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Siebentes Kapitel. Das Zauberwesen und der Hexenprozeß

Das Dogma vom Teufel. – Der Teufels- und Dämonenglaube. – Die zauberischen Praktiken. – Die schwarze Magie. – Die Faustsage. – Das Hexenwesen. – Der Hexensabbat. – Die teufelische Buhlschaft. – Die Bulle Innocenz' VIII. – Der Hexenhammer. – Die »verteufelte« Welt. – Der Hexenprozeß. – Die »Indizien« der Zauberei. – Die Anklage. – Beschaffenheit der Gefängnisse. – Das Verhör und die peinliche Frage. – Das Urteil und die Hinrichtung. – Die »Einäscherungen« in Masse. – Opposition: Spee, Becker, Thomasius. – Der letzte Hexenprozeß im Deutschen Reiche: Anklageschrift und Urteil. – Die Hexe von Glarus, als letzte auf deutschem Boden gerichtlich hingemordete.

 

Weitaus in den meisten Religionssystemen sehen wir eine breite schwarz Spalte zwischen dem Gebiet des guten und dem des bösen Ideals aufgetan. Indem der Menschengeist das Bedürfnis fühlte, die Mächte der Natur und die des eigenen Herzens als über ihm stehende Wesen zu personifizieren, ist es ihm nirgends gelungen, jenen Abgrund auszufüllen. Am meisten allerdings in Hellas, in dessen religiöser Anschauung der Zwiespalt zwischen Geist und Materie überhaupt nicht so schroff zum Bewußtsein kam. Die griechische Mythologie kannte keinen Teufel: Aides, der Gott der Unterwelt, beherrschte gleichermaßen die Asphodeloswiesen Elysions wie die Schlünde des Tartaros. Auch in den israelitischen Glauben ging die Vorstellung eines Satans erst später, erst zur Zeit der Propheten, bestimmter ein, wie denn die Stelle beim Jesaja: »Wir haben mit dem Tode einen Bund und mit der Hölle einen Vertrag gemacht« – ein Hauptanhaltspunkt des christlichen Teufels- und Zauberwesens werden sollte. Das letztere glaubte einen weiteren Stützpunkt gefunden zu haben in der bekannten Stelle der Genesis, wo die Liebschaften der Engel mit den Töchtern der Menschen erwähnt werden, aus welchen das riesige Geschlecht der Nephilim hervorging. Viel entschiedener jedoch als hier und in der Verführung Evas im Paradiese durch die Schlange tritt die Personifikation des Bösen hervor im altindischen, altpersischen und altägyptischen Religionssystem. In der indischen Dreieinigkeit ist den Personen Brahmas (des Schöpfers) und Vishnus (des Erhalters) geradezu als dritte Siva (der Zerstörer) zugesellt mit seinem in Wollust und Grausamkeit schwelgenden Kultus; in der zoroastrischen Lehre tritt dem guten Ormuzd der böse Ahriman gegenüber, im ägyptischen Glauben dem wohltätigen Osiris der schlimme Typhon. Hier erscheint demnach die Kehrseite der Gottheit, das Prinzip der Negation, schon vollständig zur dämonischen Gestalt verfestigt: der Teufel trat als bestimmte Persönlichkeit in den Kreis der religiösen Vorstellungen.

Das Christentum adoptierte ihn. Wie so manches andere, nahm die christliche Mythologie auch die Personifikation des Bösen aus der indischen, persischen und ägyptischen herüber. Bei den Evangelisten erscheint der Teufel schon als rastloser Widersacher des Reiches Gottes, als Gegengott, Aftergott, welcher seine teufelische Tätigkeit würdig damit beginnt, daß er, wie Matthäus und Lukas ausführlich erzählen, den Sohn Gottes zu verführen sucht. Diese Versuchungsgeschichte Christi gab ein weiteres Fundament des mittelalterlichen Teufelsglaubens ab, einer Verirrung der menschlichen Phantasie, die an Tollheit und Gräßlichkeit in der Weltgeschichte nicht ihresgleichen hat.

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Nr. 154.

Dem Mittelalter genügte jedoch der orientalische Satan, wie er im Neuen Testament erscheint, keineswegs: es fügte daher dem Bilde desselben noch allerlei Züge bei, welche teils aus der griechisch-römischen Mythologie, teils aus dem nationalen Heidentum der Völker des Nordens genommen waren. Die christliche Geistlichkeit war von Anfang an darauf ausgegangen, ihrem dreieinigen Gotte dadurch ein höheres Ansehen zu verschaffen, daß sie dem Volke die Gestalten der antiken Götterwelt als teufelische Wesen dar- und vorstellte. In der Bekleidung von mythologischen Gestalten allzeit geschickten Händen fiel es durchaus nicht schwer, die körperlichen Kennzeichen der Faune, Satyrn und Zentauren, rauhe Behaartheit, Hörner, Ziegenfüße und Pferdehufe zur Ausstaffierung des christlichen Teufels zu benützen und also aus dem großen Pan den großen Bock zu machen. Ihrerseits war die Einbildungskraft der Nordländer auch nicht träge, dem neuen Glauben zum Trotz heimatlich-mythologische Vorstellungen mit in das Christentum herüberzuretten. Christliche Theologie und heidnischer Volksglaube arbeiteten sich gegenseitig in die Hände, so daß die alten Götter allenthalben, wenn nicht mehr als solche, so doch als Teufel gefürchtet und demzufolge auch geehrt wurden. Wir haben im ersten Buche bei Darstellung der altgermanischen Religion gesehen, daß diese in der Gestalt des Loki bereits eine Art von Teufel besaß. Der Teufel nun, welcher im Mittelalter und weit später noch unseren Altvorderen so viel zu schaffen machte, hat unzweifelhaft von diesem Loki manchen Zug überkommen. Auch keltische Farbenstriche lassen sich an dem Bilde dessen wahrnehmen, welcher sich dem religiösen Bewußtsein des Mittelalters als Fürst der Finsternis, als Betörer und Verderber der Menschen, als illegitimer Nebenbuhler des legitimen Gottes darstellte. Er ist aber nicht allein der Erbfeind Gottes, er ist auch dessen Affe. Als solchen charakterisiert ihn höchst bedeutsam der keltische Mythus vom zauberkräftigen Merlin, welchen der Satan in Nachahmung Gottes mit einer reinen Jungfrau zeugte. Auf diesem nebenbuhlerischen Nachahmungstriebe Satans beruht das ganze christliche Zauberwesen. Die göttliche Wunderwirkung fand ihre Parodie in der teufelischen Zauberei. Wie Gott seine Getreuen, die Heiligen, mit Wunderkraft ausstattete, so auch der Teufel seine Anhänger, die Zauberer und Hexen; bei jenen war das Wundertum legitim und verdienstlich, bei diesen illegitim und strafbar. Durch Verleihung der Zaubermacht an solche, welche Gott absagten und dem Teufel, als ihrem Herrn, ihre Seele verpfändeten, organisierte der mittelalterlichen Theologie zufolge der Böse inmitten des Gottesstaates seinerseits einen Teufelsstaat. Freilich mußte hier die Frage entstehen, wie denn, da ja die Allmacht die oberste Eigenschaft Gottes, dem Satan ein solches Beginnen ermöglicht sei. Allein die Theologen wußten auch die häklige Frage zu beantworten, indem sie den Widerspruch zwischen der Allmacht Gottes und der Macht des Teufels durch den echttheologischen Begriff von der »Zulassung Gottes« vermittelten. Der Himmel stand über der Hölle, das war ausgemacht; aber in seiner unerforschlichen Weisheit ließ der erstere die letztere gewähren: Gott gab dem Teufel Spielraum, er ließ das Böse zu.

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Nr. 155. Adamiten in ihrem Versammlungslokal »Das Paradies«.

Im Gefolge des Glaubens an den Teufel, in dessen Figur, wir wiederholen es, altorientalische, jüdisch-christliche, antik-heidnische und nordisch-mythologische Begriffe zusammengenommen waren, brach nun der ganze Wust abergläubischer Vorstellungen über die europäische Menschheit herein, welcher auch heute noch lange nicht ausgekehrt ist und der in unserem Vaterlande die wunderlichsten und wahnwitzigsten Meinungen über Kobolde und Unholde, Verzauberungen, Entrückungen, Verwandelungen und Besessensein, sowie die lächerlichsten und ekelhaftesten Praktiken in bezug auf Wahrsagung und Zeichendeuterei, Wettermachen, Schatzgraben, Nestelknüpfen und Schloßschließen, Vernageln, Treffschießen, Festmachen gegen Hieb, Stich und Schuß, Diebstahlsweisen, Alraunen und Galgenmännlein, Liebzauberbilder, Liebgifte, Geisterbeschwören, Geistererlösen usf., jahrhundertelang im Gange erhielt und, wir dürfen es nicht verhehlen, teilweise bis jetzt erhalten hat, wie seinerzeit im dritten Buche dargetan werden soll. Wir sagen hier gerade noch, daß die Reformation den mittelalterlichen Teufelsglauben und allen daran klebenden Unsinn keineswegs antastete, sondern eher nach Kräften stärkte und sanktionierte, was nur eine logisch-notwendige Folge ihrer theologischen Anschauung war.

Was zunächst die Kobolde angeht, deren einige vom Volksglauben geradezu als wohltätige, aber rücksichtsvoll zu behandelnde Hausgeister betrachtet wurden, so sind sie ganz unzweifelhaft eine auch in der christlichen Zeit treulich festgehaltene Überlieferung aus der altgermanischen Götterwelt. Sie stammen in gerader Linie von den Zwergen und Elfen der Asenlehre, mit welchem sie auch die winzige Gestalt gemein haben. Gewöhnlich tragen sie einen kleinen spitzen Hut, woher ihre Namen Hütchen, Hopfenhütel, Eisenhütel kommen. Anderwärts heißen sie Gutgesell, gutes Kind, Katermann, Heinzelmann, Chimmeken, Wolterken. Ihr Lieblingsaufenthalt ist die Umgebung des Herdes, auf welchen ihnen die achtsame Hausfrau regelmäßig kleine Speiseopfer stellt; doch halten sie sich auch in Stall und Scheune auf. Gut behandelt, erweist der Hausgeist sich bei allen häuslichen Geschäften tätig und hilfreich und fesselt das Glück ans Haus; begegnet man ihm aber undankbar, so macht er mittels unaufhörlicher Neckereien und boshafter Schnurren den Bewohnern den Aufenthalt darin unerträglich, oder er selbst zieht aus und nimmt Glück und Gedeihen mit sich. Auch die verschiedenen Wassergeister, der Wassermann (Nix, Neck, Nickel) und die Wasserfrauen (Nixen, Mümmelchen), von deren Liebeswerben um schöne Menschenkinder die deutsche, skandinavische und schottische Balladenpoesie so viel zu erzählen weiß, wie die unheimlichen Waldgeister (Holzleute, Moosleutchen, Schrate, süddeutsch Schrätele), unter welchen die Moosfräulein durch bezaubernd schönen Haarwuchs sich hervortun, sind aus dem vaterländischen Heidentum herübergekommen. Ebenso die Riesen (Dursen, Hünen), ein tölpelhaftes, im Grunde gutmütiges, aber in gereiztem Zustande tückisches und wildes Geschlecht, welches in der mittelalterlichen Volksphantasie und Poesie eine wichtige Rolle spielt. Sehr häufig treten sie als Räuber schöner Mädchen auf, von deren Freiern und Befreiern sie dann besiegt und getötet werden. Sonst findet sich in den Riesensagen mancher schöne Zug: so z. B. die Sage von der Riesentochter, welche einen pflügenden Bauer samt Pferd und Pflug in die Schürze rafft und dem Vater daheim als artiges Spielzeug zeigt, worauf ihr jedoch der Vater befiehlt, alles wieder an seinen Ort zu tun; denn der Ackerbauer sei durchaus kein Spielzeug.

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Nr. 156. Goltzius, Die Liebe.

