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Klytaimestra:
Bald offenbart sich's, ob der Botenfackellauf,
Die Wachtfanale meiner Feuerwechselpost,
Wahrhaftig waren oder wie ein Traumgesicht
Mit süßer Täuschung meinen Sinn das Licht beschlich.
Ich seh den Herold vom Gestade schon sich nahn,
Das Haupt vom Ölzweig überschattet; schon bezeugt's
Des Kotes Zwillingsbruder euch, der durstge Staub,
Nicht werde lautlos, nicht von Feuern hochgeschürt
In des Berges Waldung ferner Rauch euch Bote sein,
Nein, klaren Worts bringt uns entweder sein Bericht
Mehr Freude – was entgegen dem, verschweig ich gern,
Auf daß dem nahnden Glücke glücklich sei der Gruß!
Chorführer:
Wer jenes andere diesem Lande gönnt und wünscht,
Der ernte selbst einst seiner Mißgunst schnöden Wunsch!
(Ein Herold tritt auf)
Herold:
O meine Heimat, Argos, teures Vaterland!
Mit des zehnten Jahres Sonne kehr ich wieder heim!
Zwar mancher Hoffnung ärmer, doch in einer reich:
Denn nimmer glaubt ich, daß in Argos' Erde noch
Des liebsten Grabes Stätte mir beschieden sei.
Nun sei gegrüßt, Land! Sei gegrüßt, du Sonnenlicht!
Und du, des Landes Walter, Zeus! Du, pythischer Fürst,
Mit feindlichem Bogen fürder uns nicht pfeilgewiß –
Entgegen gnug erschienst du am Skamander uns –,
Nun wieder sei uns Helfer, sei uns Streitgenoß,
Du, Fürst Apollon! Euch, ihr kampfbeschirmenden
Gottheiten, alle ruf ich, meinen Schützer auch,
Den teuren Herold Hermes, der Herolde Zier!
Und ihr, Heroen, die uns leitetet, gnädig wollt
Das Heer empfangen, das der Lanzen Wut verschont!
Du, meiner Fürsten Palast, vielgeliebtes Haus,
Ihr heiligen Stätten, Götter ihr im Sonnenlicht,
Wenn irgend je, empfanget heitren Auges jetzt
Im Schmuck den König, unsren Herrn, nach langer Zeit;
Denn heimgekehrt ist, euch und diesen allen Licht
Nach trüber Nacht zu bringen, Agamemnons Macht!
Ihr werdet festlich ihn empfahn, wie's dem gebührt,
Der Ilion zerstörte mit des Rächers Zeus
Gewaltger Grabscheit, die den Boden unterwirft.
Der Götter Tempel und Altäre sind gestürzt
Und allvernichtet alles Feldes Saat umher.
Der solches Joch anschirrte Priams stolzer Stadt,
Der hehre Fürst Atride, der allglückselge Held,
Er kommt, vor allen höchster Ehre wert, soviel
Jetzt leben. Paris noch die mitgestrafte Stadt
Berühmen fürder größrer Tat als Buße sich;
Denn er, des Raubes, der Entführung schuldig, fand
Sich keinen Retter; sein zum Tod gezeitigter
Ureingeborner Fürstenstamm, er riß ihn aus!
So ward der Priamiden Doppelschuld gebüßt!
Chor:
Achaierherold, Freude dir. Sei froh begrüßt!
Herold:
Ja, Freud; ich stürbe gern jetzt; nichts verlang ich mehr!
Chor:
Verlangen wohl nach deiner Heimat quälte dich?
Herold:
So daß die Freude Tränen meinem Aug entlockt!
Chor:
Gekranket habt auch ihr an diesem süßen Weh?
Herold:
Auch ihr? Belehrt erst werd ich deines Wortes Herr!
Chor:
Getrauert voll Verlangen nach Verlangenden?
Herold:
Hat heim das Land sein heim sich sehnend Heer gesehnt?
Chor:
Drum hab ich oftmals tief geseufzt in trübem Sinn!
Herold:
Was ward dem Volke solches bösen Grames Schuld?
Chor:
Längst heißt mir Schweigen alles Grames einzger Arzt!
Herold:
Der Fürsten Fernsein, machte dich's vor Fremden bang?
