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Im Sezessionskrieg.

Die größte Reisläuferei aller Zeiten griff in den 1860er Jahren Platz, als die Nordstaaten der amerikanischen Union gegen die Südstaaten, die Confederation, ankämpften. Prinzen und Grafen und andere deutsche Offiziere eilten aus Europa herbei, um ihren Degen Lincoln oder dem General Lee zur Verfügung zu stellen. Hauptsächlich aber entwickelte sich eine bodenständige Reisläuferei, insofern schon angesessene Deutsche für die Union fochten. Nach der geringsten Schätzung waren es 180 000, nach der höchsten 300 000 unserer Volksgenossen, die freiwillig oder für den Werberlohn von 460 Dollars in die Armeen von Lincoln eintraten. Viele 48er waren dabei. Am berühmtesten sind von ihnen Karl Schurz und der alte Hecker geworden. Schurz, aus Düren (bei Aachen) gebürtig (ich habe ihn selbst noch und ebenso die Tochter seines Befreiers gekannt) wurde 1849 verhaftet, und auf die Festung gebracht, aber von seinem Freunde Kinkel unter verwickelten Umständen nächtlicherweile befreit. Die beiden Freunde flohen nach England, wo Kinkel in der Folge sich kümmerlich durchschlug, um sich dann der Schweiz zuzuwenden. Der tatkräftige Schurz fand in Nordamerika als Rechtsanwalt seinen Unterhalt. Im Bürgerkriege bewährte er sich als umsichtiger, kühner General, dem auch schwierige strategische Pläne gelangen. Später warf er sich auf die Politik und hat es als einziger Deutscher drüben zum Minister gebracht. Zu dieser Zeit, als längst Gras über seine Jugendstreiche gewachsen war, lud ihn sogar Bismarck ein, ihn in Varzin zu besuchen. Von Schurz stammt der Ausspruch: Deutschland meine Mutter, Amerika meine Braut! Dadurch ist vollkommen seine Stellung ausgedrückt. Trotzdem er einen sehr regen Verkehr mit seinen Landsleuten drüben unterhielt, war er doch einer merklichen Yankeesierung verfallen und nahm es übel, wenn man seine übergroße Betonung der Loyalität für Amerika nicht gelten lassen wollte. Viele freilich sprachen sich noch viel schärfer aus als er und erklärten öffentlich und mit Vorliebe: Sobald einmal Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland ausbrechen sollte, werden wir ohne Zögern für Amerika kämpfen. Noch volkstümlicher als Schurz war der Unionsgeneral, von dem das allbekannte Studentenlied singt:

Lebt denn der alte Hecker, Hecker noch?
Er hängt an keinem Baume,
Er hängt an keinem Strick,
Sondern an dem Traume
Der deutschen Republik!

Hecker war jedoch, genau wie einst beim badischen Feldzuge, nur ein tollkühner Draufgänger, indessen weder Taktiker noch Stratege. Im ganzen kommandierten in den Heeren der Nordstaaten nicht weniger als zwanzig deutsche Generäle. Ich nenne noch Weber, Mangelin, Osterhaus, Sigel, den Hessen Willich, der später in St. Louis Zeitungsmann wurde, und den wütenden Republikaner Struve, ebenfalls badischen Angedenkens, dessen Sohn Peter Struve ein Führer der russischen Sozialdemokraten geworden ist und, nachdem er lange im Ausland eine revolutionäre Zeitschrift herausgegeben, 1917 nach Petersburg reiste, und unter Kerenski eine Rolle spielte.

Die Yankeehistoriker lassen keinen Zweifel daran, daß ohne die Hilfe der Deutschen die Sache Lincolns schief gegangen wäre. Sie erkennen übereinstimmend die großen Verdienste an, die sich unsere Volksgenossen um die Union erworben hätten. Wir von unserem Standpunkte aus müssen zweierlei fragen: weshalb entstand der Krieg? und wem hat der Sieg der Nordstaaten genützt? Die Ursache des Zwistes war die Befreiung der Neger. Der Süden, der mit den Schwarzen behaftet ist und sie kennt, war dagegen; der Norden, der kaum mit Schwarzen zu tun hat und sie nicht gut kennt, war dafür. Da Lincoln siegte, wurde die Emanzipation der Farbigen durchgeführt. Es war eine ganz vermehrte Maßregel. Sie hat sowohl den Yankees als auch uns geschadet. Wir haben die Neger im Weltkriege als unsere Feinde kennen gelernt und bekamen sie am Rheine auf unseren Hals. In Amerika aber wurden zunächst die Schwarzen von politischen Glücksjägern und Demagogen, die aus den Reihen der Weißen stammten, gegen die Farmer des Südens organisiert. Später, da sich die Mißstände der Emanzipation immer fühlbarer herausstellten, ging man dazu über, Schritt für Schritt den Negern ihre Rechte wieder zu nehmen, dergestalt, daß sie jetzt beinahe wieder in derselben Lage sind wie vor 1861. Und wem hat der Sieg Lincolns genützt? Lediglich den Yankees! Ihr Weltreich wurde vor dem Zerfall bewahrt. Nur weil die dummen Deutschen Lincoln und seinen Mannen halfen, konnte sich die Union zu einer Macht emporschwingen, die letzten Endes, durch militärische wie finanzielle und journalistische Unterstützung des Vielverbandes, das gewaltige Völkerringen gegen uns entschieden hat. So war also, wenn man die Summe ziehen will, die Reisläuferei zugunsten der Yankees gegen das Vaterland der Reisläufer gerichtet.


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