Johann Gottfried Schnabel
Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier
Johann Gottfried Schnabel

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Allein, die Verfolgungen und Verbitterungen gegen den von Elbenstein nahmen von Seiten des Geheimen Rats und dessen Familie vollends überhand, als er kurze Zeit darauf in Gegenwart der Oberhofmeisterin von K.*, des Geheimen Rats und Oberamtmanns zu K., G.* und des Hofrats und Kammerjunkers von W.* sich mit der holdseligen Fräulein von L.* ordentlicherweise verlobte.

Es suchte zwar das Fräulein von G.*, ihn auf allerhand Art und Weise zu detournieren und auf ihre Seite zu bringen. Da sie aber ihren Zweck nicht erreichen konnte, legte sie sich aufs Lamentieren und beklagte sich aufs beweglichste in einem ihm zugeschickten Brief, welchen er aber bloß mit folgenden poetischen Zeilen beantwortete:

1.
        Was willst du mich doch mit Verfolgung pressen:
Was klagest du mein Herz als untreu an?
Halt ein damit! Mir solches beizumessen,
Ich hab es nicht, mein Schicksal hats getan.
Wollt ich gleich dein Getreuer sein,
So saget selbiges doch immer dazu: Nein!
2.
Ich bin ein Schiff das keinen Leitstern sieht,
Mich treibet nur das wankelhafte Glück,
Wohin sein Wink und Wille mich nun zieht,
Da muß ich hin, bald vor, bald auch zurück.
Es saget mir: In Lieb und Meer
Kommt man zum Port durch Wellen hin und her.
3.
Versuch es denn, desselben Schluß zu zwingen,
Verändre du die Maße, Zeit und Ziel,
Es soll mein Herz von lauter Treue singen,
Ich tue was dein Wille haben will.
Der soll alsdann sein der Magnet,
Nach welchem sich mein Liebesschiffchen dreht.
4.
Laß dirs nur nicht wie einst dem Xerxes gehen,
Der Wellen schlug, zu seinem Untergang,
Das Schicksal will sich ungebunden sehen,
Kein Zwang verbannt es auf die Ruderbank.
Wer schließet es in Kett' und Fesseln ein?
Der muß was mehr als nur ein Mensche sein.

Hiermit hatte das arme Fräulein ihren Bescheid, und weil sie aus allen Umständen merkte, daß es doch nur eine vergebliche, für sie aber selbst sehr nachteilige Sache wäre, wenn sie sich um Elbensteins Herz noch fernerweitige Mühe gäbe, so entschlug sie sich endlich dieser Gedanken und beschloß, mit Geduld die Zeit abzuwarten, bis ihr der Himmel einen anderen, beständigeren Liebhaber zuführte. Elbenstein hingegen, so zärtlich und aufrichtig er bisher seine Liebste, das Fräulein von L.*, karessiert, auch Dero reiner und vollkommener Gegenliebe versichert war, um soviel strafbarer war diejenige Mißhandlung, zu der er sich durch folgende Begebenheit, teils von Unkeuschheit, teils Ambition, teils Interesse angetrieben, verleiten ließ. Es kam nämlich im folgenden Jahr, zu Ende des Mai-Monats, die verwitwete Gräfin N. N.* nach D. wo sie vierzehn Tage verblieb. Elbenstein bekam die Aufwartung bei ihr; ob sie nun gleich schon eine Dame von ungefähr vierzig Jahren war, so sah sie sich doch noch nicht von denjenigen Regungen befreit, so sonst nur die jungen und blutreichen Personen anzufallen und zu bekämpfen pflegen. Daher geschah es, daß, sobald sie nur Elbenstein anblickte, gleich den Schluß faßte, ihn vor allen anderen zur Befriedigung ihrer lüsternen Begierden anzureizen. Wie nun Elbenstein die Propretée im weißen Zeuge ungemein ästimierte und nach damaliger Mode ein Hemd, um den Halsbund und Schlitz mit den kostbarsten venezianischen Spitzen besetzt, wie auch Manschetten und Hals von eben dergleichen Sorten, diesen Tag anhatte, so geschah es, daß, da der Gräfin Fräulein und die anderen Anwesenden, nachdem die Gräfin gefrühstückt, sich aus dem Zimmer begeben, sie auf Elbenstein zuging und erst den Schloßgarten, den man aus ihrem Zimmer übersehen konnte, wegen seiner Schönheit lobte, nochmals auf die Frage kam, wie lange er bei diesem Hofe in Diensten stünde und was dergleichen Fragen mehr waren, die er alle in geziemender Bescheidenheit kurz beantwortete; nach welchem sie mit einer sonderbaren Freundlichkeit zu ihm im Reden fortfuhr:

»Monsieur, Er erlaube mir, die artigen und sauberen Spitzen, so Er trägt, etwas näher zu betrachten«, mit welchen Worten sie erst die Manschetten, Halstuch und endlich die an der Brust und um den Halsbund stehenden Spitzen begriff, ihn ganz feurig verliebt ansah und die Unterkehle und Wangen etlichemal ganz sanft drückte; für welche unverhofften Karessen er der Gräfin Hand etlichemal aufs zärtlichste küßte.

