Friedrich von Sallet
Kontraste und Paradoxen
Friedrich von Sallet

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kapitel XV

Indes sollte Junius sein Leben nicht so froh und voll fortgenießen. Herr Habichs begann in seinen Nachforschungen über den Zustand seiner Kenntnisse, namentlich in der edlen praktischen Rechenkunst, immer dringender zu werden und den Herrn Nicodemus in die Klemme zu treiben. Zwar wurde er für den Augenblick immer mit Arbeiten, die Nicodemus gerechnet und Junius nur abgeschrieben hatte, abgespeist; aber er fand, es sei nun endlich Zeit, daß der Junge diesem unnützen Lungerleben entsage und in die Mysterien des Bureaus eingeweiht werde, um ein brauchbares, d. h. gelderwerbendes Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden. Von Zeit zu Zeit warf er hierüber Andeutungen hin, indem er Herrn Nicodemus ermahnte, mit Eifer daran zu gehen und den Jungen nicht so viele Stunden arbeitslos zu lassen. Nicodemus suchte den Feldzug durch ein schlaues Manöver in die Länge zu ziehn, indem er anfing, die Fortschritte seines Zöglings wieder weniger warm zu loben und zuletzt ihm sogar Nachlässigkeit und Mangel an Kopf zur Last legte. Aber Herr Habichs ging darauf nicht im mindesten ein und beschleunigte die Katastrophe, indem er sechs Wochen vor dem vierzehnten Geburtstag des Junius kategorisch erklärte: an diesem Geburtstage müsse Junius ins Bureau eintreten und Herr Nicodemus auf alle Fälle entlassen werden; wenn Junius sich fähig zeige, mit einer namhaften Gratifikation, außer seinem Solde, und mit Empfehlung an andere Häuser; wenn unwissend, ohne Gratifikation und Empfehlung. Hierüber fuhr Herrn Nicodemus ein bedeutender Schreck in alle Glieder. Seine stolze Zuversicht in Hinsicht auf das Manuskript war nämlich seit einiger Zeit, wie der Leser gleich erfahren wird, bedeutend zum Wanken gebracht worden, und der Verlust der Gratifikation und Empfehlung daher sehr empfindlich. Auch hatte er, obgleich nicht übermäßig viel, doch einige Ehre im Leibe, und schämte sich, den Knaben so total unwissend in den zwölfeckigen Turm zu senden, wobei natürlich sein trügerisches Spiel sich entdeckt haben würde. In seiner Seelenangst verfiel er jetzt aufs Unmögliche, das ihm seine von Furcht und Verzweiflung erhitzte Einbildungskraft erst als versuchbar, dann als tunlich, endlich als ganz leicht ausführbar darstellte. Er hatte ja noch sechs Wochen Zeit und entschloß sich kurz und gut, in diesen, da Junius in andern Dingen einen offenen Kopf gezeigt hatte, das Versäumnis von einigen Jahren in bezug auf die edle Rechenkunst nachzuholen. Plötzlich eine ernste, unzugängliche Miene annehmend, als ob er mit Junius nie in unerlaubtem Einverständnis gestanden hätte, machte er diesen ganz kurz, kalt und streng mit dem Entschluß und dessen Notwendigkeit bekannt, und nun sperrte er sich fast den ganzen Tag mit ihm ein und fing an zu demonstrieren und zu examinieren. Aber wie erstaunte und entsetzte er sich, als er den Kopf des Knaben nach dieser Seite hin, so fest und unzugänglich zugebaut fand, wie je! Alles Sichzerarbeiten, alles Tyrannisieren, alles Drehen, Sichungeberdigstellen und Ausderhautfahrenwollen half zu gar nichts; er hatte einen unüberwindlichen Dummkopf vor sich. »Aber Mensch, so begreife doch! sei doch nicht so ungeheuer borniert!« brüllte er ihn oft in herrischer Verzweiflung zu; aber des Schülers Fassungskraft hatte keine Subordination und begriff nicht. »Unseliger Mensch! (winselte dann Nicodemus) du machst mich unglücklich und stürzest mich in Schimpf und Schande, du bringst mich an den Bettelstab! 0 hätte ich nie dieses Haus betreten!«

