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21.

Die gute Frau Wenzel war über den Zustand, in welchem ihr liebes Fräulein Röschen von der Unterredung mit dem Vater zurückgekommen war, nicht wenig erschrocken gewesen. Sie hatte nie daran glauben wollen, was ihr Mann schon seit zwei Wochen tagtäglich wiederholte: »es gehe etwas vor im Hause« aber jetzt war es ihr denn doch, als ob nicht mehr Alles so sei, wie in alter Zeit.

Der treuen Alten liefen die Thränen über die dicken Wangen, als sie ihr Fräulein, ihr Herzblatt, ihr Kind – denn sie hatte Rosen von den ersten Tagen an gepflegt und war – mit Ausnahme des einen Jahres bei Hofe – stets bei ihr gewesen – auf dem Sopha mit einer Decke zudeckte, nachdem sie ein paar vergebliche Versuche gemacht hatte, sie in die Höhe zu richten und ins Bett zu bringen. Die erfahrene Frau sah wohl, daß dies keine eigentliche Ohnmacht, sondern nur ein tiefer Schlaf war, wie ihn übergroße Aufregung und Anstrengung hervorbringt und hatte deshalb nach dieser Seite hin weiter keine Besorgniß; aber desto mehr Sorge verursachten ihr die letzten Worte, die Rose gesprochen. Was war dies für eine Reise? »Ich muß das wissen,« sagte Frau Wenzel und verließ das Zimmer, wo sie im Augenblick entbehrt werden konnte.

Nach kurzer Zeit kehrte sie zurück – wenig befriedigt von dem Resultat ihrer Nachforschung. Ihr Mann, den sie zur Rede stellte, hatte sie grob angelassen: sie solle sich nur um ihre Frauenzimmersachen bekümmern; er wisse, was er zu thun habe; und mit welchen unfreundlichen Worten er denn sonst gewohnt war, ihre Neugierde zurückzuweisen. Frau Wenzel stand schon auf dem Punkte, zum gnädigen Herrn selbst zu gehen; aber es fiel ihr noch zur rechten Zeit ein, daß, was Fräulein Röschen nicht glatt zu machen im Stande gewesen sei, unter ihren Händen wohl auch nicht schlicht werden würde; und so kehrte sie denn unverrichteter Sache und trauriger, als sie gegangen war, zu »ihren Kindern« zurück.

Sollte sie wirklich, wie Fräulein Röschen sie geheißen, die Sachen packen? Frau Wenzel mußte sich, um diese wichtige Frage beantworten zu können, nothwendig in den großen Lehnstuhl setzen, den sie sich in der Kinderstube, wo noch das Feuer brannte, für die kommende Nacht an den Ofen gerückt hatte. Dort sitzend, gerieth Frau Wenzel in eine so tiefe Nachdenklichkeit, daß sie bald von der Außenwelt nichts mehr weder sah noch hörte.

Die Nacht war längst angebrochen, eine dunkle, stürmische Nacht. Der Wetterhahn auf dem Scheunendach Roses Fenster gegenüber kreischte und kreischte immer lauter und schriller wie in toller Angst. Rose hörte es in dem Halbschlaf, aus dem sie schon seit einiger Zeit vergeblich zu erwachen sich bemühte; aber es war ihr, als ob das Kind riefe: Rose, Rose! und dann wieder, als ob der Vater von dem Ende des langen Corridors in dumpfen Tönen rufe: Rose, Rose. Und dann kam der Vater mit einem Licht den Corridor herauf, und wie er näher kam, wurde das Licht immer heller und heller, so daß es zuletzt den Vater bedeckte und den ganzen Raum ausfüllte.

Mit einer verzweifelten Anstrengung taumelte Rose in die Höhe; das Licht, das sie gesehen war da – das ganze Zimmer war davon erfüllt. Aber es kam von draußen – vom Hofe her – Rose stürzte an das Fenster. Großer Gott! der Hof brannte. Ueber die Giebelwand der Scheune, die dem Parke zugekehrt war, schlug eine helle Flamme hoch, hoch empor und die rothen Zungen leckten, von dem Nachtwind getrieben, nach dem Wohnhause herüber.

