Ludwig Tieck
Die Wundersüchtigen
Ludwig Tieck

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So war nun in allen Verhältnissen der Familie eine große Veränderung eingetreten. Der Sohn kam vor der 230 Niederkunft seiner Frau nicht zur Stadt. Nachher zeigte er sich den Eltern, getröstet, aber nicht froh, und späterhin führte er Agnes, die Bäuerin, bei ihnen ein, mit der er ein eignes kleines Haus in der Vorstadt bezog. Nichts wollte sich fügen und in einander schicken, und Jeder gestand sich, daß, wenn die Sache unabänderlich war, diese Frau, durch welche die Laufbahn des Sohnes gehemmt war, in den Kreis der Familie doch nicht passe. Es war schon die Rede davon, daß er das Gut des Vaters bewirthschaften solle; indessen schien auch dieses bedenklich, da Anton sich niemals um die Landwirthschaft gekümmert hatte. Was den Vater aber mehr, als diese Stellung seines Sohnes kümmerte, war, daß er ein schwärmerischer Anhänger dieses Feliciano geworden, von dessen Seite er kaum mehr wich, und so erlebte er nun, daß Sohn und Schwiegersohn sich diesem Schwindel ergaben, von dem er selbst wieder geheilt schien. Er erstaunte, daß auch sein ruhiger Freund, der Gelehrte, der ihm immer ein Muster in der ruhigen Haltung erschienen war, ebenfalls nach jener Begebenheit sich als einen fanatischen Anhänger des Feliciano erklärte. Auch der alte Obrist neigte zu dieser Schwärmerei hinüber, und nicht bloß im Hause des geheimen Rathes, sondern in den meisten Häusern der Stadt, wurde Feliciano der erste und wunderbarste aller Menschen genannt.

Ein Taumel bemächtigte sich, als es erst bekannt worden war, daß der berühmte Feliciano zugegen sei, der ganzen Stadt. Jedermann wollte ihn kennen lernen, jede Gesellschaft wollte ihn in ihrer Mitte sehn. Er gewann in kurzer Zeit viele Anhänger und Freunde, und die angesehensten Männer, die höchsten vom Adel bewarben sich um seine Gunst. Er erklärte, daß er nur kurze Zeit verweilen könne, weil er in großen und wichtigen Geschäften nach dem 231 Norden gehn müsse, auch erlaubten ihm seine geheimnißvollen Arbeiten nicht, sich zu sehr in der Welt zu verbreiten. Die wichtigsten Männer versammelte er um sich in seiner Loge. Man sprach von den seltsamsten Wundern, die hier in geheimen Zusammenkünften vorgefallen waren. Der Professor, so schien es, hatte seinen jüngsten Knaben ganz dem Wunderthäter überlassen, denn das Kind weissagte oft aus dem Kristall, den Feliciano künstlicher, als es an jenem Abend geschehen war, in seinen Gesellschaften aufstellte. Der Arzt Huber arbeitete indessen mit Sangerheim und Schmaling, Jeder bestrebte sich, von allen diesen geheimen Künsten Zeuge zu seyn, oder durch Freunde wenigstens Etwas von ihnen zu vernehmen, und selbst die Frauen und Mädchen wünschten an diesen Wunderwerken Theil zu nehmen, oder auch in irgend eine mysteriöse Verbindung zu treten. Feliciano hatte sie eigentlich selbst zuerst auf diesen Wunsch geführt, und er stiftete auch bald darauf eine Loge für Damen, die nun auch mit mystischen Abzeichen prangten, sich gegenseitig an Gruß und Handdruck erkannten, und von Fortschritten in Weisheit und Wissenschaft träumten. Auch die Mutter Clara's hatte sich in diesen Orden aufnehmen lassen.

