer ich?!
Du willst also wirklich das unmündige Kindchen lieber sein, das man ewig liebkosend in die Arme nimmt und streichelt – – –!?!
Ich hab dich mühsam und voll adeligster Freundschaft geführt auf kühle Gipfel – – –
Wenn du es brauchst, führ' ich dich natürlich wieder sorgsam zurück in deine warmen Niederungen! Von denen du entstammst!
Brauchst du, Schwächliche, wirklich den Geliebten von eh und je, wie ihn Marie und Anna stets sich noch ersehnten?!?
Liebegirrenden Sklaven deiner Nichtigkeiten?!?
Willst du, mußt du eingeschläfert werden mit dem Wiegengesang der Lebenslüge?!?
Mußt du es hören, daß du bereits ganz wertvoll bist, statt zu vernehmen die Verkündigung, daß du's erst werden könntest, für und für?!?
Mußt du das Wort: Du bist mein alles – – –! hören, um dich einzulullen im Wirrsal deines Seins?!?
Wohlan, ich selber will dich führen zu dem Mann, der dieses Morphium deiner Seele spendet!
Und hast du dich berauscht, betäubt genug am Gift des flachen Tages und der armen Stunde, dann kommst du vielleicht wieder für einen Augenblick zu mir zurück und atmest ein die Luft von Höhen, die du damals noch nicht vertrugst! Ich werde warten – – –. Kommst du aber nicht, so werd' ich fürder vom Gedanken leben, daß du einstmals, von einem Dichter irregeleitet, am Weg nach oben fast bist gewesen!!!
Wenige vertragen die Sennhütte und Wäldereinsamkeiten.
Sie brauchen Täler und Geselligkeit. Und irgend einer muß sie über ihre Nichtigkeit hinüberbringen, trösten – – –.
Ich sitze im kleinen herzigen Café meines Hotels. Es ist ein kühler angenehmer, wenn auch grau eingedeckter Frühlingsmorgen. In meiner Nähe sitzt eine Dame mit einem hellblonden, zarten, süßen Mäderl von neun Jahren, das die Ellbogen auf die Tischplatte aufgestützt hat und den Kopf hie und da auf die Hände legt. Ein mir befreundeter Hauptmann sitzt bei ihnen, wortlos. Dann kommt er an meinen Tisch. »Ein süßes, zartes, trauriges Geschöpferl!«, sage ich. »Wenn Sie erst aber wüßten, was ich von ihr weiß! Ihr Vater ist Hauptmann, kam verwundet zurück, wurde von Mama und Kind bei Tag und Nacht abwechselnd gepflegt. Um wieder bald in den Krieg zu ziehen. Beim zweiten Abschiede erfaßte das Kind die Breitseite seiner Hand und drehte sie rasch mit merkwürdiger Kraft von links nach rechts mit beiden Händchen. Der Vater schrie auf, schüttelte sie ab, sagte: ›Ist das dein Abschied, Puppe?!‹ Später gestand sie der Mama, sie habe dem geliebten Papa die Hand auskugeln wollen aus dem Gelenk, damit er bei ihnen bleiben könne und nicht erschossen werde!«
Man wird es mir nicht übelnehmen, daß ich seitdem das Kind grüße wie die Erscheinung einer Heiligen.
»Sehr interessant, dieses Zimmerchen. Aber sagen Sie mir, Peter, können Sie denn in einem Raume, in dem sich zugleich Ihr Bett, Ihr Nachtkästchen samt Inventar befindet, dichten?!«
» Ich, ja. Sie können es nicht einmal in einem dreifenstrigen Salon!«
»Weshalb gleich so spitzig, so bissig, Meister, wenn ich für Sie ein bequemeres Heim erwünschte?!«
»Ein bequemeres?! Sie wollen mir mein unbequemes vermießen!«
»Sie sind heute in gereizter Stimmung!«
» Heute nicht, aber jetzt!«
Er entfernt sich kopfschüttelnd.
Von Leopold Ziegler
»Im Zeitalter Balzacs besteht die Treue der Frau nur noch in der unausgesetzten Wachsamkeit des Mannes; ihre Treulosigkeit ist das Gebot der Natur und die Folge der guten Gelegenheit. Von der tieferen Bedeutung des Vorganges ahnt Balzac nichts oder vielleicht will er nichts davon ahnen. Er scheint nichts zu wissen von der tragischen und zarten Auffassung Goethes in den Wahlverwandtschaften – Goethes, den niemand bezichtigen wird, er sei ein Eckensteher der Moral gewesen. Weder Balzac noch ein anderer Franzose würde es begreifen, warum der deutsche Dichter aus einem Ehebruch, der bloß in der Phantasie begangen ward, mithin aus einem latent gebliebenen Vergehen, die Zerrüttung und unaufhaltsame Zersetzung einer ganzen Familie ableitet. Daß schon die bloße in der Einbildung vollzogene Unterschiebung eines anderen Gatten während der Umarmung das Ehebett entweihen könne und die Ehe zerbreche – diese äußerste Verfeinerung und Verchristlichung des Gefühles für Treue wird immer nur sehr wenigen Menschen begreiflich sein. Aber unter diesen wenigen wird sich kein Landsmann Balzacs befinden. Der Weltmensch, der Bescheid weiß und Frauen wie Männer kennt, lehnt sich gegen die Moralisierung einer Sache auf, die seiner Ansicht nach nichts mit Moral zu schaffen hat. Es ist bezeichnend, daß Balzac eine seiner Frauengestalten, die trotz einer unbesieglichen Leidenschaft ihrem ungeliebten und stupiden Gatten die Treue bis zum Tode hält, zuletzt auf die furchtbare Frage verfallen läßt: warum sie eigentlich das alles auf sich nehme, warum sie dem Phantom der Treue eigentlich ihre Liebe, ihr Herz, ihr Leben opfere?! Sie weiß darauf keine Antwort, und Balzac weiß auch keine. In der Tat, es gibt keinen Grund, warum man sich zugunsten einer bloßen Konvention selbst verleugnen soll. Die konventionelle Auffassung der Ehe zerstört auch die Tragik des Ehebruchs. Die Ehe als Angelegenheit geschlechtlichen Genusses, der Sitte und der Übereinkunft, dieses bloße Verheiratetsein ist von Grund auf allzu verschieden von dem herzlichen Zusammenwachsen zweier Menschen, die für sich allein das Leben tatsächlich einsam finden müßten. Es ist fraglich, ob jene Ehe, die ihrem eigensten Begriff nach gar keine ist, überhaupt gebrochen werden kann. Auf jeden Fall sind in ihr höchstens Konvention und Eitelkeit, nicht aber Vertrauen, Treue und Gemeinschaft zu brechen.« » Amen, Peter Altenberg.«
*
»Was nicht Paris ist, das ist in gewissem Sinn überhaupt nicht. Diese hoffnungslose provinziale Zurückgebliebenheit, diese Plattheit, Nüchternheit und Häßlichkeit des Lebens auf dem Lande oder in der kleinen Stadt, hat ein für allemal in Flauberts ›Madame Bovary‹ die gültige Darstellung gefunden. Will man wissen, was für einen Franzosen von menschlichem Rang die Provinz bedeutet, so erleide man den niederdrückenden Einfluß dieses Buches, wo mit exakter Schonungslosigkeit der kleine Alltag, wie er der Tag der überwältigenden Mehrzahl ist, seiner letzten bescheidenen Würde entkleidet wird. Hier hat eine glänzende, aber tief unbefriedigte Natur an der profunden Traurigkeit des Pflicht- und Werkeltages Rache geübt und mit grausamer Lust den Schmelz von den menschlichen Zuständen abgestreift, von den Vergnügungen und Eitelkeiten der Sinne nicht minder wie von den großen Leidenschaften, die uns sonst vorwärts treiben oder aufwärts tragen sollen. Es wird gezeigt, wie in mittleren Schichten der Gesellschaft, in kleinstädtischer oder bäuerischer Umgebung just das, was uns sonst beflügelt, zum Unheil ausschlagen muß. Wie eine Flamme, die man in nassen Lappen erstickt, verschwelt und verkohlt hier das Leben stinkend in sich selbst. Durch jeglichen Mangel an Fruchtbarkeit, Adel, Tiefe, Gewalt, Macht, Fülle, Glanz und Festlichkeit zur Unseligkeit dauernd auserlesen, würde der Bürger aus der Provinz schier das Tier im Stall beneiden müssen, wenn er seiner überhaupt selbst bewußt werden könnte. Unter den Zeugnissen der schwer pessimistischen, ja nihilistischen Weltstimmung, die im vorigen Jahrhundert in Europa überall durchbrach und dem Philosophen ein so ernstes Rätsel aufgibt, nimmt das Werk Flauberts einen wichtigen Platz ein. Denn es zweifelt das Leben da an, wo es am meisten problematisch ist, nämlich an dem Eindruck der zyklischen Wiederkehr bleierner Alltäglichkeiten. Diese Wiederkehr ist es, welche die Aufwallungen und schwellenden Gefühle hochgestimmter Seelen niederzieht. Sie läßt die Tage mit erschütterndem Gleichmaß hintereinander in die Zeit rinnen, in der sie spurlos verschwinden wie Tautropfen auf dem unermeßlichen Spiegel eines Weltmeeres. Nirgends zeichnet sich hier ein Ungemeines, Wunderbares am Horizont des Bewußtseins ab, an welchem sich das Gemüt etwa wieder aufrichten könnte. Nirgends die Tat, der man zujauchzen dürfte, nirgends eine Feierlichkeit, ein festlicher Tumult, wo man ›in Gott entzückt, in Gott berauscht‹ (wie es das griechische enthousiazo will) sich selbst aufgeben, selbst vergessen könnte. Statt dessen geschieht immer dasselbe, immer das Ähnliche, gestern, heute und übern anderen Tag. Und während unerfüllte, unerfüllbare Wünsche wie geile Mänaden nach der Ankunft des Dionysos lechzen, zerstört gerade das Mißverhältnis zwischen Wunsch und Wirklichkeit die seelische Gesundheit völlig. Zuletzt will der Ekel ein Leben geendet sehen, das im höchsten Maße nur noch brüchig und elend ist.«
Siehe, so, so, so, ganz so, ist das Leben unserer wohlerzogenen unglückseligen bürgerlichen Mädchen! P. A.
*
»Wer seine Kräfte im Fluß, seine Seele in der Bewegung und Strömung erhalten will, der muß darauf bedacht sein, eine gewisse Fröhlichkeit, ein niemals völlig absterbendes Gefühl von Glück in sich zu tragen. Wenn die äußeren Umstände, die Durchkreuzungen und Hemmungen aller Art das Leben durchaus hoffnungslos erscheinen lassen, wenn selbst für rosige Betrachtung nirgends ein Grund zur Fröhlichkeit, zum Glück entdeckt wird, so gilt es eben, ein solches zu schaffen. Dies ist grundsätzlich möglich. Denn wie es in der Welt nichts gibt, was dem einzelnen nicht eine Quelle der Übellaune, Verdrießlichkeit, der Trübsal und Schwermut werden könnte, so gibt es auch andererseits wenig, was ihn bei einigem guten Willen nicht zu erquicken, nicht zu beleben vermöchte. Ist man nun entschlossen, diese Anlässe zu freudiger Bewegtheit nicht sowohl dem bloßen Zufall anheimzustellen, sondern eigenmächtig und zielbewußt selber herbeizuführen, so nähert man sich zweifellos schon einer Lebenspraxis, ja einer Lebenskunst, die man im echten Sinne humoristisch nennen darf. So übt das unvergleichliche Schulmeisterlein Maria Wuz unseres unvergleichlichen Jean Paul Friedrich Richter eine Gepflogenheit, die, trotzdem sie lächerlich erscheint, vorbildlich weise ist, indem sie einer unendlichen Vervielfältigung und erweiterten Anwendung wohl fähig wäre. »Vor dem Aufstehen,« äußert das drollige Männchen, »freu ich mich auf das Frühstück, den ganzen Vormittag aufs Mittagessen, zur Vesperzeit aufs Vesperbrot und abends aufs Nachtbrot, und so hat der Alumnus Wuz sich stets auf etwas zu spitzen.« Lächeln wir getrost über diese Kindlichkeit, aber erkennen wir auch gleichzeitig die genialische Weisheit an, die in einer solchen Lebensführung liegt. Ich sage genialische Weisheit, weil hier der äußere Anlaß nichts mehr, die innere Disposition, die selbsttätig eingenommene seelische Haltung alles bedeutet. Nach diesem Vorgang steht es uns allen frei, auf irgend ein Ereignis des Tages unsere Freude zu häufen und infolgedessen die Fähigkeit, uns zu freuen, wach zu erhalten, zu kräftigen, zu vervielfachen, – wie gleichgültig, kleinlich, unerheblich, kindisch dieses Ereignis an sich sei. Nicht gleichgültig, nicht kleinlich, nicht kindisch ist die Freude selbst, die dadurch erzeugt wird, denn sie bringt Licht und Wärme in unseren Zustand, macht uns unser selbst bewußt und liefert den Nährboden, meinetwegen auch den Dünger zu allem guten Tun und Schaffen. Wie ein physiologisches Organ durch richtigen Gebrauch vor der Rückbildung bewahrt und zur Kräftigung angeregt wird, genau so werden seelische Anlagen und Fähigkeiten durch den Gebrauch gestärkt und entwickelt. Gewöhnt man sich daran, über geringfügige Anlässe Freude zu empfinden, so wird der lustbetonte Zustand allmählich über jeden anderen dominant. Und er wird sich selbst dort noch behaupten können, wo der gelegentliche Reiz, die zufällige Ursache oder Bedingung ausbleibt. So wächst der Mensch mit seiner Lebensstimmung allmählich über jede Zufälligkeit überhaupt hinaus, indem sein innerlicher Zustand bald gar nicht mehr vom äußeren Anlaß abhängt. Er ist in jedem Augenblick der, der er sein will, er hat die innere Fröhlichkeit in seiner Gewalt wie ein wohl geübtes und ausgebildetes Organ, er bleibt auch dann noch meisterhafter Spieler, wo das Instrument beschädigt und manche Saite der Klaviatur zerrissen ward. » Amen, Peter Altenberg.«
Was tust du Gutes der Rose, die dir sowieso duftet?! Du schneidest dir sie ab, du steckst sie in dein Glas, in dein Zimmer!??
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An ein schönes Kind:
Du wirst dich noch wundern, wie wenig es zu wundern gibt!
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»Paula, man wirft dir es vor, daß du ›Gesichter schneidest?!‹ Wie wenn man Beethoven Dissonanzen vorwürfe! Es ist die Sehnsucht, der Schrei nach der Konsonanz!
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Nachdem wir alle einmal sterben müssen, ist es doch eigentlich ganz gleichgültig, wann?! So und soviel Erlebnisse halt mehr! Es wäre denn, daß ein Gebenedeiter des Schicksals mit neunzig ruhig sagte: »Ich hätte jetzt wirklich schon nichts mehr dagegen gegen einen letzten endgültigen Frieden!«
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Wenn eine Frau einen noch so gern hat, so spürt sie es doch, und sogar intimst, wenn ein anderer sie liebgewinnt. Erstens an und für sich, und zweitens, weil sie fühlt, daß es ihr dennoch irgendwie bei dem Geliebten nützen wird! »Siehst du, ich gefalle auch anderen, siehst du, aber nur nur dir gehöre ich!«
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Das Land Steiermark hat ein Gesetz erlassen, daß das Pflücken von Bergblumen, Berggedichten, von nun an verboten ist: Es ist verboten, Enzian in sämtlichen Sorten, Primula auricula odorata, Speik, Kohlröserln, Edelweiß, Alpenrose, zu pflücken! Heil!
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Die Zahnstocher befinden sich, in allerersten Restaurants und Cafés, bereits in Papierhülsen. Heil!
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Wenn man Papierblumen machen kann, die sich anfühlen wie Blumenblätter, weshalb macht man nicht Papierservietten, die sich anfühlen wie Leinen?!?
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Engländer und Amerikaner gehen längst ohne Kopfbedeckung. Bei uns fürchtet man den Schrei der Straße: » Wo is der auskummen?!« Ist es eine Schande, aus Vorurteil und blöder Konvention heraus endlich » auskummen« zu sein?!
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Bei »Bertini« in Venedig, wird der Rasierpinsel vor deinen Augen aus einer plombierten Pergamenthülse aus der Desinfektions-Fabrik aufgebrochen, zehn Centesimi extra! Bei »Bertini« in Venedig, aber leider nur dort!
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Die junge Venezianerin trägt Wochen- und Feiertag stets nur ihren schlichten edlen schwarzen Wollschal, wird durch die Blusen bei »Zwieback«, »Gerngros«, »Bitmann« nicht aufgeregt oder auf »andere Gedanken« gebracht!
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Es gibt Pakete von ganz winzigen: savon une fois, Plassard, Paris. Gemeinsame Seife ist eine – – – Gemein – – – samkeit!
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Frauen sollte man überhaupt sogleich vernichten, sobald sie irgend eine Initiative ergreifen! Wenn sie aber einen »geliebten!?!?« Mann wegen politischer Sachen rächen, schützen wollen, sollte man aus ihnen »Hundefutter« in einer Hackmaschine machen! Arme Hunde aber! Wie kommen die dazu, sich den Magen so zu verderben?!?
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Die Franzosen haben noch immer, wie eh und je, den schauerlich-blöden Sinn (Un-Sinn) für die Pose, das Theater, den » Pflanz«! So einst für den nierenkranken, daher ungenialen Napoleon den Dritten, und die wunderbar schöne, bigotte, daher verderbliche Eugenie!
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Frankreich ist das Land des stupiden Temperaments! Sie sprechen die gern frei, die im Affekt gehandelt haben! Bei uns gibt es in solchen Fällen » Steinhof«! Es ist auch nicht besser, aber es schaut doch besser aus! Im Garten steht doch wenigstens geschrieben: »Das Wegwerfen von Papierschnitzeln oder Orangenschalen ist strengstens verboten!«
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Nur die Mißgestalteten können lieben, denn sie haben das Glück, nicht erhört zu werden!
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Gibt es überhaupt eine tiefere Enttäuschung als zu sehen, daß sie auch nicht anders ist wie alle die anderen?!
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»Er ist auch nicht anders wie die anderen!«, ist das beste Mittel, eine Frau von einem abzubringen. Denn wenn man sagen würde, er sei schlechter als die anderen, würde sie sich vielleicht interessieren.
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Jede Kokette gibt gerade so viel, als nötig ist, einen jeden zu fesseln. Am wenigsten also dem, der »von selbst« funktioniert, also dem, der sie wirklich lieb hat!
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Ich sah einen Mann mit einer » geliebten« Frau brechen, weil sie nicht warten wollte, bis er sein Bier ausgetrunken hatte im Restaurant. Das sind eigentlich schon »mythische Helden«! Nein, die anderen sind nur »feige Sklaven«!
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Eine wunderschöne, junge Dame sagte zu mir: »Ich habe gestern die Lebensgeschichte der › Barbarina Campanini‹ gelesen. Da lernt man erst, was für Genialität dazu gehört, um ein wirklich wertvolles Mistvieh zu werden! Um nur ganz kleine Wanzen zu werden – – – da bleibt man doch wirklich lieber gleich anständig!«
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Es gibt nur eine einzige Genialität: Die Wahrheit! Und nur eine einzige Talentlosigkeit: Die Unwahrheit!
Wie ist es, Dichter, Mann, Mensch, wenn die Frau in exaltierter Naturliebe sich an dir emporrankt?!
Und z. B. niederkniend, die Hände gefaltet, den Rücken gegen dich, dem abendlichen stillen Hügelwald der Schwarzföhren entgegenstarrt?!
Oder sich bückend, einem hellbraunen Bockkäfer seine sanften Schritte nachblickt auf weißem Waldweg?!
Oder – – –
Du stehst zurück, du rückst an zweite Stelle, denn die Naturpracht ihres unterm Kleid verborgenen Leib-Mysteriums wirkt mit zusammen mit dem offenkundigen und dennoch ebenso versteckten Waldesrätsel!
Eins stört das andere in dir, du kannst nicht beiden Herren dienen, zugleich, zumal der eine religiöser wirkt! So bist Du abgelenkt, gestört! Gehindert!
Meines Vaters Todesstunde
»Also, mit 85 werde ich nun abberufen, bon. Mit 69 war ich von allen Ärzten aufgegeben. Also habe ich, den Tag zu 7 Trabukko-Zigarren gerechnet, meinen Lieblingen, die Gnade des Schicksals genossen, noch unverhoffte 4880 Trabukkos auf Erden zu rauchen! Viel mehr haben mir diese geschenkten sechzehn Lebensjahre ja nicht mehr eingetragen. Als ich anfing, mir im Winter um vier Uhr morgens, wie ich es zeitlebens gewohnt war, nicht mehr selbst den Ofen mit Holzfeuer heizen zu können und freudig zu warten, bis es wacherlwarm wurde im Zimmer, begann ich sogleich einen Teil meiner bisherigen Lebensfreude oder Lebens-Elastizität einzubüßen! Ich fühlte mich wie ein verbrauchter Kautschuk.
Er ist noch, aber er läßt sich nicht dehnen und er schnellt nicht mehr freudig zurück! Meine geliebte Tochter hatte mehr Arbeit mit mir. Früher sagte sie: ›Ich hause mit einem Jüngling-Vater!‹ Sie spürte mich allerdings nie. Sie kaufte die Trabukkos ein, sorgte für Essen und Wäsche. Sie sagte sogar: ›Vater, du bist bequemer als ein Gatte!‹ ›Das will ich meinen!‹ erwiderte ich und fragte, ob die abgelegenen Trabukkos schon angekommen seien?! Denn die letzte Sendung, meine liebe Gretel, war, ich will dir's jetzt nachträglich gestehen, etwas zu feucht! Nun ade, 4880 Trabukkos, durch die Gnade eines unverdienten Schicksals noch geraucht, und sei bedankt, Gretel!«
»Lieber Herr Georg, nicht wahr, bitte, das hat doch wirklich gar keinen Sinn, daß Sie mir vor Peter so den Hof machen, und hinter seinem Rücken so still verehrungsvoll neben mir dahergehen, so vorwurfsvoll und ehrerbietig?! Lassen Sie doch das alles, ein für allemal, sämtliche Nüancen der Seele und des –. Meine Bitte wird erhört werden!«
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»Liebes Fräulein, meine riesige ungeheure Freude, daß Peter nach allen Irrnissen und Wirrnissen gerade Sie gefunden, entdeckt hat, hat sich malheureuserweise bei mir zu einer persönlichen Sympathie › degradiert‹! Ihr Brief hat mir geholfen, zu meiner reinen ehemaligen Bruderliebe zurückzufinden! Daß Sie das konnten, ist Ihre ewige Ehre!«
9. März 1915. 7 Uhr morgens. 1 Grad Reaumur über Null. Sonst nichts Neues. Mein 56. Geburtstag. Wie wird er gefeiert werden?! Indem ich mir für mein Geld eine Gmundener Porzellanfigur kaufe, Maria mit dem Kinde, in goldenem Mantel, rotem Kleide, blonder Haarflut, 25 Kronen. Abends 7 Uhr kam Paula, mit einer Glas-Photographie, vors Fenster zu hängen, der »Dürrensee«. Der Abend verlief matt. Ich war müde vom Bier. Ich sagte: »Ich halte darauf, daß die Dinge, von denen man sich etwas Besonderes erwartet, nichts ergeben! Das reinigt – – – von den belastenden Erwartungen!«
Sie sagte: »Daß du nur auf der Welt bist! Wann du gekommen bist, ist ja wirklich gleichgültig!«
»Ich bitte höflichst um einen Ihrer schwedischen herrlichen Doppel-X-Haken für Wandbilder.«
»Wir haben gestern leider gerade unseren letzten verkauft!«
»Ja, ich habe ihn noch erstanden für 14 Heller. Weshalb haben Sie nicht bei den letzten tausend nachbestellt?!«
»Ja, wissen wir denn, ob sie ›gehen‹ werden?!«
»Es ist doch eine große Nachfrage!?«
»Ja, aber kann man sich darauf verlassen?!«
»Die schwedischen X-Haken sind aber doch direkt ideal, schön und praktisch!«
»Was heißt ideal?! Unsere alten Wandhakerln waren auch nicht schlecht. Weil's jetzt X-Haken heißen?! Hakerl is Hakerl!«
Ja, dich sollte man mit dem ›Hackerl‹ erschlagen!
Daß es sogar in Eisenhandlungen Rückschrittler gibt?!
Welch tragisch-lächerliches Schicksal, ein Mann geworden zu sein?!
Da doch jede Frau sich als mißbrauchten Gegenstand betrachten muß, falls man – – –.
Oh, oh, weshalb bin ich nicht lieber als ihr weißes liebes Nachttöpfchen auf die Welt gekommen?!
Als ihr weißes zartes Batisthöschen?!
Als ihre weiße Lilienmilch-Seife?!
Als ihre weiße Badewanne?!
Ich Unglückseliger muß ausgerechnet als ein Gegenstand auf die Welt kommen, dem sie selbstverständlich mißtraut?!
Wie beneide ich dich ewig, weißes Badetuch!
Wenn du mein Gefühl, ich aber deine Qualitäten hätte!
Frauen haben kein Gefühl für Allein-sein-wollen – – – des anderen!
Nein, wenn sie ihn gern haben, haben sie es nicht, haben es verloren, wie in einer plötzlichen mystischen Erkrankung!
Das heißt, sie wissen alles, alles, was er braucht – – und möchten es ihm spenden, ach wie gern, und können's nicht, gelähmt von ihrer scheinbar selbstlosen Liebe!
Nicht, bei ihm zu sein, ist ihre zehrende Not, sondern daß er es ewig brauche möchten sie, für sein Glück, daß sie bleibe, bleibe und bleibe!
Sie möchten es ihm mystisch zart beibringen irgendwie, wie durch Radium oder drahtlose Telegraphie, wie er in jedem Augenblicke mit ihnen sein solle, auf daß sie leben könnten und nicht leiden müßten!
Und wär er so, nur vierzehn Tage lang, käm' eine neue Krankheit vielleicht in ihr Herz, königliche Gleichgültigkeit und Langeweile!
Man wertet Wahrheiten falsch! Alle nämlich sind gleich wichtig!
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Delikatessen?! Der Hunger macht eine harte Brotrinde dazu!
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Kennst du die allergrößte Delikatesse für einen Hund? Geräucherter Lachs! Da vergißt er sogar momentan auf seine Hundetreue, läßt sich verlocken. Aber wie selten kommt das vor in diesem Hundeleben. Geräucherter Lachs!? Wenn nur geliebte Frauen auch nur auf »geräucherten Lachs« reagierten!
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Ich kann zwar finden, daß unbekleidet zu gehen das Gesündeste ist! Wenn ich es aber ausführe, werde ich eingesperrt. Natürlich, ein jeder ist eben nicht so gut gewachsen, daß er sich zeigen kann. Besonders Frauen. Deshalb schreibt das Gesetz die Paquin-Poiret-Toiletten vor!
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Der »Berner Bund« hat mein Buch »Fechsung« verrissen, ein Dr. Walter Reitz. Wenn der frühere Chefredakteur und Dichter, der Name ist mir entfallen, noch gelebt hätte, der in mildestem Verständnis immer für mich, so sehr für mich war! Aber er ist nicht mehr. Wanen kunnt' mer! Eine Dame sagte zu mir: »Im ›Berner Bund‹ ist eine so reizende pikante boshafte Kritik. Das Buch muß ich mir also doch kaufen!«
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Es heißt: Sei kurz und bündig! Ich würde vorschlagen: Sei kurz und mündig!
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Paula Schweitzer, Gebenedeite, ich hab dich ja gar nicht so gern als ich dir dankbar dafür bin, durch dich allein es zu wissen, wie wenig ich alle anderen gern habe und je gern gehabt habe!
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Eine Frau ernstlich lieb haben, das stelle ich mir sehr möglich vor, obzwar ich selber es leider Gott sei Dank nicht zustande bringe. Aber einen Mann ernstlich lieb haben, das stelle ich mir schrecklich schwer vor, so das Objekt eines Subjekts zu sein, das oft ein recht merkwürdiges Subjekt ist!
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Weshalb der »Geist« so wenig bewirkt?! Weil er nur ein ganz winziger Faktor im Gesamtorganismus ist. Es sind nämlich noch da: Die Leber, das Herz, der Magen, der Darm, die Niere, die Hoden, die Gebärmutter, die Epidermis, und die Vorurteile!
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Die Natur, die Musik, die Einsamkeit, den Frieden, die muß man hysterisch, übertrieben, krankhaft, pathologisch, zum Verrücktwerden, lieb haben! Sonst bleibt man leider » a g'sunde Natur«!
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»Herr von Altenberg haben die merkwürdige Gabe mitbekommen, alle Ihre Exzentrizitäten als das Heil der künftigen Menschheit zu empfinden!«
»Ja, diese Gabe habe ich allerdings!«
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Ein jeder Mensch will »hinauf« kommen und nicht »herunter«. Aber die meisten kommen dadurch »herunter«, daß sie »hinauf« kommen. »Das verstehe ich nicht, pardon,« sagte ein Bankdirektor zu mir. »Das glaube ich wohl, sonst wären Sie ja nicht hinaufgekommen!«
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»Mein lieber Herr Peter, Ihre Freundschaft zu Ihrer Paula in allen Ehren, aber dieses Benehmen?! Wenn ich komme, sich wie ein gekränktes Baby hinter dem Bette zu verkriechen und gar nicht hervorzukommen, mir einen schönen, guten Abend zu wünschen?!«
»Ist das nicht wunderbar, nicht rührend, so zarttragisch seine Trauer, seine Angst, seine Eifersucht zu bezeigen?! Wenn ich ein Aschantee-Mädchen vernachlässigte, eine andere favorisierte, ging sie in ihre Hütte, legte sich hin, zog ihren pagne über den Kopf zum Zeichen der Traurigkeit!«
»Bitte sehr, von mir hat sie nichts zu befürchten!«
»Aber vielleicht von mir!«
»Man muß doch ein bißchen um Gotteswillen die Dehors wahren!«
»Nein, die Dedans!«
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Ein plötzliches Verstummen, Erbleichen, kann eine schrecklichere Szene sein als das Abschlachten der armen Desdemona durch Othello!
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Ich, Paula, denke mir es immer: »Wenn ich schön wäre, wäre ich dann vielleicht auch so gemein wie diese verwöhnten Schönen?!« Aber weshalb denken die Schönen nie: »Wenn ich häßlich wäre, wäre ich da auch so gutmütig dankbar wie die Häßlichen?!« Die könnten es ja nämlich ändern!
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»Alles was man gewohnt wird, taugt nicht der Seele. Sie ist einmal so. Ich bin direkt froh, wenn er mir einmal nach Monaten sagt: ›Du Luder!‹ Denn ich bin es vielleicht, wenn auch nicht gerade ihm gegenüber!«
Ich habe mir sechzehn gelbrote Tulpen gekauft, für blaue und braune Tonvasen. In der kalten Nachtluft, 5 Grad über Null, ich schlafe bei geöffneten Fenstern, schließen sie sich, ducken sich zusammen, schützen vor allem ihre Staubgefäße, ihren Stempel, diese Weiter-Entwickler ihrer Edelart! Bei Tag, 15 Grad, öffnen sie ihre Hülle, zeigen sich prachtvoll nackt!
Eine wunderschöne junge Dame sagte: »Ja, aber sie duften nicht!« »O ja, meinen Augen!« erwiderte ich. »Da habe ich Tubarosen schon viel lieber, die sind nicht so zudringlich prächtig, aber sie duften süß!« »Ja, alles kann man bei den Blumen nicht so beisammen haben, wie bei Ihnen, Fräulein!« erwiderte ich.
Der Nachmittag ist anders wie der Vormittag im Walde. Ha, welche tiefe eigenartige Weisheit und Erkenntnis! Wie ein nüchterner frischer Mensch und wie ein satter ermüdeter ist es! Vormittags Leben, Leben, nachmittags Ruhe, Ruhe! Man erwartet die Abendkühle, die Abendfeuchtigkeiten, Alles erwartet es, sogar der Teich, dem es doch wirklich alles eins sein könnte! Die Blutbuche erschimmert Venen-düsterrot, während sie vormittags noch Arterien-hellrot erglänzt hatte. Die lila Tulpen sind fast schwarz geworden, »Betula alba« ist mehr gelblich geworden als weißglänzend. Ganz gleich bleibt sich nur der Wasserfall im Farrenwalde und alles Immergrün, deshalb heißt es auch wahrscheinlich so. Der edle Düster-Wald bleibt edel-düster, so oder so, Stimmungen können ihm Gott sei Dank nichts anhaben, während die anderen leider abhängig sind von hilfreichen Sonnenbädern, Lichtbädern! Der Nachmittag heißt:. »Schläfer in den Wiesen«, der Vormittag heißt: »Frische Hoffnung wegen nichts und wieder nichts!«
Es darf für den modernen, alles durchschauenden, in gewisser Beziehung bereits wirklich allwissenden Mann nicht mehr heißen: »Wer eine Frau also ansieht, daß er ihrer begehret, der hat mit ihr bereits die Ehe gebrochen – – –,« sondern es muß noch radikaler lauten: »Dann hat sie bereits mit ihm die Ehe gebrochen!« Denn eine getreue Frauenseele muß also mit einem Walle von Unnahbarkeit und Uneinnehmbarkeit, von Würde und Seelenadel geschützt, behütet, verteidigt sein, daß Don Juans feiger Blick sich senkte und scheu zur Seite sich wendete! Wenn ihr den Eroberer nicht besiegen könnt, durch euer bloßes Sein, könnt ihr ihn nie und durch nichts besiegen! Er muß vor dem Mysterium eures heiligen, edlen, in sich gekehrten Seins innerlich auf die Knie gezwungen werden und reuevoll euch belassen im Frieden eures Herzens! Wehe den Minutenspendern, da doch das Leben nach Jahren zählt! Frauen, seiet so, daß der wilde Krieger vor dem Walle eures Tempels freiwillig umkehre! Frei und willig! Dann wird die Eifersucht, diese schrecklichste Erkrankung der Mannesseele, gebannt, verbannt, besiegt sein!
»Ich spüre es, du willst mich los werden, weißt es noch nicht genau, wie es geschickt, unmerklich, nicht allzu grausam bewerkstelligen?!«
»Sagtest du denn nicht immer, du wolltest nur mein Glück, meinen Frieden?!«
»Ah, ist es dein Glück, dein Frieden, wenn ich weggehe?!«
» Vielleicht – – –.«
» So verstandest du also meine Opferfreudigkeit?!«
»Ja, so! Wie denn anders?! Wie verstandest du es?!«
Sie weint.
Jetzt wird gleich kommen: »Man soll keinem Manne vertrauen!« Nein, meine Liebe, man soll sich nichts in seinen idealen Träumereien vornehmen, wozu man weder Kraft, noch Lust, noch ehrlichen Willen hat, es reell durchzuführen! Seelenschwindler hoffen immer, es werde gut ausgehen, meistens aber geht es eben schließlich schlecht aus.
Die, die sich für mich aufopferte, fand in meiner Tischlade zehn wunderbare Briefkuwerts, in modernen Farben. Sie schrieb darauf mit Bleistift: »Für welche, um Gotteswillen?!« Ich sagte zu ihr: »Ersuche dringend, mir meine Briefpapiere nicht zu beschmutzen!« Es war wirklich für M. Pr., Kontoristin irgendwo. Alle anderen fünf Ladenmädchen dort waren daher wütend. Sie sagten zu der M. Pr.: »Ha, der Narr?! A schöne Eroberung!« Infolge dessen hatte es gar keine Wirkung. Infolgedessen sagte ich zu der sich Aufopfernden: »Ja, es war ein Liebesbrief an M. Pr. Sie hat nicht geantwortet. Bist du glücklich?!« Da sagte sie: »Ein dummes Mädel! Wahrscheinlich hat man sie abgeredet aus Eifersucht. Was nützt es ihnen nun? Deine Sehnsucht bleibt doch!«
21. März 1915
Von meiner Schwester, Hofrätin Marie Mauthner
Wie würde sie aussehen? Wie groß wäre sie? Diese Fragen schweben unentwegt auf und nieder im Herzen jener, die sie verließ. Eine sechzehnjährige Tochter, kein Spieltöchterchen mehr, wäre im Hause, eine Tochter. Und Mama hätte nicht dieses unnennbare Gefühl plötzlicher Verlassenheit, das sie so oft auf der Straße überkommt, wenn ihr plauderndes lächelndes Kind, wie einst, ihre jetzt Sechzehnjährige neben ihr herschritte. Sie würde gewiß weniger Späße auf der Straße machen, mit denen sie gar so gerne ihre Mama neckte, sie würde sich wohl nicht mehr so geschickt dicht hinter ihr verstecken, so oft M. M. sich nach ihr wenden wollte, blitzschnell um sie herum springen, sodaß sie unsichtbar blieb; sie würde gewiß nicht mehr auf einmal verschwinden, rein nicht mehr zu sehen sein, wenn M. M. und Tante Greti, eifrig miteinander sprechend, auf einmal das Kind nicht mehr sahen. Tante Greti, ganz betroffen, entdeckt den Schelm; rasch, rasch eilt sie auf der anderen Seite der Straße auf dem Trottoir der Martinstraße zu. Und sie zankt mit Tante Greti, daß sie sie verraten habe, sie hat sich so auf den Spitzbubenstreich gefreut. Sie würde nicht mehr in lustiger Kinderei verschwinden, das alles würde sie vielleicht nicht mehr – aber sie würde da sein, da sein, bei ihrer M. M. Und jetzt ist sie auf eine ganz andere Straße hinübergewandert und ist nicht zu entdecken, wie sich M. M. auch rundherum dreht, sie hat sich zu gut versteckt vor dem ewig nach ihr suchenden Auge der Mutter.
Liebe P. H.!
Nun ist die Stunde gekommen, da ich endgültig fort muß, den unglückseligen Dichter seinem Schicksale überlassend! Ich überantworte ihn Ihnen, da nur Sie die romantische ergebungsvolle und verständnisvolle Seele unbedingt zu haben scheinen vor allen anderen. Ich habe drei Jahre lang mich geopfert, da ich das Leben dieses Dichters für wertvoller und wichtiger halte als unser persönliches Glück! Was einer armseligen kleinen Person wie ich es bin als höchste Aufgabe erschien, wird für Ihre romantische Seele nicht weniger bedeuten dürfen! Nur fliehen Sie die übrigen Männer! Es sind Unholde, die uns schon dadurch zerstören, daß wir sie nicht ernstlich lieb haben können, nicht achten, nicht zärtlich vergöttern können! Sie verhindern einfach unseren »poetischen Idealismus« in uns, sie degradieren uns zum tierischen »Weibchen«, hassen unsere seelischen und geistigen Werte, die für ihre Zwecke wirklich »unnötig« sind! Anders der Dichter! Ich segne Sie!
Ihre Anita.
Dieses Gespräch halte ich für typisch:
Der Herr: »Weshalb reisen Sie also dennoch jetzt mit ihm fort?!«
Die Dame: »Er kann es ja ohne mich doch nicht aushalten!«
»Sie meinen wohl, Sie ohne ihn nicht?!«
»Nehmen Sie mir doch nicht meinen Idealismus!«
»Sie wollen sagen, Ihren Größenwahn?!«
*
Ich bin Heide, ich habe drei Götter: Goethe, Bismarck, Beethoven! Nun werden Sie sagen, bequem hat er sich's gemacht, die bedeutendsten drei Menschen! Nicht deshalb, sondern nur weil sie fähig waren, von oben herab, also an Gottes Thron, ins Weltgetriebe hineinzulauschen, und hinüber, und hinaus! Weil sie schauten, rund um herum! Ohne »Scheuklappen«.
*
Als mich heute, 12. April 1915, vier nachmittags, ein wunderschönes Fräulein in der Tonvasen-Handlung bediente, sah ich eine, die mich nicht bediente, aber die Vasen dann einpackte. Infolgedessen habe ich mir das Seidenpapier, das Packpapier, den Spagat für immerwährende Zeiten in eine japanische Schachtel gelegt.
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Schenke nur, wenn dir ernstlich zu schenken ist! Denn dann schenkst du nicht, sondern wirst beschenkt!
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Rechnung.
Sie kam, wie ein flüchtendes Kindchen, zu spät zu mir, um zu lernen, zu profitieren, mit 20! Sie hätte mit 15 kommen müssen! Aber mit 15 wäre sie eben nie gekommen. Wüßte ich, daß sie nur zufällig erst mit 20 kam, würde ich sie noch immer liebevollst aufnehmen! Aber sie kam erst mit 20, weil sie schon 20 war. Da verstieß ich sie!
*
Wenn eine junge Schönheit es mir mitteilt: »Ich bin halt leider keine Naturfreundin, soll ich Sie anlügen?!«, könnte sie es mir ebenso mitteilen: »Ich malträtier' halt leider gern unschuldige Tiere und Kinder!«
»Aber, aber, Herr Peter, das ist doch ganz was anderes!«
» Nein, denn auf die kleinen Nüancen von Herzlosigkeit kommt es eben schon nicht mehr an!«
*
Wenn man einer Frau es ununterbrochen mitteilt, wie wunderbar schön sie sei, ist sie so befriedigt, daß sie gar nicht mehr »befriedigt« werden will!
*
Junge zarte schöne Frauen sind immer nur gerade so lange »tuberkulös« als das Geld des Mannes oder des Liebhabers ausreicht, sie in fashionable Heilkurorte zu schicken. Später werden sie auch ohne das gesund.
*
Wie du dich benehmen sollst, Geliebteste, Verehrteste, anderen gegenüber, fragst du ängstlich?!
Ich weiß es nicht.
Aber benimm dich so, daß mir kein Leid geschieht!
*
Kannst du jemandem, der dir beim Gruß die Hand reicht, die Hand brutal refüsieren?! Das, das übe dir, Geliebteste, zu Hause stundenlang vor dem Spiegel ein – – – bis du es gut kannst!
*
»Weshalb soll ich mir Feinde machen?!« sagt die Hure.
»Weshalb soll ich mir nicht Feinde machen?!« sagt die Heilige.
»Weshalb gleich Extreme?!« sagt die Dame, die überhaupt eben deshalb keine ist.
*
»Sie, Peter, was ist das also mit dieser Paula Sch.?! Sie sind ja doch ein ›Anarchist der Seele‹!« »Für mich ist sie, was für den Katholiken die Peterskirche ist. Irgendwo wird man eben doch fromm! Sogar wenn man es nicht ist!«
*
»Womit, bitte, hat sie Sie »herumgekriegt?!«
»Damit, womit mich der Schneeberg, der Semmering, die Dolomiten, der Gmundener See, herumgekriegt haben!«
*
» Interessiert Sie eine Jüngere, Schönere, also nicht mehr?!«
»O ja, ich denke mir: wie interessant, daß du, Peter, trotz deines Geistes dich solange düpieren lassen konntest! Von Gänsen und Kanaillen!«
*
»Achachachach,« jammern unsere Morgenblätter und Abendblätter, »unsere zarten Damen werden sich halt doch sehr schwer des zarten und gewohnten weißen Weizengebäckes entwöhnen!« Ja, die Herren gewöhnen sich auch ziemlich schwer an Leberschüsse, Nierenschüsse, Herzschüsse und neuartige, Schützengrabenunbequemlichkeiten!
*
Wenn meine geliebteste Geliebte mich mit Albert Bassermann, mit Puccini, mit Chamberlain betröge – – – das könnte ich verstehen, verzeihen! Aber wenn sie mich mit S. G. betrügt – – – das verzeihe ich ihr noch leichter, denn das wird sie tief bereuen!
»
Sei, die du
bist!
Nicht
mehr, nicht
weniger!
Aber die
sei!
Und in allem und in jedem – – –.
Willst du's versuchen,
dir selbst zu entrinnen?!
Vergeblich!
Dein Gott
in dir läßt es nicht zu – – –
Und auch dein Satan
in dir hält seine Beute!
Folge doch also lieber
deinem Sterne,
Der vielleicht schon
deinen Urvätern milde
oder verhängnisvoll geschimmert hatte – – –.
Und solltest du dabei auch in den Abgrund stürzen,
So sei es wenigstens der
deine, in dem du zerschellst!«
Er sagte: »Diese Königswiese, sieh, ist die zweitgrößte Wiese in ganz Niederösterreich!«
Er machte eine Pause, um ihr Zeit zu lassen zur Frage, welche denn die erstgrößte wäre?! Als die Frage nicht eintraf, sagte er: »Die erstgrößte nämlich ist die Bodenwiese am ›Gahns‹. Man geht in gerader Richtung über sie eine volle Stunde lang, hundert Mäher brauchen acht Tage lang, um sie abzumähen!«
Sie fühlte: »Wenn du mir jetzt noch berichtest, wieviel Ochsen und Kühe dieses Abgemähte fressen, dann erkläre ich dich für den größten Fadian, den es auf der Welt gibt!«
L'amour, c'est une concentration tout-à-fait pathologique sur une seule personne, un parti pris imperturbable, une idée fixe inguérissable – – – vous voyez donc, qu'il n'existe pas!
*
Si les désenchantements sont plus grands que l'amour, vous êtes un malheureux!
Si l' amour est plus grand que les désenchantements, vous êtes un idiot!
*
Ill y a un mystère qui nous fait vivre – – – la femme!
II y a une réalité qui nous fait mourir – – – la femme!
*
Une dame qui nous mène au »skating«, pour que nous ayons le bonheur de pouvoir l' attendre, est un animal non apprivoisé!
Une dame qui ne peut pas attendre après le souper jusqu'à ce que notre bière soit bue, est un animal tout simplement!
*
Allumer une cigarette amicalement à un monsieur, c'est quelquefois plus que de se donner tout entière!
*
Connaissez-vous l'étincelle de l'âme dans l'œil?! Vous le trouverez toujours chez le chien, jamais chez la dame!
*
En cas de femmes, je préfère être un sage malheureux qu'un idiot heureux! Mais c'est chose de goût et surtout de constitution somatique!
Von stundenlangen weißen Wegen im schwarzen Föhrenwald feucht-kalt ermüdet, speisten wir in Mödling, abends neun Uhr, im Zirbelholz-Stübchen, genannt »Extrazimmer«.
Ja, es ist » extra«, nämlich gemütlich und kein Speisesaal.
Ich aß Hecht mit Sardellen, sie natürlich ein billiges aber dennoch zartes Wild-Hachée mit Ei.
»Ich habe noch nie im Leben Hecht gegessen!« sagte sie.
Ich aß ungerührt weiter.
»Und ich noch niemals Wild-Hachée!«
»Und dennoch ess' ich deinen Hecht mit, weil er dir schmeckt! Und nicht nur mit, ich esse ihn sogar allein!«
Der Zug nach Wien hatte 1½ Stunden Verspätung.
Infolgedessen trank ich drei halbe Liter Brunner Bier.
Auf der Bahnhofsbank schlief ich daher an ihrer Schulter ein.
Als ich erwachte, sagte ich: »Bist du müde?!«
»Jetzt nicht mehr, dein Schlaf hat mich gestärkt!«
Ihr seid nahe daran, mich Egoisten zu verachten, ein müßiges Geschäft; ich rate euch, verehret lieber sie!
*
Semmering, am 27. Juli 1914.
Verehrter Peter Altenberg!
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie glücklich Sie mich mit Ihrer unglaublichen Güte und Liebenswürdigkeit gemacht haben. Ich möchte Ihnen so gerne richtig danken und sehe erst, wie dumm ich bin.
Ich finde alles, was ich sagen könnte, so inhaltlos und uninteressant.
Sie werden doch von so vielen außergewöhnlichen Menschen vergöttert. Wenn ich daran denke, kommt mir meine Begeisterung ganz beleidigend für Sie vor. Ich möchte Ihnen nur einmal sagen, daß Sie für mich der Idealmensch und -dichter sind und daß ich Ihnen über alle Grenzen dankbar war, schon bevor Sie persönlich so gut zu mir waren. Bevor ich Sie kannte, war ich gar nichts, ich hatte kein Selbstbewußtsein und war überhaupt vollständig unglücklich.
Dann habe ich Ihre Bücher gelesen, diese Extrakte der Lebensweisheit und -güte. Sie können sich nicht vorstellen, welchen Eindruck sie auf mich gemacht haben. Ich glaube nicht, daß schon jemals ein Mann, so wie Sie, die Frauen verstanden hat und alles so fabelhaft richtig sagen kann.
Ich liebe jetzt das Leben, ich weiß, daß es herrlich und wunderbar sein kann und alles, alles habe ich Ihnen zu verdanken. Ich habe nur einen Wunsch: Sie persönlich kennen zu lernen, trotzdem ich sehr befürchte, daß ich Ihnen gar nicht gefallen werde.
In tiefster Dankbarkeit und Verehrung
Dora P.
Ihre Bilder habe ich immer bei mir und schaue in Ihre mir befreundeten Augen.
Wenn ich eine vollkommen elastische Gangart habe, dann brauche ich keinerlei Zeugnisse von anderen, daß ich einen vollkommen elastischen Gang habe; nur wenn ich ihn nicht habe oder unvollkommen habe, suche ich emsig und unwillkürlich nach Leuten, die mir etwas bestätigen, was ich gern haben möchte, aber nicht habe! Bescheidenheit ist ein Anzeichen » innerer Vollkommenheiten«! Die Schwalbe, der Turmfalke, der Kondor, sagen nie: »Ich fliege gut!«, noch weniger aber erwünschen sie sich ein günstiges Urteil diesbezüglich von anderen! Die Rose sagt nie: »Bin ich schön rot, dufte ich dir süß?!« Und wenn man es zu ihr sagte, hörte sie gar nicht hin, denn es geschieht ja sowieso!
»Mein lieber Herr, ich habe heute früh eine der rührendsten Szenen des tragischen Lebens erlebt!«
»Was haben's denn schon wieder erlebt, Peter?!«
»Ich saß heute, 28. Juli, um sieben Uhr morgens im ganz einsamen Graben-Café. Da kam ein marschmäßig adjustierter Offizier mit seiner wunderbar schönen, schmalen, braunen Geliebten. Sie frühstückten. Dann legte sie ihren Kopf auf seine Hand. Dann nahm er ihren Kaffeelöffel aus der leeren Schale, küßte ihn und steckte ihn in seine Tasche!«
»Peter, was Sie immer Apartes erleben! Aber wieso grad' Sie solche Sachen, und nie ein anderer?!?«
»Ich erlebe sie, weil ich sie mir erdichte!«
» Was?! Also das Ganze ist ein Schwindel, von Ihnen erfunden?!«
»Weder ein Schwindel, noch von mir erfunden! Viele, viele Offiziere möchten so einen Abschied feiern, ein teures Andenken des geliebten Mundes mit sich nehmen ins Ungewisse! Aber es fällt ihnen nicht ein, sie genieren sich vor ihrer eigenen Romantik und dem Zug ihres weichen Herzens!
Na, da muß halt der Dichter mithelfen und die Herren auf eine gute ausführbare praktische Idee bringen. Dazu ist er ja da!«
Die Tini Senders vom »Burgtheater« hatte es gern, mich so scheinbar voll momentanen Interesses auszufragen, über komplizierte Vorgänge des Lebens, und um mich, der sich mehr für »Bier« interessierte, empfänglich zu machen (fünf Kronen wollte sie nie riskieren!), begann sie stets mit ihrer jesuitisch-gutmütigen Stimme: »Peter, Sie wissen doch alles, sagen Sie mir also – – –.« Und ich sagte ihr also, sie solle mir eine Monatsrente von 25 Kronen bezahlen. Eines Tages sagte sie sanft: »Peter, Sie wissen doch alles, sagen Sie mir also, was war denn das Besondere an dieser ›alten Burgtheater-Garde‹, die man uns immer so vorhält?! Oder ist das nur das Lob der ›guten alten Zeiten‹, mit dem die Alten sich an den Jungen rächen, weil sie alt geworden sind!? Peter, wie ist es, Peter?!«
Ich wollte schon sagen, der Grund ist, weil Sie mir keine Monatsrente bezahlen wollen. Aber ich sagte: »Sie alle wirkten durch ihr › Sein an und für sich‹, nicht durch ihr › Können‹! Sie waren alle Originale, grundverschieden von allen anderen Leuten, auch wenn sie nie eine Bühne betreten hätten, sondern Kaufleute, Beamte, Advokaten, Ärzte geworden wären. Nur konzentrierte sich bei ihnen noch dazu alles ›Besondere‹, ›Außergewöhnliche‹, ›Anders-sein‹, ›Meschuggene‹, ›Pathologische‹, ›Exzentrische‹, ›Melancholische‹, ›Graziöse‹, ›Tragische‹, ›Lächerliche‹, auf die drei Stunden von sieben bis zehn Uhr abends! Ihr seid Menschen, und nur außerdem spielt Ihr! Das waren Spieler, und nur außerdem hie und da Menschen!«
»Peter, das ist mir zu hoch, Peter, blamieren Sie mich nicht!«
»Zahlen's a Monatsrente!«
»Sei schroff-unerbittlich und liebenswürdig-zart, immer da, wo es gerade am Platze ist!«, ist die geheime stumme Bitte der Ideale träumenden Frau. Sie hat das Glück, es immer nur träumen zu können!
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Wenn du einer geliebten Frau etwas direkt ernstlich verbietest, eröffnest du ihr dadurch ihr Paradies geheimnisvoller Verstecktheiten! Wenn du es ihr aber nicht verbietest – – – ist sie dir dafür dankbar?! Wofür denn auch eigentlich?! Du hast ihr ja doch nichts verboten.
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Daß sich jemand wegen dir kränkt, Fraue, befriedigt, entzückt dich tausendmal mehr als daß einer wegen dir glücklich ist! Ganz selbstverständlich. Der, der sich kränkt, kränkt sich mehr als der glücklich ist, der glücklich ist! Also bist du gerecht wie Gott, Fraue, du Teufeline!
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Die Liebe der Frau, die wir haben, ist nie echt! Aber ihr Mitleid mit den anderen, die sie nebbich nicht haben, das ist echt!
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Strindberg hatte recht: man darf geliebten Frauen nicht trauen! Aber er faßte es als Problem. Über das man nachdenkt. Das ist falsch. Man muß es als unumstößliche Tatsache fassen, für ewig.
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Es gibt unter Milliarden auch eine »hysterische ergebene Heilige«. Aber welche Überhebung, welcher stupide Größenwahn, daß gerade du sie erwischest!
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»Sie hat mir meinen ganzen schönen Idealismus zerstört!«
Welchen?! Daß du nicht fähig bist, eine wertvolle Frau ganz zu befriedigen?!?
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Dem »blendenden« und düsteren Leben gerade ins Gesicht schauen können, das konnten Goethe, Bismarck, Beethoven. Dazu muß man eben gute Augen haben; um alles Licht, alles Dunkel zugleich und hintereinander zu vertragen!
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»Daß du, Geliebter, es sogleich bemerkt hast, daß ich auf deinen Freund ›fliege‹, rührt mich so, daß ich ausnahmsweise es sogleich unterlasse, ihn mir einzufangen!«
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Ich glaube es meiner Freundin nie, daß sie es nicht gerührt spürt, wenn einer, der sie lieb hat, still gekränkt hinwegschleicht. Ich würde es ihr nie glauben, wenn sie spüren würde: Ha, ein dummer lächerlicher roher Belästiger! Aber das – – – spürt sie nämlich auch nie! Kanaille!
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Es ist nicht so wichtig, daß eine verehrte Frau uns ernstlich lieb habe als daß sie alle anderen ernstlich hasse und verachte!
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»Peter, du hältst also jede hübsche Frau für eine ausgemachte H…?!«
»Nur insoferne sie dem Zauber: ›Dem Menschen dort scheine ich etwas ganz Besonderes zu sein!‹ immer verfallen bleibt!«
»Wenn ich aber eben nicht darauf reagierte?
» Du nicht, aber deine Gebärmutter!«
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Ich machte heute, 20. April, meinen ersten Frühlingsausflug nach Schönbrunn. Ich sah den taubengrauen Adler »Agujâ«, die Hirschkuh vom Damwild, das Nilpferd im Sumpfe schlafend und den fünfzigjährigen Elefanten »Peter« Burgunderrüben zermalmend, zerquetschend. Ich sah an einem Baume erbsengrüne Büschel von Blättchen, und eine junge Frau sagte zu einem Mäderl: »Wart nur, gleich wird dich der Bär holen, der Spitzelbart, der Löwe!« Immer dasselbe, seit fünfzig Jahren. Habt ihr denn noch immer keine anderen Erziehungsmittel erfunden?!
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Es gibt ganz winzige Sachen im »Weltkrieg«, die für die Zukunft von Vorteil sein werden. Z. B. daß Brot aus Maismehl, Kartoffelmehl viel, viel schmackhafter, gesünder, leichtverdaulicher, weil sandig-krümelig statt klitschig-pappig à la »feuchter Glasererkitt«, ist. Dann: Nimm, o Hausfrau, 30 Dekagramm Maismehl, 20 Deka Kartoffelmehl, 2 ganze Stückchen Dr. Oetkers Backpulver, vermenge es sorgfältig, tue hinzu sodann einen Kaffeelöffel voll Salz und ½ Liter kalte Milch, rühre daraus einen dickflüssigen Brei, backe es braun, serviere es mit Aprikosen-Salse, Himbeer-Salse, und du wirst dem Weltkrieg eine gute Seite auf deine Weise abgewonnen haben! Du kannst es als deine Erfindung ausgeben, ich gestatte es, rundweg, besonders nachdem alle deine Gäste doch hoffentlich schon P. A. gelesen haben!