Chor:
So daß mir dein "Jetzt stürb ich gern" gar schön erscheint!
Herold:
Ja, schön vollbracht ist's! Freilich in so langer Zeit,
Mag einer sagen, fügt sich vieles günstig wohl,
Doch andres wieder minder gut. Wer aber ist
Nicht Gott und sonder Leiden all sein Lebelang?
Wollt unsre Mühsal ich erzählen, schwere Wacht
Und selten Ruhtag, schlechtes Lager, und des Tags,
Wann je von Schiffsdienst und Gefährde wir befreit?
Gar auf dem Festland kam dazu noch neue Not;
Denn unsre Zelte lagen hart an Feindes Wall,
Vom Himmel oben und vom Wiesengrund herauf
Durchnäßte kalter Tau uns, sog verderbend sich
In unsre Kleider, unser Haar verwildernd ein.
Spräch ich vom Winter, jenem Vogeltöter, gar,
Wie unerträglich den des Ida Schnee gebracht,
Gar von der Hitze, wenn um Mittagszeit die See
In wellenlos windstiller Ruh sich legend schlief –
Doch wozu klag ich's? 's ist vorüber alle Müh,
Vorüber nun auch denen, die gefallen sind,
Und nimmermehr verlangt sie wieder aufzustehn.
Was soll ich euch herzählen die Gebliebenen und
Mich, der ich lebe, kränken um ihr traurig Los?
Nein. Lebewohl sei allem bösen Tag gesagt!
Denn uns, die wir vom Griechenheer noch übrig sind,
Siegt der Gewinn doch, und ihn wiegt kein Leiden auf;
Wer heimgezogen über Land und über Meer,
Darf so sich rühmen vor der Sonne heilgem Licht:
Troja erobert hat das Heer der Danaer,
Geweiht den Göttern seine Beute, aufgehängt
In allen Tempeln Griechenlands den teuren Schmuck!
Die solches hören, preisen müssen sie das Volk
Und seine Feldherrn; hochgelobt sei aber auch
Zeus' Gnade, die's vollbrachte! Alles weißt du nun.
Chor:
Von deinem Wort bekenn ich gern mich überzeugt;
Zum steten Lernen bleibet auch das Alter jung.
Das Haus und Klytaimestra mag dafür zunächst
Zu sorgen haben, aber wir uns mitzufreun.
Klytaimestra:
Laut aufgejauchzet hab ich längst in heller Lust,
Als meines Feuers erster nächtger Bote kam,
Daß eingenommen Troja und verwüstet sei.
Zwar mancher sagte spottend: "Solchem Feuerschein
Vertrauend, glaubst du, Ilion sei nun zerstört?
Doch Weiberart ist's, außer sich gar bald zu sein!"
Nach solcher Red erschien ich als ein töricht Weib;
Jedennoch opfern ließ ich, und den Jubelruf
Erhuben gellend Weiber, andre anderswo,
In der Stadt umher froh lärmend, in der Götter Sitz
Mit reichen Spenden duftges Feuer sänftigend.
Und nun, was braucht's noch, daß du mir das weitre sagst?
Die ganze Kunde hör ich bald vom Fürsten selbst;
Drum eil ich, meinen erlauchten Herrn aufs herrlichste
Bei seiner Ankunft hier zu empfahn. Was gäb es auch
Für eine Gattin Süßeres, als den Tag zu schaun,
Wo ihrem Mann, der glücklich heimkehrt aus dem Feld,
Das Tor sie auftut! Also sprich zu meinem Herrn:
Zu kommen mög er eilen, vielersehnt der Stadt;
Treu fänd im Haus er sein Gemahl, wie er sie einst
Verlassen habe als des Hauses Wächterin,
Ihm edlen Sinnes, allen Bösgesinnten feind,
In allem andern noch sich gleich, von ihrer Hand
Kein Siegel drinnen während all der Zeit verletzt;
Noch weiß von Wollust, von verbotner Heimlichkeit
Mit fremdem Manne mehr ich denn vom Bad des Stahls!
(Klytaimestra ab)
Herold:
Ein solcher Selbstruhm, seiner Wahrheit voll und wert,
Ist tadellos zu sprechen für ein edles Weib!
Chor:
Sie sagt es selbst dir, und du hörst es von ihr selbst,
Vom besten Dolmetsch, durch ihr eignes klares Wort!
