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Staatskunst

Viele Kämpfe, Abenteuer, politische Händel, Ärgernisse und Erfolge warteten nun auf Maximilian. Er mußte nach Tirol, das in Gefahr stand, den Habsburgern verloren zu gehen. Dort herrschte der Erzherzog Sigismund, ein wunderlicher Herr, schwach, verschwenderisch und, wie man erzählt, auch im Geist nicht eben sehr hervorragend. Er war wiederholt vermählt und dennoch kinderlos geblieben. Er hegte von früher her irgendeinen unversöhnlichen Groll gegen seinen Vetter, den Kaiser Friedrich, und ließ sich deshalb bestimmen, die tirolische Nachfolge einem bayrischen Prinzen aus dem Hause Wittelsbach zu versprechen. Kaiser Friedrich war furchtbar erzürnt, als er davon Kunde erhielt. Und Maximilian, mit kaiserlichen Vollmachten und Aufträgen wohl versehen, eilte nach Tirol, um die Angelegenheit zu schlichten.

Mit Jubel empfingen ihn hier die Landstände. Sie waren unzufrieden mit Sigismunds lauem, verschwenderischem Regiment, sie hatten eine Abneigung dagegen, dereinst an Bayern zu kommen, und sie wollten für alle Zukunft habsburgisch bleiben. Maximilian aber machte nicht bloß auf die Landstände, sondern auch auf den alten Erzherzog Sigismund einen großen Eindruck. Der arme, alte Herr befand sich in einer üblen Lage. Niemand wollte ihm mehr gehorchen, und die Gefahr eines allgemeinen Aufstandes versetzte ihn beständig in Angst. Was dem Kaiser Friedrich, den Sigismund so haßte, nie gelungen wäre, erreichte Maximilian ohne Mühe. Er brachte den Erzherzog dazu, daß er im öffentlichen Landtag feierlich auf seine Herrschaft über Tirol zugunsten Maximilians verzichtete. Die ganzen Einkünfte des Landes wurden ihm dafür auf Lebzeiten überlassen, so daß Max einstweilen aus Tirol nichts empfing. Ferner behielt Sigismund zwölf Schlösser als Eigentum und das Recht der Jagd im ganzen Lande, denn er war ein eifriger Jäger.

Um seinen Namen, der nun aus der Regierung des Landes und aus der Residenz Innsbruck verschwand, dennoch zu verewigen, nannte der gekränkte, alte Herr sieben von den zwölf Schlössern nach sich selbst: Sigmundsburg, Sigmundshort, Sigmundskron, Sigmundslust, Sigmundsfreud, Sigmundsruh und Sigmundseck.

Maximilian aber war nun Herr in Tirol und im tirolischen Vorland. Dazu erwarb er sich noch die Erbfolge der Grafschaft Görz, des Friaulischen Gebietes, und hatte sich damit auch Triest gesichert. Vieles war damit gewonnen, doch gab es auch wieder einen Verlust, weil eben der Mensch nicht auf zwei Seiten zugleich sein kann. Während sich nämlich Maximilian in Tirol aufhielt und sich anschickte gegen Mathias Corvin nach Niederösterreich zu ziehen, hatte ihm Karl VIII., der König von Frankreich, die reiche Erbin Anna von Bretagne weggeschnappt. Anna von Bretagne war gerade so wie einst Maria von Burgund nach dem Tode ihres Vaters allein und schutzlos zurückgeblieben, und viele Freier bewarben sich um ihre Hand. Auch Maximilian hegte die Absicht, sich der jungen Prinzessin zu vermählen und ihr blühendes Land mit den flandrischen und Brabanter Ländern unter habsburgischem Szepter zu vereinigen. Wie immer, wenn er als Freier auftrat, schlug er alle Nebenbuhler aus dem Feld. Anna von Bretagne entschied sich augenblicklich für ihn und schickte Boten über Boten, um ihn ins Land zu holen. Maximilian, den dringende Geschäfte zurückhielten, der wohl auch keine Frau mehr so aufrichtig liebte, wie er Maria geliebt hatte, entsandte eine Abordnung und ließ die Vermählung durch einen Stellvertreter feiern, der für Maximilian den Ehekontrakt unterzeichnete und an seiner Statt mit Anna zum Altar schritt. Von jetzt ab betrachtete sich Anna von Bretagne als Gemahlin Maximilians und nannte sich Königin. Karl von Frankreich aber fiel darauf kriegerisch in die Bretagne ein und zu gleicher Zeit bewarb er sich eifrig um Annas Hand. Anna machte in ihrer Bedrängnis mit Recht geltend, sie sei schon ehelich gebunden. Karl aber ließ ihr sagen, er habe den Dispens des Papstes erwirkt, ihre Ehe mit Maximilian sei ungültig; und er bestach alle ihre Räte, so daß Anna ganz verlassen war. Sie fand niemand mehr, der sich ihrem Befehl beugte, man sagte ihr, Maximilian denke gar nicht im Ernst daran, sie zum Weibe zu nehmen, und da er denn auch nicht kam, da sie sich allein und ohne Hilfe den Franzosen preisgegeben fand, willigte sie endlich ein. Sie vermählte sich mit Karl VIII., trat die Bretagne an die französische Krone ab und wurde statt römische Königin Königin von Frankreich.

