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VI

Grovers Tod versetzte Eliza die furchtbarste Wunde ihres Lebens. Ihr Lebensmut war angepackt; ihr maßvolles, aber mächtiges Streben nach Freiheit kam plötzlich zum Stillstand. Ihr schauderte schon beim bloßen Gedanken an die entlegene Großstadt und die Weltausstellung. Sie lebte in Angst vor dem versteckten Feind, der so hart zugeschlagen hatte.

In Verzweiflung und Traurigkeit kapselte sie sich im Heim ein. Sie war bereit gewesen, das Familienleben aufzugeben; nun ging sie ganz in ihm auf. Sie arbeitete und plagte sich, nur um zu vergessen. Aber plötzlich lugte dann wieder das geliebte verlorne Antlitz, dunkel und unfaßbar wie das eines Fauns, aus dem Gartendickicht ihres Gedenkens. Das Muttermal am braunen Halse fiel ihr ein, und sie weinte.

Während des grimmen Winters schwanden mählich die Schatten. Gant schichtete knatternde Feuer im Kamin, der Tisch bog sich von üppigen Mählern, der füllige, berstende Alltag ging seinen geregelten Gang. Sie fanden wieder Geschmack am Leben.

Und als der Winter verwich, löste sich langsam das Zwischendunkel in Eugens Gemüt. Tage, Wochen, Monate folgten aufeinander in strahlender Helligkeit. Er erholte sich vom Wirrsal der Weltausstellung. Das wirkliche Leben erschloß sich.

Bewahrt und selbstbewußt gedieh er nun in der sicheren Veste des Heims. Mit wohlgefülltem Bauch lag er vor dem lodernden, lebensregenden Kaminfeuer und schwelgte unersättlich. in den großen Bänden aus dem Büchergestell, verliebt in den Schmökergeruch des Papiers und das scharfe Aroma der Lederrücken. Seine Lieblingsbücher waren drei Kalblederbände, Ridpaths Weltgeschichte, unzählige Seiten mit vielen hundert Bildern. Er verfolgte den Gang der Jahrhunderte in Bildern, ehe er noch lesen konnte. Schlachtenbilder machten ihm am meisten Vergnügen. Er wob endlose Legenden um die Pharaonen, die auf goldnen, von sausenden Rossen gezognen Streitwagen dahinsausten, um die zwirnbärtigen, tierleibigen Könige von Assur, die Mauern von Babylon. Sein ganzes Hirn schwärmte von Bildern: Reiterangriff des Cyrus, der Speerwald der makedonischen Phalanx, zerbrochene Langruder der Flotte von Salamis, Alexander beim Gelag, Turniere mit zerspellten Lanzen, marschierende Hellebardiere, Sturmleitern auf die Wälle einer mittelalterlichen Stadt. Gant saß hinter ihm, räkelte sich im Schaukelstuhl, spuckte zuweilen, ohne zu spritzen, Kautabakspeichel über ihn hinweg ins aufzischende Feuer.

Manchmal trug ihm Gant mit voller, blühender Stimme Stellen aus Shakespeare vor; Mark Antons Anklagerede beim Begräbnis Julius Cäsars, Hamlets Monolog, das Bankett aus Macbeth, die Szene zwischen Othello und Desdemona, ehe er sie erwürgt. Auch Verse las er ihm, oder zitierte gar die Leibgedichte und Lieblingsballaden aus dem weiträumigen Rückhalt seines Gedächtnisses. Manchmal riefen sie Helene herzu, und sie mußte ihnen ein Gereimtes aufsagen:

»Noch steht das Schulhaus dort am Weg,
Ein zerlumpter Bettler sonnt sich vorm Tor,
Der Flieder schießt noch im Gartengeheg,
Und Brombeeren ranken, dicht wie zuvor ...«

Wenn sie dann aufgesagt hatte, daß das Gras nun schon vierzig Jahre überm Grab des Mädchens wuchs, und an die Stelle kam, wo der ergraute Bettelmann gesteht, daß des Daseins einzig echter Sinn Liebe sei, das habe er in der harten Schule des Lebens gelernt ..., dann seufzte Gant tief auf und bemerkte nickend: »Ja, ja, ein wahreres Wort als dies wurde niemals gesagt.«