Doch sag mir, Herold, ist Menelaos auch mit euch
Heimwärts gesegelt, ist er wohlbehalten auch
Zurückgekommen, unsres Landes lieber Herr?
Herold:
Nicht ist es möglich, daß ich frohe Kunde dir,
Der du dich lange könntest freun, erheuchele!
Chor:
Wie träfst du auch das Wahre, wenn du Frohes sagst?
Daß das sich ewig scheidet, leicht ist's einzusehn!
Herold:
Der Held, er ist verschollen im Hellenenheer,
Er selbst und seine Schiffe. Falsches hörst du nicht!
Chor:
Und ging er vor euch noch von Troja aus in See?
Verschlug ein Sturm ihn, euch und ihm zugleich verhängt?
Herold:
Recht trafst du wie ein wackrer Bogenschütz das Ziel
Und sprachst ein langes Leiden aus mit kurzem Wort!
Chor:
Ob er selbst noch lebe, ob er umgekommen sei,
Kam's durch Berichte fremder Schiffer nicht umher?
Herold:
Wohl keiner weiß es, der es nacherzählen kann,
Als, der der Erde Lebenskraft nährt, Helios!
Chor:
Wie aber, sag uns, ist den Schiffen jener Sturm
Gekommen und vollendet durch der Götter Zorn?
Herold:
Mit böser Botschaft sollte man den frohen Tag
Niemals entweihen; des enthält sich Gottesfurcht;
Bringt aber heim ein Bote der gefallenen
Heerscharen unaussprechlich Leid, mit trüber Stirn
Die Wunden heim, die eine des gesamten Volks
Und andere viele, weil aus jedem Haus den Mann
Hinausgepeitschet Ares' Doppelgeißel hat –
Zweischneidges Unheil, blutge Gramverschwisterung –,
Ja, wem ein solcher Jammer aufgebürdet ist,
Den soll man nennen der Erinnyen Ehrenhold,
Doch Freudenbote glücklich überstandner Not
Den, welcher heimkehrt froh zur frohen Vaterstadt.
Wie misch ich Liebes Bösem bei, wenn ich vom Sturm,
Den Götter uns Achaiern zürnten, sprechen soll?
Denn da verschwur sich, was sich sonst das Feindlichste,
Meerflut und Feuer, sie bewährten ihren Bund,
Vernichtend der Argiver unglückselges Heer.
Es erhob zur Nachtzeit sich der empörten Fluten Sturz,
Aneinander jagte die Schiffe wilder thrakischer
Orkan; sie selbst im Ungestüm des Schloßensturms,
Des typhoischen Wetters, wild vom Horn des Kiels zerfleischt,
Verschwanden spurlos in des Treibers Kreiseltanz.
Als dann das Frühlicht tagend endlich wieder schien,
Da sahn wir rings des stillen Meeres Spiegel blühn
Von Griechenleichen, von zerschellter Schiffe Wrack.
Uns aber hat und unser unversehrtes Schiff
Entwendet, glaub ich, oder bittend frei gemacht
Ein Gott, ein Mensch nicht, der das Steuer uns gelenkt;
Mitfahrend saß beim Ruder Tyche, Retterin,
Daß nicht den Kiel am Ankerplatz noch böse Flut
Bedrohte, noch am Klippenstrand er scheiterte.
Also dem Hades des empörten Meers entflohn,
Mißtrauten unsrem Glück wir auch am heitren Tag
Und ließen weiden unsren Gram das neue Leid
Des mühbeladnen, jammervoll zerstäubten Heers.
Und freut von jenen einer noch des Atems sich,
So redet auch von uns er wie von Toten; denn
Wir wieder meinen, ihnen sei es so geschehn.
So gut es kann, mag's werden; doch Menelaos nun,
Der kommt zuerst wohl und vor allen noch zurück;
Denn wenn ein Lichtblick irgend noch des Helios
Ihn leben sieht und weben durch Zeus' ewgen Rat,
Der sein Geschlecht doch nimmermehr vertilgen will,
So bleibet Hoffnung, daß er einst noch wiederkehrt. –
Soviel du hörtest, Wahres nur hast du gehört!