Die mannigfachen Vorstellungen von Verzauberungen und Verwandelungen in Tiere, Pflanzen und leblose Gegenstände lassen sich ebenfalls ganz gut an die nordische Mythologie anknüpfen. Man denke nur an die Metamorphosen Odins und Lokis. Indessen sind diese Phantasien den Orientalen, Romanen, Kelten, Germanen und Slawen gemein. Sehr oft drehen sich derartige Märchen um den Angelpunkt, daß eine schöne Jungfrau durch einen Zauberer, dessen Bewerbung sie zurückgewiesen, in eine garstige Kröte oder in einen grausigen Drachen verwandelt wird, bis dann der Kuß von keuschem Jünglingsmunde den Zauber wieder löst. Eigentümlich, wie dem slawischen der Vampyrismus, ist dem germanischen Volksglauben die Idee der Entrückung, welcher zufolge gewisse Persönlichkeiten an gewisse heilige Orte, namentlich in Berge, entrückt und dort in Zauberschlaf versenkt werden, aus weichem sie von Zeit zu Zeit wieder erwachen, um den Menschen zu erscheinen. Unter solchen Entrückten finden wir Helden unserer Sage, wie Siegfried und Dietrich von Bern, und Helden unserer Geschichte, wie Karl den Großen, Otto den Großen, und Friedrich Barbarossa. Die bekannte Sage von dem letzteren, wie er im Kyffhäuser schlafe und zu seiner Zeit wieder erwachen werde, um des Deutschen Reiches Herrlichkeit zu erneuern, zeigt doch recht augenscheinlich, mit welcher Pietät unser Volk an seinen stolzesten nationalen Erinnerungen hing und hängt. Bedeutungsvoll fließen mit der Hoffnung auf des Kaisers Wiederkommen uralte mythologische Erinnerungen zusammen. Denn die Hoffnung, beim Wiedererwachen des entrückten Rotbarts werde auf dem Walserfelde die große Weltschlacht geschlagen werden, in welcher nach schrecklichem Kampfe die Guten endlich einen letzten entscheidenden Sieg über die Schlechten davontragen würden, um dann ein neues goldenes Zeitalter über Deutschland heraufzuführen, ist nur eine Umgestaltung der Lehre von der Götterdämmerung und der darauf folgenden Wiederbringung aller Dinge. Die Sage weiß auch von unermeßlichen Schätzen zu melden, welche an den Aufenthaltsorten der Verzauberten und Entrückten aufgehäuft seien, und hat so der pfiffigen Gaunerei und der gläubigen Dummheit bis auf unsere Tage herab Gelegenheit zum Gewinn und Verlust gegeben.

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Nr. 157. Werkstätte eines Goldschmiedes.

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Nr. 158. Eisen, Der geprellte Teufel.

Stehen wir nun hier auf national-heidnischem Boden, so versetzt uns der Wahn der Besessenheit durch den Teufel auf spezifisch-christlichen. Was die Evangelisten Matthäus (8, 28-32), Markus (5, 1-20) und Lukas (8, 26-39) von der Austreibung der Teufel aus Besessenen durch Christus erzählen, schien den Theologen der unwidersprechlichste Erklärungsgrund aller Erscheinungen des periodischen Wahnsinns, der Hysterie, der Hypochondrie, der Epilepsie und des Somnambulismus zu sein. Die Geistlichen bildeten daher kraft des auf sie ausgegossenen heiligen Geistes eine förmliche Exorzisierkunst aus, deren Grundsätze der Doktor und Professor der Theologie J. G. Dorschen noch 1656 in einer sehr gelehrten Abhandlung darlegte. Die erste seiner Thesen lautet: »Die teufelische Besitzung ist eine Handlung des Teufels, durch welche er aus göttlicher Zulassung die Menschen zum Sündigen anreizet und ihre Leiber einnimmt, damit sie des ewigen Lebens verlustig werden mögen.« Einer der namhaftesten Teufelsbanner im 17. Jahrhundert war Nikolaus Blume, lutherischer Pastor zu Dohna; eine der traurigsten Teufelaustreibungshistorien, welche 1725-26 zu Mainz spielte, enthält die »Relation, wie und was gestalten Anna Elisabeth Ulrichin – von dem bösen Feind Oloff genannt – besessen und liberieret worden«, durch den Doktor der Theologie und Dompräbendat J. E. Cornäus nämlich. Eine sehr heitere Schnurre führte unfreiwillig 1680 der protestantische Stadtpfarrer zu Krailsheim, M. Th. Seldt, mit der Agnes Schleicher, einem achtjährigen Mädchen, auf, in dessen Bauch der böse Feind »wie eine Turteltaube rockuzete«. Der wackere Mann bannte und exorzisierte so lange an dem Kinde herum, bis endlich der geängstigte Teufel aus demselben fuhr in Gestalt eines großen Spulwurms. Zu sehr gesuchten Teufelaustreibungskünstlern hatten sich die Jesuiten zu machen gewußt, so daß sie in manchen Gegenden diesen geistlichen Geschäftszweig geradezu monopolisierten. Sie verstanden es vortrefflich, zugleich mit dem Teufel auch den Luther zu vertreiben, d. h. mit ihrer Tätigkeit als Exorzisten die der Rückbekehrer zur alleinseligmachenden Kirche zu verbinden. Ein lehrreiches Beispiel bietet der Verlauf einer Teufelsaustreibung, welche im Jahre 1585 zu Baden-Baden durch die Jesuiten vollzogen ward und zwar an der besessenen Anna Koch, welche »von kindheit an biß auf dise zeit von bösen geistern durch Verfluchung eines alten weibs besessen und ubl gepeiniget worden.«

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Nr. 159. Dürer, Frau im Kampfe mit dem Teufel.

Weiter hebe ich von dem langen Register zauberischer Praktiken nur noch weniges aus. Wenn das seelsorgerliche Geschäft des Teufelaustreibens auf dem Beistande Gottes fußte, so war dagegen der unmittelbare oder mittelbare Beistand des Teufels die Voraussetzung der Zauberkünste, deren wir jetzt erwähnen wollen. Zu den begehrtesten Zaubermitteln gehörten die Alraunen oder Alrunen (Erdmännchen, Mandragora), welche dem Volksglauben zufolge aus den – »Angsttränen« gehenkter Diebe in dem Boden unter dem Galgen erzeugt wurden. Man ließ die Wurzel durch einen Hund aus der Erde ziehen, wobei sich der Ausgraber die Ohren verstopfte, denn der Alraun gab beim Herausgerissenwerden einen Schrei von sich, welcher, wenn er gehört wurde, tödlich wirkte oder wahnsinnig machte. Bei sorgfältiger Behandlung verschaffte so ein Erdmännchen seinem Besitzer Glücksgüter, Gesundheit und allerhand sonstige Vorteile. Ebenso der sogenannte Spiritus familiaris (oft auch Galgenmännlein oder Glücksmännlein geheißen), über welchen die deutschen Sagen der Gebrüder Grimm folgende Notiz geben: »Er wird gemeiniglich in einem wohlverschlossenen Gläslein aufbewahrt, sieht aus nicht recht wie eine Spinne, nicht recht wie ein Skorpion, bewegt sich aber ohne Unterlaß. Wer diesen kauft, bei dem bleibt er, er mag das Fläschlein hinlegen, wo er will, immer kehrt er von selbst zu ihm zurück. Er bringt großes Glück, läßt verborgene Schätze sehen, macht bei Freunden geliebt, bei Feinden gefürchtet, im Kriege fest wie Stahl und Eisen, also daß sein Besitzer immer den Sieg hat, auch behütet er vor Haft und Gefängnis. Wer ihn aber behält, bis er stirbt, der muß mit ihm in die Hölle.« Darum sucht ihn der Besitzer wieder loszuwerden, was aber nur schwer und häufig gar nicht gelingt. Als Orte, wo man die verhängnisvolle Phiole erhalten kann, werden Rabensteine, Kreuzwege oder öde, durch darin begangene Verbrechen dem Bösen verfallene Häuser genannt. Der Träger wird Wissenden kenntlich, Unwissenden unheimlich durch das fein schrillende Geräusch, welches die Bewegung des Teufelchens begleitet. Tagüber ist dasselbe schwarz, bei Nacht glänzt es in phosphorischem Lichte. Betritt der Besitzer eine Kirche oder gibt er sich auch nur einem frommen Gedanken hin, so bekommt einer der zahllosen Füße des Dämons die Fähigkeit, das Glas zu durchdringen und dem Träger einen Stich zu versetzen, welcher die Lebenskraft jedesmal bedeutend schwächt.

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Nr. 160. Daniel Hopfer, Alte Weiber im Kampf mit dem Teufel.

Sehr viel Mühe gab man sich in der guten alten Zeit mit Bereitung von Liebestränken (Liebgiften, philtra im griechisch-römischen Altertum), wozu man neben natürlichen Stimulantien die abenteuerlichsten und schmutzigsten Sachen verwandte. Noch Kräutermann erzählt in seinem »Kuriosen und vernünftigen Zauberarzt« (1726): »Zu den magischen oder teufelischen Liebesmitteln gebrauchten Zauberer und Zauberinnen teils allerhand Worte, Zeichen, Murmelungen, Wachsbilder, teils die abgeschnittenen Nägel, ein Stückchen von der Kleidung oder sonst etwas von der Person, welches sie vergraben, es sei nun unter die Türe oder eine andere Schwelle. Huren und dergleichen Gesindel bedienen sich auch ihrer monatlichen Blume, des Mannes Samen, Nachgeburten, Milch, Schweiß, Urin, Speichel, Haar, Nabelschnuren, Gehirn von einer Quappe oder Aalraupen u. dgl. m.« Ein Gebräu von derartigen Ingredienzien oder auch ein Geköche von eigenem Blut, von den Testikeln eines Hasen und der Leber einer Taube sollte, von der begehrten Person genossen, die Gegenliebe derselben erwecken. Gegen diese und andere Liebesmittel (Liebesäpfel, Liebesringe, Venustalismane) gab es dann auch Gegenmittel. In dem »Spiegel der Arzeney« vom Jahre 1532 heißt es: »So du besorgst ein Fraw hab dir Liebe zu essen geben, nimm ein Quintlein Perlin, ein Quintlein Iperikon, alles gestoßen und getrunken mit Melissenwasser, und häng ein Magneten an den Hals.« Eine Menge deutscher Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts wissen uns von den Wirkungen der Liebzaubermittel betrübende Geschichten zu berichten. Zuweilen findet sich darunter auch eine höchst spaßhafte, obzwar sie mit der gläubigsten Naivität vorgetragen wird. So erzählt Harsdörfer in seinem »Schauplatz lust- und lehrreicher Geschichten« (1653): »In der obern Pfalz hat sich wie landkundig zugetragen, daß ein Pfaff sich in eine ehrliche Bürgersfrau verliebet, und da sie in dem Kindbett gelegen, von ihrer Magd, der er etliche Dukaden geschenkt, etlich Tropfen von der Frauenmilch begehrt. Die gab ihm aber von ihrer Gaisenmilch. Was er damit getan, ist unbewußt, das aber hat er erfahren, daß ihm die Gais in die Kirch vor den Altar und bis auf den Predigtstuhl nachgelaufen, was die Frau zweifelsohne hätte tun müssen, so er ihre Milch zuwegen gebracht. Er konnte des Tiers nicht ledig werden, bis er es kauft und schlachten ließ.« Zu ergreifender Poesie gestaltete sich die Idee der Liebesmagie in der herrlichen deutschen Sage vom Tannhäuser und von der Frau Venus. Es gab aber nicht nur einen Zauber, Liebe zu erwecken, sondern auch im Gegensatze dazu einen, der den Liebesgenuß verhinderte. Das war das Nestelknüpfen oder Schloßschließen, welches dadurch zustande gebracht wurde, daß der oder die Boshafte, welche das Glück eines jungen Paares beeinträchtigen wollten, während der Trauung desselben des Hochzeiters Nestel (Hosenband) unter Hersagung gewisser Worte zusammenknüpfte oder ein Vorhängschloß zuschlug oder verschloß. Dadurch wurde bewirkt, daß Mann und Frau einander die eheliche Pflicht nicht leisten konnten, bis Gegenzauber den Zauber aufhob. Die Akten gar vieler Hexenprozesse wissen von dieser Art zauberischer Bosheit zu reden mit unterschiedlichen Variationen. Kam es doch vor, daß Manneskraft durch eine Hexe sichtbarlich auf Bäume hinaufgezaubert wurde. So erzählt Gastius in seinen »Sermones convivales«: »Im Jahre 1550 ist ein noch junges Weibsbild in dem eine halbe Stunde von Basel entfernten bischöflichen Dorfe Aesch verbrannt worden. Sie hatte mit einem Teufel gebuhlt, welcher sich Wunderprüfer nannte. Sie schädigte gar häufig die Kühe, wenn sie sich mittels ihrer Zauberei Milch verschaffte. Sodann brachte sie auch Kindern Verrenkungen bei oder machte sie blind und hexte Männern das Männliche auf einen Nußbaum hinauf, damit sie zum ehelichen Werke untüchtig wären. Was sind doch solche Weiber, welche sich blindlings dem Satan ergeben, für fürchterliche Kreaturen!«

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Nr. 161. Weiditz, Der Teufel der Unzucht.

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Nr. 162. Regenmachende Hexen.

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Nr. 163. Unholde fahren zum Blocksberg.

Unter den Soldaten der Reformationszeit, namentlich während des Dreißigjährigen Krieges, grassierte der tolle Glaube an sogenannte Nothemden und Notschwerter, an Waffensalben und an die Passauer Kunst oder das Festmachen. Da werden uns eine Menge Beispiele erzählt von Kriegern, welche man, weil sie gegen Schwert, Pike und Musketenkugel fest gewesen, mit Knütteln habe totschlagen müssen. Auch berühmte Generale galten für fest, z. B. Wallenstein, bis seine Mörder das Gegenteil bewiesen. Diebe und Räuber bedienten sich bei ihrem traurigen Handwerke häufig der sogenannten Diebshand, welche aus der Hand eines Gehenkten verfertigt war und in die eine aus dem Fette des Gehenkten, aus Jungfernwachs und Flachsdotter gemachte Kerze gesteckt wurde. Der Schein derselben sollte die Eigenschaft besitzen, die Bewohnerschaft des Hauses, in welchem der Einbruch geschah, in eine hilflose Betäubung zu versetzen. Man soll sich an einigen Orten zur Anfertigung der Diebshand auch der Händchen ungeborener, aus dem Leibe ihrer ermordeten Mütter geschnittener Kinder bedient haben, welche Abscheulichkeit in der guten alten, frommen Zeit wohl vorkommen konnte; denn ich finde, daß im Jahre 1575 zu Sagan ein Erzmörder, genannt der Puschpeter, gespießt wurde, welcher dreißig Personen ermordet hatte, darunter sechs schwangere Frauen, und diese ausdrücklich in der Absicht, ihren Leibesfrüchten die Herzlein auszuschneiden und sie zu fressen, um sich dadurch unsichtbar und fest zu machen.

