Willibald Alexis
Walladmor
Willibald Alexis

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Sechstes Kapitel.

Sir Morgan Walladmor, aus einem alten, wie die Stammbücher und Familien-Traditionen besagten, aber dem ältesten Geschlechte in Wales stammend, zeichnete sich schon von Jugend auf unter den benachbarten Adlichen durch sonderbares Festhalten an längst veralteten Gewohnheiten aus. Er begnügte sich aber nicht allein damit, sondern suchte allmälig auch solche wieder einzuführen, welche schon seit Jahrhunderten geschlummert hatten. Da bekanntlich in keinem Lande die Cultur in den letzten Jahren so schnelle Fortschritte gemacht hatte, als gerade in den gebirgigen Distrikten von Wales, so war es natürlich, daß seine Sonderbarkeit immer mehr auffiel, und er hinwiederum, wo er unter seinen Stamm- und Standesgenossen Lauigkeit gegen die alten Sitten bemerkte, oder gar mit Spott betrachtet wurde, sich immer mehr von ihnen zurückzog, und bald auf seinem uralten Meeresschlosse ein Einsiedlerleben führte. Vor allem schmerzte es ihn, daß die alte Sprache der eingeboren Britten auch in ihrem letzten Zufluchtsorte, den Wälischen und Kornwallischen Gebirgen, immer mehr und mehr verschwand; und sein hauptsächliches Bestreben ging dahin, sie in einzelnen Kirchen aufrecht zu erhalten, und sie mitunter in seinem Hause sprechen zu lassen, was ihm indessen hauptsächlich um deshalb nicht recht gelang, weil er selbst sie nicht verstand, und erst in spätern Jahren das Studium angefangen hatte. Dagegen unterstützte er alle Unternehmungen, welche in den letzten Decennien von gelehrten, oder bloß aufgeblasenen Wälschen Litteratoren zur Illustrirung ihres Alterthums gemacht worden, und in seiner Bibliothek nahmen die Werke Wälischer Barden, mit allen ihren Commentatoren, die Geschichten des Gottfried von Monmouth nebst sämmtlichen, aus diesem fabelreichen Historiker entstandenen Rittergedichten und Romanen von König Arthur und den Helden seiner Tafelrunde, eine ganze große Wand ein. Die Gedichte des zweifelhaften Barden Lowarch hen Theließin prangten besonders in einem köstlichen Einbande. Auch hatte die Bibliothek einen Schatz von Schriften über die Entdeckung Amerikas; wenige meiner werden Leser aber wissen, daß der Grund dieser Auszeichnung nur darin lag, weil die Wälschen behaupten, ihr Fürst Madoc ap Owen Gwyneth habe im zwölften Jahrhundert diesen Welttheil entdeckt; und die Chronik Caraduosvon Llancarven, so wie das Buch des ehrlichen Pfarrers Ewan Theophilus über diesen Gegenstand, schlossen, als authentische Zeugen für den Wälschen Ruhm, die Bücherreihe über diesen Gegenstand. Als Friedensrichter hatte Sir Morgan bei jedem Gerichtstage – es kam sehr selten – das zusammengestoppelte Buch alter Wälischer Gewohnheiten, welchem ruhmredige Eingeborne den Namen des Gesetzbuches König Hoel Dha's gegeben haben, aufgeschlagen vor sich liegen, obgleich auch kein einziger Fall mehr gegenwärtig Anwendung finden mochte.