So war die arme Clara von Jedermann verlassen, denn beim Vater, der über alle diese Sachen verstimmt war, konnte sie nur wenig Trost finden. Der Graf Feliciano hatte alle Künste der Ueberredung angewendet, das schöne Mädchen auch zu dem Uebertritt in seinen neugestifteten Orden zu überreden, in welchem seine Gemahlin, die seitdem auch aus dem Inkognito hervor getreten war, den Vorsitz führte. Es gelang ihm aber so wenig, daß im Gegentheil der Widerwille Clara's gegen alle diese Dinge immer mehr gesteigert wurde. Wie kann der Mensch, sagte sie einmal in einer aufgeregten Stimmung zu ihrem Vater, nur so verkehrt seyn, 232 in der Umkehrung des Natürlichen sein Heil zu suchen? Man fühlt sich ja als Mensch nur wohl, wenn Alles in der gewöhnlichen Bahn fortschreitet, wenn das, was sich als nothwendig ankündigt, ganz einfach und schlicht geschieht. Entwickelt sich in diesem Lebensgange eine große That, eine schöne Aufopferung, so freut es uns um so mehr, daß uns das Göttliche aus den Elementen gewebt ist, die uns zunächst umgeben, daß wir fühlen, auch uns könnte in einer geweihten Stunde dasselbe begegnen, oder unsre Seele könnte auch dieselbe Höhe erstreben. Ziehn wir uns doch mit Widerwillen von der Nahrung zurück, die uns zu fremdartig dünkt, deren Zurichtung unserm Gaumen widersteht: aber schlimmer als überreifes Wild, oder der verpestete haut goût der Assa fötida, und der Vogelnester und ähnlicher abscheulicher Dinge ist es, diese Knoblauch-Tinktur von Wunderglauben, tollen Fabeln und aberwitzigen Bestrebungen in seine Seele aufzunehmen.

Der Vater erwiederte: Du bist zu zornig, liebes Kind. Laß die Menschen gewähren, der Krankheitsstoff muß austoben. Alles Sprechen dagegen nutzt nicht, unfruchtbar ist das Moralisiren; der Dämon, der die Menschen besitzt und treibt, wird endlich seines Spieles selbst müde. Deine kühne Vergleichung paßt auch nicht ganz; man könnte eben so gut die entgegengesetzten Bilder brauchen. Wen versucht nicht der reife, köstliche Pfirsich? die duftende Ananas? die lockende, rothe Kirsche, vorzüglich in der Jugend? Und was wäre unser Leben, wenn Alles so plan verständlich wäre? Alle Tage unausgesetzt die nahrhafte Hausmannskost des redlichen Treibens, der guten Gedanken? Aus Natur und Kunst, aus Liebe und Scherz, aus Religion und Gemüth winkt uns ein Geheimniß an, dem wir näher kommen möchten: es zieht uns nach durch Gefild und Wald. Jetzt glauben wir es zu 233 erblicken, dann ist es wieder entschwunden. Von dieser Sehnsucht, die ohne Gegenstand scheint, werden die besten Kräfte unsrer Seele getränkt, und wenn sie erlöschen könnte, würden wir in uns selbst verschmachten. Alle schönen Triebe der Freundschaft, des Wohlwollens, der Menschenliebe, aller Enthusiasmus für das Gute und Schöne quillt ebenfalls aus dieser geheimnißvollen Gegend unsrer Seele.

Mag es seyn, antwortete die Tochter, aber ich sehe und erlebe es doch, daß, wenn diese Sucht, oder der Trieb auch innigst mit dem Schönen eins ist, sie doch auf ihrem fortgesetzten Wege sich in das gespenstig Aberwitzige verwandeln können. Der Mensch muß ja doch mit festem Charakter und unbezwinglichem Willen in der Mitte stehen bleiben, daß Glauben sich nicht in Aberglauben, Sinn in Thorheit, Tugend nicht in Laster verwandle. Ist jene Sehnsucht überirdischer Natur, so ist dieser einfache starke Wille wohl auch göttlicher Abkunft, der wie ein unüberwindlicher Riese den Schatz der Vernunft und des Guten bewachen soll, welcher dem Menschen von Gott ist anvertraut worden. Mir dünkt, gegen tausend wunderliche Dinge, die auf uns eindringen, gegen unzählige Gelüste, die uns überreden möchten, giebt es keine andre Waffe, als daß ich sage und immer wieder sage: es soll nicht seyn! Lasse ich dieses Schwert im Schlummer einmal fallen, so kann ich gar nicht mehr wissen, wohin mich alle jene Sophistereien führen könnten.