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Nr. 164. Modeflugblatt aus dem 17. Jahrhundert.

Wie nun die legitimen Wundertäter, die Heiligen, nach unmittelbarer Verbindung mit der Quelle aller Wunder, mit Gott, strebten, so die illegitimen, die Zauberer und Zauberinnen, nach Verbindung mit dem Teufel, als dem Inhaber alles Zaubers. Daher die Idee eines förmlichen Bündnisses mit dem Fürsten der Finsternis. Dieses Bündnis war die Basis der sogenannten schwarzen Magie, wie die Zauberei im Gegensatze zur weißen Magie, welche ihrerseits aus göttlicher Kraft floß, genannt wurde. Der Ausdruck »schwarze Magie« stammt zunächst von dem aus dem griechischen Worte Nekromantie (Totenbeschwörung) verdorbenen Nigromanzie, in welchem man das Eigenschaftswort niger (schwarz) zu finden glaubte. Den Ursprung der schwarzen Magie führte die christliche Legende auf den im achten Kapitel der Apostelgeschichte erwähnten Magier Simon zurück, und wie dieser durch einen Meister der weißen Magie, den Apostel Petrus, überwunden wurde, so sehen wir die ganze christliche Wundergeschichte hindurch schwarze Magier durch weiße besiegt und in Schatten gestellt. Beispiele hierfür sind der Zauberer Heliodorus von Catania, welchem der Bischof Leo, und später der Zauberer Klingsor, dem der fromme Wolfram von Eschenbach das Handwerk legte. Ich habe schon im ersten Buche da und dort angedeutet, daß im Mittelalter und später jeder durch nicht gemeine Kenntnisse, namentlich in den Naturwissenschaften, hervorragende Mann im Glauben des Volkes für einen Zauberer galt. So Papst Silvester II., Michael Scotus, Albert der Große, Roger Baco, Abt Erloff zu Fulda, Abt Johann von Trittenheim, Cardanus, Agrippa von Nettesheim, Theophrastus Paracelsus und andere. In der romanischen Literatur hat die Vorstellung eines Bundes mit dem Teufel ihre glänzendste poetische Gestaltung erlangt durch Calderons »Wundertätigen Magus«, dessen Held der Zauberer Cyprianus ist. In Deutschland steht als berühmtester Repräsentant der Zaubersage der Doktor Faust da, durch Goethes Tragödie die großartigste Figur der modernen Poesie geworden. Goethes Werk ist so recht »das Trauerspiel des deutschen Geistes«, indem hier durch einen erhabenen Dichtergenius der historische Faust, ein berühmter Arzt des 16. Jahrhunderts aus Knittlingen in Schwaben, welchen die Volkssage einen Bund mit dem Teufel machen und zuletzt von diesem geholt werden ließ, zum Träger deutscher Nationalität in ihrer ganzen Tiefe und Fülle, Kraft und Schwäche erhoben wurde. In ihrer volksmäßigen Ursprünglichkeit findet sich die Faustsage dargestellt in dem alten Puppenspiele vom Faust und ausführlicher noch in dem ältesten Faustbuch (vom Jahre 1586), welches, zusammengehalten mit den dem Doktor Faust zugeschriebenen Zauberschriften, eine klare Einsicht in das deutsche Zauberwesen gewährt. Im Faustbuche finden sich alle Hauptmomente des Teufelsbündnisses: Beschwörung des Fürsten der Finsternis mittels der Kenntnisse in schwarzer Magie, vertragsmäßige Hingebung der Seele nach dem Tode an den Teufel, wogegen dieser seinem Mitkontrahenten Zauberkräfte und irdische Wollüste verleiht, dann die teufelische Buhlschaft, die verzweiflungsvolle Reue des Zauberers und der tragische Ausgang. Der Verlauf der Beschwörung des Teufels durch Faust in einem »dicken Waldt, der bei Wittenberg gelegen ist«, wird also beschrieben: »Es ließ sich sehen, als wann ob dem Zauberzirkel ein Greiff oder Drach schwebet vnd flatterte, wann dann Faustus seine Beschwerung brauchte, da kirrete das Tier jämmerlich, darauff fiel drey oder vier klaffter hoch ein fewriger Stern herab, verwandelte sich zu einer fewrigen Kugel, daß dann D. Faust auch gar hoch erschräke, jedoch liebete ihm sein fürnemmen. Beschwur also diesen Stern zum ersten, andern vnd dritten mal, darauff ging ein Fewerstrom eines Mannes hoch auff, ließ sich wieder herunder, vnd wurden sechs Liechtlein darauff gesehen, einmal sprang ein Liechtlein in die höhe, denn das ander hernider, bis sich enderte vnd formierte ein Gestalt eines fewrigen Mannes, dieser gieng umb den Zirkel herumb ein viertheil stund lang. Bald darauff endert sich der Teuffel vnd Gestalt eines grawen Mönchs, kam mit Fausto zu sprach, fragte, was er begerte.« Über die Buhlschaft mit dem Teufel, welche auch in den Hexenprozessen eine so große Rolle spielt, heißt es: »Wann Faustus allein war vnd dem Wort Gottes nachdencken wollte, schmückte sich der Teuffel in Gestalt einer schönen Frauwen zu jhme, halset jn vnd trieb mit ihm all vnzucht, also daß er deß Göttlichen Worts bald vergaß vnd in seinem bösen fürhaben fortfuhre.« Am letzten Tage vor Ablauf der ihm vom Teufel gewährten Frist geht Faust mit vielen Magistris, Bakkalaureis und anderen Studenten nach dem bei Wittenberg gelegenen Dorfe Rimlich und übernachtet daselbst mit seiner Gesellschaft. »Die Studenten lagen nahendt bey der Stuben, da D. Faustus innen war, sie höreten ein grewliches Pfeiffen vnd Zischen, als ob das Hauß voller Schlangen, Natern vnd anderer schädlicher Würme were. In dem gehet D. Fausti thür vff in der Stuben, der hub an vmb hülff vnd Mordio zu schreyen, aber kaum mit halber Stimm, bald hernach hört man jhn nit mehr. Als es nun tag ward, sind sie in die Stuben gegangen, darinnen D. Faustus gewesen war, sie sahen aber keinen Faustum mehr vnd nichts, dann die Stuben voller Bluts gesprützet. Das Hirn klebte ahn der Wandt, weil jhn der Teuffel von einer Wandt zur andern geschlagen hatte. Es lagen auch seine Augen vnd etliche Zähne allda, ein grewlich vnd erschrecklich Spektakel. Letztlich aber funden sie seinen Leib heraussen bey dem Mist ligen, welcher grewlich anzusehen war, denn jhm der Kopf vnd alle Glieder schlotterten.«

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Nr. 165. Der Böse. Steinfigur an der Pariser Notre-Dame-Kirche.

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Nr. 166. Dürer, Die Hexe auf dem Bock.

Die Sage überließ in ihrem poetischen Sinne die Bestrafung der Zauberei der göttlichen Gerechtigkeit. In der Wirklichkeit aber gestaltete sich die Sache ganz anders, denn die Kirche machte ja das Zauberwesen zu einem Hauptgegenstand ihrer inquisitorischen Tätigkeit. Sie folgerte so: Die Zauberer und Zauberinnen schließen einen Bund mit dem Teufel, dies ergibt den Bruch des mittels der Taufe mit der Kirche Christi geschlossenen Bundes, folglich sind sie Ketzer, folglich strafbar, des Todes schuldig. Ketzerei und Zauberei waren demnach identisch. Gab man doch schon den Waldensern und Stedingern schuld, in ihren Versammlungen den Teufel, der in Gestalt einer Kröte, einer Katze, eines Bockes erschien, anzubeten und sich fleischlich mit ihm zu vermischen. Die tollen Lügenmärchen, welche man über die Zusammenkünfte der Waldenser verbreitete, gaben das Vorbild ab zu der Phantasie des Hexensabbats (synagoga diabolica), bei welchem ein förmlicher Kultus des Teufels stattfände. Da durfte dann freilich die Kirche, die Bewahrerin des Dogmas, nicht zögern, ihrem heiligen Eifer freien Lauf zu lassen und zu ihrem Beistande den Arm der weltlichen Gerichte zu bewaffnen, welche besonders seit Einführung des inquisitorischen Prozeßverfahrens, dessen Hauptbeweismittel oder vielmehr einziges Beweismittel die Folter, zu jeder Schändlichkeit bereit und willig waren. Christliche Theologie und christliche Juristerei erfanden den Hexenprozeß, diese schnödeste Ausgeburt menschlichen Wahnwitzes.

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Nr. 167. Adam und Eva werden von Teufeln verführt.

Wie man von dem Schreibertum des Polizeistaates sagen kann, daß es, weil einmal da, immer neue Schreibereien und Tabellen erfinden müsse, um existieren zu können, so machte man an der Inquisition die Erfahrung, daß sie immer neue Verbrechen gegen das alleinseligmachende Dogma erfinden mußte, um sich im Gange zu erhalten. Die Inquisitoren wollten leben, sie bedurften daher der Objekte für ihre Tätigkeit. Die Scheiterhaufen der Albigenser, Katharer, Lollharden und anderer Ketzer waren verraucht, man brauchte Opfer zu neuen, und dieses Bedürfnis hat sicherlich auf die lange Fortdauer der geistigen Epidemie des Zauberglaubens und der Scheusäligkeit des Hexenprozesses sehr kräftig eingewirkt. Die ganze Pest war ursprünglich allerdings ein logischer Ausfluß der heiligen Dummheit, der krassen Unkenntnis der Natur und ihrer ewigen Gesetze, ein ganz notwendiges Zubehör des religiösen Wahns. Hat doch der grausame Afterwitz noch spät im 16. Jahrhundert selbst hellste Geister verdunkelt, wie schon der eine Umstand klar macht, daß ein Mann wie Fischart im Jahre 1591 sich herbeiließ, des Franzosen Bodin damals berühmtes Buch »De magorum daimonomania«, diese Bibliothek des Blödsinns, unter dem Titel »Vom außgelassenen wütigen Teuffelsheer« ins Deutsche zu übertragen. Es untersteht demnach gar keinem Zweifel, daß viele, sehr viele, sogar weitaus die meisten Priester und Juristen gläubig, d. h. dumm und unwissend genug gewesen sind, aus voller Überzeugung Zauberer und Hexen anzuklagen und zu verurteilen. Ebenso ist auch nicht zu bezweifeln, daß es häufig genug hysterische Weiber gegeben, welche von der fixen Idee besessen waren, hexen zu können und mit dem großen Bock gebuhlt zu haben, obzwar in letzterer Beziehung nicht selten natürliche Narkotika und Stimulantia, wie ja beim sogenannten »Liebeszauber« überhaupt, ihre Dienste getan haben mögen. Auf der andern Seite aber wird kein wissender Mann, welcher diesem schrecklichen Kapitel im Buche der Geschichte menschlicher Narrheit ein umfassendes Studium zugewandt hat, leugnen wollen, daß dem grausamen Afterwitz sehr frühzeitig schon die berechnende Absicht des Geschäftemachens sich beigemischt habe. Gerade herausgesagt: der Hexenprozeß war in der Zeit seiner Giftblüte und bis zuletzt sehr häufig eine auf die fromme Dummheit des Volkes basierte theologisch-juristische Spekulation. Sagt doch der alte ehrliche Hauber, selbst ein Theolog, geradezu, die Einführung des Hexenprozesses sei ein päpstlicher Staatsstreich gewesen, um die Macht der Inquisition und dadurch die päpstliche Gewalt je länger je mehr aufrechtzuerhalten. Außerdem, wie zahllose hübsche Privatgeschäfte ließen sich dabei machen! Die Güter der Verbrannten wurden ja eingezogen, und man trug Sorge, nicht bloß Arme, sondern auch Wohlhabende und Reiche anzuklagen. Und endlich, was mußte da für Beichtväter, Denunzianten und Richter im geheimen abfallen, wenn sie diesem oder jenem, der zahlen konnte, einen Wink gaben, sie hätten ihn auf der Liste, wären aber unter gewissen Bedingungen zur Streichung seines Namens bereit?

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Nr. 168. Hexenprobe.

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Nr. 169. Baumgespenste und Hexen.

