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»Keuschheit, Anmut, holde Gaben ...«

Keuschheit, Anmut, holde Gaben
leuchten auf mit sechzehn Jahren;
Unschuldszeichen im Gehaben,
die im Kinde immer waren.

Doch die Augen, Engelsaugen,
wissen ahnungslos, Begehren
in ein Küssen vorzusaugen:
Seltsamkeiten kanns gewähren!

Noch zu klein sind solche Hände,
einen Kolibri zu halten:
doch das Herz fühlt diese Wände,
kann sein Kerkerchen nicht spalten.

Ihrer Klugheit wird sie inne:
und das kräftigt stolz die Seele.
Geistreich, keusch in erster Minne,
gibt sie sehr gerecht Befehle.

Kann, sie freuend, das Konfuse
mitleidlos ihr Lachen reizen,
würde sie als deine Muse
mit Erhörungen nicht geizen.

Bis zur Liebe? Wer kanns wissen!
Wenn ein Dichter, kühn befunden,
unterm Fenster hingerissen,
bettelte? Für Werbestunden

seiner Liebe Gunst verlangte,
ob sie gut, ob schlecht gewesen!
wenn ihm wirklich herzhaft bangte?
Süß erkrankt das arme Wesen!

Theodor Däubler


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