Der furchtbare Anblick gab Rose, wie durch ein Wunder, all' ihre Fassung zurück. Die Schrecken der Wirklichkeit waren nichts im Vergleich mit dem unnatürlichen Grauen des Traumes. Sie ging in das Nebenzimmer, wo Frau Wenzel noch immer mit dem Gesicht nach dem Ofen im Lehnstuhle schlief, aber bei der leisesten Berührung Roses erwachte. »Nun zeig' einmal, daß Du mich lieb hat, liebe Wenzel. Der Hof brennt; ich will den Vater wecken. Du bleibst bei dem Kinde und verläßt es keinen Augenblick. Ich komme wieder.«

Rose eilte den Corridor hinauf; in dem Zimmer des Vaters war kein Licht; aber auch der Vater war nicht da; die Sachen lagen wie vorhin rings umhergestreut; sein Bett war noch unberührt.

Ein entsetzlicher Gedanke zuckte durch Rose's Gehirn, aber nur wie ein Blitz, der nicht zündet. Das konnte nicht sein.

Sie eilte wie auf geflügelten Sohlen wieder zurück, die Treppe hinab, in den unteren Stock, in die Wohnstube. Als sie die Thür hastig öffnete, sah sie den Vater.

Er saß vornübergebeugt an dem ungeöffneten Flügel, das Haupt in beide Hände gestützt, schlummernd. Neben ihm auf dem Flügel stand ein Licht, dem Verlöschen nahe. Er hörte nicht, daß Rose eintrat; sie mußte, um ihn zu wecken, die Hand auf seine Schulter legen und ihn leise beim Namen rufen.

Der alte Mann richtete das Haupt empor; Rose sah auf seinen Wangen die Spuren frisch geweinter Thränen.

»Was ist's, Röschen?« fragte er ganz in dem alten liebevollen Ton.

Der Schlaf hatte für einen Moment die Gegenwart ausgelöscht, aber die Gegenwart ließ sich ihr Recht nicht rauben. Das Zimmer war viel heller, als es durch das Licht, das Rose in der Hand trug, sein konnte. Der alte Landwirth wußte, ehe er sich nach dem Fenster umgedreht hatte, daß sein Hof brannte.

Da tönte auch schon von der Dorfstraße her das Feuerjo! Feuerjo! und das Horn des Wächters.

Es war, als ob der Anblick des Feuers und der Ruf des Wächters dem alten Manne die Kraft seiner besten Jahre wiedergegeben hätten. »Bleib Du im Hause, Rose,« sagte er, »Du kannst draußen doch nichts helfen. Pack' Deine Sachen zusammen; Silberzeug, Schmuck, und was Du sonst nicht gern verbrennen lassen willst, und dann geh' auf mein Zimmer; hier sind die Schlüssel zum Sekretair; in dem Kasten links – Du weißt ja – liegen meine wichtigen Papiere. Und nun, an's Werk!«

Vergeblich suchte Rose den Vater zurückzuhalten.

»Soll ich denn stehen und ruhig zusehen, wie mir das Haus meiner Väter über dem Kopf wegbrennt?« rief er ungeduldig, während er sich mit einer Schnelligkeit, die Rose erschreckte, den Ueberrock, welchen er stets auf dem Flur abzulegen pflegte, anzog, und die Mütze, die daneben hing, auf das graue Haupt setzte. »Soll ich zu meinen übrigen Ehrentiteln auch vielleicht noch den eines Brandstifters auf mich laden?«

Damit eilte er zur Thür hinaus.

Der alte Wenzel kam ihm aus der Inspectorwohnung entgegen. Der Hornruf des Wächters ertönte bereits aus größerer Entfernung. Schon wurde von draußen an das Thor gepocht, das, als es von Wenzel geöffnet war, einen Schwarm von Leuten einließ, der sich unterdessen gesammelt hatte.