Indem er auf so ungerechte Weise dem Knaben alle Schuld beimaß, die er doch selbst in reichem Maße teilte, wurde dieser, der zuerst aus Mitleid mit dem Lehrer sich wirklich vergebens angestrengt hatte, endlich gar störrig und trotzig, und nun war gar nichts mit ihm anzufangen. Die Lehrstunden wurden lediglich zu Jammer- und Verzweiflungsmonologen des Nicodemus, durch die ganze Tonleiter der Leidenschaft hin durchgeführt. – Aber jetzt muß berichtet werden, wodurch Nicodemus sein Manuskriptsicherheits- und Selbstgefühl so bedeutend eingebüßt hatte. Er hatte sich den nahenden Zeitpunkt seiner Entlassung ziemlich richtig vorausberechnet und sich deshalb mit einer, bei einem deutschen Gelehrten seltenen, Entsagung und Entschlossenheit aus dem ihn erstickend überschüttenden Detailkram seiner Materialien kräftig herausgerissen, alle Bedenklichkeiten und Peinlichkeiten von sich geschüttelt und sein dickes Manuskript wirklich vollendet, obgleich erst nach unzähligen Bearbeitungen. Sein Gefühl in diesem Augenblicke vermag meine Feder nicht zu schildern. Nur wer im Leben selbst schon einmal ein dickes Buch geschrieben hat, kennt den feierlichen Augenblick, der uns sogar vergessen läßt, daß das Buch doch nicht für uns allein geschrieben sei, sondern auch für andere Leute, daß es deshalb gedruckt werden müsse, und daß man dazu (o traurige, eiserne Notwendigkeit!) durchaus einen Verleger brauche. Doch hierüber bekümmerte sich der unerfahrene Nicodemus am wenigsten. Er wußte, daß sein Buch voll der neuesten und interessantesten Aufschlüsse über die darin behandelte Wissenschaft sei und hielt keinen Buchhändler für so total verblendet und von Gott verlassen, daß er nicht mit beiden Händen zugreifen würde. Er sann nur nach, welcher von den zahlreichen und bedeutenden Buchhändlern in jener Stadt der würdigste sei, um ihm die Auszeichnung und den Vorteil des Verlages zu gönnen. Aus alter Freundschaft fiel er zuletzt auf denjenigen, von dem er bisher seinen Bücherbedarf bezogen hatte. Er ließ das Manuskript schön einbinden, schrieb einen sehr gelehrten und, wie er meinte, unüberwindlich überzeugenden Brief, worin er den Standpunkt des Werkes und seine Stellung zu den bisher entwickelten Grundsätzen auseinandersetzte, und schickte das Ganze getrost dem Buchhändler zu. Mit pochendem Herzen wartete er mehrere Tage auf Antwort; in dieser Zeit wagte er es nicht, vor dem Buchhändler vorbeizugehn. Er zählte die Tage: Jetzt hat er es angefangen zu lesen. – Jetzt hat er es durchgelesen (oder durchlesen lassen). – Jetzt nimmt er es, sonst müßte er mir's heut' gewiß zurückgeschickt haben. Aber mehrere Tage nach diesem: Heut' erhielt er auf einmal sein Manuskript zurück mit folgendem Briefe:

»Indem ich mich beeile, Ew. Wohlgeboren für den mir so ehrenvollen Verlagsantrag meinen angelegentlichsten Dank abzustatten, sehe ich mich leider genötigt, Ihnen anbei das mir übersandte Manuskript dankend zu remittieren, da meine Pressen bis zu Ostern des nächsten Jahres mehr als überflüssig beschäftigt sind.

Wenn mir übrigens unser bisheriges freundschaftliches Verhältnis ein Recht gibt, Ihnen meine Meinung offen zu sagen, so muß ich gestehen, daß die Herausgabe Ihres Werkes wohl immer ein gefährliches und in Hinsicht des Erfolges sehr zweifelhaftes Unternehmen bleiben möchte, da die darin entwickelten Ansichten (wie ein gelehrter Sachkenner mir versichert) sich durchaus keinem der in dieser Wissenschaft jetzt vorherrschenden Systeme anschließen. Sollten Ew. Wohlgeboren sich auf diesen meinen wohlmeinenden Rat vielleicht bewogen fühlen, Ihr Werk, mit Benutzung der für den Augenblick angesehensten Schriftsteller in diesem Fache, umzuarbeiten und dadurch manche vielleicht allzu paradoxe Ansicht zu rektifizieren, so würde ich vielleicht später einmal imstande sein, billigen Wünschen in Hinsicht auf die Verlagsannahme entsprechen zu können. Mit besonderer Hochachtung usw.«