Für den deutschen Kulturhistoriker ist es eine traurige Pflicht, zu sagen, daß auf deutscher Erde der Hexenbrand am wildesten und umfangreichsten gewütet hat. Unsere Altvorderen sollten für die unter ihnen nicht populär gewordene Inquisition durch den Hexenprozeß vollauf Ersatz erhalten. Zwar in allen christlichen Ländern gab es einzelne und massenhafte Hexenbrände, wie auch die aus den »Geständnissen« der Hexen ersichtlichen Einzelnheiten des Hexenwesens in ganz Europa im wesentlichen auf ein und dasselbe hinauslaufen. In Frankreich fand, um Beispiele anzuführen, im Jahre 1459 zu Arras eine massenhafte Exekution von Zauberern beiderlei Geschlechts statt; zu Como in Oberitalien starben im Jahre 1485 einundvierzig Hexen auf dem Scheiterhaufen; in Schweden wurden in dem einen Orte Mora in einem Jahre (1669) zweiundsiebzig Weiber und fünfzehn Kinder der Zauberei angeklagt, verurteilt und hingerichtet; in Spanien mußte zu Logrogno im Jahre 1610 eine ganze Schar Hexen den Scheiterhaufen besteigen; ebenso werden aus Portugal, Großbritannien, Dänemark, Rußland, Polen, Ungarn eine Menge Fälle gemeldet, sogar in den Kolonien von Nordamerika (Neu-England) wurden im Jahre 1692 Dutzende von Hexen und Besessenen verurteilt und getötet. Aber so beharrlich, so systematisch, so deutschgründlich wurden die Hexenverfolgungen dennoch nirgends betrieben wie bei uns in Deutschland.

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Nr. 170. Die Teufel holen einen Menschen.

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Nr. 171. H. B. Grien, Die Hexen.

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Nr. 172. H. B. Grien, Hexen.

Und warum kehrte sich die Verfolgungswut vornehmlich gegen das schwächere und schönere Geschlecht? Warum häufte der Hexenprozeß auf das Weib die abscheulichste Lästerung, welche demselben je widerfahren? Die Lästerung nämlich, Jungfräulichkeit und eheliche Treue hinzugeben, um dafür die widerliche Umarmung eines scheußlichen Bockes einzutauschen. Das konnte doch wohl nicht einzig und allein daher rühren, weil die Hexenrichter mit den Weibern leichteres Spiel zu haben glaubten: der Grund lag tiefer. Weil in der Zauberkunst etwas »Heimliches, Stilles, Abgeschlossenes« sich ankündigte, was sich mit dem männlichen Charakter weniger vertrug, hielt man von uralters her die Frauen zauberischer Werke für fähiger als die Männer. Man darf nur die römischen Erotiker und Satiriker (namentlich Horaz und Juvenal) oder den griechischen Humoristen Lucian lesen, um zu erfahren, daß sich die Vorstellungen der Alten von der Zauberkunst hauptsächlich auf die Frauen beschränkten. Dann hatte ja die jüdisch-christliche Theologie von Mose herab bis auf die Kirchenväter das Weib als etwas Untergeordnetes, an sich Unreines und Verworfenes aufgefaßt und war dem jüdisch-christlichen Mythus zufolge die Sünde durch das Weib in die Welt gekommen. Warum sollte sich also der Teufel nicht vorzugsweise an die Weiber wenden? Bei den germanischen Völkern kam noch ein anderer Umstand hinzu. Wir haben früher gesehen, in welchem Ansehen in der germanischen Vorzeit die Priesterinnen und Prophetinnen (Völur, Walen) gestanden. Einzelne Runen uralter Wahrsagekunst mochten von Geschlecht zu Geschlecht fortgeraunt worden sein, bis in die christliche Zeit herein. Da kamen nun Frauen, welche noch von den alten Göttern und ihrem Dienste wußten, ganz leicht in den Verdacht einer Verbindung mit den Mächten der Hölle; denn die alten Götter erschienen ja dem christlichen Bewußtsein von vornherein als Teufel. So mischte sich denn im Hexenwesen Nationalheidnisches und Spezifischchristliches zu einem giftigen Brei von Unsinn, Wahnwitz und Grausamkeit.

Die althochdeutsche Form für Hex und Hexe ist Hazus, Hazusa, Hazasa. Der selten vorkommende mittelhochdeutsche Ausdruck ist Hegxse oder Hexse. Statt des neuhochdeutschen Wortes Hexe war bis ins 16. und 17. Jahrhundert der Ausdruck Unholdin (Unholde, mascul. Unholdäre) gang und gäbe. Der schon erwähnte Bodin, eine Autorität in der Systematisierung des Blödsinns, gibt von der Hexe folgende Begriffsbestimmung: »Ein Hex oder eine Hexe (eigentlich Hexin) ist eine Person, welche mit Vorsatz und wissentlich durch teufelische Mittel sich bemüht und untersteht, ihr Fürnehmen hinauszubringen oder zu etwas dadurch zu kommen und zu gelangen.« Die Erlangung »teufelischer Mittel« wird durch das Bündnis mit dem Satan bedingt, welches unter verschiedenen Formen, schriftlich oder mündlich, abgeschlossen wurde. Immer kam eine förmliche Entsagung Christi und aller Heiligen dabei vor, sowie die Verleugnung Gottes und seiner zehn Gebote. Der Mittelpunkt, der Kultus der Hexenreligion ist der Hexensabbat, zu welchem die Hexen mittels Anwendung der aus dem Fett ungetaufter Kinder, Wolfswurzel, Eppich, Mönchskappen usf. bereiteten Hexensalbe auf Böcken, Säuen, Ofengabeln, Besenstielen, Strohwischen usf. durch die Luft geritten kommen. Die Zusammenkünfte finden an bestimmten Nächten der Woche statt, vorzüglich aber in der ersten Mainacht (Walpurgis), also zur Zeit eines altgermanisch-heidnischen Opferfestes. Jedes Land hat seine eigenen Versammlungsorte, Deutschland aber die meisten (Blocksberg, Horselsberg, Weckingstein, Staffelstein, Kreidenberg, Bönnigsberg, Fellerberg, Heuberg, Pfannenstiel und andere Berge). Bei den Zusammenkünften erscheint der Teufel zuweilen wie ein lustiger Tänzer aufgeputzt, meistens jedoch in finsterer und majestätischer Haltung und in Gestalt eines schwarzen häßlichen Mannes, der auf einem mit Gold verzierten Throne von Ebenholz sitzt. Er trägt eine Krone von kleinen Hörnern und hat außerdem noch ein Horn auf der Stirne und zwei am Hinterkopfe. Das Stirnhorn verbreitet einen Schein, der heller ist als der Mond. Auch seine großen runden Eulenaugen strahlen einen schrecklichen Glanz aus. Seine Gestalt ist halb die eines Menschen, halb die eines Bockes. Seine Finger laufen in Krallen aus, seine Füße gleichen Gänsefüßen, am Kinn hat er einen Ziegenbart, am Hintern einen langen Schwanz. Die Versammlung hebt gewöhnlich um 9 Uhr abends an und endigt um Mitternacht. Sie beginnt damit, daß alles vor dem Teufel niederfällt, ihn unter Verleugnung Gottes Herr und Meister nennt, ihm die linke Hand, den linken Fuß, die linke Seite, die Genitalien und den Hintern küßt. Bei besonders feierlichen Anlässen beichten sodann die Zauberer und die Hexen dem Teufel ihre Sünden, welche darin bestehen, daß sie Kirchen besucht, die Zeremonien des christlichen Gottesdienstes mitgemacht und zuwenig Böses getan haben. Der Teufel gibt ihnen Bußen auf und erteilt die Absolution. Dann zelebriert er höchstselbst die Teufelsmesse und stellt seinen Anhängern ein Paradies in Aussicht, welches das christliche weit hinter sich lasse. Zum Dank küßt man ihm abermals den Hintern, wobei er zur Anerkennung der Huldigung Gestank von sich gehen läßt. Zum Schlusse der Messe teilt er das Abendmahl in beiderlei Gestalt aus, aber die höllische Hostie ist schwarz und zäh wie eine alte Schuhsohle und der Trank aus dem höllischen Kelche schmeckt bitter und ekelhaft. Hierauf beginnt der Tanz, wobei alle das Gesicht nach der Außenseite des Kreises kehren, und das Schmausen an den von dem höllischen Wirte bereiteten Tischen. Aber die Speisen und Getränke schmecken schlecht und widerwärtig, wie es denn merkwürdig ist, daß der Teufel seine Anhänger für ihre Dienste so schlecht belohnt. Das Geld z. B., welches er ihnen verschafft, verwandelt sich über Nacht in Kohlen, Hobelspäne, Laub und Ruß, und überhaupt sind sie immer die Betrogenen. Während des Schmausens und Tanzens vermischt sich der Teufel mit allen Anwesenden fleischlich, indem er die Männer als Sukkubus, die Weiber als Ikubus umarmt, und befiehlt sein Beispiel nachzuahmen, worauf er die Versammlung mit der Mahnung entläßt, möglichst viel Böses zu tun. Zuletzt brennt sich der große Bock zu Asche, die unter alle Hexen ausgeteilt wird und mit der sie Schaden stiften. Die Namen Gottes oder Christi oder der Jungfrau Maria auszusprechen, ist beim Hexensabbat streng verpönt, auch das Wort Salz darf nicht gebraucht werden. Soviel vom Hexensabbat.

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Nr. 173. Hinrichtung des Hofjuden Lippold zu Berlin.

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Nr. 174. Hexenritt.

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Nr. 175. Altes Weib im Kampf mit dem Teufel.

Über die teufelische Buhlschaft haben Theologen und Juristen lange Abhandlungen geschrieben und sich unsäglich bemüht, herauszubringen, welcher Art die Empfindung der Hexen dabei sei (die »Geständnisse« der Angeklagten bezeichnen sie fast durchgänglich als eine »unliebliche« und »widerliche«), ob das semen diabolicum calidum aut frigidum sei usf., wir müssen uns aber mit der Andeutung dieser garstigen Spitzfindigkeiten begnügen. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts galt es für eine, auch von Luther ausdrücklich bestätigte Wahrheit, daß der Teufel mit den Hexen Kinder zeuge, die sogenannten Wechselbälge oder Kilkröpfe. Später nahm man an, daß aus der Vermischung mit dem Teufel nur allerlei Ungeziefer hervorgehen könne, Schlangen, Kröten, Frösche und Elben (Holnerchen), Unholde, d. h. Würmer »von allerhand Couleur«. Bereits wurde doch vor dem 17. Jahrhundert da und dort eine Stimme laut, welche, obgleich von einem sonst gläubigen Munde ausgehend, behauptete, die teufelische Umarmung sei bloße »Phantasey und Einbildung«. Übereinstimmend lauten die »Geständnisse« der Hexen in diesem Punkte, der Teufel sei zuerst immer in Gestalt eines anständigen Mannes, als Junker, Reitersmann, Jäger, Bürger und unter Namen wie Voland, Federhanns, Federlein, Peterlein, Papperlen, Gräßle, Klaus, Hämmerlein zu ihnen gekommen und habe sie so berückt und verführt. Es kommen in diesen »Geständnissen« Geschichten von jungen Mädchen vor, welche jedem, außer einem Hexenrichter, hätten zeigen müssen, daß hier keineswegs von einer teufelischen Bestrickung die Rede sei, sondern bloß von der Schändlichkeit unnatürlicher Mütter, welche die Unschuld ihrer Töchter pfiffigen Wüstlingen verschacherten.

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Nr. 176. Hexenprobe.