Die menschliche Natur ist unendlich gelehrig, und es ist eine, leider nur zu erprobte, Wahrheit, daß sich eine Natur der andern einimpfen läßt. Der Betrüger glaubt am Ende selbst an seinen Betrug, und der Phantast, wenn er auch sonst ein ganz gescheuter Mann ist, wird von der einen verkehrten Idee, zu welcher ihn sein einseitig studirtes Streben hingeführt hat, zu tausend thörigen Gedanken verleitet. Als Morgan sich endlich zu einem uralten Wälschen Häuptling in Gedanken zurück gezaubert hatte, als er sich altertümlich kleidete, alte Gewohnheiten in seinem Schlosse einführte, wälsch rechtlich zu denken und zu fühlen sich bestrebte – erschien ihm auch allmälig die Außenwelt um ein Jahrtausend zurückgerückt. Da das Spiel seiner Phantasieen, bei seinem geringen Umgange, von wenigen, welche ihm an Range gleichgestellt waren, unterbrochen wurde, und die Geringern in verehrender Entfernung von ihm blieben, oder sich gar nach ihm fügten; so war nichts natürlicher, als daß er von der Wirklichkeit immer mehr abstrahirte. Trotz der langen und friedlichen Einigkeit zwischen Wales und England, und obgleich so viele Minister aus den großen Familien des erstern Landes das vereinigte Königreich regiert hatten, standen ihm doch noch immer Sachsen – unter diese zählte er auch die Normannen – und Wälsche schroff einander gegenüber. Die Sachsen waren eingedrungene, siegreiche Fremde, die Wälschen, in die Gebirge zurückgedrängte Ureinwohner. Er selbst hielt sich auf seinem Meeresschlosse für einen unüberwundenen alten Brittischen Häuptling, dessen Pflicht es sei, allen Wälschen Schutz gegen die drückenden Fremden zu gewähren, und jeden ehrlichen Gutsbesitzer jenseits der Severn für einen Sächsischen oder Normännischen Baron, der in dem armen Wales auf Eroberungen ausgehe. Seltsam zeigte sich diese Ansicht besonders in seinem Standpunkt zum öffentlichen Leben.

Man konnte den Flecken M***, dessen Grundherr er größtentheils war, als einen vermoderten ansehen. Wenigstens waren die Squires auf Walladmor schon seit hundert Jahren gewiß, in dem ehemals bedeutendern, und im Parlamente vertretenen Städtchen jetzt ohne Widerspruch erwählt zu werden. Sir Morgan saß auch seit seinem zweiundzwanzigsten Jahre im Parlamente, aber immer auf den Oppositionsbänken. Wenn wir in den Verhandlungen wenig von seinen Reden finden, so liegt der Grund nur darin, daß Sir Morgan fürchtete, wegen seiner Wälschen breiten Aussprache verhöhnt zu werden, und er nichts mehr als Spott, nicht für seine Person, sondern das Ansehn seines Vaterlandes, fürchtete. Mehr aber dürfte man sich wundern über seinen Platz, wenn man weiß, daß er durchaus von treuen, alten und loyalen Gesinnungen erfüllt war. Aber er ging ganz consequent. Er hatte noch immer den Krieg zwischen Angelsachsen und Wälschen vor Augen; dieser aber hatte sich aus einem Waffenkrieg in ein Mundgefecht verwandelt: die herrschende Partei, die ministerielle, mußte die der Angelsachsen sein, – die schwächere, die Opposition, war also keine andere, als die der unterdrückten Brittischen Ureinwohner. So focht der rüstige Degen unermüdet für die Rechte eines imaginairen Volkes, denn zufällig war in der ganzen Opposition, außer ihm, nur ein Parlamentsglied, welches auf Wälsche Abkunft Anspruch machen konnte. Als die Französische Revolution ausbrach, befand er sich anfänglich in einer unangenehmen Verlegenheit, indem er ihren Grundsätzen, nach denen seiner Vorfahren, nicht beipflichten konnte. Als aber in Frankreich die Theorie aufkam: daß der tiers état aus den unterdrückten alten Galliern bestehe, der Adel aber Nachkommen der eingedrungenen Fränkischen Sieger sei, wurde er einer der eifrigsten Vertheidiger der Revolution, und blieb es auch, als selbst Fox schon de facto das Feld geräumt und sich auf sein Landgut zurückgezogen hatte. Indessen verscheuchte ihn ein anderer Mann, und zwar Einer, der ehemals zu den heftigsten seiner Partei gehört hatte. Sheridan, dessen Witz weder Feind noch Freund schonte, gab, als er die Opposition verlassen, oder wenigstens gegen den Bonapartismus mit den Ministern focht, dem ehrlichen Wälschen Vertheidiger der alten Gallier oft bittere und satyrische Seitenhiebe, daß der gekränkte Ehrenmann von dieser Zeit an das Parlament verließ, und nur jedesmal in der ersten Sitzung erschien, um sein Votum gegen die vorgeschlagene Adresse an den Thron abzugeben. Wenn er dann seinen Namen unter der langen Liste derer sah, welche hier zuerst ihre Oppositionsgesinnungen dargelegt hatten, zog er sich, zufrieden mit diesem, in Protesten bestehenden Kampfe, auf sein Schloß zurück.