Innig und einig lebte die Familie zusammen. Gant überschüttete sie mit seiner Schelte, seiner Zutunlichkeit, seiner verschwenderischen Fürsorge. Sie hatten es sich angewöhnt, seiner abendlichen Heimkehr erwartungsvoll entgegenzusehen, denn er brachte die große Freude am Leben, am Ritus des Daseins mit. Sie beobachteten ihn, wie er rüstigen Schritts um die Ecke bog, sie bewachten jede seiner Bewegungen vom Augenblick der Heimkehr an. Zuerst legte er die eingekauften Lebensmittel auf den Tisch, dann schichtete er Späne im Kamin des Wohnzimmers, goß Petroleum über sie und zündete das Feuer an. Darauf zog er den Rock aus und wusch sich gründlich am Wasserhahn in der Waschküche, die neben der Küche lag; seine großen harten Hände schruppten über die Bartstoppeln, daß es ein Geräusch machte, als riebe er sich das Gesicht mit Schmirgelpapier. Dann stellte er sich gegen den Türpfosten und kratzte sich mit heftigen Hinundherbewegungen den Rücken. Dann leerte er eine halbe Kanne Petroleum in das auflodernde Feuer, blies langlüngig hinein und fing an, vor sich hinzumurmeln. Schließlich biß er einen ordentlichen Priem Apfelkautabak von der Stange ab, die gebrauchsfertig für ihn auf dem Kaminsims lag, und – ohne seine grinsende Brut auch nur zu bemerken – schritt er im Zimmer auf und ab und komponierte seine Tirade. Wenn er soweit war, stürzte er in die Küche und ließ sie unter Geheul auf Eliza los.

Seine ungestüme zuchtlose Rederei mit den hochstaplerischen Vergleichen übte durch ständigen Gebrauch fast die Wirkung klassischer Zitate aus. Die Kinder, die alle einen großen Sinn für Komik hatten, ergötzten sich täglich. Sie freuten sich im voraus darauf. Selbst Eliza, deren große Wunde langsam und schmerzlich zuheilte, wurde davon angeregt. Aber sie hatte immer Angst, er würde wieder der Trunksucht verfallen, und vergaß und vergab ihm das Vergangne nie.

In diesem Winter, als der heilsame Frohsinn der Kinder die Todesgedanken aus ihrem Herzen vertrieb, kehrte auch wieder so etwas wie Hoffnung bei ihr ein.

Sie lebten für sich selbst, unter sich selbst, in sich selbst. Sie wußten nicht, wie allein sie waren. Jedermann kannte sie, aber sie waren mit niemand befreundet. Sie standen für sich allein. Der Gesellschaftsklasse nach zählten sie wohl zum Mittelstand, aber die Duncans, die Tarkintons, die Nachbarn und Bekannten fühlten sich nie zu ihnen hingezogen, hatten nie an der seltsamen Farbigkeit ihres Lebens teil. Sie waren anders, sie paßten nicht, sie gehörten nicht in die Welt der musterhaften Bürger. Etwas Ursprüngliches, etwas heillos Irres, von dem sie selber nichts ahnten, war in ihnen. Und Verkehr mit den feinen Leuten, zum Beispiel den Hilliards, war ihnen ebenso unmöglich, selbst wenn sie dafür begabt gewesen wären oder Lust darnach gehabt hätten. Aber sie hatten ja keine.

Gant war ein großer Mann; wenn auch kein außerordentlicher; denn Außerordentlichkeit zieht nicht das Leben aus unablässiger Ergebenheit zu sich.

Wenn er durchs Haus stürmte, um seine gesammelten Pfeile abzuschießen, folgten ihm die Kinder vergnügt. Sie schrien vor Lust, wenn er Eliza sagte, sie sei, als er sie zum erstenmal sah, »wie eine Schlange auf dem Bauche kriechend« ihm entgegengekommen ... oder wenn er sie und alle Pentlands bei eingetretenem Frostwetter einer finstern Macht über die Elemente bezichtigte.

