Ludwig Tieck
Wunderlichkeiten
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Frau Mühlen ging mit ihrer Tochter fröhlich nach Hause. Das neu erworbene Bild hatte sie in einen Rausch des Entzückens versetzt. Sogleich verfügte sie sich nach dem 236 größten Zimmer ihrer beschränkten Wohnung, wo Gemälde an Gemälde hing und viele noch mit und ohne Rahmen am Boden gegen die Wand gelehnt standen. In dieses Heiligthum, welches, wegen Mangel an Raum, zugleich das Schlafgemach der Mutter war, durfte niemals ein Fremder treten; ja selbst die jüngere Tochter Lucie wurde nur ungern zugelassen. Darum verschloß die Mutter auch hinter sich das Zimmer und sie und die ältere Tochter Friederike suchten jetzt einen schicklichen Platz für das Kunstwerk aus. Es war schwer, zwischen den dicht gedrängten Schildereien einen Raum zu ermitteln, und es ward nur möglich, indem man einen kleinen Correggio an der gegenüberstehenden Wand mühsam einfugte. Wie habe ich mich, fing die Mutter bei ihrer Beschäftigung an, seit Jahren darnach gesehnt, einmal einen Johann van Eyck zu besitzen, und nun gelingt es mir, unvermuthet einen so kostbaren für eine Kleinigkeit zu erwerben. Putzen muß ich aber das Kleinod bei Gelegenheit ein wenig, damit die Schönheit der Farben wieder herausleuchte. Hätte ich der armen unwissenden Frau für ihren Schatz nur mehr anbieten können! Ich habe ihr wenigstens meine ganze Baarschaft gegeben und es lieber unterlassen, auf dem Trödelmarkt nachzusehen, wo auch schon seit lange nichts Bedeutendes anzutreffen war. Was thut es, daß wir uns wieder etwas einschränken müssen? Man lebt ja doch fort und die Zeit vergeht.

Ich finde mich wohl, sagte Friederike, aber Lucie, die so ganz weltlich denkt, ist mit diesen Anstalten immer unzufrieden. Und, liebe Mutter, auch ich möchte klagen; darf ich denn meinem Eduard nichts von unsrer Gemäldegallerie sagen? Er könnte uns auch vielleicht helfen; er will sich ja selber der Malerei ganz widmen.

Still, mein Kind! rief die Mutter: von unserem 237 Geheimniß muß für jetzt noch kein Mensch etwas erfahren. Man wäre ja im Stande, mir meine kleine Pension zu nehmen, von der wir doch einzig leben. Es könnte geschehen, daß man von Staats wegen meine Bildersammlung confiscirte und einzöge. Kein Mensch würde begreifen, wie ich arme alte Frau zu diesem Schatz, der eine Million werth ist, gekommen, und Keiner würde glauben, wie mühsam und wie wunderbar ich alle diese Meisterwerke des Veronese, van Dyk, Titian, Correggio, Domenichino und alle diese Landschaften und Alterthümer errungen habe. Doch sieh nur, unser neue van Eyck schlägt den sonst schönen Carracci, der neben ihm hängt, völlig todt; wir werden auch diesem lieben Annibal eine andere Stelle schaffen müssen. O über dieses Bild! Ueber diese neue Eroberung! Ich bin nur begierig, in welchem Stadtviertel ich nun nächstens wieder neue Entdeckungen machen werde.

Man verschloß das Zimmer, und im kleineren kam ihnen Lucie triumphirend entgegen, indem sie einen Brief in die Höhe hielt. Vom Bruder! vom Bruder! rief sie freudig: so werden wir wohl erfahren, daß es ihm wohl geht, daß er seine Stelle angetreten hat.

So hätte ich denn, sagte die Mutter, heute zwei große Freuden erlebt. Der junge Mühlen war nehmlich nach Brüssel gereiset, um dort in einer reichen protestantischen Familie Hauslehrer bei zwei ziemlich erwachsenen Söhnen und einer kleinen Tochter zu seyn. Die Bedingungen waren glänzend und der Sohn, Martin, hatte die ziemlich weite Reise in der Hoffnung gemacht, seine Familie von dort unterstützen zu können und durch die Protection des reichen Bankiers wohl auch seinen Weg im Leben zu machen.