Man denke sich des Nicodemus Zorn! Über Jahr und Tag hatte er emsig nur auf oftmalige Durch- und Umarbeitung des schon fertigen Werkes verwandt und nun kommt ein ununterrichteter Buchhändler, nimmt gegen ihn den Ton eines überlegenen, belehrenden Ratgebers an und mutet ihm eine nochmalige Umarbeitung zu, und welche! Das, was seinem Werke in seinen Augen allein Wert gab: die neuen, noch nirgends hingestellten Ansichten und Aufschlüsse, sollte er ausmerzen und dem Modeschlendrian zum Opfer bringen! Dazu hätte er wahrhaftig nicht das Guckglas des Holofernes nötig gehabt. In ungerechtem Unwillen schob Nicodemus alles auf die Unwissenheit des Buchhändlers, den er von nun an herzlich verachtete. Ach! er kannte nicht die mächtige Verkettung des Cliquenwesens und konnte mithin den Brief des Buchhändlers gar nicht verstehn. – Schon denselben Tag wanderte das Manuskript mit dem ersten Briefe, nur Veränderung der Adresse und des Datum kopiert in eine andere, angesehene Buchhandlung. Neues, ängstliches Harren und Hoffen! »Der wird doch wohl nicht eben so vernagelt sein, als der erste!« dachte Nicodemus. Die Antwort blieb länger aus, als die vorige, was Nicodemus schon als ein sicheres Zeichen guten Erfolges ansah. Da kam plötzlich Antwort – und Manuskript. Erstere lautete:

»Leider sehe ich mich nicht im Stande, dem mir von Ew. Wohlgeboren gemachten ehrenvollen Verlagsantrage zu entsprechen, da meine Pressen bis zu Ostern des nächsten Jahres mehr als übermäßig beschäftigt sind. Ich beehre mich demgemäß, Ihnen anbei das Manuskript dankend zu remittieren. Sollten Ew. Wohlgeboren sich vielleicht entschließen, das Werk (wozu ich unmaßgeblich raten möchte) auf Ihre eignen Kosten drucken zu lassen, so erbiete ich mich mit dem größten Vergnügen, dasselbe in Kommission zu nehmen. Mit der Versicherung, daß ich mirs zur besonderen Ehre schätzen werde, vielleicht später einmal mit Ew. Wohlgeboren in literarische Verbindung zu treten etc.« –

(Der sachkennende, zwischen den Zeilen lesende Leser übersetzt die letzte Stelle also: »Wenn Sie einmal ein recht berühmter Mann werden sollten, so daß bei der Herausgabe Ihrer Werke gar kein Risiko, sondern ein glänzender Profit außer allem Zweifel ist, so bitte ich mir Ihre Kundschaft aus.)

Nicodemus war die Sache nun schon einigermaßen gewohnt, deshalb war sein Zorn geringer, sein Kleinmut aber desto größer. »Es ist erstaunlich (sagte er bei sich), wie viel heut zu Tage gedruckt werden muß! Auch der hat seine Pressen übermäßig beschäftigt! Nun, es gibt ja mehr Buchhändler; bei einem wirds doch wohl gelingen.« Und am selben Tage wanderte das Manuskript wieder fort; aber diesmal mit einem neuverfaßten Briefe, der noch eindringlicher war, als der erste, und in dem Nicodemus es nicht verschmäht hatte, ziemlich unverschämt zu prahlen. Der Arme! er bildete sich ein, einem Buchhändler könne man durch Prahlerei imponieren.

Antwort des dritten Buchhändlers.

So sehr ich mich durch Ew. Wohlgeboren gütigen Verlagsantrag geehrt fühlen muß, so sehe ich mich doch für den Augenblick genötigt, Ihnen anbei das mir zugekommene Manuskript mit besondrem Dank zu remittieren, da meine Pressen bis zu Ostern des nächsten Jahres mehr als übermäßig beschäftigt sind.

Dürfte ich, als ein Fremder, es wagen, Ew. Wohlgeboren einen wohlmeinenden Rat unmaßgeblichst zu erteilen, so muß ich Ihnen, als mit dem Geschäft vertraut, bekennen, daß wissenschaftliche Werke jener ernsten und systematischen Art, wie das Ew. Wohlgeboren, da sie hauptsächlich nur für Gelehrte selbst berechnet sind, immer einen sehr unsichern, verhältnismäßig wenig umfangreichen und auf jeden Fall außerordentlich langsamen Erfolg zu haben pflegen. Der leicht fortschreitende Zeitgeist kann sich in seinem unaufhaltsamen Triumphzuge nicht mehr damit befassen, allzuschwere Ware, die ihn nur hemmen würde, in seinen Phaeton zu packen. Auch hat das in unsrer Zeit immer siegreicher hervortretende Prinzip geistiger Verallgemeinerung den Gelehrten längst ihre Existenz, als eine besondere, starr abgeschlossene Kaste negiert. Ihr Werk möchte demnach, so verdienstvoll und gediegen es sein mag, wenig zeitgemäß erscheinen; doch würde es Ew. Wohlgeboren, als einem Mann von Geist, gewiß nicht schwer fallen, das darin enthaltene treffliche Material auf eine zeitgemäßere Weise zu verwenden.