Maximilian fühlte sich von diesem Ereignis doppelt getroffen und doppelt beleidigt. Denn es war ihm nicht nur ein Schimpf, daß ihm der König Karl die Frau wegnahm, die er sich schon hatte antrauen lassen und die er denn auch als seine rechtmäßige Gemahlin achtete; Karl VIII. beging mit dieser Tat noch eine zweite Treulosigkeit, denn Karl war doch, wie man sich erinnern wird, von Kindheit an mit Maximilians Tochter Margarethe durch festen Vertrag verlobt.

Die kleine Margarethe lebte schon seit ihrem zweiten Jahre fern von ihrem Vater in Frankreich, wo sie im Schloß Amboise zu Karls Gattin und Königin von Frankreich erzogen worden war. Außerdem befand sich Karl schon lange im Besitze von Margarethens Mitgift, der Freigrafschaft und Artois.

Ganz Deutschland empfand die Treulosigkeit, die Maximilian angetan worden war, und es sind Lieder darauf gedichtet worden, die im Volk gesungen wurden.

Auch die ungarischen Angelegenheiten gaben Maximilian viel zu tun. Mathias Corvin saß müde und krank zu Wien und hätte gern einen möglichen Frieden geschlossen. Maximilian wäre auch mit ihm einig geworden, allein der Kaiser, der in Linz Hof hielt, war unerschöpflich in neuen Forderungen und in neuen Ansprüchen, und die Verhandlungen zogen sich in die Länge. Trotzdem gelang es der Geschicklichkeit Maximilians, den König Corvin zu einem Erbfolgevertrag zu gewinnen. Ehe aber noch die ungarischen Magnaten ihre Zustimmung gegeben hatten, starb Mathias, und seine Krone ward frei.

Nun drang Maximilian in Niederösterreich ein und jagte hier die ungarischen Besatzungen vor sich her. Nach kurzem Kampfe eroberte er Wien, wo ihn die Bürgerschaft, die unter Mathias Corvin unzufrieden gewesen war, mit laut aufbrausender Freude willkommen hieß. Die Ungarn jedoch, vor denen Maximilian seinen Erbfolgevertrag geltend machen wollte, beriefen sich auf ihr Recht der freien Königswahl und erkoren den Böhmenkönig Wladislav zum König von Ungarn.

Maximilian war aber nicht der Mann, der sich damit begnügte, das Stammland Niederösterreich seinem Hause wiedergewonnen zu haben. Er strebte jetzt auch danach Ungarn zu erobern, dessen Szepter ihm nach seiner Meinung gebührte. Er rückte von Wien aus über den Leithafluß, brach einige Burgen, belagerte Stuhlweißenburg und erstürmte diese Festung, die sich ihm nach hartem Kampf ergeben mußte. Es schien, als ob nichts seinen Siegeslauf sollte hemmen können, und er war denn auch im Begriffe, geradewegs auf die ungarische Hauptstadt zu marschieren, alles stand gut für ihn, eine Partei im Lande erhob sich für seine Herrschaft gegen den Böhmenkönig: da ließen ihn seine eigenen Truppen im Stich. Die Landsknechte verlangten nach der Einnahme von Stuhlweißenburg ihren rückständigen Sold, sie erklärten, sie hätten die vereinbarte Zeit abgedient, wollten nicht länger unter den Waffen bleiben, verweigerten den Gehorsam und zogen ab. Maximilian blieb nichts anderes übrig, als den ungarischen Feldzug mit dem halben Gelingen, das er bis jetzt erreicht hatte, abzubrechen.

Es kam zwischen ihm und Wladislav zum Frieden, in welchem die ungarische Erbfolge nach Wladislavs dereinstigem Absterben wiederum Maximilian zugesprochen erhielt. Auch mit Frankreich kam er zum Frieden und erhielt seine Tochter Margarethe nebst dem Brautschatz zurück. Waren bisher freilich nicht alle seine Pläne gelungen, so war ihm doch in diesen Jahren vieles reif geworden. Die Niederlande waren gebändigt, Österreich unter der Enns samt Wien und Neustadt zurückerobert und Tirol mit dem Vorland gewonnen.

Maximilian spann rasch wieder neue Pläne. Er brauchte Geld und heiratete Bianca Sforza, die Nichte des Herzogs von Mailand, die ihm eine Mitgift von sechshunderttausend Dukaten brachte. Auch hegte er dabei die Hoffnung, vielleicht selbst einmal in der Lombardei festen Fuß zu fassen. Bianca Sforza kam, vom Markgrafen von Baden und von Eitelfritz von Zollern geleitet, über die Alpen. Maximilian traf sie in Hall und feierte zu Innsbruck in großer Pracht seine Hochzeit mit ihr.

In diesem selben Jahr, im Sommer 1493, starb Friedrich III., hochbetagt und altersmüde, und Maximilian war Kaiser.


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