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»Mein lieber Peter, Sie sind pathologisch veranlagt! Sie verehren die Frauen, ohne sie in Besitz zu nehmen. Was haben Sie dann von Ihnen?!«
»Ihr seid noch pathologischer. Ihr nehmt die Frauen in Besitz ohne sie zu verehren! Was habt ihr dann von Ihnen?!«
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Dezidierte präzise Urteile dürfen nur Genies haben und Beschränkte, d. h«. die dürfen nicht, aber sie haben!
Für dich allein im ganzen Leben hatte ich »echte« Gefühle,
denn das Irdische, das unentrinnbar, unbezwingbar ist,
hatte dir vorerst bereits beschert, wessen du bedurftest als irdisches Geschöpf:
Einen edlen, tief verständnisvollen Gatten und zwei Töchterchen,
die eure in euch beiden versteckten und unentwickelten Ideale erst verkörperten, zum Leben brachten, an Leib und Seele – – –.
Aber diese andern Spatzengehirne und verkrüppelten Herzen, voll Eitelkeiten und Genußsucht,
die ewig etwas vom Schicksal sich erhoffen und erträumen, das ihnen von Gottes Ungnaden für ewig verweigert ist,
die, die erhoffen es, von diesem träumerischen Esel »Dichter« die Sensationen zu erhalten auf billiges Offert!
Doch diese sind nur, als Krönung des Gebäudes, denjenigen gewährt vom gnadenreichen Dasein, die auch dem Leben des Tages und der Stunde stets treu gedient als kniegebeugte Mägde!
Du warst getreu und ohne Falsch – – –
Da darf der Dichter seinen Lorbeer halten, und dein geliebtes demütiges Haupt wie einer adeligen Siegerin des Lebens krönen –.
Und er darf weinen, ohne daß du's weißt!
Nie hab ich deine Hand berührt, denn in dem Blicke deiner Augen fand ich bereits Erfüllung aller Menschlichkeiten – – –
Pfui über die, die sich das zarte kranke Dichterherz zulegen wie Perlenhalsband und Smaragdrivièren – – –. Wie rauschender Seidenroben ekle Nichtigkeiten!
Möge er sie besingen und erhöhen, solange es nur gerade seiner Dichtermacht paßt – – –.
Aber möge er sie auch die Stunde erleben und erleiden lassen, da er sie in den Kehricht aller Wertlosigkeit des Lebens versinken läßt!
Um sich zu rächen, sagen sie dann: »Er war ja doch ein Narr, ein Dichter – – –.«
Dich aber grüße ich, ewig ehrerbietig, genial-bescheidene Hausfrau, Gattin, Mutter, Freundin! Dich, die nichts mehr will und nichts mehr braucht!
Sie wissen natürlich nicht, was eine Gusto-Katz ist?! Das heißt, Sie wissen es leider alle ganz genau, nur den genialen wienerischen Ausdruck kennen Sie nicht dafür! Die » Gusto-Katz« ist unser aller ewiges Unglück, und tragisches Verhängnis. Und nachdem fast in jeder schönen Frau eine Gusto-Katz versteckt lauert, so ist die Gusto-Katz die Tragödie unseres ganzen Lebens. Was eine Katz ist, wissen Sie, ein falsches, schleichendes, sich nichts merken lassendes Vieh mit Samtpfoten. Und was ein »Gusto« ist, wissen Sie auch. »Ich hab einen Gusto grad' heut auf Kaviar!« Oder auf Gurken, oder auf Leberwürste usw. Nun, wenn eine Frau eine Katz ist, und noch dazu immer irgend einen plötzlichen ausgefallenen » Gusto« auf irgend einen Mann hat, dann können Sie sich denken, meine Herren, wie wir ungefähr ausschauen, wenn wir so eine » Gusto-Katz« lieb haben! Gräßlich. Ein Ochs ist dagegen ein Nietzsche! So was Blödes wie wir in diesem Falle, gibt es in der ganzen Naturgeschichte nicht mehr. Die Macht der »Gusto-Katz« ist, daß sie besonders unseren »Frieden«, unsere »Ruhe« haßt und daher alles tut, damit er uns » gestört« werde! Davon lebt sie! Ich rate Ihnen, meine Herren, lassen Sie sich mit einer jeden Frau ein, die Sie lieb haben, vielleicht gelingt es Ihnen doch! Nur mit der »Gusto-Katz« gelingt es nie, nie! Dehn sie ist – – – eine Gusto-Katz!
Die Französinnen schicken eigenmächtig die »Drückeberger« an die Front, auf daß sie Frankreich erretten!
Eine entsetzlichere Verlogenheit gibt es nicht! Die Französin, die bisher nur für Befriedigung ihrer schändlichen Eitelkeiten (Kleider, Hüte, Schuhe, Strümpfe, Schmuck, Auto, Geld) Sinn hatte, will plötzlich leidenschaftlich, daß Elsaß-Lothringen wieder »ihrer« werde! Sie, die von schamlosester Koketterie und Eitelkeit, Genußsucht und Lebenslüge ihr armseliges herzloses dummes Dasein fristete, wünscht es, daß ihre »Freunde« sich nun zu Krüppeln oder ganz tot schießen lassen! Irgend etwas wollen sie nämlich in einem Weltkriege auch vorstellen, so ohne weiteres beiseiteschieben lassen sich diese Raffinierten nicht! Bisher habe ich ehrlich geglaubt, daß sie es sich ersehnen, daß Max, Gustave, Henry, Leopold, Gaston ihr Geld für sie ausgeben und sich in Sehnsucht verzehren! Jetzt erfahre ich es, daß sie nur eine Sehnsucht haben, daß Elsaß wieder »ihrer« werde! »Sollen wir im ›Weltkrieg‹ eppa kane Rollen mehr spielen?! Dös möcht Euch so passen, Ihr ›Manner‹!«
Die Liebe ist eine exaltierte, übertriebene und hysterische Konzentration. auf einen einzigen Gegenstand: Daher ist jede Ablenkung davon eine Zerstörung dieses Zustandes. Deshalb allein gibt es so wenig wirkliche Liebe. Ein Kind liebt seine Mutter ganz wirklich und ganz zärtlich-fanatisch, ja unter grundlosen Freudentränen, wenn sie abends noch an sein Bettchen tritt, und ihm liebevollst noch Decke und Polster richtet. Da gehen gleichsam Schauer der Freundschaft durch das Kinderherz. Wenn es aber ins Theater, in den Zirkus gehen soll, als besondere Festlichkeit, sehet, da ist das Kinderherz bereits um vieles abgelenkt von der geliebten Mama, obzwar man es doch nur ihr gerade verdankt! Die Angst, zu spät dorthin zu gelangen, ist eine riesige, natürliche Ablenkung vom Gefühl der Liebe und Dankbarkeit, die Beschäftigung mit der außergewöhnlichen Toilette, die neue herzige Frisur mit Locken, alles, alles lenkt das Kinderherz, ab, ins Leben hinein, und dann zu sich selbst wieder zurück.
Die Spannung der Freude zerstört die Idylle des zärtlichen Empfindens! Eltern sind der Freudenspender, die man ausnutzt, und die nachfolgende Dankbarkeit ist ohne inneren Schwung und eingedrillt.
Ganz dasselbe Schicksal aber erfährt der Mann ununterbrochen durch seine geliebteste Geliebte! Sie funktioniert hierin gleich einem Baby, einem geliebten und verwöhnten Kindchen! Es gibt nur eine wahrhaftige Liebe, im home, zu Hause, ferne von sämtlichen Ablenkungen, im Frieden seiner gesicherten und vereinsamten Klause! Hier lauert nur ein einziges Schreckgespenst dem Glück, dem Frieden des Unglückseligen heimtückisch auf: Die Langeweile seiner vergötterten Frau! Mitten in der Idylle rauscht das Schreckliche herbei, mit riesigen grauen Flügeln, läßt sich herab und erwürgt die Liebe! So ist man also auch da nicht sicher in seinem gefesteten Turme, vor der Vernichtung jenes Seltensten auf der Welt, der wahrhaftigen Anhänglichkeit einer geliebten Frauenseele!
Irgendwo, sonst rennen mir alle die Kerle's gleich hin, bestieg ich eine Tramway und hatte ein besonderes P. A.-Glück! Denn ich erblickte nicht nur zum ersten Male im Leben eine Tramway-Kondukteurin, sondern zugleich eine liebliche, zarte, stumpfnasige, mit wunderbaren, schmalen, langen Händen. Ich sagte: »Hietzing!« Und sie: »zwanzig Heller – – – o pardon, vierzehn!«
Ich gab vierzehn und eine Krone. Sie wurde ganz rot, denn rosig war sie schon vorher. Beim Aussteigen in Hietzing sagte ich: »Sie Zarte, Sie werden dieses Stehen von früh bis abends nicht aushalten! Wenn ein Klappsitzchen da wäre!? Aber so nicht!«
Sie sagte: »Wieso wissen Sie es?! Ich habe deshalb bereits kündigen müssen, es ist wahrscheinlich meine letzte Fahrt!«
Ich schickte sie vormittags in den herrlichen Rathauspark, um mir es mitzuteilen, welcher Baum von allen ihr am besten gefalle?! Nachmittags kam sie zu mir, ich hielt ein beschriebenes Zettelchen in der Hand, sie sagte: » Acer dasycarpus!« Auf meinem Zettelchen stand: Acer dasycarpus. Sie sagte: »Ich habe dich betrogen, ich habe den Baum ausgewählt, von dem ich es bestimmtest wußte, daß er dir am besten gefallen müsse!«
»Du hast also die Prüfung sogar ›mit Auszeichnung‹ bestanden, Paula!«
Dienstboten-Philosophie: Der, der ihnen ins Haus kommt mit einer Pofelware, dem geben sie ihr letztes Erspartes. Sie brauchen zwar momentan alles eher als eine Schürze, Strumpfband oder Mausefalle. »Aber Fräulein, so billig kriegen Sie es nie mehr wieder!« Und dann, der arme Kerl hat sich eigens herbemüht. »Lassen Sie mich wirklich weggehen, schönes Fräulein, ohne ein Geschäft?!« Nein, das »Fräulein« laßt ihn nix weggehen. »Sie, wenn aber die Strumpfbandeln reißen!?« »Ich soll kein Glück haben mein Lebtag!«
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Heute Nacht, 21. April, ruhte mein Kopf auf dem holden Atem ihres geliebten Mundes! A. M.
Wie das?!
Sie blies meinen lila Luftpolster auf, so schlief ich auf ihrem holden Atem die ganze lange süße Nacht.
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Belauschtes Gespräch in der ersten Probe-Pferde-Tramway-Fahrt Schottenring-Dornbach vor 45 Jahren: »Ja, bedeutend rascher geht's schon, aber das ununterbrochene Klingeln der Pferdeglocken! Freilich, das muß aber sein wegen Überführtwerden. Halten kann's net, wann's amal recht im Gang is! Ja, mit die Schienen is halt net zu spaßen, das sieht man ja bei der Eisenbahn!«
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Die »Zünftigen« sind Leute, die auch existieren wollen, obzwar sie keine Berechtigung dazu haben!
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Die Dame: »Sind Sie auch ein so großer Verehrer von Bismarck?!«
»Nicht auch, sondern nur!«
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Richtige Aphorismen kommen nicht aus dem Gehirne, sondern aus dem Leben!
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Der »Ungeist« haßt den »Geist«. Der »Geist« bemitleidet den »Ungeist« um das, was ihm durch seine »Ungeistigkeit« entgeht!
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Wortwitze sind nicht etwas, was einer Sache helfen soll, sondern dem, der sie macht!
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Weshalb bin ich so gegen »Ungezogenheiten?!« Weil »Wohlerzogenheit«, das leichtest Erreichbare ist für alle Menschen, sogar für die ungezogenen!
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Ich kenne die Aphorismen der » Berühmten« nicht, sonst könnte es mir passieren, daß ich die Richtigsten, Wichtigsten nachschreibe und als die meinen ausgebe, nur damit man sage: »Der Peter Altenberg sagt übrigens auch wie Vauvenargues.« Zwei Stricke halten eben besser als einer!
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Etwas tief Bedeutsames.
»Machen Sie einen Witz, Fräulein!«
»Ich habe mich soeben angewischerlt!«
»Das ist doch kein Witz!«
»Nein, aber wahr ist es! Das ist doch lustiger als ein Witz!?«
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»Sie sind bedeutend in Antithesen!« sagte jemand zu mir.
»Ja, weil ich gar nicht weiß, was Antithesen sind!«
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Man fragte Anton Bruckner einst: »Meister, wie, wann, wo ist Euch das göttliche Motiv zu Eurer ›Neunten‹ eingefallen?!«
»Das war a so. I geh auf'n Kahlenberg, und wie mir heiß wird und i hungrig werd, setz i mi ans Bachl und pack mein' Emmenthaler aus. Wie i's fette Papier aufmach, fallt mir die verflixte Melodie ein!«
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Als ich die »Verkommenste«, Kamilla Nikiél, heiß liebte, lernte ich zugleich die »Unverkommenen« heiß anbeten!
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»Ich habe dich sehr, sehr gern! Am wenigsten aber im Augenblicke, da ich es dir sage. Da kommt es mir plötzlich vor, als könnte ich diese Worte doch nicht ganz verantworten!«
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Zum Beispiel bei einem gefährlichen Straßenübergang, Tramways, Autos, Menschen, da hab ich dich am liebsten, bin zärtlich besorgt. Aber auf der Promenade, was kann dir geschehen?! Doch! Einer geht vorüber, hat elegante Lack-Knöpfel-Schuhe an. Langeweile, dein Name ist Treubruch!
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Vor lauter Unterhaltung werden die Menschen unanständig. Vor lauter Unanständigkeit wollen die Menschen sich unterhalten!
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Man weiß es bei jeder jungen, hübschen Frau sogleich, ob sie echt oder falsch ist. Die echte ist nämlich in jedem Augenblick bereit, auch sehr unglücklich zu werden eventuell. Die falsche sträubt sich gerade dagegen mit Händen und Füßen! »Versorgt« sein wollen, ist immer etwas Falsches. Ist man denn versorgt, wenn man »versorgt« ist?!
Manchmal hat er mich riesig gern, da ist er so zärtlich besorgt, wie mit einem Hündchen, und manches mal mag er mich gar nicht, wünscht mich vielleicht zu allen Teufeln!
In den Büchern steht, daß gerade das das Anziehende sei.
Das finde ich gar nicht.
Freilich weiß ich nicht, wie es wäre, wenn es anders wäre.
Ich weiß nur, daß wenn er mich zu allen Teufeln wünscht, ich empört bin, und daß, wenn er zärtlich besorgt ist, ich denke: So ist's recht!
Irgend etwas also muß nicht ganz stimmen.
Stimmt! Irgend etwas, waß ich?!, stimmt nicht! Aber wann, wo stimmt Alles?!
Mein liebes Hotel-Stubenmädchen von der vierten Etage, Sie sind ein überaus nettes, auch sehr intelligentes, aufmerksames Stubenmädchen, aber Sie »übernehmen« sich, wie alle » ordinären« Leute, wenn man sie gut, also zu gut, behandelt! Weiß der Teufel, woher das kommen mag?! Ja, der Teufel eben weiß es, der in jedem Menschen versteckt lauert, um Böses, Häßliches anzurichten, sobald er kann! Freilich, wenn man nur streng läutet: »Das Frühstück!«, »Aufräumen!«, »Bett überziehen!«, da, da hat er keinerlei Macht, der Teufel, im Stubenmädchen! Aber sobald der Engel der Gutmütigkeit, der Menschlichkeit, des Wohlwollens, des Mitgefühls, des »Alle san mer ja nur Menschen,« heranfliegt im Gaste, da erhebt sich der Teufel, im bedienenden Hotel-Stubenmädchen, und verlöscht, erwürgt ihr den Respekt!
Sie erscheint ungerufen, antwortet ungefragt, mischt sich indiskret in diskrete Dinge', sagt z. B.: »Ihnere Freundin halt' Ihnen gut zum Besten, so a Mistviecherl!« Oder sie sagt: »Arbeiten tun's aber schon die ganze Wochen nix mehr, aber 's Bayrische schmeckt Ihnen! Wieviel Flascherln hab'n mer denn heut schon wieder, Herr Dichter?!«
Nein, meine liebe Berta, das geht also so nicht weiter. Ich bin der Herr, und Sie sind der bezahlte Diener! Sie vertragen eben leider keine menschenwürdige Behandlung!«
»Herr Dichter, gnä' Herr, regen's Ihnen net so auf, sö san schon ganz blaß, es wird Ihnen schaden, Sie waren eh' schon dreimal im ›Sanatorium‹, wann's Ihnen jetzt noch einmal derwischen, lassen's Ihnen überhaupt net mehr aussa!«
Ich schrieb an mein Büro für Zeitungs-Ausschnitte in irgendwo, daß irgendwo eine Besprechung meines neuen Buches »Fechsung« erschienen sei, die man mir aber trotzdem nicht eingesandt habe. Ich erhielt folgenden Brief: »Also wegen Ihrer Rekrimination und wegen Ihrer saublöden Eitelkeit, es sogar erfahren zu wollen, was die Leute in diesem kleinen Provinznest über Ihr Buch denken, habe ich, hübsche, anständige und bescheidene Siebzehnjährige, meinen Posten bei der Firma für Zeitungsausschnitte verloren! Sind Sie nun glücklicher, daß man Sie auch sogar in Dingsdadra schätzt?!
Ihre
Lotte Kaspara
Ich habe ihn also »betrogen« mit seinem »besten« Freunde.
Eines Sonntags vormittags, mein Töchterchen und ich »rüsteten« gerade zu einer Landpartie, da erschaute ich meinen Gatten, in seinem Büro nebenan sitzend, für uns arbeitend … Plötzlich legte er den Kopf in die Hände und weinte.
Ich sagte zu meinem neunjährigen, heißgeliebten Töchterchen:
»Es wird ein Gewitter kommen, wir bleiben heute zu Hause, die neuen Frühlingshüte, die uns der liebe Papa gekauft hat, sollen nicht ruiniert werden, wegen nichts und wieder nichts!«
Heute den ganzen Nachmittag lang habe ich mich so nach dir gesehnt, Paula, aber nicht, weil ich befürchtete, du seiest mit einem anderen, da wäre es ja keine Kunst, sich zu sehnen!. Sondern wegen gar nichts wirklich. Wenn du es wüßtest, würdest du »verwöhnt« werden. Aber nun weißt du es, und bist nicht verwöhnt worden. In deinen Augen blinkte nämlich feuchte Dankbarkeit. Dankbarkeit ist ein Gebet der Seele, zu Gott, nicht zu einem bestimmten Menschen!
Wie kann man die »glückliche Liebe« für die glückliche halten, wenn man dadurch das Glücklichste verliert, die Sehnsucht nach der »glücklichen« Liebe?!?
Jede, aber auch schon wirklich jede Empfindung, die irgend ein Mann, sei er hoch oder niedrig, schön oder häßlich, geistreich oder blöd, modern oder unmodern, reich, oder arm sogar, für eine Frau hat, zerstört, zerrüttet, lähmt, vernichtet, ändert jene Beziehung, die sie bisher, auf einen Bestimmten zufallweise konzentriert, hatte! Sie wird » abgelenkt«! Mord der Seele!
Wer dieses Gesetz, das Ur-Gesetz der Frau, leugnet, mißachtet, ist für ewig verdammt zur Unglückseligkeit!
Sie trotzdem zu der Euren machen wollen, das versuchet nur!
Es wird euch erst gelingen, bis sie schiach und krank ist!
Mit einem Wort, bis sie dir selbst hoffentlich wertlos geworden ist!
Wie kann man jemandem, der einen lieb hat, eigentlich etwas Böses, Kränkendes antun?!
Ja, aber er fühlt es doch früher eben leider gar nicht, was man ihm alles aus Dankbarkeit erspart! Aus edler Rücksicht! Aus »Anhänglichkeit«.
Erst wenn man ihm etwas Böses angetan hat und es aus Reue dann bereut, dann erst spürt er unsere Dankbarkeit!
Man muß also erst jemanden kränken, um ihm zu beweisen, daß uns diese Kränkung, die wir ihm zugefügt haben, tief leid tut!
Es gibt also demnach gar keine » geordneten friedlichen« Verhältnisse?!
O ja, aber ohne »seelische Spannung und Erkenntnis,« sondern nur so » tierisch, selbstverständlich, fad, blöd«.
Kennt ihr diesen rührenden, sanften, kindlichen Blick jener zarten, hübschen Frauen, die es nicht wissen, wieso sie eigentlich dazu kommen, schwanger zu werden, und gebären zu müssen?!? Sie hätten ihr armes Leben gerne verbracht wie die Gartenblumen, bewundert zu werden, begossen mit Licht und Nässe, und verschwinden! Ganz ängstlich blicken sie nun, daß sie einen Zweck erfüllen müssen! Wie wenn man im Restaurant Thea-Rosen-Salat oder Jasmin-Salat servieren würde, die Portion drei Kronen. Ein Jasmin, der sich nicht zum Salat oder Kompott eignet, wird aber nie »hysterisch« genannt. Diese Frechheit begeht man nur an zarten Frauen!
Ich bin nicht für, ich bin nicht wider – – – aber in Vöslau war ein Parkfest mit Schönheitspreis. Da gab man der kleinen Heldin von Rawaruska, Rosa Zenoch, den Schönheitspreis. Die beiden anderen Schönheitspreise gewannen, oder besser verdienten sich, Fräulein Grünhut und Fräulein Klein. Diese verzichteten zugunsten der Rosa Zenoch. Alle Zeitungen meldeten das begeistert. Auch das »Deutsche (?!) Volksblatt.« Nur ließ es die Namen aus: Grünhut und Klein. Um ihre christlichen Leser und Leserinnen nicht zu brüskieren! Sage ich »Pfui«?! Keineswegs. Ich sage: »Weltkrieg, du hast einen großen Augiasstall noch zu reinigen!«
»Ich könnte ihr unmöglich etwas böses antun« ist mehr als »ich liebe sie«. Auch hat sie mehr davon.
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» Im Rausch« verspricht man manches, was man dann » nüchtern« nicht halten kann! Nüchtern verspricht man manches, was man dann im Rausch nicht halten kann!
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Einer schrieb über mich, ich sei eigentlich das typische »Kaffeehaus-Genie«. Ja, gegen einen Knut Hamsun bin ich es vielleicht, ich sage unbescheiden »vielleicht«. Aber gegen den, der das geschrieben hat, bin ich wahrscheinlich noch immer Zeus, Allvater und Gott selber!
*
Die Mütter »idealisieren«, aber sie haben das gegen sich, daß sie die Mütter sind!
Die Dichter »idealisieren«, aber sie haben das gegen sich, daß sie die Dichter sind.
Die gewöhnlichen Menschen beurteilen flach und falsch, aber sie haben das für sich, daß sie gewöhnliche Menschen sind!
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Danton, Marat, Robespierre waren gegen mich gehalten geradezu sanfte Lämmchen! Blut bezeichnete ihren Lebensweg. Den meinen »richtigere Erkenntnisse«!
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Rheumatismus ist die Strafe dafür, daß man ein nicht abgehärteter Organismus ist. Gibt es eine gerechtere Strafe?! Zum Abhärten gehört, doch wirklich weder Geld noch Talent!
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Wenn ich von Wien nichts wüßte als daß die Tramways am 17. April, einem Veilchen-Primel-Tage, alle Fenster geschlossen halten mußten, und ein Urwiener mir sogar die Gegentüre mit erbittertem vielsagendem Blicke schloß – – – aber Gott sei Dank, ich weiß noch mehr! Obzwar gegen Zugluft empfindlich sein schon schlechtrassig genug ist! Alten Köchinnen »zieht« es schon bei geöffneten Kasten und Laden. Ja, man weiß halt net genau, wo der Wind sich derfangt! Nein, das weiß man wirklich nicht!
*
»Hören's uns doch schon auf mit Ihrer faden › Diätetik‹, es folgt Ihnen doch eh' kaner!«
»Eben deshalb kann ich noch nicht aufhören!«
*
Die Rose ist unabhängig von meiner Bewunderung! Wenn die schöne Frau auch unabhängig wäre von meiner Bewunderung, dann hätte sie etwas sogar vor der Rose voraus!
»Das verstehe ich nun einmal wirklich gar nicht!« sagte die wunderschöne M. Th.
»Wenn ich es Ihnen erklären würde, würden Sie sagen: ›So einfach?! Gott wie banal!‹«
»Da erklären Sie es mir, bitte, lieber nicht, ich will Sie lieber für einen großen Dichter halten! Was habe ich schon davon, wenn ich es verstehe?!«
*
Jemand sagte zu mir: »Ja, wenn Sie es nicht einmal der Mühe wert finden, mir Ihr neues Buch zu schicken, kann ich es nicht rezensieren!«
» Können Sie es, wenn ich es Ihnen schicke?!«
*
Ist denn Gewohnheit gar nichts?! Ja, ein feiges Verbrechen!
*
»Mir scheint, Sie möchten die Welt auf den Kopf stellen!?« »Nein, diese Dessous möchte ich lieber nicht sehen!«
*
»Pardon, gnädige Frau, wie alt sind Sie eigentlich?!«
»Solange man im Dampfbad von der Bedienerin per ›Fräulein‹ angeredet wird, ist man noch jung!«
»Ja, aber daß man bereits ins »Dampfbad« geht (Entfettungskuren!?), ist ein Zeichen, des Alterns. Außerdem erhofft sich die ›Bedienerin‹ ein größeres Trinkgeld!«
*
P. Sch., Du wirst nie, trotz deiner geistigen, seelischen Höchstqualitäten, das erreichen, was du dir doch eigentlich allein erwünschest! Jemandem das »Mysterium«, das »Märchen«, das »Ungewöhnliche« zu sein! Dazu müßtest du eben den Leib, das Antlitz, die Hände und Füße der A. M. noch dazu vom Schicksal mitbekommen haben! Es gibt aber eine Rettung, sogar für dich, Aller-Allerbeste! Wenn du im Märtyrertum, im »Heiligwerden« deine endgültige Erfüllung erkennst, begreifst, ersehnst! Wirst du aber nicht, vorzeitig innerlich zusammenbrechend, das sagen, was eigentlich alle geheim zu sich selber sagen: »Weshalb nicht einen nehmen, dem ich genüge, statt einen lieb zu haben, dem ich nicht genüge?! »Nichtgenügend!«, ein vernichtendes Zeugnis bei der »Matura« des Lebens! Aber vor Gott?!?
*
Eine Hand wird zusehends schöner, während du sie liebevollst streichelst! Wenn sie aber dadurch nicht schöner werden sollte, dann hat es auch keinen Zweck, sie liebevoll zu streicheln!
Es gibt Menschen, die nichts sind.
Die sind einfach nichts.
Aber es gibt Menschen, die nichts sind, und einen »entdecken« wollen, der auch nichts ist. Um etwas zu sein!
Wenn er nämlich zufällig doch etwas wäre, dann wären sie auch etwas, weil sie, die nichts sind, den, der doch etwas ist, entdeckt haben!
Größenwahn ist, wenn ich von mir mehr halte als daran ist!
Aber wenn ich von einem anderen mehr halte als daran ist, ist es derselbe Größenwahn!
Wem soll es zugute kommen?! No na, ihm vielleicht?!
Die Menschheit hat dieselben Nerven wie der einzelne. Ein schwerer »unkünstlerischer Mechanismus« in gleichgültigen Tagen, ein romantisch bewegter in schweren Zeiten! Wie der Bürger dahinkriecht, gedankenlos, seelenlos, der Entwicklung des Seins gleichgültig, ja feindselig gegenüber, aber an Hochzeitstagen, Geburtsfesten, Jubiläen, Begräbnistagen, momentan zu romantischer innerer Bewegung vorschreitend, so die Menschheit! Versunken in altjüngferlicher Vergrämtheit, Böswilligkeit und dunklem Geschäftstriebe, der Begeisterung abhold, so rafft sie sich momentan in bewegten Tagen zu einer Art von romantischem künstlerischem Fanatismus auf, ihren innersten guten Kern echten Christentums bloßlegend! Wie in einem Seelenrausche! Im allgemeinen also könnte man die Diagnose stellen, daß die Seele des Bürgers und der Gesamtmenschheit nur » hysterisch« funktionieren, das heißt bei übertriebenem Reizungszustande momentan fanatisch enflammiert, und bald wieder versinkend in gewohnte Stumpfheit!
Anders der Künstlerorganismus!
Er ist nicht » hysterisch«, sondern » organisch« begeistert. Er wartet auf keinen Anlaß, jeglicher Anlaß wartet gleichsam auf ihn! Zuerst ist seine Begeisterung, sein fühlendes Herz; hernach kommt erst die Sache, für die er sich einsetzt! Er feiert jegliche Stunde des Leids und der Freude, nicht nur Geburtstage, Hochzeitstage, Begräbnistage!
Mögen der Bürger, die ganze Menschheit, künstlerisch werden, auf daß sie nicht bloß bei »übertriebenen Reizungszuständen« ihre zartere Seele erst entdecken müssen! Es sollen nicht erst blühende Städte einstürzen müssen und geliebte Menschen dahingehen!
Als ich meine zarte sechzehnjährige Freundin in den Chor des – Theaters brachte:
»Nun, behandelt man dich dort nett?!«
»O ja. Sogar die Allerschönste hat mich angesprochen!«
»Was hat sie denn zu dir gesagt?!«
»Sie hat mitten im Singen auf der Bühne zu mir gesagt: ›Was schminkst dir denn net den Mund?! Hast eh ein so breites Maul, von unten aus is es noch doppelt so breit!‹«
»Das ist aber nicht sehr liebenswürdig!«
»Warum, sie will, ich soll gefallen!«
»Du, du, du – – –, da kann man nur sagen: Du!«
»Ach so, meinst, sie meint mir's nicht gut?! No, dann kriegt's nächstens a solche Watschen, daß sie sich um und um dreht!«
Jetzt ist es an der Zeit, rasch rasch, wenigstens mit den kleineren Vorurteilen aufzuräumen, zu brechen! Z. B. mit diesen schrecklichen und unnötigen, oder schrecklichen, weil unnötigen, Semmerln, Kipferln, Paunzerln, Stritzerln! Soll denn die Welt nach Jour-Jausen sich richten?! Brot aus Maismehl und Kartoffelmehl ist hygienischer! Brot muß sandig, trocken-krümelig, ganz kleinporig oder nicht porig sein, nicht im Mund mit Speichel vermengt eine Art von weichem letschigem Glaserer-Kitt bilden! Maisbrot komme nie mehr ab, trotzdem es einige Prozente Eiweiß weniger hat. Wir sind nicht so happig auf Eiweiß-Prozente!
Ferner, weshalb bemüht man sich rasch in Wien, diese überladene Geschmacklosigkeit »Paquin et Poiret,« durch ebenso Geschmackloses, wenn auch Eigenes, zu ersetzen?! Man dekretiere den »Steirischen Janker«, sogar in Samt mit Perlmutterknöpfen! Er ist bequem, billig, kleidsam, apart, und gut österreichisch! In blauem, erbsengrünem, braunem, grauem, schwarzem, himbeerfarbigem Samt müßte diese kurze, lose, quadratische, doppelreihige Jacke famos kleiden! Aber auch in Leinen, Rohseide, Cheviot! Ich bin kein Schneider, keine Modistin, aber was scheußlich ist, sehe ich dennoch! Oder deshalb?!
Wißt ihr, Einfache des Daseins, die ihr immer nur die Reime kennt: Herz – Schmerz – Liebe – Triebe, wißt ihr, wo der Sitz der Sehnsucht sich eigentlich befindet?!?
Direkt unter der Magengrube! Dort, wo das Brustblatt aufhört! Dort, dort spürst du die zehrende lähmende Melancholie der Sehnsucht, dort spürst du die »Angst des Herzens«! Aber auch die Ausdünstung deiner Haut verändert sich von dort aus! In dein Hemde, in deine Kleider gehen deine Sehnsuchtsqualen über, zarte Frau! Unglückliche Liebe, Sehnsucht, Eifersucht, erzeugen einen Hautduft wie Äpfelduft in dumpfen Tischladen, gleichsam wirklich Lebensfrische zurückgedrängt, gestaut in Eng-Verliesen!
Nun spüre ich, Fraue, in tiefster Ergriffenheit, seit Tagen den veränderten Duft deiner geliebten Haut! Wie Duft gewordene Bedrückung! So zart und dumpf. Wie Krankheit der Seele, die sich ausseufzt! Wie der Duft des Krankenzimmers eines geliebten Kindchens! Wie der Duft von edlen Kanadaäpfeln, zurückgestaut in engen, dumpfen Tischladen! Ich spüre, süßes, zartes Geschöpf, den Duft deines sehrenden Sehnens, das Lebendigkeiten lähmt und untergräbt! Du aber sagst: »Mir fehlt nichts, nein, wirklich, mir fehlt nichts!« Wer ist also der Glückliche, um den deine geliebte Haut in dumpfem Dufte sich abhärmt?!? Ich sauge in deiner süßen Nähe den heiligen Duft deiner geheimnisvollen Seelennot ein, und deines edlen Kleides sonst sanfter, lieblicher Hauch wandelt sich nun in Traurigkeitsdunst!
Ich spüre deiner Haut untrüglich dumpfes Sehnen!
Was ist ein Wort, ein Blick, ja ein Gewähren?!?
Es können Laune sein und Spiel und Ungezogenheiten!
Aber der Duft der Haut ist außerhalb des Willens.
Hier beginnt die Wahrheit, ausgeschaltet aus den Ränken des bewußten Seins! Hier spricht die Liebe ihre wahre Sprache!
Sie duftete nach Sehnsucht! Also war's! Mit wem betrügst du mich?!?
»Ich widme Ihnen, Klara Panhans, dieses Buch, obzwar ich Sie seit Ihrem 12. Lebensjahre bis heute, Ihrem 15., nie mehr gesehen habe. Damals betete ich bereits für ihre edle zarte süße Seele, weinte bitterlich um Sie wegen gar nichts (vielleicht gingen Sie vorüber, ohne sanft zu grüßen, mein Gott, man kann ja nicht überall hinschauen), zitterte und zagte um Sie, um Ihr Schicksal, Ihre Zukunft, Ihre Gegenwart, Ihre Minute Leid oder Freud!
Ihre Stimme, Klärchen, Fräulein Klara, war süßer als das Gezwitscher aller Vögel im morgendlichen Bergwald vor meinen Fenstern!
Ihr Lachen, Jauchzen, Kichern, war rührender, ergreifender als das Tönen aller Glocken aller Dorfkirchen am Sonntagmorgen!
Ewig ist es deshalb in mir, nie, nie verstummend!
Du, du, Klara Panhans, Sie, Fräulein Klara!
Ich widme Ihnen dieses Exemplar meines Buches ›Fechsung‹.
Lesen Sie es oder lesen Sie es nicht, aber betrachten Sie es als Talisman, als Schutzmittel, wenn einer Sie einmal nicht so anschaut, wie ich Sie stets angeschaut habe!
Dann sagen Sie abends in Ihrem Zimmerchen: ›Buch, du, hilf mir, rate mir!‹
Unempfindsamen Gegenständen eine verehrte und ergebnislos geliebte Frau nicht zu gönnen, z. B. ihrem Unterhöschen, ihrem Nachttöpfchen, ist gar kein solcher Irrsinn, wie es den Anschein hat! Man gönnt sie doch ebensowenig jenem gewöhnlichen Manne, für den sie auch fast nicht mehr bedeutet!
*
Mitleid mit Frauen ist eigentlich das Höchste, das Beste, das sie bei uns erreichen können! Aber auch das müssen sie sich redlich erst allmählich verdienen! Liebe wird unredlich verdient – – – durch momentane Impression!
*
Alkohol ist ein Mittel, uns zum Mord zu bringen (das liest man ja täglich in den Zeitungen), aber ein ebenso gutes Mittel, uns davon abzubringen!
Dämon Alkohol! Aber wie vielen er schon verholfen hat zum heiligen Wurstigkeits-Gefühle: »Mir ist alles schon ganz egal!«, das bedenkt man nicht undankbarerweise!
*
Weshalb sollten die schönen anmutigen, begehrenswerten Frauen ihre Anziehungskraft nicht ausnützen?! Es wäre denn, daß es ihnen wertvoller erschiene, sie gerade nicht auszunützen! Was unbedingt das Menschlichere wäre! Aber weshalb sollten sie andererseits »menschlich« sein?!
Sie hat mich ruiniert!
Sie hat mich nicht ruiniert, obzwar sie es hätte können!
Seine Macht an jemandem beweisen?!
Seine Macht beweisen, dadurch, daß man sie nicht anwendet!
Die Löwin, deren königliche Pranken die Maus pardonieren!
Die Hauskatze tut es nie!
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Ich weiß es nicht, ob Goethe nicht im Laufe seines langen Lebens hie und da an Verstopfung gelitten habe!? Aber theoretisch ist es für mich vollkommen ausgeschlossen! Sonst. war er ja gar nicht der Goethe geworden!
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Als ich von der äußerst peinlichen Szene berichtete, da im Restaurant ein Major einen Leutnant mit gebrochenem Arm liebenswürdig befragte, wo er sich denn die Verwundung zugezogen habe, und der Betreffende antwortete: »Leider in Wien auf der Ringstraße bei Glatteis,« und der Major sich verlegen enttäuscht zurückzog, sagte der Baron Küppe: »Weshalb hat er nicht einfach gesagt: ›Bei Rawaruska‹!?«
*
Meine Geschwister glauben so wenig an die Möglichkeit eines geordneten bürgerlichen Lebens meinerseits, daß, als ich auf dem Friedhofe beim Leichenbegängnis unseres 85jährigen Vaters erschien, sie fast gleichzeitig ausriefen: »Peter, wie kommst du gerade heute daher?!«
*
Weshalb soll ich einer Dame den Schirm aufheben, das Taschentuch, und sie fragen, ob sie der Rauch meiner Zigarette nicht geniere?! Weshalb soll nicht sie mir den Stock aufheben, das Taschentuch, und mich fragen, ob mich der Parfüm ihres Parfüms nicht geniere?!
»Lieber Herr, wollen Sie die Welt umdrehn?!«
» Ja!«
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Wenn ein Mann am Rauchen kein besonderes Vergnügen findet, die Frau jedoch es für ihr Nervensystem braucht, und der Mann fürchtet, es könne ihr schaden und sei unnötig, dann benimmt er sich gerade so wie die Henne, die ein Entenei ausbrütete und ängstlich ist, das Entlein könne im Bache ersaufen, während es hingegen gerade lustig darin herumplätschert! Gerade umgekehrt ist es mit Respekt zu sagen im »sexuellen« Leben! Der Mann redet sich ein, sie brauche es! Nein, sie will es nicht! Außer wenn sie es wirklich will! Aber wann will sie es wirklich?! Vielleicht bei dem Gardeleutnant, der vorübergeht!
*
Um die Dinge des Lebens klar, einfach und richtig zu sehen, dazu gehört nur ein gewisser Mut! Z.B. muß man den Mut haben, zu sagen: »Meine süße Geliebte ist von Anlage aus leider ein großes Mistvieh!« Die meisten fühlen: »Und gerad' die Meinige ist zufällig keines!« Und gerad' die Seinige ist ganz unzufällig eines!
*
Er machte eine Weltreise und brachte weniger heim als ich von einem Spaziergang auf die eine halbe Stunde entfernte Meiereiwiese!
»Peter, Sie sind ein Bettler, der sehr geschickt einen Reichen spielen will!«
»Und Sie sind ein Reicher, der sehr ungeschickt ein Bettler ist!«
*
Ideales Motto zu allen meinen Büchern:
Gotthold Ephraim Lessing:
»Leser, wie gefall' ich dir?! Leser, wie gefällst du – – – mir?!«
Nun gut, sie kam eigens aus der fernen Stadt, mich zu pflegen.
Was kann ich aber dafür, daß die zwölfjährige A. K., hellblond und ohne Schuh und Strumpf vorüberging?!
Brauchte denn ich nicht »Pflege«?!
Tau, Licht, Sonnenschein, Frühlings-Geheimnisvolles?!
Ha, sie wollte ihre Romantik, nicht meine »Pflege«.
Mein »leidender Zustand« war ihre Medizin für ihre romantische Seele.
Was kümmerte sie meine Medizin, diese hellblonde nacktfüßige A. K.?!
So wandte sie sich hilfeflehend an » Bürgerliche Welten«, denen sie nie hätte entfliehen sollen!
Man barg sie, schützte sie vor mir.
Heil Anna Konrad! Du pflegtest mich nicht, doch an meinen Träumen von dir gesundete ich!
8. August 1908
Chère Lyska,
est-ce vraiment le sort fatal des cœurs des poètes, d'être mal traité et humilié et méprisé, en tout cas méconnu, ce qui contient déjà tous les malheurs de l'âme?!? Être méconnu, c'est être jugé à mort! Je crois alors que certainement j'aie un tel cœur! Parce que toutes les femmes que j'aimais sincèrement, me le prouvent, en m'affligeant sans cause, en tuant mon âme, qui était pleine de vie et d'amitié et de tendresse surhumaine – – –. Et tout à coup cette âme se meurt, parcequ'on l'a assassiné! N'est-ce pas dommage, Lyska, pour toutes ces tendresses intérieures, comme dispersées dans l'air, flottantes dans l'univers sans pouvoir trouver le cœur pour lequel elles étaient fanatiquement destinées?!? Tous les autres hommes jouissent brutalement et sans reconnaissance, comme le chien jouit de la chienne?!?
C'était directement contre-cœur, que vous laissiez vos mains adorées entre les miennes; et seulement pour ne pas trop m'offenser, vous ne les avez pas retiré brusquement! Nos âmes malades d'amour ont de fins sens pour les brutalités cachées, et, d'autant plus désespérées, elles les voient à nu! Une main aimée doit s'enfonçer de soi-même dans les nôtres! Vous retirez vos mains des nôtres, scélérates, tandis que vous offrez vos corps entiers, et pour nous bénis et sacrés, aux oggres, qui les dévorent!?! Jamais plus de la vie je vous demanderai la grâce, de venir dans ma misérable chambre de poète pauvre, malade, et triste – – –.
Mes amis, plus jeunes ou plus riches que moi, jouiront de vous; mais aucun n'aura dans son âme maudite, de la reconnaissance, de la bénédiction envers votre corps merveilleux et tendre, comme moi je l'aurai eue pour toute toute ma vie!
Ah, femmes sans cœur, vous avez de la chance! Là où vous ne pouvez plus jouir de la jeunesse ou de la richesse de l'homme, il vous reste encore de jouir »de la tristesse« de son âme humiliée – – –!
(Dritter und letzter Brief)
Je n'ai plus rien à vous dire, plus rien à vous écrire, Lyska – – –. Je suis comme un enfant battu pour rien – – –. Vous n'avez pas de sympathie pour une âme comme la mienne, qui se meurt de tendresse – – – ce sera votre sort, votre destinée! Dieu punit le subit bonheur des sens! Vous verrez bientôt que les hommes abusent de vous et vous flétrissent l'âme – – –. En maltraitant mon âme sensible et malade d'amitié, vous vous prouvez à vous-même que les sens fugitifs seuls vous tyrannisentet occupent votre cœur infortuné! Voilà pourquoi la mélancholie est si souvent dans vos yeux adorés, comme si Dieu vous disait: »Prends garde, Lyska, tu vas les chemins vers l'abîme!« J'ai pleuré cette nuit infortunée sur mon sort, mais aussi sur le vôtre, follement adorée, Lyska – – –. Les poètes se meurent parcequ'ils ont trop d'âme, et les belles femmes, parcequ'elles en ont trop peu – – –! Les pleurs que j'ai pleuré cette nuit à cause de vous, vous accompagneront sur les chemins futurs de votre vie – – –.
Je crois qu'on pourra mettre sur votre tombeau:
»Elle mourut de la mélancholie noire et sombre. C'etait,
»parcequ'elle faisait pleurer les âmes tendres et sourir les âmes viles!«
Ah, Lyska, les heures sombres et fatales de cette nuit terrible, où vous vous en alliez avec l'autre, sont la seule récompense pour toute l'amitié profonde que j'avais envers vous du premier moment – – –!?! Car le malheur n'a pas de désenchantements; il est là, terrible et vrai; il humilie nos âmes, encore toujours un peu trop fières et croyantes, et nous prépare à n'être plus jamais le dupe des choses terrestres – – –!
Peter Altenberg
Ein süßes Wort: »Guten Tag!«
Wie oft sagt man's und es ist
nichts, nichts.
Und plötzlich
ist es etwas, ist es
alles!
Man steht am »Graben« vor einer Auslage,
hört eine Stimme: »
Guten Tag!«
Und merkt erst später,
wer es war!
Und es ist vorüber,
nein,
es ist
ewig, in der Erinnerung!
»Sehr geehrter Herr,
ich war es nicht, habe daher das wunderschöne Gedicht nicht verdient. Aber ersehe daraus, daß Sie bereits sogar durch eine, die mir ähnlich sieht, ergriffen werden. Also ist das Gedicht ja doch an mich! Wenn Ihnen nur die andere nicht doch noch besser gefällt als ich?! Na, dann muß man halt ihr das Gedicht schicken, das sie sich ehrlicher verdient hat!«
Abstauben bei geschlossenen Fenstern ist ein Irrsinn! Wo legt sich der aufgewirbelte, aufgescheuchte Staub wieder hin?! Dorthin, wo du ihn weggestaubt hast! Geradeso ist es im ernsten Gespräche mit einer geliebten Frau, Vorwürfe, Mahnungen, wenn die Fenster ihrer Seele nicht weit geöffnet sind! Wo legt sich der Staub wieder hin? Dort, wo du ihn aufgewirbelt, aufgescheucht hast! »Der red't mir lang gut! Tu dir nix an! Hast auch noch keine g'fressen, Schurschl! Mich umkrempeln, wannst das deriebst, Fadian!
*
Bis jetzt sagte man: »Ich verehre ästhetisch eine Edel-Schlanke, Edel-Magere, Edel-Gazelle, aber » verkehren« kann ich nur mit einer »Üppigen«. Später wird man sagen: »Die eine ekelt mich, und um die andere war mir leid, die ist zu zart-gebrechlich dazu! Aber sie küssen, wie eine Mama ihr zärtlich vergöttertes Kindchen, das hielte sie eventuell noch aus!«
*
Eine jung-verheiratete Frau sagte zu mir: »Es ist ein Glück – – – wenn man will! Es ist ein Unglück – – – wenn man muß!« Ja, auch Kaviar ist sogar ein Unglück, wenn ihn einer uns gewaltsam in den Mund hineinstopft! Mir essen ihn leidenschaftlich, wann mir » Gusto« darauf haben!
*
Wenn Leute ihre Geschäfte machen, empfinden sie mich momentan irgendwie als überflüssig, ja sogar störend, hemmend! Wenn sie dann keine haben und mich brauchen – – – ich sie!
Oft ist das Wort »Liebe« eine pathologische Konfidenz. Z.B.: »Ich weiß gar nicht, was das ist, ohne meine Anna kann ich gar nicht mehr »Puccini« genießen, Richard Wagner, oder Schubert-Lieder-Konzerte. Früher war ich doch nicht so!« O ja, immer warst du so beschränkt, nur jetzt erst überzeugst du dich davon durch Anna! Oder: »Nur mit der Mitzi kann ich noch den Winterwald genießen in St. Moriz. Früher hab ich den Wald auch ohne sie gern gehabt!« Nein, du Schurke, nie!
Die angeblich »gleichgestimmte« Seele ist eine Krücke für die Lahmen, die allein nicht schreiten, tanzen, fliegen können! Habe Deine Resonanzen in Dir selbst, Mann!
Daß ich
ohne dich nichts mehr mit Freuden tun kann,
ist mein Schmerz.
Daß es mir bereits schmeckt, wenn es dir schmeckt!
Daß dir
zuzusehen, wie du, noch dazu
für mein Geld,
dich delektierst an Karfiolsuppe, Einmachhuhn mit Markknöderln, und Schokoladepudding mit Aprikosensaft, Gorgonzola, Goldkaffee und Orangenlikör, in Summa, die ich selbst
bei halben Preisen von dem Hotelier-Mäzen Ludwig Domansky habe, drei Kronen ohne das Trinkgeld,
daß, wie gesagt, dir zuzuschauen essen,
mich fast schon sättigt,
und ich meinen gesunden Egoismus eingebüßt,
das kränkt mich!
Wie kann ich da gedeihen für die Kunst,
wenn ich meine ganze Seelenkraft
dir spende?!
Wenn ich wenigstens die Empfindung hätte, ich habe ein besseres Geschäft gemacht an dir!?
Aber ich empfinde es als schlechteres Geschäft!
So hat Torquato Tasso im »Goethe« sich nie so recht ernstlich für die Prinzessin entscheiden können,
weil er eben ein Dichter von
Gottes Gnaden war!
An solchen Beispielen muß ich mich emporranken,
obzwar ich riesig glücklich bin, daß ich dich hab!
Du bringst mir beste, teuerste Mittel aus der Apotheke, Rhamnin und Lecithin Perdynamin und Vino Condurango und Gelee-Extrakte vom Huhn?! Bring mir deinen süßen, heißgeliebten Atem und deinen Leibes-Duft und – – – und ich will genesen!
Schämst du dich nicht, mit Paketen unterm Arm zu kommen,
da du doch unterm Arm Genesungsdüfte trägst?!
Wißt ihr denn, Verbrecherinnen, was das ist, euch lieb zu haben?!
Es ist St. Moriz-Luft für kranke Lungen!
Dichter bringen immer, was sie zu bringen haben!
Geliebte Frauen aber bringen Kraft-Gelees!
Die »vollkommene Schönheit« ist gerade die,
obwohl sie fast
von einem jeden begehrt wird selbstverständlich,
die mir gerade
am allerwenigsten Leid zufügt!
Sie weiß es,
daß sie fast von allen begehrt wird,
es macht ihr kein Vergnügen mehr, es reizt sie nicht, sie braucht mir nicht zu beweisen,
daß sie auch noch andere und bessere finden könnte als mich,
sie weiß es, daß
ich es genau weiß!
Aber diese Armseligen, die immer es zu befürchten haben,
man könnte ihre Armseligkeiten entdecken
die
müssen uns nolens volens in Unruhe versetzen,
indem sie uns beweisen, auch der Herr Franz »fliege« auf sie!
Und dieser tut's dann wirklich, weil sie mir beweisen will, er tue es! Er tut es fast aus Gutmütigkeiten.
In ihrer Sucht, mich eifersüchtig zu machen,
wirft sie sich ihm sogar ganz hin!
Die »Vollkommene« jedoch befürchtet nichts.
Sie braucht uns nicht zu quälen!
Die Sonne quält uns nicht, und nicht der Regen, man anerkennt sie als Naturgesetz!
Sie können zu heiß sein oder zu naß, aber naturgemäß von selbst.
Heil den zuversichtlichen Königinnen!
Ich erzählte über die Unverschämtheit, daß auf dem ganz kurzen Wege vom »Graben« in mein Hotel sieben fremde Mädchen, die in die Arbeit gingen, mich um »Flieder« baten von meinem Fliederbuschen. »Nur ein Stammerl!« »Ja, da bring' ich ja kein einziges Stämmchen in mein Zimmer!« »Sie alter Geizkragen!«
»Pardon,« sagte ein Herr, »hätten Sie einer besonders Hübschen nicht doch ein Stammerl gegeben?!«
»Ein Stammerl? Den ganzen Buschen!«
*
In L… prügelte der Gemeindediener ein neunjähriges Zigeunermädchen, das Tag und Nacht um ihre eingesperrte Mutter jammerte, so, daß sie verstarb. Die Gerichtsärzte konstatierten Blut-Austritt aus dem Gehirn infolge Schläge, und außerdem merkwürdige Brandwunden an besonders empfindlichen Stellen!
Wurde er gekreuzigt, gefoltert, oder wenigstens gehenkt?! Nein, vier Monate Arrest! Wenn ich denke, daß man unschuldige, schöne, feurige, herzige junge Stiere martert mit langen Stahlnadeln zur Freude einer dafür bezahlenden Zuschauermenge, male ich mir das Vergnügen aus, wie ich für einen teuer bezahlten Sitz in einer öffentlichen Arena der raffinierten Marterung des Gemeindedieners, selbst Anordnungen dazu schrecklichster Art treffend, assistiert hätte! Von meinen Jubel-Juchezern gar nicht zu reden! Kindchen, ich rächte dich! Aber er bekam vier Monate!
Ich spendete alles, was ich spenden kann.
Da es zu wenig ist, muß ich verschwinden. Worüber also trauere ich?!
Daß das Schicksal mir nicht mehr mitgegeben hat, dich zu beglücken!
Hätt' ich die Hände der M. K., ich hab sie nicht!
Er ist vielleicht unglücklicher, daß ich sie nicht hab, als ich! Ja, er ist es.
Das sei mein Trost, daß er unglücklicher ist darüber als ich.
Denn wenn er mich auch
dann stehn lassen würde,
wenn ich
alles hätte, was mir fehlt und
er sich erwünscht,
dann kenn' ich mich ja gar nicht mehr aus in meinem Gram,
weshalb er mich eigentlich stehngelassen hat?!
Franz Schubert
Wann man fett-rundlich ist,
und wann man kurzbeinig ist,
wann man kurzhalsig ist,
und wann man kurzatmig ist,
wann man an dicken Krauskopf hat,
und wann man kurze fette Pratzen hat, dann nützen einem bei den
süßen, süßen, süßen Mäderln,
nicht der »Erlkönig«, »Die Forelle«, »Die Post«, »Du bist die Ruh«, »Der Wanderer«! Und nicht »Am Meer«!
Mit fetten Lerchen geht man halt nicht gern schlafen!
Die sind für den erwachenden holden Tag!
Armes, armes Franzerl!
Der wertlosen Frau soll man nicht helfen, der wertvollen kann man es nicht. Tue alles für sie, was sie sich nur ersehnt, Landpartie, Friede, gutes Essen, Idylle, Einsamkeit, Geselligkeit, ein dreijähriges Bübchen auf einer Waldbank, das sie zärtlichst liebkost, eine wunderbare fremde Dame, der sie unvermutet Maiglöckchen zuschickt, kurz Verschiedenstes – – – und abends sieben Uhr wird sie auf einer Bank im duftenden feucht-kühlen Parke dennoch plötzlich grundlose Melancholie überfallen. Grundlos?! Es gibt 1000 Gründe. Allgemeine Müdigkeit, Einsicht, daß solche Tage selten sind, Verzweiflung, daß man keine berühmte Tänzerin sei oder Aphrodite selber, die Schaumgeborene! Du sitzest dabei, rauchst eine Zigarette und kommst dir recht blöd und überflüssig vor. Du willst verlegen » vermitteln« und sagst zärtlichst besorgt: »Mäderl!?« Aber sie zieht ihre Hand zurück wie von der Tarantel gestochen –!
Ich werde immer kürzer in meinen Gedankengängen, und das heißt also immer besser, immer weniger Zeit raubend! Zum Schluß werde ich gar nichts mehr sagen. Das wird das beste sein. Da wird mich einer nur anschaun brauchen, und sagen: »Ich weiß schon!« Eine kann es jetzt schon, sie heißt »Paula«!
*
Richtige Sachen über die Sachen sagen, ist tausendmal leichter als eine richtige Sache richtig tun!
Deshalb bilde ich mir auch am meisten darauf ein, die Schalen der Bohnen einzeln wirklich auszuspucken und es nicht nur zu predigen! Obzwar, andererseits, die Welt mehr hat vom Predigen als daß ein einzelner gerade – – – die Bohnenschalen ausspucke!
*
Gedanken sind keine Spielereien, wie Schach, Tarock, Dartel, sondern es sind Notwendigkeiten!
*
August Strindberg krümmte sich unter dem unerbittlichen grausamen Druck seiner richtigen Erkenntnisse wie ein getretener Regenwurm. »Die Frau ist ein Hemmschuh meines Seins und Werdens!« muß aber ein befreiender, leichter, göttlicher Gedanke sein! Eine Medizin! Nicht eine Vergiftung!
*
Eine Tür sachte schließen oder sie dröhnend ins Schloß fallen lassen, ist schon eine ganze Biographie!
*
Die »körperlich ideale« Frau ist die gefährlichste natürlich, denn es ist am schwersten, sie zu verachten! Sie befriedigt wenigstens ein Organ völlig, unser Auge. Auch ist es da mißlich, zu negieren. Denn der reale Tatbestand ist vorhanden. Sie können sich also es ungefähr vorstellen, wie die körperlich ideale Frau das ausnützt! Armer Gustl, Maxl et Peppi!
*
Warum man soviel über die Frauen nachdenkt?! Weil man sie braucht, weil man sie unbedingtest braucht! Eigentlich sollt' man ja ebenso viel über seinen Nachttopf nachdenken. Aber den nimmt einem ja keiner eventuell weg! Also braucht man nicht über ihn nachzugrübeln!
*
Wenn einem jemand ohne Grund, von selbst, sehr sympathisch ist, sagen die Juden genial von ihm: er ist ein » Schmeckponim!« Ein Antlitz, das gut schmeckt! Dieselbe Empfindung hat man bei geliebten Frauen. Wenn einem einmal eine aber sympathisch wäre und man wüßte es auch noch ganz genau, warum!?! Aber da wär sie dann eben doch kein »Schmeckponim« mehr!
*
Die wahrhaftigsten Sachen sind nämlich so einfach, daß man sich gar nicht getraut, sie zu denken! Deshalb philosophieren die Philosophen! Man denkt bei ihrer Lektüre befriedigt: »Aha, der traut sich nämlich auch nicht, so wie ich, geht lieber sachte um den Brei herum! Der Feigling!«
*
Wenn eine Dame alle meine Bücher gelesen hat, dann hat sie entweder alles davon für ihr Leben oder gar nichts!