Diese starre Vernunft, sagte der Vater, reicht aber auch nicht aus: sie kann Tugend seyn, widersteht aber eben so oft der Liebe als dem Unrecht, läßt auch die Wahrheit, indem sich die Liebe abkämpft, nicht auf sich eindringen.

Wahrheit! das große Wort! rief sie aus, das eben so wohl Alles wie Nichts bedeutet. Wer hat es nicht schon gemißbraucht? Je demüthiger wir uns dem unterwerfen, 234 was das Leben von uns verlangt, je sanfter und stiller wir dem folgen, was uns zu unserm Heil offenbart ist, je weniger wir grübeln und klügeln, und die Anmaßung von uns fern halten, über dem Begreifen zu stehen, es zu meistern und nach Gutdünken zu handhaben, um so mehr wir dem Vorwitz Einhalt thun, da nicht hinschauen zu wollen, wo sich in der Leere unserm irdischen Blick nur Gespenster erschaffen, um so mehr, glaube ich, bleiben wir der Wahrheit getreu.

Wohl mein Kind, sagte der Rath: denn wie ich schon sonst behauptete, wenn das Böse auch ein Nichts ist, so erwecken wir es doch wohl und theilen ihm unsre Kräfte mit, indem wir es glauben und uns dem Nichtigen ergeben. Hat es erst von uns diese Stärke empfangen, so wird es wohl oft so gewaltig, daß es uns und jeden Widerstand besiegt, der nicht die göttliche Wahrheit selbst zu Hülfe ruft. In diesem Bilde kann man sich die Erscheinung der bösen Geister denken, die der Magier aufruft. – Und so möchte man freilich glauben, Wahrheit sei in allen Dingen zu finden, sie liege auch dem Irrthum zum Grunde, nur hüte sich der Mensch, einer Regung, einer Aufwallung, oder einem Gedanken unbedingt und zu dreist zu folgen, denn rechts und links liegt die Unwahrheit und Täuschung, und er wandelt nur recht auf einer schmalen Linie.

Wenn es so ist, erwiederte Clara, so ist es eben das Sicherste, dem Alltäglichen getreu zu bleiben, was vielen beflügelten Geistern als das Gemeine erscheint. Will sich der Mensch erheben, wird er, wie der fliegende Schmetterling, von Schwalben und Sperlingen weggehascht, und bleibt er unten am Boden, so wohnt er beim Gewürm, aber nährt sich auch vom Thau, der in den Rosen und Lilien glänzt. –