Hierauf sagte sie:

»Mein Kind! Ich will hoffen, daß ich an Ihm einen diskreten und verschwiegenen Kavalier werde gefunden haben, Er wird mir demnach aufrichtig bekennen und die unverfälschte Wahrheit sagen, ob Er sich entschließen kann, meine Person zu lieben und meine zu Ihm tragende Liebe und Affektion mit gleicher Gegenliebe zu vergelten?«

Elbenstein, den wohl ehemals eine schwarzbraune Bäuerin zu charmieren fähig gewesen, bedachte sich nicht lange, ihr solches zu versprechen, denn sie, der Jahre ungeachtet, eine solche angenehme und wohlgewachsene Person und von einem recht liebenswürdigen Gesicht war; absonderlich hatte sie ein paar charmante, muntere Augen und eine unvergleichliche Brust, daß sie mancher Dame von vierundzwanzig Jahren an reizendem und adrettem Wesen den Vorzug streitigmachen konnte. Seiner gewöhnlichen Kühnheit und Freimütigkeit gemäß, welche er doch jedesmal mit einer annehmenden und liebkosenden Art zu umhüllen pflegte, umfaßte er seiner neuen Göttin Schenkel und küßte solche auf eine liebreizende Art zum öfteren, über welche Liebkosungen die in der verliebten Gräfin Gesicht aufsteigende Röte sattsam und klar bezeigte, daß ihr Geblüt in eine starke Aufwallung müßte geraten sein, und das darauf erfolgende inbrünstige Küssen, welches Elbensteins Lippen empfanden, diente ihm zur evidenten Versicherung, daß seine freie Aufführung ihr höchst angenehm falle.

Der künftige Abend ward zu einer ferneren verliebten Unterhaltung von beiden Teilen beliebt, worauf Elbenstein sich aus dem Gemach begab und die Gräfin, nachdem sie sich vollends ankleiden lassen, ließ sich von ihm zu der Fürstin von D.* führen, da denn unterwegs das verliebte Händedrücken, sehnliche Anblicken und heimliche Seufzer, als der Liebe gewöhnlich und in der ganzen Welt eingeführte, auch den barbarischen Nationen wohlbekannte Sprache, nicht unterlassen, sondern damit bis an der Fürstin Vorgemach fortgefahren ward.

Nach der Abendtafel, als sich jede fürstliche und hohe Standesperson in ihr Zimmer retiriert hatte, drückte ihm die Gräfin, daß es niemand gewahr ward, unter währendem Führen eine Schreibtafel in die Hand, weil sich nicht schicken wollte, ohne ihren Leuten Verdacht zu geben, sich mit ihm in langen Diskurs einzulassen, daher Elbenstein, sobald er sie in ihr Gemach gebracht und nachdem er mit einer tiefen Reverenz angefragt, ob Ihro hochgräfliche Gnaden noch etwas gnädig zu befehlen hätten, wünschte sie ihm eine gute Nacht, worauf er sich retirierte, an einem geheimen Orte die Schreibtafel durchsah und folgende Worte darin eingezeichnet fand:

Mein Wertester, ich finde es nicht für ratsam, diese Nacht zu unserem Vergnügen zu erwählen, sondern bis auf eine bequemere Zeit damit anzustehen, damit man sich den praejudizierlichen Urteilen curieuser und scharfsichtiger Augen nicht exponiert. Morgen früh, beim Frühstück, ein mehreres. Er ruhe besser als ich.

Elbenstein fand es ebenfalls gefährlich, auf dem Schloß, welches ordinairement um zehn Uhr gesperrt ward, sich finden zu lassen, deswegen ging er bald in sein Quartier und zu Bett, damit er desto früher aufstehen könnte, wie er frühmorgens halb acht Uhr schon in der Gräfin Vorgemach war und den Pagen und Lakaien Befehl erteilte, das Frühstück in Zeiten zu holen.

Nach Verfließung einer halben Viertelstunde kam die Gräfin aus ihrem Gemach und sagte ihm, daß sobald er ihre Fräuleins und Kammerjungfern würde ins Wohngemach kommen sehen, er in ihr Schlafzimmer kommen sollte, zu welchem Ende sie die außen auf die Galerie gehende Tür aufgeschlossen hätte.

Als nun die Fräuleins im Vorgemach erschienen, ging Elbenstein, unter dem Vorwand zu sehen, wo die Pagen und Lakaien solange blieben, heraus auf die Galerie und von da in das bedeutete Schlafzimmer.

Die Zeit war zu preziös, sich mit bloßen Küssen zu amüsieren, daher passierte hier bald ein mehreres, und weil der verliebten Gräfin Kleidung ihn in seiner Liebesentreprise vielmehr bequem als verhinderlich war, so geschah auch die Attacke auf Seiten seiner mit einem solchen Vigeur und Lebhaftigkeit, daß diese verliebte Aktion sowohl auf Seiten des siegenden, als besiegten Teils mit Zufriedenheit geendigt wurde.

Auf solche Art löschten sie alle Morgen ihre Liebesflammen, und je geheimer und verstohlener diese Näscherei geschah, je süßer und anmutiger sie ihnen deuchte.