»Guten Abend, Nachbarn,« sagte Herr von Weißenbach, seine Mütze berührend, »ich danke Euch im Voraus für Eure guten Dienste. So, das ist recht; sperrt das Thor auf, und nun alle Mannen eine Kette bis zum Graben, es ist jetzt Wasser genug darin.«

So heischte und waltete der alte Mann, und die Leute thaten, wie ihnen geheißen, mit einer Willigkeit, die deutlich genug die Ehrfurcht bewies, welche ihnen »der gnädige Herr« noch immer einflößte. Keiner wagte seinen Befehlen nicht zu folgen, oder gar denselben zu widersprechen, und selbst als wenige Minuten später die beiden Dorfspritzen auf den Hof rasselten, stellte sich der Spritzenmeister, den das ganze Dorf als einen der reichsten und gröbsten Bauern fürchtete, als wenn sich die Sache von selbst verstände, unter den Befehl des gnädigen Herrn.

Und in der That konnten die Leute das auch getrost. Niemand wäre im Stande gewesen, die nöthigen Anordnungen mit größerer Umsicht zu treffen, als Herr von Weißenbach. Stark und fest, wie ein Jüngling, schritt er hin und her durch die Menge; bald hier, bald dort stehen bleibend, rufend, ermahnend mit einer Stimme, deren heller Klang den brausenden Lärm übertönte.

Aber der vereinigten Wuth des Feuers und Sturmes schien keine Menschenkraft widerstehen zu können. Im Anfang hatte die Flamme über das Dach der brennenden Scheune nach dem Herrenhause zugestrebt, aber schon nach wenigen Minuten sprang der Wind um, und trieb die wirbelnden Funken über die Dächer der übrigen Hofgebäude. Es leckte hier die Flamme auf, und da und dort, verschwindend, wieder erscheinend, erst als rothe Zunge, dann als gelbe Lohe, wie sie plötzlich aus einem Hochofen schlägt; jetzt ein Gebäude überhüpfend, und gleich darauf das Versäumte nachholend; wie ein Raubthier, das in einer Heerde würgt. Bald brannte mit Ausnahme des Herrenhauses der ganze Hof: die Scheunen, die Ställe, das Inspektorhaus; der Sturm warf ganze Feuerballen hoch in die Luft und gegen die großen Parkbäume, die dicht hinter dem Hofe standen und von denen bereits mehrere brannten. Mitten durch den Lärm konnte man das angstvolle Krächzen der Krähen vernehmen; rührender aber war der Anblick der weißen Tauben, die aus dem Schlage entkommen waren und jetzt, zwischen den Rauchwolken hin und herschießend, geblendet, taumelnd, sich zum Theil, als suchten sie den Tod, in die Flammen stürzten.

Der Sturm war so gewaltig und das Feuer griff mit solcher Geschwindigkeit um sich, daß der ganze übrige Hof eine einzige Flamme war, während die Scheune, die den Anfang gemacht hatte, immer nur erst auf dem einen Giebel brannte. Herr von Weißenbach hatte deshalb seine ganze Aufmerksamkeit nach der andern Seite gewandt, um so ruhiger, als unterdessen von den zunächst gelegenen Dörfern mehrere Spritzen gekommen und zwischen der Scheune und dem Dorfe auf der schmalen Dorfgasse aufgefahren waren, so daß, wenn der Wind eine Richtung behielt, nach dieser Seite hin nichts zu befürchten stand. Aber in dem Augenblicke, wo es sich herausgestellt hatte, daß die anderen Gebäude rettungslos verloren, ja wo dieselben zum Theil schon zusammengestürzt waren, sprang der Wind um. Im Nu stand die Scheune, die kaum noch auf dem, dem Herrenhause abgewandten Giebel glimmte, wieder in hellen Flammen, die über das lange Dach fort nach dem Herrenhause zustrebten. Gerieth auch das in Brand, so war das Unglück unabsehbar, denn von dort aus wäre dem Feuer der Weg in die nächsten Höfe und somit in das ganze Dorf nicht länger streitig zu machen gewesen.

Zwischen dem Herrenhause und der brennenden Scheune war ein freier Raum von ungefähr fünfzig Fuß Breite. Auf diesem Punkt concentrierte sich jetzt der Kampf der Menschen gegen das wüthende Element. Eine Spritze, die jetzt eben gekommen war, hatte sich hier aufgestellt, und sandte, im Verein mit den Spritzen auf der Dorfgasse, ihren starken Wasserstrahl unablässig gegen die Giebelwand und über das Dach der Scheune und ebenso über das Dach des Herrenhauses, das hier und da bereits zu glimmen begann. Aber es war, als ob das Feuer dadurch nur neue Nahrung erhielte. Unaufhaltsam weiter fraß die Glut; schon leckten die hellen Flammen über den Giebel gierig hinüber nach dem Herrenhause.

