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Der Dackel Abschied

Trotz des schrecklichen Zwischenfalles verlief der Geburtstag sehr heiter. Von dem Baumkuchen wurde das Äußere abgeschnitten und Anna, die, wie sie sagte, nicht so zimperlich wäre und sich nicht vor den Dackeln graulte, aß alles auf. So viel Baumkuchen hatte sie noch nie bekommen, und sie war geneigt, den Streich der Dackel als besonders klug anzusehen, während Tante Laura ihn dumm nannte. So sind die Ansichten verschieden.

Tante Laura wurde viel geneckt mit ihren drei Hunden, und sie sagte dann jedesmal: »Morgen kommen die Dackel aus dem Hause.«

Was man so oft sagt, muß man halten.

Am nächsten Morgen tat Tante Laura das Weggeben der kleinen Schelme leid, sie hätte sie gern behalten, aber der Onkel rief: »Potzhundert, gesagt ist gesagt! Ich hab's den Grafen schon wissen lassen, daß er die Dackel bekommt.« Das war ein bißchen voreilig von dem Onkel gewesen. Tante Laura hätte beinahe gescholten. Aber am Tage nach seinem Geburtstag darf man nicht gleich üble Laune haben, sie sagte darum: »Meinetwegen.« – – Ahnten die Dackel, was ihnen bevorstand?

Der Mops hatte es erlauscht und ihnen mitgeteilt. Der dicke Herr war ganz trübe gestimmt. Es ging ihm wie der Tante. Nun, als die Dackel weg sollten, merkte er erst, wie niedlich sie waren, und der Abschied tat ihm bitter leid. Er versprach sogar seinen Besuch, obgleich er gar nicht wußte, wie er in das fremde Haus kommen sollte.

Aber der Mops war nicht so schüchtern. Er würde sich schon zu helfen wissen. Er weinte sogar ein bißchen über den Abschied, und die Dackel waren ganz gerührt über so viel Freundschaft. Freilich, als sie ihm das Frühstück wegnehmen wollten, weil sie dachten, er hätte vor Kummer keinen Hunger, da schimpfte er ganz fürchterlich, denn beim Fressen hört die Freundschaft oft auf.

Endlich war es so weit, daß die Dackel weggebracht werden sollten. Christine kam mit Jan und Malve, die sie bis an das gräfliche Haus begleiten wollten.

Die Kinder waren ganz traurig, daß die Tierchen aus dem Hause sollten, und als das Tante Laura sah, fing sie plötzlich an wie eine Dachrinne zu tropfen.

»Potzhundert, Laura, warum weinst du denn?« fragte der Onkel.

Tante Laura ärgerte sich über die Frage, die sie überflüssig fand; es brauchte nicht jeder zu sehen, daß sie weinte. Die Dackel hatten es aber doch gesehen, und ein großes Mitleid mit der Tante erfaßte sie. Sie fingen an zu heulen, als sollten sie aufgespießt werden, und Tante Laura sagte rasch: »Sie wollen nicht fort, sie wollen hier bleiben.«

Schwapp – waren die beiden stille, sie hatten nämlich das Wort verstanden und hatten gar keine Lust zum Dableiben.

Onkel Potzhundert sagte auch, das ginge nicht. Christine aber versprach der Tante andere Dackel, welche, die schon erzogen wären.

Da Onkel Potzhundert fürchtete, die Tante würde etwas über seine Erziehungsversuche sagen, was ihm peinlich gewesen wäre, drängte er zum Aufbruch. Die Dackel bekamen noch schöne blaue Schleifen umgebunden, und dann ging es hinaus. Anna weinte wie ein Schloßhund, und Tante Laura begleitete alle. Die Dackel waren sehr brav, und sie wären gewiß auch weiter brav gewesen, wenn nicht Minni auf der Treppe gesessen hätte.

Minni saß da wie eine Prinzessin. Sie sah sehr von oben herab auf die Hunde. Bello erblickte sie zuerst, er knurrte. Dadurch wurden die Dackel aufmerksam, und kaum sahen sie ihre kleine Feindin, da rissen sie schon so an der Leine, daß sie diese Christine aus der Hand rissen, und nun ging es auf Minni los.

Vorher hatte die Haustüre offen gestanden und Minni dachte: sie steht noch offen. Aber als sie hinkam, war diese geschlossen. Minni kletterte in ihrer Angst an der Haustüre empor, und die Dackel verbellten sie wild.

»Die arme Minni«, jammerte Tante Laura.

Sie lief herzu, Christine rannte, um die Dackel zu fangen; aber die benutzten einen Augenblick, als ein Mann vom Hofe hereinkam, und entwitschten auf den Hof. Dort tobten die beiden Unnützlinge wie die wilde Jagd herum. Christine und die Kinder versuchten sie zu fangen, selbst Onkel Potzhundert tat so, als wollte er helfen. Es war aber ein vergebliches Bemühen. Die Kinder fielen auf die Nase und Onkel Potzhundert wäre auch gefallen, wenn Christine ihn nicht gehalten hätte.