Zwei Tage vor der Gräfin Abreise kam ihr Leibkutscher zu Elbenstein auf das Schloß, als er um die gewöhnliche Zeit zur Aufwartung ging, und forschte, ob es ihm nicht gefällig wäre, nachdem er seine gnädige Gräfin zur fürstlichen Herrschaft gebracht, sich in den Schloßgarten zu bemühen, indem er ihm von Ihro hochgräflichen Gnaden etwas insgeheim einzuhändigen hätte.

Elbenstein versprach ihm, sich um zehn Uhr unfehlbar daselbst einzufinden, mit dem Beifügen, daß, weil man nicht wissen könnte, was etwa Verhinderliches dazwischenfallen könnte, einer auf den anderen warten sollte. Hierauf begab er sich in der Gräfin Vorgemach, und sobald er das Frauenzimmer von derselben zurückkommen sah, ging er auf die Galerie heraus, von da er sich gewöhnlichermaßen ins Schlafgemach verfügte und seine angenehme Gräfin auf die verliebteste Art wieder bediente.

Als er nun selbige nachher zu der Fürstin geführt hatte, eilte er nach dem Schloßgarten, und der Gräfin Leibkutscher, welcher ihn aus der Hofstube vorbeigehen sehen, eilte ihm auf dem Fuße nach. Sie gingen miteinander auf das so gemachte Judizierhaus, daselbst übergab er Elbenstein ein Paket von fünfzig Dukaten nebst einem Brief, worin sie ihm ihr Begehren eröffnete, wie er nämlich einen flüchtigen Reitklepper kaufen und alle Abend, wenn er von Hofe gekommen, sich nach ihrem drei Stunden von D. gelegenen Schlosse begeben und in des Überbringers Hause absteigen sollte, von da durch einen sicheren und verborgenen Weg zu ihr gelangen würde.

Als Elbenstein den Brief gelesen hatte, sagte der alte Kuppler: »Gnädiger Herr! Ich weiß den ganzen Inhalt des Briefes, und weil Sie sich unfehlbar einen guten und schnellen Klepper anschaffen wollen, so habe ich gestern vor dem Tor in einem Gasthof einen Rittmeister namens M.* angetroffen, welcher zwei treffliche siebenbürgische Pferde verkaufen will, mit demselben könnten Sie vielleicht einen guten, vorteilhaften Handel treffen.«

Elbenstein ließ sich diesen Vorschlag gefallen und ging sogleich aus dem Schloßgarten, rief seinen Diener, welcher bei den fürstlichen Bedienten in der Hofstube zu speisen pflegte, zu sich, befahl ihm ein Kompliment an den Rittmeister und dabei zu vernehmen, ob er sich selbigen Mittags in seinem Quartier wollte einheimisch finden lassen, so wollte er ihm auf eine halbe Stunde zusprechen und ihm, weil er vernommen, daß der Herr Rittmeister einige von seinen Pferden verkaufen wollte, eines gegen bare Bezahlung abhandeln.

Kurz darauf ließ ihn der Rittmeister wieder wissen, daß er des Herrn von Elbenstein angenehmen Zuspruch nachmittags um drei Uhr erwarten, ihm auch die Wahl unter zwei guten und dauerhaften Pferden lassen und ihm en regard seines gnädigsten Fürsten eines davon um einen räsonablen Preis zukommen lassen wollte.

Kurz zu melden: Elbenstein kaufte eines von diesen Pferden mit Sattel und Zeug, accordierte zugleich mit dem Wirt, den er vorher schon gekannt, daß er das Pferd mit Futter und Wartung wohl versehen sollte, also, daß er selbiges alle Abend um neun Uhr gefüttert und gesattelt finden könnte.

Demnach blieb dieses Pferd außen in der Vorstadt, in welche bis nachts zwölf Uhr man durch das Pförtchen kommen konnte. Als nun den folgenden Tag Elbenstein seine geliebte Gräfin wie bisher bedient hatte, berichtete er ihr unter gehorsamster Dankabstattung, wie er Dero Befehlen schuldigst nachgekommen, bat sich aber dabei aus, ihm gnädigst zu erlauben, daß er in den Flecken, wo sie ihre Residenz hätte, das erstemal bei Tage kommen dürfte, um des Ortes Gelegenheit desto besser abzusehen, welches sie ihm denn auch sogleich bewilligte und mit ihm die Abrede nahm, daß er jedesmal nachts um zwölf Uhr bei ihr sein und bis früh drei Uhr sich mit ihr divertieren sollte.

Elbenstein versprach unter vielen feurigen Küssen, ihren Befehlen und Verlangen aufs allergenaueste nachzuleben. Hierauf schlich er mit aller Behutsamkeit heraus auf die Galerie und von da hinunter in die Küche, von dannen, als er veranstaltet hatte, daß das gewöhnliche Frühstück gleich nachgebracht werden möchte, er sich wieder ins Vorgemach begab und seiner angenehmen Gräfin Herauskunft erwartete, welche kurz darauf die Tür öffnete und ihn hineinzukommen ersuchte, worauf das Essen aufgesetzt ward, und als sie etwas weniges davon genossen, begab sie sich, wie sie täglich Zeit ihres Daseins zu tun pflegte, zur anderen fürstlichen Herrschaft.