*
Buch-Widmung:
Ich bin ein Heide. Ich widme mein Buch meinen drei Göttern: Goethe, Bismarck, Beethoven!
*
Genies sollten nicht »vorzeitig« abberufen werden. Sie haben daher die Verpflichtung zu einer hygienischen Lebensführung! Aber diese schadet wieder oft ihrer Genialität!
*
Urteil einer Dame aus dem Volke über P. A.:
»Er hat ja, das is ja richtig, einmal fest 'dicht', aber jetzt, wo er sauft, kann er seinen Sachen, die ihm im Leben auffallen, nimmer so ganz nachkommen!«
*
Ich sah heute einen dreiteiligen Thermometer, zum Aufhängen, zum Ablesen von allen Seiten! Aber erstens ist er aus England, Gott strafe England!, und zweitens oder vielmehr erstens, elf Kronen! Hätte ich ihn aber dennoch nicht gekauft, wenn ich das Geld gehabt hätte?! That's the question, nein, das ist die Frage! Ha, ich hätte ihn gekauft! Ich hätte gesagt: Weshalb machen Deutschland und Österreich nicht ebenso praktisch-hübsche Thermometer, daß man leichter patriotisch sein könne!?! »Wir werden sie unbedingt demnächst machen!«, sagt Deutschland. »San unsere Thermometer eppa net g'rad a so schön, ah, da muß i bitten?!«, sagt Österreich.
Gasthaus »Einöd«. Man geht durch dunklen Wald auf schmalem Wege. Da liegt es, die »Einöde«. Hinten Wald, vorne nur endlose Weinberge. Die rostrotgolden-haarige Wirtin war so schön, daß ich nicht weniger als eine Krone Trinkgeld geben konnte. Sie sagte: »Dös« g'hört also für die eigentliche Bedienerin Berta, die heut unwol is!«
Dann verlor ich mich 2½ Stunden trotz Mai in Juli-Hitze in den braungrauen, kahlen Weinbergen. Einöd! Dann kam ich zu Villen, die noch unbewohnt waren, und dann zu bewohnten. Bonnen beaufsichtigten Kinder, irgendwo duftete es nach »Naturschnitzel«, irgendwo war ein Gespräch: »Es hat mich sehr gefreut, auf baldiges Wiedersehen!« Einöd!
Über meinem Bette hängt ein Kohledruck des Bildes von Gustav Klimt: Schubert. Schubert singt mit drei Wiener Mädchen Lieder zum Klavier beim Kerzenschein. Darunter steht von mir geschrieben: »Einer meiner Götter! Die Menschen schufen sich die Götter, um ihre eigenen, in ihnen versteckten und unerfüllbaren Ideale dennoch irgendwie zu lebendigerem Dasein zu erwecken!«
Ich lese oft in Nigglis Schubert-Biographie. Sie will nämlich Schuberts Leben bringen, nicht Nigglis Gedanken darüber!
Aber hundertmal habe ich die Stelle gelesen, Seite 37. Er war nämlich Musiklehrer auf dem Gute des Grafen Esterhazy in Zelesz, bei den ganz jungen Gräfinnen Marie und Karoline. An Karoline verlor er aber sein Herz. Es entstanden daher seine Schöpfungen für Klavier zu vier Händen. Nie erfuhr die junge Gräfin von seiner tiefen Neigung. Nur einmal, als sie ihn neckte, er hätte ihr noch keine seiner Kompositionen gewidmet, erwiderte er: »Wozu denn?! Es ist ja ohnedies alles für Sie!«
Wie wenn ein Herz in seiner Fülle, in seinem Grame sich eröffnete, und wieder sich verschlösse für ewig – – –. Deshalb schlage ich oft Seite 37 auf in Nigglis Schubert-Biographie.
Gestern fuhr einer der allerkultiviertesten Menschen im Einspänner an mir vorüber. Er ließ halten, stieg aus, sagte: »Jessas, jetzt weiß ich gar nicht, was ich Ihnen eigentlich hab sagen wollen!?«
»Reichenau, Thalhof, Waisnix!«
»Ah ja, Sie haben's noch immer so gern, in Ihrem Buch hab ich's neulich gelesen. Sonst ist's nicht viel wert.«
»Was, Reichenau, Thalhof?!«
»Nein, Ihr Buch. Sie, ich hab mir zu Haus in zwei Zimmern ein Thalhof-Museum angelegt. Von der Kindheit bis jetzt, wo sich nichts verändert hat in dieser absolut enttäuschungslosen Sache: Reichenau bei Payerbach, Thalhof, Knofel-Eben, Pürst-Hof, Laka-Boden, Alpl, Ochsenboden usw. usw.! Sie, ein Museum! Die alten Speisekarten von 1871, und auf der Badekarte steht: ein jedes Handtuch extra 5 Kreuzer. Und ein riesiger Fichten-Span, den ein Klopfspecht morgens in meiner Gegenwart am ›Pürst-Hof‹ bearbeitet hat. Kommen's zu mir, Sie brauchen kein ›Museum‹, Sie haben's drinnen, aber ich brauch' Ihnen, daß Sie sehen, daß ich auch ein bissel Ihr Reichenau-Thalhof gern gehabt hab mein Leben lang! Wenn ich auch kein Dichter bin Gott sei Dank, gern gehabt und hab ich's noch doch kolossal!«
Über mein Buch »Fechsung«.
Frau Elisabeth Muhr:
»Herr Peter, Sie haben mir die Reue erspart, nicht seit meinem vierzehnten Lebensjahre ein » Tagebuch« geführt zu haben. Es steht alles drin!«
Fräulein Öst …:
»Wie kann er das alles wissen, was da drin steht, ich hab es ihm doch nie gesagt?!?«
Paula Schweitzer:
»Dieses Buch ist keine Dichtung, es ist für mich nur eine Bestätigung!«
Nicht dich allein hab ich zu retten, Fraue, aus dem Schiffbruch des Lebens!
Du klammerst dich persönlich an, deshalb weiß ich dich auch richtiger und leichter zu schützen!
Doch fremde Frauen treiben hilflos auf dem Ozean des Daseins,
erheischen stumm flehend des Dichters Hilfe!
Bist du mir mehr, weil ich deinen Vor- und Zunamen kenne, und die Adresse, wo du wohnst, und weil du sagen, schreiben kannst, wessen du dringend soeben bedarfst?!
Die, die da treiben hilflos auf dem Ozean des Lebens, Unbekannte,
stehn meiner Hilfe näher, weil sie fremder und verlassener sind!
Immer sagen mir die Frauen bei gewissen Gesprächen: »No, und der Mann darf (manches Mal sagen sie sogar »derf«) sich alles erlauben, er darf untreu sein?!«
»Liebes Kind, der Mann ist nie untreu, dazu ist er eine viel zu gemeine hundsordinäre Organisation! Aber Ihr, Zarten, Noblen, Impressionablen, glaubt gleich kindlich-romantisch, nun habe sich eine neue, bessere, wunderbarere Welt für euch aufgetan! Ihr versinket, mit Haut und Haar und Geist und Seele, und allem, allem. Der Mann weiß, was er gehabt hat, nebbich, deshalb bricht er nicht gleich innerlich alle Brücken ab zu den gewesenen Seligkeiten, sondern im Gegenteile! Frauen verlieren sich tatsächlich, Männer finden sich immer wieder – – – zurück!
Die meisten »Beziehungen« sind so, daß sie ebensogut auch nicht sein könnten. Zufällig sind sie. Am meisten spürt das die Frau, der Mann ist zu beschäftigt, für solche »Schmonzes«, Philosophien. Aber Zeit haben zum Nachdenken, da denkt man erst nach, wie blöd man war! Es gibt keine »reuelose« Beziehungen. Der »verbrauchte« Mensch gibt leicht und sogar gern nach, was bleibt ihm übrig, da er nebbich »verbraucht« ist?! Der unverbrauchte Mensch, also das Genie in jeglicher Art, gibt nicht nach, er » krepiert« lieber an seiner bockbeinigen Dummheit, weil er eben ein Genie ist, das heißt, er weiß, daß beim »Nachgeben« nicht viel für ihn herausschaut. Soll man also nicht nachgeben?! O ja, wenn man kein Genie ist! Also fast immer.
Man sprach von Frieda Lagus'
Eigentode. Sie war immer so gelb und steinern!
Die einen sagten dies, die anderen das.
Und eine meinte: »Sie wollte eben das Leben in großen Zügen leben, reich sein ohne Geld, glücklich ohne Seele, vielfältig ohne Einfachheiten!«
Das geht nicht!
Wer nicht gibt, in irgend einer Form, kann nicht empfangen. So hat es Gott bestimmt.
Niemand wird hierin pardoniert.
Und nur Blödsichtige, also Heiden, vermeinen,
daß es
auch so geht!
Auch so geht es nicht!
Die Browning!
Sie muß ja nicht grad' krachen und rasch ein Strafgericht halten.
Es gibt auch leise sanft-perfide Waffen, wie zum Beispiel zehrende Melancholie!
Das, was ich nämlich schreibe, das kann ein jeder eigentlich schreiben, es liegt auf dem Wege seiner Seele, seines Geistes. Deshalb haben viele die Idee: »Mir g'fallen auch zarte edle Hände besser als ordinäre Pratzen, ich mach' nur kein solches Geserres damit!« Ja, er ist diskret, verschwiegen. Er ist eben kein – – – Dichter!
*
Ich habe das Bedürfnis, die Welt Teil nehmen zu lassen, die nackte Schönheit meiner idealen Geliebten photographisch zu bewundern! Auf daß sie sich ähnliche auserwählen!
»Ich nicht, ich will sie, hi, hi, hi, für mich allein haben!« Ja, hast Du sie?!
*
Manche meiner Aphorismen sind oberflächlich, aber sie gehören dazu; wozu?! Zum Ganzen. Es gibt fade melancholische Sümpfe; es gibt tiefe Seen, es gibt – – – alles zusammen!
*
Ich bin leider kein Knut Hamsun. Weshalb beklage ich gerade das?! Weil ich, unter anderen Umständen, von anderen Eltern, in einem anderen Lande, gerade das hätte werden können!
*
Ich kann alle Schriftsteller ruhig lesen, was gehen sie mich an?! Nur Knut Hamsun nicht! Da schäme ich mich meiner Unbedeutendheit.
*
Von allen Biographien interessiert mich die von Franz Schubert am meisten. Wie hat also einer gelebt, der seit jeher mit diesen Liedern schwanger herumging?!
*
Zum Dichten gehören Tränen. Und Lächeln. Wie wenige können bitterlich weinen und herzlich lachen. Ja, bei einem Begräbnis, und bei »Maran« und »Girardi«. Aber so, wegen nichts und wieder nichts?!
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Was sind denn meine Skizzen?! Extrakte von Novellen. Was sind denn meine Aphorismen?! Extrakte meiner Skizzen. Was ist denn, wenn ich gar nichts mehr schreibe?! Extrakte meines Heiligen Schweigens!
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Als mich eine »Geliebte« nach sieben Jahren verließ, erhielt sie sogleich zwei ernste Heiratsanträge von besonderen Männern. Erstens hat sie ihnen ein Dichter erzogen, und zweitens, war sie denn seine Geliebte?! Das geht ja nur in seinem Gehirn, in seiner Seele vor, das gilt ja nichts!
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1. Mai 1915. Vom Kurpark in Baden bei Wien ist vom Rudolf Zöllner-Weg (er war sieben Jahre lang mein fanatisch geliebter Violinlehrer, dann Bürgermeister von Baden) ein schneeweißer Weg in den grauen Felsen gesprengt, mit schwarzem Eisengeländer, wie ein Raxsteig. Ich dachte nur: Wenn da Paula mit wäre!
*
Die Menschen nehmen so viel geizig mit ins Grab, was so vielen oder einzelnen riesig genützt hätte, wenn sie es erfahren hätten. Z. B.: Ich war ein wunderschöner Knabe von 14 Jahren, und unser wunderschönes Stubenmädchen von 21 Jahren wollte mich verführen, das heißt, sie wollte nicht, sondern sie tat es auch! Oder: Ich sah, wie meine vergötterte französische Gouvernante nachts aus meiner Sparbüchse mühselig aus dem engen Schlitz meine armen »Zwanzigerln« herausfischte. Ich sagte nichts, sondern hatte sie nur noch fanatisch lieber, denn es war nun ein süßes Geheimnis zwischen uns beiden!
*
Gespräch mit einer jungen unbeschreiblich anmutigen Schönheit:
»Sie kommen sich aber sehr wichtig vor!« » Ja, weil ich es tatsächlich für die anderen bin!« »Sie fühlen es, daß Sie viel nützen und viel schaden können!« »Ja, da muß ich halt sehr auf der Hut sein, das eine zu tun, das andere zu unterlassen!« » Ja, aber leider umgekehrt wie Gott es will!«
*
Es gibt heutzutage eine Menge »moderner Menschen«, die sich für etwas Besonderes halten, weil sie nervenkrank sind. Man muß aber etwas Besonderes sein, obwohl man nervenkrank ist! Die Mimose ist so krankhaft (?!) empfindlich, daß sie bei jeder Berührung ihre Blättchen schließt. Aber außerdem ist sie die herrliche Mimose.
*
Man sauft – – – um zu vergessen! Ja, aber was?! Daß man nicht Hofrat geworden ist?! Daß Fräulein X Y Z uns nicht erhört hat?! Daß die Promesse nicht gezogen wurde?! Saufe, Mensch, weil ein fremdes uneheliches Mäderl von der Mutter, die einen anderen dann geheiratet hat, zu Tode gemartert wurde! Da saufe, um zu vergessen!
*
Herzenssanftmut, frische Luft, Wasser, kosten nichts, und sind ein Reichtum. Ich sehe überall »geschlossene Fenster« und Gemeinheiten! Also Armut!
*
Die meisten Schriftsteller geben ihr Bestes. Aber ist es wirklich ihr Bestes?! Ich vermute, daß sie gerade das ihrer Frau, ihrem Kinde, ihrer Geliebten und sich selbst geben. Die Welt bekommt so einen kargen, netten Brosamen. Beweist mir doch zuerst, daß ihr euch nicht » anderwärts« verausgabt!
*
Frauenschicksal.
»Du hast dieses wunderbare Gedicht gemacht, Peter, obwohl du allein die Landpartie gemacht hast?!«
»Nein, weil!«
*
Meine Freundin sagte: »Ich will dir von nun an helfen, ohne dich zu belasten!« Da brach sie aber in heiße Tränen aus.
*
Auch ein Kindchen ist eine Dichterin, wenn sie sagt: »Ohne meinen Papa freut mich nichts auf der Welt!«
Aber eine sehr beschränkte!
»Schau'n 's, mein lieber Altenberg, san's mir net harb, mir is es, aufrichtig gesprochen, zu nahe bei Wien, als daß es friedevoll und romantisch wirken könnte! Bei mir fangt die Natur erst bei Payerbach (Schneeberg, Rax) an!«
»Ich bin nicht ›harb‹ auf Ihnen, ich freue mich, daß sie wenigstens irgendwo bei Ihnen anfangt!«
Ehe du von mir gehst,
Geachtetste,
die Zeit ist nämlich nicht mehr fern, ich spüre es bis in die Knochen, nein, bis ins Gehirn,
ehe du also, wie gesagt,
von mir gehst
(tragischestes Wort!)
will ich dich wappnen gegen alle anderen,
dich
ihnen unmöglich, ungenießbar machen, beschwerlich, belastend, unverständlich,
und sie
dir!
Nein,
dir sie zeigen wie sie sind,
Genießer
ohne zu genießen!
Die Zeit ist nicht mehr fern, Margitt, da du
von mir gehst,
es heißt sie auszunützen mit
geistiger Rache!
Ich sagte leise zu meiner zarten, müden Freundin: »Weshalb wir hier in diesem kleinen ›Tribus-Winkel‹ so lange halten müssen, niemand steigt aus, niemand steigt ein?!«
Sie sagte leise: »Es wird schon einen Grund haben, Peterl! Reg dich nicht auf!«
Plötzlich riß der alte, rote, dicke Herr neben Paula die Türe auf: »Sie, Kondukteur, warum fahren wir denn nicht weiter, Kruzifix noch einmal?!«
»Weil wir noch warten müssen!«
»Auf wen, auf was?! Bis Ihna ausdischkuriert haben mit dem Herrn Stationsscheff?!«
»Solche Bemerkungen verbiete ich Ihnen, ich bin Kondukteur des Fahrwagens und Sie sind nur der Passagier!«
»Was, ich bin nur ein Passagier, ich bin ein Mensch, der sich nichts Unrechtes gefallen laßt, merken Sie sich das, Sie Trottel!«
»Meine Herren, ich bitte um Zeugenschaft, Trottel hat er zu mir gesagt!«
»Ah, da schaust' her, jetzt darf man sich nicht einmal mehr erkundigen, warum ein Zug so lang steht?!«
Paula sagte leise zu mir: »Peterl, reg dich nur nicht auf über die ganze Szene, es kommt zu nichts!«
Ich sagte: »Selbstverständlich, Worte › erlösen‹! Nur wer verstummt, sticht eventuell zu!«
»Wer hat Ihnen dös Buch so schön in grauem Leder eingebunden?!«
»Meine Freundin, die Frau Dr. Fr.«
»Die tut Bücher einbinden, die Frau von an Doktor, is das so eine ordinäre Person?!«
»Sie tut es zu ihrem Vergnügen!«
»Ah so, net weil sie muß?! Ah, das is fein!«
Er glaubte stark zu sein,
ein Genie des Lebens.
Ja, solang' er nur einfach
liebte,
war er es!
»Mein ›Künstlertum‹ ist mir doch noch etwas heiliger, pardon, wichtiger als die geliebte Frau.«
Aber eines Tages begann er zu
achten,
erstaunt über sich selbst, und sehr ergriffen.
»Es ist mir unmöglich geworden, sie irgendwie zu kränken«!
Da büßte er alle seine Stärke ein.
Er wurde: »Mama« und »zärtlich besorgtes Kindermädchen«.
»Dein Erbleichen, dein Zittern, dein Müdewerden, Mäderl, vertrag ich nicht! Hopsassa, sei mir nur wieder frisch und friedlich!«'
Hopsassa!
Die meisten Mütter sind blöd-beschränkt, nämlich en comparaison mit der künftigen Welt. Das wär ja auch zu schrecklich, wenn es keine Entwicklung, Veränderung, Verbesserung gäbe! Nicht?! Na also. Die meisten Mütter wünschen es sich, daß es ihren Töchtern »wohlergehe«. Aber was sie darunter verstehen?! Eigentlich nur Geld. Aber zugegeben, daß das ganz vernünftig sei, nie berechnen sie mit dem Bleistift in der Hand, an der Hand von reinlichen ernsten einfachen Zahlen, wieviel also dieses geliebte Kind absolut notwendig brauche, um mit einem nicht gerade fanatisch geliebten, sondern nur so ziemlich geachteten Manne glücklich dahinleben zu können!? Mit dem geliebten Manne lebt man von »Brotrinde«, das weiß man, das ist schon von allen Liebespaaren vorberechnet, die dann nach einem Jahre darüber verzweifelt sind; aber die anderen haben ein bestimmtes »Minimum-Budget«, z. B. zwei Zimmer, eine Bedienerin, und Landaufenthalt im Salzkammergute. Das sollten die Mütter berechnen, den Penkala-Bleistift in der Hand, mit unerhörten Details, bis zum Klosettpapier!
Infolgedessen ist dem Herrn schlicht zu sagen: »Haben Sie jährlich 5893 Kronen?! Ja?! Nein?!«
»Sie, ich geb das Bobfahren endgültig auf, mehr wie die drei ersten Preise braucht man nicht zu gewinnen. Es will eh jede Frau seitdem mich besitzen. Aber ich habe meine eigene, die ich mir merkwürdigerweise ohne ›Bobfahren‹ akquiriert habe, nur so im Gespräch über die Lieder von Hugo Wolf. Wissen Sie, und dann sperr' ich die Gewinst-Chance für die anderen. Das gehört sich nicht. Ich erkläre mich also für ›hors concours‹. Man kann nicht nobel genug sein, wenn alle anderen neben einem vor Neid zerspringen! No ja, ich habe halt meine eigene, seit zwei Jahren eintrainierte Mannschaft aus Gr., ich brauche nicht herumzubetteln! Die Leute sehen es einfach nicht mehr gerne, daß ich gewinne. Es hat für sie jeden Reiz verloren. Sie sagen: ›Wer gewinnen wird?!? Natürlich der Fr.!‹ Die Emotion ist also vorbei, daß der Fr. geschlagen wird, blamiert wird! Was bleibt also übrig in diesem faden, nichtigen, wertlosen Dasein, als sich für ›hors concours‹ erklären zu lassen?! Das ist die höchste Staffel des ›Pflanzes‹. Und die muß man erreichen unter ›Pflanziers‹! Mit den Wölfen muß man heulen, aber bequemer ist es, mit den Bobfahrern nicht mehr zu ›starten‹. Was tue ich, wenn ich zufällig dennoch über die Böschung hinausgeschleudert werde?! Eine Menge Damen werden in Tränen ausbrechen und jammern: ›Ewig schade um den schönen eleganten Kerl – – –.‹ Infolgedessen gebe ich das Ganze auf. Mehr als es mir eingetragen hat, kann es mir nicht eintragen! Alles hat seine natürlichen Grenzen und so auch das Bobfahren! Empfehle mich bestens! Ich bin von nun an ›hors concours‹! Auch in diesem Leben eine Art von Konkurs!«
Heute, 3. Mai 1915, machte ich um neun Uhr morgens, an einem kühl-sonnigen Tage, mit ihr eine Landpartie per Tramway (für offene gegenzugige Fenster bezahlte ich dem Schaffner extra eine Krone) in die Vorderbrühl, Meierei-Wiese: Sie kannte sie bisher nur aus meiner »Skizze«. Als sie sie erblickte, sagte sie: »Ja, so ist sie. Ich habe sie immer geliebt.« Die Natur brachte sie in eine hysterisch-ausgelassene, fast übertriebene Stimmung. Sie tanzte, hopste wie ein Hexlein, fiel zusammen, lehnte an einem Baume, und weinte sogar ein bißchen. Ich war froh, daß niemand zusah. Denn man hätte es für pure Affektation gehalten, um auf mich zu wirken. Und das war es auch. Aber ist denn das nicht rührend, das zu wollen?! Ist es denn nicht die natürliche Dankbarkeit für die Spesen?! Denn jede noch so billige Landpartie kostet Geld. Ein unvorhergesehener »Automat«, und du bezahlst für Schokolade-Stangerln 20 Heller. Sie geht »Wiwi« machen, wieder 10 Heller. Am Land ist man nicht knickerisch. Und da soll sie im Angesicht von gelbgrünen jungen Buchenwäldern und werdenden Maiglöckchen (vom Kuckuck gar nicht zu reden) nicht wenigstens exaltiert zufrieden sein?! Ah, da muß ich schon sehr bitten! Bin ich denn nur der » Pimpf«? Abends zu Hause wiederangelangt, legte sie sich auf mein Sofa, und während ich die Ereignisse des schönen Tages besprach, schlief sie süß-ermüdet und süß-gelangweilt ein. Da erschaute ich tief gerührt den Gegensatz zwischen dem »forcierten gequälten Leben« und dem künstlerischen Frieden des »Nichtseins«. Ich kniete nieder, ja, ich bekenne es. Die Spesen der Landpartie waren gedeckt!
Wirkliche Zuneigung kann sich in ihrem Unglück nur durch » körperliche Erkrankung« (Auszehrung!) erweisen! Wer genest, war nie wirklich krank!
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»Ich huste schon!« sagte eine, die ein Millionär verlassen wollte.
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Ein Dilettant ist jemand, der das nicht kann, was er können möchte! Ein Künstler ist jemand, der es kann, und noch dazu, ohne es zu » möchten«!
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Jemand schrieb über mich: »Dilettantismus mit einem Hintergrund von Dichterseele!« Deinen Hintergrund sollte man dir ausklopfen!
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Der Herr Nebbich: »Was brauch ich Dichter, wenn sie schon so verständlich sind, daß sogar ich sie schon versteh?! Die großen Dichter versteh ich nicht. Warum? Weil sie eben größer sind wie ich, man kann auch sagen › als ich‹ und es ist sogar noch richtiger.«
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Meine Bücher sind keine Unterhaltungsbücher (haste Unterhaltung!), es sind Lehrbücher. Aber nicht, damit man so lebe wie ich (i bewahre!) oder so denke oder fühle, sondern damit man zu seinem eigenen Sein noch hinzu, als Daraufgabe, das von mir herausnehme, was einem noch gerade in den Kram paßt! Gib dem Organismus in geringen Dosen Lezithin, Phosphor, Eisen, Arsenik, Kola, er wird sich schon herauskletzeln, was ihm davon bekömmlich ist. Das andere sch… er ja doch wieder aus!
*
»Ist dieser Peter nicht ganz verrückt?!«
»Ja, er ist ganz ver – – – rückt von dem Platz, wo die anderen noch hocken!«
*
Hart und trocken – – – die meisten Reichen.
Weich und trocken zugleich – – – die Cremoneser Geigen und die Dichter.
Weich und zerfließend – – – die fünfzehnjährigen Schulmädeln.
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Es gibt leider Gottes viele, sonst ganz anständige Bürgerfamilien, die aber gar keine Naturliebe, keine Musikliebe, also auch keine Menschenliebe haben. Gerade solche kommen »sozial« hinauf, weil sie ihre Geisteskräfte nicht an Unnützes » verplempern«! Aber was ist schon dann, wenn sie nebbich ganz oben, in Glanz und Würde, angelangt sind?! Erstens gibt es noch immer noch Oberere, und dann, der »Krebs« ist gern der schließliche Rächer für überflüssige Anstrengungen des Organismus! Oder ein »Schlagerl« gefällig, Herr Streber?!
*
Als ich in der »großen«, in der nämlich ganz großen Verzweiflung war, weil mein Bruder mich meinen Folterknechten im Sanatorium nicht entreißen wollte, da schrieb mir das »befreundete« junge Ehepaar: »Können uns leider nicht in Ihre › Privatangelegenheiten‹ (ha ha ha, hi hi hi) mengen, hoffen, daß alles doch noch gut ausgehen werde!« Ha ha ha, hi hi hi, hia!
*
Aus einem Einzelleben, das der kennt, der es einzeln erlebt hat, kannst du, Fremder, mehr erlernen, profitieren als von einem, der sich erfrecht, die »Gesamtheit« zu, schildern, die er natürlich nicht so genau kennen kann!
*
Von einem jeden Kunden kannst du eine Menge lernen, sei also nicht hochnäsig und präpotent, sondern lausche!
*
»Weshalb haben Sie nicht Kipfel-Erdäpfel?!«
»Wir haben sie nicht, aber von morgen an werden wir sie immer haben, danke!«
*
In der Glashandlung sagte man, das hätten nur Installateure. Die Installateure sagten, das hätten nur die Glashandlungen. Richtig fand ich es in einem Kücheneinrichtungsgeschäft. Ich erzählte das dort, da sagte man: Ja, wir haben es auch nur zufällig.
*
Als mein Vater nach sieben Jahren wieder nach Paris kam, sagte der Kellner: »Ah, voilà, le même souper comme jadis naturellement!«
Ich habe nur ein Kind, Gott sei Dank, ein Mäderl, fünfzehn Jahre alt, der Papa ist gestorben. Also kann ich mich ganz auf es konzentrieren. Man sagt mir, ich verwöhne sie. Eben das will ich. Ich will es, daß sie besser lebe als ich selbst gelebt habe. Niemand kann mich daran hindern, ihr es zu ersparen, was mir nicht erspart worden ist! Dumme Schurken! Sie soll ein geräumigeres bequemeres leichteres freundlicheres Zimmer haben als ich je eines bewohnt habe, je mir in meinem ganzen Leben erträumt habe! Meine stillen vielleicht lächerlichen nichtssagenden Mädchenträume sollen sich an ihr erfüllen. Ich will ihre »Fee« werden! Alle Bücher, die sie lieb hat, alle Photographien und tausend liebe Kleinigkeiten der Stube! Jede überflüssige Krone ihr!
Ihr »Künftiger« soll es entsetzlich schwer haben, ha, ha, mich und meine Fürsorge ersetzen zu können! Ich koche selber, genial, für sie. Wer hat für mich gekocht?! Niemand. Sie »interessiert« sich momentan für einen »Dichter«. Das heißt, sie ist »in diesen Jahren« und dennoch noch nicht. Ich schaue nur zu, ob sie »verklärt« aussieht, und das tut sie! Sollte es »Leid« geben, werde ich schon das Meinige leisten. Toter Gatte, verlasse dich auf mich! Ich bin keine Gans, ich bin eine Mama, also eine, die infolgedessen alles weiß, fühlt, riecht, spürt, ahnt und mitmacht!
Man kann nur denjenigen Mann wirklich lieb haben, der jene Höhepunkte in uns erkennt, die wir selten oder nie erreichen! Nur wer unsere in uns schlummernden Idealzustände errät, enträtselt, hat uns wirklich lieb! Wer sich begnügt mit unserem täglichen, stündlichen, armseligen Sein, kann uns nie wirklich lieb gewinnen! Da werden wir zu Eintagsfliegen seiner Neigung! Wer uns in sich selbst nicht austräumen, nicht ausdichten kann, zu unsern eigenen leider unerreichten Idealen, wird heute oder morgen enttäuscht werden, von unseren alltäglichen Unzulänglichkeiten! Nicht was wir sind, darf man an uns lieben, sondern was wir unter gütigstem Schicksale eventuell hätten werden können! Seine Trauer um unsere Armseligkeit sei seine wirkliche Liebe! Denn er wisse, daß auch wir es betrauern!
Nur die Genies unter den Menschen haben die Kraft, trotz allen Gefahren sie selbst zu werden, restlos! Wir aber sind darauf angewiesen, daß andere uns in ihrer eigenen Seele ergänzen zu dem, was uns zu unserem Idealzustande fehlt! Deshalb allein eigentlich haben wir das tiefe Bedürfnis geliebt zu werden! Da wir selbst nicht vollkommen sein können, ersehnen wir uns einen, der unsere mögliche Vollkommenheit in uns erschaut, wie ein Seher, ein Prophet, ein Verkünder! Deshalb hängen wir uns an ihn, weil er etwas von uns sieht, was noch nicht da ist, und was niemand sieht, und dennoch vorhanden ist, für den genialen liebevollen Erspäher!!! Er sieht in uns, was wir für ein eventuelles Töchterchen uns selbst erträumen!
Wir haben eigentlich nur den wirklich lieb, der an das in uns glaubt, was zwar tatsächlich in uns vorhanden ist, aber zu zart ist, um im brutalen Leben je zur Entwicklung zu kommen! Gott hat uns Frauen eine überzarte Dichterseele mitgegeben. Wir unterdrücken sie, zerstören sie sofort aus praktischen Gründen. Was nützte uns denn auch unsere Dichterseele?!? Und dennoch haben wir nachträglich nur jenen Mann gern, der sie wieder in sich selber aufleben läßt – – –! Einen, der unseren in uns noch leise klagenden Idealen lauschte! Einen, der trauerte um uns, wie wir selbst es eigentlich um uns tun!
Gott erträumte sich uns schön, anmutig, zartfühlend, sanftmütig, selbstlos – – –; aber der Mann des Lebens nimmt mit allem vorlieb. Da werden wir denn: dumm-eitle Gänse! Brauchen wir mehr zu sein für diesen?!? Und das ist noch viel zu Viel für diesen Idioten, der auf die Ideale leicht verzichten kann!
»Dieser mysteriös schöne Blick deiner Freundin! Dieser, man schämt sich fast es zu sagen, Pfirsichteint, diese edel-facettierte Stumpfnase, dieser Mund, diese zarten langen Hände! Ha, ich bin doch der einzige, der sie anerkennt!«
» Du, du genießest sie, du speisest deine unersättliche Männcheneitelkeit mit ihrer getreuen Anhänglichkeit, du schätzest ihre Vollkommenheiten nur insofern als du darum beneidet wirst! Du mißbrauchst sie, du degradierst sie. Ich erhöhe sie, bringe sie zum Leben, mache sie gleich dem heiligen Walde, dem See, dem Kinde, die ich alle anbete!«
»Du, bitt' dich, sage ihr nur diese Blödsinne nicht ins Gesicht, die Gans ist imstand und glaubt es!«
Merkwürdig, wie selbst zartfühlendste Frauen es auf Landpartien, in der Heiligkeit der Natur gar nicht spüren, wie sehr sie uns belasten, ablenken, ja, überflüssig sind. Gar nicht merkwürdig, denn sie spüren es, aber sie denken: »Etsch!« Gibt es solche, die nicht belasten?! Ja, vollkommen schöne, anmutige, schweigsame. Die tun dann mit, mit den Gräsern, Sträuchern, Bäumen, Bächen, Hügeln, mit tun sie, und man weiß nicht, daß sie extra auch noch überhaupt sind!
*
Auf Landpartien erwünsche ich mir von einem zärtlich geliebten Geschöpfe die Photographie meiner eigenen Seelenstimmung, aber nicht eine eigenwillig retuschierte sogenannte Verbesserung!
*
Sie freut sich mit mir, das heißt, sie freut sich, daß ich mich freue, daß sie sich mit mir freut!
»Helfen's mir!« sagte die süße braune (auch am ganzen Körper) Kassiererin zu mir, »ich bin von der Frau gekündigt worden, weil ich vor der Tür g'standen bin und auf die Straßen hinausg'schaut hab!«
Die Frau sagte zu mir: »Bemühen 's Ihna nicht, es nutzt Ihnen nichts. Bei mir muß jeder hinaus ohne Pardon, bei dem ich das Prinzip merk: › Wann die Katz aus dem Haus is, haben die Mäus Kirchtag!‹«
»Bravo!« sagte ich, »Das sollte auch für jede Liebesbeziehung gelten!«
Als ich das der Hellbraunen rapportierte, sagte sie: »Ja, wann derf man dann leben und net vor Langweile zugrund' gehn?! Pfiat dich Gott, Katz!«
Welchen versteckten entsetzlich kurzen heimtückisch verlegenen, rasch zündenden Bück hast du, Verräterin, heute abend beim Souper im Restaurant dem berühmten Klarinettisten aus Mailands Opernhause zugeworfen an den Nebentisch?!
Dann sagtest du: »Sein Klarinett ersetzte mir Adelina Pattis verstummtes Nachtigallgetriller und der Bianka Bianchi verstummte Leichtigkeiten!«
»Und deshalb?!«
»Ja, deshalb! Ich will ihn belohnen irgendwie! Nicht daß er's annimmt, ist mir wichtig, sondern daß er's weiß, daß ich es spenden möchte!«.
»Verräterin!«
»Was hat mich denn zu dir gezogen als ganz dasselbe Fühlen?! Künstler sind frei, wohlan, jedoch auch wir sind's ihnen gegenüber!«
»Ist es nicht schade, daß diese wunderbaren aprikosenfarbigen Rosen gar nicht duften?!«
Mein Stubenmädchen: »Wozu?! Man hat schon den Geruch, wann ma's nur anschaut!«
*
Es gut meinen mit jemandem! Unzuverlässigstes aller menschlichen Lügeworte!
Es gut wissen mit jemandem! Wissen, nicht meinen!
Bruder, hast du nicht aus Bruderliebe den schauerlichen Folterknechten des »Sanatoriums« mich überlassen und kein seelisches Gehör gehabt für mein Flehen und Bitten?!
Freunde, habt ihr nicht geschrieben, daß ihr euch in Familien-Privatangelegenheiten nicht einmengt?!
Ihr Schurken, Verbrecher, feiges Mordgesindel, seid verflucht für eure gute Meinung!
*
Wenn wir allen unseren momentanen schrecklichen, wenn auch noch so berechtigten Empfindungen, Zeit ließen verdaut zu werden geistig-seelisch, im Organismus assimiliert oder als Störendes, Unbrauchbares, Hemmendes ausgeschieden zu werden, könnten wir ja alle fast Heilige werden!
*
Ich ging heute vormittags der zwölfjährigen Lucie D. nach, durch alle Straßen, kreuz, quer, über Plätze, bis zu dem Kinderspielplatz bei der Karlskirche. Dort umringten sie viele Freundinnen und sie zeigte auf mich, ihren Ritter, der ihr in respektvoller Entfernung gefolgt war. Einige kicherten, einige schauten ängstlich erstaunt. Ich ging langsam durch die Gartenanlagen. Sie folgte mir nach in respektvoller Entfernung. Ich ließ ihr den Vortritt, um ihr folgen zu können. So ging sie langsam bis zu ihrem Haustore zurück. Sie war gewappnet für alle Zeiten gegen das »Nachsteigen«. So respektvoll zärtlich wird es keiner tun, daran wird sie sich Gott sei Dank erinnern! Nur nicht anziehende Menschen im unklaren lassen über ihre Anziehungskraft! Wer weiß, wer sie dann aufklärt!?! Und wie?!
*
Wenn man bedenkt, wie viele schöne Frauen Männer ausplündern, ausrauben, aussackeln, so muß man doch auch bedenken, wie viele gerade solche wieder andere Männer, wenn auch nur mit ihrem Leibe, beschenken! Die, die sich ausplündern lassen, sind unbedingt nichts anderes wert! Die, die sich beschenken lassen – – – noch weniger! Die Anständigkeit muß in die Welt kommen! Aber nur die von Gott und den Dichtern dekretierte!
*
Wenn eine eitel ist, fällt sie auf den herein, der ihrer Eitelkeit schmeichelt! Wenn eine bescheiden ist, fällt sie auf den herein, der ihre Bescheidenheit anerkennt! Welche also fällt auf keinen herein?! Keine!
*
Der Wald ist ein Liebhaber, kein Vermittler. Man hat sich ihm ganz hinzugeben, nicht ihn zu benützen für einen dritten! »Mit dir im Walde!« ist eine Degradierung des heiligen Waldes zum Kuppler!
So empfindet auch der Dichter. Er ist dem Walde gleich, er ist kein Kuppler für andere! Man muß ihn lieb haben, mit keinem anderen! Sonst wird er zum Kuppler degradiert! Mit Wald und Dichter hat man keine Geschäfte zu machen!
*
Die Gier nach Geld darf nur so weit gerade gehn, um Seele und Geist frei zu machen von der Gier nach Geld! Also: monatlich 600 Kronen!
Als ein schönes junges Mädchen zum Sterben sich anschickte, ließ sie den Herrn Leichenbestatter kommen, erkundigte sich um Grabausschmückungen. Er sagte, für ältere werden lila Blumen bevorzugt, für Unschuldige weiße, für die anderen blaue!
»Wissen Sie was, geben Sie weiße und hie und da blaue!«
»Ah, meine lieben, scheinbar freundlichen Herrschaften, ich weiß schon zehn Jahre vorher, was Ihr mir »grapsen« (stehlen) möchtet, daher kann ich mich auch zehn Jahre vorher schon vor euch schützen!«
Die anderen: »Gott, wer hätt' das gedacht, erwisch' ich meinen besten, langjährigen Freund bei meiner geliebten Frau! Na, so was, da steht die Welt nicht mehr lang!«
Nein, bei einer solchen Kurzsichtigkeit allerdings nicht!
»Kannst du mir etwas nachweisen?!« sagte die Kokette zu ihrem Geliebten.
» Ja, meine Angst um dich! Wie hätte ich sie, wenn sie unnötig wäre!?!«
*
Alle Menschen sind eitel – – – auf ihre eleganten Schuhe und Socken, statt auf ihre eleganten Füße, Beine und Zehen!
*
Frau Lotte Fr.: »Weshalb sagen Ihnen so viele junge hübsche Damen falsch-vertraulich: ›Peterl‹?!«
»Um es sich zu beweisen, daß sie eben noch nicht das Recht haben, einfach-schlicht zu sagen: ›Herr Altenberg‹! Sie haben es!«
*
Wenn eine Frau liebevoll-zart besorgt sagt: »Gib acht, es wird dir schaden!«, bist du ihr schon ausgeliefert als Sklave, durch deine Dankbarkeit! Wenn du nicht im selbigen Momente sagen kannst: »Kusch, Kanaille!«, bist du für ewig dir verloren! Sie spekuliert auf deine zarte Edelmütigkeit! Enttäusche sie!
*
Sie kochte mir sorgsam Kipfel-Erdäpfel und erwartete dafür Zärtlichkeit. Ich sagte: »Im Restaurant sind sie zwar teurer, aber billiger!«
*
Ich sehe in den Straßen so viele dahinfluten, -schreiten, -trippeln, -tänzeln, -schlürfen, -hatschen, und ein jeder will etwas erreichen! Ja, hat er nicht recht?! Hat er es sich gewünscht vielleicht, da herein geboren zu werden?! Jetzt ist er nebbich da!
*
Paula Sch., du weißt Gott sei Dank nicht, was du mir bist! Aber wer wärest du, wenn das mir schaden könnte?! Nun also, du bist mir das, was alle anderen mir nie gewesen sind und nie sein konnten! Ich habe eine eiskalte Liebe zu dir, also eine glühheiße – – – sie heißt: Anerkennung! Liebe als Geheimnisvolles, Rätselhaftes, Unergründliches, Märchenhaftes – – – eine kindische Stupidität, ein Eintagsfliegenleben! Liebe als: »Ich weiß warum!«, eine Ewigkeitssache! Alles: »Ich weiß warum, wie, woher, weshalb,« ist ewig, sicher fundiert. Alles: »Wie merkwürdig, daß es doch ist!?«, ein kindisch unmännlicher Blödsinn! Man klammert sich nebelhaft an etwas an, weil der nebelreine Geist noch nicht herrscht!
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Krummrückigen ist der gerade Geist versagt! Plattfüßigen der Schwebeschritt! Dyspeptikern das Leicht- und Schnellverdauen! Hängende Brüste – – – traurige Seelen! Kinderbrüste – – – reine lachende Seelen! Dein körperliches Sein allein bestimmt dich!
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»P. A., Sie sagen alles so einfach-brutal, so verständlich, da gibt es keinen Ausweg, es mißverstehen zu dürfen! Mein Freund sagt dieselben Dinge, aber für die oberen Fünfhundert!«
»Er ist Aristokrat, ich Edel-Anarchist!«
»Alexander der Große kam mit Aristoteles auseinander, weil er seine Lehren verständlich für alle vorbrachte. Es war nicht › Kaiserlich‹ genug!«
»Nun ja, ich riskiere es eben, daß 1000 Esel mich mißverstehen, um 10 anständige Menschen vielleicht aufzuklären! Außerdem ist es kein geringes Vergnügen zu sehen, wie dabei 990 sich giften! Ich lasse niemandem die Ausrede: »Das ist mir zu hoch!« Krümme dich, Wurm, unter meinem verständlichen Tritt!«
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Ich schrieb auf dem Semmering an eine Dreizehnjährige: »Anmut geht leider nicht nach Jahren, je weniger, desto mehr!«
Die Mama schrieb zurück: »Vergessen Sie nicht, Herr Dichter, daß mein Kind noch nicht vierzehn ist!«
Und ich: »Habe im Kalender kein Datum für ›künstlerische Begeisterung‹ gefunden!«
Und sie: »Soll sie vorzeitig selbstbewußt werden?!«
Und ich: »Nein, rechtzeitig! Damit die faden Hunde mit ihren Komplimenten sie später nicht mehr betören; indem sie fühlt:
›Eh, das hat mir schon der alte Narr vor drei Jahren in meinem dreizehnten Lebensjahre viel schöner auf dem Semmering geschrieben‹!«
Um ein Weib muß man kämpfen, rastlos, unerbittlich, mit allen Mitteln seines Geistes, seiner Seele! Gegen alle erbitterten Feinde, also gegen alle Männer!
Sie hat, selbst die Beste, immer etwas von der Zuschauerin im Walde, wenn die Hirsche ihre Edel-Geweihe aneinander rennen ihretwegen, sich die Hirnschale, das Herz zu zersprengen!
Das aus ihr auszutreiben, diese infame Urnatur, dieses schauerliche, respektlose, freche Urwesen, ist die Aufgabe des modernen Kulturmannes! Probleme besiegen mit dem Napoleon-Schwerte seines Geistes, seiner Seele! Die freche Beherrscherin zur edlen Dienerin erhöhen! Gegen ihren Willen, nein, mit!
Im Volksgarten, bei blühenden weißen Azaleen, sprach mich eine an; »Oh, Herr von Altenberg, wie geht's?! Noch immer so exzentrisch?!«
Eine Bedienerin, die plötzlich wegging, ach ja, ohne Grund, es war. ihr doch der Dienst zu schwer.
»Ich privatisiere seit vielen Wochen!«
»Ich weiß es, Anna!«
»Wer hat es Ihnen erzählt?!«
»Meine Brieftasche, Anna!«
Nun werdet Ihr glauben, von Gewissensbissen gefoltert, sandte sie die 300 Kronen zurück.
Sie schrieb: »In Verehrung für den Dichter habe ich leider heute eine große Aufregung an Ihnen bemerkt. Sie sollten sich doch eine Kur in einem Sanatorium gönnen für Ihre armen kranken Nerven!«
Gott, bestehlen einen aber alle Anderen fast nicht ebenso?!?
Du fragst mich ängstlich, Paula,
weshalb ich dich eigentlich nicht »
liebe«?!
Du hast's in dir, von Urgroßmütter Zeiten, dieses nichtssagende bequeme Wort!
Du bist mein
Hort, mein
Schutz, mein
Echo von allem was ich denke und empfinde,
mein
Friede, meine
Gesundheit, meine
Krücke, meine
Lebenskraft, meine
Errettung!
Daß ich dich nicht liebe, ist doch selbstverständlich.
Denn erstens birgt dies Wort »Vergänglichkeit!«
Und was ich für dich hab, ist unvergänglich!
Leicht möglich, daß du die »Liebe«
suchen wirst bei
anderen,
denn in euch sind ewig
Urmütterinstinkte!
Es wird eben einer » ohne dich« nicht leben wollen können!
Ich kann es. Jedoch friedvoller mit dir!
Gedichte müssen in einem drin sein, ganz drin.
Z. B.: »Wie die Tubarose abends weiß durchscheinend blinkt und duftet! Wie die Mitzi!«
Ob du es mitteilst, ist gleichgültig.
Teilst du es denn wirklich mit?!
Du teilst es, ein jeder nimmt sich ein Stückchen Unverstandenes, Mißverstandenes, absichtlich Entstelltes, heraus!
So lang es in dir ist, ist's ungeteilt, von ganzem Herzen!
Ich könnte dieses Thema ausspinnen,
doch wozu?!
Die Dichter werden es dennoch ewig versuchen,
ihr mißverstandenes Inneres
preiszugeben,
damit einer, eine unter Hunderttausenden es vielleicht halb verstehe!
Er war ungezogen wie immer, es ist ihm angeboren wie Rückgratverkrümmung. Er erlaubte sich einen blöden bequemen Scherz in bezug auf meine Freundin. Sie lächelte halb verlegen und kindlich darüber. Die Ungezogenheit ward ihm jedoch sogleich verziehen von mir. Gedenket milde der Armen im nicht kerzengeraden Rückgrat! Aber daß Anita lächelte darüber, d. h. daß er mir die Gelegenheit schuf, es zu erfahren, daß sie darüber lächeln konnte – – – Das, das, siehe, verzeihe ich ihm nie! Er ward mein feiger Mörder!
Immer denke ich an deinen Vater,
der nicht mehr ist,
und der dich allerzärtlichst liebte bis zu deinem zehnten Lebensjahre. Länger konnte er nicht.
Ich glaube, ich habe deshalb eine Verpflichtung.
Wie kommst du dazu, die Liebe eines Menschen zu entbehren, zu vermissen, der dich aus Sinnenlust momentan erzeugt hat?!
Wenn ich mir oft denke dies und das, so Schrullen des »ästhetischen Gefühles«,
denke ich immer sofort an deinen verstorbenen Vater!
Ihm wäre alles recht und lieb gewesen.
Und so also auch mir!
Es ist gut, wenn man der Seele eines Verstorbenen nachlebt!
Allein brächte man's oft nicht zusammen. Man ist brutal veranlagt. Vom Friedhof aber kommt ein milder Hauch!
Die Japaner benutzen die »Kormorane« als ideale »Fischer«, sie geben ihnen nämlich einen eisernen Ring um den Hals, wodurch sie zwar die Fische erschnappen, aber dann nicht hinunterwürgen können. Der Mensch nimmt sie den Unglücklichen rechtzeitig ab. Bei uns, in der »Lobau« ist man falsch romantisch, man schont diese pathologisch gefräßigen Fischräuber, legt ihnen keinen Eisenring an, läßt sie nach Herzenslust rauben! Die Fischer, die bezahlen, sind verzweifelt, aber die »Naturfreunde« bewundern diese schwarzen geschickten gänseähnlichen Vögel. Freilich bezahlen sie kein Fischereigeld. Wird man sie aber endlich einmal gerechterweise abschießen, dann werden die Zeitungen klagen: »Wieder ist eine Zierde unserer Gegend verloren gegangen!« Aber Donaukarpfen möchten sie zum Nachtmahl doch fressen! Die Naturfreunde!
Er sagte: »Dieses weißgrüne unscheinbare Unkraut, das da auf der weißen Mauer wächst, hat einen poetisch klingenden lateinischen Namen: Capsèlla bursa pastòris! Wenn du dir den bis morgen merkst, werde ich daran glauben, daß du mich wirklich lieb hast!«
Am nächsten Tage sagte sie: »Capsêlla bursus pastori!«
Da freute es ihn noch mehr als wenn es richtig gewesen wäre!
Er sagte: »Ich habe es dir nicht ›auf deutsch‹ genannt, damit du nicht in einer ›Botanik‹ nachschauen könntest!«
»Oh, das hätte ich nie getan. Ich wußte, daß ich es mir auch so richtig merken müßte!«
Berühmte Aussprüche sind eigentlich nichts anderes wie kondensierte Essays. Infolgedessen müßte man Essays zu berühmten Aussprüchen kondensieren können! Nu, kann man es?! Z.B., aber was soll ich alle die Herren kränken?!
*
»Welches wäre, Herr von Altenberg, Ihr wichtigstes Prinzip bei der Erziehung ganz junger Mädchen?!«
» Freudlosigkeit an Komplimenten!«
*
»Ich habe eine so große Angst, daß meine idealen Brüste unideal werden könnten!«
»Sie eitle Gans!«
»Ich befürchte ja nur, daß ich dann ein ebenso neidisches Mistviech werde wie die anderen, die schon unideale längst haben!«
*
»Ich habe im heurigen Frühjahr botanisch zugelernt: Die lila kaiserliche Paulownie, die ›zartgeschlitzte‹ Ulme, die japanische Sauerhülse, die weißgraue Ölweide, die helle Graublau-Fichte, die üppig rosige Weigelie, die düstere Rotbuche!«
»Ja, haben Sie diese Bäume und Sträucher bis dahin nicht gekannt?!«
»Nein, denn ich kenne Fräulein Paula Sch. erst seit diesem Winter!«
*
Die Leute finden doch immer irgend etwas an meinen »kleinen Sachen«. Ich finde an ihren großen Sachen gar nichts!
*
»Die Sache spricht, tönt doch für sich selbst!« sagte der Dichter. Da mußte er Selbstmord begehen.
»Herr von Redakteur, Sie sind doch ein so genialer und einflußreicher Mann – – –!«
Da bekam der Dichter den – – – Preis!
*
»Peter Altenberg schreibt hie und da doch gar zu billige Wahrheiten!«
»Wenn ihr sie wegen ihrer Billigkeit doch um so mehr kaufen möchtet!«
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Der Teufel reitet schnell, und der Engel fliegt langsam. Infolgedessen erreichen sie einen auch dementsprechend!
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Gesundheit ist, nichts gegen seine Gesundheit unternehmen!
Reue ist unhygienisch, Gram verzehrt – – – die noch vorhandenen eventuellen Kräfte! Man soll doch neu, besser aufbauen!
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Von mir kann man alles profitieren, wenn man profitieren – – – kann!
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Ein jeder muß eben halt doch seinen Weg gehen, ist ein kompletter frecher Blödsinn! Wie wenn man sagte: »Ein jeder Hund muß halt ins Zimmer pissen!«
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Geliebte Wiener Bevölkerung auf allen Straßen, auf allen Plätzen, wie beneide ich dich, wenn ich so vorüberwandle! Ihr habt nur über einen zu lachen, ich aber über alle!
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An geliebte Frauen:
Nicht was ihr seid, seid ihr; das seid ihr, was wir von euch träumen! Laßt uns nur aus unserem süßen Traum bitterlich erwachen – – – die Zeit des Traumes habt ihr uns dennoch gnädig geschenkt!
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Manche junge Leute tun mir die Ehre an, mich zu bitten, ihnen ihre verborgenen Ungezogenheiten und Taktfehler vorzuhalten, aber jeder ist dann beleidigt, wenn ich ihm diese Ehre antue!
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Die schrecklichsten Abgründe öffnen sich, wenn zwei Menschen sich wirklich gern haben! Denn da merken sie erst alles, was trotzdem nicht stimmt! Die anderen gleiten darüber hinweg, sie haben es eh' nie anders sich erhofft!
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Es darf nicht mehr heißen: »es mundet mir!«, sondern: »es magent mir!« Nicht was dem stupiden Mund schmeckt, sondern was dem weisen Magen leicht verdaulich ist!
*
Auf die Natur-Schmonzes Italiens wird verzichtet (Zitrone, Orange, Olive, Lorbeer, Pinie)! Wir sind mehr für Tanne, Föhre, Legkiefer, Linde, Birke, Salweide, Rotbuche, Erle, Haselstrauch!
Das Leben ist so kurz, und die Menschen verstehen es nicht einmal, sich aus den doch noch bestehenden vierundzwanzig Stunden ein kleines, feines, flüchtiges Paradies zu machen! Das ist ungeschickt. Z. B., du bist vollkommen ausgeschlafen, denkst vor allem an die Tausende, Hunderttausende, die momentan ganz unausgeschlafen in die Arbeit schleichen oder gar anders wohin. Der Frühling schimmert auf den alten braunen Schindeldächern. Freilich siehst du keine Primeln und andere edle Vertreter der Frühlingsbotanik. Aber auf den alten braunen Schindeldächern, siehe, schimmert der Frühling ohne Botanik. Ein Dienstmann steht unten, der eine kleine Familie zu ernähren hat, z. B. vielleicht auch eine 14jährige bleiche, schöne Tochter. Du gibst ihm einen Auftrag, für 60 Heller, und er eilt beflügelt hinweg. Er kommt zurück, und du gibst ihm noch 40 Heller, für nichts. Pardon, für die hoffentlich vorhandene 14jährige bleiche Tochter. Du triffst im Morgenlichte einen Bekannten und sagst zu ihm: »Ohne Schmeichelei, wissen Sie, mein Lieber, daß Sie noch nie so jung ausgesehen haben?!« – »Wirklich, schau ich besser aus?!« – »Besser, was heißt besser, Sie haben nie so frisch ausgeschaut! Haben Sie vielleicht einen Haupttreffer gemacht?!« – »Ja, an einer geliebten Frau!« – Du verschwindest. Du schlenderst infolgedessen träumerisch von dannen, ziemlich befriedigt, daß du noch keinen solchen Haupttreffer gemacht habest. Jemand sagt: »Bitte, können Sie mir sagen, wo?!« Ja, du kannst sagen, wo. Wieder einen Dienst geleistet für nichts. Die Sonne sagt dir: Ich scheine momentan auch über dem braungrünen Kobenzl, über der blaugrauen Donau und überhaupt über sämtlichen Voralpen. Vieles ist abgesperrt wegen des Weltkrieges. Aber ich scheine auch dorthin, das geniert mich nicht! »Eine billige bequeme Philosophie!« denkst du. Aber weshalb soll man nicht so billig und bequem als möglich, trotz allem, leben?! Niemand bezahlt dir deine Tränen! Nun, siehe, es ist bei dem allem schon Mittag geworden! Du ißt ein Maiskartoffelbrot mit Sardellenbutter und findest, im strengsten Gegensatz zu den Physiologen, Chemikern, Hygienikern, Staatsrechtslehrern und Volksbeglückern, daß es merkwürdigerweise, aber natürlich gar nicht merkwürdigerweise, sondern selbstverständlich, viel bekömmlicher, schmackhafter, leichtverdaulicher, nahrhafter, vollkommener sei als das verfluchte Weizen- und Roggenbrot unserer Voreltern und Vorfahren! Du traust dich nicht, es laut zu bekennen, denn weshalb »Kastanien aus dem Feuer holen«?! Ein falsches Beispiel, wie alle Beispiele! Gutes Brot muß krümelig-trocken-sandig sein, nicht letschig-feucht-pappig! Nun gut, du gibst dich der Verdauung hin, schläfst sogar ein Stündchen. Die Sonne scheint noch immer auf den braungrauroten alten Schindeldächern. Verwundete humpeln vorüber, und Damen in gestreiften Samtmänteln, die noch eleganter ausschauen, wenn sie ein bißchen in Sonne und Regen »schießen«. Es wird also Abend, ohne daß du dich besonders viel darum bemüht hättest, ganz von selbst wird es Abend, und du warst verhältnismäßig, in so schwerer Zeit, zufrieden. Siehst du, denke immer an die, die – – –. Du weißt schon!
Die Adagios in den Violin-Sonaten Beethovens.
Die Stimme und das Lachen der Klara und der Franzi Panhans.