(Herold ab)
Chor:
Wer erfand den Namen einst,
Namen überall bewährt,
Wenn nicht der, den keiner schaut, der voraus all Verhängnis überdenkt,
Auch das Wort im Zufall lenkt –
Helena deutungsvoll die vielstreitige, speererrungne nennend,
Die, ein Elend allem Geschwader und Volk, aus des Gemahls
Teppichumhülltem Lager floh, fahrend mit segelblähndem Westwind?
Und des Kiels flutenverwehter Fährte nachjagten mit Schild und Speer die Jäger,
Fern gen Simoeis' Uferland steuernd, dem laubumgrünten,
Mit dem empörtesten Blutdurst!
Rechte Gramverschwägrung war's,
Die den Troern Götterzorn,
Endesinnend, hat gesandt, für des Gasttisches arge Schändung einst,
Für des höchsten Hortes Schmach
Buße vom Freudenfest, vom brautfeiernden Hymnos einzufordern,
Von dem Hochzeitlied, das die Schwäger daheim sangen mit Stolz;
Doch es verlernte solchen Sang bald die ergraute Priamsfeste;
Und in Gramliedern beseufzend ihre Not, schrie sie, verfluchte sie Paris' Untat,
Noch bevor sie das ganze graunvolle Geschick des Volkes sah
In dem entsetzlichen Blutbad!
Es zog also ein Mann einst,
Ein Löwenjunges der Muttermilch raubend, selbst sich den Rächer;
Denn es erschien im Anfang,
Zahm mit den Kindern zu spielen,
Treuer Begleiter der Alten,
Ruhete oft in ihrem Arm,
Wie ein gehegter Säugling pflegt,
Sah hellblickend zur Hand herauf, an sich schmiegend vor Hunger.
Gereift endlich enthüllte
Die Art er seines Geschlechtes; denn, als der Pflege Vergeltung,
Riß er sich ungeladen
Schafe der Herde zum Mahle,
Tünchte das Haus mit dem Blute rings –
Für die Bewohner übergroß
Unverwindbar bittres Leid;
Gottgesandt dem Geschlecht erwuchs so ein Priester des Unheils.
In gleicher Art kam gen Ilion, ich möchte sagen:
Ein Sinn wie glanzheitre Meeresstille,
Ein Kleinod wunderholden Reichtums,
Lieblich geheimen Blickes Pfeil,
Herzbetrübende Liebesblüte;
Doch enttäuscht endlich, erfüllt' selbst sie das grambittere Ziel der Hochzeit,
Die, hinweg Frieden und Lust scheuchend, in Priamos' Haus geflohn kam,
Geschenk des gastlichen Zeus,
Brautbeweinte Erinnys!
Ein greises Wort, vielberühmt den Menschen, lautet also:
Der große, volkreiche Glückessegen
Gebiert, stirbt nimmer kinderlos;
Und in des Glückes Garten wächst
Unersättlicher Jammer wuchernd!
Doch erkennt anders es mein Geist; denn des Menschen böser Wandel,
Er erzeugt andere Untat, an des Vaters Zügen kenntlich!
Doch frommen Häusern erblüht
Kinderseliges Heil stets!
Es zeuget gern Übermut alter Zeit Übermut fort und fort,
Der im Leide grünt und reift –
Sei's heut, sei's morgen, wenn nur erst die rechte Stunde kommt –,
Den unüberwindlichen, den allverhaßten, den Abscheu des Sonnenlichts, in des Geschlechts
Nachtdunkler Schuld göttervergeßne Frechheit,
Wieder dem Vater ähnlich!
Doch Dike strahlt unter armselgem, rauchschwarzem Dach,
Ehret frommes Leben hoch;
Wer aber goldgewirkte Pracht mit schmutzger Hand sich webt,
Da flieht des Vaters hehre Tochter, den Blick abgewandt, des Reichtumes Gewalt,
Von feilem Lob falsch gemünzt, verachtend;
Jegliches probt am Ziel sie!
(Auf hohem Siegeswagen tritt Agamemnon auf; neben ihm sitzend Kassandra. Etwas später tritt Klytaimestra aus dem Palast)
Chorführer:
Mein König und Herr,
Du des Atreus Sohn, der du Troja bezwangst,
Wie red ich dich an, wie ehr ich dich jetzt
Nicht überentzückt, nicht niedergedrückt
Von der Freude des Tags?