»Frieren werden wir, erfrieren!« gellte er, »in diesem verruchten, grausamen, gottverlassenen Klima. Schert sich Dein Bruder Will drum? Schert sich Dein Bruder Jim drum? Schert sich das alte Schwein, Dein elender Vater, drum? Barmherziger Heiland, Sendlinge des Teufels sind sie, denen ich in die Hände gefallen bin! Herzloser als die wilden Tiere des Walds! Höllenhunde sind sie, diese Pentlands, sie lassen mich erfrieren, sie sitzen dabei und weiden sich an meiner Qual, bis ich verrecke!«

Er rannte in die Waschküche nebenan und brummte heftig vor sich hin. Lukas stand grinsend dabei.

»Aber fressen können sie!« schrie er dann und tauchte wieder in der Küchentür auf. »Fressen können sie, wenn ihnen jemand etwas vorsetzt. Mein Lebtag werde ich das alte Schwein nicht vergessen, wie er dasaß und schlang ... ›Eliza, kann ich noch etwas Huhn haben?‹ ...« – hier ahmte Gant die weinerlich-leise Stimme des alten Majors Tom Pentland nach und setzte eine Miene wahnwitzigen Heißhungers auf. Die Kinder platzten heraus vor Vergnügen. – »... und dann blieb ihm der Bissen im Hals stecken, weil er ihn nicht schnell genug herunterbekam, und wir mußten ihn vom Tische wegbringen!«

Immer, wenn seine Bezichtigungen einen Höhepunkt erreichten, quietschten die Buben oder platzten heraus. Dieser Beifall kitzelte Gant; er sah sich listig um, und ein schwaches Grinsen huschte über seinen dünnlippigen Mund. Auch Eliza lachte zuweilen kurz und trocken auf und rief dann abwehrend: »Raus aus der Küche! Ich habe genug von diesem Krach für heute abend.«

Bei solchen Gelegenheiten siegte manchmal sein guter Humor über ihn; er machte einen plumpen Versuch, Eliza zu hätscheln, ging hin und legte seinen Arm um ihre Hüfte. Sie war verwirrt und entzog sich ihm hilflos: »Weg da! Hände weg von mir! Dazu ist es nun zu spät!« Ihr weißes, verlegenes Lächeln war schmerzhaft und komisch zugleich. Tränen traten ihr in die Augen. Bei diesen seltenen, unnatürlichen Schaustellungen der Zutunlichkeit lachten die Kinder nur unterdrückt. Es war ihnen unbehaglich zumut. Oft baten sie: »Ach, laß sie in Ruh', Papa!«

Eugen stand im fünften Lebensjahr, als er zum erstenmal einer solchen Szene beiwohnte. Es war ihm peinlich, er schämte sich, er spürte einen Klumpen in der Kehle, renkte den Hals wie ein Erstickender und lächelte verzweifelt, ganz so, wie er später tat, wenn er auf dem Theater arme Narren oder ekelhafte Szenen sah. In der Tat, ohne ein würgendes beklemmendes Gefühl der Demütigung konnte er nie mitansehen, wenn seine Eltern zutunlich miteinander waren. Zärtlichkeit zwischen ihnen kam ihm wie eine grausame Mache vor.

Die Zeit brachte den machtvollen, keimkräftigen Besitzinstinkt in Eliza zum Wiedererwachen. Der heimliche Krieg gegen Gants Natur fing wieder an. Die Kinder wuchsen heran. Eugen hatte in Henry Tarkinton und Max Isaacs Spielgefährten gefunden. Das Weib in Eliza war am Erlöschen.

Der alte Zank um Grundsteuern ging von neuem los. Ziel um Ziel kam Gant, den Zettel des Einnehmers in der Hand, tobend nach Haus:

»Bei Gott, Weib, wohin soll das führen? Ich sehe schon, wie es endigt. In einem Jahr wandern wir ins Armenhaus. Ich gehe bankrott. Diese verdammten Schwindler werden mir den letzten Cent aus der Tasche nehmen, meine Sachen kommen unter den Hammer. Wir alle werden Bettelsüppchen essen, ehe noch dieser furchtbare, dieser entsetzliche, dieser höllisch-verruchte Winter herum ist.«

Sie schürzte nachdenklich die Lippe und prüfte den Steuerzettel, während er ihr mit qualvoll gespanntem Gesicht zusah.