Gesprenkelte Tulpen.
Franz Schubert.
Solo-Spargel, Spinat, Kipfelerdäpfel, Karolinen-Reis, Salz-Keks.
Knut Hamsun.
Die Intelligenz, die Seele der Paula Sch.
Die blaue Schreibfeder »Kuhn 201«.
Das Gewürz: Cat-sup.
Mein Zimmerchen Nr. 33: Wien I, Dorotheergasse, Grabenhotel.
Das Äußere der A. M.
Der Gmundener See, Wolfgang-See.
Das Vöslauer Vollbad.
Die Schneeberg-Bahn.
Mondseer Schachtelkäse, topfig-jung.
Sole, Zander, junger Hecht, Reinanken.
Geld.
Hansy Klausecker, dreizehn Jahre alt.
Ich habe ihr silbernes Schühlein auf einem japanischen Lack-Postamentchen oberhalb meines Schreibtisches. Sie trug es mit 15 Monaten, ich habe es galvanoplastisch versilbern lassen. Immer denke ich, wenn sie mich kränkt: damals hat man ihr alles verziehen, in unendlichen Zärtlichkeiten sie abgeküßt! Was kann die Arme dafür, daß sie erwachsen geworden ist?! Ist sie es denn?! Sie ist geblieben, die sie war. Ein Blick auf das silberne Schühlein genügt – – – sie ist geblieben, die sie war, man verzeihe ihr und küsse sie! Dieses silberne Schühlein der 1½jährigen empfehle ich allen, die ernstlich lieb haben. Sie werden es sich abgewöhnen, mit einem »erwachsenen Menschen« zu rechten, zu streiten, sie werden einem »Kindchen« verzeihen!
Professor Willstätter: » Freiheit in der Anpassung der Hypothese an den Versuch! Des Versuchs an die Hypothese! Der Natur nicht kommandieren, sondern ihr lauschen!«
Paula, du bist also in mein geliebtes Reichenau eingeladen, zu reichen dir sympathischen Leuten,
in eine schöne Villa am geliebten Hartberg?!
Du wirst Frieden haben, Sonne, Wald, den herrlichen Kurpark, den Thalhof, wo ich vor 35 Jahren mein Zimmerchen hatte gegenüber dem Forellen-Brünndl, das Tag und Nacht sanft dazu sang, wenn ich um die Thalhofherrin bitterlich mich kränkte!?
Das heißt, in meinem
einstigen Seelenparadiese,
meiner Kindheit Heimat, wird alles auf dich
wirken,
dich von mir abzubringen, abzulenken,
durch friedevolles
Landlebenglück!
Ich bin nicht so gütig, dir's zu gönnen!
Ich
fluche deinem Frieden,
wenn er mir
zugleich mein Bestes
stiehlt!
Ort Reichenau, süße Wiege meiner Kinderjahre, sei dann auch du verflucht!
Seit lange lange spitz' ich schon auf eine japanische Holzschatulle, Goldlack, braun, Perlmutterblätter, braune Sperlinge! Die ersten ausnahmsweisen 20 Kronen, und sie steht schon Gott sei Dank bei mir. Da sagte Paula: »Meine Schuhe sind zerrissen an der Spitze, das kann man leider nicht mehr flicken!« Nun dachte ich: »Kauf ich die Schuh, hab ich jedesmal eine Wut wegen der Schatulle, kauf ich die Schatulle, hab ich jedesmal Gewissensbisse wegen der Schuhe! Was ist da am gescheitesten zu tun?!«
Ich kaufte daher natürlich die Schatulle und hatte Gewissensbisse wegen der Schuhe! Soll ich das arme Mädel schädigen?! Und wütend sein wegen ihr?!
Ich bin arm. Aber du hast elf Tonvasen von mir geschenkt erhalten,
die früher in meinem Zimmer standen,
und die ich schwer und dennoch gern dir gab.
Hellbraun mit blau Lasur, grau mit blau usw.
Solltest du also mit jemandem, freundlich-bewegt, in deinem Zimmer einst sitzen,
so werden meine geliebten elf Tonvasen dich anstarren und flüstern: »O, o, o – – – Paula!«
Da wirst du sie denn, falls es was Ernstes ist,
fürs ganze Leben, oder für ein ganzes Glück,
vorher sorgsam in deinen Kasten einsperren!
Damit du nur gedämpft und undeutlich oder garnicht
vernehmest ihr zartes: »O, o, o – – – Paula!?«
Paula Sch. sagte zu mir: »Der Extrakt deiner neun Bücher ist, daß die Frau noch etwas anderes will – – – als das, was der Mann von ihr will!«
»Was will sie denn anderes?!«
»Wenn man das wüßt'!«
Später sagte sie: »Dieser Heinrich Heine war ja unbedingt ein genialer Mensch, nur nicht gerade in den Sachen, die er geschrieben hat!«
Und später: »Der Girardi ist der einzige nicht im tiefsten Inneren melancholische Komiker. Er hält sich nämlich für den Alexander Girardi! Und dieser Größenwahn genügt ihm! Weil er nämlich wirklich genügt! Den Anderen!«
*
Wenn ich gar nichts von unseren (nicht »meinen«) reichen Damen wüßte, als daß seit vielen Jahren die herrlichsten uralten japanischen Zwergföhren, Zwergwacholder, die ganze Urwälder in einem kleinen Porzellantopfe vorzaubern, in den Auslagen der Blumenhandlungen unverkauft dahindüstern! Aber ich weiß leider noch mehr, ich weiß, was sie kaufen und in ihren Zimmern aufstellen! Pfui! »Herr von Altenberg, wir haben halt nicht Ihren Geschmack, wir haben den unseren!«
*
Paula Sch.: »Diese Pía Doré ist wertvoll. Stundenlang sitzt sie da wie ein müder Vogel. Wenn sie beschwipst ist, wird sie besonders. Da kommt das heraus, was dahinter steckt. Bei den anderen steckt nichts dahinter. Sie werden höchstens fad und ungezogen! Es kommt also doch heraus, was dahinter steckt!«
Hoffentlich wird man nun endlich, im Interesse einer höheren sozialen Gesittung, auf alle diese Kunst-Schmonzes und Natur-Schmonzes (Zitrone, Orange, Lorbeer, Olive, Pinie) sch … verzichten! Ich mache ein ganz gutes Geschäftchen, indem ich die ganze von den Dichtern besungene Italienische Landschaft hergebe für einen einzigen Zirbelkieferstrauch auf dem Schneeberg, für den Zoletsch (Bergprimel) auf der Rax!
*
Erst bis eine Frau auf Komplimente jeglicher Art nicht mehr innerlich reagiert, ist sie enthurt!
*
Die Eitelkeit einer Frau befriedigen, ohne daß man sie ernstlich lieb hat, ist der feigste Schurkenstreich. Man ruiniert sie – – – für den besseren anderen!
*
Takt ist, es immer instinktiv zu spüren, was die anderen noch von dir vertragen!
*
Das Wort »punkt« ist mysteriös: punkt 3, punkt 5, punkt 8. Wenn man sicher ist, daß sie kommt, ist man geärgert über »punkt«, wenn man unsicher ist darüber, ist man glücklich über »punkt«. Man sage aber immer nur getrost »punkt«. Denn bei der Sicheren hat man dann wenigstens einen netten Grund zu einer schrecklichen Szene, wenn sie einmal nicht »punkt« käme! Aber sie kommt immer!
*
Die » Formel« meines ganzen Lebens: Nicht daß mich eine fanatisch verehrt, sondern daß sie alle anderen fanatisch verachtet, macht mich glücklich! Ja, es ist die einzige Form, in der man mich überhaupt liebhaben kann!
*
Sie hat geheiratet, und soll nun in Gesellschaften das große Wort führen. Sieben Jahre lang hat sie auch bei mir das große Wort geführt, indem sie schwieg!
*
Den Herren N. W., K. K., Str., J. F., G. E., usw. usw. usw. beweisen, daß man nicht an dich heran könne, gilt mir mehr als alle deine ganze sonstige Hingabe!
*
Zeige mir, was für Manschettenknöpfe du trägst – – – und ich werde dir sagen, wer du bist!
Ich habe ihr von ihrem 12. bis 16. Lebensjahre ein Gebäude der Seele, eine Kirche der Seele errichtet, und du willst es mit dem einen Worte: »Fräulein, was der Peter kann, kann ich auch!« zerstören, zunichte machen?!
Heide!
Und außerdem kannst du es nicht!
*
Weshalb sind nicht mehr Unglückselige pathologisch eifersüchtig?! Weil sie mit ihren Frauen leben solange es irgendwie geht, und dann schmeißen sie sie hinaus! »Was brauchen mir ›seelische Qualen‹?! San mer Dichter?!«
*
Es gibt nur eine einzige wirkliche Genialität des realen Lebens: Verfolgungswahn! Kommende Gefahren vorauszuerschauen und infolgedessen ihnen vorzubeugen! Ich glaube, sogar Bismarck besaß keine andere! Ungenial ist: »Wer hätte das nur geahnt?!«
*
Größenwahn ist, sich vor seiner eigenen Nichtigkeit ins Gegenteil hinüberzuretten!
*
»Dieser Peter schreibt alles nieder, was ihm so durch den Kopf schießt!«
Das Werk dieses Dichters, der schon genial in der Gabe ist, im Ureigensten nicht erschlaffen zu können, steigert sich von Buch zu Buch zu einer Plastik, die ein großes geistiges System gibt, geschlossen und adäquat trotz der skizzierenden, punktierenden Form. Es hat die Treue eines Charakters, der rundum Gefühl ist; Ausstrahlung auf die Flut der Wirklichkeitseindrücke, die die Menschen feiner sehen, empfindlicher fühlen, ergriffener hören machen, ist dieses Apostels ganze Sehnsucht. Es mag sein, daß Peter Altenberg da und dort früher literarischer war und graziöser schrieb, schmiegsamer und schmachtender; heute ist seine Art härter und klarer. Der Witz nicht mehr um des Witzes willen da, sondern als eine Kurve in der großen Linie dieser Melodie des Anschauens und Anklammerns mit Gefühl, Willen, Mitleid. Es ist mehr denn je die Dichtung eines Überwachen, der Zeit und Kraft hat, zu erfassen, tief zu schürfen, Zusammenhänge zu konstruieren. In diesem zarten Organismus hinterläßt jede Kinderhand ihren zierlichen Eindruck; keine Blume blüht vergebens auf des trunkenen Einsamen steilem Weg. Dieses Genie allgegenwärtiger Reagens ist schon eine Lehre, ein Symbol, ein Vorbild. Peter Altenbergs ewige Jugend aber ist seine Glut und sein Eifer des Erkennens und Bekennens, ist sein Fanatismus, sein unersättlicher Durst nach Schönheit, nach Idealem. Sein unerbittliches Evangelium des Geschmackes enthält auch dies neue Buch wieder, und nebenbei ist es künstlerisch ein Meisterstück, in seinen schmalen Abschnitten voll von Tempo und Esprit, schillernd in seiner schmerzlichen Ironie, die zwischen Tränen der Ergriffenheit das Lächeln weltweisen Spottes so elegant zur Schau trägt.
Geschrieben für Paula Sch.
Heiliger Nachmittag, da ich in klarer frischer Oktoberluft im Mai, mit dem sanften edlen Geschöpfe im Garten »Schönbrunn« war – – –. Die Glashäuser wie riesige grüne luftige Märchenschlösser. Und innen wahrscheinlich der Dunst von tropischen Urwäldern, warm-feucht-belastend! Dann kamen wir unter einen Baum, der tausend und tausend biegsame grüne Gerten über uns wölbte, schweben ließ, uns umringte und in Dunkel hüllte mit seinen biegsamen grünen Gerten, Tamariske. Dann kamen wir zu den rosigen Flamingos, die fast so angenehm leben wie in der Freiheit und sicherer und in geordneterer Lebensführung. Sie haben ein wenig Wiesengrund, kleine Teiche und den blauen Himmel. Anders aber ergeht es den Hochfliegern über die Bergesgipfel. Wie ist ihnen zu helfen?!? Dem Kondor, Bartgeier, Königsadler, Lämmergeier, kannst du nichts bieten, nicht ihm ersetzen die dünne Luft über den Eisesgipfeln. Tragisch hocken sie irgendwo, und ihr böses Auge zeigt dir an, daß sie sich nicht gewöhnen können! Die Zwerghirsche von den Sunda-Inseln kamen zutraulich heran, wie der technische Ausdruck lautet, hüpften aber sogleich weg in eckigen Sprüngen. Ihr braungelbes Fell, dicht und dennoch samtweich, hatte Wellen im Sprunge wie windgekräuseltes Wasser! Man hätte mit der flachen Hand darüberstreichen mögen wie über die Haut einer geliebten Frau – – –. In einer großen Voliere saß auf einem dicken Aste die Auerhenne. Da dachten ich und die zarte Dame gleichzeitig und unisono: »Das ist die tiefste Tragödie, Auerhenne im Käfig! So versteckt, so mystisch verborgen leben wollen, und jetzt so hervorgezerrt, herausgezerrt, zur indiskreten Schau gestellt!« Dann kamen wir zu dem Taubenkranich mit den wasserblauen, hellen Augen und der hellbraunen Aigrette wie ein strahlender Stern über dem Haupte. Er stieß helle Glockentöne hervor, angestrengt, gepreßt, zusammengeduckt. Wir kamen in den »Botanischen Garten«. Da duftete eine Wiese wie Bergalmwiese. Sie hatte lange Gräser und dunkle lila Rispen. Da saßen wir auf einer Bank Hand in Hand, Hand in Hand! Wir saßen nur nebeneinander auf einer Bank, Hand in Hand, gegenüber einer duftenden Wiese mit langen ungeschnittenen Gräsern.
»Josephine, süße Josepha, was haben Sie denn?! Mitten während der Kaffeepause weinen Sie, legen den Kopf auf den Tischrand, und lassen den Kaffee kalt werden?!«
»Mein schwer erspartes Geld, 120 Kronen, hab ich wegen der verflixten Zähne zum Zahnarzt tragen müssen, weil der Sepp g'sagt hat, es gehört zur Reinlichkeit, und was hab ich jetzt davon, er is weg!«
»Ja liebes Kind, Sie haben doch dafür gut plombierte Zähne!?«
»So an Luxus dürfen mir uns nicht gestatten! Mir san ja kane Huren!«
Ich lernte ein Mädchen kennen und sie sagte mir gleich » du«. Später erzählte sie mir, sie habe eine wundervolle Geschichte von des Pilatus Töchterlein gelesen in den »Wiener Bildern«. »Haben Sie gewußt, daß der Pilatus überhaupt ein Töchterlein gehabt hat?! Ich habe es nicht gewußt, nun vielleicht ist es erfunden, aber wie sie momentan stirbt, wie sie auf dem Hinwege erfährt, daß Alles schon zu End' ist!? Sie, was macht das, daß es erfunden ist, es könnte doch, es müßte doch sein, nicht?! Sie, Herr, was sitzen's denn so stumm da?! Du, apropos, i hab an Hunger, zahlst' also nix?!«
Wann habe ich zum letztenmal bitterlich geweint?! Gerade vor einer Stund', drei Uhr nachmittags, 9. August 1915. Was, interessant?! Und weshalb hat denn der alte Kerl wieder geweint?! Er kaufte sich für 20 Heller die Biographie seines Gottes Franz Schubert von A. Niggli. Bei der Stelle: »In das zu jener Zeit übliche Gewand eines Einsiedlers gekleidet, den Lorbeer um die Schläfe gewunden, lag der Leichnam auf der Bahre, 19. November 1828 im 32. Lebensjahre.«
Und weshalb hat er heute die »Biographie« gekauft?!
Weil an drei aufeinanderfolgenden Tagen drei aufeinanderfolgende Herren zu ihm gesagt haben: »Was, von Ihrem Vergötterten kennen S' net amal die Todeskrankheit?! An Fischvergiftung, dös sollten's aber doch wissen!« »An S…, dös sollten's aber doch wissen!« »An Tuberkulose, dös sollten's aber doch wissen!«
ich stehe hier als Angeklagter vor Ihnen, wegen einer Skizze, einer Dichtung in meinem neuen Buche »Fechsung«, Seite 231, betitelt » Alma«. Der Inhalt ist, daß eine Dame in Trauer der Musik ihres verstorbenen, von mir tief bewunderten Gatten lauscht, und dennoch flüchtig lächeln muß, weil ein netter mitleidsvoller junger Mensch neben ihr ihr ungeschickt das Stanniolpapier von den Bonbons loslöst! Also: das ewig alte und ewig junge Thema: Das Ideal im Gegensatz zum Leben!
Wenn man allen Dichtern aller Zeiten genau » auf die Finger schaut«, literarisch, d. h. also blöd gesprochen: »einen Blick in die Werkstätte ihres Geistes« tut, so findet man, daß sich alles eigentlich nur dreht um diese beiden Gegensätze: Ideale und das gewöhnliche Leben, des Tages und der Stunde! Die Dichter wollen, gleich Gott, das Vollkommenste, und im Leben ist es halt nicht durchzusetzen, wenn man auch noch so viele Verse und Reime macht! Deshalb mischt auch Shakespeare in seine tiefsten tragischesten Szenen plötzlich Szenen hinein von possenhafter Roheit, von Trunkenbolden, Irrsinnigen und Idioten! Eine solche Mischung ist eben leider unser Leben! Und in jeder richtigen Dichtung findet es sich daher auch vor! Nur nicht bei den Talmi-Idealisten mit ihren Krokodilstränen und Herzensverlogenheiten! Die bleiben immer gleich – – – – verlogen!
Auch Schiller dichtete eigentlich immer nur diesen Gegensatz: Ideale und Leben! Aber er nahm tiefe mythologische Worte zu Hilfe, während ich mehr usuelle Worte bevorzuge!
*
Es gibt keine noch so tragische Sache, die nicht durch eine lächerliche Begebenheit ausgeschaltet werden könnte für Momente!
Ich spreche da gar nicht von der momentan guten Laune des Erben bei der Testamentseröffnung; obzwar es auch eine lächerliche Begebenheit ist, daß dös Viech, ohne gearbeitet zu haben, plötzlich einen Schippel Geld kriegt!
*
Eine Dame sagte zu mir: »Gewiß, Sie sind unzweifelhaft ein bedeutender Dichter. Aber Sie sollten sich, mit Ihrer Glatze, nie öffentlich zeigen! Wir verlangen nun einmal von einem wirklichen Dichter Locken!«
*
Kannst du dir einen »Romeo« mit Bauchschmerzen vorstellen?! Nein, aber vielleicht hat er doch einmal welche gehabt! Und Julia hat zu ihm gesprochen: »Ich fühle es, du bist erkaltet (nicht ›erkältet‹), du liebst mich nicht mehr!« »O ja, Geliebte, aber laß mich nur erst mich – – –!«
*
Ich halte absolut eine ideale Verdauung und Abführmittel (man kann für Gebildete auch » Laxantien« sagen) für die Wurzel aller geistig-seelischen Spannkräfte! Oder sollte ich es auch ohne das haben?! Das wollen wir nicht hoffen, es widerspräche meinen Erkenntnissen!
*
Die Individualität setzt sich nur deshalb in Szene, damit die anderen von diesem lebendigen Plakat ablesen können, was sie davon eventuell für sich verwenden könnten!
*
Christentum. »Sie (das achtjährige Töchterchen) is so a verlogenes Mistviech, daß sie mir jedesmal gleich absichtlich zusammenfallt, wann ich ihr a Ohrfeigen geb!«
Der Richter: »Genug, ich habe genug!«
Wird zu fünfzig Kronen Geldstrafe verurteilt.
»Na wart', Bankert, z' Haus wer'n mer z'samm' gemütlich diskutieren!«
Wird wegen des Ausdruckes »Bankert« zu weiteren zwanzig Kronen verurteilt. Wo bleibt die Folterkammer?!
*
Ich sehe, die Dichter, die Schriftsteller ergreift ein panischer Schreck: sie fürchten jetzt vergessen zu werden! Rasch eine Kriegshymne oder ein politischer Essay: »Wesen des Deutschen«! Ich aber gebe »Fechsung« heraus, wie eh und je, Schuster bleib bei deinem Leisten, über das Wesen der Frauenseele, die meistens gar nicht vorhanden ist, und über Abführmittel! Beides wird den Krieg überdauern!
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Der Umschwung in jeder Liebesbeziehung besteht in dem gesprochenen oder verschwiegenen Satze: »Nein, weißt, mein Lieber, sekieren laß ich mich aber nicht wegen nix und wieder nix!«
Ich verehre dich unermeßlich, aber bitte, kratze mir aus der Blechschüssel der Eierspeise, die ich dir doch liebevollst spende, nicht die letzten Restchen mit dem Löffel aus, die am Rande noch ankleben! So hungrig kannst du doch nicht sein, und wenn auch, was brauchen die Umsitzenden es zu merken?!
Geliebte Frauen haben zahlreiche sogenannte »kleine« Ungezogenheiten. Aber man darf sie nicht darauf aufmerksam machen. Sonst sagen sie: »Wenn ich dir erst sagen wollte, was mir alles an dir – –!?«
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Die Leute, die noch zu gesund sind, als daß sie schlechte Luft genieren könnte, werden später zu krank sein, als daß ihnen frische Luft noch helfen könnte!
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Ich erblicke im Heiligenstädter Park, mitten im Grünen, Beethoven in Marmorweiße, schreitend, weiter Rock, Hose, Schuhe, Stehkragen, sogar Spazierstock. Ganz nett … Gewänder und Porträt. Aber eine riesige Marmortafel mit schwarz eingeschnittenen Noten seiner Sonaten-Adagios würde die »Seele« porträtieren!
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Grinzinger Straße. Ich sah ganz gewöhnliche ungepflegte weite Wiesen, umrahmt von gepflegten Villengärten mit Erholungsbedürftigen. Über die Wiesen schossen scharf niedrig Schwalben. Eine Dame brachte Erdbeeren aus der Stadt. Man ging ihr freudig entgegen. Sie sagte: »Gut, daß ich wieder da bin, es war zum Ersticken!«
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Wenn man die Gutmütigkeit von Dienstboten vergleicht mit der Un-Gutmütigkeit der Nicht-Dienstboten, so versteht man wirklich nicht, weshalb man nicht nur Dienstboten heiratet!? Aber sie werden dann halt leicht auch – – – Damen!
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Wenn eine Dame einen »Mordent« in einem Beethoven-Adagio nicht mit ganz gleichmäßig langen Noten trällert auf dem Spaziergange, sondern neckisch-wienerisch: Dó – – – dododdloidi – – – do dí do, so kann das einen musikalischen Edelmann mehr von ihr abbringen als ein effektiver Treubruch! Effektiv, was ist effektiv?! Alles ist effektiv, was die Seele und ihre zarte Welt stört, verletzt! Ist denn nur das effektiv, was effektiv ist?! Vielleicht gerade das am wenigsten – – –!
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Ich sah ein fremdes Mädchen in einem fremden Park – – – und konnte sie nie mehr vergessen! Ich sah ein bekanntes Mädchen in meinem bekannten Zimmer – – – und vergaß sie.
Ich ging tief bekümmert am heißen Vormittage durch die Dorotheergasse meinem Heime (haste Heim!) zu, und dachte: »Möge mir jetzt einer begegnen, dem es noch schlechter ginge als mir!« Da trat hinter einem Hauseck einer hervor. Der hatte an jeder Hand nur einen einzigen, wenn auch großen dicken Finger. Ich dachte nicht wie viele: »Das genügt! Wenn man ernstlich arbeiten will!«, sondern ich fand, das Schicksal habe mich prompt erhört! Ich gab dem Unglücklichen 20 Heller. Da begegnete mir ein Bekannter. » Dem Krüppel geben's was?! Der ist jetzt 45 Jahr', bettelt so seit seinem 15. Lebensjahre, wird von der Gemeinde ausgehalten, hat a Massa Geld erspart. Dem geht's besser wie uns beiden zusammen!« »Gut,« dachte ich, »also hat das Schicksal kein Mitleid mit mir!«
Nachgeben?! Ja, wenn man es kann?! Dann ist es ja kein Nachgeben. Dann hätte man es ja auch schon früher und immer machen können! Du gibst nach, weil es jetzt dein Vorteil ist und du vorher dir noch so viel als möglich Möglichkeiten offen ließest?! Du gibst nach, das heißt du machst erst jetzt, wenn auch gerade noch rechtzeitig, dein Geschäft mit dem Leben, weil deine früheren »Promessen« zufällig dir keinen Haupttreffer eingebracht haben?! Das, das, Unglückselige, Feige, heißt du also »nachgeben«?! Du heiratest, du erwartest »Kindersegen«, aber siehe, ich merke, daß du müde dahinschleichst auf dem Spaziergang. Wen geniert es?! Den Dichter! Und deine zarten Füße. Reibe sie abends ein mit Bor-Vaseline! Aber dann mußt du es mit Reispuder bestauben, sonst fettet es dir deine seidenen teuren Strümpfe, Du Nachgeberin!
Paula: »Du ›fliegst‹ also auf Frieda! Wer wäre ich, wer wärest du, wenn ich dieses Leid meiner liebevollsten und unzerstörbaren Seele anders als eine ängstliche Schwester, eine bekümmerte Mama trüge?!? Welches Armutszeugnis mir, deiner Geliebten, wenn ich gerade jetzt es vergäße, daß ich einem Dichter angehöre, zugehöre, mich wirklich seelisch-geistig hingegeben habe, der in seinem edelreichen Weltenherzen alle schönen guten, zarten Dinge dieses Lebens lieb hat, schätzt, wertet, bewundert, anstaunt, nicht nur mich wegen meiner zufällig magdlich-ergebenen Seele!?! Um dich nun also leiden, bangen, zittern, vergehen zu können, um mir, mir allein es nun beweisen zu dürfen, daß ich kein zages, feiges, in ihrem sogenannten Mädchenstolz gekränktes Weibchen, sondern wirklich die Geliebte eines Dichters bin, welch gnadenreiches Schicksal! Nimm sie, nimm, nimm sie, nimm sie, die Frieda!
Und die weißen weit ausgespannten Flügel meiner ängstlichen Seele werden über dir, Geliebter, schirmend planen, auf daß dir kein Leid widerfahre, du mein Zartester!«
*
Lina: »Schau Gustl, sei lieb, diese Mitzi hat so ein schönes Handtascherl (beim Majer, Juwelier, am Graben, in der Auslag' hängt noch g'rad so eins) von diesem Tepp bekommen wegen nix, nur so, kauf mir auch' eins einmal wegen nix! Und dann, was ich dir sagen wollt', wir könnten auch wieder einmal über'n Samstag auf den Semmering, Gott in der Stadt is es so fad, aber das neue lichte G'wandl mußt' anziehen, sonst geh ich nicht mit dir! Servus, Bubi!
p. s.
Du, und wenn die Bertha oben ist am Semmering, und dich wieder so anschaut, du weißt schon wie, gib ich ihr vor alle Leut' eine Ohrfeigen!«
Er holte sie an der Station ab, unvorhergesehen, eine zärtliche Überraschung. Sie: »Ich muß eine Araucaria, Edeltanne, für mein Zimmer haben. Wo bekommt man sie?!«
»Kind, Kindchen, ist das das Wichtigste?!«
»Ja, das Wichtigste, das Allerwichtigste!«
»Wir wollen also gehen, eine suchen!«
»Ich bezahle sie mir aber selbst!«
»Wenn du mir die Freude nicht lassen willst?!«
»Welche Freude?! Wie kannst du an meiner Araucaria eine Freude haben?!«
»Da hast du eigentlich wirklich recht!«
»Ich will sie, ich brauche sie für mein höchsteigenes Leben, für mein geheimnisvolles Leben! Du lächelst und denkst: ›Hysterikerin!‹
An diesem Lächeln wirst du zerschellen, ich meine dein Gefühl für mich!«
»Später wird es halt leider ein Mops sein oder eine alte Katze! Heute ist es erst eine ›Araucaria‹!«
Sie gehen nach Hause.
Nach drei Stunden sagt sie: »Das Gespräch über die Araucaria habe ich doch gebraucht wie einen Bissen Brot!«
»Ich auch!« sagt er sanft.
Da erbleichte sie.
Ich sah dich, Vierzehnjährige, also noch gestern abends in unserem Kaffeehaus,
mit deinem Blick einer geheimnisvollen Katze.
Du weißt, was du mir bist, du weißt es ganz genau, Katze!
Und heute schliefst du Zimmer 35, neben 33, dem meinen.
Eine Wand trennte uns,
und ich belauschte deine Atemzüge, die ich nicht hörte.
Morgens einhalb acht kamst du aus dem Zimmer.
Wunderst du dich, daß ich auf dem Hotelgang stehe?!
Nein, du wunderst dich nicht.
Je schlechter wir eine Frau behandeln, desto größer ist ihre Zuversicht auf unsere Reue!
*
Zuerst zeige mir, daß du tauchen kannst gleich einer Fischotter, unter Wasser den kerzengeraden Handstand machen kannst, den langsamen Totensprung nach rückwärts vom Trampoline, nach rückwärts Stelzen gehen kannst, und eine Treppe nach abwärts mit tiefer Beuge nach rückwärts, so wie ich – – – dann werde ich dir sagen, ob du auch dichten kannst!
P. A.
*
Wenn die Pflanze lange nachdenken müßte, ob sie eine blaue oder eine rote Blume hervorbringen solle, käme leicht eine kakerlgelbe heraus!
*
Das Glück sagt:
Geh mir nur nicht so sicher und zuversichtlich dahin – spring' in den Abgrund, vielleicht fang' ich dich dann unten noch sorgsam auf, ich, das Glück!
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Frauen gehen schwanger – – – aber der Geist ist es, und gebiert sogleich!
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»Paula, wenn du so von Knut Hamsun schwärmst, werde ich ja ganz zurückstehen müssen!?«
»Peter, von Hamsun schwärmt man, dich braucht man!«
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»Soll ich die Linde esoi oder esoi beschreiben?!«
Beschreib sie lieber gar nicht!
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Wer auf die Frauen ausnahmslos schimpft (A. Strindberg), fühlt einfach nicht in sich »Dompteur-Fähigkeiten«! Batty Seeth hat nie über seine zwölf gezähmten Löwen geschimpft! Ja, nie über Löwenwildheit im allgemeinen! Er konnte es sich eben gar nicht vorstellen, daß man nicht einen jeden »zähmen« könne!
*
Als »Genie« anerkannt werden wollen, auch im Bett, das geht nicht mit den Mitteln der »Genialität«!
*
Mit dem »Geistigen« anziehen, mit dem »Körperlichen« nicht enttäuschen, das ist es!
Aber wie macht man es?!
Das, o König, darf ich dir öffentlich nicht sagen!
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»Im Krieg, ja im Krieg, hodie tibi, kras mihi!«
Aber ihm nie!
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Seien Sie mir nicht gram darob – – – ich halte Latein, Griechisch, Geographie, Geschichte, für einen unnötigen Ballast. Ich halte Botanik und Landpartien für wichtiger! Mein Vater hatte nichts gelernt, aber er verbrachte seine sechs Wochen Ferien als Holzknecht auf der Knofelebenhütte am Gahns oder auf der Feuchterhütte oder am Pürsthof. Er hatte gelernt, den Sonnenaufgang auf Bergalmen erwarten, den Sonnenuntergang, das Kolröserl lieben, den Zoletsch, den Enzian; er hatte gelernt, daß das gute »bürgerliche Leben« eine Verbindung von Nonsens und Verlogenheit sei!
Von Leopold Ziegler
Stendhal schreibt einmal in einem Brief an einen Pariser Dichter:
»Goethe hat seinem Doktor Faust den Teufel zum Freund gegeben, mit dessen mächtiger Hilfe Faust das fertig bringt, was wir alle mit zwanzig Jahren getan haben: er verführt eine kleine Nähterin.« Dieses Urteil befindet sich von unserem eigenen Gefühl in einem unbegreiflich weiten Abstand. Es verletzt uns, es erscheint uns anstößig, ja unanständig, fast wie wenn jemand beim Vortrage eines Beethovenschen Andante rülpsen würde. Gretchen als kleine Nähterin: das ist uns nie in den Sinn gekommen. Sie war uns das herzig liebe Kind von süßer Jungfräulichkeit, dazu ausersehen, die Tragödie der illegitimen Mutterschaft in ihrer gnadenlosen Grausamkeit durchzukämpfen, unter unseren Augen in diese Tragödie hineinzuwachsen. Sie verdeutlichte uns die Größe des von keinem Mann geahnten Opfers, welches ein Mädchen bringt, wenn es ihre Hingabe in der Sprache der Welt mit ihrer Ehre bezahlt. Und sie läßt uns erschauern vor der verbrecherischen Torheit unserer Sittengesetze, die die Mutterschaft mit einem nie mehr sühnbaren Makel gebrandmarkt haben. Gretchen, das war für uns die Tragödie aller jungen, aller schamhaften und doch der Liebe bedürftigen Mädchen, deren Jungfräulichkeit uns selbst unverletzlich ist. Es war die latente Tragödie unserer Schwestern und Töchter, die sich überall ereignen könnte, wo es eine Familie, wo es bürgerliche Moralität, Jugend und Verliebtheit gibt.
Und dennoch ist Stendhals Urteil, wenn wir gerecht sein und unsere Empfindlichkeit einmal unterdrücken wollen, von einem gewissen Standpunkt aus ganz richtig und der Sachlage entsprechend. Gretchen ist eine kleine Nähterin, und es ist vom Dichter unwahrscheinlich übertrieben, wenn er Himmel und Hölle in Bewegung setzt, damit sie endlich kirre wird. Auch ist dieses Urteil Stendhals nicht eben neu und unerhört, denn es umschreibt nur ein bekanntes freches Wort Mephistos. In der Tat braucht man Gretchens Verführung und Mutterschaft nur mephistophelisch zu betrachten, um mit Stendhals Glosse innerlich vollständig übereinzustimmen. Mephistophelisch betrachten – heißt dies aber etwas anderes, als die Dinge und Verhältnisse vom Standpunkt des ausschließlich weltmännisch erzogenen Charakters betrachten und werten? Ist Mephisto mehr als der eigentliche Weltmensch, der sich aus Grundsatz und Temperament jedes Wohlwollen, Mitleid und Ergriffensein, jede Neigung oder Liebe, jeden Enthusiasmus verboten hat, der alles nur aus nächster Nähe und vollkommen kalten Blutes erleben will? In der Tat, die Gesinnung, die hier aus Stendhal spricht und auf den ersten Blick so lebhaft an die kalte Schnauze des Mephisto gemahnt, ist gut weltmännisch: nichts mehr und nichts Schlimmeres. Sie ist unbestechlich, ungerührt, unergriffen, frostig, lieblos, peinlich nüchtern, aufrichtig und persönlich wahr. Zugleich ist sie, wie alles Weltmännische, in jeder Hinsicht konventionell, was ich noch besonders unterstreichen möchte. Es gehört zum Weltmann, daß er sich nirgends im Widerspruch mit den Satzungen und mit dem Geschmack der Gesellschaft befinde, und daß er die Regeln der Konvention für ebenso unverbrüchlich wie unbedingt maßgeblich erachte. Weltmann sein heißt: sich vornehmlich an der Konvention orientieren, heißt: niemals die Tiefe und Hintergründigkeit der Begebnisse ermessen und kein Ohr für ihre kosmische Resonanz besitzen, heißt: auf jeden fälschenden Zusatz von Enthusiasmus verzichten, obwohl oder weil Enthusiasmus das einzige uns zugängliche Mittel bleibt, uns aus der Kurzsichtigkeitsnähe der Dinge wegzutragen. Wenn Stendhal Gretchen mephistophelisch und weltmännisch sieht, so besagt das im Grunde nur, daß er sie überwiegend konventionell, überwiegend undichterisch, unseherisch und profan betrachtet. Als bloß gesellschaftliches Ereignis ist Gretchen tatsächlich nur die kleine Nähterin und Faust der schöne und vornehme Kavalier, der sie herumkriegt oder gar bezahlt. Das ist die Anekdote der deutschen Dichtung, sozusagen der Gounod darin. Es ist die Anekdote, aber in keiner Hinsicht Goethes Dichtung voll unerschöpflichen Überschwanges, wo am Schicksal eines kleinen Mädchens alle Mächte der Menschenseele, Zärtlichkeit, Hingabe, Wollust, Liebe, Schuld, Gericht, Verdammnis und Begnadung Anteil haben, wo der Cherub vor Gott stehet und jeder frostige Kalkül an dem ewigen Mirakel des inneren Lebens und seiner ungeschriebenen Gesetze zuschanden wird. Stendhal sieht nur scharf, aber nicht tief, er sieht nur optisch, aber nicht dichterisch. Nicht sein Auge ist mangelhaft, sondern seine geistige und sittliche Disposition, die er für seinen optischen Apparat mitbringt, und die nur eine Einstellung auf die Nähe und Oberfläche, nicht auf dritte Dimensionen, auf Hintergrund und Ferne erlaubt. Wo Goethe mikrokosmisch betrachtet, sieht er nur mikroskopisch.
»Ich, die rumänische Tänzerin, hasse alle diese Wiener Herren, sie sind dumm, schrecklich eitel darauf, uns erobert zu haben. Wie kann man auf so etwas eitel sein?! Bis auf Peter. Er ist ungeheuer intelligent, ja sogar gefährlich intelligent. Was unser Geschäft beeinträchtigen könnte, er macht uns sogar Szenen, die an die Grenzen von Ohrfeigen gehen, eine nette Sensation in diesem allgemeinen Lobgehudel, und hat eine wirklich an uns leidende Seele, die zu beobachten unserem Selbstbewußtsein eigentlich mehr schmeichelt, als dieses Gut-aufgelegt-sein der anderen. Worüber sind sie so gut aufgelegt?! Daß wir sie schrecklich viel Geld kosten an Blumen, Schmuck, Bargeld, Autos, Kleidern, während wir hingegen nichts anderes darzubieten haben wie 10 000 andere viel nettere?! Peter könnte uns Püppchen zu Menschen erziehen, er ist gerade genug brutal und intelligent dazu. Und gerade er hat nicht das nötige Geld. Denn ohne Geld parieren wir eben nicht. Befehlen kann uns nur einer, der uns auch zu fressen gibt. Für Philosophen haben wir nichts übrig, als es zu bedauern, daß sie nicht auch noch dazu Millionäre sind. Da würden wir uns schön ducken, unter die herrliche bezwingende Macht ihres Geistes! Aber so ist es blöd verteilt, der Ochs, der das Geld hat, der Philosoph, der uns erziehen will und uns doch keinen Schmuck kauft! Einmal möchte ich einen reichen Weisen erwischen. Aber den gibt es nicht. Und wenn, gibt er uns sofort einen Fußtritt! Nur diese armen Reichen betteln ewig um unsere Gnade. Sie drapieren mit uns ihre schreckliche innere Armseligkeit! Einer hat in Monte Carlo gewonnen, und schenkt uns Perlen. Da sind wir nett zu ihm, und er triumphiert über die, die in Monte Carlo unrichtig gesetzt haben. Es muß nicht gerade in Monte sein! Wir könnten großartige, wirklich liebenswerte, gutmütige, vornehme, noble, menschenfreundliche Geschöpfe werden, wenn die reichen Idioten uns nicht so schrecklich verwöhnten, und die armen Weisen ein bißchen ein Geld hätten! Wundert es Sie, daß wir da die ersteren noch immer vorziehen, und lieber verwöhnte Gänse bleiben?! Wenn es Sie wundert oder empört, dann sind Sie auch ein Esel!«
An die edlen Damen Vere und Vallérie Neale,
amerikanische Rollschuhkünstlerinnen
im »Sportpalast« im Prater!
Ich bin ein Enthusiast für Ihre Bewegungsanmut. Vor allem sehe ich, wie alle anderen dahinkriechen. Sie haben beide fast den Flug des Vogels, das Schwimmen des Fisches! Aus körperlicher Leichtigkeit erblüht die geistig-seelische, also die sogenannte »innere Anmut«, ferner Wohlwollen, Gutmütigkeit und die guten Manieren. Sie beide haben höchste Achtung vor der Elastizität dieses Kunstwerkes »Menschenleib«; Sie werden es nie durch niedrige Gedanken, Haß, Neid, zu schwächen, zu entkräften, schwerfällig zu machen suchen! Ihre wunderbaren Bogen zu laufen nach aus- und einwärts mit demselben Fuße ohne anzutauchen, ist Ihnen wichtiger als sich wegen der Gemeinheit der Nebenmenschen zu erbittern und so zu schwächen! Der »elastische« Organismus will elastisch bleiben. Er hat sonst zuviel zu verlieren! Aber diese anderen alle haben kein »göttliches Gebäude« zu schonen, zu bewahren! Ob Ruinen abbröckeln, ist gleichgültig! Wie der Wanderfalke fliegt und herabstößt, wie die Schwalbe dahinrast, wie die Forelle dahinschießt und sofort stille steht, so vermögen Sie beide adelige Schwestern sich zu bewegen. Da wird man denn tief ergriffen, wie einfach bei jeder seltenen Vollkommenheit! Möge es Ihnen gut ergehen in dieser » Schwierigkeit« Leben!
Für die »unzulänglichen« Exemplare, die ihre schändlichen Unbeweglichkeiten mit kostbaren Kleidern zu bedecken, zu verdecken sich bemühen, habe ich nur Hohnlachen und Verachtung!
Vere and Vallérie, God save you!
Peter Altenberg.
Herr H. in Debrezin, Millionär, hat an einer 2-Millionen-Lieferung für ungenießbare Lebensmittel 1 Million verdient. Heute vormittag sah ich einen Soldaten ohne Füße auf Eisengestellen zum Kobenzl humpeln. Sollte man nicht Herrn H. die Füße abnehmen und dem Soldaten die Million schenken?!
*
»Peter, wenn man so einen Brief deiner Paula liest – – – sie kopiert dich ganz einfach!«
»Gott sei Dank. Euch kopieren eure Frauen Gott sei Dank nicht!«
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Bedeutung hat für dein Leben die Frau, die dir deinen Spazierstock aufhebt, nicht die, der du ihren Schirm aufhebst!
*
Traum der einen: ununterbrochen anerkennen zu können!
Traum der anderen: ununterbrochen anerkannt zu werden!
Das erstere ist schwieriger – – – man muß sich weise-feinfühligst erst das Objekt dazu unter Tausenden auswählen können!
Das zweite ist auch nicht so leicht – – – es findet sich so leicht keiner!
*
»Peter, wird aus mir etwas werden?!«
»Peter, werde ich einen finden, der etwas ist?!«
*
»Peter, wie macht man es, daß man sich selbst gar nicht so sehr wichtig ist?!«
*
Kadett Ressek: »Herr Altenberg, ich war acht Monate im Krieg. Ich habe zwei Bücher im Schützengraben mitgehabt, Ihre »Fechsung« und die Bibel!«
»Sehr nett, sehr liebenswürdig! Aber wozu die Bibel?!«
*
»Wann man so alle sieht, die man alle net haben kann!?«
»Ja, glauben's denn, daß man dö wirklich hat, die man hat?! Die hat man doch erst net!«
»Dös is mir z'hoch, Schackerl, z' erst amal hab'n, und nachher philosophieren!«
*
Denke dir folgendes aus: Du sitzest irgendwo, und das Schicksal begnadete dich, du dürfest von ½11 bis ½12 vormittags dir drei auswählen, um sogleich sie auf dein Zimmer zu führen, unter der Bedingung, dann noch vierzehn Tage mit ihnen bleiben zu müssen – – – siehe, du wirst keine drei finden!
*
»Stört man?!« ist die infamste feigste Frage.
Da gibt es nur eine Rettung: »Ja, man stört!«
Wiener Gemütlichkeit: »Aber bitte, bitte, im Gegenteil!«
Innerlich: »Schau', daß d' abfahrst, Hund, verdächtiger!
*
An – –.
Der Gänserich steckte sich zwei Pfauenfedern in den Hintern, und bildete sich ein – – – Peter Altenberg zu sein!
*
Der »lachende« Philosoph ist schon eine Lebenslüge! Wenn er echt ist, kann es nur einen »weinenden« geben!
*
Das wunderschöne braune Fräulein hatte zarte, herzige, seidenweiche Härchen an ihren Gazellen-Beinen. Da sie aber nicht wissen konnte, daß es sehr gefalle, war sie überaus schamhaft!
*
»Herr von Altenberg, wie ist Ihnen der wunderbare Aphorismus eingefallen: › Er tut, was sie will, und sie tut, was sie will‹?!«
»Als ich zum erstenmal mit Ihnen, und Ihrer süßen Freundin beisammen war!«
»Ihre Angriffe sind eigentlich zu billig!«
»Ja, gebunden 7 Kronen 50!«
*
»Ich glaube, die Herren Journalisten haben mein letztes Buch ›Fechsung‹ gar nicht gelesen!?«
»O sicherlich, Peter!«
»Du Idealistin, du!«
»Sie müssen sich doch überzeugen, ob es nicht doch vielleicht schwächer ist als die früheren Bücher!«
*
Nur ganz magere Frauen wagen es, ihr höchsteigenes Leben zu leben! Die Fetten sind entweder schicksal- ergeben oder lustig-gutmütig! Was bleibt ihnen anderes übrig, brrrrr?!
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Wenn ein Mensch »schlecht schreitet«, wird er dein »gutes Schreiten« nicht loben, sondern eventuell dein Klavierspielen!
*
G. Tr., ein mittelmäßiger Dichter, war so begeistert von meinen Tauchkünsten, daß er mich jedesmal ansprach: »Guten Tag, Herr Fischotter!« Ich konnte ihm das Kompliment nicht zurückgeben und ihn ansprechen: »Guten Tag, Herr Dichter!«
*
»Wenn Sie wollen, mache ich solche Aphorismen wie Sie, in einer Stunde zwei Dutzend!«
»Nein, ich will nicht!«
*
Wenn ich einfach verkünde: Tanz – Turnen, prompt ausgeführt, wie der Motor eines Elektromobils arbeitet, zu Kriegsmärschen mit Klavier, Trommel, Klarinette, da gibt niemand eine Mark her! Aber an dieser Tanz- Stupidität: Dalcroze-Hellerau, verlieren sie gern 1½ Millionen!
*
Ein Mensch, der nicht schwer büßt für sein Besserwissen, kann kein Besserwisser sein!
Dieses Wort » Erotik« ist ein Extrakt der Stupidität der Männer! Es gibt keine »Erotik«, es gibt nur Diätetik! Das, was den Wert des Weibes ausmacht, ihre Mehrung der physiologischen, psychologischen, geistigen Lebensenergien des männlichen Organismus, vulgo Aufstapelungsmaschine von Lebenskräften, ist Diätetik! Insoferne die Frau nicht diätetisch auf diese wertvolle Lebensmaschine »Mann« wirkt, sondern hemmend, schwächend, lähmend, zerstörend, ist sie eine Teufeline, eine freche Eva, die uns aus dem Paradiese vertrieben hat, naiv gesagt, durch ihre Neugierde! Diese »freche und unverschämte Eva« niederzuzwingen, und zu dem wertvollsten Diätetikum des männlichen Organismus zu machen, zur heiligen ewigen Spenderin, Mehrerin, Schützerin seiner geistigen, seelischen, körperlichen, ökonomischen Lebensenergien – – – ist die Aufgabe, die Pflicht, die Mission, die Taktik des wirklich kultivierten modernen ausgereiften, nicht mehr bubenhaften, gymnasiastenhaften, feig-demütigen Mannes! Einer Frau dienen, falls sie uns tausendmal mehr dient, durch ihr Unbewußtes, sowie uns die Luft dient, das Wasser, die Sonne, der Wald, der Schnee! Aber mehren, mehren muß sie alle unsere Lebenskräfte, alle, sämtliche, nicht sie hemmen, lähmen, zerstören! Ein allererstes Diätetikum muß sie sein, für Körper, Seele und Geist! Sonst ist sie eine Schlange, eine Teufeline und eine, die dich als Idioten behandelt, so wie du es eigentlich wahrlich nicht anders verdienst!
Ich glaube, eine Frau sollte einen geliebten Mann schon dann
schleunigst verlassen,
mit ungeweinten Tränen, denn wozu noch,
wenn er nicht mehr »
selig« ist, ihr den besten bequemsten Platz in einem Kupee zu erobern.
Oder an ihrem Bierglase zu nippen, wo sie ansetzte.
Das sind eben
leider keine »Kleinigkeiten«,
sondern, siehe, eigentlich das »um und auf«!
Wer sich von uns Frauen
darüber täuscht,
Die gibt es billiger als man es
geben sollte!
Wenn wir kein » Zauber« sind, sind wir nichts.
Die, die das nicht verstehen von uns Frauen,
wollen kein Zauber sein, weil sie es nicht
können!
Aber die, in der die »Feenhaftigkeit«, das »Zauberische« webt und lebt,
die
kann mit weniger sich nicht begnügen!
Nur braungraue Erde. Keine Spur von Frühlingsprächten! Einige sitzen in der Sonne, erhoffen sich Besonderes. Auch die Märzsonne hilft nur den Sündelosen! Andere wärmt sie vielleicht, aber heilt sie nicht. Ohne Opferfähigkeit kein Gewinn! Du kannst drei Stunden auf einem Sessel für 10 Heller kauern, und auf die kahlen, werdenden Gebüsche hinstarren und Kindheitserinnerungen absichtlich aufleben lassen – – – Du wirst deine verschiedenen »Krebse«, die du dir in Jahren akquiriert hast, doch nicht los! Wenn man so schnell wieder gesunden würde von Vergehen, wäre es ja direkt trottelhaft, sich der Mühe zu unterziehen, sündenlos zu leben! Nein, so ist das nicht. Die Frühlings-Märzen-Sonne scheint nur dem Frühlings-Märzen- Reinen! Frühlingsanfang im Stadtpark. Graubraune Erde, graubraune Sträucher. Einige Menschen sonnen sich auf gelben Sesseln, starren die werdende Welt an und erhoffen sich ihren Frieden!
Es gibt zweierlei Sorten von Menschen, von Nervensystemen, in jeglicher Branche, also auch zweierlei unter den Postbeamten: es gibt menschen freundliche und menschen feindliche! Je nachdem jedenfalls ihr Verdauungsapparat gut oder schlecht funktioniert! Der gütige Postbeamte ist der Freund, der Helfer, ich möchte fast sagen, und ich sage es auch, direkt der Bruder der »Partei« an dem kleinen Schalter, die den fleißigen Postbeamten von den wilden Tieren am Schalter so trennt wie das Eisengitter den fleißigen Wärter von denen, die zu bedienen er nebbich verpflichtet ist! Der ungütige Postbeamte jedoch aber hingegen ist ungütig! Er hält sich an sein Reglement, während doch das Leben selbst des Tages und der Stunde sich an keine Reglements hält! Um dieses Manko auszugleichen, müßte er eben gütig sein. Da er es aber nicht ist, kann er auch infolgedessen das Manko nicht ausgleichen! Man kommt ganz légère hin, stellt sich an, bis man dran kommt, und, hast du nicht gesehn, man steht vor seinem Richter!
»Wo ist Ihre Legitimation?!«
»Ich besitze keine!«
»Bitte,« sagen drei Herren, die noch nicht an der Reihe sind, »den Peter kennt ganz Wien!«
»Ganz Wien, ich aber nicht! Die nächste Partei!«
Ich sage, es gibt in jeder Branche zweierlei Sorten von Menschen, gütige und ungütige! Mir persönlich sind die gütigen lieber!
Er war zu Gast geladen in einer Landvilla samt seiner jungen Freundin. Er war ganz »weg« von dem zehnjährigen Töchterchen. Die Dame sagte: »Ja, meine beiden Töchterchen sind ganz gut geraten!« Er fühlte: »Vor allem Eva!« Später schenkte die Dame seiner Freundin einen handgestickten seidenen alten Schal. Am nächsten Tage schickte er an Eva einen japanischen Zwerg-Wacholder zum Einsetzen im Garten. Die Dame antwortete: »Im Namen meiner zwei Mäderln danke ich sehr für das liebe Bäumchen!« Ah, die eine bevorzugen, in diesem zarten Alter, das gibt's nicht bei uns!
Als Eva siebzehn wurde, machten ihr eine Menge von leeren Hunden den Hof. Da fühlte sie: » Nein, nein, nein! Ich bin gefeit! Vor sieben Jahren hat mir ein Dichter im Garten ins Ohr geflüstert: ›Süßes lieblichstes Geschöpferl!‹ Dann hat er ein Wacholder-Zwergbäumchen geschickt, freilich für uns beide Schwestern, aber es war für mich, für mich! Ich konnte es der armen Mama nicht sagen, daß es für mich allein war, aber Papa zwinkerte ich damals zu, er wurde rot wegen unseres Geheimnisses und verstand mich!«
Sie wollen Ihr neues Buch benennen: »Sammelsurium 1914«?! Man soll sich nicht kleiner machen als man so schon ist, mein lieber Peter! Wenn schon Sie Ihr Buch für ein »Sammelsurium« halten, wie erst die große Menge?! Bleiben wir also bei Ihrem Titel » Fechsung«. Es weiß zwar niemand, was das ist, aber vielleicht werden doch einige neugierig und beißen deshalb an. Es müssen ja nicht immer gerade nur Karpfen sein!
Stets Ihr freundschaftlichst ergebener
S. Fischer.
Abends, als sie von ihm wegging, bemerkte er, daß ihr breiter Schäferhut aus schwarzem Florentinerstroh, mit weißem Samtband unterm Kinn gebunden, sie merkwürdig kleide. Da sagte er: »Um allein, jetzt, abends; auf der Straße aufzufallen, hast du heute diesen Hut genommen!«
»Ich dachte, du gingest mit mir!«
»Das heißt, du hofftest, ich würde zu Hause bleiben. Ich gehe aber mit!«
»Ich bin glücklich darüber.«
»Nein, ich gehe nicht mit. Du sollst keinen Zeugen deiner Triumphe haben!«
»Adieu!«
»Ich verbiete dir, diesen Hut je wieder aufzusetzen!«
»Ich werde ihn nie wieder aufsetzen!«
»Weshalb aber hast du ihn heute genommen?!«
»Ich wußte, daß er mich gut kleide und glaubte mit dir auszugehen!«
»Aber im stillen hofftest du, ich würde zu Hause bleiben!«
Dieses Gespräch dauerte noch zweieinhalb Stunden.
Die Zeitung.
»Peter hat sich in seinem neuesten Buche ›Fechsung‹ nicht weiterentwickelt!« Nein, ich sage noch immer: 2 und 3 macht 5. Freilich, wie soll man aber darüber ein Feuilleton schmusen?! Also hat er recht und ich recht.
Einem sagte ich: »Sie können doch aber über meine ehrliche Beständigkeit sprechen!?«
»Wen interessiert Ihre ehrliche Beständigkeit?! Da aber könnt' man sich so hineinlegen schriftstellerisch: Ihre unehrliche Unbeständigkeit!«
»Lieber will ich gar nicht besprochen werden!«
»No also, was schreien Sie?! Das tut man ja für Sie!«
*
Schriftsteller sein ist, erst während des Schreibens seinen eigenen geistigen, seelischen Kulminationspunkt erreichen!
*
Wer keine besonders noblen Trinkgelder spendet, ist nicht ein Schmutzian, sondern ein Dummrian! An wem rächt es sich?! An ihm!
*
Weshalb soll ich mir Achtung erkaufen?!
Weshalb nicht?! Wenn sie nur ernstlich da ist!
*
Der Hotelier gab mir einen »Freitisch«. Da erhöhte ich das Trinkgeld des Zahlkellners sofort von 20 Heller auf 40. Damit er nicht sage: »Der läßt sich von uns aushalten!«
*
Eine Klistier von echtem siedendem Aixer Öl! Andere Sorten werden nämlich leicht ranzig. Aber Aixer Öl hält sich.
*
Eine verhältnismäßig glückliche Ehe:
Sie
anerkennt es, daß er für sie sorgt,
Er ist
befriedigt, daß sie ihm nicht untreu wird.
Das Ganze: Ein großer Tinef!
»Peter, weshalb sind Sie eigentlich so streng?!«
Weshalb seid Ihr eigentlich so milde?!
*
Wenn jemand im Kartenspiel sein Vermögen verliert, und man hat ihn zufällig gern, sagt man: »Es ist pathologisch!« Einige sagen sogar: »pathalogisch.« Wenn man ihn nicht gern hat: » Ein mauvais sujet!«
*
Niemand versteht die Schwächen des anderen, außer die, die er selbst hat. Aber da sagt er: »Ich bin doch gewiß auch ein Säufer, aber – – –!«
*
Einem Menschen ganz gerecht werden, muß heute noch das verlogene Wort ersetzen: »Ich hab dich lieb!«
*
Gute Erziehung ist, jemandem es beibringen, daß er seinen besseren Erkenntnissen von selbst gern folge!
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Ideal gewachsen, gibt es nicht! O ja, bis 30! Aber dann mußt du das Deinige dazu leisten! Ja, es gibt Genies unter den Frauen, braune, zarte, magere, die nicht anders werden! Physiologische Beethovens! Sie bleiben »auf ihrer Höhe«, niemand weiß, wodurch!?
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Schuberts »Wanderer« ergreift nur den, den es ergreift! Den anderen nicht!
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»Mein Brustkasten mißt im Umfang, von Natur aus – – –!«
»Aber nicht von Natur aus würde er noch um sieben Zentimeter mehr messen!«
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Falsch spielen, um sein Glück zu verbessern?!
Nein, richtig spielen, um sein Glück zu verbessern!
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Wenn Menschen wirklich endlich körperliche Übungen machen, sind es sicher solche, die ihnen eher schaden als nützen! Sie haben keine » körperlichen Instinkte«, sondern es irgendwo gelesen!