Man denke aber nicht, daß er bei dieser Strenge in den Grundsätzen auch strenge in der Handhabung derselben gewesen, und namentlich gegen anders denkende, und mehr noch gegen von Andern als Wälschen Vorältern Entsprossene, sich hart gezeigt habe. Sein freundliches Herz verbot ihm jede Härte, wenn sie nicht aus den Gesetzen und seinen streng rechtlichen Gesinnungen hervorging. Er war milde gegen seine Untergebenen, und vorzüglich gütig gegen die Armen – und deshalb allgemein geliebt. Nur gegen die Uebertreter des Gesetzes erschien er, eingedenk der grausam strengen Rechtspflege der Wälschen Fürsten, unerbittlich. Obgleich er im rechtlichen Kriege mit der Regierung zu leben glaubte, so unterstützte er doch auf einer Seite deren Rechte, und mehr als je ein Gesetz es ihm zur Pflicht machen konnte. Er haßte den Schleichhandel, und da die ganze Wälsche Küste zu Importationen geeignet ist, und die Anwohner denselben nicht abgeneigt sind, so befand er sich immerwährend beschäftigt. Dieser Wachsamkeit und Treue verdankte er wohl mit, daß er, trotz allem Wechsel im Ministerium, immer Friedensrichter blieb.

Die ihm als solchem obliegenden Pflichten erfüllte er mit großer Geschicklichkeit, und man würde sehr irren, wenn man aus der Thorheit seiner Bestrebungen auf der einen Seite schließen wollte, daß jene ihn durch und durch regiert habe. Er war im Gegentheil ein sehr verständiger Mann, überall wo nicht die altwälsche Hofsitte ins Spiel kam, und selbst hier siegte oft über das erlernte Naturell der natürliche Verstand, wenn er einsah, daß der Wälsche Häuptling etwas verderben würde, was der in dem Gerichtsgebrauch des vereinigten Königreiches erfahrne Richter bestätigen könne. So sahen wir ihn am Schluß des vorigen Kapitels auf die hingeworfene Bemerkung Sir Davenants sogleich eingehen. Er fühlte, daß, einem abgefeimten Verbrecher gegenüber, der alt wälsche Rechtsgang den Kürzern ziehen müsse, und beschloß, das friedensrichterliche Verhör auf gewöhnlich hergebrachte Weise am folgenden Tage abzuhalten.

Es ist oben gesagt, sein Aeußeres habe die komische und tragische Maske zugleich an sich getragen. Die ihn näher kannten, bemerkten nur noch die letztere. Sir Morgan hatte viele Leiden in seinem langen Leben erfahren; kinderlos, und ohne männliche Stammverwandte, wohnte er allein auf seinem Schlosse, nur von einer Nichte in seiner Einsamkeit getröstet. Wenn nicht schon dieses Alleinstehn für einen Geist, wie den seinen, ein Leiden war, so mußte die Art, wie er es geworden, es noch mehr sein. Er hatte Gattin und Kinder durch Unglücksfälle verloren. Während sich die Trauer in seinen Zügen theilweise offenbarte, übersahen die, welche seine Geschichte kannten, auch die andern Züge, welche des seltsamen Mannes Eigenheiten verriethen.