Als nun der folgende Tag, welchen sie zur Abreise angesetzt, kaum angebrochen war, eilte Elbenstein zu seiner liebreichen Gräfin, welche sobald sie ihn gehört im Vorgemach herumgehen, im bloßen Schlafrock heimlich zu ihm herauskam und ihm unter vielfältigen Küssen andeutete, daß er auf die Galerie hinausgehen und achthaben sollte, wenn die Tür vorn Schlafgemach aufgehen würde, da er sich denn kühnlich hinein begeben möchte.

Dieses geschah etliche Minuten darauf, und das verliebte Letzen wurde mit solchen Handlungen verbracht, daß es die Venus selbst nicht verliebter hätte entdecken und ausfinden können. Er mußte ihr hierauf versprechen, noch diese kommende Nacht den Anfang seiner Liebesvisiten auf ihrem Schlosse zu machen, wozu sich eine gute Gelegenheit präsentierte. Denn weil die anderen anwesenden fremden fürstlichen Herrschaften, dem Fürsten zu D.* versprechen müssen, nicht eher als nachmittags abzureisen, so mußte die Gräfin sich dieses gleichfalls gefallenlassen und ihren Abschied bis dahin aufschieben; als aber endlich die sämtlichen Fremden solches nachmittags um zwei Uhr taten, befahl der Fürst dem von Elbenstein, die Gräfin bis auf die Grenze, welches ein Dorf, eine Meile Weges von D. gelegen war, zu begleiten, da er denn Gelegenheit hatte, Seine Durchlaucht um gnädige Permission untertänigst zu ersuchen, daß er diese Nacht ausbleiben möchte, weil er dem Herrn von S. A.* als seinem guten Freunde einmal zuzusprechen schon vor etlichen Wochen zugesagt hätte.

Als ihm nun solches erlaubt, befahl er seinem Knecht, daß er ein Billett zu dem Gastwirt vor dem Tore bringen, anbei mündlich sagen solle, er möchte ihm doch den siebenbürgischen Klepper, welchen er, der Wirt, von dem Rittmeister M.* gekauft hätte, mit Sattel und Zeug zuschicken, indem er ihn probieren und morgen zurückschicken wollte.

Der Inhalt des Briefes aber war dieser, daß der Wirt dem Knecht nicht sagen sollte, daß das Pferd Elbenstein zu eigen gehörte, sondern vorzugeben, daß er es für sich erhandelt hätte.

Als nun Elbenstein, dem erteilten gnädigsten Befehle zu untertänigster Folge, die Gräfin bis an den bestimmten Ort begleitet hatte, beurlaubte er sich mit gebührender Reverenz von derselben, nachdem sie aber mit ihrer eigenen Suite fortgefahren, setzte er sich auf den Siebenbürger, dem Knecht aber befahl er, mit den anderen zwei Pferden wieder nach der Stadt zurückzureiten und morgen seiner Zurückkunft zu erwarten.

Er nahm seinen Weg seitwärts nach dem Holz zu, wandte sich aber, sobald ihm nur der Knecht aus dem Gesicht war, auf die nach der Gräfin Schlosse gehende Straße und folgte ihrer Kutsche immer, jedoch ganz von weitem nach, blieb auch im Holz so lange halten, bis er selbige nicht mehr sehen konnte, alsdann ritt er Schritt für Schritt nach dem nächsten vor dem Holz liegenden Dorfe, stieg daselbst in dem Wirtshaus ab und verzog so lange, bis die Sonne untergehen wollte; alsdann eilte er vollends an den Ort, wo sein angenehmer Leitstern befindlich war, und gelangte in der Dämmerung in dem bei dem Schlosse liegenden Flecken an.

Weil er aber nicht wußte, wo der gräfliche Leibkutscher seine Wohnung hatte, so ging er selbst, nachdem er sein Pferd in einen Gasthof eingestellt, heraus auf die Gasse, fragte aber weder den Wirt noch dessen Leute, wo selbiger wohnte, sondern als er etliche Häuser von dem Gasthof hinweg war, erkundigte er sich bei einer ihm begegnenden Magd und gab derselben ein Trinkgeld, daß sie ihn zurechtwiese. Es fügte sich eben, daß der Leitkutscher vom Schlosse kam, welcher ihn denn mit großen Freuden empfing und seine Frau alsobald zur Gräfin schickte, um derselben Elbensteins Ankunft melden zu lassen. Diese kam nach Verlauf einer halben Stunde zurück und brachte in einem Korb etliche Schüsseln mit dem delikatesten Essen, auch eine große Bouteille, die mit dem besten Moselwein angefüllt war, mit sich, berichtete anbei, daß die Gräfin des Herrn Elbenstein Zuspruch diese Nacht um zwölf Uhr erwartete.

Weil es nun ziemlich dunkel zu werden begann und der Mond nur ein wenig schien, so kehrte Elbenstein, ehe er etwas von den Speisen zu sich genommen, zurück nach dem Gasthof, bezahlte daselbst das Pferdefutter und Stallgeld, und unter dem Vorwand, daß er, weil der Mond aufginge, seine Reise weiter fortsetzen wollte, setzte er sich auf und ritt seines Weges.