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Die meisten Menschen sind »Neidlinge«. Und doch gibt es auch hier zwei Kategorien: Die, die es nur bedauern, daß sie es nicht haben, und die, die es bedauern, daß gerade er es hat!
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Herr Otto Flake tut mich so ab als wäre ich ein »nettes, naives Bürschchen«. Aber so naiv bin ich nicht, um nicht zu wissen, daß er von meinen kleinen großen Sachen nichts versteht!
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Wer Zahnstocher aus zartem, festem, biegsamem Pfaffenkäppchen-Holz ausschließlich erzeugt und in den Handel bringt, leistet der Menschheit einen echten, reellen Dienst. Wer das unterschätzt, überschätzt die meisten anderen Dinge.
Mein Raseur machte mir einen unbedeutenden Kratzer. Plötzlich dachte ich: »Wenn er mit dem Rasiermesser gerade einen, der zufällig – – –?« Infolgedessen kaufte ich für schwere 7 Kronen ein eigenes Messer. »Sind Sie ein Aristokrat?!« sagte sogleich jemand, »ein eigenes Messer, so ein übertriebener unnötiger Luxus?!« Mein Raseur sagte: »Ja, aber der ›Pempstel‹ (Rasierpinsel)!« Ich sah es ein und kaufte einen eigenen »Pempstel« aus Dachshaaren, 6 Kronen, wenn schon, denn schon. Der Raseur sagte: »Wundervoll. Aber Seife und die Einseifschale?!« Ich kaufte beides, 2 Kronen 50. Als der Raseur mein eigenes Messer am Lederriemen abzog, sagte ich: »Ziehen Sie auch die anderen Messer an demselben Riemen ab?!« »No na, für an jedes wird man an eigenen Riemen haben!« Ich kaufte einen Abziehriemen, 1 Krone 50. »Das neue eigene Messer kratzt!«, sagte ich. »Merkwürdig, ich hab's doch schon zweimal auf dem Ölstein abgezogen!« »Was für ein Ölstein?!« » Alle Messer, was kratzen, werden auf dem Ölstein abgezogen!« »Wieviel Ölsteine haben Sie?!« »Einen!« Ich kaufte einen Ölstein, 2 Kronen. Das Öl aus dem Fläschchen darf »gemeinsam« sein. Der Raseur sagte: »Merkwürdig, da is mir amal ein Fall passiert, da hab ich einen jungen Grafen gehabt, der alles sein eigen gehabt hat, und, hast du nicht gesehn, eines Tages?!« Ich dachte: »7 Kronen und 6 Kronen und 2 Kronen 50 und 1 Krone 50 und 2 Kronen macht 19 Kronen!«
Der Lohndiener kriegt, nun gut, er putzt die Schuhe, der Portier kriegt, wofür, weil er beim Abschied ein Buckerl macht und sagt: »Hoffentlich werden uns die Herrschaften ein nächstes Mal wieder beehren,« nur ich krieg nichts, wenn ich nicht g'rad' dabei steh. Aber ich stell' mich nicht gern extra hin. Wie schaut denn das aus?! Sie sollten doch von selbst wissen, was sich gehört?! Der Altenberg sagt mir, daß es ihm g'rad' so ergeht. Nur nutzt es ihm nichts, wann er sich auch dazu stellt.
»Ach, Hugo, teures Männchen, ich habe eine Bitte an dich, eine Bitte – – –.«
»Sie ist gewährt! Heute ist wieder der Sterbetag deines vergötterten P. A. Es steht in meinem Notizbuch für wichtige Angelegenheiten. Habe bereits den großen Strauß von Tubarosen, seinen Lieblingsblumen, für dich bestellt, dreißig Kronen.«
»Hugo, Hugo, Hugo – – –!«
»Wie lange willst du draußen bleiben an dem Grabe?! Der Chauffeur sagt, die Wartezeit sei natürlich extra!«
»Hugo, ich kann es doch nicht vorherbestimmen.«
»Selbstverständlich, Jolanda. Aber approximativ!«
»Vielleicht eine Stunde. Oder wenn es dir zu lang ist, Hugo?!«
»Nein, Jolanda. Was sollte ich an dir zärtlicher ehren und achten als deine Anbetung P. A.'s?!«
»Hugo, Hugo, Hugo – – –!«
Draußen, beim Grabe des alten Narren, bleibt er abseits, geht in den stillen Alleen langsam auf und ab, auf und ab.
Sie, endlich: »Hugo, allons!«
Er spricht kein Wort. Sie sagt: »Werden ihn die Blumen freuen?!«
Zu Hause angelangt.
»Hugo, Hugo, Hugo, wie soll ich dir das danken, Hugo?!«
Er küßt ihr ehrerbietig die Hand.
Das Ganze wird zu einer solennen Feier von Hugos edlem Charakter.
Zwei junge Damen, die meinem äußersten ästhetischen Ideale entsprechen, baten mich dringend, doch mit ihnen um fünf Uhr beim Tango-tea im Grand Hotel zu erscheinen. Die eine sagte: »Sie, aber so verrückt dürfen's nicht anzogen sein wie immer, sondern Smoking und ein weißes Hemd!« Die andere sagte: »Sie, aber so müssen's kommen wie Sie sind! In Ihrer Tracht, nicht vielleicht Smoking und weißes Hemd wie alle!« Nun werden Sie mich natürlich fragen, welche der beiden Damen mir sympathischer, nähergerückt, dadurch geworden sei?! Beide ganz gleich! Beide wollen ein Geschäft mit meiner Persönlichkeit machen. Die eine hält das für das bessere, die andere jenes. Daß man überhaupt daran denkt, mit meiner Persönlichkeit ein Geschäft zu machen, ist das Ehrende daran!
Die wenigsten wissen es, daß ich den deutschen Sprachschatz um ein wichtiges und bisher nur den » untersten Schichten des naturwüchsigen Volkes« geläufiges Wort bereichert habe, das Wort » Flugerl«. Jetzt freilich wendet es bereits ein jeder meiner sogenannten Freunde an, also sieben Leute! Es ist nicht »Liebe« einer Frau, es ist nicht Sympathie, es ist nicht Freundschaft, es ist ein » Flug«, ein rascher eiliger, seelisch bedeutungsloser Flug in die Arme irgend eines bedeutungslosen fremden Mannes, für Minuten, Stunden! Es ist das Verhängnis, das Mysterium, das Schicksal des rätselvollen Rückenmarkes und seiner ausstrahlenden Kräfte. Nur die Frau kann wirklich treu sein, die das nicht spürt. Aber welche spürt es nicht?! »Flugerl« ist, wie wenn eine Frau plötzlich sagte: »Jessas, jetzt möcht ich aber ein Glas Champagner trinken, so was Mitreißendes, Erleichterndes, vergessen machendes, daß ja doch alles unideal und schmählich sei eigentlich auf Erden!« Das »Flugerl« der Frau ist ein » lebendiges Morphium«, mit oder ohne Schnurrbart, meistens mit eleganten Schucherln und Sockerln! Eine Medizin für »gestaute Kräfte«. Wer auf »Flugerln« fliegt, kann nicht treu sein. Treue ist, keine Flugerln nicht haben zu können!
Es gibt Frauen, die so sehr süß-anmutig und bezaubernd schön und vollkommen sind, vom lieblichen Haupte bis zu den lieblichen Zehen herab, daß sie selbst, und sogar die bewundernden Männer, es gänzlich vergessen, daß sie auch noch, zu allen anderen Schätzen, einen lieblichsten Unterleib besitzen! Man möchte sich wegen ihnen schon auch so ganz ruinieren, verarmen, und erschießen, ohne auch nur je an ihren physiologischen Besitz zu denken! Sie hinwiederum hingegen sind über ihre eigene Anmut, ihre Vollkommenheit, ihr zufälliges glückliches Schicksal im Leben, so ganz weg und entzückt, daß sie gar nicht dazu kommen, auch an die Gnadenspenden ihres Unterleibes zu denken! Das, siehe, sind die wirklichen »Damen ohne Unterleib«!
Liebes Kind, oder liebe Geliebte, oder liebes Schwesterchen aus Wahl, bedanke dich ja nicht für die elf Meter erbsengrünen und taupe-farbigen Seidenkrepp, den ich dir für zwei Sommerkleider geschenkt habe! Denn, siehe, ich tue das nur, nur für mich, aus Dankbarkeit, aus Freude an dem zarten Stoffe, und in dem angenehmen Empfinden, ein süßes kleines Opfer gebracht zu haben! Wieviel exzeptionelle Spazierstöcke, einer meiner kleineren Irrsinne, hätte ich mir dafür kaufen können!? Mindestens sieben. Nein, solltest du dich aber riesig gefreut haben, was ich als sicher annehme, so ist das erst die besondere Zugabe, sozusagen der Extra-Profit meiner Seele, der gar nicht im wohlberechneten Kalküle stand! Also kein Dank, kein Brief, kein Freudentränlein! Wir haben beide, laß es gut sein, ein ganz solides Geschäftchen dabei gemacht!
Der Elefant ist das intelligenteste, daher aber auch das rachsüchtigste Tier (siehe P. A.!): Er vergißt nie Gutes, das man ihm je angetan, aber auch nie Böses!
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Wenn man alle meine neun Bücher liebevoll eindringlich gelesen hat, so weiß man halt etwas mehr über mein, nein, über sein Leben!
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»Lieber Herr Altenberg, um Ihnen, um mir einen Beweis zu geben, wie sehr ich Sie verstehe, schenke ich Ihnen nicht feine Zigaretten oder ähnliches, sondern einen idealen hellgelben Glocken-Badeschwamm. Geniale tausend Tiere haben ihn gearbeitet, Welt-Werkstätte der mysteriösen Natur, erfunden und zusammengestellt von winzigen Tierchen! Ich glaube, die Barbarina Kampanini hat für ihren weißen, zarten, langen Leib keinen besseren gehabt! Außerdem habe ich ihn eingeweiht, gestern im warmen Wannenbade.«
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Als ich im »Hubertus-Hof« ein Reh sah, dachte ich: Der Rehbock ist doch anspruchsvoller in ästhetisch-sexueller Beziehung als die meisten sonstigen Männchen! Zarteste Glieder, kein Busen, Rehaugen, und anmutigste Bewegung!
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Alle Menschen wollen »reich« werden. Die, die es nur an Seele und Geist werden können, nennt man »Dichter«. Askese ist, »reich« werden wollen durch Armut! Nichts mehr »brauchen wollen« ist Reichtum.
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Mein Leben ist unwichtig. Aber was davon für die anderen wichtig ist, ist wichtig!
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In jedem Denker muß ein Anarchist, ein Sozialist, ein Buddhist stecken. Sonst wäre er ja nur ein Schmock!
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Wenn ich von den modernen Dichtern die Salon-Ästheten ausschalte, befinde ich mich nur mehr in ganz kleiner Gesellschaft!
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»Haben Sie mit Ihren Büchern, pardon Lebens-Bibeln, schon jemandem ernstlich geholfen, Sie Idealist?!«
»Ein paar Leuten, die sie von meinem Verleger geschenkt bekommen haben und sie antiquarisch verkauft haben!«
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Es muß auch »kleine Geister« geben, aber Geister!
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»Was halten Sie eigentlich von sich?!«
»Nicht viel. Aber im Vergleich mit den meisten anderen, da bekomme ich Größenwahn! Z. B., wenn ich bedenke, wie ich heute im 57. Lebensjahre noch tauche, springe, Stelzen gehe, freiturne, romantisch liebe und –?!«
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Wenn du nicht auf alle eifersüchtig bist, so dann doch lieber gleich überhaupt auf gar keinen. Halbe Arbeit ist schlimmer als gar keine! Der, den du nämlich »ausläßt«, der ist es! Schon deshalb, weil er sich unentdeckt fühlt und sie – – – auch!
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An reine Beziehungen glaube ich nicht. Denn alles ist Ablenkung. Wie der aufmerksamste Schüler von einer vorübersummenden Fliege momentan abgelenkt wird!
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Fische: Der Wiener ist gegen Fischnahrung, obzwar sie leichtverdaulich ist. Oder eigentlich: weil! »Mein Lieber, der Magen muß was zum › verarbeiten‹ haben, mir san noch g'sund, mir haben noch gute Zähne, mir brauchen noch kein Grießpaperl! Mir san kane schwangeren Jungfrauen!«
Aber ich will euch Fische mundgerecht machen, Ihr Sybariten:
Fische sind wirklich ein bißchen fad-geschmacklos. Ihr müßt sie daher in allen Saucen servieren, die ihr zu den anderen Braten verwendet: in Schnittlauch-Sauce, Sardellen-Sauce, Paradies-Sauce, Zwiebel-Sauce, Einmach-Sauce, Karfiol-Sauce, Pilzling-Sauce, Dillen-Sauce, Bratensaft, Gollaschsaft! Sie bleiben freilich trotzdem leichtverdaulich, aber wir leben eben in Kriegszeiten! Da muß man ein kleines Opfer bringen.
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Es muß alles stimmen – – – sonst stimmt gar nichts! Verkleistern kann man nämlich nur Papier und Holz. Aber auch da sogar sieht man die Bruchstellen, die Verkleisterung!
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»War schon jemals ein Schriftsteller mit einer Kritik über seine Bücher zufriedengestellt?!«
»O ja, ich von Dr. Egon Friedell.«
»Der hat ja ein ganzes Buch über Sie geschrieben!?
»No, ist das zuviel?!«
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Statt einem Lande aufzuhelfen, indem man seine armselige Pofelware in Grund und Boden verdammt, macht man es wie verblendete Mütter, die alle scheußlichen Ungezogenheiten ihrer Lieblinge bewundern!
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Die größte Gemeinheit ist es, von einer verehrten Frau » Lustigkeit« zu verlangen, das heißt nämlich »rohe Flachheit«! »G'spaß« haben nur die in sich, die ein versteckt tragisch-blödes Leben leben!
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Wenn die Lebensenergien nachlassen, verliert der Organismus vor allem seine Sexualenergien, sodann seine Verdauungsenergien, sodann schleicht sich langsam die Todeskrankheit an! Etsch! Du bist dir stets nur selbst schuld: entweder, weil du es nicht weißt, oder weil du es weißt!
*
»Lokalisierte Sexualität« ist, überhaupt also keine haben! Denn sexuell ist sonst bereits der zärtliche Blick, die zärtliche Handberührung, das Spenden einer Rose, das Fragen nach dem Befinden, das Aufheben eines Schirmes, einer Serviette, das Hineinhelfen in einen Mantel. Oft ist das sogar echt sexueller als das Sexuellste. Aber niemand will sich das eingestehen, aus Sexualität! »Das sind ja nur die naturgemäßen Introduktionen!« sagen sie. Ja, aber was dann folgt, ist kein Abschluß, sondern – – – eine Enttäuschung! Für ihn? Nein, für sie!
Er findet immer sein Auskommen, was für eine Enttäuschung sollte er haben?! Er hat seinen Introduktionen einen naturgemäßen Abschluß beigebracht!
*
Ein süßes liebes Wort: »Guten Tag!«
Wie oft sagt man's und es ist nichts!
Und plötzlich ist es etwas, ist es alles!
Man steht am »Graben« vor einer Auslage, hört eine Stimme: »Guten Tag!«
Und sieht erst später, wer es war.
Und es ist
vorüber – – – nein,
es ist in ewiger Erinnerung!
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Eine anmutige Frau wünscht doch nie geheiratet zu werden wegen der Zeit, in der man sie noch vergöttert, sondern wegen der Zeit, in der man sie nicht mehr vergöttern wird!
Wien, Montag, 7. Sept. 1908.
Liebe Félicie Castaly,
ich danke Ihnen sehr für Ihren wunderbaren Brief. Es verging kein Tag, an dem ich nicht von Ihnen gesprochen habe, ohne Übertreibung. Und weshalb?! Weil ich endlich, mit 49 Jahren, nach endlosen Leidensstationen meiner Seele, zur tiefen und einfachen Erkenntnis gekommen bin, daß eine Frau nur dann wertvoll, ja erträglich sei, wenn ihr die Möglichkeiten und der edle adelige Wille, sich seelisch-geistig, immer, von Stunde zu Stunde, zu vervollkommnen, zu vertiefen, vorhanden sind!
Nicht was eine Frau ist, sondern was sie unter besonders günstigen Umständen, durch die Erlebnisse des Tages, die friedreiche Einsamkeit der Natur, einen verständnisreichen väterlich milden Führer, durch ideale Bücher, werden könnte, das bestimmt ihren Wert. Und einen solchen Wert schienen Sie, Félice, mir von Anbeginn zu haben!
Deshalb allein bin ich Ihnen tief freundschaftlich gesinnt gewesen und es geblieben.
Jedenfalls webt in Ihnen ununterbrochen eine, fast könnte man sagen heilsame Melancholie über die Unzulänglichkeiten, die teils im eigenen nicht völlig aufgeklärten Inneren, teils im äußeren Leben anzutreffen sind!
Jedenfalls sind Sie eine bange Sucherin, der es nicht genügt, sich kopfüber in die Fluten des Daseins zu stürzen. Denn siehe, Sie sind eine zu gute Schwimmerin, und Ihre edle Intelligenz bringt Sie bald wieder an das Ufer, wo man Umschau hält – – –.
Ich bete für Ihr Glück und Ihren Frieden – – –.
Peter Altenberg.
Was weiß ich von meinem armen Vater?!
Ich weiß nur, daß er nicht mehr ist.
Er starb an einer geheimnisvollen Krankheit.
Wäre er vorhanden, so wäre er vielleicht wie alle anderen Vorhandenen.
So aber ist er der, der mir überall fehlt.
Kein Leid, bei dem ich mir nicht denke: »O wär er hier und mir zur Seite!«
Otto sagt zwar, er wolle mir den »väterlichsten Vater« ersetzen.
Aber was ich mir so von einem »väterlichsten Vater« Tag und Nacht erträume,
das wird er doch nicht mir
ersetzen können!
Da sagte mir meine Mutter gesprächsweise:
»Dein Vater hat sich einen Sohn erwünscht, er war
verzweifelt über eine Tochter,
anfangs. Später hat er dich natürlich doch schrecklich gern gehabt!«
Da sagte ich zu Otto: »Jetzt ist es an der Zeit, daß du Lebendiger mich ganz ernstlich und zärtlichst lieb habest!«
In Wien, meiner Geburtsstadt, hat keine einzige große Zeitung mein Buch »Fechsung« erwähnt, besprochen. Pfui! Aus Dankbarkeit setze ich infolgedessen die Besprechung des Leipziger Tageblatt her:
Peter Altenberg: »Fechsung«. S. Fischer, Berlin 1915. Geh. 4 M., geb. 5 M.
Wenn die Leute alle so nett wären und so gescheit wie er, dann brauchte Peter Altenberg keinen Aphorismus zu schreiben. Ich glaube auch, dann ließe er es sein. Er sagte wohl mal einen dann und wann, aber lauter dicke Bücher daraus machen, wozu? Es stände gar nicht dafür. Da könnte ja jeder nur hinsitzen und sagte so viel Aphorismen auf, wie er täglich braucht, da gäbe es keine Nachfrage. Nu' die Leut' sind nicht so, bei weitem nicht, – es ist gut, daß er seine Bücher schreibt. Ich kann mir nicht helfen, es klingt ein bissel respektlos, aber der Altenberg ist das ideale Kaffeehausgenie. Auch das Beste, was er gemacht hat, könnte spät des Nachts, wenn es schon leerer wird, zu einem guten Freunde gesagt sein. Derselbe Mensch hätte ja auch mit dem Talent zum Tragödienschreiben auf die Welt kommen können, und die wären gewiß nicht schlecht geworden. Aber es werden ja ohnedem Stücke genug geschrieben, und dann, braucht's erst noch ein Theater dazu und Schauspieler und Garderobefrauen und kostet noch die schwere Menge Geld. Das ist bei Altenberg freilich schöner, man kann in so einem Buch das ganze Welttheater mit sich tragen. Das steckt man in die Manteltasche, und nun los; man wäre selbst am Nordpol nicht allein. So komme ich zu dem zweiten Lob, das fließt aus dem ersten: Peter Altenberg ist der ideale Gesellschafter. Mein liebster Freund unterhält mich, wenn wir froh und ungestört zusammen schwatzen, in einer guten Stunde – nur wenig besser, als des Peters Buch. Und am Ende, was gibt es denn unter den geistigen Freuden dieser so bestellten Welt, das glückseliger wäre als ein vollkommenes Gespräch?
Schon 56 Jahre ist Altenberg geworden und wird nur klüger und heiterer mit jedem neuen Jahr. Dies letzte Erntebuch ist voll und reif, wie kaum ein anderes war. Was in so einem Buche darinsteht? – Ja du lieber Himmel, als ob's darauf ankäme. Der Peter steht eben drin, dafür ist's ja von ihm. – Nu aber, von was red't er denn? – Na also, von den Frauen redet er eigentlich immer, aber gewiß drei Fünftel der Zeit. Was man so Erotik nennt. – Ach so! – Sie meinen, Sie wissen schon? Nein, Sie wissen gar nichts, gerade davon redet er am wenigsten oder doch nur im Nebensatze. So verhält sich die Sache: eine schöne Frau, ein Berg und eine Wolke, das ist dreimal das gleiche Ding. Man setzt sich davor und schaut es an, und dafür verlohnt sich's zu leben. – Mit einer schönen Frau kann man aber doch reden! – Mit einem Berg vielleicht nicht? Und übrigens auch nicht mit allen schönen Frauen. – Aber eine Wolke, was soll das nun wieder heißen! – Nun, Grete Wiesenthal und eine Wolke, was ist da für ein Unterschied? – – So ungefähr sieht bei Peter Altenberg die Erotik aus. Und dann, was er alles von den Frauen weiß! Nicht als ob er von Eroberungen erzählte. Er ist immer 56 Jahre alt in diesem Buch und tut nie, als ob er 25 wäre. Dafür ist er auch ein Lehrmeister der Frauen geworden, dem man es wünschen möchte, daß alle gescheiten und jungen, denen's noch anschlägt, zu seinen Füßen säßen.
Dabei kommt mir ein drittes Lob auf die Zunge, das klingt schon ganz absonderlich: Peter Altenberg ist der ideale Christ. Das Himmelreich ist inwendig in euch; diese Lehre steht zwischen allen Zeilen seines letzten Buches. Gerade weil er das Leben eines rechten Wiener Weltkindes geführt hat, rührt mich diese Erkenntnis. »Es ist ein religiöses Talent, gerecht sein zu wollen. Zu erlernen gibt es da nichts. Das kommt von oben, das heißt von drinnen.« Solch ein Satz könnte das Leitwort seiner Bücher sein. In dieses letzte ist ihm der Weltkrieg hineingekommen, und er nimmt ihn wie ein Naturereignis, still und ohne Phrasen. Am liebsten druckt er Zeitungsausschnitte ab, manchmal mit Zusätzen, manchmal auch ohne das – man versteht ihn schon. Das große, stille Mitleid eines zarten Menschen ist sein stärkstes Gefühl, und der große Ekel des echten Menschen vor allem falschen Pathos ist das zweite. – Ich glaube doch, Peter Altenberg wird noch viel zu wenig gelesen. Man soll ja nicht Lebensweisheit von ihm lernen wollen, bei Gott nicht, die bringt wohl einer nicht dem anderen bei. Die ist ja auch bei Altenberg gar nicht die Hauptsache. Die Hauptsache bei ihm ist das Lebensgefühl, ein Gefühl von solcher Innigkeit, daß der blaue Himmel und die Haarnadel einer lieben Frau ihm als zwei Dinge von der allergrößten Ähnlichkeit erscheinen.
Wie sollten die die geheimnisvolle, an drahtlose Telegraphie gemahnende Zusammengehörigkeit von äußerster geistiger Gemeinschaft und Sexualität begreifen, bei denen das erstere extra ist (nämlich gar nicht vorhanden) und das letztere extra (nämlich schrecklich vorhanden).
Ideale: »Nimm mich in deine Arme, du hast heute so schön und richtig über August Strindberg gesprochen!«
*
»Herr Peter, was haben Sie von allen Ihren Erkenntnissen?!«
»Erkenntnis!«
*
Demütige Verzweiflung ist auch ein Behelf der tyrannischen Frauenseele! Ja, aber ein anständiger!
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Mit der ersparten Summe der Lebensenergien, die beim ewigen Salutieren verloren gehen, könnte man eine Schlacht gewinnen! Im übrigen Leben ist es gerade so!
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Jemand schenkte mir momentan eine goldene Füllfeder. Infolgedessen konnte ich ihm momentan nicht sagen: »Bitte nicht so nah an meiner Freundin zu sitzen!« Aber hätte ich es ohne Füllfeder gesagt?!
Ich verdanke also der geschenkten Füllfeder, etwas nicht gesagt zu haben, was ich sowieso nie gesagt hätte!
*
Ehebruch ist es bereits, wenn jemand meiner Freundin, der ich ein Buch zur Lektüre wärmstens empfehle, sagt: »Es ist ein Schmarr'n!«
*
»Das ist einmal wirklich ein höchst interessanter und aparter Mensch, dieser Herr Peter!« sagten alle fünf Mädchen in dem – Geschäfte. Als er aber der sechsten, einer schlanken, blonden Kontoristin M. Pr., eine Hymne schrieb, sagten die fünf Mädchen: »So ein Narr!«
*
Hotelbedienstete sind wie Katzen. Statt am einzelnen Gast zu hängen, der ihnen wohl will und sie beschenkt und nicht als Dienstboten betrachtet, hängen sie am Hotel selbst, das sie schlecht bezahlt und ausnützt. »I' g'hör' zu mein' Haus!«
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Paula Sch.: »Das wär doch zu traurig, Peter, wenn auch noch gewisse Leute dich für einen echten Dichter hielten! Da wärst du ja keiner!«
*
Schillers Erklärung des Genies:
Wenn Kolumbus Amerika diagnostizierte auf der Weltkarte, so mußte es dadurch werden, auch wenn es bis dahin gar nicht existiert hätte.
»Entschuldigen, sind Sie mir nicht bös, dös is a jidische Spitzfindigkeit!«
»Keineswegs, es bedeutet, das Genie habe direkt zauberhafte Seherfähigkeit!«
»Dös soll das heißen? Auch gut!«
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» Raum ist in der kleinsten Hütte für – – –« nur einen einzigen Menschen. Falls er nämlich einer ist!
*
Am gefährlichsten und ungesundesten ist für eine Frauenseele bloße Sympathie – – – aus bloßer Sympathie. Gans! Viel weniger gefährlich und ungesund ist Anerkennung bestimmter Werte, körperlicher, geistiger, seelischer. Es ist eben dann reelle Anerkennung von bestimmten Werten!
*
Es ist etwas anderes, eine Frau an und für sich zu bewundern, oder wegen ihrer edlen Gangart! Letzteres ist wertvoller.
*
Ich bin dafür, daß man die guten Eigenschaften der geliebten Frau auf das Konto ihres Gehirns, die schlechten auf das Konto ihrer Gebärmutter buche!
*
Mein Bruder Georg sagte: »Weshalb man deine Erkenntnisse in allem nicht anerkennt?! Weil man auch nicht bei der Legung einer jeden Telephonleitung sagt: ›Es ist eine Erfindung des Graham Bell!‹ Es ist eben nur modern und richtig, basta!« Du Idealist Du!
*
Ich glaubte dich zu sehn, du grüßtest mich – – –
und
warst du's nicht, so war es eine
andre,
doch
mein Empfinden
war es!
*
In vielen Menschen ist ein Dichter. Um alle diese Dichter erst zu schaffen, dazu braucht man einen Dichter!
*
»Was haben Sie also schon davon, Peter, wenn sie alles so denkt wie Sie, alles so fühlt wie Sie?!«
»Nichts habe ich davon. Aber will ich denn etwas davon haben?!«
*
»Du hast mich zwar ungerecht geprügelt diesmal, Peter, aber lieber von dir ungerecht geprügelt als von einem anderen gerecht geküßt! Du derfangst dich ja doch wieder, er aber nicht!«
Derfangst = kommst zur Besinnung.
Kennt ihr die »Sulzer Höhe«?! Nein, die kennt ihr nicht. Weil sie gar keine besondere Höhe ist und eine Stunde von Wien. Ihr kennt das Rax-Plateau mit seinen Stürmen, weil es sich einen Namen gemacht hat in Bergsteigerkreisen, ihr kennt den Kaiserstein, Hochschneeberg, weil er zuhöchst in Niederösterreich ist. Aber die Sulzer Höhe hat dennoch trotz unscheinbaren Namens kurzes Gras wie Bergalmgras, der Wind weht, weht, weht, ungestüm, lau, kühl, feucht, frisch und es ist einsam. Weshalb ist da, bequem von Wien aus, ohne genagelte Schuhe, Schearnken, ohne nackte Knie, bei Mädchen hätte ich nichts dagegen, ohne »im Schweiße deines Angesichtes und anderer Körperteile«, bequem, nicht eine riesige Almhütte erbaut mit idealer Nachtunterkunft, wo man sich auf Hochalmen hinaufträumen kann bequem bis zum späten Morgen ohne Sonnenaufgang?! Muß denn alles erst mühselig erobert, abgetrotzt werden? Lasset euch doch einmal geleiten vom eigenen freien bequemen Herzen, in Wind und Wiesen, nächst Wien!
Wanen kunnt mer! Wenn ich denke, wie dieser verstorbene Schriftsteller und Feuilletonredakteur, J. V. Widmann, seinerzeit über jedes meiner Bücher mit liebevollem Respekte, mit freundschaftlichem Bemühen, mit zartem Verständnis, in Ihrem Blatte »referiert« hatte! Und wie nun dieser Dr. Reitz daran herumstochert und es nur für die anderen ungenießbar macht! Mein armes liebes vernünftiges Buch »Fechsung«.
Wanen kunnt mer wie a klanes Kind!
Herostratus hat den Tempel der Athene zerstört, um von sich reden zu machen. Mir scheint, dieser Dr. Reitz hat auch so einen krankhaften Ehrgeiz!
Ein wirklich romantisches Wort! Immer sehen sie sich und sehen sich wieder nicht. Wie wenn sie ganz miteinander wären und dennoch ganz weit weg von einander, durch die schmale sonnige abendlich kühle Straße getrennt. Sie hören ihre Stimmen, ihr Lachen, ihr Weinen, und wissen nichts voneinander, und wissen alles voneinander. Und wie die beiderseitigen Eltern von ihnen sprechen! Als ob sie wüßten! Aber sie wissen Gott sei Dank nichts! Die schmale sonnige Straße, die abendlich kühle Straße trennt, vereint! Und wenn sie leiden, wenn sie jammern, wenn sie sich sehnen, wenn sie auseinandergehen, sagt man einfach: Es waren halt Nachbarskinder!
20. April
Ich habe sehr viel düstere Melancholie gesehen, beinahe Verzweiflung, beim Jaguar, bei der Löwin; bei den Adlern, die mit dem Rücken gegen das Publikum, mit weit ausgefalteten herrlichsten Schwingen, regungslos dasitzen! Ihre Schwingen fordern Flug! Aber sie haben keinen zur Verfügung. Wenig Melancholie hab ich beim Elefanten bemerkt, der für einige Burgunderrüben niederkniet, er hat eben »Verstand«. Die Weißkopfgeier haben wahrscheinlich zu große Spannweite, um im engen Käfig die Fittiche auszuspannen. Sie begnügen sich daher, traurig und bewegungslos zu sein! Das Nilpferd frißt den ganzen Tag lang Heu, schläft im Brackwasser, wie in der Heimat. Es sieht den Unterschied nicht ein mit Afrika. Die Adler sehen es ein. Die Äffin hält ihr Kindchen zärtlichst umschlungen. Kein Unterschied mit dem Baumast im Urwalde. Auch sie sind menschenähnlich, akkomodationsfähig, wie der technische Ausdruck für » ungenial« lautet!
»Mein lieber Altenberg, ich weiß es, weshalb Sie mich heute so eigentümlich kühl und gereizt begrüßen!«,
»Ich habe Bauchschmerzen.«
»Nein, das ist es nicht. Wir haben in Ihrem gestrigen Varieté-Referat drei Worte ausgelassen. Aber die Sache erforderte es leider. Wir haben eine kleine Sitzung abgehalten, und erst nach reiflicher Überlegung haben wir die drei Worte aus ihrem werten Referate eliminiert, ich persönlich hätte nichts dagegen gehabt, daß sie blieben! Sie schrieben in Ihrem werten Referate: ›Die Musik ist von einem bisher Gott sei Dank Unbekannten.‹ Die drei durchschossenen Worte »Gott sei Dank« konnten, durften, wollten wir nicht bringen, es war zu scharf, zu radikal, zu wahr! Werden Sie es uns nachtragen, Peter?!«
Ein Papagei in meiner Straße schrie ununterbrochen seinen Namen, der zufällig »Lora« war, stundenlang beim offenen Fenster hinaus. Ich schrie auch beim offenen Fenster hinaus: »Kusch, Rabenvieh!« obzwar es nur ein Papagei war. Dann kam eine Auseinandersetzung mit dem Besitzer der klugen Lora. Ich sagte: »Wir wissen jetzt schon, wie sie heißt und daß sie nichts anderes sprechen kann! Mein Name ist Altenberg, erlaube mich vorzustellen, aber ich mach' kein solches Geserres aus meinem Namen und reden kann ich auch mehr! Außerdem stört es mich in meiner Arbeit!« »Welche Arbeit haben Sie, wenn ich fragen darf?!« »Ich dichte!« »Und da stört Sie mein Papagei?! Ich kann ihn übrigens in das Hofzimmer stellen.« »Das ist gar keine schlechte Idee.« »Freilich zieht er das Leben der hellen, freundlichen Straße vor.« »Man darf ein Tier nicht so verwöhnen, ein stilles Hofzimmer ist gesünder für die Nerven. Und dann, auf der Straße, wer hört ihm da zu, niemand hat Zeit, aber im Hofe, da wird er erst recht wirken!«
ich bestätige mit herzlichstem Danke den Vorschuß für die »Auswahl«, 500 Mark.
Ich sende Ihnen hier einen Brief ein für die »Briefsammlung«, die nur allmählich und organisch » werden«, gleichsam wachsen wird. Ein anderer Brief, in französischer Sprache an die spanische Tänzerin Maria Maraviglia, folgt demnächst. Briefe an die Urbilder, 9 und 11, meiner allererst geschriebenen Skizze aus: »Wie ich es sehe«, 1905, sind in Vorbereitung. Es geht mir elend und ich kämpfe eine Art von erbittertem Endkampf mit meinen den Dienst bei der Maschine versagenden Nerven. »Streik der Nerven« wäre ein Titel für die inneren Zerstörungen eines modernen Menschen, für ein »inneres Drama«!
Jedesfalls hätte ich manches zu berichten über die »Port Arthur-Schlacht der Nerven!«
Man lebt eben zu wenig »der Natur gemäß«. Aber nicht der brutalen Natur, die alle anderen einst hatten, sondern der, die in uns »ein neues, verändertes, verfeinertes, Gott sei Dank geschwächtes Geschlecht« ankündigt!
Auch die »schwangere Frau« muß um vieles vorsichtiger, um vieles anders leben als die unbeschwerte, unbelastete; und wovon wären wir nicht beschwert, belastet, trügen nicht schwanger von zu gebärenden Welten?!?
Alles kann man ertragen, wenn man danach lebt. Aber niemand hat diese Geschicklichkeit heutzutage. Jeder kultivierte, wissende Mensch kann über hundert Jahre alt werden ohne Schmerzen. Er stellt sich selbst ein Zeugnis seiner »mangelhaften Lebensführung«, seiner »Sündhaftigkeiten« aus, wenn er die Ungeschicklichkeit begeht, früher dahinzugehen! Sünde und Belohnung gibt es vor allem in der » physiologischen Welt«. Verdauen und eine noch heiklere Funktion stehen gleichsam direkt unter dem strafenden Blicke Gottes! Er verzeiht Kindern das viele schreckliche Obstessen und Zuckerlessen, weil sie eben noch nicht zur Verantwortung gezogen werden können, aber den Erwachsenen sieht er nichts nach, straft in unerbittlicher Gerechtigkeit – – –.
Ich bin ins »Predigen« hineingeraten, eine Eigenschaft, die eigentlich nur die »Jünger« in stiller Resignation und Ergebenheit vertragen auf die Dauer. Aber hoffentlich verzeihen Sie es
Ihrem dankbaren
Peter Altenberg
Ich decke euch, verhältnismäßig, mit meinen kleinen Erfahrungen und meinem noch kleineren Talente das Leben auf! Siehe, es liegt also nackt, unbedeckt, vor euch! Aber ich tue es nicht aus Frivolität, sondern um euch zu helfen!
Deshalb allein muß mein Buch eine Berechtigung haben. Denn weshalb sollen nicht andere vielleicht, allzu zarte, oder sagen wir nur, allzu lebensunfähige Frauen, den übelriechenden, lügedunstenden Lebenssumpf nicht a priori kennen lernen, statt erst das sogenannte langjährige Lehrgeld zahlen zu müssen?!?
Das Leben der reichen unabhängigen Menschen ist vorläufig noch lächerlich, grotesk, wertlos, und daher zugleich tragisch! Das zu erkennenist kolossal wichtig, erstens für die, die nichts besitzen, damit ihr Neid und ihre Verzweiflung absterben, zweitens, damit die Reichen eventuell zur Besinnung kommen, was für gottverlassene Trotteln sie sind!
Nur dein eigenes Herz kann dir nämlich stets liebevollst helfen in diesem Labyrinthe »Leben«, dich irgendwo herauszufinden aus deinem eigenen Wirrsal! Geld muß in Herz und Gehirn umgesetzt werden können!
Ich schreibe hiemit das Büchlein der grotesken, lächerlichen und daher tragischen Dinge im Leben der reichen Leute.
Z. B., sie sitzen auf einer Bank an der »Königswiese«, Mödling, Vorderbrühl, mitten im Walde, wie vor einem Grasteich, und sie sehen sie dennoch nicht! Sie sagen, denken, fühlen: »Ich möchte es wirklich wissen, ob dieser dumme Baron mit diesem frechen Luder ein Verhältnis hat – – –?!?« Solche Sachen denken die reichen Leute abends an den Wiesen Gottes!
Gott hat die » Menschheit« erschaffen, und nicht die Franzosen extra!
*
Der Italiener mag uns nicht. Das ist so wie bei den meisten Frauen! Im Moment wo man das aber spürt, muß man ihr ganz grundlos eine Watschen geben!
Es ist natürlich nicht grundlos, sondern tief begründet.
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Sich etwas, auch nur das geringste, gefallen lassen, ist immer eine riesige Dummheit!
Denn » innerlich« läßt man es sich ja doch nicht gefallen. Und das allein setzt sich dann doch irgendwie allmählich durch!
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Acht Tage vor der italienischen Kriegserklärung schrieb ich folgenden Aphorismus:
Ausspruch eines Ur-Wieners: » Hoffentlich san's blöd genug, daß s' das, was mir ihnen freiwillig anbieten, net nehmen! Denn g'scheit sein is das größte Unglück – – für die anderen!«
Das kranke Mäderl: »Du, Doktor, was du mich fragst, tut mir nicht weh, und was du mich nicht fragst, tut mir auch nicht weh!«
»Also bist du ja gar nicht krank!«
»Und krank bin ich aber doch!«
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Mäderl aus gutem Hause beim Anblick eines einbeinigen Kriegsinvaliden: »Wie glücklich der ist, er braucht sich sein ganzes Leben lang nur einen Fuß zu waschen!«
»In die unnahbaren Eisregionen unserer Geistigkeiten, o Frauen, könnt ihr, sollt ihr, dürft ihr gar nicht mit! Da erfröre sogleich eure glühende Zuneigung!« Paula Sch. ausgenommen!
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Wieso kommt es, daß gerade die guten, wertvollen Ideen zur modernen Hygiene und Diätetik, durch direkte Narren und Übertriebene, morose Junggesellen und Träumer ganz diskreditiert werden?!! Vegetarismus durch die fanatischen Vegetarier in nach Kohl und Kraut duftenden unangenehmen Stuben?! Sandalen durch häßliche nackte Füße?! Anmut durch die affektierte Dalcroze-Schule?! Freilichtbäder durch blödes Braun-geröstet-werden?! Als ob der Teufel dahinter stäke!? Ja, er steckt auch; nämlich hinter allem Übertriebenen!
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»Meine Frau hat die schönste Sammlung alter perlengestickter Handtaschen, die es überhaupt gibt!«
»Hat sie sie in edlen Vitrinen aufgehängt, um sich an ihrem Anblick immer zu ergötzen?!«
»Keine Idee, da wären sie ja tot und begraben! Sie trägt jede wirklich, jeden Tag eine andere!«
»Ach so, da werden sie erst lebendig durch den Neid und die Eifersucht, die sie bei den anderen Damen erregen?!«
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»Weshalb kaufen Sie eigentlich nicht mein Buch ›Fechsung‹, das schon vor fünf Monaten erschienen ist?!«
»Ich wollte es Ihnen nicht sagen, ich habe es längst gekauft und gelesen! Verstehen Sie jetzt?!«
»Ah bravo, da habe ich also eine Krone verdient und einen Mißversteher gewonnen!«
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Als ich jemandem von Paulas wunderbarer Naturliebe erzählte:
»Ganz nett, aber was haben Sie davon, daß ihr der Wald gar so sehr g'fallt?!«
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Als ich seiner Zeit in ein Millionärshaus, R. v. P., zu allen Bällen geladen wurde, sagte eine Dame zur Hausfrau: »Was haben Sie sich da zugelegt, ma chère?! Ein Narr, ein mauvais sujet!« Als ich dann »Wie ich es sehe« herausgab, sagte sie: »Merkwürdig, der Mensch ist mir immer schon durch sein wunderbares Tanzen aufgefallen!« Da sagte die Hausfrau: »Ich lade ihn immer nur wegen seiner zwei schönen Schwestern mit ein! Ach, er schreibt auch?!«
*
Liebe ist – – – Sehnsucht nach irgendetwas, das noch nicht da ist!
Erfüllung ist das, was da ist, aber daher keine Liebe mehr!
Wer seiner Geliebten sagt: » Ohne dich keine Landpartie, ohne dich keine Opernvorstellung, ohne dich kein Existieren, der hat in ihr die Liebe ermordet, abgeschlachtet! Sie hat nämlich bereits alles, und deshalb nichts mehr! Was sollte sie sich da noch ersehnen?!
Was gibt es da also für einen Ausweg?!
Alles Liebenswerte lieb haben, und die Geliebte inmitten drin nur auch!
Da träumt sie ununterbrochen: »Wenn ich ihm doch einst alles, alles ersetzen könnte!«
Sie ist also ewig vergeblich » beschäftigt«.
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Landpartie in die Vorderbrühl.
Fräulein Paula Sch. an Frau H. Bl.
»Wenn einen der Peter schon stehn laßt, hat man ja doch noch die ›Brühl‹, die ›Breite Föhre‹, die ›Krauste Linde‹, den ›Anninger‹, was braucht man da gleich heiraten?! So etwas tut man doch nur im äußersten Notfall!«
*
Mein Stubenmädchen, vertrauensvoll:
» Meister, wird's heut' noch regnen?!«
»Bin ich ein Frosch?!«
»Nein, ein Dichter; der ahnt alles, was in der Natur vorgeht!«
*
Viele Männer scheuen sich, eine geliebte Frau splitternackt mit allen ihren Details zu betrachten! Sie wollen sich das » Mysterium« erhalten, sie haben nicht die Kraft zum Mysterium der Realität! Sie machen sich lieber einen Hokuspokus vor. Das nennen sie dann: keusch trotz alledem!
*
Paula sagte: »Aber Peter, deine Bücher sind doch keine Lektüre. So wenig wie Vino Condurango ein Nahrungsmittel ist, es ist doch nur zur Stärkung.«
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Es gibt reiche und gebildete Juden, die sich nur gern von Christen ausbeuten lassen. Auch eine Art, hinaufzukommen, und das Judentum zu überwinden, nebbich! Was soll ich da erst noch Namen nennen beiderseitig?! Wer weiß, der weiß doch! Jeder weiß, mit wem er Geschäfte gemacht hat.
*
Man kann alle Gegensätze ausgleichen, indem man sie zum natürlichen Verschwinden bringt. Aber nicht dadurch, daß man dekretiert: »Gegensätze haben von nun an wegen der Kultur aufzuhören!«
Ich verstehe nichts in bezug auf die Nerven der Menschen; aber dieses eine verstehe ich am allerwenigsten: Wie man hinüberkommen kann über den Verlust einer geliebten Frau, die man so oder so verloren! Das begreife ich nicht. Ihr Atem, der dir alle Bergeswiesen der Welt ersetzte, haucht dich nicht mehr an, beim Sprechen, Lachen oder Weinen! Der Duft ihrer Haut, ihrer Haare, ihrer Achselhöhlen, der dich berauschte, mehr als alle französischen Champagner der Welt, hat sich verflüchtigt!
Ihre Stimme, diese Musik der ganzen Erde, ist für dich verstummt. Es klang melancholischer für dich als das Rauschen des Abendwindes im Tannenwald und als das Piepsen des ersten Vogels im Bergwald vor Sonnenaufgang. Die Musik der Welt ist dir verstummt! Die Schönheit der Erde ist dir zusammengebrochen, wie Messina im Erdbeben. In deinem Inneren sind nur mehr Trümmerhaufen!
Alles was sie tat, war dir die Anmut der Welt! Du brauchtest nicht die Hunderttausend herrlicher Geschöpfe von Siam, Japan, Java, China!
Wenn sie ging, aufstand, sich setzte, sahest du sie alle! Nun ist die Welt ein Trümmerhaufen! Weshalb, weshalb willst du über das Allerwertvollste im Leben, Sehnsucht und Schmerz, hinüberkommen? Der Satte ist satt, aber der Verhungernde hat die Sehnsucht, die mehr nährt als die Speise, die er sich ersehnt!
Komme nie hinüber über den Verlust eines geliebten Frauenkörpers! Ihre Haut, die duftete, zerfällt wie verbranntes Papier, und ihr süßer Atem ist nicht mehr! Die Welt in dir liegt in Trümmerhaufen, wie Messina nach dem Erdbeben. Es gibt nur Leichen und Verwundete. Trost ist ein Verbrechen, das du an dir selbst begehst! Tröste dich nie!
Wie geordnet lebt ihr da alle!
Damen, Bonnen, Kinder.
Die Männer arbeiten für euch im dunstigen Wien.
In feuchter Frische ruht ihr nachmittags auf Bänken, die für Hotelgäste streng reserviert sind.
Kleine Sorgen um dies und das flattern so unbelastend um eure gepflegten Köpfe.
Ewige Sorgfalt um ein Nichts vertreibt euch die Zeit!
»Glauben Sie wirklich, wir hätten nichts zu tun?!«
Ja, ich glaube es.
»Heute ist es zu kühl zum baden, Liebling, im Wald ist's heut zu feucht vom Nachtregen, es weht der Wind zu heftig, die Sonne sticht, und überhaupt. Abends kommt der Papa, mein Liebling, soll ich ihm erzählen, daß du geweint hast?! Nein, ich erzähl' ihm nichts!«
Auf schattigen, streng reservierten Bänken sitzen sie,
nähen Schlingereien, Säumereien, weiß in weiß.
Abends kommt der ermüdete Papa.
Ermüdet?!
Für die »Idylle seines eigenen Heims« arbeiten, ist doch nicht ermüdend.
Ich wäre nie zu Ihnen gekommen, selbstverständlich, nie, niemals. Obzwar ich es wußte, daß Sie an mir dahinsterben. – Sie schrieben es mir hundertmal; und tausendmal habe ich es an Ihrem krankhaften, brechenden Blicke ablesen können, ganz deutlich und einfach, daß Sie mich unbedingt brauchen – – –. Aber ich hatte keinerlei Veranlassung, Sie zu erretten. Ich überließ Sie Ihrem Schicksale, so wie Tausende von lieblosen Männern andrerseits wieder unglückselige Frauenseelen ihrem Schicksale unbekümmert überantworten – – –.
Nun aber kann ich endlich zu Ihnen. Mein Arzt teilte mir nämlich mit, ich hätte nur mehr ein Jahr zu leben. Das ist wenig für eine lebensfreudige Person. Sogleich überschaute ich daher mein ganzes Dasein, und ich fand, daß ich Ihnen allein spenden, spenden, spenden könnte, wie eine Quelle einem Verdurstenden! Glauben Sie nicht, daß das Liebe oder sonst etwas Persönliches sei – – –. Es ist der Egoismus eines absterbenden Organismus, sich in einem andern, seelisch, in der Erinnerung zu erhalten, nicht ganz abzusterben, plötzlich verlöscht, vernichtet zu werden – – –. Sie haben also, Herr, heute meinen seit Jahren ersehnten Leib genossen – – –. Sie werden nach meinem Tode mich desto lebendiger in sich aufleben lassen; siehe, das ist meine »Wiederauferstehung«. Es hat nichts mit Liebe zu tun – – – man will einfach nach seinem Tode noch leben in irgend einem besonderen Herzen, dessen man ganz sicher ist! Ich habe mir selbst ein Denkmal gesetzt, das ist alles! Sie werden mich nie vergessen, das weiß ich. »Aus Liebe allein« hätten Sie mich eventuell vergessen können!
Du willst mich nicht mehr, Peter?! Gut. Nein, schlecht. Ich bin doch wohl die einzige Frau in Deinem bewegten Leben, die sich in ihrem 12. Lebensjahre an Dich angeschlossen hat, ohne es zu wissen, wer und was Du bist! Es ist keine Kunst, einem berühmten aparten Dichter sich anzuklammern, aber wohl einem unrasierten, vielleicht ungewaschenen und verwahrlosten x-beliebigen Kranken! Als ich erfuhr, wer Du bist, war es mir nur unangenehm. Denn ich wußte daraus, daß ich Dir nicht genügen könne. Solltest Du mich jedoch einmal wieder brauchen – – – aber Du wirst es nicht! Dazu bist Du viel zu – – – berühmt. Schade – – –.
Weshalb ich gerade Paula so zart behandle,
selbst in Fällen, wo ich doch sonst – – –?!
Weil ich immer es gegenwärtig habe,
sie denke jedesmal geheim: »Wenn mein verstorbener Vater da wäre, der mich vergötterte und schützte und entschuldigte!«
Dieser stumme Notschrei, dieses Wehgeschrei der Seele: Papa, Papa!
Da spüre ich mich halt in der Rolle des vom Himmel schützend, warnend, herabsteigenden Vaters
zu seinem vereinsamten Kinde,
und statt zu schelten, zu zürnen, zu rechten,
aufzubegehren, wie es doch
in mir von jeher lag,
spiel ich den
andern, der mir gleichsam zuraunt:
»Spiel' meine Rolle, da ich nicht mehr bin!«
In der großen Welt gibt es natürlich andere Namen: Beethoven, Goethe, Bismarck. Aber in der ganz kleinen, unserer höchsteigenen Welt, gibt es andere Namen, besonders die aus der Kindheit, also aus unserem Historischen her, aus der sogenannten » Alten Geschichte« unseres bedeutungslosen Daseins her! Hietzing bei Wien, Unter-St. Veit, Ober-St. Veit, der Himmelhof, die Penzinger Au, das Penzinger Schwimmbad. Es gab nichts Besonderes, und alles war besonders. Der lila Schillerfalter, den man fing oder nicht fing, der Duft von Weiden und Brackwasser. Wenn man mir sagt: »Wien, o Wien!«, aufrichtig gesagt, seien Sie mir darob nicht gram, ich spüre nichts dabei. Wenn man mir sagt: »Die Umgebung von Wien«, da habe ich »Heimweh«, wie der Tiroler, wie der Schweizer. Nein, wie der Wiener.
19. April, 16° Réaumur beim Fensterbrett, wo die meergrünen Vasen stehen mit den schneeweißen, gefüllten Ranunkeln. Gerade vor zwei Jahren kam das rote Auto im Sanatorium vorgefahren, mich in die Freiheit abzuholen. Die schweren, eisernen Gittertore gingen von selbst weit und langsam auseinander. Mein Bruder sagte: »Nun, Peter, heißt's aber brav sein!« Nein, nun heißt es, die verlorene Zeit hinter stupiden Kerkermauern, sieben Monate, einbringen! Sich verlieben und saufen. Es gelang mir. Mein Bruder sagte bleich: »Die Ärzte haben jegliche Rezidive für lebensgefährlich erklärt.« In derselben Freiheitsnacht war ich mit Anna, und trank 25 Flaschen Bier. Dann schrieb ich mein Buch: »Fechsung«. Einer der Ärzte, dessen elfjähriges wunderbares Töchterchen ich einfach vergöttert hatte, hatte mir beim Abschiede gesagt: »Wenn Sie wieder kommen, kommen Sie allein, ohne Begleitung. Da können Sie auch gleich wieder fort, wenn Sie genug haben von uns!«
Willst du mir ähnlich werden?! Dann habe meinen brettgeraden Rücken!
Flache Brustkasten und gewölbte Brustkasten sind größere Gegensätze als Goethe und ein Hallstädter Trottel!
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Enttäuschung in bezug auf eine ernstlich geliebte Frau, muß bei einem kultivierten Menschen wie eine glücklich und genial ausgeführte Operation wirken! Ein schrecklicher, kurzer, scharfer Schnitt – und das krankhafte Gewebe ist heraus, weg, verschwunden! Oder sollte dir deine ewige Kränkung wertvoller, wichtiger sein?! Immer aber bedenke dein Leben, denn sie hat es dir nicht bedacht! Erhaltung der Lebensenergien heißt » Mann sein«! Sich schwächen lassen, geistig, seelisch, ökonomisch, sexuell, ist weiblich! Selbst »unglücklich lieben« kann ein Rebbach sein, aber nur für Dante, Goethe, Torquato Tasso, Franz Schubert. Alles, muß sich verwerten im wirklich männlichen Organismus!
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»Gusto-Katz« ist eine, die einmal auf den »Gusto« (Lust) hat, einmal auf den. Viele anständige, nette, treue »Messerstecher« »sitzen« ein paar Jahr'ln, wegen dieser gefährlichen »Gusto-Katzen«.
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Dieser schauerliche Gegensatz zwischen dem, was die Frau von sich weiß, in jeder Beziehung, körperlich, seelisch, geistig und punkto »Anmut«, und dem, was der verliebte Mann von ihr glaubt! Ihr Betrug heißt: Liebesverhältnis!
Sie könnte sich noch verhältnismäßig ehrlich »ausgleichen« mit Demut und Bescheidenheit. Aber meistens gleicht sie sich nicht aus!
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Ich sagte über meinen Verkehr mit einer alten Dame: »Wissen Sie, was die richtige »Technik« einer alten Dame ist?! Immer rechtzeitig zu verschwinden! Leider hat meine Freundin die Technik nicht!«
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Unsere Erkenntnisse freuen uns, aber die Erkenntnisse der Frau machen sie traurig. Wir haben nämlich keinen Ausweg als das »Nirwana«, alles geht endlich Gott sei Dank zu gründe, sie aber hat den Ausweg, ein Kind zu gebären für eine neue Hoffnung, also das unentrinnbare »Nirwana« noch um eine Generation hinauszuschieben!
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Der Mann: »Wenn du die Natur liebst, liebst du eigentlich nur mich, umgewandelt! Wenn ich dich liebe, liebe ich eigentlich nur die Natur, aber leider sehr umgewandelt!
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Jede Frau fühlt, weiß es ganz genau, wann, ja sogar weshalb ein Mann sie stehn lassen will, aber statt aufrichtig-verzweifelt mit ihm darüber zu sprechen, zieht sie das teuflisch-feige Mittel vor, ihn eifersüchtig zu machen.
Wenn sie mir, in Verzweiflung, Schmerz, Trauer, einen Porzellantopf an den Schädel schmeißt – – –
wenn sie still in eine Ecke gekauert vor sich hinweint – – –
ist es nicht ganz
derselbe Ausdruck ihrer gekränkten Seele?!
Aber der erste Fall ist günstiger für mich!
Im zweiten bin ich ein schnöder Bösewicht.
Im ersten sie eine Megäre.
Und dennoch sind die beiden Fälle gleich.
Drum reize lieber eine Frau, auf daß sie schlage, kratze, spucke!
Still in der Ecke kauernd, weinend, hat sie die ganze Welt für sich!