Bis gegen das Ende des 15. Jahrhunderts hin waren auch in Deutschland schon einzelne Zauberer (Hexenmeister) und Hexen verbrannt worden. Aber jetzt erst begann die Verfolgung derselben in großartigem Stil und wütete das ganze 16. Jahrhundert und die drei ersten Viertel des 17. hindurch mit brutalster Grausamkeit. Das Signal zu dem massenhaften Prozessieren und Hinrichten in Deutschland hat unstreitig die berüchtigte Bulle Papst Innocenz' VIII. gegeben, welchen der römische Witz seines zuchtlosen Lebens halber Octo Nocens nannte. Diese Bulle ist datiert vom 4. Dezember 1484. Die Hauptstelle des Aktenstückes, woraus auch die bösen Handlungen, deren man die Zauberer und Hexen bezichtigte, ersichtlich sind, lautet so: »Gewißlich ist es neuerlich nicht ohne große Beschwerung zu unseren Ohren gekommen, wie daß in einigen Teilen des oberen Deutschlands, wie auch in den mainzischen, trierischen, kölnischen, salzburgischen Erzbistümern, Städten, Ländern, Orten und Diözesen sehr viele Personen beiderlei Geschlechts, ihrer eigenen Seligkeit vergessend und von dem katholischen Glauben abfallend, mit Teufeln, die sich als Inkubi und Sukkubi mit ihnen vermischen, Mißbrauch treiben und mit ihren Bezauberungen, Liedern und Beschwörungen und anderen abscheulichen aftergläubigen Handlungen, zauberischen Übertretungen, Lastern und Verbrechen die Geburten der Weiber, die Jungen der Tiere, die Feldfrüchte, das Obst und die Weintrauben, wie auch Männer, Frauen, Tiere und Vieh aller Art, ferner die Weinberge, Obstgärten, Wiesen, Weiden, das Getreide und andere Erzeugnisse des Bodens verderben, ersticken und umkommen machen und selbst die Menschen, Männer und Frauen, und aller Arten Vieh mit grausamen sowohl innerlichen als äußerlichen Schmerzen und Plagen belegen und peinigen und die Männer verhindern, zu zeugen, und die Weiber, zu gebären, und die Männer, daß sie den Weibern, und die Weiber, daß sie den Männern die ehelichen Werke leisten können; außerdem, daß sie den Glauben selbst, welchen sie beim Empfang der h. Taufe angenommen, mit eidbrüchigem Munde verleugnen und andere überaus viele Leichtfertigkeiten, Sünden und Laster durch Anstiftung des Feindes des menschlichen Geschlechtes zu begehen und zu vollbringen sich nicht fürchten, zur Gefahr ihrer Seelen, zur Beleidigung göttlicher Majestät und zu sehr vieler Leute Ärgernis und schädlichem Exempel.« Im Verlaufe der Bulle wird dann den beiden Ketzermeistern und Professoren der Theologie Heinrich Institor und Jakob Sprenger, welchen als dritter Johann Gremper sich gesellte, der Auftrag erteilt, »wider alle und jede Personen, wessen Standes und Ranges sie sein mögen, das Amt der Inquisition zu vollziehen und die Personen selbst, welche sie der vorbemeldeten Dinge schuldig befinden, in Haft zu bringen und an Leib und Vermögen zu strafen.«

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Nr. 177. Verkolje, Die schöne Briefschreiberin.

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Nr. 178. Modebild.

Nun ist es bekannt, daß der Deutsche gern alles, sogar den Wahnwitz, mit Methode und, wenn man das Wort hier mißbrauchen darf, mit Wissenschaftlichkeit betreibt. Sprenger und Konsorten setzten sich daher vor allen Dingen hin und verfaßten in lateinischer Sprache ein dickes Buch, den »Malleus maleficarum« (»Hexenhammer«), welcher die Hexen gleichsam zusammenhämmern, zermalmen sollte. Dieses romantische Buch, welches bei den Hexenrichtern kanonisches Ansehen erlangte und nach Köppens trefflichem Ausdrucke mit dem Geifer eines vor Fanatismus, Habsucht, Wollust und Henkerslust wahnsinnig gewordenen Mönches geschrieben ist, erschien mit Approbation der theologischen Fakultät von Köln zuerst im Jahre 1489 und erlebte rasch mehrere Auflagen. Der 1. Teil dieses »liber sanctissimus« handelt von den drei Stücken, welche bei der Zauberei zusammenkommen: der Teufel, der Zauberer oder die Zauberin und die göttliche Zulassung; der 2. Teil davon, wie man sich vor der Macht der Zauberei bewahren solle und wie man die Folgen derselben wieder aufheben könne; der 3. Teil ist gerichtlich und enthält eine Anleitung für die geistlichen und weltlichen Richter hinsichtlich des Verfahrens beim Hexenprozeß. Hier wurde auch die Kompetenzfrage dahin gelöst, daß an sich das Verbrechen der Hexerei vor die geistlichen und weltlichen Gerichte gehörte, insofern aber als Ketzerei mit dabei im Spiele wäre, sollten die Hexen der Gerichtsbarkeit der Inquisition unterworfen werden. Man sieht, die Herren Theologen wußten sich auf jeden Fall ihr Mitdabeisein zu sichern. Was die rechtliche Seite der Sache überhaupt angeht, so wurde die Hexerei von den Verfassern des Hexenhammers und gleichgesinnten Juristen als das »ungeheuerlichste, schwerste und abscheulichste« Verbrechen bestimmt und ferner als ein »außerordentliches« (crimen exceptum), woraus man folgerte, daß der Richter bei Verfolgung desselben sich nicht an den ordentlichen Gang der Kriminalprozedur zu halten hätte, sondern »außerordentliche« Mittel anwenden dürfte und müßte, um der Wahrheit auf den Grund zu konmen. Der Hexenhammer munterte auch das schändlichste Denunziantenwesen ausdrücklich auf, indem er sagte, man solle den Angebern, um ihnen Mut zu machen, zu verstehen geben, sie hätten nichts zu besorgen, auch wenn sie für ihre Anklagen nicht den geringsten Beweis beizubringen vermöchten.

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Nr. 179. Mode der Busenentblößung.

Mit dem Hexenhammer in der Hand gingen nun die Verfasser desselben und ihre Kollegen mit Eifer an ihr »löbliches« Geschäft, als dessen Vorspiel die ersteren schon in den Jahren 1484-89 achtundvierzig Hexenbrände, ein anderer Ketzermeister in dem einzigen Jahre 1485 sogar schon einundvierzig Hinrichtungen veranstaltet hatten. Freilich wollte das Geschäft auch nach 1489 nicht gleich so recht schwunghaft werden. Geistliche und weltliche Fürsten widersetzten sich nämlich an vielen Orten der Hexenrichterei, und es gab Priester, welche von der Kanzel herab die Existenz von Hexen oder wenigstens die Macht derselben, den Kreaturen zu schaden, verneinten. Bald aber erlebten die Inquisitoren und die mit ihnen verbündeten Juristen goldene Zeiten. Man gewann die geistlichen und weltlichen Fürsten Deutschlands für den Hexenprozeß; jene, indem man ihnen einleuchtend machte, wie sehr dadurch dem hierarchischen Wesen Vorschub geleistet würde; beide zusammen, sowie die kleineren Dynasten und Städteobrigkeiten, indem man auf das Einträgliche des Geschäftes hinwies. Das Vermögen der Gemordeten wurde, wie schon gesagt, eingezogen und in der Regel so verteilt, daß zwei Drittel davon dem Grundherrn, das letzte Drittel den Richtern, Schoppen, Geistlichen, Spionen, Angebern und Scharfrichtern zufiel, nach standesmäßiger Taxierung natürlich. Hexenrichter und Henker bereicherten sich gerade zur Zeit der größten Verarmung Deutschlands, während des Dreißigjährigen Krieges, ganz auffallend. Verdiente doch in dem einzigen Orte Koesfeld 1631 der Scharfrichter binnen sechs Monaten durch seine Verrichtungen an den Hexen 169 Taler. Es ist daher nicht zuviel gesagt, wenn fast die Hälfte der Hexenmorde auf Rechnung der Habsucht geschrieben wird. Die andere Hälfte kommt auf die Rechnung des Fanatismus und der gläubigen Einfalt; denn vom Ausgange des 15. Jahrhunderts an war es den Pfaffen allmählich gelungen, die ganze Weltanschauung, alles Fühlen, Glauben und Denken des deutschen Volkes so ganz und gar zu verteufeln, daß es immer und überall den Teufel sah, hörte, roch und schmeckte. Das Luthertum hat diese Verteufelung des religiösen Bewußtseins bekanntlich sanktioniert. Luther selbst gehörte zu den allerdicksten Teufelsgläubigen, hatte persönlich eine Begegnung mit dem Satan und warf ihm bei dieser Gelegenheit das Tintenfaß an den Kopf. Es war deshalb ganz in der Ordnung, daß der große »Reformator«, als er eines Tages zu Dessau einen Kretin, einen sogenannten Kilkropf, sah, die Erklärung abgab, das sei ein Teufelskind und man solle es nur ins Wasser werfen; er wolle es schon auf seine Seele nehmen. Die protestantischen Theologen beteten die Ansichten ihres Meisters über Teufel und Hexenwesen andächtig nach, und so sehen wir fortan katholische und protestantische Geistliche, Fürsten, Magistrate und Juristen in Schürung der Hexenbrände wütend miteinander wetteifern. Als dieser Eifer ein klein wenig nachzulassen schien (um die Zeit des Augsburger Religionsfriedens), wußten ihn die Jesuiten wieder zu beleben, indem sie in den katholischen deutschen Staaten, wo sie Eingang gefunden hatten, sämtliche Anhänger der reformistischen Bewegung, soviel sie deren habhaft werden konnten, unter dem Namen von Hexenmeistern und Hexen prozessieren und verbrennen ließen, was auch die protestantischen Hexenverfolger aufs neue aneiferte, denn diese wollten in der Sorge für das Reich Gottes hinter den päpstlichen nicht zurückbleiben. Hierin, sowie auch in der politischen Zersplitterung unseres Landes, welche jedem reichsunmittelbaren Prälaten, Krautjunker und Bürgermeister die Veranstaltung von Hexenbränden ermöglichte, liegt die Erklärung, warum die Hexenmordsucht bei uns toller gerast hat als sonst irgendwo.

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Nr. 180. Detroy, Die Kaffeetrinkerin.

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Nr. 181. Die peinliche Frage.

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Nr. 182. Mann und Frau im Wannenbad im 15. Jahrhundert.

In den Verdacht der Hexerei konnte das Größte, wie das Kleinste, das Ernsteste und Lächerlichste bringen: – ungewöhnliche Schönheit wie ungewöhnliche Häßlichkeit, außerordentliche Einfalt wie hervorragender Verstand, Armut wie Reichtum, Gesundheit wie Krankheit, ein unbesonnenes Wort, eine unbedachte Gebärde, Tugend und Laster, Vorzüge und Gebrechen, guter und schlechter Ruf – alles, alles. Ja, in Wahrheit alles konnte zu einem Anzeichen (indicium) der Hexerei werden. Brach irgendwo eine ansteckende Krankheit aus, die Hexen hatten sie angerichtet; grassierte eine Viehseuche, die Unholden hatten sie gemacht; mißriet Getreide und Futter, fiel Hagel, kam Wassers- oder Feuersnot, gab eine Kuh schlechte Milch, krepierte ein Schwein, verlegte ein Huhn, war ein Mann impotent, war eine Frau unfruchtbar oder überfruchtbar oder kam sie mit einer Mißgeburt oder einem Krüppel nieder, ging etwas verloren, wurde etwas gestohlen – Hexerei, lauter Hexerei. Wird ein Weib bei Knochen, bei einer Kröte oder Eidechse angetroffen oder mit Schmeer, Unschlitt und nicht alltäglichen Kräutern in der Hand – sie ist unzweifelhaft eine Hexe. Führt ein Mädchen einen schlechten Lebenswandel, sie ist eine Hexe; führt es einen exemplarischen, sie ist eine Hexe. Geht eine Frau selten zur Kirche, ist sie eine Hexe; geht sie sehr häufig und benimmt sich recht andächtig, das muß Verdacht erwecken. Wird sie als Zeugin vorgefordert und erzeigt sich dabei ängstlich, das ist sehr verdächtig; ebenso, wenn sie zuversichtlich auftritt. Macht sie gar Miene, der Zeugenschaft oder einer Anklage durch die Flucht sich zu entziehen, oder wird sie in der Ausführung derselben betroffen – fort mit ihr auf die Marterbank und von da auf den Scheiterhaufen! Hat eine Weibsperson rote und schielende Augen, sie muß eine Hexe sein! Bezeugt ihr ein Hund oder eine Katze auffallende Anhänglichkeit, sie ist eine Hexe. Töchter, deren Mütter der Hexerei angeklagt wurden, sind unzweifelhaft ebenfalls Hexen. Bezweifelt jemand die Hexerei und die Gerechtigkeit des Hexenprozesses, faßt ihn, faßt ihn auf der Stelle! denn das muß ein Erzketzer, ein Erzhexenmeister sein. Zeigt hinwieder einer allzu ungewöhnlichen Eifer in der Angeberei, so wird er gleichfalls verdächtig; denn er will den Verdacht von sich ab und auf andere lenken. Bei dieser Lehre von den Indizien der Zauberer konnte es wahrlich den Hexenrichtern nicht an Beschäftigung fehlen.

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Nr. 183. Die Vorbereitung zur Folter.

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Nr. 184. Die Abführung ins Gefängnis.

