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Stine Steffens Hochzeitstag.

Drei Tage schon blieben die Fischer fort.
Ein stummer Jammer kriecht in den Ecken,
Lugt aus den Fenstern und duckt sich dort
Hinter den alten Ginsterhecken.
Die Weiber schleppen die Holzschuhe schwer:
»Det se wech sünd, det is nu drei Däg all her.

Dei Willem, dei Korl, dei Franz un Johann –«
»Un dei Peiter!« kreischt Stine Steffens Stimme,
»Un ick säuk em!« jammert sie auf und dann
Stürzt sie zum Strande in rasendem Grimme.
Wie sie rennt! Und ihr schwangerer Leib ist so schwer,
Und sie murmelt keuchend: »Drei Däg is't all her!«

Zu heute, zum Sonntag, war Trauung bestellt,
Nun gilt es, den Säumigen herzuholen;
So stürzt sie dahin übers steinige Feld,
Als wären die Steine glühende Kohlen.
Ihre Schürze preßt sie und drückt sie zusammen,
Als zerdrückte sie spritzende, gierige Flammen.

Und der Sturm zerfetzt ihr das gelbe Haar,
Sie fühlt's nicht, sie wischt es sich nicht aus den Augen,
Ihre Blicke, ein kreisendes Geierpaar,
Sich in die Fernen, die taumelnden, saugen.
Die Holzschuh verliert sie, sie hält nicht ein
Und zuckt bei keinem spitzen Stein.

Ihr Tuch springt vom Nacken, der Sturm hat's gepackt,
Ihre flatternden Röcke knattern wie Segel.
Und es krallen sich ein, wie sie jagt, im Takt
Ihre krampfig grabenden Fingernägel.
Jetzt über die Mole! Da brüllt die See
Und zischt und gärt wie schaumiger Schnee.

Sie schreit wie ein Tier: »Min Peiter, min Lew,
Hüt is uns' Hochtid! – Du hest mi't versproken,
Det dei Pfarrer uns hüt tosämgew,
Min Peiter, wi möt'n hüt Hochtid moken!
Kumm, Peiter!« Es stürzt sich der Ruf in die Wellen,
Wie hungerheisere Wölfe bellen.

»Min Peiter! Min Peiter!! wirst du man bi mi!«
Das Weib sank zum Sande in zerrenden Wehen.
»Uns' Kind kümmt! Herrgott, nu stah mi man bi!«
Sie wand sich im Tang mit Betteln und Flehen.
»Uns' Kind! Uns' Kind kümmt!« Sie murmelt's her,
Und schollernd stöhnt und dröhnt das Meer.

Ein kurz Gekreisch noch, und nun windet sichs hin,
Sie faßt es an und hat es genommen:
»Een Mäken! Peiter, een Mäken süll't sin!
Een Mäken! Nu mußt du aber ok kommen!«
Sie reißt sich den Rock und wickelt es ein,
Springt auf und stiert in die See hinein.

Die Brandung bringt Leichen – 's sind ihrer zwei –
Wie Kletten sind die Finger verschlungen.
Sie kommen, die Toten, schon ist sie dabei,
Sie ist hinein in den Gischt gesprungen,
Ihr Peter ist's und sein Bruder Johann,
Und keiner vom anderen lassen kann.

Da reißt sie – sie ächzt mit heiserem Ton –
Ihren Peter los und schleppt ihn zum Strande:
»Een Mäken! een Mäken!! nu kumm man schon!«
Und sie schleift den Toten dahin im Sande;
Mit der einen Hand; mit der andern fest
Hält sie das wimmernde Kind umpreßt.

»Min Peiter, nu rasch man!« – Hinschleift der Zug,
Seine triefenden Stiefel pflügen im Tange –
»Wi kommen tau Hochtid nich frih genug,
Wi bliewen jo väl, jo väl taulange!« –
So schleppt sie über Tang und Stein
Das Kind und den Mann ins Dorf hinein.


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