Nicht nur die Familie des Rathes war in Verwirrung 235 gerathen, sondern man konnte dies von der ganzen Stadt behaupten. Dem alten Seebach war es aber verdrüßlich, daß von den Vernünftigen, die sich nicht hinreißen ließen, Alles was geschah, mit ihm und seinem Sohn, so wie mit jener Entdeckung Sangerheims in Verbindung gebracht wurde. Es ließ sich nicht leugnen, daß jener Vorfall, der viel Aufsehn erregt hatte, zu allen spätern Wunderlichkeiten gleichsam das Signal gegeben hatte. Die sonderbare Verheirathung des Sohnes, die Schwärmerei Schmalings, die Operationen des Grafen so wie Sangerheims, die weibliche Loge, in die sich seine Gattin sehr gegen seinen Willen hatte aufnehmen lassen, die Seltsamkeiten, die sowohl der Arzt Huber, wie der Professor Ferner, vernehmen ließen, die Ausschweifungen mancher Reichen, die sich ganz der Hoffnung ergaben, die Kunst des Goldmachens zu entdecken, und in dieser Aussicht ihr Vermögen verschwendeten, Geister-Erscheinungen, durch welche man in mächtigen Familien dieses und jenes hatte durchsetzen wollen, alles Dies, vergrößert, mit Erfindungen ausgeschmückt, Alles wurde hauptsächlich auf Rechnung des alten erfahrnen Seebach geschrieben, um so mehr, weil man wußte, daß er auf eine Zeitlang sich diesen seltsamen Künsten ergeben hatte. Es half ihm Nichts, daß er sich wieder zurückgezogen hatte, daß er den Umgang Sangerheims und noch mehr des Grafen vermied, die meisten Menschen, auch seine Collegen und selbst seine Freunde hielten ihn für den Stifter aller dieser Irrungen. So bedrängte ihn, außer den häuslichen Kränkungen, noch das Gefühl, daß er so vielen wackern und einflußreichen Leuten für einen zweideutigen und gefährlichen Mann galt. Vieles von diesem geheimnißvollen Umtreiben kam auch vor das Ohr des Fürsten, der, da die Sache laut und weltkundig wurde, ein großes Mißfallen bezeigte, und dem Rathe, der sich gar nicht mehr mit 236 diesen Dingen befassen mochte, andeuten ließ, sich zu mäßigen. Am schlimmsten aber waren dem gekränkten Seebach die Maurer von der alten Ordnung aufsässig, die in Allem nur die Absicht sahen, daß sie gestürzt werden sollten, – welches die mystischen Logen auch laut genug aussprachen, – und nun empört den Rath als einen abtrünnigen Bruder behandelten, der aus weit ausgreifenden Absichten sich diesen Rebellen verbunden habe, um als das Haupt dieser geheimnißvollen Gesellschaft Verderbliches zu wirken.

Meine Tochter hat Recht, sagte der Rath zu sich selber, wie hart werde ich für meine Neugier oder Wißbegier gestraft, die Anfangs so löblich oder unschuldig aussah. Hielt ich mich doch für so kühl und weise, um allen Versuchungen Widerstand leisten zu können. Aber ein Glied reiht sich an das andre, und unvermerkt ist die Kette fertig.

Es schien aber, als wenn zwei Wunderthäter für Eine Stadt, wenn sie auch groß war, zu viel seien. Der Graf hatte sogleich abreisen wollen, verlängerte aber seinen Aufenthalt von einem Tag zum andern. Sein Wirkungskreis schien sich auszubreiten, so wie der Sangerheims abnahm, da viele von dessen Jüngern zum größern Meister abfielen. Darum führte Sangerheim den Vorsatz aus, zu welchem er schon seit einiger Zeit Alles vorbereitet hatte, sich nach einer andern reichen und angesehenen Stadt zu begeben, wo er, da sein Ruf ihm schon vorangegangen war, gleich mit dem größten Glanze auftrat, die ältern Maurer beschimpfte, ihnen ihre Lehrlinge entzog, und Zeichen und Wunder aller Art verrichtete. Der Geheimrath erlebte die neue Kränkung, daß Schmaling, unter dem Vorwande einer Krankheit, von seinem Minister einen unbestimmten Urlaub nahm, und dem Abentheurer nach jener Stadt hin folgte, um in seiner Nähe und nach seiner Anweisung seine geheimnißvollen Arbeiten 237 fortzusetzen. Schmalings Abschied von Clara war kalt, und sie war so erzürnt, daß nur Wenig fehlte, so hätten Beide ihre Trennung für immer ausgesprochen. Aber da Beide sich noch mäßigten, so blieb es bei unbestimmten Ausdrücken, die Jeder nach Gefallen deuten konnte.

Seinen Sohn sah der Rath nur selten, weil er ganz dem Grafen und dessen Befehlen und Operationen lebte. Die Gattin war in der weiblichen Loge sehr thätig, und jetzt mit der niedrig gebornen Frau ihres Sohnes ganz ausgesöhnt, weil auch diese, die allen Glanz ihrer Jugend wieder erhalten hatte, vom Grafen zur Bundesschwester war geweiht worden. Huber war ebenfalls dem Adepten Sangerheim nachgereiset, um in seiner Kunst vollkommener zu werden.