Die ältere Tochter hatte jetzt den Brief erbrochen und 238 las ihn den beiden sehr gespannten Zuhörerinnen laut und deutlich vor:

»Geliebte Mutter,

Leider sind meine Hoffnungen, indem ich hier anlangte, auf keine Weise erfüllt worden.« –

Das Blatt entsank der Leserin und die Mutter wurde blaß vor Schreck. Lies nur weiter, rief Lucie; so kann es nicht bleiben, das Bessere kommt vielleicht nach.

Friederike fuhr fort: »Das große Haus war wenige Tage vor meiner Ankunft bankrott geworden, der Hausherr hatte sich entfernen müssen und die Gläubiger waren sehr erboßt, daß man ihnen einen schlechten Vergleich anbot. Sie werden ihn aber doch wohl annehmen, um schnell und gleich nur etwas zu erhalten, da sie bei einem Prozeß wohl lange hingehalten würden. Nun sagte mir ein Pfiffiger, wahrscheinlich würden die Leute nun erst recht reich werden, und wenn auch nicht grade in Brüssel, doch etwa in Antwerpen oder Paris ein noch größeres Haus, als bisher, etabliren. Bei solchen Leuten mag ich aber nicht Hauslehrer seyn, wenn sie mich selbst haben wollten, denn da käme ich mit meiner hausbacknen schlichten Ehrlichkeit nur übel an. Eine Dame, die ich kennen lernte, wollte mich versichern, daß auch ohne Bankerott ich doch in eine miserable Lage würde gerathen seyn, denn der Handelsherr habe keinem Menschen auf Erden noch sein Wort gehalten, und mit den sogenannten Hofmeistern mache man eben gar keine Umstände; hundert oder zweihundert Dukaten würden versprochen, und die jungen Leute müßten froh seyn, wenn sie nachher nur funfzig oder vierzig richtig und baar erhielten. Mit meinem Flachskopf, fuhr dieselbe Dame dann fort, mit meiner etwas kindischen, fast jungfräulichen Physiognomie, mit meinem linkischen Benehmen könnte ich nun den Leuten vollends gar nicht 239 imponiren, und so hätten mir Söhne und Tochter, die Lakaien und Handlungsdiener abgerechnet, doch nur auf der Nase gespielt. Das war nun Alles ein schlechter Trost. Dabei wurde ich auch etwas empfindlich über die große, starke Madame, die mir alles das so ungenirt hinsagte, als wenn ich mich noch darüber zu freuen hätte. So war denn meine Existenz eine recht kummervolle hier, und ich wußte nicht, wovon ich den Wirth in dem vornehmen Gasthofe bezahlen sollte, da mein Vorschuß völlig auf der Reise war verzehrt worden.«

Der arme Martin! sagte die Mutter seufzend.

Friederike las: »Im ersten Stock hier wohnt ein Graf von Liançon, ein feiner Mann, der deutsch und französisch ganz ausbündig spricht, sehr reich und vornehm ist und alle Tage mit seiner prächtigen Equipage über Land fährt, oder in der Stadt Visiten macht. Den wollte neulich ein junger Freund abholen, der kam aber nicht, und so geht der ansehnliche charmante Graf über den Vorplatz, ganz verdrüßlich, indem ich dastehe und vor Langerweile und Verdruß an den Nägeln kaue. Wollen Sie mit mir ausfahren, junger Mensch? schreit er mich laut an, aber doch freundlich; ich fahre nicht gern allein! Ich ließ es mir nicht zweimal sagen, und sprang gleich die Treppe hinunter, ihm nach, so daß ich sogar meinen Hut vergaß, worüber er lachte, mich aber doch so in seine Kutsche steigen ließ. Als wir im Freien waren, fragte er mich nach meinen Umständen, und so hatte ich denn Gelegenheit, einem so gütigen Herrn mein ganzes Herz auszuschütten. Er schien mit meinem Bericht zufrieden, sah mir ein paar Mal scharf in die Augen, und so nahm er mich gleich als Secretair in seinen Dienst, und giebt mir noch mehr, als mir der großmäulige Bankrottier angeboten hatte.

So bin ich denn versorgt und angestellt, und ich hoffe, 240 Ihnen, geliebte Mutter, bald etwas senden zu können, denn der Graf ist ein sehr freigebiger Herr. Er achtet Silber und selbst Gold nicht sonderlich, spielt oft und immer hoch, und ist ebenso vergnügt, wenn er verloren, als wenn er gewonnen hat. Mir hat er auch schon einen schönen Ring mit einem ziemlich großen Diamanten oder Brillanten geschenkt. Auch gegen seine Domestiken ist er sehr generös. Man muß ihn lieben. Dabei ist er fast immer lustig. Ich habe wenig zu thun, ich möchte sagen, gar nichts. Er meint aber, es würde sich in Zukunft schon Arbeit für mich finden.