Der Wirt wurde über diesen kurzen Zuspruch ziemlich verdrießlich, indem er sich schon Hoffnung gemacht, einen Taler oder wenigstens einen Gulden von diesem Passagier zu erobern, da es aber solchergestalt nur etliche Kreuzer waren, schmiß er die Tür hinter ihm mit der größten Ungestümigkeit zu. Elbenstein hingegen verfügte sich zum Leibkutscher, wo er nebst ihm und seiner Frau, die auch nicht häßlich war, die überbrachten Speisen und den Moselwein auf Gesundheit der gnädigen Frau Gräfin vergnügt verzehrte und die bestimmte Zeit erwartete. Wie es nun endlich auf dem Schlosse drei Viertel auf zwölf geschlagen, traten beide, sowohl der Galan als der Kutscher, ihre Nachtreise an, und es führte ihn dieser durch einen Zwinger, worin die Gräfin zu ihrer Lust Hasen und Kaninchen hatte, nach dem sogenannten unteren Turm, durch eine von hohen Rüstern gemachte Allee, dessen Tür er mit einem Kapitalschlüssel von möglichster Stille aufschloß und Elbenstein etliche Stufen hinauf in ein saubermöbliertes Zimmer brachte, welches auf zwei Seiten Türen hatte.

In diesem Zimmer stand ein schönes, auf französische Art gemachtes Bett und nicht weit davon eine kleine Ovaltafel, auf welcher etliche Schalen mit allerhand Konfitüren standen. Auf einem anderen Tischchen zeigten sich zwei Bouteillen, davon die eine mit Alicanten-Wein, die andere mit Limonade angefüllt war.

Der alte Kutscher fragte, was Ihro Gnaden zu trinken beliebten, da denn Elbenstein die Limonade erwählte und etwas von gebrannten Mandeln aß. Mittlerweile hatte die Glocke zwölf geschlagen, deswegen kam bald hernach die Liebesgöttin in einem grünen, mit goldenen Blumen durchwirkten Schlafhabit hineingetreten. Der weite Ausschnitt des Kleides ließ eine wohlproportionierte Brust sehen, die so weiß war wie ein gefallener Schnee.

Der Leibkutscher retirierte sich alsofort durch die andere Tür aus dem Zimmer, worauf denn unter diesen beiden Verliebten eine solche voluptuöse Unterhaltung passierte, daß man Bedenken trägt, selbige zu referieren, um unschuldige Seelen nicht zu ärgern.

Man meldet demnach nur mit wenigem, daß Elbenstein diese Liebesvisiten, sooft es das Wetter und seine herrschaftliche Bedienung (indem er der Reihe nach wöchentlich einen Tag und eine Nacht auf dem Schlosse bleiben mußte) verstatteten, fast täglich kontinuierte und ob er gleich diesen Weg, welcher beinahe zwei Meilen, mehrenteils in weniger als zwei Stunden mit seinem flüchtigen Klepper reiten konnte, zumalen wenn er den nächsten Weg durch den Wald nahm, so erwählte er doch lieber den Hinweg außerhalb des Holzes auf die nahe aneinander liegenden Dörfer zu reiten, als sich in der Finsternis durch den ungeheuren Wald zu wagen und sich ein oder anderen Gefährlichkeiten mutwillig zu exponieren, zumal wenn kein Mondenschein war. Den Rückweg hingegen, weil es alsdann gegen den Tag ging, pflegte er gemeiniglich durch den Wald zu nehmen. Es hatte nun dieses mehr auf Elbensteins als der verliebten Gräfin Seite untugendhafte Beginnen (indem dieser die seiner getreubeständigen und ihn wie ihre eigene Seele liebenden Freiin von L.* geschworene Treue so freventlich und gewissenlos violiert und gebrochen) vom 12. Juni bis 4. August (etliche wenige Tage wegen eingefallenen Regenwetters und seiner Bedienung wegen ausgenommen) gewährt, er wurde aber in Erwägung solcher allzustarken Strapazen dergestalt merode, daß wegen seiner blassen Farbe und Magerkeit das liebe Fräulein von L.* höchst bekümmert ward und zum öfteren Tränen dieserwegen vergoß, indem sie sich einbildete, daß ihren so herzlich geliebten Elbenstein eine gefährliche Krankheit anwandelte; allein, er wußte sich bald mit diesem, bald mit jenem gehabten Kummer zu excusieren und sie zu trösten, daß er vermittels stiller Ruhe und dem Gebrauch bewährter Arzneien bald seine vorige Farbe und Fleisch wiederbekommen wolle. Endlich ließ ihn der über seine Ausschweifungen erzürnte Gott eines Morgens auf seiner frevelhaften und sündlichen Rückreise etwas sehen und hören, indem ihm am bemeldeten 4. August ein entsetzliches Donnerwetter überfiel. Es türmte sich dieses, als er noch lange nicht die Hälfte des Waldes passiert war, unter entsetzlichen Blitzen und heftigen Donnerschlägen, auch einem grausamen Platzregen, dergestalt auf, daß er, ob er gleich nach aller Möglichkeit eilte, dennoch das jenseits des Holzes gelegene Dorf nicht erlangen konnte, sondern durch und durch naß ward, hiernächst ward er in das äußerste Schrecken gesetzt, da immer ein Blitz und grausamer Donnerschlag auf den anderen erfolgte, ja seine Bestürzung und Angst vermehrten sich noch weit größer, da, so oft ein Blitz geschah, sein Pferd mit ihm niederfiel und nachmals mit entsetzlichen, rasenden Kapriolen wieder aufsprang.