»Ja, das sieht mir schlecht aus, das muß ich sagen«, bemerkte sie dann. »Jammerschade, daß Du vorigen Sommer nicht meinem Rate gefolgt bist, denn dann hätten wir den dummen Owenbyplatz gegen die zwei Häuser an Carterstreet eingetauscht und würden jetzt vierzig Dollar Mieteinkommen im Monat beziehen ...«

»Nie wieder will ich auch nur einen Fußbreit Bauland besitzen«, stöhnte er wild. »Ich hab mich mein Leben lang für Grundsteuern geschunden und bin power geblieben, und wenn ich sterb, dann komme ich auf den Armenacker.« Er verfiel in philosophisches Brüten, berief die Eitelkeit aller Menschenmühen, sprach von derselben Erde, »die schließlich arm und reich deckt«, verweilte bei der Tatsache, daß wir nichts mit ins Grab nehmen können ... und pflegte dann schließlich ein paar Strophen aus Grays Kirchhofselegie zu zitieren, diesem Konversationslexikon artikulierter Melancholie:

»... erwarten all die letzte schwere Stunde.
Des Ruhmes Pfad, er führt nur bis zum Grab.«

Eliza aber hielt grimmig fest an dem, was sie besaß.

Gant, trotz seines Hasses auf Bodenbesitz, war stolz darauf, daß er ein eigenes Haus hatte, und liebte jeden Gegenstand, mit dem er werken und wirken konnte, und alle Dinge, die ihm Behagen verschafften. Unbegrenzter Wohlstand hätte gut zu ihm gepaßt. Er hätte gern große Gelder in der Bank und in der Tasche gehabt, wäre gern großzügig gereist, freigebig aufgetreten. Er hatte stets eine ganz ansehnliche Summe in der Tasche. Zweimal war er im Rausch bestohlen worden. Wenn er betrunken heimkam, dann verteilte er oft seine Banknoten unter die Kinder, gab jedem zehn, zwanzig, fünfzig Dollar und nötigte sie: »Nehmt nur; nehmt! Gott verdammt das ganze Geld.« Aber am nächsten Tag war er unverfroren genug, es zurückzuverlangen. Helene sammelte es bei den oft nicht sehr willfährigen Jungen ein. Am nächsten Tag gab sie es ihm zurück. Sie war nun fünfzehn oder sechzehn, fast zwei Meter hoch aufgeschossen, hager, grobknochig, mit großen Händen und Füßen. In ihrem offnen, großzügigen Gesicht lauerte die hysterische Sucht nach ständiger Aufregung.

Das Band zwischen Vater und Tochter knüpfte sich täglich fester. Sie war nervös, heftig, reizbar und schimpfte gern, ganz wie er. Sie betete ihn an. Er spürte ihre Ergebenheit und erwiderte sie. Das kränkte Eliza sehr. Wenn er betrunken war, wütete er gegen Eliza und lobte Helene maßlos. Eliza, tief verletzt, merkte, daß er im Rausch seine wahre Gesinnung offenbarte. Sie mußte ihm aus dem Weg gehn und sich in ihr Zimmer einschließen, während die Tochter ihn mit Erfolg bändigte.

Zwischen Eliza und Helene blieben Reibungen nicht aus. Es kam zu scharfen, schroffen Worten. Es war ihnen schwer, unter einem Dach zu wohnen; das Haus war zu eng für sie beide. Ganz abgesehen von der uneingestandenen Nebenbuhlerschaft um Gants Gunst, konnte das Mädchen die Fühlweise und Äußerungsart der Mutter kaum ertragen. Elizas langsame, lippenschürzende Rede, die Tongebung ihrer Stimme, ihre Milde und Langmut, die tiefe, gefüge Stille ihres Wesens versetzten Helene oftmals in Wut.

Sie aßen ungeheuerlich. Eugen fing an, ein Augenmerk auf die Jahreszeiten und die Gerichte zu haben. Im Herbst kellerten sie große, frostige Äpfel ein. Gant kam früher heim und brachte ganze Schweine vom Metzger, die er, eine lange Arbeitsschürze vorgebunden, mit seinen mageren, behaarten Armen in Fässern einpökelte. Die Speisekammerdecke hing voll von geräucherten Schinken. Große Gemäße mit Mehl standen am Boden. Die Bretter der tiefen Gestelle bogen sich von Eingemachtem in Gläsern: Kirschen, Pfirsiche, Pflaumen, Erdbeeren, Quitten, Birnen. Alles, was Gant anfaßte, gedieh. Im Frühjahr schon standen seine Gartenbeete schön. Krauser Kopfsalat, dicke rote Radieschen, schwere Tomaten trug ihm die schwarze, mulmige Erde. Der Kirschbaum hing voll. Süße aufgesprungene Pflaumen trommelten ins Gras. Der Apfelbaum war überladen. Die Erde war fruchtbar für ihn wie ein mächtiges Weib.

Im Frühling kamen die kühlen tauigen Vormittage, voll von hurtigem Wind und betäubender Bluht. Eugen spürte in sehnsüchtig-verwirrtem Einsamsein zum erstenmal, wie das Wachstum der Erde der steigenden Jahreszeit entgegenschwillt.

Wenn sie morgens aufstanden, roch das Haus nach vielen köstlichen Frühstücksspeisen. Mittags kamen Braten, Gemüse, Salate, saftiges Obst auf den Tisch, Abends gab es Beefsteak, Schweinskoteletten, Pfannkuchen, Fisch, junge Hühner. Zum Erntedankfest Ende November, und zu Weihnachten wurden jedesmal vier Truthühner gekauft und wochenlang vorher noch gemästet. Eugen, der sie mehrmals am Tag mit Mais fütterte, konnte es nicht ertragen, beim Schlachten zugegen zu sein. Ihr erregtes Gullern echote dann schon in ihm. Wochen im voraus fing Eliza an zu backen. Die ganze Arbeitskraft der Familie drehte sich um den großen Ritus des Fests. Kurz vor den Feiertagen kamen dann noch in großen Büchsen und Schachteln die Süßigkeiten aus dem Feinkostladen ins Haus. Zur Freude an den Hausmacherspeisen gesellte sich die Magie fremden Leckerzeugs: glasierte Datteln, getrocknete Feigen, runzlige Rosinen; Mandeln, Maronen und Paranüsse; Zuckerwerk und Pralinen; Orangen und Mandarinen aus Florida.

Das Tranchiermesser klang auf dem Wetzstahl, wenn Gant sich zu Braten und Geflügel niedersetzte. Die Teller wurden gereicht, er legte selber vor. Eugen saß auf einem hohen Stühlchen neben dem Hausherrn. Er aß, bis sein kleiner, geschwollener Bauch wie das Fell auf einer Pauke gespannt war. Sein aufmerksamer Erzeuger gickste ihn mit dem großen Finger in den Magen, und erst, wenn keine Delle mehr entstand, erlaubte er ihm, aufzuhören.

»Da ist noch 'ne schlappe Stelle!« dröhnte er und legte dem Söhnchen nochmals tüchtig vor. Daß die Kinder diese Behandlung überstanden, war ein Zeichen für ihre trefflichen Mägen und für Elizas gute Küche.

Gant aß gierig und unvorsichtig. Fisch hatte er leidenschaftlich gern. Dabei schluckte er jedesmal Gräten. Das kam Hunderte von Malen vor, aber immer wieder sah er mit verzweifeltem Geheul auf, während ihm ein halbes Dutzend Hände auf den Rücken klopfte. Schließlich bekam er Luft und sagte noch ganz außer Atem: »Diesmal war ich aber wirklich am Ersticken!«

Eliza war verärgert. »Um Gottes willen! So gib doch mal endlich auf Gräten acht. Wenn Du so schnell ißt, bleibt Dir natürlich was im Hals stecken.«

Die Kinder setzten sich erleichtert wieder auf ihre Plätze.

Gant hatte die deutsche Liebe zum Überfluß. Immer wieder erzählte er von den vollen Scheuern, der geschöpflichen Fülle des Lebens auf der Farm seiner Mutter in Pennsylvanien.

Auf seiner Reise nach Kalifornien, in New Orleans, bezauberten ihn die Masse und die Billigkeit tropischer Früchte. Ein Straßenhändler bot ihm einen Riesenstock Bananen für fünfundzwanzig Cent an. Gant kaufte ihn auf der Stelle. Später, als er im Zug über den Kontinent fuhr, fragte er sich verzweifelt, was er mit den Bananen anfangen solle.


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