Bei hellem Tage saß er am Morgen in seiner gewöhnlichen Kleidung, ungefähr wie wir ihn in M*** sahen, mit dem Officier, an einem grünbehangenen Tische, und nur zwei Constabler führten den Gefangenen, welchem man heut nicht allein den grauen Sack erlassen, sondern auch die Ketten abgenommen hatte, in den Saal, und verließen denselben sogleich wieder, so daß bei dem Verhöre nur die drei genannten und benöthigten Personen zugegen waren. Mit einem komischen Blicke den Gefangenen fixirend, sagte der Squire:

Nun, mein ehrlicher Freund! erzählt mir die Geschichte Eurer Ehrlichkeit, und wie gottlos man Euch gefangen und eingesperrt hat?

Bertram schwieg einen Augenblick, dann antwortete er mit ruhiger Stimme, und ohne sich von seinem Platze zu bewegen:

Da ich vermuthen kann, daß man mich hier nicht für ehrlich hält, so muß ich diese Fragen nur für einen Scherz ansehen, der eben so ungeziemend im Munde des ernsten Richters klingt, als er für den tief Gekränkten beleidigend ist.

Der Friedensrichter, welcher gestern beim Trotze des Verbrechers ruhig geblieben, fuhr bei dieser Antwort sichtlich betroffen zurück. Wirklich lag in der Fassung und Ruhe des jungen Menschen, auf dessen Gesichte sich Stolz und das Gefühl der Kränkung aussprach, etwas imposantes. Es kam dazu, daß er ohne Fesseln vor ihm stand, und seine gute Körperbildung in der freien Stellung sich zeigen konnte. Niemand erkannte williger das fremde Verdienst – unbeschadet dem alt Wälischen – an, als Sir Morgan, und er hatte von dem Augenblicke an beschlossen, den Gefangenen auf andere Weise zu behandeln, so daß er zu Sir Davenant, welcher ihm flüsternd eine solche Veränderung der Maßregeln anempfehlen zu wollen schien, sagen konnte:

Auch in Powisland, Sir Davenant, weiß man einen Unterschied zwischen Verbrechern zu machen. Einige wurden in Radmor an die Wand gekettet beim Verhör, Andere zu den Zeiten Cedwallas nagelte man an den Boden, und wo nur eine festgestampfte Lehmtenne war, legte man Bretter unter; indessen wurde, wie auch in der Irfahrt des Livius Disconius vom Zauberthurme Cadwaudur erwähnt wird, welcher nur in Powisland stehn konnte – doch wir kommen ab von dem Gegenstande, und wollen heut nach Tische, wenn es Sir Davenant angenehm ist, das Gespräch erneuern.

Sir Davenant verbeugte sich, und schrieb, während der Richter fragte, die gegebenen Antworten nieder.

Wie heißen Sie?

Edmund Bertram.

Und sind gebürtig von wo, Herr Edmund Bertram?

Aus Merseburg, der Hauptstadt des Harz.

Also ein Deutscher, und sprechen Englisch wie ein Eingeborner?

Ich habe es in der Jugend gelernt.

Wer waren Ihre Eltern?

Ich bin ein Waisenkind.

Und wessen Standes sind Sie selbst?

Ich – ich – bin auf Schulen gewesen.

Auf guten Schulen! – bemerkte der Officier. Der Squire aber flüsterte ihm zu:

Und ist doch schon gefangen, trotz der Schulgelehrtheit.

Dann fragte er weiter:

Wie kamen Sie nach England?

Ich schiffte mich in Frankreich ein.

In welcher Absicht gingen Sie nach England?

Ich wollte – ich – ich glaube nicht, daß ich über meine Gedanken Auskunft zu geben brauche.

Der Squire lächelte und bemerkte leise zum Officier:

Er kennt wenigstens, trotz seines kurzen Aufenthaltes, unsere Gesetze. – Wie lange wollten Sie in England sich aufhalten?

Den Winter und nächsten Sommer über.

Wie viel Baarschaft besaßen Sie auf Ihrer Ueberfahrt, um während dieser Zeit in England zu leben?

Etwa fünfhundert Pfund.

Und konnten vermutlich noch größere Summen sich nachsenden lassen?

Allerdings.

Besitzen Sie jene Summe noch gegenwärtig?

Ich habe fast alles, so wie meine übrigen Effekten, beim Schiffbruch verloren.