War nun die Angeschuldigte auf irgendwelche Angeberei hin in Haft gebracht, so wurde zunächst ein kurzes summarisches Verhör mit ihr angestellt, wobei der Inquirent zuerst »nur so spaßhaft förschelnd« auftreten sollte, um die Hexe »zu fangen«, d. h. zu einem Geständnisse zu verleiten, welches, so unbedeutend es sein mochte, zur Basis des ganzen Verfahrens dienen sollte. Die verfänglichste Frage war, ob die Angeschuldigte an Hexen glaubte. Verneinte sie es, so war sie auf alle Fälle als Ketzerin des Todes schuldig; bejahte sie es, so war dies ein Indizium, daß »sie mehr von der Sache wüßte«. In jedem Falle wurde sie einstweilen ins Gefängnis geworfen. Über die Beschaffenheit der Gefängnisse damaliger Zeit liegt aber ein alter authentischer Bericht vor uns, welcher beweist, daß, wie wir andern Ortes schon dargetan haben, die Romantik der mittelalterlichen Kerkermarterkunst auch unseren Altvorderen vollkommen bekannt gewesen und weit in die protestantisch-theologische Zeit hineingereicht habe. »Die Gefängnisse,« heißt es hier, »sind gemeiniglich in dicken, starken Türmen, Pforten, Blockhäusern, Gewölben, Kellern oder sonst tiefen, finstern, engen ungeheuren Löchern. In denselben sind große dicke Hölzer, entweder zwei oder drei übereinander, da sie an einem Pfahl oder Schrauben auf und nieder gehen. Durch dieselben sind Löcher gemacht, daß Arm und Bein darinnen liegen können, darin werden die armen Gefangenen geschlossen, daß sie weder Arm noch Bein notdürftig gebrauchen oder regieren können; etliche haben große eiserne und hölzerne Kreuze, daran sie die Gefangenen mit dem Hals, Rücken, Arm und Bein anschließen. Etliche haben starke eiserne Stäbe, fünf, sechs oder sieben Viertel an der Elle lang, daran zu beiden Enden eiserne Bande sind, darein sie die Gefangenen hinten an den Händen verschließen; dann haben die Stäbe in der Mitten große Ketten in der Mauer angeschlossen, daß die Leute stettigs in einer Lage bleiben müssen. Etliche machen ihnen noch dazu große, schwere, eiserne Steine an die Füße, daß sie die weder ausrecken noch an sich ziehen können. Etliche haben engere Löcher als Hundsställe, in denen die Menschen kaum stehen, sitzen oder liegen können. Etliche haben fünfzehn, zwanzig, dreißig Klafter tiefe Gruben wie Brunnen, aufs allerstärkste gemauert, oben im Gewölb mit Löchern, dadurch sie die Gefangenen auf und ab lassen. Nach dem nun dergleichen Ort, Gruben, Löcher und Ställe sind, sitzen etliche in so großer Kälte, daß ihnen die Füße erfrieren und gar ersterben; etliche liegen in steter Finsternis, daß sie den Sonnenglanz nicht sehen und nicht wissen können, ob es Tag oder Nacht ist, sie sind ihrer Gliedmaßen wenig oder gar nicht mächtig, haben immerwährende Unruhe, liegen in ihrem eigenen Mist und Gestank, unflätiger und elender als das Vieh, werden übel gespeist, können nicht ruhig schlafen, haben daher schwere Gedanken, große Kümmernis, böse Träume, Schrecken und Anfechtung, werden von Ungeziefer geplagt und überdies noch täglich mit Schimpf, Spott, Bedrohung von Stockmeistern, Henkern und Henkersbuben tribuliert, geängstigt, schwer- und kleinmütig gemacht.« Wahrlich diese Kerker mit ihrem Dunkel, ihren Ketten, ihren Kröten, ihren Ratten, ihrer Kälte, Nässe und faulen Luft, waren ganz geeignet, die Insassen »mürbe« zu machen. Beichtväter und Verhörrichter suchten dieses Mürbewerden durch Kniffe und Pfiffe von satanischer Tücke zu beschleunigen. Oft kam es vor, daß man den Angeklagten mittels Vorspiegelung gänzlicher Lossprechung ein »freiwilliges Geständnis« ablockte, welches dann den Tod auf dem Scheiterhaufen – »Einäscherung« hieß der amtliche Ausdruck – unausweichlich zur Folge hatte.

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Nr. 185. Juden-Verbrennung.

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Nr. 186. Burgkmair, Die Folter.

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Nr. 187. Burgkmair, Bestrafung von Knechten.

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Nr. 188. Fragonard, Ist wohl »Er« mir auch so treu?

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Nr. 189. Burgkmair, Alchemisten.

Führten aber solche Ränke und Lügen nicht zum Zwecke, so suchte man denselben durch Zeugenaussagen zu fördern. Wie es damit gehalten wurde, macht schon der Umstand klar, daß selbst des Meineids überwiesene Leute im Hexenprozeß als Zeugen zugelassen wurden; denn sie konnten ja »aus Glaubenseifer« diesmal die Wahrheit sagen. Auch der Verteidiger der Angeklagten war verpflichtet, gegen sie als Zeuge aufzutreten, falls sie ihm etwa, eben behufs der Verteidigung, vertrauliche Eröffnungen gemacht hatten. Also erhielt die Angeschuldigte wenigstens einen Verteidiger? Nach Willkür, denn die Hexerei ist ein crimen exceptum, der ganze Hexenprozeß setzt sich aus lauter »Ausnahmen« zusammen: der Richter kann also nach Befund der Umstände einen Verteidiger zulassen oder auch nicht. Keinesfalls jedoch darf die Angeklagte ihren Anwalt selbst wählen. Reichte nun all dieses nicht aus, ein Geständnis zu erzielen, so schritt man gewöhnlich mit der Delinquentin zur Wasserprobe, d. h. sie wurde an das Ufer eines Flusses oder Teiches geführt, dort splitternackt ausgezogen und mit über dem Leibe kreuzweis zusammengebundenen Händen und Füßen ins Wasser geworfen. Sank sie unter, so war dies ein Beweis gegen, blieb sie oben schwimmen, ein Beweis für die Anklage. Sehr viel kam hierbei darauf an, in welcher Weise es den Bütteln beliebte, das Seil zu handhaben, an welches die Unglückliche gebunden war. Fiel die Probe zu ihren Gunsten aus, so wurde sie freigelassen, wohlverstanden dann (d. h. fast nie), wann nicht eine einzige gravierende Zeugenaussage gegen sie vorlag. In diesem Falle ward sie ins Gefängnis zurückgebracht, wo man vorerst noch auf »gütlichem« Wege gegen sie verfuhr. Diese Güte bestand darin, daß man ihr tagelang nur stark gesalzene Speisen zu essen und durchaus nichts zu trinken gab oder daß man sie drei, vier, fünf Nächte in Schlaflosigkeit hielt, bis sie, dem Wahnsinne nahe, alles »in Güte« bekannte, was immer man ihr zur Last legte. Besiegte aber das Bewußtsein der Unschuld alle diese Vormartern, so unterwarf man die Angeschuldigte sofort der Nadelprobe, d. h. man entkleidete sie, schor ihr die Haare am ganzen Leibe ab und suchte überall nach dem sogenannten »Hexenmal« (stigma diabolicum), welches der Teufel seinen Anhängern aufdrückt. Fand sich irgendein Leberfleck oder Muttermal, so wurde eine Nadel dareingestoßen. Blutet es nicht, so ist der Beweis der Hexerei geliefert; blutet es aber, so ist dies wenigstens kein Gegenbeweis, denn »der Teufel macht es bluten, um die Hexe zu retten«. Findet sich schlechterdings kein Hexenmal vor, je nun, so »hat es der Teufel ausgelöscht«. Welche Abscheulichkeiten bei diesen schamlosen Manipulationen vorgingen, läßt sich leicht denken. Büttel und Gefangenwärter befriedigten an den Unglücklichen viehische Gelüste und setzten dieselben dem Teufel auf Rechnung. Um nur einen Beleg dieser Brutalität anzuführen: der wütende Hexenrichter Remigius, welcher in seiner »Daemonolatria« (1595) von sich rühmt, daß er binnen fünfzehn Jahren (1580-95) in Lothringen 800 Hexen, sage achthundert, habe verbrennen lassen, erzählt von einem seiner Opfer, Katharina geheißen, dieselbe wäre, obgleich noch ein unmannbares Kind, im Kerker wiederholt dergestalt vom Teufel genotzüchtigt worden, daß man sie halb tot vorgefunden.

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Nr. 190. Gesellschaftsmode.

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Nr. 191. Rubens, Maria von Medici.

Hatte man von der Angeklagten kein Geständnis »in Güte« erwirkt, so schritt man zur peinlichen Frage, zur eigentlichen Folter. Oft ließ man derselben noch die sogenannte Tränenprobe unmittelbar vorhergehen. Hierbei legte ein Priester oder Richter der Angeschuldigten die Hand auf den Kopf, sie beschwörend: »Bei den bittern Tränen, welche der Heiland am Kreuze für unser Heil vergossen, bist du unschuldig, so vergieße Tränen, bist du schuldig, keine!« Konnte die Hexe nicht weinen, so war der Beweis ihrer Schuld fertig; weinte sie aber, so hatte ihr nur der Teufel zum Schein Augen und Wangen naß gemacht. Vor Beginn der Marter trugen geriebene Richter Sorge, der Angeklagten die Beschaffenheit und Wirkung der Folterinstrumente ausführlichst zu erklären, eine Erklärung, welche »oft die Verstocktesten zum Sprechen gebracht hat.« Erfolgte kein Bekenntnis, so hob man die Marter mit dem »Daumenstock« an, zwischen welchen die Daumen geschraubt wurden, bis das Blut unter den Nägeln hervorspritzte. Der zweite Grad der Folter bestand in Anwendung der »spanischen Stiefeln« (Beinschrauben), zwischen welchen Schienbein und Wade gepreßt wurden, bis die Knochen brachen. Dann folgte der »Zug« (Expansion, Elevation), wobei die Hexe mit auf den Rücken gebundenen Händen mittels eines an letztere geknüpften Seiles frei in der Luft schwebend durch eine an der Decke befestigte Rolle oder auch an einer aufgerichteten Leiter, in deren Mitte der »gespickte Hase« (eine Sprosse mit kurzen gespitzten Hölzern) angebracht war, »gemächlich« in die Höhe gezogen wurde, bis ihr die Arme verkehrt und verdreht über dem Kopfe standen. Zur Erhöhung des entsetzlichen Schmerzes ließ man dann das Opfer ein paarmal rasch her abschnellen und zog es dann wieder hinauf; auch band man ihm, um es noch mehr auszurecken, Gewichte von fünf bis auf fünfzig Pfund Schwere an die großen Zehen, wandte auch zwischenhinein wieder Daumenstock und Beinschrauben oder auch die Karbatsche oder angezündeten Schwefel oder Branntwein an. Und solchen und andern gleich haarsträubenden Martern unterwarf man sogar schwangere Frauen. Nicht umsonst lautete die Henkersformel beim Beginne der Folterung einer Hexe: »Du sollst so dünn gefoltert werden, daß die Sonne durch dich scheint.« Gesetzlich sollte die Anwendung der Folter nicht über eine Viertelstunde währen, aber die Hexenrichter tun sich in ihren Schriften viel darauf zugut, daß sie verstockte Hexen stundenlang, ja tagelang ununterbrochen foltern ließen. Zu Bamberg kam es laut Protokoll einmal vor, daß die Richter, während ein Delinquent an der Leiter hing, zu einem Gelage gingen und ihn hängen ließen, bis sie wiederkamen. Gesetzlich sollte die Folter auch nicht wiederholt werden, wenn nicht neue Indizien hinzukämen. Aber der »Hexenhammer« hatte hierfür ein probates Auskunftsmittel erfunden, indem er statt des »Wiederholens« das »Fortsetzen« empfahl. So setzte man denn die Marter fort, bis die Gepeinigten, um nur der gräßlichen Qual ledig zu werden, alles auf sich aussagten, was nur immer die Richter haben wollten, alles, auch das Unsinnigste und Unmöglichste, was nur je theologische und juristische Phantasie erfunden. Wie weit das ging, erhellt am deutlichsten daraus, daß aus zwölf-, zehn-, acht- und siebenjährigen Mädchen das Geständnis herausgefoltert wurde, sie hätten mit dem Teufel Buhlschaft getrieben und mehrmals von ihm empfangen und geboren! Und wenn z. B. die Hexe auf der Folter bekennt, Personen durch zauberische Mittel getötet zu haben, Personen, welche keineswegs tot, sondern ganz gesund und wohlauf sind? Tut nichts, sie wird verbrannt!

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Nr. 192. Folter- und Hinrichtungswerkzeuge.

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Nr. 193. Modebild.

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Nr. 194. Tizian, Himmlische und irdische Liebe.

Solchergestalt wurden die »Geständnisse und Bekenntnisse« der Hexen geschöpft, als aus welchen romantischer Kretinismus und pfäffische Arglist gefolgert haben, es müßte am Hexenwesen doch etwas gewesen sein. Oft fielen die Gemarterten während der Tortur in Ohnmacht oder Starrkrampf, und diese Folge unerträglicher Qual gab man dann für eine Machenschaft des Teufels aus, der seine Anhänger empfindungslos machte; oft gaben sie auf der Folterbank den Geist auf: da mußte ihnen dann der Teufel, um sie der Pein zu ledigen, den Hals umgedreht haben. Oft auch bemächtigte sich der Gequälten in der Wut ihrer Schmerzen eine verzweifelte Rachelust gegen ihre lieben Mitmenschen, so daß sie alle als Mitschuldige angaben, deren Namen ihnen gerade einfielen oder von den Richtern ihnen vorgesagt wurden. Deshalb zeugte ein Hexenprozeß gewöhnlich zehn, zwanzig, hundert andere. Es finden sich in den Aktenstücken zahlreiche Fälle, daß namentlich die Frauen die Tortur mit übermenschlicher Kraft ausgehalten haben: ein Mädchen von Ulm aus guter Familie, von welcher gefolterte Weiber ausgesagt, sie hätten es bei den Hexentänzen gesehen, beharrte trotzdem, daß sie neunmal der Marter unterworfen wurde, bei dem Bekenntnis ihrer Unschuld; ein junges Mädchen aus Nördlingen bewahrte zweiundzwanzig Grade der Tortur hindurch den Mut der Schuldlosigkeit, erst beim dreiundzwanzigsten brach er. Nur wenige, nur sehr wenige überstanden wie durch ein Wunder alle die Qualen und wurden dann, wenn nicht »neue Indizien« hinzukamen, welche die Wiederholung der ganzen Prozedur heischten, nach einiger Zeit als Krüppel an Leib und Geist aus der Kerkerhöhle entlassen, um über die »Religion der Liebe« nachzudenken. Der Widerruf eines einmal abgelegten Geständnisses hatte sofortige »Fortsetzung« der Folter zur Folge. Das Rechtsmittel der Berufung, welches nach Fällung des Urteils auch den Hexen gesetzlich zustand, war ebenso illusorisch wie das der Verteidigung und führte, wenn je zugelassen, jedenfalls zu nichts.

