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Ich muß nun zu etwas zurückkehren, was ich schon einmal als Ausgangspunkt gewählt habe, und zwar zu der Feststellung, daß ich bloß plane, nicht prophezeie. Meine Einschätzung der schöpferischen Kräfte ist nur theoretisch; die Revolution, von der ich schreibe, ist nicht gesichert. Ich glaube nur, daß sie unvermeidlich ist, ich meine, daß sie in der Natur der Dinge liegt, aber ich habe keine Beweise dafür oder dagegen. Doch bin ich überzeugt, daß sie nur dann möglich sein wird – wirklich möglich und nicht nur eine phantastische Erscheinung –, wenn sie sich aus einer gewollten Verständigung der Menschen, die sie durchführen müssen, entwickelt.

Ich schreibe von der zunehmenden Macht, die den Finanzleuten und den Großindustriellen gegeben ist, um die Sache der Menschheit zu führen, daß sie die Macht dazu benützen können, Kriege aufzuhalten, die internationale Produktion und deren Verteilung zu ordnen, Regierungen zu ändern, zu leiten und die Politik zu diktieren; sie sind die großen Barone der Weltgesetzgebung, aber heute wird ihre Macht entweder parteiisch benützt oder sie sind sich ihrer selbst nicht bewußt. Es folgt daraus keineswegs, daß sie diese Macht jemals systematisch anwenden oder sie großen Zwecken dienstbar machen werden. Die Metamorphose ist so weit vorgeschritten, daß ich meine, die breiten Umrisse des neuen sozialen Leviathan, der Weltrepublik, unterscheiden zu können; aber er schläft, er bewegt sich nicht; er ist zu seinem Leben noch nicht erwacht. Die Konstituierung dieser offenen Verschwörung bleibt der Zukunft vorbehalten.

Die Tatsache aber, daß ich hier in meinem Frieden unter den Olivenbäumen darüber schreibe, ist Beweis genug dafür, daß das, was ich verkünde, zum mindesten etwas Wirklichkeit in sich birgt. Der Inhalt des vorigen Buches erzählt größtenteils davon, wie Dickon und ich dazu kamen, diese Ideen zu entwickeln. Und meine Meinung ist, daß wir nicht abnormale Menschen sind, sondern Musterbeispiele erfolgreicher, moderner Durchschnittsmänner, und daß eine Menge Menschen in ähnlichen Umständen dasselbe denken mit individuellen Unterschieden, aber in der Hauptsache doch das gleiche. Ich bin hier in die Provence gekommen und führe den größten Teil des Jahres eine Art Eremitenleben, um meine Zukunftsvision aus ihren verwirrenden Einzelheiten zu hüllen. Es war für mich und es ist für mich eine wichtigere und dringlichere Arbeit als irgendein konkretes Geschäft.

In gewisser Hinsicht mag ich dadurch eine Ausnahme darstellen, daß ich meine Aufmerksamkeit auf das Problem der Allgemeinheit lenke. Soviel ich weiß, ist keiner unter den tätigen Geschäftsleuten bis jetzt daran gegangen, eine erschöpfende Betrachtung über die heutige Geschäftslage der Welt anzustellen. Vielleicht haben mir Umstände, Enttäuschungen und böse Stimmungen die Sache leicht und geradezu dringlich gemacht; vielleicht fühle einstweilen nur ich die Notwendigkeit, mich auf diese Fragen zu konzentrieren. Der Zufall dürfte mich zu einer Art Pionier dieser neuen Wahrheiten gemacht haben.

Dickon, der von seiner Arbeit nicht weggegangen und viel zu beschäftigt ist, um je von ihr abzulassen, hat ganz ähnliche Ansichten entwickelt. Aber er hat nie einen Versuch gemacht, sie herauszukristallisieren. Sie kommen und gehen durch seinen Geist und das muß der Durchschnittszustand sein. Bis jetzt scheint kein großer Geschäftsmann der Welt eine solche Pause zur Selbstbesinnung gemacht zu haben, keiner so heftig begriffen zu haben, wie wichtig Feststellungen dieser Art sind und wie notwendig die Zukunft eines klaren Ausblickes bedarf. Ich glaube wirklich, daß es nun an der Zeit ist. Die neue Ordnung ist noch stumm; ich singe meine Saga der Zukunft ohne Begleitung; die Politiker und politischen Persönlichkeiten, die Journalisten, die Religionslehrer und die Schulmeister, die zusammen die gewöhnlichen Formen des politischen Denkens schaffen, tun nichts als feststehende Formen der Vergangenheit wiederholen. Aber die Phase der Selbstverwirklichung, der Selbstentfaltung mag ganz nahe vor uns liegen, sie mag schnell kommen, wenn nur einer damit beginnt.