Das ist aber noch nicht Alles, liebe Mutter. Sie wissen es ja, welche Sehnsucht ich von Jugend auf hatte, weite Reisen zu thun und fremde Länder zu sehen. Dazu war bisher keine Aussicht für mich. Aber mein Graf hat auch eine Passion für das Reisen, und da haben wir uns schon einen Abend vor die Landkarten hingesetzt, und bald England, bald Italien, dann wieder Spanien und Portugal vorgenommen, um die Zeit und die Wege zu berechnen und Alles einzutheilen, zu bedenken, wo wir uns am längsten aufhalten könnten, wo wir am meisten lernen, oder uns am vorzüglichsten ergötzen würden. Sehen Sie, Verehrte, so ist ohne mein Zuthun mein Lieblingstraum zur Wirklichkeit geworden und mein kühnster Wunsch in Erfüllung gegangen.

O beste Mutter! hier in den Landen giebt es auch allenthalben schöne Bilder, wo sehr viele Ihrer Sammlung gut anstehen würden. Aber sie sind so theuer, daß nur die vornehmsten Menschen sie erwerben können. Wie denn überhaupt hier viel Geld seyn muß, weil man immerdar davon reden hört.

Es ist also möglich, daß, wenn wir unsere Reise antreten, wir bald in Ihre große, mächtige Stadt gerathen. 241 Ich hoffe, Sie und meine Schwestern dann gesund und wohl zu finden.

Ich lese viel unter Anleitung meines Grafen. Er meint, ich müsse Italienisch und Spanisch lernen, mein weniges Englische cultiviren, um in der Welt eine größere Rolle spielen zu können. Mir schwindelt oft vor den mannigfaltigen Projekten. Eine sonderbare Liebhaberei hat mein vornehmer Freund und Beschützer. Eins seiner Lieblingsbücher ist der bekannte Gil Blas, von Lesage. Den habe ich ihm in den Abendstunden vorlesen müssen. Er meint, in diesem lustigen Buch sei eigentlich die wahre Weltweisheit, oder die Weisheit der Welt, um durch diese zu kommen, sein Glück zu machen und niemals betrogen zu werden, enthalten. Für mich studire ich den Guzman Alfarache, den ich nach Lesage's Bearbeitung schon mit dem spanischen Original vergleiche. Ich hoffe bald von dem curiosen Buche mehr zu verstehen. Der Lazarillo de Tormes ist auch lustig genug, sowie der Estevanillo Gonzalez. Die Spanier haben einen Ueberfluß an diesen schnurrigen Romanen, wo Alles immer auf Prellerei, Betrug, Diebstahl, Lüge und künstliche Bettelei hinausläuft. So steht auch die Picara Justina vor mir, die ich ganz im Spanischen lesen soll, und wirklich hat der Graf, indem ich an diesem Briefe schreibe, schon einen Lehrmeister angenommen, der mich in dieser schweren Sprache unterrichten soll. Der wundert sich auch über meine kleine Bibliothek. Er meint, man müsse mit Cervantes Novelas exemplares anfangen; davon will aber der Graf nichts wissen. Nach dem Gil Blas habe ich ihm in den Abendstunden den Count Fathom von Smollet vorlesen müssen. So lerne ich dabei von ihm die richtige englische Aussprache, denn er redet alle europäischen Sprachen in der größten Vollkommenheit. Unser Lesen dauert oft lange bis nach Mitternacht, und dann 242 schläft der Graf wohl bis zehn Uhr in den Morgen hinein. Noch ein Buch soll ich ihm nachher Englisch vorlesen, das Leben einer Moll Flanders. Das scheint sehr moralisch; es ist die Geschichte einer Diebin, die nur durch glücklichen Zufall der Hinrichtung entging und sich besserte. Viele Menschen verachten diese Erzählung ganz und gar, aber mein Graf hält sie sehr hoch, und behauptet, sie sei in ihrer Art ebenso gut, wie der bekannte und beliebte Robinson Crusoe, und der Verfasser dieses Romans, ein gewisser De Foe, habe auch diese Erzählung geschrieben.