So war der Prozeß, so das Beweismittel. Das Urteil gegen die Schuldigbefundenen lautete auf Tod; denn die »Zauberinnen sind ein Greuel vor meinen Augen und du sollst sie nicht leben lassen!« hatte Jahve zu Mose gesagt. Bußfertige sollten, bevor sie auf den Scheiterhaufen gebracht würden, enthauptet oder erdrosselt, Unbußfertige dagegen lebendig verbrannt werden. Die letztere Bestimmung erklärt auch, warum nur wenige Hexen vor dem Tode das ihnen durch die Folter abgepreßte Geständnis widerriefen. Sie wollten sich wenigstens einen minder qualvollen Tod sichern. Viele jedoch behaupteten in ihrer letzten Beichte ihre Unschuld, baten aber den Priester, dies ja nicht verlauten zu lassen; denn sie wollten lieber sterben, als noch einmal die Tortur ausstehen. Es gab auch Priester, welche den Verurteilten geradezu erklärten, sie würden nur solche zum Sakramente zulassen, welche so beichteten, wie sie auf der Folterbank ausgesagt hatten. Man sieht, es war nach allen Seiten hin dafür gesorgt, daß die Hexengeständnisse aufrecht erhalten wurden. Endlich war wie alles im Hexenprozeß, auch die Hinrichtung der armen Opfer barbarisch, scheußlich. Das Lebendig verbrennen, welchem unter Umständen noch das Zwicken mit glühenden Zangen vorherging, war gang und gäbe, und die Ungeschicklichkeit oder Unmenschlichkeit der Henker machte dasselbe oft zu einem Lebendigbraten.

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Nr. 195. Bildnis des Wolfgang Dorsch aus Nürnberg.

Die Einäscherungen in Masse hoben in Deutschland um das Jahr 1580 an und währten ziemlich genau ein Jahrhundert. Während der schon erwähnte Remigius Lothringen von Hexenbränden rauchen machte, fanden zur selben Zeit auch im Paderbornschen, im Brandenburgischen, sowie in und um Leipzig zahlreiche Hinmordungen statt. In der Grafschaft Werdenfels in Bayern führte 1582 ein und derselbe Prozeß 48 Hexen auf den Scheiterhaufen. In der kleinen Reichsstadt Nördlingen wurden von 1590-94 zweiunddreißig Zauberer und Hexen hingerichtet, auf daß, wie der Burgermeister Pheringer sich ausdrückte, »die Unholden mit Stumpf und Stiel ausgerottet würden.« In Braunschweig wurden zwischen 1590 und 1600 so viele Hexen verbrannt, daß die Brandpfähle vor dem Tore »dicht wie ein Wald« standen. In der kleinen Grafschaft Henneberg wurden im Jahre 1612 zweiundzwanzig Hexen eingeäschert und von 1597-1676 im ganzen 197 getötet. In dem Städtchen Offenburg starben binnen vier Jahren (1627-30) sechzig Personen wegen Hexerei den Tod durch Henkershand. In Rottweil wurden im 16. Jahrhundert binnen dreißig Jahren 42 und im 17. binnen achtundvierzig 71 Hexen und Hexenmeister verbrannt. In den ganz kleinen Städtchen Wiesensteig und Ingelfingen wurden in einem Prozesse, dort fünfundzwanzig (1583), hier dreizehn (1592) Zauberer und Unholden eingeäschert. Zu Lindheim, welches 540 Einwohner zählte, wurden von 1661-64 dreißig Personen verbrannt. Der Hexenrichter von Fulda, Balthasar Voß, tat groß damit, daß er allein 700 Personen beiderlei Geschlechts hätte verbrennen lassen und daß er das Tausend vollzumachen hoffte. In der Grafschaft Neisse mögen von 1640-1651 an tausend Hexen verbrannt worden sein, denn über 242 Brände liegen Urkunden vor, und es waren Kinder von ein bis zu sechs Jahren darunter. Zu gleicher Zeit wurden im Bistum Olmütz Hunderte und Aberhunderte von Hexen gemordet. In Osnabrück äscherte man im Jahre 1640 achtzig Hexen ein. Ein Herr von Rantzow ließ auf einem seiner Güter in Holstein an einem Tage 18 Hexen verbrennen. Im Bistum Bamberg wurden von 1627-30 bei einer Bevölkerung von 100 000 Köpfen laut urkundlichen Nachweises 285, im Bistum Würzburg binnen drei Jahren (1627-1629) weit über 200 Personen wegen Hexerei vom Leben zum Tode gebracht, unter den letzteren Leute jedes Standes, Alters und Geschlechtes, wie es in den Prozeßakten heißt: »die Kanzlerin, ferner die Tochter des Kanzlers von Aichstädt, der Ratvogt, ein fremd Mägdlein von zwölf Jahren, ein Ratsherr, der dickste Bürger in Würzburg, ein klein Mägdlein von neun Jahren, ein kleineres ihr Schwesterlein, der zwei Mägdlein Mutter, die Burgermeisterin, zwei Edelknaben, einer von Reitzenstein und einer von Rothenhan, das Göbel Babele die schönste Jungfrau in Würzburg, ein Student so viele Sprachen gekonnt und ein fürtrefflicher Musiker gewesen, der Spitalmeister ein sehr gelehrter Mann, eines Ratsherrn zwei Söhnlein, große Tochter und Frau, drei Chorherren, vierzehn Domvikarii, ein blindes Mägdlein, die dicke Edelfrau, ein geistlicher Doktor usf.« Den letzten Brand großartigen Stils veranstaltete der Erzbischof von Salzburg im Jahre 1678; es fielen dabei 97 Personen der heiligen Wut zum Opfer. Rechnet man zu den urkundlich konstatierten Hexenmorden nur die gleiche Zahl von solchen hinzu, deren Akten verloren gegangen – man darf das zuversichtlich –, so ergibt sich, da jede Stadt, jeder Ort, jede Prälatur, jeder Edelsitz in Deutschland ihren Hexenbrand haben wollte, eine Gesamtsumme von Tausenden und Abertausenden Gemordeten, ja es mag die Zahl von 100 000 kaum hoch genug gegriffen sein.

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Nr. 196. Modebild.

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Nr. 197. Modebild.

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Nr. 198. Ballett aus dem Jahre 1684.

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Nr. 199. Moreau le jeune, Die Werbung.

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Nr. 200. H. U. Frank, Der Überfall.

Aber erhob sich denn keine Stimme gegen den blutdürstigen Wahnwitz? Doch. Eine der frühesten war die des Agrippa von Nettesheim und die des Ulrich Molitor, der zwar in seinem »Schön gesprech von den Onholden«, wie der Titel der Verdeutschung seines 1489 erschienenen Traktats über die Hexen lautet, so ziemlich das ganze Hexenwesen auf »Fantastigkeit und Eynbildung« zurückführt, dennoch aber damit schließt, daß man »solich böß weyber von ihr abtrünigkeit vnd ketzerey vnd von ihres verkerten willens wegen nach kaiserlichem Recht tödten sol vnd mag.« Weit entschiedener schon traten der Arzt Johann Weier und der Priester Kornelius Loos in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegen den Greuel auf, und der letztere – es kam ihm freilich teuer genug zu stehen – erklärte geradezu, der Hexenprozeß sei nur eine Art von Alchimie, mittels welcher aus Menschenblut Gold und Silber gemacht werde. Auf Weier und Loos folgte als Bekämpfer des gräßlichen Unwesens der hochherzige Graf Friedrich von Spee, dessen in seiner »Cautio criminalis« (1631), obzwar ohne Namensnennung, dargelegte energische Opposition gegen den Hexenprozeß um so ernsthafter ist, als er ein Mitglied des Jesuitenordens war, welcher Tausende von Scheiterhaufen anfachte. Sobald Spee, welcher selbst viele Hexen als Beichtiger zum Holzstoße begleitet hatte, die Überzeugung gewonnen, daß es mit dem Hexenwesen nichts wäre, scheute er weder Verfolgung und Kerker noch Todesgefahr, seine Ansicht auszusprechen. Mit praktischem Takte richtete er seine Angriffe vornehmlich gegen das Prozeßverfahren, dessen ganze Scheusäligkeit er enthüllte, und schleuderte den Hexenrichtern die Worte ins Gesicht: »Feierlich schwöre ich, daß unter den vielen, welche ich wegen angeblicher Hexerei zum Scheiterhaufen begleitete, nicht eine war, von welcher man, alles genau erwogen, hätte sagen können, sie sei schuldig gewesen; und das nämliche teilten mir zwei andere Theologen aus ihrer Praxis mit. Aber behandelt die Kirchenoberen, behandelt Richter, behandelt mich so wie jene Unglücklichen, unterwerft uns denselben Martern, und ihr werdet in uns allen Zauberer entdecken!« Allein Spees Zeitgenossen waren wenig geneigt, eine solche Stimme zu beachten. Der Hexenhammer blieb nach wie vor unfehlbares Orakel, und die einflußreichsten Juristen jener Tage, wie z. B. Benedikt Carpzov, unterstützten die Weisheit dieses Orakels mit ihrer weitschichtigen und blödsinnigen Gelehrsamkeit. Sagt doch der genannte Professor in seiner Kriminalpolitik (1635) unter anderem ausdrücklich: »Die Strafe des Feuertodes ist auch denjenigen aufzuerlegen, welche mit dem Teufel ein Pakt schließen, sollten sie auch niemanden geschadet, sondern entweder nur teufelischen Zusammenkünften auf dem Blocksberge angewohnt oder irgendeinen Verkehr mit dem Teufel gehabt oder auch nur seiner Hilfe vertraut und sonst gar nichts weiter gewirkt haben.« Den Gipfelpunkt seiner Wut erreichte der Hexenprozeß erst nach Spees Auftreten, und der wackere Mann fand lange keinen Nachfolger. Endlich erschien in des Niederländers Balthasar Becker »Betoverde Wäreld (Bezauberte Welt)« 1691 ein epochemachendes Werk gegen den Hexenwahn. Der treffliche Christian Thomasius eiferte diesem Vorbilde energisch nach, indem er von 1701 bis 1712 verschiedene Traktate gegen den Zauberglauben und Hexenprozeß erscheinen ließ.

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Nr. 201. Der vergnügte Abend. Alter deutscher Stich.

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Nr. 202. Apotheke. (Aus: Das Apothekerbuch der Vergift, Straßburg 1500.)

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Nr. 203. Der Apotheker. (Aus: Das Apothekerbuch der Vergift, Straßburg 1500.)