Auf welchem Schiffe erlitten Sie diesen?

Auf dem Englischen Dampfboot Halcyon.

Sie retteten sich also vermutlich, und was begannen Sie auf unserer Küste?

Ich streifte umher, und besah mir die merkwürdigen romantischen Punkte in der Umgegend.

Wo hielten Sie sich auf während dieser Zeit?

Im Gasthofe zu M***.

Waren Sie auf dem Wege zu Huntingcroß nach der Arthurschanze?

Ich erinnere mich nicht.

Wo wurden Sie ergriffen?

Zuerst in einem alten Kloster in den hohen Bergen, wenn ich nicht irre, bei Merioneth.

Wie waren Sie dorthin gekommen?

Auf die Einladung eines Bekannten.

Wer war dieser Bekannte?

Ich darf ihn nicht nennen.

Was bezweckte Ihre Zusammenkunft dort mit dem Unbekannten?

Wir wollten die romantischen Schönheiten der Gegend betrachten.

Der Officier lächelte hierbei. Der Squire aber fuhr fort, indem er eine ähnliche Muskelbewegung in der neuen Frage unterdrückte:

Es war eine kalte Winternacht?

So war es.

Wer befreite Sie aus den Händen der Häscher?

Der – der – ich weiß es nicht.

Was fing der Unbekannte mit Ihnen an?

Man ließ mich los unten am Gebirge.

Fürchteten Sie sich vor den Gesetzen?

Nein.

Weshalb übergaben Sie sich denn nicht selbst den Richtern, sondern entliefen?

Ich kann Ihnen den Grund nicht angeben.

Kennen Sie einen gewissen James Nichols, oder Nicolao, oder Niklas?

Bertram erröthete, und sagte endlich scharf heraus: Ich kenne ihn nicht. – Der Squire und sein Begleiter sahen sich wechselseitig bedeutsam an, endlich fuhr jener fort:

Mein Herr! Die Englischen Gesetze können zwar, wie Ihnen bekannt ist, keinen Angeschuldigten zum Bekenntniß zwingen. Ein gewitzigter Mann indessen, wie Sie, legt lieber, ehe er es auf den Spruch der Geschwornen ankommen läßt, da wo der Beweis so vollständig, wie hier, geführt ist, ein offenes Bekenntniß ab, und empfiehlt sich dadurch der Gnade. Ich frage Sie daher nochmals ernstlich, ob Sie ein solches Bekenntniß nicht vorziehn?

Herr Friedensrichter! ich bitte um die Beweise meiner Schuld.

Wohlan denn – sagte der Squire – blätterte in einigen Papieren, und fuhr dann fort, indem er beim Schluß jeder Periode fest auf den Gefangenen blickte:

Amtliche Berichte melden, daß der Staatsverbrecher James Nichols, wegen vielfachen Schleichhandels auf dieser Küste berüchtigt, im Begriff nach Frankreich zu flüchten, auf der Insel Wight ergriffen worden. Auf dem Dampfboot Halcyon wurde er nach Wales geschifft. – Der Halcyon zersprang. Die ganze Equipage kam um, nur Sie haben sich gerettet – und bald nach dem Unglück des Schiffes ist der gedachte Niklas wieder an unserer Küste lebendig erschienen; dann, wie durch dieses Papier erwiesen ist, hat der Holländer van der Velsen mit genanntem Niklas einen Vertrag abgeschlossen, welchem zufolge Niklas sich verbunden, die Ladung eines Französischen Schiffes allhier einzuschwärzen. – Unter der Maske eines Leichenzuges transportirten Schmuggler die Waaren vom Meeresstrande aus in die Gebirge; und im Zuge wurden Sie von drei Gränzreitern, mit einem starken Knüttel bewaffnet, unter den am meisten Thätigen erkannt. – In den Ruinen des Klosters Griffith ap Gauvon, dem allbekannten Schlupfwinkel der Schleichhändler, wurden die Waaren vertheilt. Hier, einem ganz unbewohnten Orte, traf man Sie, einen angeblich Fremden, in der Nacht – in der Winternacht. – Es wurde hier der erste mörderische Angriff gemacht, Sie zu befreien – Sie schlichen sich hierauf Nachts in den Stall eines Freisassen und tödteten den Hund, um nicht verrathen zu werden. An Ihren Fußtapfen im Schnee kam man Ihnen nach. Als Sie zum zweitenmale gefangen waren, wurde zu Ihrer Befreiung in M*** ein Volkstumult erregt, und als Sie in der ersten Nacht hier gefangen saßen, wagte sich ein Schleichhändlerschiff bis unter die Mauern des Schlosses.