Der Herr ist auch, wie wir, von der protestantischen Religion; er meint aber, in der katholischen könne man viel leichter sein Glück machen, weil für die jüngern Söhne aus großen Häusern, oder auch, wenn sie Protection fänden, für Bürgerliche, Präbenden, geistliche Stellen und dergleichen im Ueberfluß wären. Er selbst lebt aber wie ein Prinz und bewirthet zuweilen bei sich die vornehmsten Leute von der Stadt. Einmal bin ich auch zugegen gewesen, was mich, wie ihr wol denken könnt, in große Verlegenheit gesetzt hat. Man darf aber nur Dreistigkeit gewinnen, so geht es schon mit allen Menschen, auch den ganz curiosen. Ich habe ja schon wahre Lumpe gekannt, die sich hochmüthiger anstellten wie hier Prinzen und Grafen. Ich glaube immer, mein Herr wird sich bald mit einer der vornehmsten Damen vermählen. Kurz, ich bin glücklich und kann mich oft noch nicht darauf besinnen, wie ich denn dazu gekommen bin. Nächstens ein Mehres, der Himmel erhalte Sie, theure Mutter, so wie meine Schwestern.« – –

Die Freude war übergroß, als man diesen Brief gelesen hatte, und die Mutter sagte: Es ist wie ein Wunder. Sage man, was man immer wolle, man muß an Magie und unbegreifliche Naturkräfte glauben. Man sieht, unser 243 Martin wirkt auf seinen Grafen durch eine starke Sympathie, durch ein Uebergewicht des Geistes oder eine kräftige Verwandtschaft des Gemüthes. Er hat von meiner Natur etwas geerbt, und wie ich von selbst tiefversteckte herrliche Gemälde durch meinen Instinkt entdecke, so erwirbt er sich Freunde und Beschützer. Ich weiß es ja, wie er hier schon alle Welt durch seinen Umgang bezauberte; ich habe ihm nie, wenn er so recht bat, etwas abschlagen können – ihr habt ihm in jedem Streit nachgeben müssen, und ich bin überzeugt, wenn er einmal heirathen will, wird ihm kein Frauenzimmer widerstehen können.

Wir haben ihm wohl nachgeben müssen, warf Lucie, die jüngste Tochter, ein, weil Sie ihm, liebe Mutter, immer beistanden, zuweilen selbst, wie es mir vorkam, auf eine unbillige Weise.

Da bist Du sehr im Irrthum, mein Kind, antwortete die Mutter. Ich war zuweilen eher grausam gegen den lieben Martin.

Lucie sagte: Die Sache mit dem Bruder kommt mir so bedenklich vor, daß ich Alles nur für eine Schnurre halten möchte, die der gute Martin aus seinen Büchern genommen hätte, um uns etwas weißzumachen. Aber er ist so redlich und gut, daß er niemals zum Windbeutel werden kann. Und darum ist es mir auch unbegreiflich, was dieser Graf für ein Geschöpf seyn mag, das einem ordinairen menschlichen kaum mehr ähnlich sieht.

Weil Du nicht an Wunder glauben kannst, erläuterte die Mutter, darum ist Dir auch Alles, was sich nur aus dem Gemeinen erhebt, unbegreiflich. Du hast Dich nun doch von meiner prophetischen Gabe (oder wie soll ich sie nennen) überzeugen können, wie ich bei meiner Armuth einen Schatz höchst kostbarer Bilder zusammengebracht habe; wie ich es 244 fühle, wenn in einer Gasse, dann im Hause und endlich im Zimmer ein Bild seyn muß, das ich brauchen kann. Das hast Du nun seit Jahren fast alle Tage beobachten können, aber das hilft Dir in Deinem Gemüthe nicht weiter, denn Deine Zweifelsucht ist stärker, als Deine Fähigkeit zu glauben.

Ich begreife aber auch diese Ihre Gabe nicht, antwortete Lucie. Die Sache ist wahr und kann nicht geleugnet werden, aber ich möchte sie gern fassen. Und wenn ich schon an dieser einen Wundergabe genug zu tragen habe, so will ich mir nicht noch neue aufpacken lassen, denn mein Rücken ist vielleicht zu schwach für so vielfache Lasten.

Still! rief Friederike, laßt uns jetzt einen andern Discurs anfangen, denn mir däucht, ich höre Eduards Schritte. Der muß von allen diesen Dingen noch nichts erfahren.