»War Ihr reizendes zwölfjähriges Töchterchen auch mit in St. Gilgen?!«
»No, war sie vielleicht nicht mit?!«
»Hat es ihr gefallen?!«
»No, hat es ihr vielleicht nicht gefallen?!«
»Haben Sie viele Partien mit ihr gemacht?!«
»No, hab ich nicht?!«
»War sie nicht unglücklich, zurückzukehren?!«
»No, war sie nicht?! Übrigens, mit ihrem Vater?«
Sie verlangte nichts, als nicht gekränkt zu werden. Aber da alles und jedes sie kränkte, verlangte sie also alles. Sie kauerte sich hin, verbarg ihren Kopf in ihren gelben Haarlocken. Und wenn ich hintrat und fauchte: »Erpresserin!«, sagte sie: »Brauchst dich ja um mein Leid net zu kümmern!«
Also, nach 34 Jahren, an dem Todestage der Thalhofherrin, der ihr zärtlichster Gatte am Waldesrande die Villa Hubertus erbaut hatte, damit sie, entrückt dem Hotelgetriebe, dort ihr eigenstes Leben führen könnte, sie hat die Villa nur 19 Tage lang bewohnt, dann holte sie der Tod ab, also nach 34 Jahren, fuhr ich in dem Einspänner des Franz Ruppert, dessen Vater meinen Vater geführt hatte, und dessen Sohn mich wieder zur Bahn zurückführte abends, in das Hotel Thalhof. So etwas lieblich Konservatives wie dieser Thalhof! Nichts hat sich verändert. Ich schaute zu den zwei Fenstern auf, die meine selige Mama in jedem Sommer inne hatte, vis-à-vis den Wald-Bänken. Ich besuchte das Zimmerchen Nr. 20, im ganz alten Hause, hart an dem Forellen-Brünndl, in dem ich ein Jahr lang gelebt hatte. Minna, das vergötterte Reh, ist graue Großmama geworden, und Olga ist vorzeitig gestorben. Die Sekretärin und die Buchhalterin, die 7 und 13 Jahre lang in dieser Edeleinsamkeit »Thalhof« hausen, zeigten mir ihre Lieblingsbücher: Leben und Treiben der Lady Hamilton; Barbarina Kampanini, die Geliebte Friedrich des Großen. »Hier liest es sich gut über fremde Frauenschicksale. Wir beneiden daher niemand!« Ich ging den Waldpfad zu den »7 Eichen«, und dann zurück »zur kleinen Aussicht«. Namen, eingegraben in unsere Kinderherzen, bis zu unseren letzten Stunden! Feuchter, Saurüssel, Lackerboden, Knofelében, Pürschhof, Bodenwiese, Gahns, Promischkograben, Baumgartnerhaus, Ochsenboden, Kaiserstein! Und Zoletsch, die mystisch duftende Aurikel, die vom Gesetz aus nun nicht mehr ausgerissen werden darf, Gott sei Dank!
Weißt du, was »Freundschaft« ist?!?
Nichts Pathetisches, nichts Sentimentales und nichts Romantisches – – –.
Es ist: Dem Betreffenden nirgends schaden, wo es nicht unbedingt nötig ist, und ihm nützen, wo man es ganz leicht tun kann, ohne Opfer! So billig-einfach ist die echte Freundschaft!
Eine innere Solidarität. Ein Zauber von Anhänglichkeiten, wegen nichts!
Den einen sagt man: »Iß den Fisch nicht, er ist vielleicht doch nicht ganz frisch – – –.«
Und den anderen läßt man ihn ruhig essen trotz Gefahr!
»Mach dies Geschäft nicht! Nimm nicht diese Frau!«
Den anderen überläßt man hohnlachend seinem Schicksal!
Ich habe viele sogenannte Freunde; doch nur mein Bruder könnte mir wirklich nichts antun – – –. Damals kannte ich eben Paula noch nicht.
Es ist kein Opfer, das er bringt, er tut's für sich!
Es kränkte ihn zu tief, wenn er mich kränkte! So werde einst das Herz der Frauen!
Ich selber wünsche dem und jenem Glück im Spiel. Sei es mit Karten, Pferden, Domino – – –.
Doch hörte ich von einem anderen, dem ich nichts
gönne, weil er wertlos ist und eine taube Nuß an Herzens Statt hat, daß er gewann in Spiel und Liebe,
ich könnte ihn berauben und erwürgen!
Freundschaft ist kein sentimentales, kein pathetisches, kein romantisches Wort – – –
Es heißt: »Ich geh mit dir mit deinen Glückszufällen, ich gönn sie dir; und allen anderen nichts!«
Wir saßen da und tranken heißen, duftenden, goldgelben Tee. Der Tee vertrieb die kühle Feuchtigkeit des Aprilabends. Wir sahen schweigend hinaus auf die Pracht der Erde. Waldwind kam von Bergen und Hügeln, und von der dunkelnden, ausrastenden Welt! Eintagsfliege »Mensch«, Waldwind wird kommen von den Hügeln und von den Bergen, immerdar – – –.
Nie, Paula, sah ich dich so rosig-verklärt wie heute, geborgen an dem Herzen des Freundes, und dennoch versinkend im All!
Ein Zug pfiff in der Ferne; ein Hund bellte wie vereinsamt und ausgeschlossen; irgendwo lachten fremde Menschen überlaut – – –. Nie warst du mir näher als in dieser Stunde, Paula! Weshalb?! Niemand könnte es ergründen – – –.
»Oh, glauben Sie, mein Herr, ich sei nicht gutherzig?! In Monte Carlo (wo sie Tausender geschenkt erhält von besoffenen Spielern, genannt ›Menschen‹) habe ich einer armen Frau achtzehn Franken geschenkt, und dann noch zweimal, o bitte sehr – – –.«
An ihrem Abschiedsabende in Wien erhielt sie für 700 Kronen Blumen, die am Morgen in die große Eisen-Mist-Kiste gestopft wurden vor ihrem Hotel.
Sie sagte: »O, diese Dame hat noch einen Strauß weißer Rosen erhalten von ihrem Kavalier, ich will deshalb auch noch einen!«
»Sie haben schon für 700 Kronen Blumen, die morgen in's Mistkistel kommen!«
»Herr Dichter, wollen Sie diesen Idioten ihr Geld ersparen?! Sie verdienen es nicht besser! Lassen Sie mich sie ausplündern! Es ist ein gutes Werk!«
Über den Egoismus der Nebenmenschen, die anderen sind nämlich zu entfernt um zu schaden, sich auszulassen, geziemt nicht dem modernen Schriftsteller, der die Aufgabe hat, geheimnisvollere und verstecktere Dinge des Lebens aufzudecken. Aber weshalb ein Papagei, namens Lora, eine ganze schöne stille Straße von morgens bis abends in Aufruhr bringen soll, bloß um ununterbrochen mitzuteilen, daß er Lora heiße, das verstehe ich nicht. Gott, es gibt doch so viele Mysterien im Leben der Menschen! Wenn Lora mit diesem gell in die Straße hinein geschmetterten Worte wenigstens andeuten möchte, daß sie hungrig, durstig sei, oder eines Weibchens dringend bedürfe! Aber nur um das zu sagen, was wir schon alle doch längst wissen, daß sie Lora heiße und nichts anderes aussprechen könne, pardon, das ist ein bißchen sehr wenig für den großen Lärm! Wenn ich mir aber noch den Stolz der Besitzer denke, daß ihr Paperl so schön und gellend schreien kann, da erinnere ich mich an die Anekdote des alten Junggesellen, der gesagt hat: »Ich hab nur gern schlimme Kinder. Denn die schreien und werden dann infolgedessen sofort hinausgetragen!«
Aber das Paperl wird nicht hinausgetragen, erwürgt und geschlachtet, sondern er teilt uns noch immer mit, daß er Lora heiße!
Ich stelle mir ein Gespräch mit den Besitzern so vor: »Was, schön sprechen kann unser Paperl?!« »Ja, er spricht wunderschön!« »Und so deutlich!« »Ja, riesig deutlich, man versteht jedes Wort. Kann er auch noch andere Worte sprechen?!« »Ja, aber er mag nicht!« »Und vom Gefieder sagen Sie gar nichts?!« »Das Gefieder ist einfach überraschend!« »Acht Jahr haben wir das Viecherl!« »Eine lange Zeit!« »Lang'?! Uns kommt's kurz vor!« »Wie alt werden solche Tiere?!« »Bis zu 200 Jahr!« »Wenn ich denke, daß wir dann alle schon unter der Erde sind! Gott sei Dank, wir haben's dann überstanden! Aber die nächste Generation!?«
Melancholien, Verbitterung über seine zahlreichen »Unzulänglichkeiten« müssen sich gegen einen selbst wenden, nicht gegen die anderen, die nichts dafür können, daß einer nicht anmutig beweglich auf die Welt gekommen ist!
*
Die ersten Größen sind groß, die dritten Größen sind klein, die zweiten Größen aber sind Neidlinge, also ganz klein!
*
Ehrgeiz: Ein reicher Jude, der sich für 12 000 Kronen eine Walker-Orgel für den Salon gekauft hat: »Passen Sie nur auf, in einem Jahr hat jeder reiche Jud' so eine Orgel!«
»No, und Sie?!«
»Ich bin doch lieber ein erster Schmock als ein zweiter Aff'!«
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Ein »idealer« Busen will gesehen werden, bewundert, anerkannt, bevorzugt werden, er kämpft gleichsam mit dem ihn verbergenden »Schamgefühl« ununterbrochen einen erbitterten Kampf!
*
Es gibt Leute, die romantisch sind gegenüber einer geliebten Frau, weil sie eben es sind! Es gibt Leute, die romantisch sind, weil sie es ahnen, es sei das bessere, das enttäuschungslosere Geschäft, das billigste! Für sie ist es es eben aber gerade nicht. »Werther« in der Reklam-Bibliothek für 20 Heller kaufen, und es nachleben, so billig haben wir's nicht, Herr Ganz-G'scheiter, Herr von Romantiker!
*
Paula: »Das, was ich an dem Peter sündige, ist nicht meine Verständnislosigkeit seines Wesens, sondern daß ich das, was ich verstehe, dennoch nicht ertragen kann! Ich kann mir eine vorstellen, die viel sanftmütiger wäre! Aber wäre sie dann so leidenschaftlich-liebevoll? Ich will mich nicht anpreisen, denn was bedeutet es, daß man einfach die ›Fehler seiner Tugenden‹ habe, wenn er die Tugenden unserer Tugenden braucht?!«
*
Frauen wollen nie unser Glück, sondern ihr Glück, nur hoffen sie, daß ihr Glück unser Glück sei! Ja, wenn wir sie genug gern hätten! Aber haben wir?!
*
La vie
Als ich meiner Freundin sagte, ich hätte heute Testament gemacht über die zweihundert eingerahmten Photographien an den Wänden, sagte sie: »Um Gottes willen, ich will nichts wissen, ich bringe mich ja eh' um!« Einige Minuten später sagte sie: »Aber was das Wichtigste ist, es muß ausdrücklich geschrieben stehen: Alles soll in einer Hand vereinigt bleiben! Sonst kommt der Loos, der Wien, der Hammerschlag, und betteln mir ›Andenken‹ ab! Gezahlt haben's dir eh' nie was bei deinen Lebzeiten!«
*
»Ich bewundere Ihre nie versiegende Aufmerksamkeit Ihrer Frau gegenüber!«
»Da ich mit ihr beisammen bin, bin ich doch gleich lieber liebenswürdig, nicht?!«
*
»Frauen haben das »müssen« nicht gern, besonders – – –«
»Wie können sie dann überhaupt je heiraten?!«
»Sie müssen!«
*
Assentierung
So viele Büros gibt es gar nicht auf der Welt als darin sogenannte Kultivierte »arbeiten« möchten, fürs Vaterland!
*
Als man erzählte, ein reicher Jude habe vier Söhne im Felde eingebüßt, ein fünfter habe durch Luftdruck eines Mörsers die Augäpfel verloren, die Frau sei irrsinnig geworden und ihn habe der Schlag partiell getroffen, sagte ein »Christlicher«: »Partiell, sogar der Schlag trifft solche Leut' natürlich nur partiell!«
*
Wenn eine süße Frau mit einem noch so gescheit spricht, erfreut einen der Atem ihres Mundes beim Sprechen doch noch mehr!
*
Weshalb sagt man von einem Radium-Bad in Joachimsthal, von einem Gasteiner Bad nie: » Versteht es Sie denn?!«
Ja, es versteht mich, mich zu heilen!
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Wenn geliebte Frauen mit der Zeit naturgemäß ihre mystische Anziehungskraft einbüßen, wie z. B. der Magnet durch langjähriges Streicheln, pardon Streichen, und sie sich dann in ihrer Vereinsamung einen geliebten Hund zulegen, so dürfen sie nicht an seinem offenen Grabe (sie hat den Köter eigenhändig eingescharrt) winseln: »Du, du allein hast mich geliebt und verstanden, lebe wohl, du mein alles!«
*
Weises dressierte Bären.
Ihr dumm-verkommener Gesichtsausdruck sagt: »Bicycle-Fahren, pfui! Lieber ein Kälbchen schlagen und anfressen. Aus düsteren Wäldern hat man uns herausgezerrt, hat uns etwas lernen lassen, was wir für unser Leben gar nicht brauchen, ja uns stört, von ¼12 bis ½12 nachts sind wir auf einer grell beleuchteten Varietébühne, auf der es nichts zu verspeisen gibt! Nur daß wir auch bei Tag schlafen, wie in der Heimat!«
Sie: »Ich. bitte, darf ich Ihnen jetzt auch meine liebste Freundin, sie ist ganz braun und hat ein Stumpfnäschen, vorstellen?!«
»Ja, gewiß. Aber weshalb?!«
»Warum soll ich denn nur allein die Ehre haben, Sie kennen gelernt zu haben?!«
»Ich der Kuckuck hab eine Riesenwut auf die Dichter! Ich sitz' da in diesem faden, hellgrünen Aprilwald, von früh bis abends, schrei', kreisch' mir die Kehle heraus nach diesem Mistviech von Weibchen, sie hört's ganz genau, die Kanaille, aber sie will mich nebbich reizen und warten lassen bis zum Abend, und, hast du nicht gesehen, die Dichter träumen: ›Der melancholische, eigentümlich eintönige, ja fast tragische Ruf des unsichtbaren Kuckuck ist gleichsam das tönende Mysterium der ganzen Natur!‹
Soll er sich da hinsetzen, von früh bis abends ›Kuckuck‹ rufen, wegen der Kanaille, die man ›belegen‹ muß! Es ist keine Kunst, einen anderen zu besingen, wenn man die ›Seinige‹ schon gehabt hat!«
Sie schrieb mir: »Du hast Dir's streng ein für allemal verboten, Dir zu danken! Du sagst, Du seiest Gott sei Dank genug intelligent, um nur dann zu geben, wenn es sich von selbst dir belohne. Alles sei ein Geschäft, sogar der Frühling! Diesmal aber dispensiere mich, es ist wegen meiner Nachtruhe, und ich bin so müde nach dieser Landpartie, ich könnte ohne Dank nicht einschlafen. So sag ich nur: Ich bin neunzehn Jahre alt, es war der glücklichste Tag meines ganzen Lebens!«
Was war es?! Ein kühler sonniger Frühlingstag, Elektrische Tramway nach Baden. Mittagessen: Herrlicher weiß-grüner Gorgonzola, Butter, Brot, Kaffee. Spaziergang in die hellgrünen Wälder bis zur Kolerakapelle. Man sah Primeln, Traubenhyazinthen, Bachstelzen, hörte den Kuckuck. Abends Mondschein im japanisch angelegten Kurpark. Dann zurück nach Wien. »Wien kommt immer näher und näher,« sagte sie. »Eine ganz richtige Beobachtung,« sagte ich. Da berührte sie zärtlich meine Hand. Die müden Leute in der Tramway schauten: »Wie die den Herrn Papa aber gern hat!?!«
Ich schrieb aus Venedig an einen reichen Mann: »Kommen Sie sogleich her, habe in der Präraffaelitischen Ausstellung drei wundervolle unbekannte käufliche Gemälde entdeckt!«
Antwort: »Bin krank, beschäftigt, kann nicht kommen. Dank!«
»Lieber Freund, es ist gut, daß Sie nicht gekommen sind. Die Bilder haben sich als ein Schund herausgestellt!«
»Bitte sogleich Zimmer im Hotel Excelsior in Venedig bestellen für mich. Reise heute noch dahin ab!«
Jemanden nicht kränken wollen – – –
unter keiner Bedingung – – –
ist das nicht ein riesiges, unverdientes Glück im Leben?!
Jemandem etwas Unangenehmes nicht antun
können,
wenn er es
noch so sehr verdiente!?
Wird man da nicht zu einem wahren Engel transformiert?!
Und wem, wem verdankt man es?!
Dem Luder, dem Mistviech, von dem man sich eben leider blöderweise alles gefallen läßt!
Aber läßt man es sich denn?!
Keineswegs. Man läßt es sich gefallen,
durch sie ein
höherer Mensch zu werden,
mit unglaubwürdigen Selbstlosigkeiten!
Also ist man in ihrer Schuld!
Denn was wäre wertvoller als durch irgend etwas reiner zu werden als man sonst bisher ist!?
Kanaillen, auch ihr rangiert also trotz allem in die »Göttliche Weltordnung«!
Man verdankt euch die Sanftmut – – – daß man euch nicht erwürgt!
Die »Hausordnung« ist eine krankhafte, fixe und hysterische Idee jener Frauen, die keine Hausfrauen sind, aber desto mehr eben deshalb es sich einreden, und vor allem den anderen, daß sie Muster seien an Hausfrauentüchtigkeit. Dem ist aber nicht so! Denn vor allem darf man diese »Hausordnung« nicht spüren, nicht als ununterbrochen Belastendes, Störendes, sondern als Entlastendes, Befreiendes! Es ist keine ehrende Leistung: eine tyrannische Hausordnung: Du mußt, du sollst, du darfst nicht! Sondern: Du darfst alles, und dennoch wird es sauber werden! Unter der »Hausordnung« hat man nicht zu stöhnen, sondern zu jauchzen! Es muß alles gehen wie geschmiert, zart geölt, ohne Lärm und Unruhe, ja direkt von selbst! Keine Möbel- und Teppichschlacht, sondern ein stilles Friedensfest der Sauberkeit!
Jeder gehe seine Wege, und zugleich werde es plötzlich licht und rein! Habt ihr was gespürt, Söhne, Töchter, Gatten, Besucher, Liebhaber?! Nein, ich zaubere »Hausordnung«. Wie ich das mache?! Mit Takt, Geschmack, Verständnis, Gutmütigkeit und besten Besen und Abstaubern. Wie man den Peter immer erstaunt fragt: »Sie, wann schreiben Sie eigentlich, niemand ahnt es, und plötzlich, o Schreck, ein neues Buch ist da!?«, so soll man die geniale Hausfrau fragen: »Wann räumen Sie auf?!« Die meisten begnügen sich, mit einem umgebundenen roten Kopftuche alle Insassen ins Unglück zu treiben!
Der Frosch saß in der braun-lila feuchten Wiese, quakte und betätigte sich in seiner Weise. Aber als das Weltgetümmel immer ärger wurde, bekam er Gewissensbisse, und meldete sich zur Front. Er schoß ziemlich gut und quakte nicht mehr. Eines Tages sagte der General: »Frosch, Sie sind ein ganz tüchtiger Schießer, aber wir alle leiden so schrecklich des nachts an gestörter, wichtiger Ruhe durch die vielen Mücken und Insekten! Könnten Sie uns da nicht helfen?!«
»Herr Major,« sagte der Frosch, obzwar er wußte, daß es ein General war, aber Frösche markieren gern Unkenntnis der realen Welten, »Herr Major, fürs Vaterland alles!«
Und so wurde er denn wieder ein höchst brauchbarer Frosch!
Eine überaus taktlose Frage ist z. B.: »Ist denn der Peter nicht eifersüchtig Ihretwegen?!«
Da hat die Dame zu sagen: »Auf Sie nicht!«
Oder: »Wenn er eifersüchtig wäre, in meinem Falle, so wäre er wirklichder große Narr, für den ihn die meisten halten!«
»Ja, ist er also Ihrer ganz sicher?!«
»Nein, ich meiner!«
»Pardon!«
Eine ebenso taktlose Frage ist: »Was werden Sie aber tun, wenn der Peter stirbt?! Er ist ja schon 56, und Sie erst 19!?«
»Ich werde, seinen Anordnungen gemäß, dem Frühjahr, dem Herbst, dem Sommer, dem Winter in ihren romantischen Wunderprächten leben, einem Kanarienvogel, einer Katze, einem Star, japanischen Goldfischen. Gott, da ist man genug beschäftigt, auch Besuche auf dem Zentralfriedhofe nehmen übrigens ziemlich viel Zeit in Anspruch!«
»Ich habe dich gestern mit der Flachsblonden gesehen. Ich hatte die Absicht, dir einen ängstlichen Brief zu schreiben.«
*
» Dös Aschantee-Madl mit die wulstigen Lippen war Ihre Herz-Allerliebste?! War dös wirklich lustig mit derer?!«
*
»Was Sie da zusammenschreiben, is wirklich immer aus dem Leben! Aber mir haben leider ka solches!«
*
»Bei Ihnen is man nie eifersüchtig! Sie finden bei einer jeden was anderes, heraus! Kann uns das also genieren?! Eine jede is bei Ihnen ohne Konkurrenz!«
*
» Gerecht sind Sie! Aber giften muß man sich dennoch, daß Sie, gegen alle so gerecht sind!«
*
»Ich möcht gern schlank bleiben! Aber Sie predigen dabei immer von Opfern! Kann man denn nicht um Gotteswillen ohne Opfer schlank bleiben?!«
*
»Schau ich wirklich mit offene Haar' jünger aus?! Sagen's mir's noch einmal!«
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»Wann Ihre Blumen verwelkt sein,« sagte mein entzückendes, braunes Stubenmädchen aus Grado, »dann kommen's erst noch zu mir in die Pflege! Mir werden's schon noch aufbringen, für ein paar Tag'!«
Als ein wunderbares, zartes Frühlingskind mich dreimal besuchte und meine Bücher las, erhielt ich in nachgemachter Druckschrift in offenem Kuwert eine Verlobungsanzeige:
Juliana B.
Stefanus L.
empfehlen sich als Verlobte.
Das Mädchen sagte zu mir: »Das hat er geschrieben; und Das nennt man Liebe?!«
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Wenn man einer geliebten Dame sagt: »Ich bin 57« und sie sagt: »Nicht möglich, ich hätte Sie für 30 gehalten!«, ist es ein fades Kompliment. Wenn sie sagt: »Ich hätte auf 67 geraten,« ist es ein fader Witz. Wenn sie aber sagt: »Ich hätte so erst auf 50, 52 geraten,« ist es eine Katastrophe!
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Der »Emmentaler«, der zarte, leichtverdauliche, goldgelbe, rundporige, feuchtporige, kommt durch die Frühlings-, die Sommerkräuter! Der Halbemmentaler durch die trockenen faden Winterkräuter. Die meisten Menschen produzieren geistig-seelisch Halbemmentaler. Auf die gegessenen Kräuter kommt es eben an!
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Eine tiefe Kultur einer schönen jungen Frau ist es, sich nichts daraus zu machen, daß, wenn sie fortgeht, alle Herren sagen werden: »Eine fade, trockene, schweigsame Gans!« Wehe dir, o Frau, wenn sie dir das ehrende Zeugnis geben: »Eine amüsante nette kleine Person!«
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Je öfter Damen sagen: »Mein Verlobter,« desto älter sind sie; die Jüngeren fühlen sich direkt blamiert, daß sie bereits fürs ganze Leben okkupiert sein sollen von einem Einzigen!
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Warte, o zarte Frau, auf den wirklich dir Zugehörigen; nur der kann dich, nein, nur den kannst du glücklich machen!
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Es ist nicht angenehm, wenn man gerade mit stahlharter Feder eine beißende Philippika gegen das Uniformtragen kleiner Knaben im »Weltkrieg« schreibt, und die Tür geht auf und ein glückstrahlendes junges Ehepaar mit dem vierjährigen Söhnchen in bayrischer Leutnantsuniform erscheinen dir. »Ich stelle dir hier den kleinen Leutnant Konrad Ferdinand, nach dem berühmten ›Meyer‹ getauft (also Konrad Ferdinand Abeles) vor! Ist er nicht putzig?!«
»Allerdings (ein angezogener Aff'), aber eigentlich bin ich dagegen, daß – – –.«
»Wogegen, wogegen?!« sagt die aufgeregte Henne des Küchleins.
»Alter Esel, zerstöre doch der dummen Gans nicht ihr Mutterglück!« sagt der Hahn.
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Die schlechtesten Früchte sind es nicht, an denen die P… 's nagen!
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»Das Gefühl, daß einer eine › haben‹ will, erzeugt in der zarten, impressionablen Frau eine ununterbrochene Unruhe, einen Reizungszustand!«
»Nicht bei jeder, mein Lieber.«
»Allerdings, nicht bei jeder!«
»Glauben Sie, daß meine Geliebte von jener Sorte ist?!«
»Ich weiß es nicht. Ich würde es aber lieber jedesfalls annehmen!«
»Nein, ich verlasse mich auf sie.«.
»Da haben Sie auch wieder recht. Weshalb sich im vorhinein aufregen?! Vielleicht g'schieht wirklich nichts.«
*
Uns erzieht das strenge Leben, aber die Frau, die von vierzehn an, ah pardon, von sechzehn an, liebevollst begehrt wird?! Wer, Wer erzieht Die?!«
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Ein kleiner Junge steckte bei mir einen silbernen Stoppel ein und sagte, er nehme ihn zum Andenken mit. Die Mutter nahm ihn ihm nach vieler Mühe wieder ab. Beim Weggehn sagte ich zu den Eltern: »Auf der Stiege noch werdet ihr sagen: »Der alte Narr hätt' dem Kind wirklich den Stoppel lassen können! Wie lieb er g'sagt hat: zum Andenken!«
Die Mutter: »Gott, wie g'scheit Sie sind, ein Dichter hat eben auch ein Mutterherz, übrigens silberne Sachen nehmen wir nicht mit!«
*
A. M., die innerlich Adelige, sagte zu mir: »Wie traurig, gestern sagte ein junger Literat: ›Ich habe es gleich in der ersten Stunde gemerkt, daß Sie temperamentlos seien, deshalb habe ich Sie auch, innerlich wenigstens, gleich links liegen lassen!‹ Wieso in der ›ersten Stunde?!‹ Und weshalb sollte ich auch später ›temperamentvoll‹ sein?! Und weshalb gerade mit ihm?! Und was um Himmelswillen versteht er denn unter ›Temperament‹?! Da bin ich ganz traurig geworden. Denken Sie doch, ein gebildeter Mensch!?«
»Ein ›Schlierferl‹!,« sagte ich.
»Was ist denn das?!«
»Ein Schlierferl ist ein – – – Schlierferl!«
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Wenn jemand etwas Gutes über mich schreibt, sagt es mir niemand. Aber bei »ungünstigen« Referaten beginnt man: »Sie, Peter, haben Sie mit dem etwas gehabt, haben Sie ihn irgendwie beleidigt oder gekränkt?!« »Weshalb denn?!« »No, nur so – – – Es ist nichts, ich meinte nur – – –.«
»Sehen Sie, mein liebes Fräulein, Ihnen glaube ich Ihre Waldesliebe, und dem Peter nicht!«
»Selbstverständlich, meine gönnen Sie mir, und die des Peter ärgert Sie!«
»Weshalb sollte es mich ärgern?!«
» Sollte?! Nein, es sollte nicht!«
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»Peter, würde mir so ein großer runder, hohler Zwicker auch gut zu Gesicht stehn?!«
»Wieso auch?!«
»Nun, Sie tragen ihn doch sicherlich aus ästhetischen Gründen!?«
»Es sind » Menisken-Gläser, vergrößern das Gesichtsfeld, schonen die Augen!«
»Ach so, nur das?! Ich dachte, es hätte ästhetische Gründe!«
Wenn ein idealer Millionär der Kinderschutz- und Rettungsgesellschaft eine riesige Summe vermachen würde, damit das Malträtieren von armen Kindern aufhöre, würden sich Gesellschaften von Armen gründen, die die Kinder absichtlich malträtierten, um sie dadurch gut zu versorgen!
*
Ich glaube an die »Entwicklung« der Menschheit nur vom Verdauungsapparat und Sexualapparat aus; geistig-seelisch jedoch ist es: das Roß von hinten aufzäumen!
Ich will da gar nicht lang' herumreden mit Ziffern und Beweisen, ich sage: Das Maismehlbrot, das Kartoffelmehlbrot ist das allerschmackhafteste, allergesundeste von allen! Es pappt nicht, es bröselt, die Rinde ist delikat knusperig. Mögen wir von nun an dieses öde weiße, angeblich feine, Vorurteil: Weizen, exportieren, und so einen doppelten Vorteil ziehen von Maismehlbrot, Kartoffelbrot. Unsere Damenwelt gewöhnt sich halt schwer daran! Ja, aber an Reiherfedern, Straußfedern, Blaufuchs, gewöhnen sie sich leicht. Weil es Neid erregt und Aufsehen macht! Unsere Damenwelt heißt nichts anderes als: feiger Idiotismus des geilen und daher sklavischen Mannes! Pereat das Weizenbrot! Fade Leckerbissen für Schoßhunde und Schoßdamen!
In Österreich kommt der Gendarm zum Jokel, sagt: »Sie, Ihre Kuh darf nicht im Straßengraben grasen. Es ist streng verboten!« Dann berichtet er alsdann an die vorgesetzte Behörde, und diese nach einiger Zeit an die Bezirkshauptmannschaft. Der endlich vorgeladene Jokel sagt, im Dorfe wären elf Jokel, und er sei es jedenfalls nicht gewesen. Denn erstens habe er keine Kuh, und zweitens wisse er, daß das Grasen der Kuh im Straßengraben streng verboten sei. In Deutschland ist es so: Der Gendarm reißt vom Notizblock ein Blatt ab, schreibt die Strafe darauf, der Bauer muß sogleich bezahlen, darf aber nachträglich rekurrieren mit seinem Strafzettel. Der Vorteil: Erstens kann dieser Jokel nicht sagen, er sei nicht dieser Jokel, zweitens hat man das Geld, und drittens rekurriert der Jokel nicht, weil er eben ein gescheiter deutscher Jokel ist!
»Ach nehmen Sie doch nicht ›Naphthalin‹ als Mottenschutz, es ist schädlich für die Atmungsorgane!«
»Der Motten!«
»Nein, der Ihren. Nehmen Sie Lavendel, das duftet außerdem wundervoll!«
»Sterben die Motten daran?!«
»Das allerdings nicht!«
»Lohndiener, welche ›Pasta‹ verwenden Sie beim Putzen meiner Schuhe?!«
»Erdal, gnä' Herr, nur Erdal!«
»Ist es die beste?!«
»Dös waß i net. Aber am frühesten gibt's an Glanz!«
»Ist das gut für die Schuhe?!«
»Dös waß i net, aber für mein G'schäft is gut, i kann mi da net herstellen für a jedes dalkerte Paar Schuh!«
»Ich versteh Ihnen nicht, Peter, daß Sie in Ihren Varieté-Referaten immer schreiben, die schönen Mädeln mit ›idealen‹ Beinen sollten mit nackten Beinen tanzen, nicht › eingesargt‹ in altmodische, die Natur verschandelnde Trikots!? Ich bin direkt froh, daß in Trikots san, dös is ja schon aufregend genug! Nackert könnt' ma's ja gar net aushalten!«
»Sie müssen eben 24 laue Halbbäder nehmen mit allmählicher, kühler Rückengießung, dann Einpackung in Flanelldecken, und eine Viertelstunde ganz ruhig liegen! Da werden Sie's dann schon aushalten! Sie sind noch zu nervös für die moderne ästhetische Welt!«
»Wie die Person, über die Sie so exaltiert g'schrieben haben, aufgetreten ist, hab ich meinen Fauteuil mit der Lehne extra gegen die Bühne umgekehrt! Was brauch ich mir Gusto zu machen, umasonst?! Geh ich denn ins Varieté, um mich malträtieren zu lassen?! Ich geh wegen an künstlerischen Genuß!«
Die Rose darf nie sagen: » Ich bin die Rose!«
Sie darf nur sagen: »Ich scheine es zu sein, weil du mich anerkennst als solche!
Mein Duft ist nur, weil ich dir dufte!
Sonst ist er vielleicht nur Gestank! Nur deine Seele macht mich zur Rose!«
Mißachte mir deshalb meine Seele nicht! Verleugne nicht den Vater, der dich erzeugt hat; in seiner Sinnen-, seiner Seelenwelt! Geboren hat dich wertlos Mutter Erde! Der Vater deiner Werte bin erst ich! Die Seele!
Ein Freund, der mich mit einer kleinen (er wird sagen großen) Monatrente unterstützt, und der seit elf Monaten im Epidemiespital in Rußland dient, ließ mir sagen, er sehne sich nach einer Nachricht von mir, er sei so vereinsamt. Ich schrieb sogleich: »Möchte gern von Ihnen etwas hören, noch lieber von Ihnen etwas sehen!
Ewig der Ihre.«
Er antwortete per Feldpostkarte: »Was Sie von mir zu sehen wünschen, ist heute veranlaßt worden. Was Sie von mir hören wollen, ist ja eben, daß Sie bald etwas sehen werden!
Ewig der Ihre.«
Du sprichst mir von Vöslau?!
Und wunderst dich, daß ich seit meinen Kinderjahren ewig gleichmäßig davon schwärme?!
Die Gesellschaft ist nicht nach deinem kultivierten, verfeinerten Geschmacke?! Sie stört dich?!
Welche Gesellschaft?! Die unbeschreiblich duftenden, ja direkt süß melancholisch machenden grüngelben Linden beim Vollbade?!?
Die eisengraue, warme Quelle im Bassin?!?
Die Waldwiese, dieser edle Vorgarten des stundenlangen Waldes bis in die stillen Wirrnisse von Merkenstein?!?
Der Weg zum Aussichtsturm, mit seinen Wiesen voll sonnentrunkener Falter und heißen gelben Tannharzduftes?!
Welche Gesellschaft?! Ach so, die Menschen?! Ich habe keine gesehn!!!
Paula: »Peter, deine Bücher, das sind ja gar keine Bücher, das sind ja wir selbst, die aufschreien!«
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Die wirklichen Bedürfnisse der wertvollen, also zarten Frau, o Mann, wirst du nie erfahren, weil sie sie selbst nicht kennt; sie weiß nur, daß es » wo anders« ist! Sage ihr: »Wenn ich sterbe oder dich verlasse, hast du doch noch deinen geliebten Wald!« und sie wird dir prompt erwidern: »Da macht er mich nur mehr traurig und melancholisch!« Bleibe aber am Leben, und sie sehnt sich sogleich nach dem Walde!
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Eine junge Dame schrieb mir einen herrlichen Brief, in dem sie sich über ihre Eltern beklagte. Ich schrieb zurück: »Im Anfangsstadium des Lebens soll man sich an die halten, die einem bequem zu fressen und zu kleiden geben!«
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Wenn man alles geschrieben hat, was man zu schreiben hat, fühlt man, man habe noch alles das Wichtige nicht geschrieben, was » der Anstand verbietet«!
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Ein Mann, der unbrauchbare Militärschuhe geliefert hatte, wurde zu fünfzehn Jahren Kerker verurteilt. Ich denke nur an die, die in anderen Branchen nicht erwischt und nicht gestraft werden! Ich bin gewiß dafür, in dieser »Schule des Lebens« warnende eindringliche Exempel zu statuieren, aber noch mehr dafür bin ich, alle aufzuhängen!
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Patriot. Ein alter Jude mit einer eindringlichen Nebelhorn-Stimme tönte durch die enge Dorotheer-Gasse: »Extraausgabe, Grodno gefallen!« Ein Maurermeister, der eine Wohnung bequem, langsam »weißte«, stand vis-à-vis am Fenster und sagte: » Der Jud' verdient sich sein Geld leicht!«
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Wer »Landpartien« lieber allein macht als mit seiner Geliebten, der allein beweist es, daß er ein naher Verwandter von Schubert, Beethoven, Hugo Wolf, Lenau, Hölderlin, Dante, Diogenes, sei! Die anderen sagen, flüstern, säuseln: »Mutzerl, Putzerl, Schatzerl, Katzerl, wann's dir g'fallt, g'fallt's auch mir!«
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Ich hasse alle Dichter, die Schuhe verkaufen, die man nicht tragen kann. Jedes Gedicht sei benützbar, so oder so. Ein Schuh, den ich abliefere, muß passen! Sonst bin ich kein richtiger – – – Schuster!
*
Ich habe eine gekannt, eine Reizende, Süße, deren Ideal war: eine Villa in Lainz, Villen-Vorort. Der, der ihr es verschaffte, war ihr »Held«, ihr »Siegfried«, ihr »Tristan«. No, war er vielleicht nicht?!
*
Meine Schwester Gretl hatte Anlagen, ein »Besonderes«, ein »menschliches Seelengenie« zu werden. Aber sie zog es vor, mit Leuten, die im »realen Leben« etwas vorstellten, zusammenzugehen, damit man nicht sage: Eine leider echte Schwester Peter Altenbergs!
*
An – –
Einst waret ihr meine Anhänger – – –
weil ihr glaubtet, es stünde euch gut!
Jetzt seid ihr meine Verleugner,
weil ihr glaubt – – –
aber es steht euch
nicht gut.
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Wiener Gärtner:
»Wie heißt diese merkwürdige, gelbrote Sumpfblume?!«
» Wir nennen sie Feuerblume!«
»Sehr interessant, aber wie heißt sie wirklich?!«
»Dös waß ma net!
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Heute wurde eine junge Frau zu sechs Kronen Strafe verurteilt. Sie hatte ihren Vater 23 Jahre lang nie besucht. Als ihn jedoch der Schlag traf, kam sie wegen der Erbschaft hin. Sie fand am Krankenbette eine Dame, die ihn seit drei Jahren freundschaftlichst betreute und zerkratzte ihr das Gesicht. Weshalb hat man den »Pranger« am Hohenmarkt abgeschafft und die gesunde öffentliche Auspeitschung?!
*
Wien, 31. August 1915
Verehrter Herr Peter!
Ein Arzt warnte mich vor allen Abführmitteln, da sie Gifte enthielten. Ich litt. Dann las ich Ihre Bücher. Nun verachte ich den Arzt, Sie aber verehre ich.
Dr. Heinrich Herbatschek
Lieber Karl Kraus! Ich unterschätzte manche der Übel nicht, die Ihre Feder bekämpft. Doch sind die alle greifbar, an den einzelnen Repräsentanten kenntlich, und der ahnungslose Wanderer ist bereits gewarnt.
Aber fassen wir einmal die Gesellschaft, der all Ihr Hassen gilt, dort an, wo sie ihre furchtbare Macht in täglichem Zerstörerwerk betätigt, wo sie nicht materielle und geistige Werte korrumpiert, sondern der Allgemeinheit das Beste, Tiefste und Notwendigste, was diese hat, entzieht: den genialen, vollkommenen Menschen, diese Ausnahme aller Ausnahmen auf Erden, in die Welt gesetzt, um alle anderen aus ihren Alltäglichkeiten zu reißen und ihnen einen unausgeführten Plan Gottes endlich in seiner letzten Vollendung zu zeigen!
Denken Sie sich, böse, egoistische Menschen hätten Beethoven in seinem 23. Jahre ermordet, körperlich und seelisch in Fetzen gerissen, zugrunde gerichtet … Er durfte aber leben, zum Wohle der Menschheit, weil er als Mann seine heilige Organisation vor Schaden bewahren konnte. Sie wissen, daß es meine vom »Normalmenschen« als krankhafte Schrulle verspottete Lebensanschauung ist, der geistigen Genialität des Mannes die ästhetische Genialität, der Frau vollkommen gleichzustellen und ebenso die Wirkungen dieser auf die Schar derjenigen, die in Unzulänglichkeiten dahinzuvegetieren verurteilt sind. So wie sich die gesamte Menschheit gleichsam zu unerhörten Mütterlichkeiten, Zartheiten und Rücksichten organisiert dem geistigen Genie gegenüber, so hat sie dieselben zärtlichen und mütterlichen Betreuungspflichten gegen dieses gottähnliche Wesen »schöne und anmutreiche Frau«!
Was ich hier schreibe, ist Grabschrift und Anklageschrift.
Die schönste, genialste, sanfteste, kindlichste Frau, die wie ein Gnadengeschenk des Schicksals in diese hintrauernde Welt der Unvollkommenheiten gesendet ward, hat sterben müssen. Das Licht von Anmut und süßer Menschlichkeit, das von ihr ausging, wurde nicht – oder zu spät – von treuen, zärtlichen, brüderlichen, väterlichen Händen erhalten; die schändliche, feige Satanskralle infamer Lebenskünstler durfte die Lichtvolle in die dunkeln Abgründe reißen. Im labilen Gleichgewichte einer künstlerischen Persönlichkeit, brauchte sie desto dringender an jedem Tage und zu jeder Stunde tausend und abertausend selbstlose Helfer und Betreuer! Statt ihrer findet eine solche Ahnungslose, Unbewußte, an Abgründen ewig sorglos Heitere – Meuchelmörder, von sich selbst und mit ihrem eigenen bösen Reichtum gedungen! Sie bleiben immer wach, wachend über ihr eigenes Wohl, ewig bewußt, bewußt ihrer schurkischen Lüste, während die Kindliche, unbewacht, unbewußt, zum Opfer wird.
*
Ist denn nie in diesen grausamen Augenblicken ein väterliches Wort, eine freundschaftliche Gebärde da? Nirgends ein Weiser, der mahnend seine Stimme erhebt, nirgends ein Guter, der eine Betäubte auf starkem Retterarm von hinnen trüge?!
Alle Künstler, alle Adelsmenschen sollten trauern ob solcher Mordtat.
Die Zerstörerkräfte des geselligen Wien hatten ihre Wirkung getan, und es konnte dem künstlerischen Edelmann in der Fremde nicht mehr glücken, eine Begabung zu jenen Höhen zu geleiten, auf welchen ihrer die Verkörperung einer Adelheid, Rahel und Katharina harrte …
Fern der Stadt, welche sie als Künstlerin nie erkannt, sondern zum schönen Schaustück für die, so da unwürdig sind, zu schauen, erniedrigt hat, ist sie, 23 Jahre alt, gestorben. Und die Stadt, die sie nie verstand und nie erkannte, wußte ihr nichts anderes nachzurufen, ihr, der allen Künstlermenschen Teuersten, als eine schäbige Berechnung der angeblich von ihr »gesammelten«, also zusammengescharrten Juwelen. Nun, der Inhalt dieser Schmucknotizen war erfunden und einer Lebensführung angepaßt, die die ihre nicht war und nicht sein konnte und die dem gütigen Naturell fernlag, das nicht zum Sammeln, nur zum Verlieren geschaffen war!
Wie merkwürdig, o verblendete, irregeleitete Welt! Alles Edelrassige, Exzeptionelle hütest du sonst mit tausend Vorsichten und Kräften, hegst zitternd Sorge um aussterbende Bisons im Litauerwalde, um Pferd und Hund und ihre Reinerhaltung. Nur für dieses zarte gebrechliche Wesen »genial-schöne Frau« hat die Erde keine Sorgfalt! Es vergehe, werde zerstört und sterbe hin!
*
Lieber Karl, ich habe diese Grab- und Anklageschrift Ihnen eingehändigt, weil Sie allein – es war in den ersten Heften der »Fackel« – die Erkenntnis fanden, daß diese Edle, Helle, Kindliche mehr sei als »Augenweide für ein Stammpublikum von Lebemännern«.
Sie starb in Schönheit – das heißt, unter der völligen Teilnahmlosigkeit der beteiligten Mörderkreise.
Annie Kalmar, ruhe in Frieden!
Peter Altenberg
Wien, im Juni 1901
Wenn ich ein sehr berühmter Mensch wäre, ich bin es in einer kleinen großen Welt von »Empfindlichen« und »Überempfindlichen«, so würde ich verordnen: Jeder Mann ist ein feiger Schuft, der je wieder Zeit seines ganzen Lebens Italien besucht! Auch hat er es testamentarisch seinen Kindern zu verbieten! Wer die Naturliebe erst in Italien befriedigen kann, der hat keine! Auf Pinien, Orangenhaine, Zitronenwälder, Ölbäume wird gepfiffen! Heil der Zirbelkiefer im Hochwalde! Was die alten Gebäude, Paläste betrifft, vor deren gewesener Pracht die Menschheit bisher ihre Krokodilstränen geweint hat, so erkläre ich, daß es in Wirklichkeit nur eigentlich zwei Gebäude gibt, die, unter Gottes weiser genial-mystischer Führung erbaut, die Bewunderung erregen können durch ihre höchste Zweckmäßigkeit, also höchste Schönheit, der Bienenkorb und der Ameisenhügel! Was die Landschaft betrifft, so erkläre ich hiermit jeden für einen herzensrohen Schmock und Parvenü, das heißt non parvenu, der nicht zeitlebens mit der romantischen Pracht des Gmundner Sees, des Hallstädter-, des Langbath-, des Wolfgang-, des Atter-, des Grundl-, des Toplitzsees sein gutes, gesundes Auskommen findet! Dem ganz Feinfühligen wird aber bereits die Vorderbrühl und Baden und das Höllental genügen! Vom Semmering gar nicht erst zu reden. Die alten, herrlichen, ewigen Gebäude dort zum Anstaunen sind: eine uralte Linde, eine alte Buche, ein alter Ahorn, eine windgemeißelte Fichte und Büsche in allen Farben!, Pereat der Weltreisende mit kaltem Herzen, für warme Herzen ist die Welt bereits der Wiener Rathauspark!
Liebe Bessie,
ich danke Ihnen sehr für Ihren Gruß aus der Ferne. Mr. Loos beschreibt mir Ihren Aufenthalt als ein wirkliches Paradies. Ich begreife es aber, daß die Einsamkeit und Verlassenheit vieles wieder zerstören. – – – Ganz reine, klare Luft und eine romantische Landschaft, mit Berg, Wald und See, ein zarter Frühling im strengen Winter, sind vielleicht heilsamer und besser als die Menschen, die sich ja doch alle noch nicht zu irgend einem gesicherten inneren Frieden durchgerungen haben. Man schließt sich hoffnungsfreudig, erwartungsvoll, ja kindlich-menschenfreundlich an irgend jemanden an und baldigst wird man tief, tief enttäuscht. Nichts, nichts entsprach unseren Erwartungen, und zärtlichst schließen wir uns wieder sogleich der edlen Einsamkeit der Natur, der Wälder, des Sees an! O Bessie, gedenken Sie derer, die in Winterkälte in Städten verkommen. Sie aber befinden sich in einem einsamen Paradiese zwar, aber Ihrer kindlich-süßen Persönlichkeit, Bessie, ist da alles Ihnen mehr befreundet als die Menschen! Der Wald versteht Ihre Melancholien und Ihr kindliches bezauberndes Lächeln, er versteht Ihre edel-zarten Bewegungen; denn wenn es durch die Bäume rauscht, bewegen sich die zartesten Zweige ebenso – – –. Mr. Loos betreut und behütet Sie wie ein krankes Kindchen, verwandelt sich, wenn es nötig ist, aus einem fanatisch-glühenden Liebhaber in einen »sorgenvollen, selbstlosen Bruder«!
Zu dem allen haben Sie noch den Segen eines Dichters – – –! Das wird Ihnen jedesfalls am wenigsten nützen. Aber nevermind. Ich gedenke Ihrer in zärtlichster Freundschaft.
Ein zarter, edler Fuß hat im Schuh zu »schwimmen,« net akkurat recht. Wenn der Schuster sagt: »Sie werden sich schon hineingehen!« erwidere: »Nein, ich werde hinausgehen und nichts zahlen!«
Der deutsche Schuster: »Und sollten die Schuhe wirklich über alles Erwarten doch ein bißchen anfangs drücken, bitte nur sooft Sie wollen, zu kommen, wir werden es schon ausdehnen!«
Der Wiener Schuster: »Wo drücken's denn, wo denn, a ganze Faust kann man da noch hineinschieben, a Sekkatur, sonst gar nix!«
*
»Die ungarischen Kavaliere haben eine fabelhafte Begeisterung für ihre Zigeunerkapellen. Oft treten sie die Baßgeige mit dem Stiefelabsatz ein und, verkleben das Loch mit einer Tausendkronennote.« »Weshalb legen sie das Geld nicht einfach auf den Zymbaltisch?!«
»Ist das Begeisterung, das kann doch ein jeder!?«
*
Der Wiener Geschäftsmann: »Nur ka langes hin und her, mein lieber Herr, g'schisti, g'schasti, sondern zahlen und ich empfehle mich!«
*
Jesuit: »Du gestattest deiner Freundin nicht den Verkehr mit mir?! Aber gerade im Verkehr mit anderen wird es sich doch erst recht zeigen, wie sehr –«
»Ich danke dir, ich danke dir recht herzlich, aber ich bin nix esoi neugierig!«
*
Mein alter Raseur sagte: »Beim dritten Strich spür ich es genau an der Haut, ob jemand ausgeschlafen ist, gesund sich fühlt. Wieso, das weiß ich nicht, aber in seinem Beruf muß doch ein jeder wenigstens ein Künstler sein! Das ist doch das wenigste!«
*
Am kleinen, stillen schilfumwachsenen Thum-See:
»Also, Peter, erkläre uns jetzt die Schönheit der Natur, wir sehen nur eine Lake mit Grünzeug. Jetzt zeige, Dichter, was du kannst!«
»Das kann ich nicht!«
*
Als eine fremde junge Dame mir aus Dr. einen acht Seiten langen Brief über ihr Innenleben schrieb, schickte ich ihr aus liebenswürdiger Verlegenheit mein Bildnis mit Unterschrift. Sie schrieb zurück: »Habe weder um Bild noch Autogramm gebeten, hatte nur das Bedürfnis, Ihnen, gerade Ihnen mein Herz auszuschütten!«
»Schön bist blamiert, Peter!«, dachte ich.
*
Biblisch
»Er starb, 140 Jahre alt, indem er friedlich einschlummerte, von der Lebenslast befreit.«
Siehe: Metschnikoff, Sauerrahm, und die Rücksicht auf die Darmfunktionen! Dann wird man auch über dich biblisch vorbildmäßig einst berichten können: Er starb, 140 Jahre alt, indem er friedlich einschlummerte, von der Lebenslast befreit!
*
Als ich nach Absendung des Paketes »Manuskripte« zu meinem Buche »Fechsung« (274 Druckseiten) noch ununterbrochen täglich neue Manuskripte nachschickte, schrieb mein von mir verehrter Verleger: »Hemmen Sie Ihre heimtückische Produktionskraft, das Buch soll doch in Ihrem Interesse nur 4 Mark kosten!«
*
Ich, ich bin der Hof-Kapellmeister dieses erstklassigen Seelen-Orchesters »Anna Elisabeth«; Provinz-Kapellmeister, die mir die Tempi falsch nehmen, wie alle meine sogenannten Freunde, werden nicht zugelassen in dieses Theater!
*
»Müssen Sie denn alles festhalten, was Ihnen so durch den Kopf geht?!«
»Was durchgeht, nicht, aber was drin bleibt!«
Rücksicht ist »Seelenadel«! Wer Rücksicht nimmt, ist richtig adelig. Aber wissen, es genau wissen, was zu berücksichtigen ist! Nicht nur glauben, meinen, ahnen, hoffen, wünschen! Sondern wissen, wissen! Rücksicht nehmen ist eigentlich die ganz tiefe Liebe. Es ist nämlich die Menschlichkeit! Es ist eine »geistige« Sache, während die Liebe eine tierische ist, oder sagen wir milder, eine pflanzlich-organische! Zur »Rücksicht« gehört eine Kenntnis des Menschen, den man berücksichtigen will, soll. Zur Liebe gehört nur ein Gefühl, das uns »entschuldigen« soll für unsere Rücksichtslosigkeiten! »Ich hab ihn halt zu gern!« Nein, du hast ihn halt i>zu wenig gern! Rücksicht ist » die Liebe im Geiste«. Wer, wer hat sie?!
Die Dorotheergasse ist leer. Ein weißer Schmetterling schwankt hinauf auf das weißgestrichene Dachfenster.
Er wird's doch nicht für »weißen Flieder« halten?!
Er ist doch hoffentlich kein Dichter, der sich immer irrt!
Mein Visavis, die süße Zwölfjährige, spult gelbe unbrauchbare Spitzenborten auf einem Pappendeckel auf, sorgsam.
Wie mit Feenhänden spinnt sie, anmutiger als alle Anmutigen. Und ganz vertieft in nutzloses Beschäftigen.
Eine kommt zu mir auf Besuch.
Sie will ihr Herz ausschütten, es sich erleichtern.
Ich blick' hinaus, hinein zur süßen Spulerin.
Die weiß nichts von mir, und weiß es doch!
Der Besuch sagt: »Heute sind Sie ganz wo anders.«
Ich sage: »Ihr Freund hat Sie also wirklich schmählich verlassen?! Schrecklich. Wie also war es eigentlich?!«
Sie schleicht hinweg.
Wo ist der weiße Schmetterling?! Wahrscheinlich sucht er nun echten reellen weißen Flieder, über den Dächern weiter wo.
Seht, ihr Leute, seht und höret,
Alles ist so seltsam jetzt,
Bald im Osten, bald im Westen,
Bald wird anderswo gehetzt;
Aber nicht von Krieg erzähl ich,
Einen andern Stoff erwähl ich.
Denn die Not an Ochsen, Leute,
Und an Rindvieh, wie ihr wißt,
Ohne daß ich übertreibe,
Wirklich sehr bedeutend ist,
Und es scheint ganz unfaßbar:
Auch die Kälber sind so rar.
Abgesehen von Ernährung,
Die durch Ochs und Rind besteht,
Wird doch jedem davor bangen,
Daß die Dummheit untergeht,
Denn der Dummen starke Minderung
Ist der Klugen Lebenshinderung.
Darum und aus diesen Gründen
Denke jeder, daß er muß
Fördern, was an ihm gelegen,
Den Geburtenüberschuß,
Daß sich Kalb und Rind vermehren,
Um uns leichter zu ernähren.
Unser Augenmerk sich richte
Auf des Rindes Liebessinn,
Daß dem Rinderjüngling paare
Sich des Rindes Jünglingin,
Daß sich Farr und Färse finden
Und erfolgreich auch verbinden.
Eine schöne Perspektive
öffnet sich der Zukunftsschau,
Wenn im Überfluß das Rindvieh
Einst bevölkert Feld und Au
Und wir in der Kälberchen Gebärden
Schon die großen Ochsen sehn in ihrem Werden.
Ernst E.
So oft ich Helene Thimig auf dem Theater sehe, denke ich unwillkürlich des Goetheschen Wortes: »Höchstes Glück des Erdenkindes …« Denn sie besitzt wie kaum eine andere von den jetzt lebenden Schauspielerinnen diese rätselhaft herrliche Gabe, die wir Persönlichkeit nennen. Viel stärker und jedenfalls viel früher als ihre Kunst fühlen wir den Zauber und die wirkende Kraft ihres persönlichen Wesens. Da sind Dinge, die keine Technik zu geben vermag, Dinge, nach denen der emsigste Fleiß und der entschlossenste Wille vergeblich langt. So die Stimme, die nur aufklingen braucht, und sogleich erschließt sich ihr unser Gemüt. Diese Stimme öffnet uns das Herz, wir mögen wollen oder nicht. Wir glauben ihr unbedingt. Da ist die Reinheit, die unberührte Anmut einer freien Stirne, die so schimmernd umleuchtet ist von Poesie, daß es auf der Bühne heller zu werden scheint, wenn diese Stirne sich hebt. Da ist der Gang, der gleichsam Tüchtigkeit atmet. Wie er in großen Schritten ausgreift, wie er alle Zierlichkeit, jede kleine Verzierung meidet und den schlanken Körper dennoch in geschmeidiger, merkwürdig durchseelter Anmut bewegt. Und da ist auf dem Grunde dieses blonden Wesens ein leiser, aber eisenfester Trotz zu merken, der die Gefahr des Übersüßten abwendet und den Reiz der frischesten Herbheit über diese Jugend haucht. Helene Thimig hat gestern das Käthchen von Heilbronn gespielt. Es ist in ihrer Persönlichkeit beschlossen, daß sie, wie aus geheimnisvollen Quellen, tiefe Beziehungen zu dem wichtigen Inhalt und Werden dieser Gegenwart gibt. Sie war denn auch nicht mystisch, sondern magdlich, war eine Gestalt, erdennah und einfach, und man besinnt sich, daß Jean François Millet, daß Fritz v. Uhde uns gelehrt hat, diese tiefe Einfachheit der magdlichen Frau zu sehen, daß wir durch diese Künstler die biblische Schönheit auch in der modernsten Gestalt erkannten. So wirkte Helene Thimig in ihrem Wesen modern. Man konnte, ob sie gleich neben dem silbergeharnischten Ritter steht, dennoch daran denken, daß dies alles Gegenwart sei. Und ins Vergangene wies dann erst ihre artistische Absicht, mit der sie äußerlich sooft an die Frauen Albrecht Dürers oder an die klar gezeichneten Heiligen van Eycks erinnerte. Ihre Kunst aber war am stärksten in jener Szene zu fühlen, in der das Käthchen vom Grafen auf sein Schloß entboten wird und aus ihrer Erniedrigung aufsteigt. Dieses: »… ich nehm es an …« war mit einer unbeschreiblichen Größe gesagt. Da war, in einer einzigen Sekunde, Wandlung und Weihe so erfüllt von lebendiger Kraft, dabei so knapp und keusch im Ausdruck, daß man des Theaters völlig vergaß.
F. S. (Felix Salten)
Als ich vormittags im Stadtpark von meinem gelben Sessel aufstand und einem verwundeten Soldaten, der in der Nähe saß, eine Krone schenkte für Zigaretten, erhoben sich allmählich alle Damen von ihren gelben Sesseln und beschenkten den Soldaten, indem sie laut, gleichsam die soeben von mir eingelernte Lektion nachsagend, sagten: Für Zigaretten! Eine Dame sagte zu mir: »Ich habe gar nicht gewußt, daß man es darf!?« »Ja, man darf! Man darf immer schenken, sogar auf die Gefahr hin, daß es irgendeinmal dankend abgelehnt würde. Mit solchen Irrsinnigen, pardon, Stolzen, muß man eben auch rechnen. Das sind unsere Geschäftsspesen der Barmherzigkeit!