Bertram wollte antwortet, der Squire winkte aber und fuhr fort:

Kann ein Fremder, welcher, ohne Bekanntschaft, ohne bestimmten Zweck, nach Wales zur Winterzeit kommt, solchen Anhang finden? Sie wollen kein Engländer sein, und sprechen wie ein geborner Engländer. Ihre Anwesenheit auf diesem Punkte der Küste ist höchst verdächtig – Sie können sich mit nichts legitimiren; Sie haben angegeben, fünfhundert Pfund besessen zu haben; aus diesen in Ihrem Felleisen gefundenen Papieren geht aber hervor, daß Sie nicht mehr als höchstens hundert Pfund besaßen und keine Hoffnung hatten, irgendwoher mehr zu erhalten –

Der Verhörte erröthete, als er sich auf diese Weise gefangen sah. Seine Verlegenheit zu verbergen, brach er in die Worte aus:

Und man hat gewagt, mein Felleisen zu erbrechen?

Ohne auf diesen Schreckschuß zu achten, fuhr der Squire fort:

Schon von Anfang an fiel der junge, wenig bemittelte, Mann, welcher ohne Grund in M*** lange Zeit sich verweilte, auf. Mehrere Personen ahneten indessen bald, wer es sei? der Alderman Gravesand erinnert sich genau der Gesichtszüge, und der Häscher Mac Kilmary will es beeiden, daß Sie – wollen Sie nicht freiwillig gestehen, wer Sie sind? setzte er langsam und lächelnd hinzu.

In meinem Felleisen sind die Beweise meiner Geburt.

Hier steht es zu Ihrer Disposition.

Bertram suchte, glühend vor Unwillen, darin umher, und rief endlich mit allen Zeichen des Schreckens aus:

Man hat mir meine Papiere entwendet.

James Nichols! Wozu spielen Sie länger diese Komödie? fuhr der Squire jetzt sehr ernst in die Höhe.

Bei Gott! Sie sind im Irthum. Man verwechselt mich.

Meine Pflicht habe ich gethan, verwegener junger Mann! dessen Kraft zu einem edleren Ziele, als dem Gerüste, hätte führen sollen. Das Uebrige, und ob sie verwechselt sind, werden die Geschwornen bei der nächsten Sitzung entscheiden. Doch darf ich Ihnen soviel sagen: die Minister wollen gegen Sie die Anklage des Hochverrates fahren lassen, und Sie werden nur als Schleichhändler und Mörder den Gesetzen von Powisland verfallen.

Bertram schwieg wie vernichtet. Der Squire glaubte sein Verstummen sich auslegen zu können, und redete ihn an:

Auf Ihren Wunsch soll ein Geistlicher schon jetzt Sie in Ihrem Thurme besuchen.

Ich bin mir nicht bewußt, eines geistlichen Zuspruchs zu bedürfen.

Nehmen Sie ihn an. Viele verlangen nach ihm zu spät, und auf der Staffel läßt sich nicht mehr das Reich Gottes predigen Um nicht zu ermüden, habe ich die Reden des Wälischen Edelmannes in schlichtem Hochdeutsch wiedergegeben, obgleich A. W. v. Schlegel in seiner klassischen Uebersetzung Heinrich V. die Wälischen Reden auch durch ein abweichendes Deutsches Idiom trefflich charakterisirt hat. – A. d. Ü. .

Bertram schwieg trotzig, und die Häscher brachten ihn in den Thurm zurück.


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