Clara war im Schmerz außer sich, als der Vater nach einiger Zeit von Schmaling einen sonderbaren Brief erhielt, den er der Tochter mittheilen mußte. Der künftige Schwiegersohn schrieb nehmlich Folgendes:

Im Begriff, einen sehr wichtigen und entscheidenden Schritt in meinem Leben zu thun, halte ich es für meine Pflicht, Sie, Verehrter, und meine geliebte Clara in Kenntniß zu setzen, was ich zu thun gesonnen bin, was ich nicht unterlassen kann und darf. Daß mein Gemüth sich seit lange dem Reiche der Geheimnisse zugewendet hat, wissen Sie schon, daß mein Herz nur Ruhe finden kann, wenn diese Sehnsucht gestillt wird, werden Sie begreifen. Aber wie kann, wie soll es geschehn? Ich habe manche Grade erhalten, ich bin Zeuge von vielen Wundern gewesen, seltne Kenntnisse sind mir geworden, große, heilige Schauungen haben meine Seele erst erschüttert, und sind mir dann einheimisch geblieben. Daß ich niemals zu jenen Verächtern unserer Religion gehört habe, die in unsern Tagen den Ton angeben, wissen Sie ebenfalls. Ich habe geforscht, die 238 heiligen Schriften sind mir vertraut und ehrwürdig, aber was die Kirche und ihre Priester mir gaben, konnte meinem brünstigen Geiste nicht genügen. Auch hier hat mir der begeisterte Sangerheim neue Wege gewiesen. Die Tradition, die Wunder der ältern katholischen Kirche, ihre heilige Messe, die himmlischen Legenden, die Gegenwart, die unmittelbare, Christi in der Hostie, die Liebe der Mutter Gottes, die Bilder und die Musik, – warum sollen wir unser reiches Herz allen diesen Gaben verschließen? Warum nicht nehmen, was uns so liebreich geboten wird? Um ganz der Einweihung in die Mysterien würdig zu werden, um die Grade empfangen zu können, und die Strahlen des Lichtes, nach denen ich mich sehne, ist es nothwendig, wie mir mein Lehrer sagt, daß ich meinen jetzigen Standpunkt in der Kirche aufgebe, die Ueberzeugung, die mir ja niemals eine war, weil sie mein brennendes Herz so leer ließ, daß ich zur ältern, eigentlichen christlichen Kirche zurückkehre, die mütterlich jedem Verirrten die Arme entgegenbreitet. Ist dieser nothwendige Schritt geschehn, so sind mir alle Geheimnisse des Ordens zugänglich und offen, die Vereinigung mit jenen ehrwürdigen Männern, den unbekannten Obern, ist mir dann möglich, mit jenen erhabnen Geistern, denen die Verwahrung aller Geheimnisse anvertraut ist. Diese nahe Weihe, diese Nothwendigkeit der Veränderung hat der Meister mir nur allein, als seinem Lieblinge, entdeckt, die andern Schüler sind dieser Erklärung noch nicht fähig und würdig. – Von Ihnen, verehrter Mann, bin ich nun keiner Einreden und keiner Mißbilligung gewärtig, da ich weiß, wie billig Sie sind, wie aufgeklärt Sie denken. Es kann bei Ihnen unmöglich in Anschlag kommen, daß ich meine jetzige Stelle und jeden künftigen Staatsdienst aufgeben muß, denn den höheren Pflichten müssen die niedrigern weichen. Es ist ja 239 nichts Weltliches, Ehre oder Reichthum, was ich durch diese Rückkehr in die Mutterkirche erstrebe: sondern das Unsterbliche, die Erleuchtung, das Verständniß selbst. Wie aber wird Clara es aufnehmen, wenn sie meinen Entschluß erfährt? Sie klebt, fürchte ich, allzusehr am Irdischen, um sich in die freiere Region des Geistes erheben zu können. Ich hatte immer gehofft, ihr Sinn würde sich in der Liebe poetischer bilden, daß sie es wenigstens fühlte, wenn auch nicht einsähe, wie arm jenes Leben ist, dem sie sich ergeben hat. Suchen Sie sie zu stimmen, verehrter Vater, daß sie mich nicht mißversteht, Sie, der Sie ja auch der Wissenschaft manches Opfer brachten. Und was ist es denn auch mit dem Weltlichen und Irdischen? Besitze ich nicht eignes Vermögen? Auch Clara ist nicht arm, und braucht sich also niemals von mir ganz abhängig zu empfinden. Und soll einmal dergleichen in Anspruch kommen, so darf ich wohl die Aussicht, daß mir in Zukunft, vielleicht bald, Alles zu Gebote steht, was ich nur wünsche, keine Fata Morgana nennen. Welche Kraft und Gewalt mir anvertraut mag werden, um da zu herrschen, wo unsere Ahndung sonst nur hinstrebt, mag ich nicht weiter andeuten und aussprechen. Ist sie aber mit mir einverstanden, so bin ich der Glücklichste der Menschen. –