Hierbei ist nun leicht zu ermessen, in was für einem elenden Zustand sich Elbenstein damals müsse befunden haben, indem nicht allein der Leib durch den kalten Regen und seines Pferdes Wildheit heftig inkommodiert war, sondern auch sein aufwachendes Gewissen und die greulichen Blitze und Donnerschläge seine Seele und Gemüt mit rechter Höllenangst bestürmten.

Als er nun in solcher Angst und Not fast an das Ende des Waldes gelangt war, auch das nächste Dorf bereits sehen konnte, geschah ein solcher entsetzlicher Schlag in eine etwa fünfzig Schritte vor ihm am Wege stehende große Eiche, daß die Splitter und Äste herumflogen und das von dem schwefeligen Dampf und starken Donnerschlag vollends ganz unbändig gewordene Pferd fast nicht mehr zu halten war, sondern, weil es weder Zaum noch Gebiß mehr fühlen wollte, in größter Rage mit ihm querfeldein lief. In dieser Verwirrung fiel ihm der Hut vom Kopfe, jedoch endlich gelangte er als ein halb Erstorbener in dem Dorf an und dankte dem Himmel, daß das Pferd, als es ins Dorf kam, von seiner Wildheit etwas nachließ und etwas ruhiger wurde.

Er stieg demnach vor dem Wirtshause ganz entkräftet ab, und weil das Gewitter meistens vorbei war, indem sich das erschreckliche Donnern nur noch von weitem hören ließ, gab er einem Bauern ein Trinkgeld, welcher den Weg nach dem Wald zu ging und ihm nach Verlauf einer Stunde seinen Hut wieder zurückbrachte.

Die gutherzigen Leute hingen seine Kleider an den Ofen, und der Priester des Ortes, als er vernahm, daß Elbenstein ein Bedienter seines gnädigsten Landesherrn wäre, schickte ihm weiße Wäsche, Schlafrock und Pantoffel. Als er sich nun in der Oberstube allein befand, fiel er auf seine Knie und dankte Gott unter Vergießung häufiger Bußtränen, daß er ihn, wie er mit seinem bisherigen ruchlosen Leben wohl verdient hätte, nicht nach seiner Gerechtigkeit gestraft und wohl gar aus dem Lande der Lebendigen hinweggerissen. Er tat nochmals ein Gelübde, diese und dergleichen Missetaten fernerhin nicht weiter zu begehen, wie er denn auch, nachdem er nach Hause gekommen war, ein paar Tage darauf zur Beichte und heiligem Abendmahl ging.

Durch diesen Zufall endigte sich auf einmal die strafbare Liebeswallfahrt, und Elbenstein wurde nicht wenig erfreut, da ihm einige Tage hernach der Gräfin Leibkutscher als ein deswegen abgeschickter Expresser die Nachricht erteilte, wie nämlich den Tag seiner letzten Visite sich ein gewisser Graf bei seiner gnädigen Gräfin als ein Freier melden lassen, worauf die Ehestiftung sogleich gemacht worden und das Beilager in vierzehn Tagen vollzogen werden sollte. Im übrigen überbrachte dieser Liebesambassadeur an Elbenstein von der Gräfin einen gnädigen Gruß und zugleich den schriftlichen Abschied, des Inhalts, daß er hinfort seine Messures anders nehmen und sich ihretwegen nicht ferner bemühen möchte.

Er hatte zwar seine Reise- und Liebesbemühungen erst durch den siebenbürgischen Klepper, hernach mit einem stark bordierten Kleide, einer goldenen englischen Uhr, einem kostbaren Ring, ihrem mit Diamanten besetzten Porträt, einem silbernen Degen, vortrefflich schöner Wäsche von holländischer Leinwand und brabantischen Spitzen, sodann auch noch mit einer Goldbörse von zweihundert Dukaten ziemlich vergolten bekommen; doch alles dieses war kein Äquivalent gegen den Schaden, den er sich an seinem Leib und Gewissen zugezogen hatte, indem er seine Gesundheit geschwächt und die seiner getreuen L.* geschworene eheliche Treue so liederlich gebrochen hatte.