Da die vornehmen Leute im Speisesaale nicht lüften lassen, wegen »Zug«, setzte ich mich in die Schank, da ist Luft, Friede, Freiheit. Neben mir saß einer. Ich bestellte Ganselsuppe. »Ja, bringen's ihm a Ganslsuppen, warum, wann ma's tun kann, warum soll ma's net tun, lächerlich, wen geht das was an, nichts für ungut, ich mein' nur so!« Beim Fleisch sagte er: »Was ist der Herr von Beruf?! Wie ist der werte Name?! Ah, Altenberger! Ist mir bekannt.« »Was halten Sie von Rußland?! Ah, ist der Herr kein Patriot, daß er nicht antwortet?! Ah, ich bin ihm zu minder, no ja, in der Schank!?« Ich ging zurück in den ungelüfteten Speisesaal.
*
Die Nerven
Kannst du deinen Nerven gebieten?!
Diesem »Unbewußten«, »Genialen«, außerhalb deiner, in dir dirigierend?!
Du
hast deine Intelligenz,
hast deine Seele,
aber deine Nerven, siehe, diese Elektrizität der ganzen Welt im Kleinen,
in dir,
die
hast du
nicht!
Daher kannst du nicht sagen, ob Mann, ob Frau: Ich liebe!
Weißt du, ob deine Nerven einverstanden sind?!
Vielleicht sind sie ganz bös darüber, irritiert, sagen dir heimlich: »Wir haben dir eine ganz andere, einen ganz anderen ausgesucht! Folge!«
*
Zu hoch ist zu hoch, zu niedrig ist zu niedrig, aber gerade recht ist zu – – – langweilig!
*
Du kannst im Leben nur ein wirkliches, ehrliches, reinliches Geschäft machen, wenn du nur damit dich beschäftigst, was der Konsument jeglicher Branche (auch seelisch-sexuell) für eine Ware von dir brauchen kann, nicht du von ihm! Mit dir selbst brauchst du nie zu rechnen, das rechnet sich von selbst!
*
Wenn eine Frau einen besonders aparten Hut kauft, ist es nie für den Mann, den sie sowieso schon eingefangen hat, sondern für die, die sie noch nicht eingefangen hat!
*
»Siehst du, Schorschl, das gilt wirklich von allen diesen Weibern, nur nicht von mir!« ist eine Lieblingsphrase der Damen.
*
Der Mann ist ein Trottel: er will beneidet werden und ist zugleich eifersüchtig. Man beneidet ihn doch nicht, um ihm eine Ehre anzutun, sondern, um das Objekt dieses Neides ihm wegzufischen!
*
Ich habe ein absolutes, drakonisches, geniales Prinzip: Alles, was dem Mann durch eine geliebte Frau an Leid geschieht, ist ihre Schuld!
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Hinter allen Auseinandersetzungen steckt etwas Wahres, Tiefes. Nur meistens nicht das, worum es sich in der Auseinandersetzung handelt. Sondern tiefer, verborgener. Ist das »Ibsen«?! Ja, aber ohne fünf langwierige Akte, und besser, einfacher! Und Entree ist auch nicht zu bezahlen.
*
Wer braucht die Frau?! Der, der die Wiese nicht braucht!
*
Einsamkeit, du einzige, wahrhafte, getreue Geliebte des Dichters, wo er mit seiner Welt und seiner anderen Welt, der ganzen Welt, beisammen bleibt, wie könnte die liebevolle Frauenseele mit dir konkurrieren, diese ewige Weglockerin zu sich hin?!
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Die Frau betäubt den Mann angenehm, so daß er es gar nicht merkt, daß er kein Genie ist; Viele wollen das eben nicht klar erkennen, dazu ist die Frau also sehr geeignet. Er glaubt, wenn er nur frei wäre; ja, Schnecken mit Kren! Geist kommt nicht von Freiheit, sondern von Geist!
*
Eine Geliebte haben, die dich nicht störte! Aber welche störte dich nicht?! Daß sie dich nicht stört, stört dich sogar!
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Die meisten reichen Leut' fürchten sich alle so vorm Sterben. Sie sind doch schon alle tot bei Lebzeiten, was gibt's da noch für ein Sterben?!
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Sexualität der A. R.:
»Es ist nur die Dankbarkeit meines Leibes für das, was meine Seele für dich empfinden darf!«
*
Ein Mensch begeht 75 Sünden täglich an seinem Organismus. Dann sagt ihm der Arzt in der Heilanstalt: »Sie bekommen jetzt vierzehn Tage lang keine Suppe, und abends ein kühles Halbbad, verstanden, mein lieber Herr?!« Das wäre ja gar nicht »religiös«, wenn das schon gleich helfen möchte!
*
Kleine Mädchen haben beim Eintauchen ins kalte Bad den richtigen Instinkt, wenn sie jammern: »Nur bis zum Nabel, Mammi!« Ein kaltes Bad nur bis zur Magengrube, kann stundenlang genommen werden ohne Frösteln und Herzklopfen. Es stählt den Nervus sympaticus und die Sexualnerven. Kalte Vollbäder sind nur für ganz Robuste, aber wer ist es?!
*
Ich verehre ein junges, fünfzehnjähriges Mädchen, die ober mir, in der Mansarde die schmutzige Hotelwäsche abzählt, weil sie bei der Wäscherin bedienstet ist. Ich lausche ihren Worten: 1, 2, 3, 4, bis 71. Sie weiß es, schaut hie und da auf mich herab, so zwischen Störung und doch nicht Störung und doch Störung. Infolgedessen sagte ich abends an meinem Stammtische: »Heute, vormittags, habe ich lange mit einem wunderbaren Mädchen anregendste Konversation geführt!«
*
»Von welchem Alter an, Herr Peter, fangen Sie eigentlich an, süße Frauen zu verehren?!«
»So von dem Alter an, in dem sie sich nicht mehr anwischerln, so zwischen fünf und sechs!«
*
Eine verständnisvolle Schülerin:
»Sagen Sie, Paula, woher nimmt dieser Peter bei allen seinen Lebensbedrückungen diesen frischen Humor her?!«
»No, wenn man immer Abführmittel nimmt?!«
*
Baumgrüne Isenbart-Birne, braune Alexander-Butterbirne, »Die gute Luise«: Man ißt und trinkt dabei zugleich!
»Herr von Altenberg, was sagen's, die zarte, junge Frau von dem Millionär is gestern g'storben. Sie war doch a ganz arme Lehrerstochter. Der Arzt hat ihm beim ersten Kind g'sagt: ›A zweites darf's net kriegen, sonst gibt's a Leich'!‹ No, jetzt is es aber doch g'schehn. Ja, dazu war er ja viel zu religiös. Treu is er ihr blieben bis zum Tod, freilich leider bis zu ihrem!«
»Ach, sagen Sie mal, Herr Kunstgärtner, die Tubarose, meine Lieblingsblume, sollte ja schon längst auf dem Markte sein!?«
»Herr Baron, die Zwiebeln kommen nur aus Japan, und heuer, wie Sie wissen – – –.«
»Ach, was hat das mit dem Krieg zu schaffen?! Blumenzwiebeln sind doch keine Konterbande?!«
»Man hat Wichtigeres zu verfrachten!«
»Wichtigeres, Wichtigeres. Dem einen ist das wichtiger, dem anderen jenes!«
»Die Zwiebeln kommen nur aus Japan, werden bei uns eingesetzt, brauchen ein ganzes Jahr zur Entwicklung. Da wird's heuer hapern!«
»Heuer hapert es überall. Diese Tubarose ist die Freude meiner Augen und meiner Nase gewesen. Man lernt entbehren in diesen schweren Zeiten! Adieu.«
Mein Freund ist ein ganz dummer Kerl, aber ein guter Kerl; wieso aber aber?! Das verschlimmert doch die Situation. Denn wenn ein dummer Kerl ein schlechter Kerl ist, dann kann man ihm an! Aber wenn ein dummer Kerl ein guter Kerl ist, dann muß man Mitleid haben, und das erschwert die Situation. Denn alle sind dann gegen einen, und schreien: Du Hartherziger, du Ungerechter, ja, du Schuft!
Und wirklich sieht es fast so aus. Daher ist » gut und dumm« eine ungünstige Mischung eines Freundes, während »schlecht und dumm« ganz annehmbar ist. Denn wer dumm ist, kann gar nicht gefährlich schlecht sein, dazu ist er ja zu dumm. Dumm und gut ist die gefährlichste Mischung. Er hat die Dummen auf seiner Seite, weil sie dumm sind, er hat die Guten auf seiner Seite, weil sie gut sind, er hat die Schlechten auf seiner Seite, weil sie sich freuen, daß einer dumm genug ist, gut und dumm zu sein!
Gibt es denn aber nicht gescheite und gute Freunde?! Nein, das kann es nicht geben. Denn wenn er gescheit ist, kann er seinen Vorteil nie einen Augenblick lang aus dem Auge verlieren. Daher kann er nicht auf den Anderen schauen, daher kann er das Glück des anderen nicht ununterbrochen im Auge behalten, daher kann er nicht gut zu ihm sein.
Nur der Dumme könnte gut sein, und der ist zu dumm dazu!
Bei einem gewöhnlichen Manne weiß man gar nicht so eigentlich, was er
wirklich braucht – – –
aber bei einem
Dichter weiß man es.
Er braucht alles, was er braucht. Das braucht er.
Gibt es denn etwas, was er nicht braucht?!
Er braucht alle schönen Mädchen, alle originellen Mädchen, alle wertvollen Mädchen.
Er braucht ewigen Frieden und ewige Erregungen. Er braucht Sorgenlosigkeit und Sorge zugleich. Er braucht »Reisen« und »im Zimmer bleiben«. Er braucht »Melancholie« und »Frohsinn«.
Ist es eine Kunst, zu wissen, was er dringend braucht?! Das ist nur eine Kunst bei allen anderen!
Über alles das macht er ja sogleich Gedichte, schreibt sich wunderhübsch deutlich darüber aus.
Nun, man liest es, erfährt es, kann eben danach sich richten, notabene,
wenn man ihn
genügend lieb hat! Wenn!
Drei Jahre nach einer unglücklichen Liebe zu der Tänzerin Miss Bessie Br.:
Liebe Frau Bessie,
ich danke Ihnen sehr für Ihre drei Ansichtskarten. Ich habe dadurch einen Blick bekommen in Ihr fernes Leben. Es muß sehr schön, sehr friedlich, sehr gesund sein. Besonders der »Hackwood-Park« muß sein wie ein uralter Wald im Gebirge. Sogar ganz kahle alte Riesen gibt es da und gebrochen vom Sturme, die auf der Wiese liegen. Auch das »Greenbank-House« ist reizend und friedevoll. Ich dachte, welches von den vielen Fenstern das Ihres Zimmers wäre?! Aber ich konnte es natürlich nicht herausbringen. Ich denke oft und oft an Ihre liebe klare, merkwürdig tönende Stimme, an diesen kindlich-zarten Ausdruck derselben, den keine, keine andere Frau hat – – –. Wie wenn in Ihrer Seele noch das zehnjährige Mäderl zurückgeblieben wäre, das Sie einst waren – – –.
Grüße an Ihren Mann!
Peter Altenberg
»Welche Probe verlangst du also, Peter?!«
»Übernimm für acht Tage die Arbeit unseres zarten, süßen Hotelstubenmädchens, das von 7 morgens bis 7 abends zwölf Zimmer zu reinigen hat, Betten zu überziehen, Waschtische zu reinigen, Teppiche, Vorhänge zu bürsten, Spiegel zu blanken, und meinem Zimmerchen allein 1½ Stunden besonderster Sorgfalt widmet!«
»Ja, gerne, wenn sie dafür während dieser acht Tage Hamsun, Strindberg, Tolstoi, Altenberg mit Begeisterung liest, tagelang einsam in Wäldern und Wiesen melancholisch lungert, und Tag und Nacht liebevollst besorgt an dich denkt!«
Montag, 8. März 1915.
Heute vor einem Jahr schrieb ich Dir also damals – Peter –!
Siehe – mir schien es, als wären es schon hundert Jahre – – als lebte ich seit Ewigkeiten unter dem Blicke Deiner Augen – sei unter ihm gediehen und emporgewachsen – –.
Ich kann mich nicht besinnen – wie es vorher war –?! Wie war ich –, lebte ich – – und überhaupt – – –?!? – –? Nirwana – – – – –.
War es wirklich ein »dummer Zufall« – daß ich Dir schrieb?! Peter –?!? Nein – es war wie etwas Unentrinnbares – irgend eine mysteriöse Macht – irgend eine – – nein – ha! – es war Dein Dichtergeist – den ich in allen Deinen Büchern sah und erkannte –!! – – und ich es erstaunt und ergriffen fühlte: »Ein Mensch – ein Mensch – hier will ich rasten – – –!«
So war es –. Dein tiefer, lichter, einfacher Geist Gottes in Dir war es – der mich zwang – Dir zu folgen – –.
Und schweigend und in Ehrfurcht stand ich vor diesem Göttlichen – bereit es in mich aufzunehmen – an Dir zu werden – an Deinem – kraft Deines Geistes – der alles ist – Seele, Körper und Erkenntniskraft des Gehirnes – –!!
Peter –! Was soll ich Dir noch schreiben – Peter –?!?
Das Allerzarteste – das Allerbeste möchte ich Dir sagen – wünschen – – –
und dennoch – kann man das Letzte – Höchste denn mit
Worten – –?! – –.
Sieh – damals konnt ich Dir noch schreiben: Wie ist es – wird es sein –?! – und überhaupt – –?!
Doch heute – da ich wissend bin – durch Dich – sag ich Dir einfach nur: ich danke Dir –! Und vielleicht wirst Du aus dem Tone meiner Stimme all das hören – was ich Dir sonst noch sagen könnte – – –.
Und daß ich einzig vom Schicksal es mir erbitte – Dir immer restlos – das geben – geben zu dürfen – wie Du es brauchst – – oh – Peter – – –!
»Medizinflaschel« sein – – –! Nur Dem, der's verdient!
Peter –!! Du einzig klar-sehender, richtig-sehender – und darum Dichter!! – Es beglückt mich – ja – es macht mich erst leben – und sein – gleichsam die Verwirklichung sein zu dürfen Deiner Erkenntnistheorien! Nicht weil ich es bin – sondern weil ich fast Du geworden bin – und Dein Erkennen –!!!
Und also hat es sich erfüllt – was ich Dir damals schrieb: Ich glaube – weiß – daß alles so ist – so sein muß – » wie Du es siehst« – geliebter Peter –!!
Er sagte ernst: »Willst du mir leben oder dir leben?!«
Sie sagte gereizt: »Willst du mir leben oder dir?!«
Er sagte: »Ich will dem Leben leben!«
Und sie: »Bin ich ein Teil davon?!«
»Ja, ein Zehntausendstel!«
»Dann kann ich also noch mit dir leben und für dich!«
*
Aus der verachteten, gemiedenen, gefürchteten Brennessel edles, zartes, schmiegsames, haltbares Nesseltuch zu spinnen und auf Baumwolle verzichten können! Aber daß man dazu erst einen Weltkrieg braucht!? Aus einer Frau ein edles, zartes, schmiegsames, haltbares Wesen machen! Aber daß man da erst ein Weltenleben braucht!?
*
Unsere modernen Genies in Musik und Malerei (Gustav Klimt ausgenommen) sind lauter Leute, die viel können und, wenig sind! Ob sie aber viel können, ist noch die Frage. Die »Japaner« können und sind, obzwar sie sich in Tsingtau gemein benommen haben. Aber in der Bewunderung der Apfelblüten sind sie. Zuerst bewundern, und dann infolgedessen musizieren, malen, dichten! Aber wer kann bewundern?!
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Beziehung
»Ich will über meine innere Leere und meine Nichtigkeit hinübergebracht werden durch dich!« sagte sie.
»Ich will über meine innere Leere und meine Nichtigkeit hinübergebracht werden durch dich!« sagte er.
Und so kamen sie daher zusammen, das heißt, später auseinander!
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Jeder Mensch, das heißt jeder Mensch, hat eine Summe von unerfüllter Romantik in sich, also vergiftende Melancholie! Besonders die zarten anmutigen Frauen. Natürlich; das was sie reell bekommen, ist zu wenig für das, was sie unreell leisten!
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Ich kenne den Durst aller Verdurstenden! Ich kenne auch den Trank. Aber ich kenne niemanden, der ihn spenden könnte!
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Heiraten!? Der kindlichste, zarteste, naivste Idealismus. Der momentane Glaube, eine beschützen zu können, und ihr alles Leid ersparen zu können! Eine » unter seine Obhut« nehmen. Ein »refugium« zu sein, ein »Nest« zu bieten, eine Versorgungsanstalt für spätere Tage. Die, die es brauchen, brauchen es leider. Aber die, die es nicht brauchen?! Die brauchen es erst recht! Und welche brauchte es nicht?! Und welche wäre nicht unglücklich darüber, es zu brauchen?! Und dennoch braucht sie es!
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Die ganz junge herrliche Großherzogin von Luxemburg verzichtet 1915 auf die Würde, und verzichtet zugunsten ihrer jüngeren, herrlichsten Schwester Charlotte, und geht in ein französisches Kloster. Auch diese Jüngere wird verzichten, zugunsten einer dritten ebenso apart-herrlichen Schwester! Das ist: Genie des Weibes! Irgend etwas ist ihnen doch noch wichtiger!
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Geld ist dasselbe Gnadengeschenk des Schicksals wie Geist! Es kommt nur darauf an, wie man beides verwendet!
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Ganz falsches kaufmännisches, zumal österreichisches Prinzip: »Wer vieles bringt, wird manchem manches bringen!« Man hat eine bestimmte Ware wegen ihrer speziellen, besonderen Vorzüge direkt lieb zu haben, zu favorisieren, zu lancieren. Zum Beispiel den automatischen Trommel-Zahnstocherbehälter (Nickel, 5 Kronen) in 100 Exemplaren der Reihe nach und übereinander in der Auslage ausgestellt! Oder den dicken Bambus-Federstiel mit der blauen Idealfeder »Kuhn 201!« Der Kaufmann hat die Augen zu öffnen, erstens die eigenen, zweitens die der Kunden!
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Das größte Unglück in der seelisch-geistigen Entwicklung der Frau ist das Gefühl: »Der und der möcht' mich riesig gern haben!«
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Wenn man von gewissen Frauen sagt: »Es ist aber doch die Bestimmung der Frau, Kinder zu gebären, zu heiraten!« kommt es mir vor als ob man sagte: »Aber es ist doch die Bestimmung von Nikolaus Lenau, Kommis in einem Schnittwarengeschäft zu werden!«
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»Peter, darf ich ins Brahms-Konzert gehen?!«
»Nein!«
»Weshalb?!«
»Dein Brahms-Konzert bin ich!«
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Wenn man in ein weißgetünchtes Zimmer, an die Wände verstreut, edle Tonvasen oder Porzellanvasen in verschiedenen Lasuren befestigt, dieselben zur Hälfte mit Wasser füllt und frische Blumen hineinsteckt, hat man es nobler, aparter austapeziert als mit Marmor oder Leder oder Holz. Aber der Architekt für Innen-Einrichtung verdient dabei zu wenig 10%! Und die Dame kann nicht sagen: »Es hat mich gekostet, nun raten Sie!?«
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Man ist nie gereizt wegen derjenigen Dinge, wegen der man gereizt ist, sondern nur wegen aller derer, die schon waren, und vor allem derer, die noch kommen werden!
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Den Morgen im Erikenwalde kann nur der beschreiben, der ihn seelig-melancholisch empfindet. Alle Tautropfen der Erde, alles Abgeschiedene der Welt, kann dir sonst nicht helfen; denn der Leser spürt es, daß du nur ein Gedicht gemacht hast; an Goethe jedoch hat nie jemand gezweifelt!
*
Jemand sagte zu mir: » Steinrück vom Münchener Hoftheater wird trotzalledem bei uns nicht festen Fuß fassen!«
»Nein, denn er spielt männlich-nüchtern, kalt-gelassen, edel-hart. Das haben die Wiener nicht gern. Sie wollen die Krokodilsträne schimmern sehen im Auge eines manirierten Esels!«
»Welchen Zweck, bitte, hat das?!« » Dieser Verkehr?! Pardon, da ist mir schon lieber, gar keiner!« »Ich möchte noch später nach Haus kommen an deiner Stelle!?« »Von einem Extrem ins andere!« »Große Freuden erlebt man mit euch, das muß ich schon sagen!« »Wie geht's? Den Verhältnissen angemessen!« »Was der Arzt sagt, ist!« »Ja, es ist gegen ihn nichts einzuwenden, aber – –.« »Dieser Kraus muß ein verbitterter Mensch sein!«
»Der Peter, der Peter, der treibt's aber wirklich schon ein bißchen zu bunt!« »Müssen Sie sich immer um sich selbst herumdrehen, die Welt hat doch andere Probleme!?« »Lieber sehe ich ein wertvolles Stück mit minderen Schauspielern, als ein schlechtes Stück mit einem Girardi!« »Für später ist es gut, zu wissen, wo Costarica liegt!« »Entweder ganz oder gar nicht!« » Meine Frau ist doch gewiß die beste Frau von der Welt, aber – –.« »Am liebsten möchte ich meine Tochter gar nicht hergeben!« »Sie ist keine direkte Schönheit, aber brav und fleißig!« »Alles hat seine Grenzen!« »Mir kann man gewiß nicht nachsagen, daß ich kleinlich bin, aber – –.« »Zwischen ausgelassen und unanständig ist eben, bitte, noch ein kleiner Unterschied!« »Soll man sich denn über alles hinwegsetzen?!« »Ich habe ihn noch gekannt, wie er mich zuerst gegrüßt hat!«
Ich verkehrte mit einem überaus netten Advokaten in einem bestimmten Nachtlokale. Aber seine Art, wenn er ein Mädchen an den Tisch lud, mißfiel mir. Er ließ mich die ganzen Kosten der Konversation, des Intimwerdens tragen, und wenn ich zum Schlusse sagte: »Schenken Sie doch der Armen fünf Kronen!«, sagte er: »Wofür?!« »Nun, dafür, daß ich Sie amüsiert und das Mädchen gelangweilt habe!« Eines Tages kam ich daher auf eine gute Idee. »Liebster Doktor, können Sie mir höchst diskret mitteilen, wann, in welchem Zeiträume, ein ›Sittlichkeits-Vergehen‹ verjährt?!« »In drei Jahren!« »Danke!« Seitdem bin ich ihn los geworden.
Ich schreibe oft Wochen lang nichts.
Das ist richtig, ich kann es nicht leugnen.
Ich bin faul, es fällt mir nichts ein.
Und dann schreibe ich plötzlich, aber ganz plötzlich, dreißig Zeilen. Die sind mir eingefallen,
ins Herz, ins Gehirn nämlich hinein.
Auf mich kann man sich nicht verlassen,
oft verläßt mich, wie gesagt, für viele Monate, die ganze sogenannte Dichtergestaltungskraft.
Die, die nicht warten können, sagen:
»Er ist leider ausgeschrieben!«
Die anderen
warten, oder warten nicht, es ist ihnen alles eins,
oder sie lesen halt nochmals die alten Sachen!
Wer immer Neues, Besseres, Interessanteres erwartet,
Dem hat das Alte
nie etwas Richtiges, Wichtiges,
geboten!
Er hungert, weil ihn nichts früher wirklich gesättigt hatte!
»Fräulein, könnten Sie eine eingefangene, lebende Forelle auch abschlagen?!«
»Weshalb nicht?! Irgend jemand muß ihr ja dennoch diesen kurzen Schmerz bereiten!«
»Ganz richtig. Und übrigens standen Sie ja schon drei Stunden lang still, damit das edle Tier sich den zarten Gaumen zerreiße an Ihrer heimtückischen Angel, im durchsichtigen Bergbache!?«
»Das edle Tier?! Es ist doch ein heimtückischer, unersättlicher Mörder lebender Insekten!?«
»Ach so, könnten Sie also Fische nicht abschlagen, die sich nur von Pflanzen oder Aas ernähren?!«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht!«
»Denken Sie eben über alle Dinge mal nach, vielleicht fällt Ihnen dann, nur dann, etwas Richtigeres ein!«
»Um mir Lektion zu geben, ist der Abend heute zu schön. Morgen, wenn es Ihnen paßt, von zehn bis zwölf vormittags. Ich bezahle gern vier Kronen!«
»Ich werde pünktlich erscheinen!«
»Wenn nichts vorgeht, geht leider nichts vor.
Aber es soll, muß eben etwas vorgehen.
Bin ich schuld, daß er sich langweilt mit mir, und irgend wohin, in Fernen, sich von mir zurückzieht?!
Ich muß ihn herbekommen, in meine Seele hinein.
Das kann ich nur durch den Max.
Was kann ich dafür, daß der Max es dann ernst nimmt?!
Was kann ich dafür, daß ich es ernst nehme?!
Wird er vor allem geschickt sein oder ungeschickt?!
Wie wird er Max los werden?!
Oder ist er froh, daß er da ist?!
Damit etwas vorgehe.
Damit ich ihm beweise, daß – – –
Aber ich beweise ihm gar nichts, selbst wenn – – –
Ich werde es nicht ›zum Weinen‹ kommen lassen, nämlich zu meinem, obzwar mir natürlich zum Weinen ist. Ich liebe nur ihn!
Eigentlich sollten solche Komplikationen gar nicht überhaupt möglich sein! Ha, das ist es. Ich weine, ich weine also schon erbärmlich.«
»Ich ging heute spazieren,
da saß eine Taube am Stein,
vor ihr lag zerrissen und blutend
ihr liebes Täubelein.
Ein Opfer des Habichts gewiß.
Und eine Träne fiel ihr
in einen Flügelriß.
Und wie sie sich schüttelt und rüttelt,
da fiel die Träne auf den Kopf
des Kleinen, ihres Lieblings,
da rührt sich der kleine Tropf,
und wurde wieder lebendig,
und sprang nun fröhlich umher,
das waren die Tränen der Mutter,
die ihm dazu halfen so sehr!«
Mein Großvater sagte: »Wann er uns nur ka Dichter wird!«
Es gibt keine schöne Großstadt, denn sie ist die Quelle aller dumpfen Ungesundheit! Es gibt nur schöne Umgebung: Lainz, St. Veit, Kaltenleutgeben, die Brühl, Baden.
*
Jeder Großstädter ist ein Kleinstädter, denn er hält die trotzdem kleine Stadt für die große Welt!
*
Eine Frau hat nie zu sagen: »Ich kann ihm das nicht antun!«, sondern: »Ich kann mir das nicht antun!« Wirklich betrügt man nur sich, nie den anderen! Vor allem hat man sich betrogen, wenn man einen nimmt, den man überhaupt betrügen könnte!
*
Frauen haben wenig Sinn für die wirkliche Einsamkeit des Mannes. »Wieso störe ich ihn, wenn er mich gern hat?!«
*
In meinem Hotel bekomme ich verschiedene Ehrentitel: Der scheinbar ehrendste ist: »Meister«. Weniger bereits ist: »Herr Meister«, denn das sagt man auch eventuell zu einem Schuster, obzwar es auch ein ganz ehrsames Gewerbe ist, falls man es meistert. Unser neuer Lohndiener sagt: »Herr Dichter«. Aber das wunderbare Wäschermädchen, das jeden Dienstag und Freitag kommt, die Hotel-Bettwäsche abzuholen, sagt: »Herr Peter«. O, sagte sie doch einst: »Du, Peter, du!«
*
Meine junge Nachbarin hat zwei Dachfenster voller Blumen. Die Art, wie sie sie pflegt, beweist mir, daß es ihr einen ganzen Landaufenthalt ersetzt. Die, die vom Lande kommen, beweisen mir nicht, daß es ihnen zwei Gesimse voll Blumen ersetzt hat!
*
Aufschrift in den Klosetts des k. und k. Reichs-Kriegsministeriums: »Man hinterlasse den Abort so, wie man ihn anzutreffen wünscht!«
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Die liebevolle, anständige Frau will dem Mann eine Welt ersetzen. Je kleiner, enger, unbedeutender seine ist, desto eher ersetzbar.
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Wenn der Sieg über eine Mannesseele so belebend wirken könnte, wie die Hoffnung auf diesen Sieg, gäbe es vielleicht eine glückliche Beziehung. Wenn das Gebirgswasser so frisch-belebend schmecken würde, nachdem man es getrunken hat wie vordem, dann hätte man nicht einmal mehr – – – das Glück des Dürstens! Glück ist, noch nicht glücklich sein, aber eventuell!
*
Psychologie unserer Kaffeehaus-Kassiererin:
»Sie, Ihre Paula hat Ihnen viel lieber als Ihre Albine Sie hat!«
»Wie können Sie das wissen?!«
»No, jedenfalls grüßt mich die Paula viel freundlicher!«
»Sie, Herr Peter, mit Ihrem ewigen Bilderumhängen an den Wänden. No ja. Es vergeht die Zeit dabei. Und man wird alt.«
»Vor allem freut es mich!«
»Ich sag's ja, die Zeit vergeht und man wird alt!«
*
Neidlosigkeit ist die Genialität dessen, der von Schicksals Gnaden aus niemanden zu beneiden hat! Boshaft sein ist die Verzweiflung über sich selbst!
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Meine Araukarie, Zimmer-Edeltanne, hat drei Haxerln gebrochen und an den Wundstellen glashelle Harztröpfchen ausgeweint. Meine Freundin, die es mir zu »Peter und Paul«, geschenkt hatte, machte mich aufmerksam. Ich sagte: »Denke du lieber an die mißhandelten Kindchen der Armen!« »Wer nicht Mitleid hat mit allem Lebendigen, der hat es nirgends!«
*
Frauen haben die edle Geschicklichkeit, uns unsere vorzeitige Begeisterung zu zerstören, ehe der Brand allzu großen Schaden angerichtet hat. Ihre Ungezogenheiten löschen selber emsig den Brand, den ihr momentanes Äußeres entzündet hat! Dann sagen sie: »Ach, dieser Mensch war mir unsympathisch vom ersten Augenblicke an!«
*
Über den modernen Schriftsteller Dr. E. Fr.:
»Ach, dieser Mensch ist trotz seines Geistes manchmal überaus roh, taktlos und ungezogen!« säuselte Fräulein Mechthildis.
»Das kann man wohl nicht gut sagen. Bis Mitternacht ist er ja doch noch ziemlich nüchtern!«.
*
Wenn mich jemand würdelos und taktlos, herabsetzend behandelt, kommt es mir vor wie wenn ich zu einem Fürsten ununterbrochen »Herr Graf« sagte!
*
Wenn wir nichts täten als Güte durch Weisheit ersetzen! Es gibt nur eine Güte: Weisheit!
Bismarck war gut, Moltke war gut, Kaiser Wilhelm I. war gut, Goethe war gut. Aber die Gütigen sind – – – nicht gut!
*
Sei radikal! Aber dein Radikalismus habe Ähnlichkeit mit dem Radikalismus. Gottes. Er sei allgemein gültig und gerecht!
*
Wer mir nicht folgt, folgt sich selbst nicht, nämlich seinem besseren, nein, seinem klügeren Selbst in ihm drin nicht!
*
Edles anständiges Bekenntnis: »Wenn ich daran denken würde, was mein Geliebter Tag und Nacht wirklich, nicht nur von mir, brauchte, könnte ich – – – mich gleich aufhängen!«
*
Mein süßes Wäschermäderl: »Sie, heut hat da eine zu einem schiechen Reichen g'sagt: ›Adieu, mein Süßer!‹ Dös könnt i net herausbringen, so was zu so einem zu sagen. Deswegen leb ich dummes Viech ja auch, daß a Schand' is!«
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Wenn geliebte Frauen alle momentanen Haßgefühle spürten, die sie in uns hervorrufen! Aber sie sind zu beschäftigt mit jenen Haßgefühlen, die wir in ihnen hervorrufen!
*
Mein Cousin Raffael Kuranda, 22 Jahre alt, fiel am 12. September in der Schlacht von – –. Sechs Monate vorher hatte ich ihm mein Buch »Fechsung« gewidmet: »Möge es dir nützen, helfen, irgend etwas im Leben Dir erleichtern!«
*
Der Mensch der Zukunft wird nur mehr in frischer Zugluft gedeihen können! Gegenseitige Fenster öffnen!
Fräulein Marietta Rührmichnichtan: »Sie, ich hab mir aber doch in Ihrem Zimmerchen einen Katarrh geholt!«
» Doch?!«
Innsbruck, 6. Juni. (Privattelegramm.) Die erste Nummer der »Tiroler Soldaten-Zeitung«, die für die Truppen der Armee Dankl bestimmt ist und dreimal wöchentlich im Standort des Landesverteidigungskommandos herauskommen soll, bringt einleitend folgende Worte des Armeekommandanten G. d. K. Viktor Dankl:
»Soldaten, Kameraden! Italien, das durch mehr als ein Menschenalter hindurch im Dreibund reich und kräftig geworden, hat uns schmählich verraten und meuchlerisch überfallen, es hat die Treue gebrochen, die es uns im Bündnisvertrag zugesagt. Se. Majestät, unser erhabener Kaiser und Herr, hat, um seinen Völkern diesen neuen Krieg zu ersparen, Konzessionen gemacht, wie sich solche der kühnste Irredentist nicht hätte träumen lassen. Aber die Italiener wollen durchaus den Krieg. Sie wollen kriegerische Lorbeeren holen, wollen neue Feldherrnstandbilder errichten und ihren bombastischen Dichtern Stoff zu Heldengesängen liefern; allerdings nur, weil Österreich seit zehn Monaten mit allen seinen Kräften in hartem Kampfe mit Rußland steht, sonst hätten sie es nie gewagt. Ihr Vorgehen ist daher nicht nur treulos und heimtückisch, sondern auch feige. Mit kalter Ruhe und Entschlossenheit stehen wir diesem eklen Treiben gegenüber. Wir vertrauen auf Tirol, das ruhmreiche Land Andreas Hofers, das so oft schon seine Feinde mit blutigen Köpfen hinausgeworfen. Unerschütterlich wie die Berge dieses herrlichen Landes werden wir im Verein mit unseren kampferprobten, tapferen deutschen Verbündeten einstehen für Glauben und Heimat, für Kaiser und Reich. Für uns gibt es kein Zurück. Es lebe der Kaiser, es lebe das Vaterland!
Dankl, G. d. K.«
Einer Frauenseele lauschen können, ist alles! Nichts an ihr gering schätzen und mißtrauisch betrachten, und vieles, vieles achten, was beachtenswert wäre! Und was den anderen entgeht!
»Liebe« ist das verlogenste Wort, das ich kenne; denn es kommt aus den dummen Abgründen hervor des Unbewußten! Das wahrhaftigste Wort hingegen ist »Verständnis«! Ein Mann und eine Frau müssen einen Einklang bilden, immer und überall, vor jedem Blumenbeete in einem Garten, vor dem Gesang eines Waldvogels, vor den genial-anmutigen Sprüngen eines wilden Tieres im Käfig, vor einem besonderen Gebäude, vor einem besonderen Kinde, vor einem besonderen Gegenstande in der Auslage eines Geschäftes! Überall müssen sie sich von selbst und mühelos finden, ein jeder der geheimnisvoll-zärtliche Spiegel des andern!
Wehe vor allem der armen Frau, die darin Konzessionen machte! Früher oder später rächte es sich bitterlichst an ihr! Gott sieht herab und straft die Stunden der Leichtgläubigkeiten! Er ehrt die Sucherinnen, die nie finden! Er hat sie bedacht mit einer zarten und eigentlich unergründlichen Organisation, die Tag und Nacht rastlos ein Verständnis sucht, bei irgendeinem in der verständnislosen Menge!
»Ich habe dich lieb, weil du so gehst, so stehst, so sitzest, so deine Arme, deine Hände hältst, so den Kopf senkest und so blickst – – –,« ist für die Frau eine tiefere Genugtuung, eine heilsamere Arznei für Melancholie und Hysterie, als das Stammeln der Leidenschaftlichkeiten, das überrumpelt, betört, und schwächer entläßt, als man vordem gewesen ist!
Warte auf den, der nie kommen wird!
Dieses Stubenmädchen da vis-à-vis; sechzehn Jahre alt, mit den flachsblonden Haaren und dem süßen Tschechen-Gesichterl, die bei 30 Grad Reaumur emsig Fenster putzt, die ihr doch ganz gleichgültig sind, weshalb führt man gerade diese nicht im Auto auf den Kobenzl, damit sie kühle Waldluft habe und Ruhe!? Das ist ja um Gotteswillen »Arbeiterzeitung-Psychologie«! Ja, habe ich vielleicht, ihr Ochsen, eine andere?! Zumal ich ja die reichen Kühe kenne! Weiß ich nicht, wo Seele, Bescheidenheit, Dankbarkeit hausen und nisten?! Ich gönne einer jeden ihr Glück, aber siehe, es muß » Glück« sein, wirkliches tiefes erhabenes empfundenes rührendes Glück! Nur nehmen und nicht einmal mit dem stummen Augenaufschlag: »Herrgott, ich danke dir!« danken, das ist undankbar! Es ist« » heidnisch«!
Geliebter und verehrter Bruder Peter!
Du hast mir Dein letztes Buch »Fechsung« nicht mehr geschickt, wie alle die anderen Bücher. Ostentativ. Ich weiß es, weshalb! Ja, ich bin von Dir abgefallen. Ich kann, ich konnte nie in dieser, in Deiner Atmosphäre existieren. Ich brauche dumpfe ruhige ergebene klaglose unstürmische Menschen, die einfach sind wie sie einmal sind, und dann ohne viel Aufhebens endgültig verschwinden. Bei Dir klagt man sich ewig an, beschuldigt sich hart oder unter Tränen alles dessen, was man versäumt hat, seiner zahlreichen und vielleicht sogar unnötigen Irrwege, seiner lächerlichen Dummheiten und seiner allgemeinen Beschränktheit, die man zu bequem war, zu besiegen, obzwar man genug Herz und Intelligenz dazu vielleicht mitbekommen hatte! Du schreibst über mich, auf Seite 45 deines neuen Buches: »Sie wohnt VIII. Alserstraße 41, hält meine Welt für undurchdringliche Wälder im ›Innersten Afrika‹!« Du Dichter, Du Seher Du!
Und dennoch bin ich Deine Schwester. Ein Gram ist in mir, und kann nicht heraus. Die anderen um mich herum, neben mir, mit mir, leben dieses selbe Leben gramlos. Das ist es. Deshalb bin ich Deine Schwester! Weil ich als Gesunde, Normale, Einfache, Alltägliche, dennoch eine schmerzende Wunde habe mein Leben lang. Ich darf nichts mehr wissen von Deinen merkwürdigen aufreizenden friedebrechenden Welten, Du, Robespierre Du, Du Teufel Du, Du Bruder Du, aber daß ich diese Kraft bekommen habe zum täglichen Frieden, das macht mich noch unglücklicher! Lebe wohl, ich bin Deine Schwester!
Gretl.
Oktober.
Aus mit dem Landleben, aus!
Kein Neid mehr der Zurückgebliebenen.
Im Gegenteil, sie müssen sich erst wieder langsam eingewöhnen.
O, Regen, Regen, Regen, pfui!
Nein, nicht pfui, die Luft wird rein, die Dachschindeln erschimmern,
man denkt an braune Kastanienalleen,
und ob sie heute noch offene Fenster vertragen wird?!
*
Stolz der Sechzehnjährigen: »Na ja, schön war's amal, das sieht man ihr noch an, aber heut mit ihre dreiundzwanzig am Buckel!?«
*
Meine süße Unverdorbene, Gespräch über Wintermäntel: »Diese Schneiderinnen, die verlangen ja oft zwanzig Kronen Macherlohn, das ist oft sogar mehr, als der ganze Stoff gekostet hat!«
*
»Du hast eine direkt unanständige Eifersucht auf diese arme – – –.« »Wenn du mir das noch einmal sagst, bin ich fertig mit dir!«
»Also gut, dann sag ich es nicht noch einmal!«
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»Mit dieser neuen Frisur schaust du aus wie ein gebadeter Ratz!«
»So, die Peperl hat g'sagt, es paßt mir besser!«
» Das glaub ich, daß Die das g'sagt hat!«
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Redaktion:
Ich schrieb in meinem Referate: »Die Musik ist von einem bisher Gott sei Dank Unbekannten.«
Da haben sie mir das »Gott sei Dank« gestrichen.
Gott sei Dank, denn sonst war ich herausgeflogen.
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Wer den Leib der Frau mit allen seinen minutiösesten Einzelheiten nicht als »Märchen des Lebens«, als Grimms »Tausend und eine Nacht«, als Wunder und Merkwürdigkeit, ununterbrochen an derselben Frau erleben kann, der muß jede Geliebte tief enttäuschen! Indem sie vorhanden ist, will sie spenden, und dieses Spenden verleiht ihr erst ihre edle Berechtigung, verehrt, geschätzt, verwöhnt zu werden. Wenn sie dem Mann nur das ist, was sie genau über sich selbst weiß, dann – – – braucht sie ja den Mann nicht, dieses » Lebenselixier«!
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»Geliebter, machen wir uns gegenseitig Konzessionen!«
Mein Durstgefühl machte mir Konzessionen und verzichtete auf den Trunk aus der Gebirgsquelle!
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»Sie borgen mir also Ihr Opernglas nicht?! Sie wollen ein Dichter, ein Menschenfreund, ein Sozialist sein?! Sie sind ja viel ärger als die anderen! Von denen erwartet man's ja wenigstens gar nicht!«
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»Du, Mäderl, weshalb stiehlst du mir so infam meine Zeit, meine Einsamkeit, indem du tagelang bei mir hockst?!«
»Laß mich da. Dir g'schieht doch weniger dadurch wie mir!«
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»Du, Bubi, was schreibst denn da alleweil in dein Notizbuch hinein, sogar wenn ich zehn Heller im Café verlang' für die Garderobefrau?!«
»Ich notiere alle Ausgaben für dich. Bei 200 Kronen bin ich mit dir fertig!«
»Wieviel haben mer denn schon beisammen um Gotteswillen?!«
»197 Kronen 30 Heller!«
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Die Waldbänke:
Haben die Damen den Wald hinter den sieben Waldbänken liebevoll angesehen?! Nein, die sieben Waldbänke sind für die Nachmittags-Siesta (schattig) an die »Parteien« eingeteilt. Einmal saß Frau von E. uneingeladen auf der Waldbank der Frau Kl. Na, da gab es ein Entschuldigen und ein Beteuern, schließlich, hast du nicht gesehn, saßen die beiden Damen sogar beisammen auf derselben Waldbank. Einmal schnitt ein Knabe das Monogramm seiner Mama mit seinem neuen Taschenmesser in eine falsche Waldbank ein. Da konfiszierte man ihm sein Taschenmesser und beriet, ob man die beiden Waldbänke gegenseitig austauschen solle oder das Monogramm einfach auskratzen!? Man entschied sich für Austausch. Wenn das Monogramm schon einmal da ist, nicht?!
»Verehrte, vergötterte Freundin, verzeihe es meiner schauerlichen Einsamkeitssehnsucht, daß ich dich nicht immer so zärtlich begrüßen kann, wie es mein innerstes Inneres möchte, sollte!«
Es ist verächtlich und tragisch-traurig, wie die reizendsten, intelligentesten Männer sich noch immer um Frauengunst bewerben! Wie feile Senatoren vor einem wahnwitzigen Cäsar! Nie erheben sie sich, ermannen sie sich zu der Heldengröße des Narren wenigstens, der seinem Gebieter die schrecklichsten Wahrheiten sagte, um ihm herauszuhelfen aus dem Abgrunde seiner selbst! Immer belassen sie, feig, und knechtisch gesinnt, diese Armseligste in ihren zahlreichen Irrtümern über sich selbst und das Leben, wünschen sich nur für sich selbst rasch das und bequem herauszuschlagen, was herauszuschlagen ist! So keine Achtung vor möglichen Entwicklungen im Weibe! Sie in ihrer bodenlosen Einbildung und Eitelkeit belassend, statt sie zu organischer Bescheidenheit niederzwingend!?! Zu allem »ja« und »Amen« sagend, um ihre schwachen Nerven schmählich gefügig zu machen! Feile Senatoren!
»Ist diese Gürtelschnalle schön, die ich mir da gekauft habe, Peter?!?«
Der Königin-Narr: »Hoheit, es ist die gemeinste, ordinärste und konventionellste Gürtelschnalle, die es gibt! Sie auszuwählen unter hunderten ist die Genialität der Schlechtrassigkeit, die ihr schäbiges Objekt stets sicher herausfindet unter allen wertvolleren!«
Nichts ist schwerer, als einer vergötterten Frau eine unangenehme Wahrheit zu sagen, die ihr erst viel später zugute käme. Denn die Konkurrenten arbeiten mit »unlauteren Mitteln«, die rasch und sicher wirken, wenn auch für die Zukunft bedeutungslos oder sogar verderblich. Eine Frau genug lieb haben, um es sich ihr zuliebe mit ihr zu verderben, ist die Sache einiger weniger » Helden der Seele«!
Ich konnte gar nicht zuschauen, Peter,
wie diese Kanaille ihre Füße aufstützte
auf deinen zarten gebrechlichen edlen Bambus-Papierkorb,
den du, Peter, doch so gern, hast und so sorgsam behandelst!
Ist es ein Fußschemel, Sie, Fräulein?!
Deshalb ging ich hinaus, versteckte mich, du weißt schon wo.
Nicht aus Eifersucht.
Jedesfalls war es das Nebensächliche.
Aber deinen Papierkorb ruinieren?! Pfui.
Sie arbeiten von sechs Uhr morgens bis zehn abends. Sie erwachen ermüdet. Und trotzdem sind sie frischer, lebensfähiger als alle anderen. Um sieben morgens im Kaffeehaus entspinnt sich (ein nettes Wort »entspinnt«), entspinnt sich folgendes Gespräch zwischen der unausgeschlafenen Kassiererin und der unausgeschlafenen Kaffeeköchin:
»Sie, Köchin – – –!«
»Wer is denn Ihnere › Köchin‹?! Sie haben › Marie‹ zu mir zu sagen!«
»Na na, schamen's Ihnen vielleicht, eine › Köchin‹ zu sein?! Mir können's ›Kassiererin‹ sagen, i halt' nix auf mein' Eigennamen!«
»Sie, ja Sie, Sie bilden Ihnen noch etwas ein auf Ihren ›Kassiererin-Titel‹!«
»Einbilden, was heißt einbilden?! Is das was zum schämen, wann man sich ehrlich seinen Lebensunterhalt verdient?!«
»Tun's mit mir da net philosophieren. I vertrag dös Wort › Köchin‹ net. Sagen's › Marie‹ und fertig! S' wird Ihnen net die Zungen auskegeln!«
»Ah, warum soll i. ›Marie‹ sagen, san Sö a Prinzessin?!«
Ich, mich einmengend: »Haben die Damen gar keine anderen Sorgen?!«
Scheinbar haben sie aber wirklich keine anderen.
Ich nenne ihn nicht, meinen Liebling, den Ort K., obzwar Tausende Heilbedürftige ihn kennen und ihn eben nicht kennen. Frische feuchte Hügelketten zeigen nicht jedem ihre mysteriösen Reize, nur dem Liebevollen, nur Paula und mir! Die anderen führen ein gesichertes wohlgeordnetes edel-gesundes aber unbewußtes Leben, liegen punkt zehn zu Bett, wer weiß, ob bei weitgeöffneten Fenstern, daß der heilige feuchte kühle Atem der Waldhügelnacht eindringe! In geschlossenem Raume atmest du 300 Liter giftiger Kohlensäure aus und dann doch wieder ein. Man macht sorgfältig Kur, alles ist sorgfältig eingeteilt, keine Stunde ohne langsame Gesundung. Aber die Kur der Natur durchs Auge in die tiefen Seelennerven hinein, machen sie nicht, von morgens bis abends Franz Schubert-, S. Grieg-, Hugo Wolf-Stimmungen, durch feucht-kühle Hügellandschaft. Wasser ist heilkräftig in Form von Halbbädern 26 Grad bis 18 Grad herunter, in Form von raschen sanften kalten Abreibungen; aber das Wasser, das man liebevollst-träumerisch im murmelnden Bach, im stillen See, im Strom, im melancholischen Landregen betrachtet, ist heilkräftiger! Etwas um Gotteswillen müssen ja die Enterbten voraus haben vor denen, die geerbt haben! Die Seelenkranken vor den Körperkranken, die, die gesunden könnten, vor denen, die nie gesunden können!
Ludwig Hardt. Sie erzählen mir, weiß Gott, aus welchem Anlaß, eine Geschichte, die Ihnen vor einigen Jahren in Bremen passiert ist. »Ich ging in einen Laden, mir ein Paar Schuhe zu kaufen. Das Mädchen, das mich bediente, war so lustig und freundlich, daß wir beide mit einem unvergeßlichen Übereinkunftslächeln alle Schuhe für nicht passend erklärten und den Kauf mehr in die Länge zogen, als es dem bittern Besitzer lieb war. Als ich endlich leider ein Paar gefunden haben mußte, fragte ich das liebe Fräulein leise, ob sie nicht am Abend mit mir ausgehen wolle. Und da sagte sie: ›So ungern ich einem Herrn etwas abschlage – aber gerade heute geht's beim besten Willen nicht.‹ Ist diese Geschichte nicht so rührend schön, daß sie beinahe von Peter Altenberg sein könnte?« Ich möchte das nicht entscheiden, da er so beschaffen ist, daß jede Entscheidung ihn kränken würde. Aber fragen wir ihn doch.
»Wenn ich; Maxl, an die Zeit so zurückdenke, wo wir noch einen einzigen Dienstboten gehabt haben, für alles!? Und jetzt, jetzt, da wir doch drei haben, ein jeder für ein anderes Ressort!? Und wem, wem, wem, verdanke ich dieses große Glück?! Dir, dir, dir, Maxl! Dir allein!«
»Wenn ich denke, Mizi, wie ich einst von Sensation zu Sensation huschen mußte, und jetzt, jetzt, bei dir mein gutes gleichmäßiges Auskommen habe! Meine Dankbarkeit hat keine Grenzen, ich hab schon geschrieben um den Blaufuchs-Kragen!«
Unser Glück, unser Unglück ist nur das, was wir darüber denken. Denn sonst würde es an uns abrinnen wie Öl über Wasser oder wie Quecksilber über politierte Tischplatten.
Es haftet nur das, was wir denken. Unsere Phantasie über die Beglückung eines falschen Hundes von einem Freunde, in bezug auf unsere vergötterte Frau, macht uns krank und zu Selbstmördern. Sähen wir aber nicht mehr als sich ereignen konnte, so hätten wir vielleicht das höhnischste Lächeln! Kann er ihr unser Herz, unser ewig besorgtes, allerzärtlichstes Herz ersetzen?! Kann es mit seinen Momenträuschen unsere Ewigkeitsempfindungen ausgleichen?! Nun gut, sie vermeint es momentan, ein günstiges Geschäft gemacht zu haben, die kurze Stunde ihrer Wirkungskraft gut und geschickt ausgenützt zu haben – – –. Aber denken wir doch nach, ob es ihr auf diese Weise gelungen ist?! Und wir werden ruhig es erwarten können, bis sie ihren Rausch ausgeschlafen hat – – – Man muß nachdenken, nachdenken über alles und über jedes, um sich Klarheit zu verschaffen in dem nebeligen, undurchdringlichen Dasein! Sobald man nicht nachdenkt über irgendeine Sache, gelangt man sofort in den Zustand des Tieres, das dem Leben waffenlos gegenübersteht.
Einer geliebten Frau selbst bei einer unscheinbaren Gelegenheit bitter unrecht tun, ist die herrliche Frucht früheren Nachdenkens über alle Beziehungen und Abgründe ihres Nervensystems! Besser, ihr rechtzeitig einmal unrecht tun, als zu spät ihr nicht mehr gerecht werden können! Principiis obsta! Wer nachdenkt, sorgt im Anfang und schützt sich! Wer nicht nachdenkt, den begräbt vorzeitig das Ende! Enseveli dans une avalanche! Wehe denen, die nicht nachdenken, die nicht vordenken können! Sie sahen ein gefahrloses Steinchen ins Rollen kommen, aber es war eine Lawine, die sie zerquetschte! Wehe denen, die nicht nach- und vordenken! Haue zu, vorzeitig, das ist rechtzeitig!
Die Tragödie des Kleinstädters ist, daß er fest und sicher glaubt, in der Großstadt »gehe etwas vor«.
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Wie sollen denn Nationen, Rassen, sich verstehen, wenn der einzelne seinen Nächsten gar nicht versteht und mißversteht, der Liebende die Geliebte, die Mutter die Tochter, die es doch alle leichter haben als ganz fremde Nationalitäten?! Der Verkäufer versteht den Käufer nicht, der Käufer nicht den Verkäufer. Ein jeder verlangt vom anderen einen Idealismus, damit sein Geschäft besser gehe. Jeder ist erstaunt, daß der andere grad so gemein ist wie er selbst! Da gibt's ja kein Übertakkeln, wenn alle gleich sind! Einer muß doch der Geschicktere sein!
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Als ich einer Dame, die einen langen, entsetzlich teuren Silberfuchs-, einen Breitschwanz-, einen Chinchilla-Mantel hatte, aus momentaner Liebenswürdigkeit 20 Stück Weichsel-Schokoladebonbons kaufte, sagte sie beim Weggehen aus der Konditorei: »Peter, sage mir es aufrichtig, was hat das Stück gekostet?!« »25 Heller!« »Peter, wenn du mich lieb hast, so gehe nie mehr im Leben in diese Diebshöhle!«
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Der nicht abgehärtete Mensch ist noch kein Mensch! Er fürchtet sich vor »Zug«, er ist ein Zugtier!
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Wenn ein »berühmter Literat« an meinen Stammtisch kommt, um dieses »verrückte Huhn P. A.« mal kennen zu lernen, und ich still, ruhig, in mich gekehrt, dasitze, sagt er dann: »Diesem Menschen scheint auch seine nette kleine Begabung zu Kopf gestiegen zu sein, er saß da wie ein Hohepriester, dem alles lauschen muß!«
»Aber er hat ja gar nichts gesprochen!?« flüsterte Fräulein A. R.
»Das ist es ja eben, man soll sogar lauschen, wenn er nichts spricht!«
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Porträt kunst ist, ein Antlitz einem fremden Menschen so plausibel zu machen wie einer liebevollen Mutter, einem liebevollen Bruder, einem liebevollen Verehrer, einem liebevollen Gatten, einem liebevollen Dichter es das lebendige Antlitz selbst macht! Oh, oh, oh, O. K.!
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Ich darf eine Frau nie, nie, nie spüren, außer wenn ich sie spüren will! Ich heiße nämlich Altenberg, und nicht Strindberg!
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Wenn eine Frau, die man mag, einen nicht mag, hat man wenigstens den Rebbach der » sehrenden Sehnsucht«! Wenn sie einen aber mag, hat man nicht einmal das mehr!
Das Unglück dieser unermeßlichen Weltkraft »Mann« ist die unbezwungene Kraft »Weib«! Wenn man diese Weltkraft »Elektrizität« in den Dienst der Menschheit »zwingen« konnte, wird man es doch mit dieser »Elektrizität Weib« auch noch fertig bringen um Himmelswillen!?! Sie muß dienstbar gemacht werden! Alle Kraft dieser Erde muß dem Manneshirn allein dienstbar gemacht werden, sonst gibt es keine endliche Gottwerdung des Menschen!
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Frauen finden immer ein Logis bei dem nächstniedrigeren Manne! Daher kann sie der nächsthöhere nie hinauferziehen! »Dir mißfällt mein unanmutiger Gang, ich soll freiturnen?! Sixt es, da hast es, den Pepperl geniert das nicht, dem is es ganz Wurst, wie ich daherhatsch!?«
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Frauenseelen, Frauensexualitäten, brauchen »Spannungen« und »Entspannungen«, wie alles überhaupt in der Welt! Frühlingsweben, Herbstmüdigkeit; heißer Tag, Gewitter; einer Frau ein regelmäßiges Glück geben wollen, ist der schrecklichste Idiotismus von feigen Idioten! Man kann ihr regelmäßig Kleider kaufen, Schmuck, Landaufenthalt, Sorgenlosigkeit! Weshalb allein legt sie sich einen »Liebhaber« zu?! Weil es nicht » der Regel gemäß« ist. Wäre es, so würde sie sich ihn bestimmt nicht zulegen! Einer Frau ewig das »Ungeregelte« sein, das ist es! Kinder sind wenigstens eine »Ablenkung«, besonders wenn sie von einem anderen sind!
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Eine noch so anmutige Frau, die aber gar keine Rücksicht nimmt auf den Trottel, den sie ausplündern will, muß schließlich doch vereinsamen!
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Obstbäume können mich nicht betrügen, ich erkenne sie an ihren reifen Früchten. Aber bei Malern und Musikern ist das anders. Hinter der Pfirsich kann nichts dahinter stecken, sie ist weich – süß – saftig – aromatisch, oder nicht. Aber beim Künstler wittert man Entwicklungsphasen, nebbich! Er schmeckt miserabel, aber kann man wissen?! In zwanzig Jahren; da bin ich hoffentlich schon tot, oder noch besser, er!
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Ich habe die Idee, man müsse verehrten Frauen Beinamen geben, wie im Homer den griechischen Helden. Also: Paulina Schönbein. Lotte Geistauge. Lia Lesbos. Albine Treu. Hilde Hellsprech. Maria Schweigen. Fräulein Majen Herrlich. Mitzi Schwarzhaar. Katharina Dumm. Anna Mistviech. Isabella Wetterwendisch. Margarete Wohlerzogen. Anita Lüstern. Paula Besonders. Josefine Unterwürfig.