Wohl mancher versucht zu erheucheln den Schein,
Überschreitend das Maß des Gerechten!
Mit dem Unglückselgen zu klagen ist leicht
Alljeder bereit; doch die Nadel des Grams
Dringt dem niemals bis zum Herzen!
Und Fröhlichen wieder erscheinet er froh
Und zwingt nichtlachende Stirn, daß sie lacht.
Doch wer wie ein wackerer Hirte des Volks
Achtgibt, dem birgt solch Auge sich nicht,
Das, ein treues Gemüt zu bekunden bemüht,
Liebäugelt in wäßriger Freundschaft!
Du dünktest mich einst, da du fort in den Krieg
Um Helena zogst – nicht berg ich es dir –,
Sehr töricht zu sein, und es blieb mir im Geist,
Daß du nicht recht lenktest das Steuer des Sinns,
Unwilligen Mut
Für Kampf und Tod zu erzwingen.
Jetzt aber erfreut mich im tiefsten Gemüt
Die Gefahr, die glücklich vorbei euch zog;
Du wirst mit der Zeit, wenn du nachforschst, sehn,
Wer löblich und wer nicht, wie es sich ziemt,
Von den Bürgern die Stadt dir bewahrt hat.
Agamemnon:
Zuerst gebührt sich's, Argos und die heimischen
Gottheiten fromm zu grüßen, die zur Wiederkehr,
Zu meinem Recht mir halfen, das ich von Priams Stadt
Gefordert habe. Sie, des Streites Richter nicht
Nach Red und Gegenrede, warfen offenbar
In des Blutes Urne Trojas männermordende,
Des Todes Kugel; bei der andern, unberührt
Von aller Hand noch, saß die Hoffnung kummervoll.
Am Rauch erkennt man Trojas Trümmerstätte jetzt;
Die Todeswolke lebt und weht, und sterbend haucht
Des einstgen Reichtums schwülen Qualm die Asche noch.
Dafür gebührt den Göttern vielgedenker Dank,
Da auch die Tücke wutgeschürzter Schlingen wir
Vergolten haben und des Weibes wegen jetzt
Die Stadt in Staub trat das Argiver-Ungetüm,
Des Rosses Nestling, unser schildgewandtes Volk,
Das sich zum Fang hob um der Plejaden Untergang;
Da übersprang den Wall es, ein blutdurstger Leu,
Und leckte dürstend sich im Königsblute satt.
Den Göttern hab ich diesen ersten Gruß gesagt;
Zu deiner Meinung, der ich wohl gedenke, dies:
Dasselbe sag ich und vertrete, was du sprachst;
Denn wenig Menschen ist es angeborne Art,
Den hochbeglückten Freund zu ehren sonder Neid;
Denn in das Herz tief frißt sich ein des Neides Rost
Und kränkt mit zweifach bösem Gram den Krankenden;
Von eignem Leide nieder schon gedrückt, beseufzt
Er's doppelt bitter, daß er andre glücklich sieht.
Wohl nennen darf ich – denn ich hab es selbst erkannt
In meines Lebens Spiegel – eines Schattens Bild
Den Schein der Treue, den mir viele viel gezeigt;
Und nur Odysseus, welcher ungern mit uns zog,
Trug willig mit mir, unter gleiches Joch gebeugt! –
Ob er der Toten einer, ob am Leben noch,
Weiß Gott! – Das weitre für die Götter und die Stadt,
In der Volksversammlung wird es nach gewohnter Art
Erwogen werden; was sich gut und tüchtig zeigt,
Für dessen Aufrechthaltung wird zu sorgen sein;
Doch wo's des Arztes und der Arzenein bedarf,
Da auch mit Schnitt und Feuer, doch voll Liebe werd
Ich solchen Aussatz wegzutilgen mich bemühn.
Und nun zum Palast und zum Herde heimgekehrt,
Heb ich den Göttern betend meine Hand empor;
Die fern hinaus mich sandte, die mich heimgeführt,
Nike, die mir gefolget, sei mein immerdar!
Klytaimestra:
Argiver, Bürger, unsrer Stadt ehrwürdger Stolz!