»Der Giebel muß heruntergerissen werden,« rief einer von den Männern, die mit der letzten Spritze gekommen waren und der eine Autorität über die andern Männer zu haben schien.

»Es wird Keiner mehr hinauf wollen,« sagte ein Anderer.

»So werde ich es thun,« sagte der, welcher zuerst gesprochen.

Eine lange Leiter war bald herbeigeschafft. Der Mann stieg hinauf, zwischen seinen Zähnen ein dünnes Seil, an dessen anderem Ende eine starke eiserne Kette befestigt war. Er schlang das Seil um einen der Balken. Die unten zogen auf sein Geheiß an, die Kette schwebte empor und wurde von Jenem mit ihrem großen Haken an dem Balken befestigt. Das Alles war so schnell ausgeführt, daß man kaum Zeit gehabt hatte, an dem andern Ende der Kette die starken Pferde vorzulegen, welche die letzte Spritze gebracht hatten und jetzt noch dampfend auf dem Hof standen. Aber, trotzdem das Feuer bereits Balken um Balken bloslegte und die Verbindung lockerte, konnten die kräftigen Thiere den Widerstand doch nicht bewältigen. Noch ein paar Pferde! und noch ein Paar! Die Pferde krümmten sich unter den Peitschenhieben, durch die man ihre Kraft auf das äußerste antrieb; die Kette krachte; der Balken, an dem sie befestigt, wich aus seinen Fugen; hinter ihm her polterte unter dem Hurrah der Männer ein großer Theil des Giebels. Aber noch stand genug, was Gefahr bringen konnte. Der erste, über alles Erwarten gut ausgefallene Versuch reizte zu einem zweiten. Und es war Gefahr im Verzuge. Brachte man den andern Theil des Giebels noch herunter, so konnten die Spritzen voraussichtlich des Feuers, das dann auf einen bestimmten Krater eingeschränkt war, Herr werden.

Abermals wird die Leiter angelegt; abermals klettert der Mann hinauf, umsprüht von den Flammen, die jetzt, da sie durch den Einsturz eines Theils des Giebels für den Augenblick noch mehr Nahrung bekommen haben, hoch emporschlagen. Dennoch gelingt es ihm an der Stelle, die er ausgesucht, den Haken zu befestigen. Kaum ist dies geschehen, so treiben die unten, als ob ein Wahnsinn sie erfaßt hätte, die Pferde an, unbekümmert um den Mann, der noch hoch oben auf der schwankenden Leiter hängt.

In diesem Augenblicke kommt Herr von Weißenbach, der, an dem andern Ende des Hofes beschäftigt, erst jetzt die Gefahr, in welcher das Herrenhaus steht, erfahren hat, herbei. Seine scharfen alten Augen übersehen mit einem Blick die ganze Situation; vor allem die Gefahr des Mannes auf der Leiter. Er springt in den Raum zwischen Leiter und Pferden unter die krachende Kette, mit der Hand zu dem Manne hinaufdeutend und den Menschen, die wie unsinnig auf die Pferde schlagen, zurufend, daß sie warten müßten, bis sich der Andere gerettet habe. Aber es ist zu spät. Krachend reißen oben die Balken und stürzen in den Hof, mit ihnen in gewaltigem Schwunge die Leiter und der Mann. Die Balken prasseln um Herrn von Weißenbach, der wie durch ein Wunder unverletzt geblieben ist und sich jetzt über den Unglücklichen beugt, den die umstürzende Leiter bis vor seine Füße geschleudert hat. Er kniet nieder und richtet das blutende Haupt in die Höhe, streicht dem Zerschmetterten das Haar von der Stirn. Man eilt herzu und nimmt den Körper aus seinen Armen. Herr von Weißenbach richtet sich wieder auf und sagt: »Es ist der Herr Graf von Lengsfeld; man trage ihn sofort in das Haus und laufe nach dem Doctor!«

Er hat noch eben Kraft gehabt, diese Worte zu sprechen. Dann saust es in seinen Ohren; in schwarze Nacht taucht Alles, was er um sich sieht, und ohnmächtig fällt er denen, die um ihn herstehen, in die Arme.