Du hast sehr Recht, sagte die Mutter, er ist uns noch zu fremd, wir müssen ihn erst näher kennen lernen, bevor wir ihm vertrauen dürfen. Er ist ein wilder junger Mensch, der noch keinen Charakter hat.

Eduard trat herein, mit freier Brust und fliegenden Haaren. Ei! Herr Winter, rief die Mutter ihm entgegen, wie Sie nun wieder aussehen! Das soll Genie vorstellen, aber es ist doch ganz unschicklich. Wird guter Leute Kind wohl so auf den Straßen herumlaufen? Und dann wollen Sie mir wieder sagen, Sie wären meiner Friederike gut.

Nicht böse, Mütterchen, rief der Jüngling, es ist das letztemal, daß ich mich so zeigen darf, denn von morgen bin ich ein solider Mann, ja, was noch mehr ist, ein angesessener.

Wie soll ich das verstehen? fragte die Mutter.

Ich bin nehmlich von Großvater und Onkel verstoßen und enterbt, der Luft und den Winden preisgegeben, für vogelfrei erklärt, und so ist es denn also ganz natürlich, daß ich mich auf eigne Hand häuslich niederlasse.

245 Sprechen Sie wie ein vernünftiger Mensch, sagte Friederike mit dem Ausdruck des höchsten Unwillens.

Mein Gott! rief Eduard in komischer Entrüstung, ich bin ja nur allzuvernünftig, das ist ja mein Unglück. Ist es etwa nicht Vernunft, Halstuch und dergleichen Ueberflüssigkeiten abzulegen? Verdrüßlich darüber, daß ich wie ein unnützer Mensch leben soll, will ich mir einen Beruf wählen. Studiren kann ich nicht, ich habe kein Vermögen und bin schon zu alt, wenn ich es hätte, auf der Schule und Universität anzufangen. Schreiber werden, wie der Großvater will, widersteht mir. In einem Kaufmannsladen stehen, oder bei einem Gewürzkrämer die Schmierereien abwiegen, wie mein Onkel verlangt, ist mir ekelhaft. Gärtner seyn, oder Landmann, wie ein andrer solider Bekannter wünscht, ist meinem Genius ebenso zuwider. Weil ich nun ein großer Maler werden will, haben sie mir Alle den Kauf aufgesagt, und mich aus dem Hause gestoßen. Als wenn es eine Schande wäre, ein Rafael oder Michel Angelo zu seyn. Mein Farbenkleckser nun, bei dem ich schon seit einiger Zeit lerne, weil er nicht nur ein berühmter, sondern auch ein einsichtsvoller Mann ist, hat gleich meinen Beruf zur Kunst erkannt und mich dem Prinzen Xaver empfohlen. Der Herr, auch ein verständiger Mann, hat ebenfalls meinen Werth eingesehen und ist mir gleich mit einer Versorgung entgegen gekommen.

Versorgung? rief die Mutter; wieder ein Wunder!

Ja, sagte Eduard, der possierliche Mensch, nachdem er mich so obenhin besichtigt hatte, sagte: Sie müssen vor allen Dingen eine Halsbinde tragen und sich die Haare verschneiden lassen; dann ziehen Sie unten in das geräumige Stübchen am Thorwege, lassen Alles aus und ein, wenn geklingelt wird, nehmen Briefe und Packete an. Manchmal löst 246 Sie der Alte ab, der jetzt etwas zu stumpf ist, und so behalten Sie Freistunden genug, um sich im Zeichnen zu üben. Ihr Gehalt reicht für Nahrung und Kleider hin. – Ich bin es eingegangen, und so könnten wir uns, mein Riekchen, heirathen, wir säßen dort zusammen und Du könntest zu Zeiten meine Funktion übernehmen.

Halt, mein junger Herr, sagte die Mutter etwas hochfahrend; Sie werden also beim Prinzen Das, was sie in Wien einen Hausmeister, in Paris einen Portier nennen. Sie sind ein Domestik, und ein solcher kann meine Tochter niemals heirathen.

Das ist nur die erste Staffel zu meinem Malerruhm! rief Eduard unwillig aus: kann ich von meiner Warte nicht alle Gesichter der Aus- und Eingehenden, Vornehm und Gering, studiren? Muß sich nicht Jeder bei mir zuerst anmelden? – Was sagen Sie, Friederike?

Ich denke wie meine Mutter, sagte diese, und der aufgebrachte junge Mensch lief fort, indem er rief: Ich komme als ein Titian, oder gar nicht wieder!



 << zurück weiter >>