Unterdessen, da sich diese Liebesintrige geendigt, machte er Psalter, und unter anderen ist auch folgende Arie, welche er auf seine nächtlichen Liebesvisiten und Buhlschaft eingerichtet, nicht zu vergessen:

1.
        Komm, stille Nacht mit deinem holden Schatten!
Verhülle doch der Sonne Angesicht,
Verweile nicht!
Die Sehnsucht will mein Herze ganz ermatten,
Drum tritt mit dem Flor
Nur bald hervor.
2.
Du nur allein bists der ichs darf vertrauen,
Warum mein Herz so sehnend seufzt und ächzt,
Warum es lechzt?
Bei Tage darf ich meinen Schatz nicht schauen,
Weil die Behutsamkeit
Es hart verbeut.
3.
Läßt meine Glut sich denn nicht anders stillen
Beim Tageslicht, mein englisch Tausendschön,
Recht anzusehn?
So will ich mich in deinen Flor verhüllen
Und löschen unerkannt
Den Liebesbrand.
4.
Vergnüge mich mit deinen braunen Schatten,
Bei dir allein vertreibt man seine Zeit
In Süßigkeit;
Der Venus Zoll ist leichter abzustatten,
Man darf bei dir nichts scheun,
Noch blöde sein.
5.
Bei Nachte wird das feuergleiche Funkeln,
Vom edlen Stein und hellen Diamant
Weit mehr erkannt;
Es küsset sich viel zärtlicher im Dunkeln,
Die Wollust trifft das Ziel
Durch das Gefühl.
6.
Ich bin vergnügt, wenn statt der schönsten Rosen
Nur stets für mich die Nachtviole blüht
Und bin bemüht,
Die Venus stets, auch schlafend zu liebkosen,
So ladet meine Brust,
Sich stets mit Lust.

Jedoch von nun an schlug sich Elbenstein die unordentlichen Liebesgrillen aus den Gedanken und wandte nunmehr alle seine Liebe und Treue einzig und allein dem tugendhaften Fräulein von L.* zu, brachte auch das, was er bisher gegen sie mißgehandelt, durch unverfälschte Karessen wenigstens seinen Gedanken nach alles wieder ein.

Unterdessen, wie sehr sie ihn auch bat, so konnte sie doch von ihm nicht die eigentliche Ursache seines Malheurs erfahren, indem er täglich blasser und magerer wurde, sondern er gab nur dieses vor, daß die derzeitige ungemein große Hitze schuld daran wäre, indem er hierbei nicht den geringsten Appetit zum Essen empfände, auch sehr wenig schlafen könnte; er hoffe aber, sobald die große Hitze vorbei und die Nächte kühler zu werden begännen, seine vollkommene Gesundheit wiederzuerlangen. Mittlerweile rückte der Tag Egidii herbei, welcher die sämtlichen fürstlichen Herrschaften veranlaßte, sich nach M. zu verfügen und die Brunftzeit über sich daselbst zu divertieren. Wie nun Elbenstein nebst der meisten Hofstatt mit dahinzugehen beordert war, so hatte er die beste Gelegenheit, mit seiner herzlich geliebten L.* im vollkommensten Vergnügen zu leben, und diese brachte es bei ihrer Fürstin so weit, daß dieselbe bei ihrem Gemahl für Elbenstein die Oberamtmannsstelle zu BW. auswirkte, sobald man aber wieder in der Residenz angelangt, sollte ihre Vermählung vor sich gehen, damit Elbenstein mit seiner Gemahlin das Amt an selbigem Ort beziehen könnte.

Es ist nicht zu beschreiben, wie höchst vergnügt damals dieses verliebte Paar lebte und sich täglich die angenehmsten Ideen von ihrem künftigen Ehestand und Hauswesen machte. Aber die guten Kinder mußten gar bald erfahren, daß nichts leichter verschwindet, als der Menschen süße Einbildungen und vermeintliche Vergnügen; ja, es traf wohl recht das italienische Sprichwort ein: »Gli diletti humani son un sogno. Die menschliche Ergötzlichkeit ist ein Traum.«

Denn es kam zu Ende des September der Kammerjunker Z.*, welcher sich im Elsaß etliche Wochen auf seinen Gütern aufgehalten, nachts um zwölf Uhr mit einer Extrapost an und brachte die unangenehme Zeitung, daß die französische Armee in voller Bewegung wäre, um noch vor Eintritt des Winters die Festung Philippsburg zu belagern und zu erobern.

Dieses war ein harter Donnerschlag, durch welchen sowohl des Fürsten bisheriger florisanter Zustand als auch Elbensteins süße Hoffnungen, am D. Hofe sein vollkommenes Glück zu machen, auf einmal in starken Verfall kam. Man brach, sobald der Himmel graute, in größter Bestürzung und Konfusion von M. auf, und sobald man zu D. angelangt, wurden nebst dem Silbergeschirr alle Kostbarkeiten eingepackt und in die Schweiz nach Basel geschafft.