Rose hatte die Befehle des Vaters mit einer Gelassenheit, über die sie sich selbst wunderte, ausgeführt. Ihre einzige Sorge war, daß der Vater bei seiner Leidenschaftlichkeit zu Schaden kommen könne; aber, was sollte sie thun? Der Vater durfte nicht von dem Kampfe, den man draußen mit den Elementen um sein Eigenthum kämpfte, wegbleiben – das sagte sich Rose selbst.

So blieb ihr denn nichts übrig, als für ihr Theil sich auf das Schlimmste gefaßt zu machen. Mit Hülfe des alten Wenzel und der Magd schaffte sie die schon gepackten Koffer des Vaters nach unten auf den Flur, damit sie von dort ohne Mühe in Sicherheit gebracht werden könnten. Dann ging sie in ihr Zimmer und nahm der Alten das Kind ab, damit jene in ihre Wohnung im Inspektorhaus hinübergehen möchte, um für ihre Habseligkeiten zu sorgen. Davon aber wollte Frau Wenzel durchaus nichts wissen. »Laß brennen, was will,« sagte sie, »hab's in Ihrem Hause erworben, mag's denn mit Ihrem Hause auch verbrennen. Hier ist mein Posten. Wer weiß, was geschieht.«

Rose mußte die Alte gewähren lassen, die in dem Dienst ihres Fräuleins eben so eifrig war, als lässig in ihrem eigenen, und bereits, ehe Rose zurückkam, die Kleider derselben, ihre geringen Schmucksachen und Anderes von Werth zusammengepackt hatte. Rose fand beinahe Alles gethan. Das Kind war, damit kein Aufenthalt irgend einer Art stattfinden könne, aus seinem Bettchen genommen und wurde von der Frau Wenzel im Mantel unter manchem Summen und Eiapopeia im Zimmer hin und hergetragen; Rose trat an das Fenster, das Fortschreiten des Brandes zu beobachten.

Den Platz zwischen dem Hause und der brennenden Scheune erfüllte Tagesklarheit. Es war der Moment, wo man eben die Pferde zum zweiten Male an die Kette legte. Rose wußte anfänglich nicht, was das zu bedeuten hatte, bis sie, die Kette mit den Augen verfolgend, den Mann entdeckte, der auf der hohen Leiter oben an dem brennenden Giebel klebte. Ein Schauer durchrieselte sie. Die Entfernung war zu groß, als daß sie mit Genauigkeit die Züge des Mannes erkennen konnte; aber, was sie davon sah, und besonders die Gestalt, deren Silhouette sich gegen den flammenhellen Hintergrund sehr deutlich abhob, erfüllten ihre Seele mit einer furchtbaren Ahnung. Sie steht mit gefalteten Händen, die Augen starr auf das grausige Schauspiel gerichtet, ohne Kraft, sich zu regen, ja auch nur einen Ton von sich zu geben. Da sieht sie die Leiter überschlagen, sieht, wie er im Schwunge herunterstürzt; – sie stößt einen wilden Schrei aus, eilt, so schnell sie ihre Füße tragen, aus dem Zimmer, über den Corridor, die Treppe hinab. Als sie die unterste Stufe erreicht, trägt man eben zwei leblose Körper in den Flur, die man, um sich einen Augenblick auszuruhen und weil man nicht weiß, wohin mit ihnen, auf die dort aufgestellten Koffer gleiten läßt. Rose stürzt heran. Ihre Ahnung hat sie nicht betrogen. Es ist der Graf! und – heiliger Gott! – der Vater, todtenbleich, eiskalt, die Augen halb geschlossen – todt.

Rose steht wie vom Blitz getroffen. Dann heißt sie mit ruhiger klangloser Stimme, den Vater und den Grafen in das Zimmer neben dem Wohnzimmer bringen, wo ein sehr langer und breiter Divan wenigstens für den Augenblick ein Lager bietet.



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