So brachen denn die Strahlen der lange verfinstert gewesenen Vernunft allmählich wieder hinter den düsteren Wolken hervor, und die deutschen »Malefizgerichte« stellten nach und nach ihre schändlichen Arbeiten ein. Die letzte Hexe im Deutschen Reiche wurde am 21. Juni von 1749 eingeäschert, die siebzigjährige Nonne Maria Renata Singer, durch die fürstbischöflich Würzburgische »geistliche Regierungskommission« zum Tode verurteilt. Die Akten dieses Hexenprozesses, in deren Besitz ein glücklicher Zufall mich gebracht hat, werfen meines Erachtens einen höchst charakteristischen Schlagschatten in das »Jahrhundert der Aufklärung«. Ich rücke daher eine wortgetreue Abschrift der »Facti Species« und des geistlichen Urteils hier in meinen Text ein und lasse unten in den »Beigaben« das Aktenstück folgen, welches die Hinrichtung schildert, »1. Facti Species Maria Renata Singerin von Mossau wurde als ein noch unverständiges Kind von 6 bis 7 Jahren durch einen Offizier (es ist noch ungewiß, ob solcher nicht ein verstellter bößer Geist geweßen) zur Zauberei verführt, und weilen die Hölle den Nahmen Maria nicht dulden kann, wurde ihr statt solchen zugelegt: Ema Renata, welcher durch Versetzung des Buchstabens M heißt, mea renata, wodurch der Teufel wollte zu verstehen geben, daß Sie nunmehro seine wiedergebohrne wäre. Zwölfjährig ist Sie schon so weit gekommen, daß Sie unter dem unglücklichen Zaubergesindel in den Zusammenkünften als eine Ehrendame nahe bey dem Thron des Fürsten der Finsternißen einen vornehmen Sitz erhielt. Ungefähr 19 Jahre alt, thaten Sie ihre Eltern in das Kloster Unterzell prämonstratenser Ordens, welches jeder Zeit wegen genauer geistlicher Disziplin und recht auferbaulich unschuldigen Tugend und Lebenswandel in besten Flohr und Ansehen geweßen, und bey verständigen annoch ist, so daß billig zu vermuthen, die Hölle habe eben dadurch gesucht durch besagte Zauberin diesen so schön blühenden Garten zu verwüsten, und anstatt schneeweißen Lilien jungfräulicher Keuschheit und Unschuld das Kraut schändlicher Laster einzupflanzen. Allein der Himmel wachte durch fürsichtige Tugendsame geistige Oberen. Um nun nicht als solche erkannt zu werden, die Sie ware, muste sie ihre Laster nicht nur sorgfältig verbergen, sondern auch wenigstens den äußerlichen Schein der Tugend annehmen. Solches nun zu bewirken und ihre erstaunliche Boßheit zu bemändlen, ware sie gemeiniglich die erste und letzte in dem Chor, Gottesdienst, und anderen geistlichen Übungen. Ihr Umgang war auferbaulich, ihr Gespräch geistlich, kurz ihr geistlicher Lebens Wandel schiene untadelhaft zu seyn, und das Sie beynebens einen guten Verstand blicken ließe, ist es in Ansehung solcher Qualitäten sich nicht zu verwundern, daß ihre Oberen Sie den Anderen als Subpriorin vorzusetzen kein Anstand genommen. Der höllische Geist ruhte indessen freilich nicht, sondern trieb diese seine Sklavin tüchtig an, ihre Boßheit und Zauberkunst auch anderen Mitschwestern mitzuteilen, und zu gleicher Gottloßigkeit zu verführen; Es ließe sich aber die 50 Jahre, so sie in Gelobtem Kloster bereits zurückgelegt, nach ihrem eigenen Geständniß nicht eine einzige finden, an welche Sie sich zu wagen getraut hätte, so groß waren nemlich aller Tugenden, so tief ware in ihnen allen die Furcht und Liebe Gottes gegründet. Solches verdroß nun den neidigen Teufel, um so mehr, ja gewißere Hofnung er sich machte, durch dieß sein so taugliches Werkzeug wenigstens eine oder die andere in sein Netz zu ziehen. Indem er nun aber sehen muste, daß alle seine und seiner leibeigenen Renata Bemühungen umsonst seyen, so fromen Seelen beyzukomen, als ließ er seinen Mut und Grimmen gegen ihre Leiber aus, triebe die Zaubereien, da sie denen Seelen nicht konnte, wenigstens denen Leibern zu schaden. Dieses ließe Gott aus seinem unerforschlichen Ratschluße zu, zweifels ohne andere Ursachen, damit die Tugend dieser seiner geistlichen Gesponst wie das Gold in dem Feuer noch mehr geprüfet und gereiniget werde. Vier dieser Kloster Frauen verursachte Sie teils durch zauberisches Anhauchen, teils durch Wurzel und Kräuter schmerzliche Krankheiten; fünf anderen, nebst einer Laien Schwester, so noch einer Novitzin ist, zauberte Sie durch besagte Mittel mehrere höllische Geister in den Leib; wieviel Sie außer den Kloster, davon nicht wenige seyn sollen, auf gleiche Weiße geschadet habe, ist unbekannt. Endlich wollte der langmütige Gott der Boßheit dieser Zauberin nicht länger zusehen, triebe mithin eine obiger Kranken, wovon bereits alle verschieden, innerlich an, die Subpriorin Maria Renata als eine Stifterin aller jener Üblen, mit welchen das Kloster so empfindlich belästiget wurde, dem Herrn Probsten anzugeben. Dießer als ein sehr vernünftiger discreter und Tugendsamer Mann strafte anfänglich besagte Kranke und ermahnte Sie, in dermahligen ihren Umständen sich zu einem seeligen Todt zu bereiten; und sich durch etwan übelgegründeten Argwohn und freventlichen Urtheil nicht zu einer ihrer Seele schädliche Sünd verleiten zu laßen. Da aber die Zauberin verschiedene ihrer Mitschwestern des Nachts zu beunruhigen und sehr zu plagen nicht nachließe, nahm endlich eine annoch lebende Chorjungfrau ihre mit scharfen Sporren bewafnete Disziplin, und haute Tapfer auf die Hexe zu, und trieb sie so zum Zimmer hinaus; erzählte sofort den folgenden Tag dem Herrn Probsten, was Sich verfloßene Nacht abermahl zugetragen, mit dem Zusatz, sie glaube sicherlich, sie habe dieser Unholdin einen Streich in das gesicht versetzet, wovon dieselbe ein Merkzeichen haben müße. Da nun dieses in der Tat sich also befunden, und endlich auch die bösen Geister auf der beseßenen selber durch Zwang deren Kirchenbeschwörungen bekennen musten, daß Renata eine Hexe und einzige Ursach alles dieses Unheils wäre, so fanden der Herr Probst für ratsam, beklagte Subpriorin mit Zwang unversehens, da Sie aus dem Chor gieng, in Verhaft zu nehmen. Sie bath zwar um Erlaubnis nur noch einmahl in ihr Zimmer zu gehen, zweifelsohne in dem Absehen ihr darin sich befindliches Zauberwerk auf Seithen zu räumen, es wurde ihr aber solches versagt: und da man ihr Zimmer durchsuchte, fand man ihren Schmierhafen, Zauberwurzel und Kräuter, sodann auch einen goldgelben Rock, in welchem Sie zu ihrem gewöhnlichen Hexen Tanz und Versammlungen auszugehen pflegte. Gestallten nun Maria Renata wohl sah, daß Sie durch berührte Zeugschaften, gefundenes Zauberwerk und Bekenntniß der bößen Geistern selbsten allzusehr ihrer Boßheit überzeugt seye, als bekannte Sie nicht nur ihren Vorgesetzten, sondern auch einer von höchster gnädigen Obrigkeit niedergesetzten Commißion ihre schweren Verbrechen ohne weiteren Zwang, versprach so weiters ihren mit der Hölle gemachten Bund zu brechen, den bößen Feind abzusagen, und durch reumütige Buß sich zu ihrem Gott zu wenden. Es erging sofort von einer Hohen geistlichen Obrigkeit der Befehl, derselben ihre geistlichen Kleider aus, und weldliche anzulegen, und sowohl dem Kloster beßere Ruhe zu verschaffen, als auch alle Gelegenheit ferner schaden zu können, dieselbe auf das dahiesige Schloß in eine ehrbare Gefängnuß zu übersetzen, worin Sie dermahl nicht nur eine Generalbeicht von ihrem ganzen Leben abgeleget, sondern auch bis dato wenigstens äußerliche Zeichen ihrer Bekehrung und reumüthigen Buß merken läßt, ob aber solches von Herzen geht, ist den allwißenden Gott allein bekannt. Gewiß ist es indeßen, daß die höllischen Geister aus der Beseßenen bekennet, Renata erneuere den mit ihnen gemachten Bund alle Nacht, es ist aber auch nur gar zu gewiß, daß Sie Lügenmeister sind, welchen ebensowenig Glauben beygemeßen werden kann als ihrer gewesenen Sklavin Renata. 2. Urtheil. In Inquisitions Sache entgegen und wider die Mariä Renatam Singerin de Moßau des Klosters zu Unterzell prämonstratenser Ordens Professam pcto Magiae, aliorumque delictorum wird allem vor und anbringen nach zu recht erkannt, daß nach dem die Requisitin in dreien Constutis wiederhohlter und freywillig eingestanden hat, was gestalten Sie 1mo eine Hexe und Zauberin seye, 2do mit dem Teufel einen Packt gemacht auch mit Veränderung ihres Nahmens Maria in Ema sich mehrmahlen von ihm in das Hexen Buch habe schreiben, nicht minder 3tio Sich von dem Teufel etwelche Hexen Zeichen an ihrem Leib habe machen laßen, annebens 4to Vermittels einer gebrauchten Hexen Schmier und in einen gefärbten Röcklein öfters ausgefahren seye, und in der Hexenversammlung öfters sich eingefunden, 5to in sotaner Versammlung öfters, außer solcher aber auch einmahl Gott, Mariam und den Heil. Sacramente abgeschworen, 6to Sowohl in als außer berührter Versammlung öfter und in dem Kloster Unterzell mehrere Gemeinschaft und sogar Unzucht mit dem Teufel verbracht, desgleichen 7mo das Hexen dreyen Persohnen außerhalb dem Kloster gelehrt und 8vo die Hexerei, mit Mäüß lebendig machen, und unter Haltung einer redenden Katze selbsten getrieben, durch solche Hexerei 9no nicht nur vermeldem Kloster Probsten und dem Abte zu Oberzell zu beschädigen getrachtet, sondern auch 10mo Andere Leuth außer dem Kloster sowohl als ohngefähr 6 Persohnen in demselben mit Verursachung der Aufzehrung, Glieder Schmerzen, Gichter und dergleichen würklich Schaden zugefügt, ja sogar 11mo 6 von ihren Mitschwestern in dem Kloster mit dem Teufel beseßen, 12mo den Pater Gregorium zu Kloster Ebrach und den Pater Nicolaum zu Kloster Ilmstatt in ihrer Vernunft verwirret, und irrig gemacht, endlichen 13mo die in der heiligen Communion empfangene heil. Hostien mehrmahlen nicht hinuntergeschlungen, sondern solche mit Verwaschung in den See zu dreymahlen in das geheime Ort, ja auch einmahl mit Nadelstopfung in öffentlicher Hexen Versammlung gottesräuberisch mißhandelt habe. – Sie, Maria Renata, wegen diesen schweren verbrechen und Mißethaten aller geistl. Freiheit und Privilegien verlustiget und den weldlichen Richter zu extradiren seye, wie dann hiemit für verlustiget und zu extradiren erklärt wird, von Rechtswegen. Decretum den 23. May 1749.« Hiermit wurde dann von Seiten der bischöflichen Kommission die unglückliche Greisin »dem weidlichen Richter würklich übergeben und überlassen«, und es fehlte dabei auch die stereotype Heuchelei nicht, daß das geistliche Tribunal an das weltliche die »Ersuchung« stellte, es möge »gegen die daseyende arme Sünderin weder zu einiger Tods noch anderer Glieder Stümblungs Straf fürgeschritten werden.« Selbstverständlich wurde die Hexe zum Tode verurteilt und das Urteil mit obligater Einäscherung am oben genannten Junitag von 1749 vollzogen. War hier eine unglückliche Greisin das Opfer einer brutal-blödsinnigen »Rechtspflege«, so mordete diese 7 Jahre später, 1756, zu Landshut in Bayern ein armes Kind, ein vierzehnjähriges Mädchen, welches angeklagt, »überführt« und geköpft wurde, weil es »mit dem Teufel gewettet« hatte. Und auch das ist noch nicht der letzte gerichtliche Hexenmord auf deutschem Boden gewesen. Denn die letzte Hexenhinrichtung auf deutscher Erde fand ja erst im Jahre 1782 im schweizerischen Freistaate Glarus statt. Das Opfer dieses zeitwidrigen Hexenprozesses war eine Dienstmagd, Anna Göldi, welche beschuldigt und »überführt« wurde, durch Hexerei einem Kinde ein Bein gelähmt und es zum Ausspucken von Stecknadeln gebracht zu haben, nachdem sie ihm in einem Zauberkuchen (in einem vom Teufel erhaltenen »Leckerli«, sagen die Akten) »Stecknadelnsamen, welcher im Magen des Kindes aufging«, zu essen gegeben. In Polen und Ungarn florierte der Hexenprozeß noch in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts, der Hexenglaube aber wuchert auch noch im jetzigen üppig im Volke.

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Nr. 204. Tischmesser, Vorschneidemesser, Gabel. (Germanisches Museum.)

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Nr. 205. Lederne Brauttruhe.

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Nr. 206. Lederne Brauttruhe.

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Nr. 207. Lederne Brauttruhe.

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Nr. 208. Lederne Brauttruhe

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Nr. 209. Vanschupen, Alter schützt vor Torheit nicht.

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Nr. 210. Schall, Unliebsame Störung.

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Nr. 211. Verschiedene Trachten. XV. Jahrhundert.

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Nr. 212. M. Zasinger, Die Söhne, die nach der Leiche des Vaters schießen.

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Nr. 213. Fragonard, Übermut.

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Nr. 214. L. von Leyden, Liebespaar.

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Nr. 215. L. von Leyden, Der Spaziergang.

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Nr. 216. P. A. Wille, Anmutiger Vergleich.

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Nr. 217. M. Schongauer, Törichte Jungfrau.

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Nr. 218. Bett. (Nationalmuseum München.)

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Nr. 219. Schrank. (Nationalmuseum München.)

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Nr. 220. M. Schongauer, Törichte Jungfrau.

 


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