Nicht soll's mich schämen, wie ich liebe meinen Mann,
Vor euch zu sagen; sondern auslischt uns die Zeit
Die blöde Scheu vor Menschen. Eignen Grams belehrt,
Will ich erzählen, wie ich still und kummervoll
Fortlebte, während jener lag vor Ilion.
Schon daß so weit von ihrem Mann getrennt ein Weib
Einsam daheim sitzt, das ist unaussprechlich hart;
Gerüchte hört sie, viele, widersprechende;
Bald daß er komme, bald er bringe mit zurück,
Was schlimmer als das Schlimmste sei, so heißt's im Haus.
Und wenn ihm soviel Wunden dort geschlagen sind,
Wie das Gerücht uns fort und fort zu Ohren kam,
Sein Körper wäre wie ein vieldurchlöchert Netz;
Und wär er stets gefallen, wenn gesagt es ward,
Gleich einem zweiten dreigeleibten Geryon
Könnt er im Leben – denn vom Tode red ich nicht –
Gar manch ein dreifach Leichentuch zu haben schon
Sich rühmen, einmal sterbend mit jedwedem Leib.
Um solcher unglückselgen Kunde willen war's,
Daß mancher Schlinge, hochgeknüpft um meinen Hals,
Mich überrascht und wider Willen man entriß.
(Zu Agamemnon)
Drum steht der Knabe nicht mir, wie es müßte sein,
Er mein und deiner Liebe liebes Unterpfand,
Orest mir nicht zur Seite; wundre drum dich nicht!
Dein treuer Gastfreund zieht ihn dir wohlwollend auf,
Der Phoker Strophios, der mir viel Bedenkliches
Vorausgesagt hat, wie in Gefahr vor Ilion
Du schwebtest, wie das herrscherlose Volk den Rat
Leicht in Empörung stürzte, wie es angeborn
Den Menschen sei, Gestürzten doppelt weh zu tun.
Glaub nicht, es berge dies Entschuldgen dir Betrug! –
Mir aber ist der Tränen ewig strömender
Brunnquell versieget; drinnen ist kein Tropfen mehr;
Mein spätentschlummernd Auge krankt und schmerzt mich sehr;
Um dich zu weinen, saß ich Mitternächte durch,
Von denen du nichts wußtest; wieder dann im Traum
Erweckte früh mit schwirrend leisem Flügelschlag
Mich eine Mücke, wann ich deiner Leiden mehr
Sah, denn die Zeit begreifen konnte, die ich schlief.
Nachdem ich alles das mit ungebeugtem Sinn
Ertragen, nun begrüß ich dich des Hauses Hort,
Ein allerrettend Ankertau, des hohen Dachs
Grundfester Pfeiler, eines Vaters einzig Kind,
Und Land, dem Schiffer wider Hoffnung aufgetaucht,
Ein schönster Frühlingsmorgen nach dem Wintersturm,
Dem müden, durstgen Wandersmann ein frischer Quell!
So selig ist es, aller Not entflohn zu sein,
Und solchen Grußes acht ich dich darum mir wert!
Fern bleibe Mißgunst; haben wir doch Gram genug
Zuvor erduldet! – Nun, o du mein teures Haupt,
Steig mir von deinem Wagen; auf die Erde nicht
Setz deinen Fuß, Herr, den Zertreter Ilions!
Was säumt ihr, Mägde, da euch aufgetragen ist,
Die Decken hinzubreiten über seinen Weg!
So eilt, daß purpurüberdeckt ihm sei der Gang,
Den wider Hoffnung Dike leitet seinen Fuß;
Das andre wird mein Sorgen, das kein Schlaf bezwang,
Gerecht, so Gott will, bald erfüllen, wie es muß!
(Die Sklavinnen breiten Purpurteppiche bis zum Palast)
Agamemnon:
Du Tochter Ledas, meines Hauses Hüterin,
Du sprachst der Zeit, die ich entfernt war, wohlgemäß
In gleicher langer Rede; doch ein echtes Lob –
Aus fremdem Mund muß kommen uns ein solch Geschenk.
Auch wolle sonst nicht mit mir zärteln nach der Art
Der Weiber noch am Boden liegend tief herauf,
So wie's Barbaren tun, mir knechten deinen Gruß,
Noch mache gar mit deinem Purpur meinen Weg
Verhaßt: die Götter nur ist so zu ehren recht!