Tante Laura sah es, und Tante Laura rief mit aller Strenge: »Potzhundert, falle nicht um, solche Jagd ist nichts für dich!«

Man muß aber so etwas nicht sagen, wenn man selbst nicht fest auf den Beinen steht. Auf einmal – pardauz – da lag Tante Laura.

Und wie war das gekommen?

Die Dackel hatten gedacht: Tante Lauras Beine sind wie ein Tor, wir rennen durch. Gedacht, getan. Als sie aber durchrannten, bückte sich die Tante, um die Dackel zu fangen; sie bückte sich aber zu tief, und – pardauz, da lag sie eben.

Es gab ein großes Geschrei, gar nicht, als ob man in einem Mietshause wäre, und Tante Laura sollte wieder aufgerichtet werden. Christine befühlte ängstlich sämtliche Arme und Beine und Onkel Potzhundert legte seine Arme wie einen Schraubstock um die Tante und fragte: »Tut's weh?«

»Potzhundert, bist du verrückt? Wenn du mich so drückst, tut es natürlich weh. Ich habe nichts gebrochen.« Und Tante Laura wollte aufstehen. Ehe sie aber in die Höhe kam, tat sich die Türe im Erdgeschoß auf und sämtliche Herren, die dort arbeiteten, kamen heraus und riefen zornig: »Der Lärm ist nicht zum Aushalten!«

»Jemine, und Fräulein Minkerling, warum sitzen Sie denn auf der Erde?« fragte der kleine, dicke Herr Stepphuhn, der älteste der Schar.

»Weil ich hingefallen bin – wegen der schrecklichen Dackel.«

»Ja, die sind wirklich schrecklich, die müssen Haue haben.«

»Ach nein, so schlimm sind sie nicht«, wehrte Tante Laura ab.

.

»Na, ich danke, der Lärm immer.«

»Das ist nur heute, sie werden nämlich fortgebracht!«

Kaum hatte Tante Laura das gesagt, als die Herren in laute Freudenrufe ausbrachen.

Die Dackel, die das draußen hörten, schossen in aller Eile in den Flur, denn sie dachten, sie müßten bellen. Sie bellten auch – und wie!

Minni erschrak. Sie hatte gedacht: jetzt sind sie draußen, jetzt kannst du auf das Fenster flüchten. Unterwegs aber traf sie die Dackel, und es entspann sich ein wilder Kampf. Alle eilten herzu, am schlimmsten aber war Tante Laura, die eben in die Höhe gekommen war. Sie ergriff rasch Minni und barg sie auf ihrem Arm. Minni schmiegte sich ganz ängstlich an sie und die Tante streichelte sie zärtlich. »Kleine Minni«, sagte sie zärtlich.

Das hörten der Mops und die Dackel, und sie wurden eifersüchtig. Sie umdrängten die Tante, daß sie sich beinahe wieder auf die Erde gesetzt hätte. Christine und die Kinder befreiten sie, und Herr Stepphuhn brummte: »Hört der Lärm nicht bald auf? Wir müssen noch viel arbeiten.«

»Ja, jetzt gehen wir!« rief Christine, die die beiden Schelme gefaßt hatte.

»Es wird Zeit«, murrte der unfreundliche Herr.

»Setzt Minni auf das Fenster, damit nichts geschieht!« rief Tante Laura den Kindern zu.

Die sahen, wie Tante Laura das Kätzchen sorgsam behütete, und es fiel ihnen ein, daß Minni eigentlich ihr gehörte; sie sagten plötzlich: »Wollen Sie Minni wieder haben, sie ist so niedlich.«

Tante Laura wollte schon »ja« rufen, da sah sie Tränen in Malves Augen, und sie dachte: wie gut doch die Kinder sind. Ach, sie wollte auch gut sein, und sie antwortete rasch: »Nein, aber besuchen soll sie mich manchmal, und ihr mit, wollt ihr?«

Die Kinder wollten gern. Sie sagten das auch, und Herr Stepphuhn wunderte sich, wie nett Tante Laura mit den Hausgenossen war, das war sie doch früher nicht gewesen. Tante Laura nahm nun Abschied von den Dackeln, bei dem die beiden lebhaft bellten, so daß Tante Laura dachte: sie sind wirklich zu laut für mich. Dann aber sah sie doch lange wehmütig den beiden Schelmen nach, wie die auf der sonnenbeschienenen Straße entlang rannten. Einer neuen Heimat, neuen Abenteuern entgegen.

Auf einmal leckte etwas Tante Lauras Hand, Bello war es, und Minni schaute sehnsüchtig zu ihr hin. Ach ja, sie hatte doch noch zwei gute Freunde, sie war reich.

* * *


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