Es gibt, wie ich glaube, einige Anzeichen für ihr Heraufdämmern. Noch denkt jeder für sich allein, so wie ich es tue, oder zuzweit, zudritt, so wie ich es zu tun gedenke, wenn ich nach England zurückkehre. Wir müssen erst in Gruppen sprechen und in Büchern und Zeitungen, die wir selbst schaffen. Solange diese geistige Zersplitterung besteht, wird die alte Ordnung noch in der Lage sein, sich aufrecht zu erhalten und uns an ihren Verlusten mit verlieren lassen. Eine Zeit wird kommen, da jeder soziale Vorgang sich seiner selbst bewußt werden muß. Keine große schöpferische Entwicklungsbestrebung in unserem modernen sozialen Leben kann ohne kritische Literatur über einen gewissen Punkt hinauskommen. Wir sprechen, wie ich sage, erst noch zuzweit, zudritt. Fast alle Sprecher sind Männer. Wenige oder gar keine Frauen scheinen diese Ideen über ein praktisches Handhaben der Macht zu teilen. Auch klären wir unsere Geschäftspartner nicht auf, wir erziehen uns keine Nachfolger. Wir überliefern unsere Eindrücke und unbestimmten Absichten unseren Söhnen nur durch Winke und angedeutete Anregungen. Unsere Häuser, unser Gesellschaftsleben, unsere Familien stecken noch tief in den traditionellen Ideen. Wir arbeiten im Verborgenen.

Dieser Zustand muß notwendigerweise vorübergehend sein. Die Männer, die die Mittel gehabt haben, bis heute die großzügigeren Methoden auszuarbeiten: die Männer der Wissenschaft, die Erfinder, Männer mit phantasiereichem Geschäftsgeist, Männer mit Verständnis für das Finanzwesen, können die menschlichen Angelegenheiten nicht in dem heutigen Krisenzustand des Zwistes belassen, des Zwistes zwischen weltumfassenden Ideen und nationalistischer Beschränktheit. Sie müssen über die Krise hinweg, zu der sie sie getrieben haben.

Sie können jedoch zu der schwierigen und ungeheuren Aufgabe geistiger und moralischer Ummodelung, die von ihnen verlangt wird, nicht schreiten, ehe sie nicht ihre eigenen noch zersplitterten Geschäfte konsolidiert haben, und nicht ohne die Unterstützung eines sich vertiefenden Vertrauens, nicht ohne das Verständnis der Allgemeinheit für ihr Handeln. Sie müssen die Welt der Wissenschaft, die Welt der Literatur, ihre eigenen Frauen und Familien in verständnisvolle Beziehung mit sich selbst bringen; sie müssen ein Gesellschaftsleben hervorbringen, das die Fortsetzung ihrer Arbeit sichert und in Harmonie mit ihrer Arbeit steht. Sie müssen eine Literatur, ein Erziehungswesen schaffen, das ihren erwachenden schöpferischen Geist zu Worte kommen läßt, ihn fortsetzend weiterleiten kann. Sie müssen diesen Geist aus ihren Laboratorien, ihren Fabriken, ihren Büros, ihren Landhäusern hinaustragen in alle Werkstätten der Menschheit.

Ich weiß nicht, ob sie das zu tun imstande sind, ich weiß nur: wenn sie nicht dazu imstande sind, so bricht für die Menschheit eine Periode fürchterlichen Unglücks und vielleicht das vernichtende Ende an. Die alte Ordnung in den Formen, in denen sie bestand, kann niemals wieder ihre frühere Stabilität erreichen, niemals wieder Vertrauen erwecken; sie ist zersprungen wie ein überspielter Tennisschläger, sie hat ihre moralische Herrschaft über die Gemüter der Menschen verloren, selbst wenn sie jetzt noch die Macht hat, ihre Angelegenheiten zu beeinflussen. Aber die neue Weltordnung kann sich unter den übelsten Bedingungen durchsetzen. Die wirtschaftliche Revolution hat viele andere Revolutionen in ihrem Gefolge, kann jeder anderen Revolution zu Hilfe kommen. Sie schafft eine neue Lebensführung, neue Gepflogenheiten, neue Beziehungen zwischen den Geschlechtern, eine künstlerische und literarische Renaissance, neue Methoden der Veröffentlichung und eine Wandlung der Erziehung. Und nur Leute von unserer Art und unserer Freiheit können das Wissen und die Erfahrung haben, um die Neuorientierung der menschlichen Ziele und Kräfte zu planen sowie den Mut, die Fähigkeit und die Weltkenntnis, um sie zu vollbringen.


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