Daß ich, ein Mensch, auf bunten Prachtgewanden soll
Hinschreiten, mir ist's Grund zu mehr als eitler Furcht;
Ich will geehrt als Menschen, nicht als Gott mich sehn;
Auch ohne deiner Decken, deines Purpurs Stolz
Erhebt der Ruf mich, und es ist, nicht argen Sinns
Zu sein, der Götter größt Geschenk. Den mag beglückt
Man preisen, der sein Leben schließt im lieben Glück;
Wenn mir es stets so würde, hätt ich frohen Mut!
Klytaimestra:
O sage du nicht mir das wider meinen Wunsch!
Agamemnon:
Den Wunsch bewahr ich, glaub mir, unveränderlich!
Klytaimestra:
Hast du gelobt aus Furcht, es irgend je zu tun?
Agamemnon:
Wenn einer, hab ich meinen Entschluß wohl bedacht!
Klytaimestra:
Was, meinst du, täte Priamos wohl an deiner Statt?
Agamemnon:
Ich glaube, der beträte deiner Decken Pracht!
Klytaimestra:
So habe nicht mehr vor der Menschen Tadel Scheu!
Agamemnon:
Und doch gewichtig ist des Volkes Stimme stets!
Klytaimestra:
Wer unbeneidet, ist des Neides nimmer wert!
Agamemnon:
Streit aufzusuchen ziemet für ein Weib sich nicht!
Klytaimestra:
Jedoch besiegt zu werden dem, der glücklich ist!
Agamemnon:
So achte du auch meinen Sieg in diesem Streit!
Klytaimestra:
Gib nach, gewähre willig mir die Oberhand!
Agamemnon:
Nun, wenn du gern willst, mag man schnell die Sohle mir
Abbinden, meines Fußes treue Dienerin,
Daß nicht mich fernher treffen mag, wenn ich in ihr
Auf Purpur wandle, eines Gottes neidscher Blick:
Denn ich fürchte sehr zu verderben meines Hauses Glück,
Wann solchen Reichtum, solch Geweb mein Fuß verdirbt!
Davon genug jetzt. Dieses fremde Mädchen führ
Ins Haus mir freundlich; wer als Herr sich mild erzeigt,
Auf den herab sieht mild und gnadenreich der Gott;
Mit frohem Herzen trägt ja niemand Sklavenjoch.
Aus vielen Beuten als die schönste Blume mir
Vom Heer erlesen und geschenkt mir, kam sie mit.
So will ich, da ich dir zu folgen über mich
Gewann, ins Haus gehn, tretend auf des Purpurs Glanz!
(Geht in den Palast)
Klytaimestra:
Es ist ein Meer noch – und das Meer, wer schöpft es leer? –,
Das vielen Purpurs silberaufgewägten Saft
Erzeugt, den immerneusten, prachtkleidfärbenden,
Davon, den Göttern dank es, Herr, dein Haus besitzt!
Zu haben, nicht zu darben hat dein Haus gelernt.
Und viele Decken hätt ich zum Zertreten gern
Gelobt, wenn das mir ein Orakel angezeigt,
Als Dank, daß heim dein Leben du mir hast gebracht.
Denn lebt die Wurzel, so umgrünet Laub das Dach
Und breitet Schatten vor dem heißen Sirius;
Du, heimgekehrt mir an den heimatlichen Herd,
Mir kündest Frühlingswärme du in Winterszeit;
Und wieder, wenn in herber Traube Zeus den Wein
Läßt reifen, lieber Kühle gleich weht's dann im Haus,
Weil du vollendend wieder heimgekommen bist! –
Zeus, Zeus Vollender, endlich ende mein Gebet;
In deine Hände leg ich, was du enden mußt!
(Ab in den Palast)
Chor:
Warum ist's, daß immerfort
Jenes Zeichen meinem Blick,
Meinem ahndungsvollen Geiste vorschwebt?
Daß der Gesang ungelohnt, ungeboten mir weissagt?
Warum nicht, vergessend sein,
Sein wie eines dunklen Traums,
Weilt auf meines Gemüts liebem Thron getroster Mut?
Und doch: vorbei ist längst die Zeit, daß fern am Strand
Heer und Schiffe man altern ließ, als zur See gen Ilion
Unser Heer gezogen war!
Eigner Zeuge, eignen Augs
Sah ich ihre Wiederkehr;
Dennoch singet drinnen harfenlos mir,
Willenlos mir den Trauergesang der Erinnys
Meine Seele, ruhig nicht
Durch der Hoffnung frohen Mut!
Und dies Bangen, erwägt's kalter Ernst, so täuscht sich nicht
Mein Herz, vom Strudel nahnder Erfüllung miterfaßt!
Möcht es anders, wie ich's geahnt, möcht es ewig unerfüllt
Als ein Nichts in Nichts vergehn!
Denn es verzehrt, heimlich zerstört alle blühnde Gesundheit selbst sich; ihr Nachbar,
Wohnt, Mauer an Mauer ihr, lauerndes Siechtum!
Mitten in glücklicher Fahrt
Treibet des Menschen Verhängnis
Auf verborgene Scheiterklippen;
Wirft Besorgnis einen Teil
Dann hinab vom reichen Gut,
Einen vollgemeßnen Wurf,
Nicht versinkt sein Haus dann ganz,
Grambelastet allzusehr,
Noch verschlingt die See den Kiel;
Wahrlich, reifende, reichliche Gabe des Zeus in den jährlichen grünenden Fluren
Sättigt leicht den Hungernden!
Doch in den Staub wenn das dahinsterbend dunkele Blut einmal sich gemischt hat,
Wer ruft es mit Zauber zurück in das Leben?
Welcher vor allen verstand
Tote zu wecken, es zwang den
Zeus, nicht schonend, zur Ruh des Todes.
Aber wenn es kein Geschick
Gottbeschieden hinderte,
Längren Lebens froh zu sein,
Eilen würde da mein Herz,
Auszuströmen diesen Wunsch;
Doch im Dunkel kummervoll
Pocht es zagend, im Tiefsten verzagend, das Knäuel der Gedanken zu lösen,
Wild umtost von dunkler Angst! –
(Klytaimestra tritt eilig aus dem Palast)
Klytaimestra:
So komm hinein doch! Du, Kassandra, bist gemeint;
Nicht zürnte Zeus dir, daß er in unsrem Hause dich
Am Opfer teil läßt nehmen, mit den übrigen
Dienstboten hinzutreten an den heilgen Herd.
So steig herab vom Wagen! Laß den eitlen Stolz!
Denn auch Alkmenes Sohn, so sagt man, trug es einst,
Verkauft zu leben und gezwungen Knecht zu sein.
Wenn nun ein Schicksal dieser Art jemandem wird,
So ist ein altbegütert Haus am leidlichsten;
Doch die sich Reichtum unerwartet ernteten,
Sind ihren Sklaven immer hart und ungerecht.
So weißt du also, wie's bei uns gehalten wird.
Chorführer:
Sie hat zuletzt dir recht ein wahres Wort gesagt,
Und bist du einmal im verhängten Netz, so folg,
Da du ihr doch mußt folgen; oder folgst du nicht?
Klytaimestra:
Versteht sie nicht, gleich Schwalben, unverständliches
Geschwätze der Barbaren nur, so rat ich ihr
Mit klaren Worten, wohlverständlich, daß sie folgt!
Chor:
Geh mit! Sie rät das Beste, was dir übrig ist;
Gehorche! Steig aus deinem Wagensitz herab!
Klytaimestra:
Nicht hab ich Muße, lange vor den Türen hier
Zu weilen; denn in Hauses Mitten am Altar
Steht unser Opfer schon am Feuer uns bereit,
Die wir uns niemals solche Lust erwarteten.
Willst du dabeisein, nun, so zögre länger nicht,
Und kannst du unvernehmlich nicht mein Wort verstehn,
So sag's mir statt mit Worten mit der Barbarenhand!
Chor:
Ein klarer Dolmetsch scheint der Fremden not zu sein,
Sie ist so schüchtern wie ein neugefangen Wild.
Klytaimestra:
Nein, ist von Sinnen, hört nur ihrem argen Trotz,
Daß sie entfernt von ihrer neugefangnen Stadt
Herkam; dem Zügel sich zu fügen scheint ihr fremd,
Eh nicht, gepeitscht, sie blutgen Schaum zu Boden trieft!
Nicht weiter nutzlos sprech ich hier zur eignen Schmach!
(Eilig ab)