Nein, wahrlich nicht! rief Clara im höchsten Unwillen aus, nun und nimmermehr! Welchen Gimpel haben sie schon jetzt aus dem allerliebsten Menschen gemacht, und was muß nicht erst aus ihm werden, wenn sie ihm noch mehr Grade und Geheimnisse aufhalsen! O wahrlich, er wird ihnen in den Strängen geduldiger als ein Maulthier ziehn, und allen frommen Gläubigen zum Exempel und Vorbild dienen. Mich mit ihm verbinden? Vielleicht haben sie noch einen andern geheimen Grad irgendwo im Winkel liegen, und um den zu 240 ergattern, muß er wohl auch noch sein Vermögen dran geben, und dann, um die letzte und beste Niete zu ziehn, Capuziner werden. Nein, ehe er seinen Verstand nicht aus dem Monde wieder herunter geholt hat, mag ich Nichts von ihm wissen. Wie er der jüngern Kirche entsagt hat, um die ältere lieben zu können, so giebt es auch vielleicht hinter dem Vorhang eine ältere mütterliche Braut, die zu ehlichen seine unsterbliche Pflicht ist, denn ich merke, diese Wunderthäter können Alles möglich machen. Ich hörte sonst wohl, die katholische Kirche habe die Freimaurerei in schweren Bann gethan, ich sehe aber wohl, es gibt Ausnahmen für Alles. Sonst wurden viele junge Menschen Maurer, um auf Reisen eine gute Aufnahme und gastfreie Brüder zu finden, eine unschuldige Ursache, sich einweihen zu lassen. Jetzt aber, – wie Kunstreiter auf ihre Geschicklichkeit, Taschenspieler auf ihre schnellen Hände, so reiset dieser Sangerheim auf die Kunst herum, allenthalben die bestehenden Logen zu stürzen. Wenn er denn Geister zitiren kann, so mag er dem armen Schmaling den seinigen wiederschaffen. Vielleicht ist der aber schon in der Loge verbaut, oder als Winkelmaß eingerichtet. Also nach Rom hin sieht denn dieser Orient? Schmaling wird gewiß einmal diese Herren segnen, die ihn jetzt so reich und groß machen, wenn er erst sein ganzes Elend kennt, und ihm sein verarmtes Herz zerbricht.

Sie überließ sich der Trostlosigkeit und weinte heftig. Der Vater wußte ihr Nichts zu sagen, er beschwor sie, nur nicht in der ersten Entrüstung den Brief zu beantworten. Er selbst schrieb an Schmaling, um ihn mit allen Gründen, die er aufführen konnte, von dem Schritte abzuhalten, den er zu thun im Begriff war.



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