Wissen Sie, was der »Romeo« ist?! Sie glauben es zu wissen, aber Sie wissen es nicht. Der »Romeo« ist nämlich versteckt in den meisten sonst ziemlich nüchternen und realistisch denkenden Männern. Aber innen im Herzen ganz versteckt sitzt ihnen doch der »Romeo«, das heißt ihre Fähigkeit, plötzlich bei irgend einer Funtsen, pardon, Dame, zärtlich besorgt, ängstlich bemüht, krankhaft eifersüchtig zu werden! Eine Umwandlung aus einem Stier in einen Romeo! Nun gibt es einen genialen urwienerischen Ausdruck, mit dem ich den Sprachschatz der Welt bereichern möchte! Nehmen wir z. B. an, jemand werde in bezug auf irgend eine Süße, Zarte, momentan zum »Romeo« umgewandelt, und er bemerkt im Verlaufe der Begebenheiten, daß sie ihn eigentlich nur ausplündern, ausnützen, ja eifersüchtig machen will, so sagt er dann: »Pardon, mir ist bereits der ›Romeo‹ ausgeronnen!«
»Ich habe Dich natürlich belogen, Peter, ich habe mich belogen, da ich es doch gar nicht imstande wäre, in Klosterneuburg-Weidling eine Lektion zu geben, und so dich einen Nachmittag und Abend lang in bange Sorge zu versetzen! Momentan hat mich der Gedanke, ein paar Stunden auf dem Lande, in mir noch unbekannter Gegend zu verbringen, und noch dabei vier Kronen zu erwerben, gereizt! Aber sind das nicht eigentlich die gefährlichen Reizungen alle, die uns allmählich und heimtückisch-geheimnisvoll von der heiligen Konzentration auf einen geliebten und verehrten Mann abbringen?! Heute das, morgen das! Übermorgen daher das Schlimmste!«
»Ach sagen Sie mal, dieser Peter Altenberg, ne interessante Figur, wahrhaftig, so was ganz anderes allerdings, sagen Sie mal, ich werde dem Burschen 200 Mark schenken, so bei Gelegenheit, in einer noblen Form, aber sagen Sie, weshalb stellt er sich nicht zu etwas Solidem, bei diesem unleugbaren Talente?! Nur so herumschnuppern is doch nischt auf die Dauer! Die Frauenseele, na, hat sie denn eine?! Man soll sie wecken, sagt er. Eh wozu denn wecken, damit sie auch noch »seelische« Ansprüche stelle?! Die andern Ansprüche sind doch weiß Gott schon genug schwer zu befriedigen! Soll ich mit ihr den Flieder bewundern gehen, den Jasmin?! Na ja, freilich, sie duften ja schön, aber was hat das mit Glück zu tun?! Er soll mal tüchtig arbeiten, träumen ist gut für die Nacht, wo es einen ja nicht stört! Aber Tag-Träume, na ja freilich, das nennt man ja leider › dichten‹!!!
Na ja, ich werde ihm halt 200 Mark in diskreter, zarter Form zukommen lassen, es sind ja wirklich nur ›große Kinder‹, mit denen man nicht einmal rechten und streiten möchte, sondern nur Mitleid hat, daß sie dem Leben so gar nicht adaptiert sind! Auch bei Frauen können sie trotz allem Klimbim daher nicht viel erreichen, denn das sind doch raffinierte Lebens-Ludern!«
Vis-à-vis von mir im 5. Stock seh ich auf dem abschüssigen glatten Blechvorsprung eines Fensters eine große Flasche Spiritus und einen großen Blumentopf stehen. »No,« denk ich mir, »gehst halt von nun an auf deiner Seiten vom Trottoir!« Ich sah verschiedentliche Leute vorübergehen, wo ich mir dachte: »Hat's ihn, so hat's ihn!« Außerdem war es windstill. Da kommt mein Nachbarkind, die kleine Lucietta D. mit der Schultasche vorüber. Da gehe ich zur Hausmeisterin von vis-à-vis: »Sie, sagen Sie gefälligst der Dame vom 5. Stock, sie solle auf das schiefe Blechdach nichts hinausstellen, wenn's einen derschlagt, kriegt die Arme leicht acht Tag'!«
Bombardement der italienischen Küste durch unsere Flotte. Seeflugzeuge bombardieren Ancona und das Arsenal von Venedig.
Wien, 24. Mai. Amtlich wird verlautbart:
Unsere Flotte hat in der auf die Kriegserklärung folgenden Nacht vom 23. auf den 24. Mai eine Aktion gegen die italienische Ostküste zwischen Venedig und Barletta unternommen und hiebei an zahlreichen Stellen militärisch wichtige Objekte mit Erfolg beschossen.
Gleichzeitig belegten unsere Seeflugzeuge die Ballonhalle in Chiaravalle sowie militärische Anlagen in Ancona und das Arsenal in Venedig mit Bomben, wodurch sichtlicher Schaden und Brände verursacht wurden.
Flottenkommando.
Er hat dort eine Menge von »glücklichen Lieben«, erfüllten Beziehungen: Die rosige zarte Weigelie, die sich alles von ihm gefallen läßt, ihm alles anbietet, wenn er sie liebevoll anstaunt, das himbeerfarbige Rhododendron A. M., die düstere melancholische Blutbuche, die helle Platane, die süße liebliche Rosa Crimson Rambler, die kaiserliche Paulownia, die zarte geschlitzt-blätterige Buche, die gemeine Roßkastanie! Alle spenden ihm ihr alles, keine ist eifersüchtig auf die andere, denn sie fühlen es, daß er ein Dichter ist und daher einer jeden in ihrer Schönheits-Eigenheit gerecht wird!
V. G. »Sie wissen nicht, wer Krieglstein war?« Vor sechs Monaten begann ich einen Brief an Sie mit diesen Worten und einem Schreibfehler. Denn damals war er noch, der Reichsfreiherr Eugen von Binder-Krieglstein. Nur die Zeitungen hatten ihn begraben; und weckten ihn gleich wieder auf. Jetzt wird er wohl auf die Posaune des Jüngsten Gerichts warten müssen. Der Chef eines österreichischen Dragonerregiments teilt mit, daß Krieglstein bei Kriegsbeginn sofort aus Mexiko abgereist sei und sich als Kriegsfreiwilliger gemeldet habe. Dann seien sie selbander wider den Feind geritten, und da habe Krieglstein plötzlich gerufen: »Ich bin kein Spion, ich bin kein Spion!«, habe die Pistole herausgerissen und habe sich erschossen. Den Keim zu diesem Verfolgungswahn mag er sich in der Mandschurei geholt haben, wo er immerzu auf der Hut sein mußte, nicht als Spion erschossen zu werden. Wenn Sie mir nicht schon im Oktober gefolgt sind, so verschlingen Sie im April seine Schilderungen »Aus dem Lande der Verdammnis«, seine Erlebnisse »Zwischen Weiß und Gelb«, und beklagen Sie mit mir, daß dieser Krieglstein nicht mehr dazu gekommen ist, diesen Krieg auf seine Weise darzustellen. Hören Sie zum zweiten Mal von mir, daß er zu denen zählte, deren allgemeine Schreibfaulheit Walter Rathenau so bedauert, eine dieser Naturen, wie sie sicherlich zu Hunderten auf der Welt herumlaufen, Gemsen schießen, die Mädels ins Gras werfen, mit den Matrosen raufen – und die vielleicht einmal, in der Kneipe oder auf einer einsamen Insel, richtig auspacken. Allwelche Berichte unsereinem dann immer wieder die alte Ansicht verstärken, daß niemand seine Meinung besser auszudrücken versteht als der, der's nicht berufsmäßig tut. Wie Krieglstein begriffen hat, daß unsere Maßstäbe relativ sind, und daß alles durcheinanderpurzelt, wenn sich nur die paar Breitengrade verschieben: das sticht von der unbedingten Sicherheit unserer Schreibgewerbler so wohlig ab, daß man ordentlich aufatmet. Lesen Sie Krieglstein; und lesen Sie ihn grade jetzt. Sie werden schnell merken, daß er nicht »schreiben« kann, aber daß er alles gesehen hat. Er ist, und das ist die Hauptsache, einer der Wenigen, die genau wissen, daß man die Kluft zwischen Weiß und Gelb, ja, auch zwischen Weiß und Weiß, zwischen Slawen und Germanen nicht überklettern kann, nicht mit den schönsten Aphorismen und nicht mit der Historie und garnicht. Lesen Sie diese beiden einzigen Bände; erleben Sie die Hinrichtung eines japanischen Spions, die slawische Hysterika und den wundervollen chinesischen Diener; erfahren Sie, wie es an der schmutzigen Nordwestecke Asiens, am Stillen Ozean zugeht; und lernen Sie, daß die Welt viel größer ist, als Debes und Andrä behaupten, und daß man darauf verzichten muß, das Chaos jemals mit Klischees und Schlagworten einzufangen.
»Fräulein Paula, wie ist das eigentlich, Ihr Freund sagt, er habe überlegt, welcher seiner Lieblings-Tonvasen er sich eventuell entäußern könne, und die habe er Ihnen geschenkt?! Ich dächte doch, gerade die, an der er ganz besonders hängt, müsse er Ihnen schenken!?«
»Mein Herr, was sind Sie von Beruf?!«
»Ich?! Beamter!«
»Dann könnten Sie unbeschadet Ihres Berufes so etwas riskieren. Mein Freund ist »Dichter«, er hat für die Menschheit zu arbeiten, da könnte ihn der Verlust einer seiner Lieblingsvasen darin empfindlich stören!«
»Sie verteidigen noch diesen krassen Egoismus?!«
»Ja, den, der Tausenden zugute kommt!«
Als mein Vater endlich, mit 63 Jahren, ganz zugrunde gegangen war und nicht mehr Trabukos zu 18 Heller, sondern nur mehr Kuba zu 12 Heller rauchen durfte, sagte er: »Nun habe ich auch noch das Glück des sich Beschränkens kennen gelernt!«
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Ein Herr, der mir eine Monatsrente von 15 Kronen ausgesetzt hat: »Sagen Sie, Peter, kann ich meine neue Freundin an Ihren Stammtisch abends bringen?! Ich möchte es nämlich, daß sich durch den Verkehr mit Ihnen ihr Horizont allmählich erweitere!«
»Für 15 Kronen kann ich gar keine Horizonterweiterung liefern. Mein billigster Horizont kostet 25 Kronen monatlich. Mit dem für 15 wäre Ihnen nämlich auch gar nicht gedient, da bleibt's a blöde Gans!«
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Meine kleine Freundin vom »Apollotheater« klebte über den Spiegel in ihrer Garderobe meine Ansichtskarte: »Ein Baum mit Apfelblüten soll dich bereits tief beglücken können! Schaue nicht gespannt erst aus, ob ein Lohengrin in silberner Rüstung zu dir heranschwimmt!«
Da sagten ihre » Kolleginnen«: »Was hast von an Apfelbaum?!«
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Die »ironische Note« im Gespräche ist ein Trick, um sich, nein, um die anderen darüber zu täuschen, daß man eigentlich ein ganz seelenloser, geistloser roher Bursche sei!
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Wenn ein hübsches Mädchen über einen Sommeraufenthalt sagt: »Nein, dorthin gehe ich nie mehr in meinem ganzen Leben!«, so heißt das nicht: »Die Wälder, die Bäche, die Seen sind dort nicht genug schön!«, sondern: »Dort hat mir niemand auf Tod und Leben den Hof gemacht!«
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Wenn ein Mensch, der »Größenwahn« hat, sich einmal in eine falsche Sache verrennt, ist er verloren! Verrennen darf man sich nur in echte Sachen!
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In Belgien blendet man Singvögel in Käfigen, damit sie, von der Umwelt ungestört, besser, feiner, leidenschaftlicher singen! Ein ähnliches tragisches Schicksal hat eine edle Frauenseele, die ein häßliches Äußeres hat; auch sie lebt geblendet, niemand lenkt sie ab durch Liebenswürdigkeiten; im Käfig ihres Lebens singt sie desto süßer-melancholischer!
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Mein Stubenmädchen, nach der Lektüre meiner letzten Skizze: »Ihre Dichtungen sind so weit nicht schlecht, man kann sogar profitieren davon, aber Sie dichten zu schwer, Sie müssen leichter dichten. Zum Beispiel, dieses Wort »mysteriös« versteht niemand, was haben's also davon, wann Sie's verstehn und Ihre paar Freunde wie der Loos und der Kraus?! Aber wir, die ganze Welt, wollen's auch kapieren!«
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Wie ist denn das mit diesem »Vor Gram sterben«?! »Vor Gram« stirbt man natürlich nie. Aber man verliert die Möglichkeit, zu essen, man kann keinen Bissen hinunterwürgen, und wenn, so liegt er einem im Magen wie ein Kieselstein! Die Lebensmaschine versagt ihren Dienst. Infolgedessen erst stirbt man wirklich dahin, weil die Maschine stehen bleibt. Man möchte vielleicht sogar noch oder wieder aufleben, aber es geht nicht mehr. Man stirbt nie »vor Gram«, aber nach Gram! Gram ist eine langsame Vergiftung der Lebensmaschine!
*
Skeptiker, Ironiker, haben recht. Sie können es wirklich, aufrichtig nicht begreifen, daß man feiner sei als sie. Ich z. B. halte Knut Hamsun für feiner als mich! Deshalb bin ich sein Verehrer, und kein Skeptiker, Ironiker. Ich denke nie: »Dieser Knut Hamsun, dieser geschickte Halunke!« Ich denke: »Knut Hamsun, sei bedankt, verehrt, gesegnet!«
Meine Mama und ihre Schwester, meine Tante, waren als Mädchen so schön, daß sie auf einem Balle einem Erzherzog vorgestellt wurden. Infolgedessen verliebte sich mein jetziger Onkel, der auch schon gestorben ist, damals in meine Tante, die nichts hatte, und begehrte sie zur Frau, damals hat man noch geschwind geheiratet. Meine Großmama, auch eine ehemalige Beauté, sagte: »Zuerst muß die Älteste, die Pauline (meine Mama), angebracht werden!« Da sagte mein Onkel Emmerich zu meinem nachmaligen Papa: »Du, du mußt die Pauline heiraten, denn ich will die Hermine heimführen!« Mein Vater sagte: »Aber das ist doch selbstverständlich, ich werde doch deinem Glück nicht im Wege stehen!«
So heirateten zwei Brüder zwei Schwestern, und, was die Hauptsache ist, dadurch wurde ich! Niemand von uns allen Fünfen hat es bereut. Man will doch auch einmal zusehen, wie es auf Erden zugeht!
»Ich, Bettina, habe eine Todesangst vor dem Altwerden!
Wie habe ich dann noch das Recht, meinen liebevollen Gatten auszunützen, wie bisher?!
Bisher, bisher ist es mir Elender, Schwächlicher, gelungen, es ihm beizubringen, ich sei wertvoller als alle anderen. Und das ist doch die Hauptsache, nicht?!
Ich weiß es nicht, ob er daran je ernstlich geglaubt hat!?
Aber er hat sieh wenigstens so gestellt, als ob.
Er hat für mich gelebt, gearbeitet, gesorgt.
Jetzt aber, wo ich auf der Badezimmerwage bereits wiege, ich sage nicht wieviel?!
Immer sagte er: »Du Heilige, mit deinen 59 Kilo, bei deiner Größe!? Obzwar nackt!«
Ich verliere direkt den Mut, ihn auszunützen,
den einzigen, der uns Frauen weiterhilft!
Soll ich ihm es bekennen, daß ich mich bereits machtlos fühle?!
Vielleicht ist er dumm genug, darüber gerührt zu sein!
Meine Tochter gerät mir nicht nach – – –.
Vielleicht ist das ein Glück.
Ich koche fabelhaft, besonders Saucen, ich wasche, nähe, sticke, schneidere – – –
und sie kann nichts.
O ja, sie kann träumen, denken, lesen, begeistert sein und melancholisch sein.
Das alles kann ich nicht. Leider, Gott sei Dank.
Ich kann auch gern Landpartien machen in die Umgebung Wiens, im Frühling, Herbst.
Aber so wie sie kann ich es nicht.
Sie sagt jedesmal: »Heute stand es wieder einmal dafür, auf der Welt zu sein!«
Ich nehme es nur so mit zu allem anderen, nebenbei, so besonders ist es ja nicht!
Meine Tochter gerät mir nicht nach.
Habe ich es zu bedauern, zu begrüßen?!
Ich weiß es nicht – – –.
Wer nicht das absolute Bewußtsein hat, daß Niemand eben doch seiner Geliebten mehr geben könne, hat nicht das Recht, eifersüchtig zu sein! In »sexuellen« Dingen weiß man das nie, in »seelisch-geistigen« immer! Daß Frauen bei »sexuellen Dingen« aber seelisch-geistig anhänglich, unterwürfig, gläubig werden, ist ihr »physiologisches Heidentum«! Ihre Schuld, ihre Untat! Jeder Mann kann mich ersetzen, mein Leibliches, aber nicht mein Geistiges, das über deinem geliebten Leben schützend in Höhen herab sich ängstigt! Ich gönne jedem das, wozu er fähig ist! Aber nicht das, wozu er nicht fähig ist, dich ernstlich wie ein zartes Kindchen besorgt lieb zu haben!
Der, den ihr Atem während des Sprechens bereits selig macht,
kann den nicht verstehen, der sie
ganz besitzt!
Der, der sie
ganz besitzt, kann aber
noch weniger den verstehen,
den ihr Atem während des Sprechens
bereits glücklich macht!
Zwischen diesen beiden Welten » pendelt« die begehrens werte Frau! Hin und her.
Und dann mischt sich noch
die drein,
die nicht
begehrenswert ist!
Unter dem jesuitischen Deckmantel »Anständigkeit« schleicht sie sich mit ihren vergifteten Dolchen heran an die Begehrenswerten!
Die Einen beglücken oder zerstören, gleichviel,
sie
bewirken!
Aber die letzteren sind Samum, Wüstensand!
Er hatte sie irgendwo, in einem Garten, gesehen. Er war so entzückt, denn sie sah aus wie eine 17jährige Franziska P., die erst 9 Jahre alt war. Als sie in seinem Zimmer auf dem Sofa saß, mußte er hinausgehen momentan, obzwar seine Brieftasche neben dem Kopfpolster lag. Er nahm sie ungeschickt-gleichgültig-verlegen an sich. Als er hereinkam, sagte sie: »Ich hätte Ihnen nichts herausgenommen!«
»Da haben Sie recht! Das konnten Sie nicht wissen! Aber bitte, könnten Sie sich nicht eine vorstellen, bei der Sie es wissen könnten, oder es sich einredeten, es zu wissen?!«
»Ja, allerdings!«
»Nehmen Sie von nun an nur eine solche in ihr Zimmer mit, oder sogar ins ganze Leben!«
Mein Vater ist an S. zugrunde gegangen, mit 41 Jahren.
Ich war 13 Jahre alt.
Ich habe seine kranken Nerven mitbekommen.
Ich bin glücklich, daß meine kranke Seele, meine unbeschreiblich empfindliche, sein Vermächtnis ist, an dem ich leide!
Ich setze ihn fort, der nicht mehr ist!
Meine Mutter sagt: »Er war ein guter Mann!«
Aber, siehe, ich trage ihn in mir unter unwissenden Tränen!
Ich sage nichts über ihn, da ich ihn kaum kannte!
Aber alles, was ich bin und leide,
spricht über ihn!
Er war krank, und
ich bin krank,
meine Mutter ist
urgesund.
Da
flüchtete ich denn zu dem Dichter,
der schon in seiner Mission
auch krank ist
am ganzen Leben!
Wenn der Liguster darüber besonders erfreut wäre, daß der Ligusterschwärmer (Abendschmetterling) gerade ihn bevorzugte, so wäre es nur blöd eingebildet von ihm. Denn der Ligusterschwärmer »fliegt« des Abends auf alle Liguster ohne Unterschied. Wenn er einen bestimmten wegen seiner exzeptionellen Konstitution bevorzugen würde – – – dann ja! Aber das tut er nicht. Das kommt nur in »schlechten Romanen« vor. Wenn ein einzelner Liguster-Strauch sich das einredet, tant pis! Was kann der arme Ligusterschwärmer (Abendschmetterling) dafür?! Er »fliegt« auf alle! Freilich, wenn kein anderer Liguster da ist, weit und breit, dann fliegt er natürlich auf den einen, der gerade da ist!
Hindenburg sagte gesprächsweise: »Zum allerletzten Male besteige ich dann mein Pferd, wenn ich mit meinem Kaiser durch das Brandenburger Tor einreite! Dann nehme ich die erste beste Droschke, rasch zu meiner lieben alten Frau, und kein Mensch mehr sieht mich je wieder auf Erden!«
Ich weiß nicht, welche Ungerechtigkeiten ich kürzlich wieder an dir begangen hab aus Eifersucht,
jedoch seit drei Tagen hast du
gekränkte Hände!
So abgezehrte zarte weißschimmernde fast verwelkende Händchen.
Das ist mehr als gekränktes Antlitz!
Denn auf diesem »Spiegel der Seele« prägt sich alles sogleich brutal schmerzlich aus, was vorgeht.
Ein Wort am unrichtigen Platz genügt, ein Abgewendetsitzen, gelangweiltes Schweigen genügen, es schmerzlich plötzlich umzugestalten.
Jedoch die Hände halten viel mehr Leid aus,
bevor sie klagen!
Was hab ich dir getan?! Du hast »gekränkte Händchen«!
Verstörtes Antlitz halt' ich eher aus!
Nächst Dir verehre ich nur
einen Mann, Deinen liebevollen Pfleger Josef Hennerbichler, vom Jahre 1912,
von dem Du mir erzählt hast, er betreute Dich wie eine Mama ihr krankes Kindchen!
Wenn Du auf einen mit Recht eifersüchtig wärest, es wär auf diesen Unbekannten! Diesen Peter-Pfleger.
Für alles Zarte, Liebe, Besondere, Aufmerksame, was er Dir geleistet,
ich kenn ihn nicht, könnte ich sagen: Nimm mich hin!
Natürlich nur, wenn es ihm ernstlich Freude machte!
Wie ist es?!
In meinem Zimmerchen gehe ich nun wieder auf und ab, rastlos,
mit 57 Jahren hart belastet,
wie einst mit 20,
da ich
Marie Renard, jetzige Gräfin Kinsky,
in »
Manon« sterben gesehen hatte in der Hofoper?!?
Damals dachte ich ununterbrochen:
»Was kann ich für dich tun, was, was?!«
Mir fiel nicht einmal ein Gedicht, ein Brief ein,
Gott sei Dank für sie.
Denn dieses stammelnde Gewäsch lesen zu müssen, macht nur eitel und langweilt!
Und nun, nach 37 Jahren, für Anni Mewes von der » Volksbühne« dasselbe seelische Geplärre?!?
Alter Esel, gibst du keine Ruh?!
Ich habe eine Freudennachricht erhalten: Die Bulgaren sind nicht deshalb so langlebig, weil ihr Nationalgericht das Joghurt (Lacto-Ferment) ist, sondern weil sie so viele religiöse Fasttage haben, die sie streng einhalten! Menschheit, du überissest dich!
*
Nachdem ich drei Monate lang ununterbrochen vorwurfsvollste, bitterste Anspielungen gemacht hatte wegen einer Zigarette, die sie sich von Herrn X. L. erfreut liebenswürdig hatte anzünden lassen:
»Nun will ich dir es eingestehen, mein Geliebtester, ich tat es, um dich zu reizen, festzuhalten!«
»Dann bist du eine Hurennatur. Es gibt nur drei anständige Mittel, den Geliebten festzuhalten: Der splitternackte ideale Leib, die splitternackte ideale Seele, der splitternackte ideale Geist!«
*
» Real-Idealisten!« War dieses Wort schon früher in der Welt, oder ist es von mir?! In der Welt war es jedenfalls schon vorher, aber vielleicht erst in mir lebendig geboren!
*
Königin Christine von Schweden, Von August Strindberg, Drama. Ungezogenes Kindchen, eitellüsternes Weibchen, Mann-Intelligenz zusammen. Solang sie jede dieser Eigenschaften an ihrem gehörigen Platz anwendet, ist sie genial, sonst sogleich eine verhängnisvolle Gans. So ist es doch immer und überall im Leben!
*
Snobismus: Es gibt Menschen, die den merkwürdigen fast pathologischen Ehrgeiz haben, es uns zu beweisen, daß sie besser seien als sie scheinen! Sie sind es ja auch unbedingt. Aber beweisen werden gerade sie es uns eben doch durch gar nichts!
*
Wenn man nicht schon als Kind ein Dichter war, später erlernt man es nicht mehr!
*
Wenn meine Mama auf den »Ball« ging, die Friseurin um sieben kam, die Schneiderin um acht zur letzten Probe, wurde ich momentan zum traurigen Dichter. »Sie geht weg, aus dem Hause, bei Nacht, in eine fremde Welt, und hat doch ihr banges Söhnchen zu Haus, pfui! Schäme dich, süße vergötterte angebetete heißgeliebte, plötzlich weltlüsterne prachtvolle aber nunmehr für mich belanglose Dame!«
*
Eine junge hübsche Dame hat geheiratet, irgendjemanden, der ohne sie nicht mehr leben wollte. Nach einem Jahre sagte sie: »Irgendetwas Besonderes muß geschehen!« Und kaufte sich für fünfzehn Kronen zwei Inséparables, Wellensittiche, und einen herrlichen weiten weißen Käfig. »Ich werde sie mir abrichten, daß sie wissen, wer ich bin! Ich will es merken, daß sie mich vor allen anderen herauserkennen, mehr kann man ja nicht von Diesen verlangen!«
*
Annie Mewes
»War mein schwarzes Glockenrock-Tüllkleid mit schwarzen Samtbändern nicht entzückend?!«
»Ja, aber nur dadurch, daß Sie drin waren!«
Von der Dachluke hing eine schmale schwarzgelbe Fahne bis zum blauen Balkon mit den rosa Geranien herab, dort war sie befestigt. Die Dachschindeln schimmerten stahlrostbraun, der graue Thermometer zeigte 21 Grad im Schatten. Eine Dame ging in der einsamen Juni-Gasse mit einem schwarzen Fransenschal. Ein brauner Stallpinscher spielte mit einem Papierfetzen. Durch die Spiegelscheiben des Kaffeehauses sah man, wie zwei sich politisch ereiferten. Noch drei Fahnen wurden ausgesteckt, weiß-rot und schwarz-gelb. An einem Fenster erschien eine Rotblonde, sah die Gasse auf und ab, aber nichts kam, nichts ereignete sich für sie. Jemand rief laut: »He, Auto!« Es wurde immer dunstiger. Auf dem Fensterbrett der zwölfjährigen Nachbarin Lucia D. standen vier Nelkentöpfe. Sie hatte sie vom Schreiber dieser Zeilen bekommen. Ihr Vater hatte infolgedessen gesagt: »Dieser Mensch scheint gar keine tieferen Interessen zu haben in einer solchen Zeit!«
Herr von Hodler hin und Herr von Hodler her! Ein Scherwenzeln war um diesen vollbärtigen Schweizer, Hotelportier oder Bergführer, holorodidlioa, daß einem ganz schlecht wurde vor Weihgeräuch und verklärt Anstarren! Nun ja, er pinselt gut, er pinselt kräftig, er pinselt originell. Aber er ist ein brutaler Kerl, ein Kraftmensch für gebildete Schulmädel. »Herr von Hodler, darf ich höflichst bitten, um ein Autogramm!? Der Herr von Léhar steht auch schon drin!« »Herr von Hodler werden uns doch die Ehre geben auf unserer Soirée?!« Und Herr von R. kaufte gleich alles zusammen, wie es geht und steht, 40 000 Mille und noch einmal. Und dieser Hodler hat sich jetzt herausgestellt als der, der er immer war, ein kraftgenialischer roher Hund! Wohlerzogenheit ist wichtiger als Talent! Aber das wollen die – – – Unerzogenen nicht zugeben, die außerdem kein Talent haben! Was könnte Herr Hodler von Deutschland und Österreich übrigens noch grabsen?! Seine Bilder hat er verkauft, geehrt ist er worden, und selbst Klimt hat gesagt: »Peter, das ist einmal einer!« Ja, einer ist er! Aber was für einer?! Nebbich!
Zart lebt' ich dahin, und niemand erzog mich!
Niemand brachte mich zu meines eigenen Keimens Blühen! Anita ward nie zu Anita –
Man schätzte mich so wie ich war, statt es nur als Beginn eines edlen Beginnens zu nehmen!
Gleich lag man vor mir auf den Knien und huldigte mir!
Ich hätte gern zu einem adeligen Lehrmeister gebetet, der mich hie und da vorwurfsvoll-traurig angeblickt hätte – – –.
Er hätte wiederholt sagen müssen, mit lautlosem Blicke: »Konntest du mir das also antun!«
Aber niemand nahm sich die Mühe, man huldigte mir –.
Auf den Knien liegen ist leichter, als aufrechten Ganges geleiten! Und den Kopf uns verdrehen, statt ihn gerade zu richten!
Ich suchte »Selbständige«, und fand »Unselbständige«!
An mich, diese wankende Wand des Lebens, lehnte man sich an, und alle begrub sodann die gemeinsame Eitelkeit!
Arme Anita – – –.
Er arbeitete sich aus dem Nichts hinauf, war ein Bauer, gründete aber ein Berghotel für 100 000 Fremde. Eine weiße »Halle« war da, vier Stockwerke hoch, mit einem unsichtbaren Orchester auf der ersten Galerie. Er zeugte zwei herrliche Mäderln, deren Jauchzen und Gezwitscher süßer, melodischer war als das Zwitschern der Vögel im Morgen-Bergwalde hinter dem Hotel. Er stand von früh bis abends in einem engen elektrisch beleuchteten Kämmerchen an einem Stehpulte, und rechnete und rechnete. Alle beneideten ihn. Um was, das wußte er selber nicht. Um alles, und daß er einst nur ein Bauernsohn war. Aber das war ja mehr. Aber wenn die anderen finden, daß es weniger sei, dann ist man doch also doch mehr. Plötzlich starb er an Magenkrebs. Alle sagten: »Er hat sich überarbeitet, seiner Familie zuliebe, seinen Kinderchen!«
Andere sagten: »Aus Ehrgeiz!« Aus Ehrgeiz stirbt man also mit vierzig, hat dadurch zwanzig Jahre Lebenstätigkeit eingebüßt!? Die Kinder aber hatten Gouvernanten und verkehrten nur mit der Crème de la Crème. Ist das besser als mit Bauern?! Scheinbar. Denn sonst erstrebte man ja einen solchen Blödsinn nicht! Ich will nicht sagen, daß sie unglücklich wurden, denn das wäre eine billige Philosophie. Und außerdem weiß ich es nicht. Aber daß sie nicht besonders glücklich wurden, das weiß ich Gott sei Dank! Licht, Luft, Heiterkeit waren dem Vater nicht beschieden, er rechnete und rechnete also stets – – – falsch!
Wenn jemand meine Geliebte im Restaurant vertraulich berührt, kann ich nicht einmal sagen: »Sö, wer hat den Kas' zahlt?!« Denn ich zahle ihn nicht.
*
Le chien jouit de la chienne – – – l'homme abuse de la femme!
»Sagen Sie, die Blumen, die Schmetterlinge in Japan, das müssen ja lebendige Gedichte sein!«
»Nein, das ist so wie bei uns, es ist ja auch dasselbe Klima!«
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»Die jungen Japanerinnen?! Recht nett. Aber eine schaut gerade so aus wie die andere!«
»Für Sie!«
*
»In Zeylon haben wir Elefanten-Glocken heruntergehandelt von 3 Kronen bis auf 50 Heller!«
» Sogar in Zeylon!?«
*
Die meisten Weltreisenden betrachten weiblicherseits die »farbigen Rassen« als reizende Tierchen. Sie aber euch als ekelhafte Tiere!
*
Der Weltreisende ist ein Schädling der Kultur! Was müssen sich denn da die Unkultivierten von der Kultur für ein Bild machen?!
*
In Joschiwara, der Bordellstadt, erfährt nie eine Einzige von den 1000 Zarten, daß man sie auch um ihrer selbst willen lieb haben könnte! Die Million fremder Besucher ist daran schuld!
*
Einer machte in China Skandal wegen zehn Heller. Gelassen bewies man ihm, daß er sich geirrt habe!
*
Die Welt ist doch keine Menagerie für reiche Leute!
*
»Ich schöpfe nicht aus der großen unbekannten Welt, ich schöpfe aus meiner kleinen bekannten! Zufällig ist sie aber das getreue Abbild jener großen mir unbekannten!«
Wien, 22. März 1915
Euer Hochwohlgeboren!
Sehr geehrter Herr!
Empfangen Sie unseren verbindlichsten und herzlichsten Dank für die edle, menschenfreundliche Anteilnahme, die Euer Hochwohlgeboren den ärmsten aller Jugendlichen, den mißhandelten Kindern erweisen und die Sie stets unseres Vereines gedenken läßt. Bezüglich des Falles Melzer gestatten wir uns zu bemerken, daß uns bereits im Februar 1. J. eine Anzeige über die Mißhandlung des Kindes zukam. Wie wir aber bei unseren Erhebungen feststellten, war der Junge wieder zu seiner Pflegemutter auf dem Lande, wo er früher sich befunden hatte und gut gehalten worden war, gebracht worden, sodaß ein weiteres Einschreiten unsererseits derzeit nicht notwendig erschien. Wir lassen von Zeit zu Zeit erheben, ob der Knabe noch immer auf dem Lande ist, und werden, falls die Mutter ihn zu sich nehmen wollte, uns rechtzeitig ins Mittel legen.
Schließlich danken wir noch bestens für die uns gütigst übermittelte Spende.
Mit dem Ausdruck verehrungsvollster Hochschätzung
ergebenst für die
Kinder-Schutz- und Rettungs-Gesellschaft
Wien I, Himmelpfortgasse 9.
Dr. Billing.
Euer Hochwohlgeboren!
Sehr geehrter Herr!
Wollen Euer Hochwohlgeboren für den neuerlichen Beweis der edelmütigen und opferwilligen Anteilnahme, mit dem Sie das Geschick der bedauernswertesten aller Kinder, der mißhandelten, verfolgen, und die Sie auch stets unseres Vereines gedenken läßt, unseren allerinnigsten und herzlichsten Dank entgegennehmen.
Gleichzeitig erlauben wir uns mitzuteilen, daß wir uns in dem Falle Stetina schon im Laufe der Strafverhandlung gegen die Eltern mit dem k. k. Bezirksgericht Währing ins Einvernehmen gesetzt hatten und Schritte zur Aufnahme des Kindes in unsere Obhut eingeleitet haben.
Genehmigen Euer Hochwohlgeboren die Versicherung unserer aufrichtigsten Verehrung und Hochachtung
Wien, 28. April 1915.
Der Präsident der
Kinder-Schutz- und Rettungs-Gesellschaft
Wien I, Himmelpfortgasse 9.
Wien, 12. Mai 1915
Sehr geehrter Herr Altenberg!
Erlaube mir mitzuteilen, daß ich gerne bereit bin, Ihnen Ihr Souper frei zur Verfügung zu stellen und zwar in, meinem Hotel Residenz sowie auch fallweise nach Ihrem Belieben für Ihre Dame.
Sie können überzeugt sein, daß es mir Freude bereitet, einem österreichischen Dichter sein nicht allzu sorgenfreies Dasein erleichtern zu können, und bitte Sie, recht oft Gebrauch von meinem Anerbieten zu machen.
Mit den besten Grüßen
Ihr Ludwig Domansky.
Sehr geehrte gnädige Frau!
Sie haben Ihren dummen beschränkten hochnasigen arroganten Mann schließlich betrogen, das verstehe ich. Aber daß Sie sich viermal von ihm schwängern ließen, das verstehe ich schon weniger. Nach dem erstenmal wäre ich zur Besinnung gekommen! Aber nun, auch das kann man noch so irgendwie verstehen! Aber daß Sie um Ihr geliebtes Töchterchen sich grämen, weil sie, intuitiv-genial, noch keinen gefunden hat, das, das, das ist unbegreiflich! Außer Sie haben die teuflische Empfindung: »Weshalb soll sie es besser haben als ich?!« Oder, pardon, erwarten Sie den Prinzen Pimsti-Pampsti für sie mit der Seele des Torquato Tasso?! Ihre Tochter soll froh sein, daß sie den Lümmeln entgangen ist! Sie bricht die Ehe vor der Ehe! Das ist aber anständiger!
Freude an seiner eigenen Unnahbarkeit haben – –
bewußte ehrlich-stolze Freude daran haben,
das erst heißt, wahrhaftig
einem treu sein!
Wissen, spüren, ahnen, wer einen »haben« möchte,
und
dennoch für niemanden zu »haben« sein!
Dieses Reinlichkeitsgefühl als Reinheit direkt spüren,
wie Körperreinlichkeit nach Fichtennadelbade!
Den Duft der eigenen Seelenreinlichkeit in sich tief-süß einatmen!
Das allein heißt »wirklich« einem treu sein!
Nicht das Vorgeschriebene, sondern das eigenwilligst Gewollte und Erstrebte ist Treue!
Das, was nicht anders sein kann wie das Atmen und der Pulsschlag! Kann ich es verhindern?! Es muß von selbst.
Wehe euch Feiglinginnen, die ihr aus Dankbarkeit, Geld, Rücksicht, Ruhebedürftigkeit, Anständigkeit, Getreue bleibt!
Bleibt ihr es denn?!
Die Christen sind selbstverständlich ebenso habgierig wie die Juden. Nur sind sie nicht so raffiniert geschickt dabei! Aber daß sie das nicht sein können, trotzdem sie es ehrlich wollen, das ist ihre Edel-Rassigkeit! Nicht lügen können z. B., wenn man es noch so gerne zum eigenen Vorteile möchte, es einfach nicht zusammenbringen, aus Ungeschicklichkeit, Verlegenheit, das ist edelrassig! Nicht, etwas nicht tun, sondern etwas nicht tun können, darauf kommt es an!
Frauen, die einen ernstlich lieb haben, haben dennoch immer und ununterbrochen die Idee, daß es ihnen nützen möchte, wenn ein anderer auf sie »fliegt«. Das ist doch aber so natürlich auch, daß es direkt eine blöde Gemeinheit wäre, ihnen daraus einen Vorwurf zu machen! Im Moment, wo du dich nicht darüber kränkst, verliert es für sie auch jegliche Bedeutung! Vorwürfe verletzen sie; sie will nämlich zu dir sprechen dürfen: »Peterl, aber Peterl, was ist denn schon wieder los, um Gotteswillen?!« Sie will es vernehmen, daß du sagest: » Aber gar nichts!« Sie will sich weiden an deiner Kränkung. Laß sie doch weiden! Wenn sie dich nämlich wirklich los werden möchte, dann macht sie ein steinernes unerbittliches Gesicht, wie des Teufels Strafgericht! Da fragt sie nichts, sondern hofft nur im stillen: » Krepiere, Idiot! Verschwinde!«
Verstopfung, zu deutsch: Obstipation, erzeugt bereits eine leichte Form von Kretinismus! Durch richtig ausgewählte leichtestverdauliche Nahrung und ideale Abführmittel (Cortex Rhamni Frangulae, ein Kaffeelöffel voll) kannst du, mein Freund, aus einem Ochsen sogar ein Genie werden! Ich bin auch erst auf diesem Umwege dazu gekommen!
Du bist natürlich das Beste, was es überhaupt an Frauen-Exemplaren auf der Welt gibt! Identität von höchster Intelligenz und höchster Sexualität, eines im anderen seine Quelle, seine Wurzel findend! Eines vom anderen sich nährend! Aber eben deshalb hast Du allein die Verpflichtung, das » Problem« zu lösen, einem besonderen und verehrten Manne nur Geberin, Radium, Magnetismus, Elektrizität, Lebenselixier, Mysterium, Medizin, Heilkraft zu sein, ohne ihn je, je, je, zu schwächen durch egoistische Ambitionen! Deine Mission sei Dir von selbst Belohnung, Ehre, Glück! Lasse die anderen sich abquälen in ihren kleinen Errungenschaften, Deine große Errungenschaft sei Dein Dienst in wichtigeren Angelegenheiten! Desavouiere das »Genie Strindberg«! Er erbleiche und bekehre sich! Du dienst!
Du schenkst mir deinen
schönen Leib,
Du schenkst mir deine
schöne Seele,
Und ich?!
Ich schenk' es
wieder weiter in meinen
Dichtungen
an alle fremden Frauen, fremden Mädchen!
So arbeitest du mit mir am Werden einer besseren zarteren Welt!
Man wird dir es nie danken, du Zarteste!
Dank ist das Selbstbewußtsein, mitgeholfen zu haben, irgendwie!
Einem geliebten Menschen nicht ganz genügen, und es zu wissen, daß man ihm nicht ganz genüge, und es durch Tränen, Szenen, Skandale, Drohungen, Eifersuchtserregung, Vorwürfe, Selbstmord-Inaussichtstellen, ausgleichen wollen – – – das ist tragisch! Weil vergeblich. Alles Vergebliche ist tragisch.
*
Wiener Witz:
Ordentlich sich anfressen und ansaufen, ist bereits a halbe Nahrung!
*
Steirisch:
Mei Voder war a Musikant, und i bin a Tanzer,
mei Voder war a halber Narr,
und i bin a
ganzer!
*
Land-Philosophie:
Land-Philosophie: »Je mehr du deinem Hund in die Augen schaust, desto mehr haßt du deine Weiber!«
*
Die Wahrheit über alle Dinge ist doch
so einfach – – –
und die Lüge ist doch
so verworren!
Weshalb, um Gotteswillen, wollt ihr also nicht die Wahrheit?!
Weil sie zu einfach ist, zu uninteressant!
Ja, aber es ist doch die Wahrheit!
Leider! Wenn sie interessanter wäre! Aber so?!
Da muß man schon ein Diogenes sein dazu und ein Cato!
Aber wie sehr entfernt sind wir von diesen Lebenshelden!?!
Die Lebenslüge ist das warme, scheinbar sichere Nest aller Verlogenen! Da huscherln sie sich bequem hinein, in ihre Lüge! Nein, unbequem!
*
Die meisten vollkommen schönen, verwöhnten Frauen und Mädchen betrachten die ganze Pracht der Welt nur als Theaterdekoration zu diesem einzig interessanten und wichtigen Stücke ihres eigenen Lebens! Der weite Markusplatz zum Beispiel, im Hintergrunde die Markuskirche, rechts der Dogenpalast, wurden nur geschaffen von Gott, Historie und Schicksal, um eine angenehme richtige Staffage zu bilden, wenn sie abends mit ihren Kavalieren dort promeniert! Ebenso der Meeresstrand, damit sie sich dort im nassen Trikot, also mehr als nackt, dezent zeigen könne in ihrer allerdings Vollkommenheit! Schneeberg-Rax-Ausflüge sind dazu da, damit sich auf denselben ein Millionär in sie irrsinnig verliebe! Desgleichen Beethoven-Konzerte und Schubert-Liederabende! Alles, Alles, Alles zu ihrem Hofdienste! Das glauben, das hoffen diese Eselinnen ernstlich!
Sie war mit ihrer Vierjährigen, Süßen, Lieblichen bei »Schneewittchen« im Theater. Sie war sehr besorgt wegen seelischer Aufregungen des zarten Kindesorganismus. Als es hieß, Schneewittchen werde also nicht im Walde geschlachtet, sondern nur ein Reh an ihrer Stelle, war sie ganz entlastet. Da sagte die Vierjährige: »Nein, wenn ich schon nicht Schneewittchen abschlachten sehen soll, wird wenigstens das Reh wirklich vor uns geschlachtet?!« Und als die böse Stiefmutter in glühenden Pantoffeln tanzen sollte, sagte sie: »Das wird ja wieder nur bloß erzählt werden!«
Die » niederen« Menschen, die aus den » Niederungen« der Seele, haben es leichter durchzudringen als die »Höheren«. Sie haben » niedere« Mittel zur Verfügung, Dumdum-Geschosse der Seele! Zum Beispiel, einer, dem du es aufrichtig gesprächsweise mitteilst: »Sehr lieb ist Ihre Dame und nett, aber häßliche, unkünstlerische Hände hat sie!« Er geht sogleich hin und tratscht es. Könntest du einem so infam sein Grab graben bei einer Dame?! Nein, du würdest ihr es mitteilen, daß man sie sehr lieb und nett gefunden habe, und würdest den Nachsatz absichtlich und selbstverständlich verschweigen! Aus Menschlichkeit! Aus adeliger Gutmütigkeit! Aber der »niedere« Mensch muß, will mit anderen Mitteln arbeiten, um sich durchzusetzen! Er fürchtet und haßt die Zartheit, die Noblesse, den Takt, die Größe deiner Seele instinktiv, deine gelassene Wahrheitsliebe, deine adelige objektive leidenschaftslose schriftstellerische Betrachtung der Dinge von oben herab! Denn siehe, er ist mitten und tief drinnen, im Sumpfe seiner schleimigen Seele! Und so ist es in allem und in jedem. Das war nur ein Beispiel. In allen, in allen Dingen des Lebens handelt er ebenso heimtückisch, feig, frech, un – menschenfreundlich! Siehe, er ist nämlich ein Enterbter des Schicksals! Schaue ihn an, wie er schreitet und grüßt, steht und sitzt, spricht und schweigt, tanzt, schwimmt, taucht, Stelzen geht, turnt, sich aufregt oder in sich zusammenfällt; kurz bei jeder seiner Kundgebungen ersiehst du es: er ist ein Enterbter des Schicksals! Solche Menschen wollen sich instinktiv ununterbrochen rächen an den anderen, die unter der Sonne geboren sind eines gnädigeren Schicksals! Was können sie auch wirklich dafür, daß sie hatschen und die anderen schweben?!?
Weshalb gibt es bei uns so wenig Sorten dieser Leonoren Sanvitale im »Tasso«, dieser Iphigenien, dieser Dorotheen, dieser Edel-einfach-Würdevollen?!
Weil sie bei uns sagen: »Gott, er is zwar nicht immer sehr fein und wohlerzogen, aber g'spaßig und amüsant is er, man kann ihm nichts ernstlich übelnehmen! Weil sie, um die Anerkennung des Mannes sich nicht zu verscherzen (er rächt sich leicht, der Trottel, mit dem Wort: »eine Gans!«), ihm nachgeben, auf seine Art, seine Unart, eingehen, statt ihn zu ermahnen und ihn zu demütigen!
Sie fürchten seine Wortrache, diese Feiglinginnen!
Ja, wenn er noch eine »gute Partie« wäre!
Nein, er ist es nie, Ihr Unglückseligen!
Pfingstsonntag, sieben Uhr morgens. Mit einem Spritzschlauch wird er ausgiebigst beregnet. Niemand genießt ihn noch. Er ist unnötig schön, unnötig Friede gebend. Der düsterrote Azaleenstrauch war gestern abends schöner, romantischer. Es gehören Menschen herein, Kinder, Bonnen, ja sogar Liebespaare. Dann hat es einen Zweck, daß er schön ist. Für Dichter braucht man keine Gärten anzulegen, die dichten bekanntlich auch in Dachkämmerchen. Später kam eine gelbe Leberleidende, um im »Pavillon« Karlsbader zu trinken. Daß sich alle Menschen die Gesundheit so bequem wieder richten wollen!? Dreißig Jahre vorher diät leben! Im jungfräulichen Volksgarten, sieben Uhr, findest du höchstens »stupide Hoffnungsfreudigkeit«! Und dann, diese kleine kleine Oase in dieser Häuserwüste »Stadt«! Wie eine Nachtigall, der man in den Käfig ein grünes Büschlein steckt, auf daß sie diesen Wald ansinge mit ihren süßen Klagetönen!
Der Besuch der Gilda Langer.
»Mein lieber Herr Peter, daß Sie zarte aparte Sachen schreiben, das imponiert mir noch lange nicht! Irgend etwas muß doch ein vernünftiger erwachsener Mensch machen können, no, und Sie können halt gerade das! Aber daß Sie auch die apartesten vernünftigsten praktischesten Flaschenstöpsel, Zahnstocherbehälter, Zahnbürstchentrockner, Schwammschüsselchen, Tintenfässer, Aschenschalen, Türverschlüsse, Thermometer, Blumenscheren haben, die niemand anderer hat, das imponiert mir!«
*
Der Besuch der M. T.
»Und dieser ganze Krimskrams da in Ihrem Kabinette freut Sie?! Ein ›Tandelmarkt‹. Wie kann man so ›kindisch‹ sein in Ihrem Alter?! Einen Dichter hab ich mir ganz anders vorgestellt! Alles bei Ihnen ist so › praktisch‹, wozu, Sie sind doch kein Börsianer, um Gotteswillen?!«
(Aus der »Briefsammlung«)
Dokument der Seele.
Baronin V…, Sie sind die schönste Dame, die es für mich auf Erden gibt – – –.
Sie sehen aus wie ein überirdisches Gebilde, wie aus Welten, die erst kommen werden von Glanz und Hoheit – – –.
Teure Frau, Sie wandeln unter Gottes wohlwollendem und befriedigtem Blicke – – –. Denn Er, der ewige Idealist, wünscht sich seine Geschöpfe in ihrem Idealzustande, in ihrer eigenen erreichten Vollkommenheit! Deshalb liebt er eigentlich die edlen Bäume und die edlen Tiere zärtlicher als die unvollkommenen Menschen, die allzuwenig, allzulässig seinem edlen Sohne nachstreben – – –. Deshalb wandeln Sie unter seinem wohlwollenden und befriedigten Blicke!
Ich habe vor drei Jahren, in der Toreinfahrt des »Hotel Müller« am Graben, in der photographischen Auslage »Adele«, zum ersten Male Ihr Bildnis erblickt und wußte nicht Ihren Namen. Ihre Herkunft. Nun habe ich Sie 1908 zweimal im »Kabarett Fledermaus« gesehen! Und dann noch einmal über den Graben hinschleichend, hinschwebend, mit einem kleinen Knaben. Ich war tief tief ergriffen, als Sie entschwanden – – –. Da beauftragte mir zuliebe ein Freund einen Fiaker, Ihnen nachzufahren und für eine Belohnung von 25 Kronen Name und Adresse auszuforschen. Nach drei bangen Stunden kehrte er zurück, meldete Namen und Adresse.
Nun weiß ich, wie Sie heißen, wer Sie sind – – –.
Ich gedenke jener Dichter, die einst von einer solchen »Apparition« leben konnten innerlich, ein ganzes ganzes Leben lang – – –. Und mein Herz begann, durch Ihren Anblick, auch diese mysteriöse Kraft zu verspüren!
Tue nichts in Liebessachen,
was noch für dich nicht unentrinnbar ist!
Schicke keine Blumen,
wenn's für dich noch kein Unglück ist,
sie
nicht zu schicken!
Spare dir deine Enttäuschungen doch auf bis auf zuletzt!
Und auch wenn sie es dreimal sagt: »Coty, La rose Jacqueminot« ist mein Lieblingsparfüm,
zögere, ihr den »Coty« zu schicken!
Siehe, da du nur ein sterblicher Mensch bist,
mußt du für jede
Leistung Dank erhoffen;
der Kräfteausgleich liegt in der Natur,
die dafür sorgt, daß nichts
verloren gehe.
Aber die Ludern
haben keinen Dank;
was nützt Dir da die Natur mit ihren weisen Plänen?!?
Ich will eventuell meine Freundin gar nicht »in Besitz nehmen«, wie der technische Ausdruck lautet.
Aber ich will nicht, daß irgend jemand anderer sie als Lustobjekt benütze!
Dazu ist sie mir zu gut, da ich bereits glückselig bin, mit ihr einen Tagesausflug in die Brühl, Breite Föhre, Krauste Linde, Anninger,
zu machen, ohne sie auch nur zu berühren.
Meine Zuneigung ist: daß sie für keinen anderen zu haben ist!
Nicht, daß sie
mir gehört, macht unsere Zusammengehörigkeit aus,
sondern
nur, daß sie
niemand anderem gehört!
Mein Besitz ist: der Nichtbesitz aller anderen!
Eine Frau kann einem nur durch Verzicht etwas beweisen!
Obzwar sie es auch damit leider nicht beweist.
Allgemeine Tierliebe – – tiefste Menschlichkeit!
Jede private Liebe zu einem privaten Tiere verblödet jedoch das Herz!
Es ist eine ununterbrochene Konzentration von Gefühl und Rücksicht auf ein, seien wir ganz ehrlich, ziemlich bedeutungsloses Objekt! Ja, sich objektiv, künstlerisch erfreuen an der »getreuen Wachsamkeit« eines Hundes; an dem »irrsinnigen Schmettern« eines herzigen Kanarienvogels, der dann mit geneigtem Köpfchen und fragendem »pii – pii« scheinbar um Beifall bittet; an dem Gleiten eines Goldschleierschwanz-Fischchens; aber es ernst nehmen, ernst, ganz ernst, ganz tief ernst, sich subjektiv sorgen um diese blöden, nichtssagenden Geschöpfe, während die denkende, fühlende Menschen-Umwelt voller Leid ist, pfui! Wie schwächlich ist deine Seele beschaffen, wenn du sie an ein Tier hängst! Wie leicht ist dieses zur Dankbarkeit zu bringen! Versuche es doch erst einmal mit Menschen; da erst wirst du erschreckend erstaunen, wie geringfügig deine Mittel des Herzens sind, sie wirklich für dich zu gewinnen! Dichter versuchen es tapfer stets. Aber die Menschen begnügen sich mit dankbar wedelnden Hunden!
Allgemeine Tierliebe – – höchste Menschlichkeit!
Private Liebe zu einem privaten Tier verblödet das menschliche Herz!
Es entzieht ihm die Kräfte, die man den Menschen schuldet!
»Sie, sagen Sie, diese asexuelle Romantikerin soll doch nach ihrem geschiedenen Gatten einen ganz normalen Freund noch gehabt haben?!«
»Bei ihrem Gatten hat sie gemeint, es sei nur ein Irrtum in der Wahl gewesen. Aber nach dem Freund hat sie gesehn, es sind alle so! No, da ist sie halt Romantikerin geworden!«
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»Peter, man kennt ja deine radikale Verurteilung des » Spielers«, aber Richelieu hat gesagt: »Ein einziges Glück im Leben, im Spiel gewinnen, und ein zweites, im Spiel sogar verlieren!«
»Er war ein Hochstapler, ein Ochs und ein Verbrecher!«
»Aber Peter, der Richelieu?!«
»Pfui; was kümmern mich seine übrigen guten Eigenschaften! Schlimm genug, daß die Natur so etwas vereinigen kann!«
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Viele Menschen sind mit Recht gegen übertriebene Individualität. Sie muß nämlich so sein, daß ihre Beobachtung von seiten Andersgearteter diesen zugute komme! Nur meschugge sein, ist ein bißchen wenig geleistet für die Menschheit!
Schicksal
»No, no, Fräulein, san's nur net so abweisend, in zwanzig Jahren machen wir alle an großen Bogen um Ihnen herum, daß mer net eppa an Ihnen anstreifen!«
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Das wunderbarste Talent ist die Wohlerzogenheit, es ist das einzige, das man durch edle Selbstzucht sich erwerben kann!
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Die »satten« Menschen sind die zart penibelsten in »Patriotismus«! Damit man ja nicht merke, daß sie überhaupt keinen haben!
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Bei »Kaisers« und »Königs« ist das Menu selbstverständlich noch immer »französisch« geschrieben. Aber die soi-disant »bürgerlichen Kreise« wollen beweisen, daß sie auch in der »großen Zeit« mittun, und sagen daher statt:
»Filet de boeuf« ganz schlicht und sachlich nunmehr Rindslendenstück!
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Wenn eine junge Dame sich über das Wort »Popo« schamhaft skandalisiert, kannst du fast sicher sein, daß sie ihre liebevollsten Liebhaber und Anbeter hinten und vorn schamlos betrügt! Die »dehors« sollen die » dedans« verbergen! Die Männer sind schon einmal so stupid!
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Sie: »Ich habe leidenschaftlich gern echte Kameen!«
»Ah, wunderbar; wahrscheinlich erkennen Sie zart-empfindlich den ganzen Unterschied mit den nachgemachten?!«
»Nein, das nicht; aber ich befrage einen › Kenner‹.«
»Und dann gefallen sie Ihnen dadurch besser?!«
»Na, etwas Echtes ist doch schöner, wertvoller, als etwas Unechtes?!«
»Gewiß. Bei ›Brüsten‹ und ›Teint‹ stimmt es sogar!«
»Soll man sich denn auf besser Wissende nicht verlassen?!«
»Da haben Sie auch recht. Das Ganze ist zu verworren, um gerecht zu sein! Wie sollte ich Ihnen sagen dürfen: Jede Kamee ist ein Blödsinn!«
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Meine Freundin war in meiner Gesellschaft müde-bleich.
Da kam Gesellschaft, und sie wurde lebendig-rosig.
Diese Art von Treubruch versteht niemand.
»Sind Sie doch froh, daß sie angeregt ist!«
»O ja! Aber durch wen und durch was?! Durch Schubert, Hugo Wolf, Brahms, Landpartien, Knut Hamsun. Aber nur angeregt werden, weil irgendetwas anderes vorgeht, pfui! Pfui Teufel! Das ist ja bereits eine ganz leichte Form von › Hurerei‹!«
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Ich wollte heute, 4. November 1915, einhalb ein Uhr mittags, einer wunderschönen braungoldenen fünfzehnjährigen Bedienerin im Delikatessengeschäfte eine Krone schenken. Da sagte sie: »Nicht nötig! Ich gefalle Ihnen ja doch auch ohne das!«
Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig