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»Angelo!«
Keine Antwort. Draußen flimmerte und schimmerte der glorreiche Spätsommersonnenschein auf dem breiten Wasserstrom des Kanals Grande und überzog die ihn einsäumenden Paläste mit dem eigentümlichen, silbernen, schleierartigen Licht, das man nur in Venedig sieht und ganz besonders auffallend um die Mittagsstunden beobachten kann. Mit leisem, kaum hörbarem Ruderschlag zogen Gondeln und Barken den Kanal herauf und herab; dann und wann schnob und pustete ein Motorboot vorbei, ertönte ein Zuruf sich begegnender Ruderer, und das war das ganze Geräusch der Großstadt Venedig, das der Fremde, in dessen gemarterten Ohren der Höllenlärm seiner Städte widerhallt, als die Totenstille empfindet, die ihn glauben läßt, daß die ehemalige Königin der Meere eine tote Stadt wäre, die ihrem Untergang entgegensähe.
Die leichte Seebrise, die wie eine leis streichelnde Hand über den Kanal wehte, flüsterte in den Weiden, Zypressen, Steineichen, Hex- und Lorbeerbäumen, deren wunderbar frisches Grün die hohe, lanzenförmig gezinnte Mauer des Gartens am Palazzo Torcelli dal Giglio überragte; sie raunte leiser noch in den Ranken der wilden, virginischen Weinrebe, die an der Gartenseite den Palast bis hinauf zu den Spitzbogenfenstern des zweiten Stockwerkes überzog.
An einem dieser Fenster, hinter der halb zugestellten Markise war dies scharfe, ungeduldige »Angelo!« erklungen, das unbeantwortet geblieben war. Vielleicht absichtlich, denn der Angerufene saß in demselben Raum, doch schien er so in seine Lektüre versenkt und konnte ebensogut den Anruf überhört haben. Es war der derzeitige Besitzer des Palastes, Principe oder zu deutsch Fürst Angelo Torcelli dal Giglio, ein 30jähriger Mann mit einer wahren Antinoosgestalt und einem Rassekopf, in dem die venezianischen Eigentümlichkeiten durch ein paar römische Züge zu einem Ganzen zusammengeschmolzen waren, an dem des aufmerksameren Beobachters Blick sicher nicht ohne Verwunderung vorüberschweifte. Den römischen Einschlag hatte Angelo Torcelli von seiner Mutter, der verwitweten Principessa, die eine Römerin aus dem feudalsten Blut der Ewigen Stadt, den Corleone war. Donna Fabiola war einst eine berühmte Schönheit gewesen, stolz, wie nur eine römische Aristokratin sein kann, arm wie eine Kirchenmaus. Jugendlich schlank und schön, wenn auch vielleicht nur für den Liebhaber dieses Typs, war sie noch heute, trotz ihrer achtundvierzig Jahre. Ihr Stolz war durch ihre Verbindung mit einem der ältesten Geschlechter des venezianischen Uradels noch gewachsen, und ihre Verschwendungssucht hatte zuwege gebracht, die vorher sehr soliden, wenn nicht gar brillanten Finanzen des Hauses Torcelli zugrunde zu richten.
»Angelo!« Der zweite Anruf Donna Fabiolas hatte zur Schärfe und Ungeduld noch eine Gereiztheit im Ton, die den anscheinend so sehr in sein Buch vertieften Leser wie ein Peitschenschlag traf, daß er in die Höbe fuhr und fragend aufsah. Mit einem kleinen Seufzer der Resignation, der nicht viel mehr als ein tieferer Atemzug war, legte er das Buch auf das kleine Tischchen, an dem er saß, und machte mit seinem Kopf eine verbindliche Bewegung nach der Sprecherin.
»Du befiehlst, liebe Mama?«
»Ja, ich befehle«, kam es noch um einen Grad gereizter zurück. »Ich will heute ein für allemal wissen, was du zu tun gedenkst!«
»Was ich – oh, wegen des Verkaufs der Villa am Brentakanal? Ja, der Intendant meint, da doch niemand dort wohnt und die Erhaltungskosten sehr groß sind, wäre es wohl angezeigt, dem Wiener Bankier den Zuschlag auf sein Angebot zu erteilen – –«
»Dieser Hebräer besitzt schon zwei Paläste des Uradels in Venedig; auf dieses Haus hat er längst sein Auge geworfen«, fiel Donna Fabiola heftig ein. »Aber wenn es dir so leichtfällt, diesen Besitz in solche Hände gelangen zu lassen, der noch dazu von deinem Vater als mein Witwensitz bestimmt wurde –«
Ein ausdrucksvolles Achselzucken vollendete die Rede, die nicht nur nicht korrekt, sondern vor allem höchst ungerecht war, da nicht der Leichtsinn des Principe, sondern ihre eigene, glänzende Unkenntnis pekuniärer Mittel die historische Villa am Brentakanal dem Meistbietenden zur Verfügung stellte. Angelo Torcelli erwiderte nichts auf den Ausfall. Er schloß nur den Mund fester und senkte den Blick seiner dunklen, venezianisch samtigen Augen auf die Spitzen seiner eleganten braunen Schuhe herab; er wußte ganz genau, daß er sich noch gegen andere Geschosse zu wappnen hatte, und er tat das mit den allerbesten Vorsätzen, was ihm zur Ehre gesagt werden muß.
»Aber tut, was ihr wollt! Wenn der Herr Intendant dekretiert, dann ist ja doch nichts mehr zu machen«, fuhr die Fürstin ungeduldig fort. »Davon wollte ich auch gar nicht reden, aber du mißbrauchst mich absichtlich, Angelo! Gut denn: Ich will wissen, was du wegen Daphne beschlossen hast!«
Nun war aber »Daphne« niemand anders als Angelo Torcellis leibliche Cousine, die einzige Tochter des Bruders seiner Mutter, des Fürsten Corleone. Dieser hatte als junger Mann seinen mit Hypotheken überlasteten historischen Palast mit der Gemäldegalerie darin, auf die der Staat schon seine Hand gelegt hatte, durch seine Verheiratung mit einer englischen Erbin vor dem Zusammenbruch bewahrt. Die vielbewunderte Engländerin, Herzogin »im eigenen Recht«, hatte allen warnenden Stimmen zum Trotz den ruinierten Römer geheiratet. Zur Ehre von Gaetano Corleone muß aber gesagt werden, daß er die junge Herzogin so leidenschaftlich liebte, wie sie ihn, und daß ihr fabelhafter Reichtum nicht die mindeste Rolle dabei spielte. Daß er ihn ohne Bedenken mitnahm, um damit den lang verblichenen Glanz seines alten Hauses wieder zu erneuern, verdachte ihn in seinen Kreisen niemand; die übergroße Feinfühligkeit, die in dem Reichtum der Erwählten ein Hindernis sieht, ist zudem kein Erbteil der lateinischen Rassen, und da auch die angelsächsischen Magnaten begonnen hatten, ins Land der Dollars zu ziehen, um mit dieser angenehmen Münze ihre Schlösser wieder aufzubauen, so fand auch eigentlich jenseits des Kanals »die Gesellschaft« nichts Tadelnswertes in der Annahme der Einkünfte der vielbegehrten Erbin, die gelassen den Tag ihrer Volljährigkeit abgewartet hatte, um ohne gesetzlichen Einspruch dem Zug ihres Herzens folgen zu können. In den fünf kurzen Jahren ungetrübten Eheglücks hatte sie nicht einen Tag Ursache, ihren Schritt zu bereuen, und mit der tiefen Trauer im Herzen, die äußere Schaustellungen meidet, zog die junge Witwe sich mit ihrem einzigen Kind in ihre schottischen Hochlande zurück, und folgte dann nach zehn Jahren dem Unvergessenen ins Grab. Dies einzige Kind aber war »nur« ein Mädchen, auf dessen Kinderschultern schon nach dem Tod seines Vaters die Last des Titels einer Principessa Corleone, Herzogin von Roccosanto, geladen wurde mit der Bedingung, daß der künftige Gatte ihn mit dem alten Namen anzunehmen und fortzuführen hatte in seiner eigenen Deszendenz. Mit dem Tod ihrer Mutter wurde die junge Principessa dazu noch Herzogin von Heatherstone im eigenen Recht. Zwei Vormünder, ein italienischer und ein englischer, wachten über die Wahrung ihrer Rechte und über ihre Erziehung, die eine ganz englische war, weil ihre Mutter bei aller Liebe für ihren Gatten nicht so blind war zu erkennen, daß in ihrer Heimat die jungen Mädchen besser erzogen wurden als in den Kreisen der italienischen Aristokratie; jedenfalls freier, selbständiger und gesünder. Und so wurde aus der mit Titeln beladenen italienischen Fürstin keine Treibhauspflanze, sondern eine Heideblume, gestärkt in der belebenden Luft der freien Berge, ein nur flüchtiger und seltener Gast in den Mauern Roms. Als sie achtzehn Jahre alt geworden war, fand der römische Vormund aber, daß es nun Zeit wäre, sein Mündel mit ihrem Vaterland vertraut zu machen, die Italienerin in ihr zu wecken, welche die Engländerin nachgerade zu ersticken drohte. So wurde die junge Erbin zunächst für ein Jahr der Obhut ihrer Tante Fabiola Torcelli dal Giglio anvertraut. Sie war eine Dame von tadellosem Ruf und die nächste italienische Anverwandte, die in Betracht kam; der Umstand, daß sie einen unverheirateten Sohn hatte und der natürliche Wunsch in ihr rege werden konnte, ihm die Erbin zu sichern, wurde selbstredend nicht außer acht gelassen, aber schließlich von keiner Seite beanstandet, und so hielt Daphne Corleone zunächst ihren Einzug in Venedig, wo sie zum ersten Mal die Bekanntschaft ihres Vetters machte.
Donna Fabiola war es bislang noch nie in den Sinn gekommen, mit Daphne Corleone zu rechnen. Sie hatte angenommen, daß man ihr schon längst einen englischen Gatten bestimmt hatte. So war es Sitte in Italien, und wohlerzogene junge Aristokratinnen finden sich darein. Als ihr aber plötzlich die Anfrage der Vormundschaft ins Haus schneite, sah sie darin geradezu einen Wink des Himmels, eine Rettung aus Schwierigkeiten, die gar nicht abzusehen waren. Wäre Donna Fabiola eine Diplomatin gewesen, so hätte sie den Ereignissen erlaubt, sich mit geschickter Nachhilfe zu entwickeln. Aber sie war gewöhnt, ihren Willen als den allein möglichen und maßgebenden zu betrachten. Kaum hatte sie den Brief der Vormundschaft in den Händen, in welchem Daphne Corleone ihrer Obhut zunächst auf ein Jahr anvertraut wurde, und zwar ohne jede Reserve und Bedingung, da flog sie auch schon zu ihrem Sohne und sagte ihm: Du wirst sie heiraten –! Angelo Torcelli, der ganz genau wußte, daß seine Mutter keinen Widerspruch vertrug, hatte sie reden, planen, bestimmen lassen, ohne auch nur ein Sterbenswort dazu zu sagen, –eine längst von ihm befolgte Diplomatie, die ihm ohne stürmische Szenen erlaubte, zu tun, was er für recht fand. Das war nicht ganz eigene, selbsterrungene Weisheit: sein Vater hatte es schon so gemacht. Außerdem aber war er, – was seiner Mutter durch aus entgangen war, – durch Nachdenken und ernste Lektüre, wozu ein schwerer Unfall ihm Zeit und Geschmack gegeben hatte, stark von der breitgetretenen Bahn traditioneller Anschauungen abgewichen. Während er nach einem Sturz mit dem Pferd bei einem Übungsritt des Gardereiterregiments, in welchem er diente, lange, lange Monate an sein Schmerzenslager gebannt lag, war ihm so manches, das er bisher als richtig und selbstverständlich angenommen hatte, in einem anderen Lichte erschienen. Als er, aus dem Hospital entlassen, für immer in seine Heimat Venedig zurückkehrte, war er innerlich und äußerlich ein anderer geworden. Das erstere nannte seine Mutter, falls sie es überhaupt bemerkte, »den Torcelli'schen Eigensinn«, und das letztere verletzte ihre Eitelkeit, denn ihr Sohn, auf dessen elegante Figur sie bisher so stolz gewesen war, hinkte! Freilich, wohl deckte ihrer Meinung nach sein großer, historischer Name mit der Dogenkrone über dem Wappenschild diesen Defekt reichlich zu, aber doch war sie sich's ständig bewußt, daß ein hinkender Gatte für ihre Eitelkeit Gift und Galle gewesen wäre.
Donna Fabiola lag nun ihrem Sohn dauernd in den Ohren mit der Notwendigkeit seiner Vermählung – und zwar einer reichen Heirat – zwecks Erhaltung seines im Erlöschen begriffenen Namens und des Palastes, dessen Veräußerung sonst nicht zu umgehen war. Dieses Thema hatte sie durchgepaukt, bis sie das Ohr ihres Sohnes glücklich für die immer wiederkehrende Weise abgestumpft hatte. Allmählich aber brachte der Name von Daphne Corleone einen Doppelklang in den einschläfernd gewordenen Ton, der die Nerven vibrieren machte. Das war zwar ihre Absicht, aber sie täuschte sich in dem Erfolg, denn sie erreichte damit nur, daß sich Angelo gegen seine Cousine auflehnte, noch ehe er sie von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte, weil eben der Freiheitsdrang zur Selbstbestimmung in jeder menschlichen Seele die Opposition gegen seine Beschränkung zum Zwillingsbruder hat. Als sie dann kam und sich frank und frei von der ersten Stunde an in ein rein-schwesterlich herzliches Verhältnis zu ihm stellte, in völliger Harmlosigkeit es bedauerte, daß sie ihn so spät erst kennenlernte, da atmete er auf und fühlte sich nach dieser Richtung hin gedeckt; seine Mutter aber nahm im Gegenteil die harmlose Herzlichkeit ihrer Nichte für ein vollkommen planmäßiges Entgegenkommen, das nur nach einer Richtung zielen konnte, und bohrte energisch weiter.
»Ich will wissen, was du wegen Daphne beschlossen hast!« Das war heute ein neuer Refrain, der dem täglichen Pensum angehängt wurde, gewissermaßen der Peitschenschlag, der den bisher stummen, passiven Widerstand zu einer direkten Äußerung zwang.
»Ich habe beschlossen, das warme, geschwisterliche Verhältnis, das zwischen ihr und mir herrscht, nie und nimmer auch nur durch die leiseste Andeutung nach der von dir gewünschten Richtung hin zu stören«, war die Antwort, deren künstliche Ruhe durch langsames Skandieren der Silben sozusagen unterstrichen wurde.
Donna Fabiola lachte laut und unharmonisch auf.
»Geschwisterliches Verhältnis! Angelo, bist du denn blind? Das Mädchen kommt dir in einer Weise entgegen, die es In unseren Kreisen unmöglich machen würde –«
»Pardon, Mama, wenn ich widerspreche, aber ich, als der zunächst Beteiligte, muß das besser wissen, um so mehr, als mir von jungen Damen aus unseren Kreisen Avancen gemacht worden sind, die geeignet waren, mich über das vollkommen aufzuklären, was sie bedeuten sollten. Daphne ist in einem anderen Lande erzogen worden und vollkommen natürlich. Es hieße sie mißverstehen, wollte man ihrem Benehmen mir gegenüber andere Motive unterschieben, zumal sie bei ihrer Stellung und ihrem Reichtum nicht nötig hat, sich Hals über Kopf einen Krüppel zu angeln, der ihr nichts anderes bieten kann als einen alten Namen und einen reparaturbedürftigen Palast.«
»Warum mußtest du auch diesen unseligen Ritt mitmachen!« stürzte Donna Fabiola sich nach der Art gewisser Frauen auf den einzigen angreifbaren Punkt in dieser Antwort.
Das Blut stieg dem Fürsten bei der ungerechten und unzarten Attacke in das mit einem gleichmäßigen, warmen Bronzeton getönte Gesicht, aber er beherrschte sich wie immer.
»Das Kommando zu diesem Ritt war eine Auszeichnung, denn es waren nur die besten Reiter dazu ausgewählt worden. Du mußt dich wirklich daran gewöhnen, mamma mia, es nicht zu vergessen, daß ein Gesuch um Entbindung von diesem Kommando so gut wie ausgeschlossen war. Frage lieber, warum gerade mein Pferd bei dem Sprung über jene Mauer mit dem Vorderhuf in ein Maulwurfsloch geraten und zu Sturze kommen mußte, der tödlich für das Tier und verhängnisvoll für mich verlief.«
»Ja, ja, ja, – ich weiß alles! Wer wird denn gleich jedes Wort auf die Goldwaage legen!« rief Donna Fabiola hastig, vielleicht weil ihr einfiel, daß ihre Art, über den Unfall zu reden, immer die gleiche war. »Darum handelt es sich auch gar nicht. Du bist solch ein Silbenstecher, Angelo! Das ist eine unausstehliche Angewohnheit von dir. Ich sprach von Daphne, dächte ich. Also gut, wenn du nicht findest, daß sie dir entgegenkommt – ich bin eben an eine andere Art und Weise bei wohlerzogenen jungen Damen unserer Kreise gewöhnt, – nun, was hindert dich, es deinerseits zu tun?«
»Erstens der Wohlanstand und das Gefühl der Selbstachtung, die mir verbieten, mich wie die Spinne auf die Fliege zu stürzen, die in ihr Netz geraten ist. Gewiß, Mama, das Gleichnis hinkt, wie alle Gleichnisse, denn Daphne ist nicht in unser Haus ahnungslos geraten, sondern ihm sehenden Auges anvertraut worden. Gerade darum sollten Wohlanstand und Selbstachtung sie als ein Rührmichnichtan betrachten –«
»Aber, das sind doch ganz verrückte Ansichten, die kein Mensch begreifen wird«, fiel Donna Fabiola erregt ein.
»Vielleicht. Wahrscheinlich sogar«, gab Angelo Torcelli zu. »Aber die Hauptsache ist doch, daß wir sie begreifen, und wenn ich allein damit stehe, nun, so kann ich mir eben nicht helfen. Daphne übrigens liebt mich sicher nicht in dem Sinn, den du meinst. Ich bin für sie ein Gegenstand des Mitleides, vielleicht auch ein besonders werter und angenehmer Verwandter, den sie schätzt, für den sie eine schwesterliche Zuneigung hat – ich hoffe, daß sie diese Gefühle für mich hegt, denn ich habe sie meinerseits sehr gern. Aber ich weiß von ihr selbst, daß sie niemals einem Manne ihre Hand reichen würde, den sie nicht liebt, und bin darin eines Sinnes mit ihr, weil ich es für direkt unmoralisch halte, eine Ehe äußerer Motive wegen zu schließen. Daphne ist mir eine liebe Cousine, sonst aber nichts. Und damit, liebe Mama, bitte ich, dieses Thema ein für allemal ruhen zu lassen. Es ist vollkommen nutzlos, wieder darauf zurückzukommen.«
Angelo Torcelli war kein phlegmatischer Mensch, – im Gegenteil. Wäre er heftig aufgefahren, hätte er seine Opposition herausgesprudelt, hätte er mit seiner gewohnten Lebhaftigkeit sich verwahrt gegen die Pläne seiner Mutter, so hätte diese mit der gleichen Art ihre Wünsche verfochten, mit Heftigkeit auf der Notwendigkeit dieser Verbindung bestanden. Aber die Ruhe, mit der ihr Sohn zum ersten Male sich überhaupt zu der Sache äußerte, der Klang seiner Stimme und ein Etwas in seinem Blick, von dem sie vage empfand, daß es gefährlich sein könnte, auch nur einen Schritt weiter zu tun – das alles warnte Donna Fabiola und flößte ihr unbewußt – den Respekt ein, der sie dazu zwang, wenigstens zur Stunde die Waffen zu strecken. Mutter und Sohn sahen sich sekundenlang stumm in die Augen, und die Warnung, die sie in den seinen las, zeigte ihr blitzähnlich, daß sie schon zu weit gegangen war und mit weniger wahrscheinlich mehr erreicht hätte. Auch Leute, die ganz und vollkommen von sich und der Wirksamkeit ihrer Strategie überzeugt sind, haben manchmal einen Moment der Erleuchtung, in dem sie erkennen müssen, daß sie mit den Mitteln, die sie angewandt haben, nur den Widerspruch erweckt und genährt haben.
»Nun, dann hat es ja gar keinen Zweck, daß Daphne bei uns ist«, sagte Donna Fabiola naiv, indem sie tatsächlich die Augen vor dem Blick ihres Sohnes senkte.
Der Fürst lächelte unwillkürlich, aber es war kein Lächeln der Heiterkeit.
»Du mußt dich eben an die offizielle Parole halten: daß deine Nichte dir anvertraut worden ist, damit sie durch dich und unter deinem Schutz ihren Platz in der italienischen Gesellschaft einnimmt. Du kannst ganz überzeugt davon sein, daß man eine andere Vertrauensperson für diesen verantwortlichen Posten gefunden hätte, wenn dein Sohn – kein Krüppel wäre!«
»Nun, ich hoffe doch, daß dies bißchen Lahmheit meinen Sohn nicht zum Zölibat verurteilt«, fuhr Donna Fabiola auf, froh, einen Ausweg aus der Verlegenheit dieser verlorenen Schlacht gefunden zu haben. »Mein Gott, Angelo, bist du denn nicht imstande, einzusehen, daß es deine Pflicht ist, dich zu vermählen! Den alten, großen Namen zu erhalten, den Glanz deines Hauses wieder herzustellen –«
Das war sonst die Einleitung und die Begründung, wenn die Principessa ihren Sohn mit Gewalt zu seiner Cousine bekehren wollte. Er hatte das eine wie das andere bisher mit stoischem Schweigen aufgenommen; heute aber war er geneigt, auch über diesen Punkt Aufklärung zu geben.
»Meinst du?« unterbrach er sie, oder vielmehr, er fiel da ein, wo sie nach Worten suchend aufhörte. »Nun, ich will über die Pflicht nicht streiten; das ist Ansichtssache. Meine Privatmeinung ist: ein alter Stamm fällt besser, solange er noch grünt, statt daß er verdorrt oder degeneriert. Eine Pflicht läge für mich nur vor, wenn es sich um die Erhaltung unschätzbarer Familiengüter handelte, wie zum Beispiel die Bildergalerie im Palazzo Corleone. Es ist wahr, dieses Haus hier ist historischer Boden, aber ich darf mir das Zeugnis ausstellen, daß ich für seine Erhaltung wie für die der wenigen, aber erlesenen Kunstwerke darin bisher mannhaft gefochten habe. Darum mag auch lieber die Villa am Brentakanal dahingehen, ehe ich erlaube, daß zum Beispiel der Tizian drunten bei Nacht und Nebel verschwindet, um die Sammlung eines gewissen amerikanischen Millionärs zu schmücken –«
»Angelo –!« Donna Fabiola war leichenblaß in ihren Sessel zurückgesunken, aus dem sie in der Erregung aufgesprungen war. »Was – was willst du damit sagen?«
»Genau das, was ich ausgesprochen habe«, war die betonte Erwiderung. »Ich bin überzeugt, daß der erfolgreiche Schweinehändler eine durchaus entsprechende Phantasiesumme für das Gemälde geboten hat, denn schon die Belohnung, die er meinem Majordomo für das Herauseskamotieren versprochen, ist sehr anständig in Anbetracht dessen, daß er das Bild ja nicht stehlen, sondern von der – Herrin des Hauses kaufen wollte, wenn er auch über die Legalität des Verfahrens einige Bedenken gehabt haben muß. Zum Glück für mich – und es hat mich das wirklich so gefreut, wie seit Jahren nichts, ist der Majordomo mehr torcellisch gesinnt, als – als andere, die mich an meine Pflichten als Letzten meines Stammes mahnen. Nach der Meinung der Fremden sind ja alle Italiener bestechlich, aber ich wurde doch von der Gefahr unterrichtet, in welcher der Tizian geschwebt hat und vielleicht noch schwebt, denn ich kann die Hilfe des Gesetzes nicht zum Schutze anrufen oder die Behörden von der geheimen Ausfuhr des Gemäldes verständigen, weil ich ja damit die Person bloßstellen würde, mit welcher der Amerikaner im Einverständnis handelt. Aber vielleicht kann die Person den Handel noch rückgängig machen. Meine Einwilligung zu dem »Kauf« ist ja nicht eingeholt worden. Und da wir gerade von Geld und von Geschäften reden, liebe Mama, darf ich mir erlauben, dich zu fragen, ob der Kaufpreis für die Villa am Brentakanal zur Begleichung deiner Pariser Schneiderrechnung ausreichend sein dürfte? Das beißt natürlich, falls es dir keine Mühe macht und du eine ungefähre Ahnung von der Summe hast.«
Aber Donna Fabiola war, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben, jenseits der Fähigkeit des ihr sonst so geläufigen Wortes. Um zehn Jahre gealtert lehnte sie in ihrem Sessel, die Hände wie abwehrend von sich gestreckt, die Augen von Furcht und Entsetzen erfüllt auf ihren Sohn geheftet, der von seinem Stuhle aus mit gleichmäßig gedämpfter Stimme, jede Silbe gewissermaßen unterstreichend, gesprochen hatte, während die Finger seiner kraftvollen, muskulösen, aber schlanken Rechten zwischen den Blättern seines Buches spielten, auf das er die Augen gesenkt hielt. Als keine Antwort kam, erhob er sich, griff nach dem Stock, der neben seinem Stuhl lehnte, und machte einen Schritt vorwärts, der seine Lahmheit offenkundig machte, aber auch bewies, daß die Selbstbezeichnung »Krüppel« mehr der Bitterkeit über sein Unglück als dem Augenschein entsprach, denn die schlanke Gestalt hätte in ihrem Ebenmaß einem Praxyteles zum Modell dienen können, und der ausdrucksvolle Kopf mit der kühnen Hakennase fesselte mehr als die Schönheit des Antinoos.
Das Bild sprachlosen Entsetzens, das Donna Fabiola bot, lockte keinen weicheren Ausdruck in seine Augen, die für gewöhnlich zwar fest und frei im Ausdruck, aber doch durchaus nicht hart waren, wie seit dem Beginn dieses Gespräches, bei dessen Eingang er noch nicht die Absicht gehabt hatte, es so enden zu lassen.
»Ich bedaure, dich in Unruhe versetzt zu haben«, sagte er im gleichen Tone wie vorher. »Es war meine Absicht, diese peinliche Angelegenheit persönlich mit dem Amerikaner zu ordnen und dir gegenüber Stillschweigen zu beobachten. Aber auch ein Sohn ist eben nur ein Mensch, und ein einziger Tropfen kann den Becher zum Überlaufen bringen. Dieser Tropfen war für mich die Mahnung an meine Pflicht.«
Das war das Stichwort, an dem Donna Fabiolas Lebensgeister sich wieder aufrichteten.
»So erfülle sie, – heirate Daphne, und ich – ich will dem Amerikaner selbst Bescheid geben!« rief sie triumphierend, allen Schrecken, alles Entsetzen vergessend.
Wenn ein Tropfen den Becher zum Überlaufen bringen kann, so genügt auch ein Strohhalm, um den Rücken des Kamels zu brechen. Nach allem, was gesagt worden war, langte Donna Fabiola über den Umweg durch die Hölle, die sie selbst sich geheizt hatte, genau auf dem Standpunkt an, den sie eingenommen hatte, als sie heute zum ersten Mal »Angelo« sagte. Ihren Sohn überkam das Gefühl des Schwindels, das einen Menschen überfällt, der den Boden der Selbstbeherrschung unter sich nachgeben fühlt – für eine heftige Natur, die sich mit dem Aufgebot ihrer ganzen Willenskraft so lange bezähmt hat, ein kritischer Augenblick, in dem von einer Verantwortlichkeit nur noch bedingt die Rede sein kann.
»Nein«, rief er laut, hart und atemlos im Banne eines Zornes, der ihn von Kopf bis zu Füßen schüttelte, »nein, ich werde Daphne nicht heiraten, denn ich liebe sie nicht, und sie steht mir zu hoch, als daß ich ihr meine Hand ohne mein Herz bieten würde. Aber da es dir gleichgültig ist, was mein Herz zu dem sagt, was du – du! für meine Pflicht erachtest, da es sich eigentlich ja nur noch darum handelt, daß der Name Torcelli dal Giglio nicht erlischt, indem die Villa deine Schneiderrechnung decken dürfte und du für künftige immer noch den Amerikaner in Reserve hast, gut! So werde ich heiraten, und zwar das erste weibliche Wesen, das mich in der nächsten Stunde auf dem Weg von diesem Hause bis San Marco anreden wird!«
Angelo Torcelli war zum äußersten getrieben durch die unablässigen Quälereien und Bohrereien seiner Mutter und an erster Linie durch ihren perfiden Plan, den Stolz seines Hauses, den Tizian hinter seinem Rücken zu Geld zu machen. Er war sich kaum bewußt, daß er mit seinen letzten Worten einen ungeheueren Unsinn ausgesprochen hatte, dessen Folgen, wenn er ihn zur Ausführung brachte, nur für ihn selbst zur Strafe werden mußten. Wen aber der Zorn peitscht, den hat die Unvernunft so gut wie ganz in ihrer Macht. Was Angelo Torcelli noch vollends die Besinnung raubte, war das höhnische Lächeln seiner Mutter, mit dem sie sagte: »Nun, dann können wir alle beide ruhig sein über die Person der künftigen Principessa! Weibliche Wesen pflegen Herren auf der Straße nicht anzureden, oder? Bettlerinnen und Blumenmädchen! Die dürfen wir von den »weiblichen Wesen« wohl von vornherein in Abzug bringen, nicht?«
»Durchaus nicht!« erwiderte Fürst Torcelli und stieß zur Bekräftigung seinen Stock auf dem Estrich auf – er war in diesem Augenblick jenseits aller Überlegung und Vernunft, in seinem Zorn zu jedem Widerspruch gereizt.
»Bettlerin oder Blumenmädchen, jung oder alt, schön oder häßlich, – das erste weibliche Wesen, das mich – mich! in der nächsten Stunde auf dem Weg von hier bis San Marco anredet, werde ich zur Fürstin Torcelli machen! Ob sie mich will oder nicht – gleichviel, ich werde sie zu zwingen wissen, und ist sie schon vermählt, so wird sie sich scheiden lassen, um mich zu heiraten! Nur, damit ich endlich Ruhe vor dir bekomme! Nur deshalb! Ich gebe dir mein Ehrenwort und schwöre dir beim Andenken meines Vaters, daß ich tun werde, was ich dir gesagt habe! Vielleicht tritt sein Geist zwischen mich und die Frau, die den Mund öffnet, um mich anzureden, vielleicht auch nicht! Vielleicht ist's ein Engel, der auf mich wartet, um mich zu retten, vielleicht der Teufel, der mich verderben will. Und dann lege ich mein vernichtetes Leben vor deine Schwelle, Mutter! Ja, wenn in deinem Herzen sich die Mutter noch für mich regt, dann bete, während ich meinen Gang tue, daß Gott der Frau den Mund versiegelt, die den Blick auf mich richtet, um mich anzureden, gleichviel aus welchem Grunde!«
Donna Fabiola, die ihren Sohn eigentlich von allen Menschen am wenigsten kannte, oder ihn auch nur halbwegs verstand, weil er ganz, ganz anders als sie geartet war, wußte aber doch, daß sie seiner Geduld zuviel zugemutet hatte, sie wußte auch, daß er leere Worte selbst im Scherz nicht zu machen pflegte, und sicherlich nicht melodramatische Szenen aufführte. Darum fuhr ihr bei diesem elementaren Ausbruch doch ein Schreck durch die Glieder, den seine beherrschte Bitterkeit nicht auszulösen vermocht hatte. Mit einem leisen Aufschrei war sie mit zwei Schritten neben ihrem Sohne.
»Angelo, Lieber!« stammelte sie. »Ich will ja nur dein Bestes, ich, deine Mutter! Bleib' bei mir, geh' nicht aus, – du kannst doch nicht im Ernste –«
»Ich habe beim Andenken meines Vaters geschworen und habe dir mein Wort verpfändet, scherzt man damit?« rief er gereizt. »Also, es bleibt dabei«, setzte er im nächsten Augenblick ruhiger, mit einem seltsamen Gefühl von Hoffnungslosigkeit hinzu. Und mit einem kurzen Kopfnicken ging er hinaus, zunächst in sein Zimmer, um seinen Hut zu holen.
Ein schreckliches Gefühl der Ernüchterung begleitete ihn auf dem Weg durch die langen Korridore und über die Loggia des ersten Hofes, in dem weiße Marmorbilder zwischen Orangen- und Lorbeerbäumen in Kübeln standen und Efeu und Clematis sich über die zierlich durchbrochene Steinbrüstung rankten. Hier über diesem Hof hatte der Fürst seine Zimmer, zu denen er aus der Loggia gelangte. Als er über seine Schwelle trat und die Tür hinter sich schloß, wallte es noch einmal in ihm auf, diesmal aber gegen sich selbst. »Wie der Held einer Schauertragödie hab ich mich aufgeführt!« knirschte er. »Ich, der ich mir so viel auf meine Selbstbeherrschung zugute getan habe! Aber, da ich mich verschworen, so muß es auch ausgefressen werden. Aber es ist nicht anzunehmen, daß ein weibliches Wesen mich anspricht. Es war wohl mein guter Engel, der diese Einschränkung mir auf die Zunge legte.«
Dann griff Angelo Torcelli nach Hut und Handschuhen und verließ entschlossen sein Zimmer. Als er die Tür aufmachte, huschte oder vielmehr tanzte eine weiße Gestalt daran vorüber, stand aber still, als er auf der Schwelle erschien.
»Guten Morgen, Vetter!« rief sie laut und lustig und streckte ihm die Hand entgegen. »Guter Gott! Du siehst ja aus wie ein wandelndes Gewitter! Was ist denn passiert?«
»Guten Morgen, Cousine! Du kommst ja daher wie die frische Seebrise nach dem Gewitter«, erwiderte er mit einem tiefen Atemzug, als hätte eben diese Brise etwas Dunkles in ihm verjagt, indem er kräftig die gereichte Hand drückte, die ihm die Erbin von einem halben Dutzend Titeln »im eigenen Rechte« so frank und frei gereicht hatte, wie es so unkonventionell nie eine seiner Landsmänninnen fertigbringen konnte. Daphne, die Hoffnung seiner Mutter, hatte vom Inselland des Nordens das reiche, silberblonde Haar, den klaren, unvergleichlichen Teint und von ihrer römischen Abstammung die großen, dunklen Augen, deren enorme Iris kaum etwas von dem bläulichen Weiß darum sehen ließ, die geraden, für die feinen Züge und den lachenden Mund fast zu schweren, schwarzen Brauen, die feine, gebogene Nase, wie man sie auf den Büsten der Römerinnen des Altertums sieht, und über ihrer ganzen Erscheinung lag ein Hauch von Jugendkraft, geistiger und körperlicher Gesundheit, der in der Tat etwas von einer Mut einflößenden, erfrischenden Seebrise hatte.
»Kein Wunder, ich komme ja eben von der See«, sagte sie fröhlich. »Und einen Hunger habe ich mir angerudert – Cecco, der Koch, hat mir unten schon verraten, daß es Makkaroni mit Tomaten zum Lunch gibt und frischen, gestovten Tunfisch. Wenn ich's nur bis dahin aushalte, ohne die Ca' Torcelli anzubeißen. Warum bist du denn nicht mitgekommen, Angelo? Ich hab dir doch sagen lassen, daß ich heut rudern wollte! Soll ich dir etwa eine gedruckte Einladung auf Büttenpapier schicken, damit ich wieder einmal die Ehre deiner hoben Gesellschaft auf hoher See habe?«
»Ich – ich konnte nicht kommen, Cousine« wich er aus, denn die frei erzogene Erbin hätte nicht begriffen, wie schnell man in ihrem legalen Vaterland ein solches Stelldichein mißdeutet hätte.
»Konnte nicht!« wiederholte sie vorwurfsvoll. »An solch einem Morgen wie der heutige muß man können. Was hattest du denn so entsetzlich Wichtiges zu tun?«
»Ich – ich mußte das Buch beenden, dessen Umfang schon dein Mißfallen erregt hat«, erwiderte er.
»Warum nicht gar!« protestierte sie lachend. »Jetzt soll ich am Ende noch an deiner Ungenießbarkeit schuld sein! Hast du dich glücklich durch den Gallimathias durchgearbeitet?«
»N–nein«, gestand er mit der Wahrheitsliebe, die ihm im Blute lag, und die er an Daphne so zu schätzen wußte. »Ich beging den Fehler, mich mit dem Buch in den Salon zu setzen, weil ich den gelegentlichen Blick auf den Kanal liebe, und meine Mutter kam und bestand darauf, von – Geschäften zu reden.«
»Tante Fabiola und Geschäfte!« rief Daphne. »Ich begreife, daß dir der Kopf davon brummt! Und du, wie es scheint, jetzt das Bedürfnis hast, ihn in die frische Luft zu führen! Nun denn, auf Wiedersehen beim Lunch, Vetter!«
Damit nickte sie ihm zu und sprang durch die Loggia, ein Bild strahlender Jugend.
Angelo Torcelli setzte den Stock, der ihn stützte, fester auf und ging seines Wegs der Treppe zu, die Daphne heraufgekommen war. Es war ihm besser zumute nach dieser Begegnung, und doch wieder schien er sich mühsamer als sonst zu bewegen.
»Gott erhalte ihr den frohen Mut und lasse sie nicht das Opfer eines Mannes werden, der nur ihr Geld begehrt«, dachte er mit einem Seufzer. »Ich hab' sie lieb, die blonde Daphne – wie eine Schwester. Ich wollte, ich hätte das Recht, ihr wie ein Bruder zur Seite zu stehen –«
»Gehst du aus, Angelo?« unterbrach ihn eine tiefe Stimme, und der Fürst sah, als er aufblickte, Don Orso Torcelli, einen kleinen, dünnen, mit peinlichster Sorgfalt gekleideten Herrn. Er war einer der permanenten »Gäste« des Hauses, ohne die ein großer italienischer Palazzo unvollständig wäre, vielleicht weil er Raum genug hat, die armen Verwandten zu beherbergen, für die man sonst anderweitig zu sorgen hätte. Don Orso war ein Vetter von Angelos Vater, ein Gelehrter und kompetenter Kenner der Geschichte des großen Hauses, dem er angehörte, und daneben ein so hoffnungslos fürs praktische Leben unpraktischer Mensch, daß man ebensogut ein Wickelkind hätte auf der Straße aussetzen können, als diesen Sechziger, der es nach den Begriffen seines Landes für ganz selbstverständlich hielt, in der Ca` Torcelli Asylrecht zu genießen. »Gehst du aus, Angelo?« wiederholte er, als sein Neffe ihn, in Gedanken versunken, verständnislos ansah.
»Sage mir, Onkel«, stammelte nun der Fürst, »glaubst du, daß ein Mensch, ein Mann meine ich, verpflichtet ist, ein Gelübde zu halten, das eine maßlose Erregung ihm erpreßt hat?«
Don Orso nahm den Hut ab und kratzte sich mit dem kleinen Finger das bürstenartig aufstrebende Haar seines Kopfes, indem er die buschigen, weißen Brauen hochzog.
»Das ist eine kitzlige Frage«, meinte er, indem er seinen Neffen zärtlich ansah. »Eine Gewissensfrage, und ehe man die näheren Umstände nicht kennt – aber ich sollte meinen, Gelübde ist eben Gelübde, von dem nur ein Gewissensrat oder aber das eigene Gewissen entbinden kann. Es kommt eben dabei alles auf die Umstände an.«
»Ja, freilich – ich verstehe«, murmelte Fürst Torcelli mit einem Seufzer und ging weiter, indem er seinem Verwandten zunickte. Das Treppensteigen war für seine lahme Hüfte immer ein Stück mühseliger Arbeit. »Gelübde ist Gelübde«, klang es ihm auf jeder Stufe in den Ohren. Unten in der Halle stand er still und zündete sich eine Zigarette an, um sie nach dem ersten Zuge wieder fortzuschleudern, hinaus auf das glitzernde Wasser, das durch die geöffneten, kassettenartig geschnitzten, mit bronzenen Beschlägen verzierten Torflügel sichtbar war; der Tabak, der geliebte Tröster, wollte ihm jetzt nicht munden. Doch genügte der kurze Aufenthalt, um vor seinem Heraustritt einer Dame Einlaß zu gewähren, die von einem Ausgang in den Palast zurückkehrte. Ganz jung war sie nicht mehr, die Dame, sie war eine andere, permanent in der Ca' Torcelli residierende Verwandte das Hauses, Donna Laura Torcelli, die als das einzige Kind eines älteren Bruders des verstorbenen Fürsten das erste Anrecht auf dies Asyl hatte, das freilich groß genug war, um noch ein ganzes Regiment von Verwandten zu beherbergen, die meist Dornen im Fleisch der Familie sind. Donna Laura war um weniges älter als ihr Vetter und Gastfreund, ein stolzer Typus einer stolzen Rasse, eine der Lilien des Feldes, die zwar nicht spinnen, aber sich mit Gelassenheit im Bewußtsein ihres guten »Rechtes« an den Tisch des Hauses setzen und scharf kritisieren, was ihnen nicht behagt. Zwar, einer Lilie glich sie nicht, eher war sie schon mit einer der prächtigen, aber duftlosen Dahlien zu vergleichen, die nichts zu tun haben, als den Garten zu schmücken, in den sie gepflanzt wurden. Regelmäßige, aber scharfe Züge, Augen, die unzufrieden und unbefriedigt vor sich schauten, nicht rückwärts und nicht nach innen, eher gelegentlich seitwärts nach unerreichbaren Früchten, nachtschwarzes, wohl-frisiertes Haar, eine hochaufgerichtete, königliche Figur, das alles nannte Donna Laura ihr eigen und ohne eigentlich schön zu sein, machte sie doch einen rassigen Eindruck.
»Ah – Angelo!« rief sie, indem sie ein verbindliches Lächeln auf ihren schmalen Mund zauberte, ohne damit die verbitterten Falten, die um ihn eingegraben waren, zu verwischen. »Willst du ausgehen? Soll ich dich begleiten?«
»Sehr gütig, – danke vielmals, aber es ist mir viel besser und gesünder, mich im Alleingehen zu üben«, erwiderte er hastig und irritiert, denn es ärgerte ihn, sich als hilfsbedürftig angesehen zu wissen.
»Aber ich meine es doch so gut«, fiel Donna Laura mit einer demütigen Hingabe ein, die sie nicht kleidete.
»Selbstverständlich – ich bin dir auch sehr dankbar, aber es geht sehr gut so«, entgegnete der Fürst, indem er zeremoniell den Hut zog.
»Ist Tante Fabiola zu Hause?« rief sie ihm nach. Das Lächeln war von ihrem Munde verschwunden und die Falten darum tiefer eingegraben denn je.
»Ja. Meine Mutter war noch vor zehn Minuten droben im Salon«, antwortete er kurz und ohne sich umzusehen.
»Oh –! Ich eile zu ihr, um zu fragen, ob ich ihr mit irgend etwas behilflich sein kann.«
»Ja, tue das nur«, sagte er grimmig. Seine Cousine ging ihm immer auf die Nerven, heute aber doppelt, und in dieser Stimmung gönnte er ihr den Empfang, dessen sie heute bei seiner Mutter mehr denn je sicher war, denn Donna Fabiola pflegte kein Hehl daraus zu machen, daß sie diese Verwandte, die so tat, als ob sie die eigentliche und legitime Herrin der Ca' Torcelli wäre, gelegentlich herzhaft ins Pfefferland wünschte.
Gottlob, dachte er aufatmend, als die Tür hinter ihm zugefallen war, gottlob, daß das verlängerte Zwiegespräch mit meiner Mutter mich vor der Szylla wie vor der Charybdis bewahrt hat! Denn zehn Minuten eher auf der Straße und mir wäre vielleicht Daphne bei ihrer Landung am Campo begegnet, sicher aber Laura! Er schauderte zusammen. Lieber die greulichste Bettlerin von der nächsten Kirchentür als Laura. Vor Daphne bewahrt mich meine brüderliche Zuneigung, vor Laura aber bewahre mich der Leibhaftige, wenn's nicht so schon mein guter Engel getan hätte. Herrgott! Ein Leben mit einer Frau wie Laura! Ich habe so schon Neigung, unhöflicher gegen sie zu sein, als in meiner Natur und in meiner Eigenschaft als Herr dieses Hauses liegt, um mich durch keinen Blick, keine Bewegung zu kompromittieren – oder sie! Denn sie geht darauf aus wie die Spinne auf die unglückliche Fliege, die harmlos an ihrem Netz vorübersurrt. Arachne! Ich weiß nicht, warum sie mich immer an diese klassische Spinne erinnert! Und meine Mutter – sie wäre in Krämpfe gefallen, wenn ich ihr jetzt, in diesem Augenblicke Laura als Schwiegertochter gebracht hätte. Und doch wird sie vielleicht noch schlimmere Krämpfe bekommen, wenn ich von meinem Ausgang heimkehre.
Er wandte sich vor der Tür nach rechts, schwenkte aber ab, denn trotz seiner eben gerühmten Bevorzugung der »greulichsten alten Bettlerin« erinnerte er sich mit Schaudern einer gewissen alten Hexe, die den lieben langen Tag der Rückseite des Palastes gegenüber auf einer Türschwelle saß und die sich mit tödlicher Sicherheit ihren Obulus von ihm eintrieb, falls er einmal in Gedanken an ihr vorüberging, ohne die erwartete Steuer der Nachbarschaft zu entrichten. Nein, es konnte keine Umgehung des Gelübdes sein, wenn er die alte Rita vermied. Freilich, die Gefahr war mit Donna Laura Torcelli und der alten Rita keineswegs überwunden. Sie lauerte überall, besonders vor der Markuskirche, die sein Ziel war.
Der Gedanke an die Bettlerinnen, Andenkenverkäuferinnen und Blumenmädchen erfüllte seine Seele mit bitteren Selbstvorwürfen über die Zorneswallung, die ihn das rasche Wort hatte aussprechen lassen, das ihm zum Verhängnis für das ganze Leben werden konnte, welches nach menschlichem Ermessen noch vor ihm lag. Aber er biß die Zähne zusammen und setzte den Stock fester auf: hundertmal war er den Weg gegangen, ohne daß eine Bettelnde ihn angesprochen hatte – warum nicht auch heute? Nur um ihn für einen Schwur zu strafen, den ein unerträglich gewordener Druck, die Entrüstung und Qual ihm erpreßt hatten?
Als er weiterging, sah er eine Dame ihm entgegenkommen, die er als die noch junge, sehr garstige, aber sehr liebenswürdige Frau seines Advokaten erkannte, und er wußte, daß die ihn, falls er stumm grüßend an ihr vorüberging, unfehlbar ansprechen würde, denn sie war eine entfernte Verwandte und der Verkehr zwischen beiden Häusern auf einem freundschaftlichen Fuße. Dem Fürsten wurde es beim Anblick dieser Dame, die ihn aber noch nicht gesehen zu haben schien, erst heiß, dann kalt, und dann hätte er fast laut aufgelacht über das Absurde und Unmögliche dieser Begegnung! Signora Vivari, die mit ihrem Gatten in der glücklichsten Ehe lebte, vier Kinder hatte, das allgemeine Ansehen genoß – diese Frau sollte er dazu bringen, ihn durch den Pfuhl eines Riesenskandals hindurch zu heiraten? Das ist ja der Unsinn in siebenfacher Potenz! stöhnte er, und doch – wie hatte Don Orso gesagt? »Ein Gelübde ist ein Gelübde –!« Es ist wahrlich keine Feigheit, wenn jemand einen fallenden Balken sieht und einen Schritt zur Seite tritt, um sich nicht von ihm zerschmettern zu lassen; Angelo Torcelli, der in seinem Leben schon genug Proben seines Mutes abgelegt hatte, bedachte sich nicht einen Augenblick, diesen Schritt zu tun: so schnell wie seine Lahmheit es erlaubte, schwenkte er nach links ab und trat unter das Portal der Kirche San Stefano. Und er hatte Glück; keine Bettlerin, nur ein alter Mann hockte neben dem Portal. In seiner Erleichterung ließ er einen größeren Geldschein in dessen ausgestreckte Hand gleiten und trat dann rechts in den Schatten der ersten Säule des majestätischen gotischen Domes, in den eine allzu große Zahl von Fremden sich nicht zu verirren pflegt, obwohl er sicher eine der schönsten, an Kunstwerken reichsten Kirchen Venedigs ist. In einer der Seitenkapellen brannten noch die Kerzen von der letzten, späten Messe her, die eben beendet sein mochte, denn die Andächtigen knieten noch da und dort. Wo der Schatten einer Säule am tiefsten war, sah Angelo Torcelli am Boden etwas rot in dem Lichte glühen, das die Kerzen hineinwarfen. Es war ein eigentümliches, ins Violette spielendes Rot, doch feurig wie das phosphoreszierende Auge eines ungekannten, unnennbaren Geschöpfes, voll Leben und einer versteckten Meinung, die sich nicht in Worte fassen ließ. Erst glaubte er, es wäre der Reflex einer bunten Fensterscheibe, aber ein näheres Hinschauen belehrte ihn, daß dies an dieser Stelle unmöglich wäre und daß etwas wie eine Fassung dieses rote Licht umgab. Er trat näher und bückte sich: es war ein Schmuckstück, in dem in dunkles Gold gefaßt ein Juwel glühte von der Größe eines Lirastückes, doch in der Form eines Dreiecks geschliffen; also ein Gegenstand, den jemand an dieser Stelle verloren hatte, wofür auch das zerrissene, feingliedrige Goldkettchen sprach, das wie ein gleißendes Schlänglein auf den Steinfliesen ringelte. Der erste Impuls, den Angelo Torcelli hatte, war, sich umzudrehen und den Schmuck liegen zu lassen; zwar wußte er, daß es eigentlich seine Pflicht war, den sicherlich kostbaren Gegenstand aufzuheben und ihn in der Sakristei abzugeben, wo sein Eigentümer, oder vielmehr seine Eigentümerin sicher nachfragte, aber eine eigentümliche, unerklärliche Scheu hielt ihn davon ab, das rotglühende Juwel aufzuheben, als könnte er sich die Finger daran verbrennen; ja, es war etwas wie Widerwille, das sich in ihm regte und ihn zurückfahren machte. Aber eben bewegten sich einige Leute der Stelle zu, wo er stand. Da überwand er sich und nahm mit spitzen Fingern seinen Fund auf; doch kaum daß er ihn in der Hand hatte, überkam es ihn wie ein Schwindel, und es schnürte ihm etwas die Kehle zu ... Aber das Gefühl ging ebenso rasch vorüber, wie es ihn überkommen hatte. Er trat mit dem Schmuck aus dem Schatten heraus in das einfallende Tageslicht, und fast wäre ihm ein Ausruf des Staunens laut entschlüpft, als er hier einen Blick auf seinen Fund warf: das rotleuchtende Juwel war grün, von dem tiefen, dunklen Grün einer Schwarzwaldtanne! Wie war das möglich? Er machte wieder einen Schritt zurück, um das Kerzenlicht auf den Stein fallen zu lassen, und sogleich glühte er in dem eigentümlichen, bläulichen Rot auf, das auf den Steinfliesen sein Auge gefangen hatte. Im Tageslicht wandelte es sich wieder in das schöne, dunkle Grün, jedoch ohne etwas von der Leuchtkraft zu verlieren, die ein von rückwärts durchleuchtetes Juwel annimmt.
Es war überhaupt ein sehr merkwürdiges Schmuckstück, wie Angelo Torcelli es noch niemals gesehen hatte, denn die Fassung des dreieckigen Steines, der in einer ihm fremden Manier geschliffen war, zeigte in seinem dunklen, matten, wie erloschenen Gold eine Zeichnung, die den Orient als Ursprung vermuten ließ. Es war als Anhänger gedacht, wofür der Haken sprach, den die in seltsamen Verschlingungen den Stein umwindende Schlange im Rachen hielt, und von dem noch das zerrissene Goldkettchen, das ebenfalls in ungewöhnlicher Weise geflochten war, herabhing. Auf alle Fälle mußte das Juwel einen hohen Wert haben und seine Besitzerin über seinen Verlust sicherlich sehr erschrocken sein.
»Verzeihen Sie, mein Herr, wenn ich Sie anrede, aber ich sah Sie den Schmuck hier aufheben, den ich verloren habe und schon seit einer Viertelstunde in allen Ecken und Winkeln suche«, sagte leise, dem Ort entsprechend, eine wunderbar melodische Stimme vom schönsten Alttimbre, und als er sich umwandte, sah Angelo Torcelli eine Dame vor sich stehen, von einer so strahlenden Erscheinung, daß er sie wie geblendet anstarrte, wie nur ein Südländer imstande ist, einer Dame ins Gesicht zu sehen. Aber diese nationale Eigentümlichkeit war nicht allein die Ursache, sondern eher der Schrecken, der ihm wie ein elektrischer Schlag durch die Glieder fuhr.
»Also doch!« sagte er unwillkürlich laut, weil das, was er gefürchtet und zweimal auf seinem Gange heut schon willkürlich vermieden hatte, nun eingetreten war: ein weibliches Wesen hatte ihn angesprochen! Und doch hätte jedem anderen eine Anrede aus diesem Munde geschmeichelt und ihn beglückt, ihn selbst wahrscheinlich zu einer anderen Stunde auch, in dieser aber trafen die Worte, die er dem Sinne nach nur vage erfaßte, wie ein Donnerschlag, und wieder kam der Schwindel über ihn, der ihn vorhin für einen Moment betäubt hatte. Doch auch dieser zweite Anfall ging so rasch vorüber wie der erste, das Blut, das ihm für einen Augenblick gestockt hatte, ergoß sich ihm im heißen Strome über das Gesicht und pochte und hämmerte ihm in den Adern, als wollte es sie zersprengen. Nur die Macht der Gewohnheit vermochte, daß er sich leicht und mit dem Anstand, den selbst der gemeine Mann seiner Nation besitzt, verbeugte und der Dame die offene Hand, darin der Schmuck lag, hinhielt. Diese Fremde umfloß ein ganz eigener Zauber; das lag wohl an dem Lächeln des lieblichen Mundes, den träumerischen, rotbraunen Augen, die das schmale, blasse Gesicht beherrschten, an der hohen, schlanken Gestalt, vielleicht auch an den krausen, dunkelkupferfarbenen Haaren, deren Spitzen wie poliertes Gold leuchteten, daß es aussah, als wären sie mit Goldstaub gepudert. Ein vages, fernes Erinnern an dieses Gesicht zog durch Angelo Torcellis Seele, als er wortlos vor der Fremden stand, die mit einer schmalen Hand im tadellos sitzenden Handschuh den Schmuck von der hingehaltenen Hand nahm und mit einem neuen Lächeln, das zwei süße Grübchen in ihren zarten Wangen sehen ließ, verbindlich flüsterte:
»Vielen, vielen Dank! Ich habe schon Todesängste ausgestanden, daß ich meinen Alexandrit verloren haben könnte! Der Schmuck ist ein Erbstück – ich trenne mich nie von ihm, meinem Amulett – oh, die Kette ist gerissen, sie ist so alt. Da war es kein Wunder, daß der Anhänger herabglitt.«
»Nein, da war es kein Wunder«, wiederholte Torcelli mechanisch und ärgerte sich dabei über sich selbst, weil er nichts anderes zu sagen wußte. »Aber«, setzte er hastig hinzu, »aber Sie müssen mir erlauben, Madame, die Kette wieder reparieren zu lassen – ich kenne einen Goldschmied hier, der mit diesen zarten Arbeiten vertraut ist –«
»Ich bitte Sie, mein Herr! Das ist meine Sache«, erwiderte sie verbindlich, aber doch mit der unbetonten Abweisung der großen Dame, die dieses junge Wesen sicherlich war, indem ihr Blick über den Finder ihres Schmuckes flog, der zwar die Merkmale seiner Rasse nicht verleugnete, aber doch schließlich nichts war als eine flüchtige Bekanntschaft. »Nochmals, besten Dank für Ihre Mühe«, setzte sie leicht hinzu, neigte den Kopf kaum merklich zum Gruße und wandte sich dem Ausgange zu. Zu jeder anderen Zeit hätte Angelo Torcelli diese unzweideutige Entlassung mit dem Takte des wohlerzogenen Mannes endgültig anerkannt, anerkennen müssen, aber seine Lage war zu dieser Stunde eine anomale und forderte gebieterisch von ihm die Überschreitung konventioneller Gesetze, die ungeschrieben von den gebildeten Kreisen beobachtet werden. So schnell als es sein körperlicher Zustand erlaubte, folgte er der eleganten Gestalt in ihrem mit raffinierter Einfachheit geschnittenen Kleid und stand neben ihr, als sie auf der Schwelle des Portals zögerte.
Welches Profil! Wie aus einer Muschel geschnitten, dachte er mit dem immer gegenwärtigen Schönheitssinn des Italieners. »Madame«, sagte er auf französisch, denn in dieser Sprache hatte sie ihn angeredet, »Madame, halten Sie mich, bitte, nicht für einen unerzogenen oder zudringlichen Menschen, wenn ich mir noch einmal gestatte, meine Dienste für die Wiederherstellung der Kette anzubieten. Ich bin ein wenig Kenner und weiß, daß nur ein Meister imstande war, eine solche feine und fremdartige Arbeit herzustellen – was man so gewöhnlich einen Goldschmied nennt, wird ein solch feines Werk nicht restaurieren können. Sie dürfen mir die Kette ruhig anvertrauen«, setzte er mit einem flüchtigen Lächeln hinzu, »es kennt mich in Venedig jedes Kind. Mein Name ist Torcelli – Principe Torcelli dal Giglio.«
»Wie?« fragte sie überrascht, indem die anfänglich hochmütige Abweisung von ihren zarten Zügen verschwand. »Der – der glückliche Besitzer der Ca' Torcelli am Kanal Grande?«
»Das ist mein Haus«, erwiderte er mit der ganzen stolzen Bescheidenheit des Patriziers auf seine vier Mauern, aus denen die Republik im Meere zwei ihrer größten Dogen empfangen hatte. Dann aber zog ein Schatten über sein Gesicht. »Ob ich als sein Besitzer aber gerade glücklich zu preisen bin, steht auf einem anderen Blatt. Wenn man ein Krüppel ist –« er vollendete nicht, sondern deutete nur auf seinen Stock, auf den er sich schwer stützte.
»Oh«, machte sie, aber es lag eine ganze Welt von ungeheuchelter, warmherziger Sympathie in dem kurzen, konventionellen Ausruf. »Ich habe es gar nicht gesehen, daß Sie sich – nicht ganz normal bewegen. Principe«, setzte sie mit ihrem reizenden, lieblichen Lächeln großmütig hinzu.
»Dann wollen Sie, Madame, das Unglück Ihrer Nebenmenschen nicht sehen«, entgegnete er dankbar. »Das ist eine schöne Gabe, wenn man's kann. Ich war auch nicht – nicht immer so – so wie jetzt. Ein Sturz vom Pferde, und die Ca' Torcelli, die Sie zu bemerken so gütig waren, hatte mich auf immer wieder.«
»Ich hätte sie an Ihrer Stelle überhaupt nie verlassen«, rief die Fremde lebhaft. »Ich sah den Garten neben dem Palast über die zinnengekrönte Mauer ragen und lasse mich oft und gern daran vorüberrudern. Die grünen Wipfel, die sich im Wasser widerspiegeln, haben es mir angetan, und der Palast daneben mit den zwei Portalen, über deren Schwellen die Flut steigt, mutet mich an wie kein anderer in Venedig. Ich habe seit meiner Kindheit geschwärmt für diese Paläste hier und muß gestehen, daß ich mich schon in meinem Hotel erkundigt habe, ob die Ca' Torcelli zugänglich ist – man hat mir die Frage verneint und zur Verschärfung der Abweisung hinzugefügt, daß sie kostbare Gemälde besitze.«
»Sie müssen kommen, sie zu sehen«, fiel Torcelli lebhaft und mit blitzenden Augen ein. »Aber, Sie müssen keine ›Galerie‹ erwarten, Madame, – nur einiger Perlen, zerstreut in den Räumen, dürfen wir uns rühmen: ein Tizian, ein Tintoretto, ein Giorgione, ein Gian Bellini – oh, und jetzt weiß ich's auch, an wen Sie mich erinnern! Es ist ganz wunderbar, wie sehr, und wäre es nicht unmöglich, so würde ich fragen: haben Sie Gian Bellini jemals zu einem Bilde gesessen, einen Kranz von weißen Blütensternen im Haar, eine Violine im Arm, mit dem Bogen leise, leise über die Saiten streichend?«
Sie lachte, und es klang wie Musik.
»Wie wunderbar!« rief sie aus. »Es ist wahr, ich spiele Violine und habe auch schon einen solchen Kranz getragen – er ist längst verwelkt – aber daß ich dem Gian Bellini jemals Modell gestanden habe, darf ich in Anbetracht dessen, daß ich noch nicht ganz vierhundert Jahre alt bin, mit Bestimmtheit verneinen. Und dieses Bild, das mir ähnlich sieht, besitzen Sie?«
»Ja, aber nur eine Studie des Kopfes zu dem Gemälde, dem die ganze Figur angehört«, sagte Torcelli, ohne den Blick von ihr zu wenden – er sprach wie im Traume, denn er konnte das Gefühl des Unwahrscheinlichen dieser Stunde nicht loswerden. »Das Original hängt, leider arg vernachlässigt, in der Kirche San Pietro in Murano und heißt die Madonna des Hauses Barbarigo.«
»Das muß ich sehen«, lächelte sie, ein klein wenig ungläubig. »Und, wenn Sie es wirklich erlauben, auch die Studie dazu. Und wenn Sie in der Tat meine zerrissene Kette Ihrem Goldkünstler übergeben wollen – hier ist sie.«
»Und wo, bei wem darf er sie abgeben, wenn sie fertig ist?« fragte Torcelli diskret.
»Ja so!« meinte sie lachend, »das hätte ich fast vergessen, daß ich ja für Sie noch die ›große Unbekannte‹ bin. Ich bin die Fürstin Sarakow und wohne im Grand Hotel.«
Er verbeugte sich, respektvoll die Vorstellung quittierend. Aber sie las die stumme Frage in seinen Augen, als sie ihren Namen nannte.
»Ja, – ich bin die Witwe des Gouverneurs von ..., dessen Tragödie die ganze Welt kennt«, fügte sie leise hinzu, indem ein tiefer, tiefer Schatten über ihr Gesicht flog. »Und Sie wundern sich gewiß, daß ich, kaum ein Jahr danach, keine Trauerkleider mehr trage. Alle Leute wundern sich, und viele haben es mir gesagt. Darum bin ich auch fortgereist, weit, weit von der Heimat, die mir lange schon keine mehr ist. Aber ich kann nicht, ich kann nicht! Ich hasse Trauerkleider, hasse die schwarze Farbe –«
»Es ist kein Wunder«, murmelte er traumverloren. »Was haben schwarze Kleider mit Ihnen zu tun, dem Inkarnat des Lichtes?«
Sie schien nicht auf ihn gehört zu haben.
»Was sind Trauerkleider«, sagte sie, »wie die sogenannte Sitte sie vorschreibt? Ein ganz äußerliches Futteral, in dem sich oft nichts als Gefühlsarmut verbirgt. Ginge es nach mir, müßte man in Weiß trauern, wenn es schon wahr ist, daß die Verstorbenen zur ewigen Freude im ewigen Leben eingegangen sind. Warum soll man dann überhaupt trauern? Weil die Menschen sich vor dem Tod fürchten, der nichts ist als ein Übergang. Wenn wir nur wüßten, in welcher Gestalt er zu uns kommt – aber die Ungewißheit, die Ungewißheit ist es –«
Sie brach jäh ab, und der Ausdruck eines gehetzten Wildes trat an die Stelle des Träumerischen in ihren Augen. Aber mit Anstrengung, als deren äußeres Zeichen ein Zucken über ihr zartes Gesicht ging, zwang sie sich zu einem Lächeln.
»Da stehe ich und philosophiere, – oder schwatze, wie Sie's nennen werden. Principe, und vergesse ganz, daß meine arme Freundin und Reisegefährtin auf dem sonnigen Platze herumläuft, um meinen Alexandrit zu suchen, von dem sie sicher war, daß ich ihn schon vor dem Eintritt in die Kirche verloren haben müßte – ah, da ist sie! Hier, Olga – ich habe ihn!«
Dies rief sie einer Dame zu, welche eben auf das Portal zuschritt. Es wäre schwierig gewesen, ihr Alter zu bestimmen; zwischen dreißig und vierzig, dachte Angelo Torcelli, aber sie konnte auch ebensogut jünger oder älter sein, nach der Art von Personen mit starken Zügen und jener grauen Gesichtsfarbe, welche die Jahre unsicher machen. Schön war sie auf keinen Fall mit ihren vorstehenden Backenknochen, der Stumpfnase und dem großen Mund, der dazu nicht einmal schön geschnitten war, doch sahen die kleinen Augen mit den langen Wimpern und den breiten Augenbrauen darüber klug aus, zu klug, wie Torcelli feststellte, dessen Schönheitssinn noch extra dadurch beleidigt wurde, daß die Dame entschieden verwachsen war und lange, wenn auch wohlgepflegte Spinnenfinger hatte. Aber sie verschönte sich entschieden, als sie lachte und dabei wundervolle Zähne zeigte, und das tat sie denn auch, als sie nähertrat und gutgelaunt ausrief:
»Du hast ihn? Also doch in der Kirche gefunden? Ich gratuliere, – geschieht mir schon recht, daß ich für meine Rechthaberei in diesem Sonnenbrand herumgekrochen bin. Wo hast du –«
Sie brach ab, als sie die Gestalt Torcellis neben der Fürstin Sarakow stehen sah; das Lächeln verschwand von ihrem Munde, und mißtrauisch blitzten die kleinen, dunklen Augen ihn an.
»Dieser Herr hat ihn gefunden«, erklärte die Fürstin. »Principe Torcelli dal Giglio – meine Freundin, Olga Petrowna Vareskoi. Denk nur, Olguschka, der Principe ist der Besitzer ›meines‹ Palazzo am Kanal Grande, und wir dürfen kommen, seine Gemälde zu sehen. Es war also gut, daß ich den Alexandrit verloren habe. Ich soll nun für die Angst, die ich deswegen ausstehen mußte, belohnt werden. Meine Freundin ist doch in Ihre gütige Einladung eingeschlossen, Altezza?«
»Aber sicherlich«, beeilte sich Torcelli zu versichern. »Meine Mutter wird es sich zur Ehre anrechnen, den Damen die Honneurs meines Hauses zu machen.«
»,Oh«, rief die Fürstin mit großen Augen, »Ihre Frau Mutter – –? Ihre – Ihre Gemahlin ist abwesend?«
»Permanent«, erwiderte er lachend. »Ich habe nämlich gar keine. Aber meine Mutter versieht den vakanten Posten nach allgemeinem Dafürhalten durchaus würdevoll, und in ihrer Abwesenheit tritt eine Cousine, Donna Laura Torcelli, an ihre Stelle. Auch ist meine Cousine, die Fürstin Corleone, zum Besuch anwesend, – die Damen sehen also, daß ich Sie in keine frauenlose Junggesellenhöhle locken will.«
»Es scheint so. Ist Ihnen denn nicht bange unter den vielen Damen?« lachte die Fürstin mit ihrer ganzen bezaubernden Lieblichkeit.
»Oh, mit dem gehörigen Mut gewappnet und an den Mast angebunden, ist ja auch Odysseus heil an der Sireneninsel vorbeigekommen«, gab er im gleichen Ton, aber mit einem gewissen Galgenhumor zurück, welcher der scharf beobachtenden Olga Petrowna nicht entging, denn sie zog lachend die Augenbrauen hoch.
»Mit dem Mut des Odysseus war es nicht weit her, sonst hätte er sich nicht anbinden lassen und seinen Gefährten die Ohren mit Wachs verstopft«, bemerkte sie trocken.
»Ah – es ist immer gut, ein Schutzmittel gegen Möglichkeiten in Bereitschaft zu haben«, meinte er, unwillkürlich lächelnd. »Schon weil man mit dem bloßen Mut allein bei Frauen selten etwas ausrichtet.«
»Also, es lebe das Wachs!« rief Olga Petrowna heiter. »Mir scheint aber, Zoe, mein Herz, daß es Zeit wär, auch ›es lebe unser Lunch‹ zu rufen, nicht?«
»Ach ja, weil wir doch am Nachmittag nach Burano und Torcello fahren wollen!« sagte die Fürstin mit einem Blick auf ihre Uhr. »Da müssen wir wirklich eilen. Also, nochmals vielen Dank, Principe, für Ihre Güte, besonders aber dafür, daß Sie meinen Alexandrit wiederfanden. Auf Wiedersehen.«
Angelo Torcelli stand noch einige Minuten wie angewurzelt auf der Stelle und sah den Damen lange nach, das heißt nur der einen, denn sein scharfer Blick hatte der »Freundin« ihre Abhängigkeit von der Fürstin sicher genug angesehen. Er verwies sie daher kurz unter die Rubrik: Gesellschafterin und sah über ihre Person, die trotz aller Schönheitsmängel durchaus nicht unbedeutend war, einfach hinweg.
Rascher, als er gekommen war, legte Torcelli den Weg zu seinem Palast wieder zurück.
»Ist schon serviert?« fragte er den Diener, der entgegenkam, ihm den Hut abzunehmen.
»Noch nicht. Eccellenza haben befohlen, dem Herrn Principe zu melden, daß sie ihn in ihrem Boudoir erwarten«, meldete der Mann mit dem Ton des wohlgeschulten Dieners. Über Torcellis Gesicht flog ein Zucken.
»Auf in den Kampf, Torero!« pfiff er leise vor sich hin und begann den für ihn so mühsamen Aufstieg in das zweite Stockwerk.
»Angelo, du kommst so spät und ich sitze hier in Ängsten!« mit diesen Worten kam ihm seine Mutter entgegen. »Was hat dich so lange auf diesem – diesem wahnsinnigen Gang aufgehalten?«
»Am wirkungsvollsten hätte es – Laura um ein Haar getan, wenn mir mein guter Engel nicht vorher eingegeben hätte, mir eine Zigarette anzuzünden«, erwiderte er grimmig und durchaus nicht weich gestimmt durch den Ton, mit dem sie ihn empfing.
»Laura!« Es kam fast wie ein Schrei von Donna Fabiolas Lippen. »Das hätte noch gefehlt!« stöhnte sie. »Die Fioraja, die dir ihre Blumen wahrscheinlich aufdringlich angeboten hat, wäre ja das kleinere Übel.«
»Darin stimmen wir also völlig überein, Mama«, sagte er noch grimmiger als vorher. »Mir sitzt der Schrecken vor der Möglichkeit noch in allen Gliedern.«
»Ja, ja, ja!« machte sie ungeduldig. »Aber so erlöse mich doch endlich von dieser unerträglichen Pein. Es hat dich – keine Frau angeredet, nicht wahr?«
»Doch, Mama. Das Unwahrscheinliche geschieht ja immer dann, wenn man es gern vermeiden möchte.«
»Angelo, spanne mich nicht auf die Folter.«
»Also, ich fand einen Gegenstand, dessen Natur ja nicht zur Sache gehört, hob ihn auf und wollte ihn dem Fundbüro abliefern, als die Besitzerin auf mich zutrat und ihn als ihr Eigentum reklamierte. Selbst mit der schärfsten Sophistik ist nicht wegzudisputieren, daß es eine ›Anrede‹ war, die sie an mich richtete.«
Donna Fabiola sank mit einem Aufschrei in einen Sessel – ihre Füße trugen sie nicht mehr, und angesichts ihrer ungespielten Qual wurde Torcellis Herz etwas weicher.
»Die Götter verlassen ihre Lieblinge nicht«, sagte er indes mit der ganzen Bitterkeit, die das Ergebnis seines Unglücks war. »Es war weder eine Frau aus dem Volk, noch eine Touristin im unmöglichen Lodenrock, sondern eine bildschöne, elegante, junge russische Fürstin, von der ich sogar erfahren habe, daß sie Witwe ist, denn ich habe pflichtgemäß die Bekanntschaft sogleich weitergesponnen –«
»Angelo, sprich nicht so frivol«, fuhr Donna Fabiola auf, aber trotz alledem stieg doch ein Seufzer der Erleichterung aus ihrer Brust auf.
»Frivol?« wiederholte Torcelli scharf. »Nun ja, – nein
mein Gelübde wäre, genau besehen, dann auch frivol gewesen, wenn nichts mir ferner gelegen hätte, als es zu sein. Ich war einfach außer mir, als ich es tat, und wenn du gerecht sein kannst, Mama, so mußt du mir zugestehen, daß die Urheberschaft dabei nicht mir zur Last zu legen ist.«
»Mir etwa?« fuhr sie von neuem auf. »Mir, die ich nichts anderes wollte und noch will als dein Bestes? Aber Undank ist der Welt Lohn und der Dank der Mütter«, schloß sie jammernd und felsenfest von ihrem Recht überzeugt, wie es ja meist die Leute sind, die aus egoistischen Motiven »zum Besten« ihrer Nächsten handeln. »Eine russische Fürstin –
eine Fremde«, fuhr sie nach einer Pause fort, »wer weiß, ob es nicht eine Abenteuerin ist. Ich habe immer ein Mißtrauen gegen hergeschneite russische Fürstinnen, die von keiner Gesandtschaft eingeführt sind.«
»Nun, dies Mißtrauen ist nicht ganz unberechtigt«, gab Torcelli zu. »Man hat genug Beispiele dafür. Aber der Name, den die Fremde bei unserer gegenseitigen Vorstellung nannte, ist zu bekannt, um ihn zu Abenteuerzwecken mißbrauchen zu können, ich halte das einfach für ausgeschlossen. Der Name Sarakow müßte unfehlbar die Person bloßstellen, die auf ihn reisen wollte.«
»Sarakow? Sarakow? Wo habe ich den Namen doch gleich gehört?« sagte Donna Fabiola. »Oh, ich weiß – ein Sarakow war Botschafter beim Quirinal in Rom. War es nicht derselbe, der dann Gouverneur von ... war und im vergangenen Jahr von den Nihilisten ermordet wurde?«
»Es war derselbe. Du hast seine Feste in Rom oft genug durch deine Gegenwart verherrlicht.«
»Aber dieser Sarakow war in Rom unverheiratet und ein ältlicher Herr.«
»Das wäre kein Grund, warum er sich nicht als Gouverneur eine junge und schöne Frau genommen haben sollte«, erwiderte Torcelli achselzuckend. »Die Dame, die mich anredete, hat sich wenigstens als seine Witwe bekannt, und wie es schien, kann sie ihm im Range wohl kaum nachstehen. Es trifft sich gut, daß sie darauf brennt, unsere Gemälde und den Garten zu sehen; ich habe sie natürlich dazu eingeladen mit der Versicherung, daß du dir eine Ehre daraus machen würdest, sie zu empfangen.«
»Natürlich!« sagte Donna Fabiola ganz einverstanden und halb davon überzeugt, daß sie diese Begegnung eigentlich arrangiert hatte. Im nächsten Moment war sie auch schon Feuer und Flamme dafür, diese »Partie« zu arrangieren. »Wann kommt sie?« fragte sie eifrig.
»Ich weiß nicht. Mit solchen Siebenmeilenstiefeln sind wir nicht gleich marschiert«, brach bei ihm die ganze Bitterkeit wieder hervor. In diesem Augenblick verkündete der dröhnende Ton des Tamtam, daß der Lunch serviert sei, und Torcelli öffnete seiner Mutter die Tür, um sie in den Speisesaal zu geleiten. In tiefes Nachdenken versunken, sagte sie im Flüsterton:
»Fürst Sarakow galt in Rom für immens reich.«
»Selbstverständlich«, erwiderte er trocken. »Als russischer Grandseigneur hatte er die moralische Verpflichtung, immens reich zu sein.«
Donna Fabiola nickte befriedigt und rauschte hinaus, um ein paar Minuten später mit einem strahlend gnädigen Lächeln ihren Sitz an der Spitze der Tafel einzunehmen. Für sie war der stürmische Morgen vergessen.
Als Daphne ihren Vetter begrüßte, lachte sie ihn schelmisch an.
»Ist das Gewitter vorüber?« fragte sie halblaut.
»Es grollte noch, als ich heimkam«, erwiderte er im gleichen Ton, »aber jetzt steht ein Regenbogen am Himmel – und die Sonne zieht neuen Regen.«
»Angelo und Daphne haben immer Geheimnisse miteinander«, rief Donna Laura scherzend, aber die helle Eifersucht lohte aus dem Ton ihrer Stimme. »Man sollte wirklich meinen –« und bedeutungsvoll brach sie ab.
»Was sollte man meinen?« erkundigte sich Daphne, und sah die Verwandte dieses gastlichen Hauses herausfordernd an.
»Oh, es gibt Dinge, die man besser nicht ausspricht«, erwiderte Donna Laura mit dem vielsagenden Achselzucken, das der lateinischen Rasse eigen ist.
»Dann soll man die Leute auch nicht mit Andeutungen neugierig machen«, meinte Daphne, schnell versöhnt und ganz harmlos.
»Es gilt bei uns nicht als guter Ton, in Gegenwart anderer mit jemand zu flüstern«, gab Donna Laura spitz zurück. »Ist das eine englische Sitte?«
»Flüstern! Haben wir miteinander geflüstert, Angelo?« lachte Daphne gutmütig. »Aber natürlich, ihr Italiener denkt immer gleich an Komplotte!«
»Ihr Italiener!« wiederholte Don Orso, lachend mit dem Finger drohend. »Bitte, ist die Principessa Corleone von einer anderen Nation?«
Daphne nahm sich bei der Nase und zog sich daran.
»So«, sagte sie drollig, »so muß ich's immer machen, damit ich nicht vergesse, daß ich ja auch eine Italienerin bin. Meine Schuld ist's nicht, wenn ich's immer vergesse, denn ich hatte wirklich weder Sitz noch Stimme, als man mich aus dem Treibhause Rom ins freie Land da drüben versetzte. Aber seid getrost, meine Lieben! Schon regt sich das südliche Blut in mir, denn beinahe hätte es mich gerade eben verleitet, Cousine Laura an die Kehle zu springen und ihr zu sagen, daß sie mich mit ihren Erziehungsversuchen lieber in Jericho suchen, als meine Vendetta herausfordern soll. Aber ich hab's dank dem englischen Teil meines Bluts, Gott sei Dank, leider nicht getan!«
Das kam so lustig, so ohne jede Spitze über die jungen Lippen, daß sowohl Torcelli wie Don Orso laut herauslachten, ganz abgesehen davon, daß sie beide Donna Laura diese Abfuhr gönnten. Und die letztere war klug genug, mitzulachen, – erst etwas gezwungen und dann ohne Reserve, denn was dem Italiener in den Augen anderer Nationen immer auch fehlen mag, der Humor gehört nicht zu dem Manko. Donna Laura hatte überdies noch ihre besonderen Gründe, es mit Daphne Corleone nicht zu verderben: sie wünschte aus ihrem venezianischen Einerlei herauszukommen und etwas von dem Gesellschaftstreiben Roms zu sehen und mitzugenießen, und dazu wäre der Palazzo Corleone, der seine Pforten der großen Welt wieder öffnen sollte, ganz der geeignete Ort gewesen.
»Apropos, Onkel Orso«, wandte sich nun Torcelli dem alten Herrn zu, »du bist ja eine Autorität in diesen Dingen: kannst du mir sagen, ob es Edelsteine gibt, die gleichzeitig zwei Farben haben?«
»Ja freilich«, erwiderte Don Orso, selig, seine Kenntnisse auskramen zu dürfen. »Man nennt diese eigentümliche Erscheinung Dichroismus, der sich bei gewissen Steinen nur durch ein Instrument, das Dichroskop, feststellen läßt, während ihn andere ganz offen dem bloßen Auge zeigen. Zum Beispiel der Wassersaphir oder Cordierit, bei dem man deutlich die blaue Farbe neben der weißen, besser gesagt, farblosen unterscheiden kann. Es gibt aber auch Trichroite –«
»Ah, ich glaube, das ist es nicht, was ich meine«, fiel Torcelli ein. »Ich will mich präziser ausdrücken und lieber fragen: gibt es einen Edelstein, den man einmal rot und dann wieder grün sehen kann; dunkelgrün, wie eine Zypresse?«
»Du meinst bei Kerzen – oder künstlichem Licht rot, bei Tageslicht grün?« rief Don Orso lebhaft. »Oh, mein Sohn, ich habe mir immer gewünscht, diesen Stein zu sehen. Aber er ist sehr, sehr selten. Kaum ein Juwelier »führt« ihn in seinem Lager, diesen wunderbaren Chrysoberyll, den wir hier als Alexandrit nur dem Namen nach kennen –«
»Richtig! Alexandrit! Ich konnte mich auf den Namen nicht mehr besinnen!« rief Torcelli.
»Er tritt nur im Ural auf als hexagonale Pyramide, gehört aber trotzdem nicht diesem System an, sondern dem der rhombischen Kristalle«, fuhr Don Orso ganz in seinem Fahrwasser fort. »Man schleift ihn treppenartig und dann verschwindet er, der Seltene, in den Schmuckkästen und Schatzkammern des russischen Zarenhauses. Begünstigte erhalten ihn dann wohl manchmal in kunstvoller Fassung als vielbegehrtes Geschenk, das fast wie ein Orden verliehen wird. Es kommt aber wohl auch vor, daß kleinere Steine gestohlen werden, in den Bergwerken oder beim Schleifer, und diese verirren sich dann ins Ausland. Ich habe mir immer gewünscht, einmal einen Alexandriten sehen zu können, seiner seltenen mineralischen und – und anderen Eigenschaften wegen.«
»Was sind das für Eigenschaften, Don Orso?« fragte Daphne interessiert.
»Ah, meine Teure, das läßt sich mit zwei Worten nicht sagen«, erwiderte Don Orso geheimnisvoll. »Der Alexandrit kann mehr als andere Edelsteine seinem Besitzer Glück oder Weh bringen – je nachdem.«
»Und können Sie die Person bestimmen, bei der er das eine oder das andere tut?«
Don Orso zögerte einen Moment mit der Antwort.
»Ich kann es«, sagte er dann, »wenn ich gewisse Daten dieser Person habe. Aber deshalb müssen Sie mich nicht für einen Hexenmeister halten. Der Glaube von dem geheimnisvollen Einfluß der Steine auf den Menschen ist uralt.«
»Wie kommst du auf diesen – wie heißt der Stein? – diesen Alexandriten? Hast du einen gesehen?« fiel Donna Fabiola ein.
»Oh, es war nur eine Frage, die mir gerade so in den Sinn kam«, erwiderte Torcelli ausweichend, und mit einem Blick auf die Uhr erhob er sich. »Pardon, Mama, wenn ich mich vor der Aufhebung der Tafel entferne. Ich habe eine Verabredung, werde aber zum Diner wieder zurück sein.«
Donna Fabiola nickte gnädig, aber mit einem scharfen Blick auf ihren Sohn, und als er hinausgegangen war, führte sie mit vielsagendem Lächeln ihr Weinglas an die Lippen.
»Angelo hat eine Verabredung! Das kommt doch nur alle Jubeljahre einmal vor!« konnte Donna Laura sich nicht enthalten, sondierend zu bemerken.
»Ist er denn solch ein Einsiedler?« fragte Daphne harmlos.
»Sein Unglück hat ihn dazu gemacht«, erwiderte Don Orso mit tiefem Mitgefühl. »Er war in seinen Leutnantsjahren gesellig genug, der Ärmste!«
»Was würde der Besitz eines Alexandriten über ihn vermögen?« forschte Daphne halb im Scherz, halb neugierig.
»Er würde sein Unglück zu einer Tragödie machen«, entgegnete Don Orso ernst.
Angelo Torcelli aber ließ sich in seiner Gondel bis zur nächsten Dampferstation am Kanal Grande rudern; fuhr von dort bis zur Riva del Schiavoni, wo der Dampfer nach Burano und Torcello abgeht. Bald stand er auf dem Deck erster Klasse und musterte das Publikum nach einer hohen, schlanken Gestalt. –
Nach einigem Suchen, währenddessen sich seiner schon das Gefühl der Enttäuschung bemächtigte, fand er sie seitwärts auf einem windgeschützten Platz neben der kleineren Gefährtin, und dann stand er vor den Damen und zog vor ihnen seinen Hut. Mit einem gewissen Gefühl der Berauschung sah er nur das liebliche Lächeln, das zu seiner Begrüßung auf dem Munde der Fürstin Sarakow erschien, nicht aber den fester sich schließenden Mund und den stechenden Blick, mit dem Olga Petrowna Vareskoi ihn musterte; es ward ihm eigentümlich zumute, und er freute sich, daß er gekommen war, das Eisen zu schmieden, solange es warm war, nachdem er sich auf dem Weg zum Dampfer mit grimmiger Selbstverspottung fast der »Siebenmeilenstifel« geschämt hatte, mit denen er dem Ziele zustrebte, das ihm so abenteuerlich und unwahrscheinlich vorkam. Er wußte auch gar nicht, warum er dabei immerzu hatte an Daphne denken müssen. Aber sie war versunken und vergessen, als ihn die braunen Augen mit den eigentümlichen, roten Lichtern darin ansahen, einen Moment überrascht, dann aber so freundlich, wie er kaum zu hoffen gewagt hatte.
»Wie? Sie beteiligen sich auch an dieser Karawane, Principe?« fragte die Fürstin und gab ihm die Hand. »Ich dachte, die Venezianer, besonders die Patrizier des »goldenen Buches« verschmähten in herzhafter Verachtung den Strom und insbesondere die Vehikel der Fremden!«
Torcelli lachte.
»Der Wahrheit die Ehre zu geben, sie tun es«, gestand er. »Aber, was wollen Sie? Seitdem Napoleon das »Goldene Buch« verbrannt hat, ist unsere Exklusivität auch stark in Rauch und Asche aufgegangen, und dann und wann haben wir Patrizier vom alten Stamme schwache Stunden plebejischer Anwandlungen. Doch Scherz bei Seite: der wahre Grund, warum wir durch unsere Abwesenheit bei diesen Karawanen glänzen, ist der, daß wir zu dieser Jahreszeit fern von Venedig auf unseren Landsitzen zu sein pflegen; und dann besitzen meine Kollegen aus den Palazzi meist ihre eigenen Motorboote. Ich besitze keines, und wenn ich die Wiege meines Geschlechtes, das melancholische Torcello wiedersehen will, dann muß ich mich schon dazu bequemen, einen Omnibus der Lagunen zu benutzen, falls ich der Fahrt mit der Gondel nicht mehr Zeit opfern will, als ich übrig habe.«
»Offen gesagt: wir haben angesichts des Gedränges und dieser gemischten Gesellschaft eigentlich schon etwas bereut, das uns angebotene Motorboot des Hotels nicht angenommen zu haben«, sagte die Fürstin mit einem Blick auf das vollgepfropfte Deck.
»Aber es ist ganz lustig, einmal seinen Isolierschemel zu verlassen und auf der allgemeinen Bank Platz zu nehmen. Es gab Zeiten, wo ich die Menschenwürde nur dort suchte.«
»Denkende Menschen haben immer einmal solche Anwandlungen«, bemerkte Olga Petrowna. »Wir in Rußland sind ihnen besonders stark unterworfen. Bei manchen ist's aber nur eine Kinderkrankheit, die heftig auftritt und schnell vergeht.«
»Zuweilen läßt diese Kinderkrankheit Spuren zurück, an denen man ein Leben lang zu tragen hat«, sagte die Fürstin, indem ein Schatten über ihr zartes, reizendes Gesicht flog.
»Kinderkrankheiten werden Erwachsenen oft verhängnisvoll«, meinte Olga Petrowna achselzuckend, und Torcellis feines Ohr glaubte aus ihren Worten einen versteckten Unterton herauszuhören.
»Es gärt überall in der Welt«, sagte er und sah die Freundin zum ersten Male aufmerksamer an. »Auch in unsere Kreise haben die Fermente vielfach Eingang gefunden, ohne freilich den günstigen Boden zu finden wie in Ihrem Vaterland.«
»Das ist kein Wunder, denn Sie sind uns eben schon um ein paar Schritte voraus«, erwiderte sie, gewarnt durch diesen Blick, im leichtesten Konversationston.
»Um Gottes willen, verderben wir uns nicht diese schöne Fahrt und diesen einzigen, wunderbaren Rückblick auf Venedig durch Politik!« rief die Fürstin mit erhobenen Händen. »Als ob wir nicht davon genug in Rußland hätten, genug zum Krankwerden! Ich hasse das Thema, es macht mich ganz elend! Und ich warne Sie, Principe, vor Olga Petrowna dürfen Sie fortschrittliche Ideen nicht auskramen; sie gehört zu den Konservativsten der Konservativen! Ich wage nur, durch die Anwesenheit anderer gedeckt, manchmal damit zu renommieren, daß ich im Enthusiasmus meiner zarteren Jugend einmal für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit schwärmte –«
»Ja, welcher vernünftige Mensch täte das nicht im lautersten Sinne des Wortes und in den Grenzen des Gesetzes?« fiel Torcelli lebhaft ein.
»Und warum auch nicht, – wenn das Gesetz gut ist«, stimmte Olga Petrowna zu. Und wieder meinte sein Ohr den Unterton zu hören, dessen Meinung er nicht fassen konnte. »Die Patrioten«, wie sich die Revolutionäre ja auch nennen, behaupten aber, daß es nicht gut ist, sondern eine Fessel für die Freiheit, die mit allen Mitteln gebrochen werden muß.«
»Mit allen Mitteln! Darin liegt es ja! Dadurch wurden die einen zu Tyrannen, die anderen zu kaltblütigen Mördern«, rief die Fürstin. »Wessen Auge nicht durch Fanatismus verblendet ist, der kann sich unmöglich auf ihre Seite stellen, nicht wahr?«
»Sicherlich nicht«, sagte Torcelli, frappiert durch diese Heftigkeit, die doch kein derartiges Ansinnen herausgefordert hatte.
»Aber lassen wir das jetzt«, erwiderte die Fürstin. »Ich bin ja so heilfroh, sowohl den Revolutionären als auch den Konservativen entflohen zu sein und freiere Luft atmen zu können – mit deiner gütigen Erlaubnis«, wandte sie sich an ihre Freundin, »du eingefleischte Autokratin, du!«
»Woraus man lernt, daß es die Zuneigung einer echten Freundschaft nicht beeinträchtigt, politisch anderer Ansicht zu sein«, meinte Torcelli lächelnd und die süßen Grübchen bewundernd, die der große Hut nicht mehr beschattete.
»Nein, denn wir haben nach unausgesprochener Übereinkunft die Politik auf den Index unserer Themata gesetzt«, rief die Fürstin lebhaft. »Ich trage gar kein Verlangen, über etwas zu sprechen, was mir längst und gründlich verleidet worden ist, uns verbinden so viel andere Interessen und Sympathien, daß wir dies leidige Thema wahrlich nicht vermissen, nicht wahr, Olguschka? Zum Beispiel die Literatur und besonders die Musik, denn Sie müssen wissen. Principe, daß meine Freundin eine vollendete Pianistin ist.« –
»Und du eine vollendete Geigerin«, gab Olga Petrowna zurück.
»Die Musik war der Beginn und der Kitt unserer Freundschaft, als wir uns vor einem Jahr kennenlernten«, sagte die Fürstin, »in einer großen Gesellschaft, in der man mich zum Flügel schleifte unter der Versicherung, daß ich in einem Fräulein Vareskoi eine geradezu ideale Begleiterin finden würde. Sie ist mir's nicht nur am Flügel, sondern auch im Leben geworden.«
»Bei Ihrem Namen, gnädiges Fräulein, fällt mir ein«, bemerkte der Fürst nachdenklich, »daß ich unlängst eine sehr interessante philosophische Broschüre von einem Professor Vareskoi las, über die Grenzen der Naturwissenschaften. Darf ich mir die Frage erlauben, ob der Verfasser mit Ihnen verwandt ist?«
»Georg Petrowitsch Vareskoi ist mein Bruder«, erwiderte Olga Petrowna, indem ihre Augen blitzten. »Er ist Privatdozent an der Universität Moskau. Ja, diese Broschüre hat einigen Staub aufgewirbelt und viel vornehmes Achselzucken und Kopfschütteln in den Kreisen der Gelehrten ausgelöst.«
»Ich kann das verstehen. Sie hat meinen Onkel, Don Orso Torcelli, der in meinem Hause lebt, lebhaft interessiert, und er wird sich freuen, die Schwester des kühnen Mannes kennenzulernen, der die Wahrheit so unumwunden ausspricht.«
»Das wird auch mich sehr interessieren«, fiel die Fürstin lebhaft ein. Ich brenne darauf, deinen Bruder kennenzulernen, Olguschka!«
»Du wirst seine Bekanntschaft unfehlbar machen, mein Herz«, erwiderte Olga Petrowna in einem Ton, der Torcelli wiederum ganz eigen berührte, weil er eine versteckte Meinung herauszuhören vermeinte. »Du darfst sogar deine Erwartung ziemlich hoch spannen, aber ob dir eine reine Freude daraus erblüht, das steht freilich auf einem anderen Blatt.«
»Wie ist das zu verstehen?«
»Oh, ich meine nur so, weil man doch niemals wissen kann, in welcher Weise eine Persönlichkeit in unser Leben eingreift, deren Bekanntschaft man macht.«
Befremdet blickte Torcelli auf Olga Petrowna, dann auf die Fürstin, die ihn groß und erschrocken ansah, während auf dem süßen Mund das Lächeln erstarb und ein tiefer Leidenszug sich darum grub, – eine Rune, die auf dieses zarte, junge Gesicht nicht gehörte.
Eine lange Pause folgte, und zum zweiten Male sah Torcelli die »Freundin« der Fürstin aufmerksamer an und legte sich die Frage vor: »Ist sie ihre Freundin? Oder nutzt sie nur die ihr entgegengebrachte Sympathie aus Bedürftigkeit oder – anderen Motiven?« Sein Blick, der sich mit dem der äußerlich so wenig einnehmenden Russin kreuzte, bewies ihm, daß diese etwas von seinen Gedanken erriet, denn ein feines Rot zog über ihre grauen Wangen, und sie biß sich auf die Lippen, als hätte sie eine Mahnung erhalten, die Harmlosigkeit dieses venezianischen Kavaliers nicht zu sehr zu überschätzen.
»Je weniger wir von dieser – Freundin in Zukunft sehen werden, desto besser dürfte es sein«, fuhr es ihm durch den Sinn, und Olga Petrowna schaute ihn an, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Ihr Blick drückte eine Überlegenheit aus, die ihm das Blut in die Stirn trieb und einen Zug der Entschlossenheit in sein männliches Gesicht brachte.
Es war ein sekundenlanges Duell, das die zwei Augenpaare, stumm und doch so beredt miteinander ausfochten; dann aber streckte die Russin die Waffen – für heut, denn sie sagte, mit einer Handbewegung auf den schiefen, schlanken Turm der näherkommenden Insel Burano deutend:
»Wollen Sie auch dort aussteigen, Principe, um die Spitzenschule zu besuchen?«
»Das hieße meinem lahmen Fuße ein wenig zuviel zumuten«, erwiderte er. »Ich nehme mir in Burano eine Gondel und lasse mich bis zum Dom und dann zurück zum Dampfer rudern, wenn die Barbaren erscheinen und den stimmungsvollen und weihevollen Ort mit ihren meist sehr abfälligen Bemerkungen unerträglich machen. Im Dom von Torcello muß man allein sein – oder mit Personen, die es verstehen, was er einem sagt. Sie sollten es machen wie ich, Fürstin, oder besser noch, einen Platz in meinem Boote annehmen.«
»Ja, gern«, erwiderte sie einfach und ohne Redensarten. »Ich habe John Ruskins Kapitel von Torcello in seinem »Steinen von Venedig« gelesen; es ist wunderbar!«
»Du wolltest in Burano Spitzen kaufen, Zoe«, erinnerte Olga Petrowna scharf.
»Das können wir bei Jesurum in Venedig auch noch haben«, meinte die Fürstin leichthin.
»Meine Mutter besitzt altvenezianische Spitzen, die Sie interessieren werden, wenn Sie Liebhaberin und Kennerin sind«, begann Torcelli nach einer Weile. »Die Spitzen erregen die Bewunderung der Kenner und haben sicher meine Mutter geschmückt, als sie in Rom die Empfänge des damaligen Botschafters Fürst Sarakow besuchte. Auch ich war als junger Leutnant öfter Gast des Würdenträgers, den viele Mütter damals viel zu schade für den Junggesellenstand hielten.«
»Der Botschafter war mein Vormund«, sagte die Fürstin. »Er konnte sich infolge seiner Abwesenheit aus Rußland nicht viel um mich kümmern, obschon ich die Tochter seines besten Freundes war. Auf dem Sterbebett hat mein Vater mich ihm anvertraut, in einem Alter, das eine Leitung besonders nötig gehabt hätte. Dann bei seiner Heimkehr hat der Botschafter die unfreiwillige Vernachlässigung dadurch gutgemacht, daß er mich – heiratete. Oh, Sie müssen nicht denken, daß irgendwelcher Zwang dabei eine Rolle gespielt hat, gar nicht. Ich habe den Fürsten sehr verehrt und habe ihm viel zu verdanken – mehr, als ein Mensch es ahnen kann –«
Olga Petrowna hustete.
»Das dürfte Fürst Torcelli kaum interessieren«, sagte sie mahnend und – war's die Beleuchtung oder etwas anderes – sie sah dabei grauer aus denn je.
»Pardon, es interessiert mich sehr – da ich die Ehre hatte, den Fürsten zu kennen und ganz unerwartet nun auch seine Gemahlin kennenlernen durfte«, widersprach Torcelli mit einer Verbeugung.
»Durch die gütige Vermittlung meines Alexandriten«, lächelte die Fürstin.
»Sie sagten, der Schmuck sei ein Erbstück«, bemerkte Torcelli und mußte dabei dessen gedenken, was ihm Don Orso über diese Steine gesagt hatte.
»Nikolaus I. schenkte den Alexandriten meinem Vater, der sein Adjutant war, und dieser ließ ihn für meine Mutter als Brautgeschenk in Tiflis fassen«, erzählte Zoe Sarakow mit träumerischem Blick. »Ich liebe den Schmuck, denn sie trug ihn noch am Tage ihres frühen Todes. Zwar, wenn ich mir's manchmal überlege, muß ich oft denken, daß der Alexandrit seinen Besitzern eigentlich kein Glück gebracht hat, und wenn man abergläubisch sein wollte – aber wer wollte heutzutage noch so unmoderne Regungen haben? Nikolaus I., der den Stein in eine Tabatiere gefaßt immer bei sich trug, – ihn hat das Unglück des Krimkrieges getötet. Meine Mutter starb durch einen Sturz aus dem Wagen, mit dem die Pferde durchgingen, man weiß heute noch nicht, aus welcher Ursache, da die Straße, auf der es geschah, menschenleer war. Mein Vater, der den Schmuck dann für mich verwahrte, da ich noch zu jung war, um ihn zu tragen, wurde unter Alexander I. durch eine Koterie gestürzt und starb in der Verbannung in Sibirien, und ich –«
Sie brach ab, und Olga Petrowna hustete wieder, obwohl Torcelli nicht begriff, weshalb, denn das tragische Ende des ehemaligen Gouverneurs von ... durch die Hand der Nihilisten, die er so energisch bekämpft hatte, war weltbekannt, und es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß seine junge Witwe darauf anspielte. Ein tiefes Mitleid mit ihr, die so viel schon in ihrem jungen Leben hatte durchleiden müssen, ergriff ihn, und sein eigenes Unglück kam ihm gegen das ihrige mit einem Male sehr unwesentlich vor.
Bald saßen die drei in der Gondel, die über das sonnenflimmernde, spiegelglatte Wasser der stillen Insel zusteuerte. Torcello, die Wiege Venedigs, einst hochbedeutsamer Hafenort, lag zerfallen bis auf den riesigen Dom und die bereits dem Untergang geweihte Kirche von Santa Fosca. Die Melancholie, die über Torcello liegt, empfindet man aber erst an einem sonnenlosen Tag, wenn zur Zeit der Ebbe ein leichter Seewind wie ein Klagelied über den toten Kanal hinwegstreift –
Heut glänzte die Sonne über Torcello und vergoldete die grauen Mauern des Domes mit ihrem alles verklärenden Licht, und seine gewaltigen Umrisse auf dem Hintergrund des tiefblauen Himmels, die so überwältigend und ehrfurchtgebietend auf den wirken, der Torcellos Geschichte kennt, verfehlten auch ihren Eindruck nicht auf die drei Insassen des Bootes.
Im Innern des Domes herrscht auch an sonnenhellen Tagen eine stimmungsvolle Dämmerung, aus der das uralte Mosaikbild überwältigend hervortritt: die riesenhafte, in den strengen Linien der byzantinischen Kunst gebildete Gestalt der »weinenden Madonna«, umgeben von vier Heiligen, darunter das Brustbild Christi und der zwölf Apostel.
Die Hände ausgebreitet, Tränen in den Augen, blickt die Madonna von Torcello herab auf den Beschauer und zwingt ihn, still zu stehen und aufzublicken zu der Gestalt auf goldenem Grund: ein unendlich feierlicher, ergreifender Anblick, verstärkt durch die primitiven Linien altchristlicher Kunst, die nirgends einen packenderen Ausdruck gefunden hat als hier; stumm und ergriffen standen auch die drei Weggenossen davor, die an diesem Morgen eine seltsame Fügung zusammengeführt hatte. Über das zarte Gesicht der Fürstin Sarakow aber rannen unaufhaltsam die Tränen herab, stille, durch kein Schluchzen unterbrochene Tränen einer Ergriffenheit, die in diesem Maße nur Auserwählte empfinden können oder solche, auf deren Herzen ein tiefes Leid lastet. Torcelli wagte nicht, sie anzusehen, während sie mit dieser tiefen Ergriffenheit rang, aber es war ihm eine Genugtuung, daß andere, nein, gerade diese, dasselbe Empfinden hatte wie er selbst. Ihre Ergriffenheit ließ in seinem Herzen eine Saite erklingen, die bisher, trotz aller Bewunderung ihrer physischen Vorzüge stumm geblieben war.
Laute Stimmen draußen lösten den Bann.
»Gehen wir«, sagte Zoe Sarakow, wie aus einem Traum erwachend.
»Hier also stand die Wiege Ihres Geschlechtes?« fragte sie träumerisch, als sie wieder über den stillen, grünüberwucherten Platz ihrem Boote zuschritten.
»Ja«, nickte er. »Es gingen viele Geschlechter damals mit fliegenden Fahnen in das aufblühende Venedig über – sie heißen dort alle ›die Torcelli‹, und um sie auseinanderzuhalten, gab man ihnen den Namen des Wahrzeichens ihres Hauses. Zum Beispiel die Torcellesen mit der Armbrust blieben als ›Balestra‹ drüben, bis sie sich landeinwärts wandten und noch in Italien und in Deutschland blühen; wir, die wir eine Lilie führten, nannten uns nach ihr ›dal Giglio‹.«
Das Gespräch wurde durch einen scharfen Knall unterbrochen, der aus nächster Nähe zu kommen schien und die Wirkung hatte, daß die Fürstin Sarakow zusammenfuhr und sich an den Arm Torcellis festklammerte.
»Fürstin, was ist Ihnen?« fragte er bestürzt. »Ein Knabe hat mit einer Knallbüchse geschossen, mit einem Kinderspielzeug! Der unnütze Bengel hätte auch warten können, bis wir etwas weitergegangen waren –«
»Oh«, machte sie mit einem tiefen Atemzug, aber immer noch die Hand auf seinem Arm, blaß bis an die Lippen. »Ich – ich dachte, es wäre ein Schuß und er gälte mir –«
»Ihnen?« wiederholte Torcelli erstaunt. »Ja, um alles in der Welt, wer sollte Ihnen –?« Fragend sah er Olga Petrowna an, die mit einem eigenen Lächeln ihre Freundin betrachtete und dann achselzuckend weiterschritt. Sie ist nicht ihre Freundin, – wie könnte sie sonst so teilnahmslos sein und noch dazu lächeln, fuhr es ihm mit einer Anwandlung von Wut über diese »garstige Russin« durch den Sinn.
»Ja, wer – –?« murmelte Zoe Sarakow. »Sie werden mich für eine recht feige Seele halten«, setzte sie beherrscht hinzu. »Aber seit dem Attentat auf den Fürsten – so etwas wirkt nach und die Nervenerschütterung ist noch nicht überwunden –«
»Ich verstehe«, sagte er leise, mit einem Blicke des innigsten Mitleides. »Aber Sie müssen bedenken: jenes Attentat war eines aus politischen Motiven. Es kann ganz unmöglich eine Ausdehnung auf Ihre Person bedeuten.«
»Oh, ich weiß nicht – ich war doch seine Frau, und diese – Mörder sind so furchtbar«, ein Schauer schüttelte sie, und scheu sah sie sich noch einmal um, wo der Junge eben wieder den Pfropfen in seine Büchse lud.
»Zoe!« mahnte Olga Petrowna mit einer Schärfe, gegen die Torcelli sich in seinem Innern empörte.
»Ja, ja – ich bin töricht«, erwiderte die Fürstin, scheinbar ganz ruhig. »Wir müssen alle einmal sterben –das willst du doch sagen, Olguschka, nicht? Nur, siehst du, wenn man jung ist, geht der philosophische Gleichmut über solche Dinge noch manchmal in die Brüche. Auch bin ich keine Pessimistin wie du und finde die Welt und das Leben sehr schön und begehrenswert.«
Olga Petrowna erwiderte etwas, das Torcelli nicht verstand, denn es war russisch; und danach traten sie schweigend die Überfahrt an. Die Sonne sank schon, als das Schiff wieder in Venedig eintraf, und auf der Riva nahm Torcelli Abschied von den Damen, – eigentlich nur von der einen, denn Olga Petrowna war für ihn wieder in das Nichts ihrer zurückstehenden Person herabgesunken.
»Habe ich Ihnen eigentlich schon gesagt, Fürstin, daß meine Mutter sich freuen wird, Ihnen die Honneurs der Ca' Torcelli zu machen?« fragte er beim Abschied. »Wann dürfen wir Ihren Besuch erwarten?«
»Die Principessa ist zu gütig«, erwiderte sie freundlich, aber mit Zurückhaltung. »Was hatten wir morgen vor, Olguschka? Ich glaube, wir wollten nach Murano, dann könnten wir in der Kirche feststellen, ob der Bellini'sche Engel mir wirklich ähnlich sieht, oder vielmehr ich ihm. Wann empfängt die Fürstin?«
»Sie ist zum 5-Uhr-Tee immer daheim«, sagte Torcelli.
»Oh, – ja dann – aber Sie müssen uns nicht erwarten«, war die vage Antwort. »Ich möchte die Principessa nicht stören.«
Damit neigte sie leicht den Kopf zum Gruß und ging, gefolgt von Olga Petrowna, dem Halteplatz der Gondeln zu, um sich in Ihr Hotel zurückrudern zu lassen.
Torcelli aber stand auf derselben Stelle still. Alles, was er heute erlebt hatte, erschien ihm so unwahrscheinlich, daß er keinen Boden unter sich fühlte, und doch war er nicht glücklich. Im Gegenteil, es wollte ihn etwas niederdrücken, was eigentlich einer Last glich und doch ein ungreifbares Etwas war, dem er keinen Namen geben konnte. Zoe Sarakow hatte ihn bezaubert, aber er wußte nichts von ihr, nichts über ihren Ruf, ihre Stellung zur sogenannten Gesellschaft, ihre sonstigen Verhältnisse. Er wußte nicht einmal, ob sie überhaupt die war, für die sie sich ausgab, wenn er auch gerade diesen Punkt vor seiner Mutter zu Gunsten der Fürstin verfochten hatte. Aber was tat das? Er hatte geschworen, die zu heiraten, die ihn auf dem Wege nach San Marco anreden würde. Aber war er nicht frei und seines Gelöbnisses ledig, wenn sie ihn ablehnte? Ob es eine Umgehung seines Gelübdes war, wenn er es zum Beispiel darauf anlegte, abgewiesen zu werden? Selbst die spitzfindigste Sophistik hätte ein solches Verfahren nicht rechtfertigen können, wo alle sonstigen Bedingungen entsprachen, und er hatte auch gar nicht den Wunsch, es auf einen Korb anzulegen. Und doch, und doch –
Donna Fabiola verbrachte den ganzen nächsten Morgen in einer Aufregung, die ihrer Umgebung den Atem raubte. Sie hatte den gestrigen Nachmittag dazu benützt, einen vertraulichen Brief an die Gemahlin des italienischen Botschafters in St. Petersburg, die ihre Cousine war, zu schreiben und hätte die Antwort gern vor dem bewußten Besuche empfangen. Also entlud sie wegen Angelos voreiliger, sie unvorbereitet treffender Einladung ihre Aufregung auf ihre ganze Umgebung, ohne daß diese die Ursache kannte. Der Herr des Hauses hatte sich durch seine Abwesenheit dem Ungewitter entzogen, denn er war nach Murano gefahren und hatte vor der Kirche geduldig gewartet, bis die Doppelgängerin des geigenspielenden Engels auf dem Gemälde des Gian Bellini erschienen war, natürlich mit ihrem mißgeformten Trabanten. Sie schien weder über seine Anwesenheit erstaunt zu sein noch suchte er sie zu erklären oder gar zu entschuldigen; sie begrüßten sich, als hätten sie sich verabredet oder als wäre es ganz natürlich, daß Torcelli die Honneurs der »Madonna des Dogen Agostino Barbarigo« übernahm. Die Fürstin fand, daß ihr mit dieser Ähnlichkeit geschmeichelt worden war, konnte aber nicht umhin, ein wenig frappiert davon zu sein, während Olga Petrowna ohne Rückhalt ihrem Staunen Ausdruck gab und feierlich erklärte, Zoe müsse in einem früheren Dasein leibhaftig dem Bellini Modell gestanden haben, sonst wäre es ja ganz unmöglich, daß ein Kopf, der vor mehr als vierhundert Jahren porträtiert worden war, einem lebenden Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts in einer so erstaunlichen Weise gliche. Streng genommen ist dieser Engel keine Schönheit, aber von wunderbarer Lieblichkeit. Der verträumte Ausdruck der unsichtbare Herrlichkeiten sehenden Augen mit den roten Lichtern darin, der süße und doch charakteristische Mund machen den Kopf zu dem schönsten und ausdrucksvollsten, den der große venezianische Meister gemalt hat. »Ich gebe alle seine Madonnen und Heiligen für diesen einen Engel hin«, sagte Torcelli.
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