Drei Tage hernach wurde Elbenstein nebst verschiedenen anderen Kavalieren und Bedienten der Abschied bis auf bessere Zeiten durch den Baron von C.* erteilt, welches sowohl dem Fürsten als den Abgedankten beinahe Tränen auspreßte. Das schmerzliche Leiden Elbensteins von seinem herzlich geliebten Fräulein von L.* war dergestalt jämmerlich, daß auch die unempfindlichsten Gemüter solches ohne Mitleiden nicht ansehen konnten. Da nun aber täglich Zeitungen einliefen, daß sich die französische Armee der importanten Festung Philippsburg immer mehr näherte, so sah sich Elbenstein endlich genötigt, um der Gefahr und Plünderung zu entgehen, seine Retirade über den Neckar nach Schorrendorf, einer württembergischen Festung zu nehmen, weswegen er sich zu seiner Abreise schickte, zuvor aber, ehe er den Ort verließ, wo seine andere Seele zurückblieb, händigte er derselben folgende Reimzeilen ein:

Ein kummervolles Herz, betränte Augenlider,
Ein zwar verliebt, doch auch recht höchst betrübter Sinn,
Ein Körper, der von Schmerz und Jammer sinkt darnieder,
Fällt jetzt, mein Engelskind, zu deinen Füßen hin.
Mein Schreiben zeigt dir an: Ich soll von hinnen ziehen,
Ach, hartes Donnerwort, das mir das Schicksal spricht,
Es soll dem Ansehn nach mein Glück und Wohl verblühen,
Die Hoffnungsstütze fällt. Ich leb und lebe nicht.
Mein banges Herze schwebt in großen Kummerwellen,
Es soll mein Liebesschiff durchaus zugrunde gehn,
Das Stürmen ist zu stark; bei diesen Unglücksfällen
Kann nur allein die Treu auf festem Fuße stehn.
Mein sonst vergnügter Geist, die freudevollen Augen
Sehn dieses sehnend an, was ich bisher geliebt,
Sie baden sich mit Schmerz in bittrer Tränenlaugen,
Kurz, Auge, Seel und Herz sind bis in Tod betrübt.
Dem blassen Munde will es nun an Worten fehlen,
Ein immerwährend Ach vergräbt sich selbst in sich,
Mein Elend kann ich dir ausführlich nicht erzählen,
Denn alle meine Kraft, ach, die verlasset mich,
Drum schreibt die matte Hand in Ängsten diese Worte:
Zu tausendmal Adieu! Mein Trost, mein ander Ich,
Bin ich dem Leibe nach gleich am entfernten Orte,
So denkt mein Herze doch beständig nur an dich.

Nachdem nun der betrübte und verliebte Elbenstein seine Reise angetreten hatte und zu Pforzheim angelangt war, wurde ihm von guten Leuten geraten, daß, wenn er folgenden Tages den Wald passieren würde, wo sich etliche tausend Bauern zusammengerottet, um den da herumstreifenden französischen Parteien aufzupassen, er den rechten Flügel vorn Mantel zurückschlagen sollte, weil dieses das Wahrzeichen oder Losung, daß man Freund wäre.

Diesem Rat folgte Elbenstein zwar, er war aber kaum dieser Gefahr entgangen, so erblickte er, als er zu Cannstatt über den Neckar zu passieren willens und kaum noch etliche hundert Schritte von der Brücke war, eine gewaltige Menge Soldaten auf derselben. Indem er sich nun nicht getraute, weiterzureiten und sich in Gefahr zu stürzen, nahm er den Weg zur rechten Hand, behielt aber den Neckar beständig im Gesicht.

Als er nun über eine gute Stunde also fortgeritten, traf er einen Bauern an, welchen er sogleich fragte: Ob er ihm nicht berichten könnte, was für Völker in Cannstatt eingerückt wären, worauf der Bauer zur Antwort gab, daß diesen Morgen um vier Uhr zwei Regimenter französischer Dragoner sich daselbst einlogiert hätten und bei den Bürgern auf Diskretion lebten.

Hierauf forschte Elbenstein weiter: Wo er wohl den Neckar am sichersten passieren könnte, da denn der Bauer, weil er ihn vielleicht für einen fürstlichen württembergischen Bedienten hielt, sich erbot, ihn gegen ein Trinkgeld durch den Neckar und weiter auf den nächsten Weg nach Schorrendorf zu bringen. Elbenstein gab ihm sogleich einen Gulden, und der Bauer setzte sich auf das Handpferd, welches Elbensteins Diener führte, brachte ihn nicht allein glücklich durch den Strom, sondern auch auf einen nach Schorrendorf gehenden näheren Weg als die ordinäre Landstraße war, daß er also halb vier Uhr nachmittags in dieser Festung glücklich anlangte, von dort brach er mit dem frühesten wieder auf, fütterte mittags in Schwäbisch-Gmünd und gelangte abends spät in Dinkelsbühl an. Von da setzte er seine Reise weiter fort auf Ansbach, allwo ihm von den beiden Prinzen, den Herrn Markgrafen daselbst, als er einige von Dero Prinzessin Schwester mitgegebene Briefe überantwortete, die zwei Tage, als er daselbst verharrte, viel Gnade und Ehre erzeigt ward.

Hierauf nahm er seinen Weg nach Bayreuth, wo er bei der Frau Markgräfin gleichfalls einige Schreiben überlieferte und auf gnädigsten Befehl des Herrn Markgrafen Hochfürstliche Durchlaucht etliche Tage verblieb, endlich aber über Nürnberg nach C. und ferner auf M. ging, wo er gleichfalls die von seiner gnädigsten Herrschaft anvertrauten Schreiben insinuierte und den anderen Tag auf die in demselben enthaltene Rekommendation von der Herzogin zu ihrem Kammerjunker angenommen ward.


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