Es ist ein erhebender Anblick für den humanen und aufgeklärten Mann zu sehen, wie die geistige Richtung unsres Jahrhunderts ihr Streben immer entschiedner der Volksbildung, im edelsten ausgedehntesten Sinne des Wortes, zuwendet. Auch der Buchhandel hat sich hierin andern erhabnen Institutionen angeschlossen, und es ist manche schöne Anregung von ihm unter alle Klassen des Volkes ausgegangen. Die Hauptbedingnisse sind hierbei große Wohlfeilheit und allgemeinste Faßlichkeit eines Werkes. Sollten Ew. Wohlgeboren es über sich gewinnen können, Ihr Werk dergestalt umzuarbeiten, daß alles gar zu Wissenschaftliche und Schwierige ganz wegfiele, das Übrige in populärer Diktion dargestellt, das Belehrende hier und da mit unterhaltenden, anekdotischen Elementen angenehm verflochten würde, so würde ich mich vielleicht später einmal, wenn Zeit und Mittel sich günstiger gestalten, imstande sehen, das so veränderte Werk in einzelnen Pfennigslieferungen, mit Holzschnitten verziert, nach und nach herauszugeben. Gewiß werden Ew. Wohlgeboren die Gelegenheit nicht versäumen, sich durch tätige Mitwirkung zu einem so erhabnen Zwecke: Erhöhung der allgemeinen Volksbildung den Dank der ganzen Menschheit zu verdienen etc.«

Aber diesmal wurde Nicodemus doch wieder wüthend. »O ihr krassen Ignoranten! (rief er) O seichtes Zeitalter, in dem die Wissenschaft zu bunten Läppchen zerrissen wird, damit die Kinder damit spielen! Aber es ist nicht wahr! Der Kerl lügt in den Hals hinein. Nein, Gott sei Dank! die deutsche Gelehrtenrepublik wird die alte gediegne Gründlichkeit gegen alle Angriffe des leichtfertigen, verflüchtigenden Zeitgeistes als ein teures Palladium siegreich verteidigen. – Und auch dieses Menschen Pressen sind wieder übermäßig beschäftigt! Was drucken denn die Kerls eigentlich? Was für Raritäten haben sie denn, die sie in Stand setzen, gediegne, wissenschaftliche Werke von sich abzulehnen? O! ich beginne es zu merken. Solchen unsinnigen, ungesunden Kram, wie ich der Frau Habichs zu lesen bringe, auf den werden sie wohl vor allem andern ausgehn, weil das Zeug an der Mode ist, und weil für einen gescheiten Menschen, der gern ein gutes Buch liest, sich sicherlich immer fünfzig Toren und Liederliche finden, die nichts lesen wollen, als schlechtes Zeug. Und wenn sie von diesem Unrat nichts mehr bekommen können, dann sehen sie zu, ob sie auch für ein einzelnes, besseres Buch noch Platz haben. Das ist unedel, das ist schändlicher Eigennutz! – Dabei vergaß Nicodemus freilich, daß er selbst sein Werk hauptsächlich des Geldes wegen begonnen hatte, und daß ein Buchhändler ein Kaufmann ist, nichts weiter, mithin jeder andre Maßstab, sein Tun zu beurteilen, ungerecht. Das Manuskript marschierte jetzt an einen vierten.

Antwort des vierten Buchhändlers.

Ew. Wohlgeboren scheinen Sich in der Art meiner Verlagsunternehmungen vollkommen geirrt zu haben. Ich beehre mich daher, Ihnen das mir zugesendete Manuskript anbei zu remittieren, da ich wissenschaftliche Werke der Art nie zu verlegen pflege, und da überdies meine Pressen bis zu Ostern des nächsten Jahres mehr als übermäßig beschäftigt sind.

Übrigens ist der Absatz meiner Artikel nicht der Art, daß ich imstande wäre, glänzende Honorare zu zahlen. Ich zahle den jungen Leuten, die ich zum Übersetzen französischer und englischer Romane und zur Anfertigung deutscher Räuber- und Ritterromane angestellt habe, pro Pfund normalmäßiges Manuskript 20 Rthlr., womit Ew. Wohlgeboren sich wohl schwerlich begnügen könnten. Sollte dies wider Erwarten doch der Fall sein, so bin ich bereit, es ausnahmsweise einmal mit dem mir angebotnen wissenschaftlichen Werke zu versuchen, wenn meine Pressen erst die bedeutenden vorliegenden Arbeiten beseitigt haben werden etc.«

Antwort des fünften Buchhändlers.

Ew. Wohlgeboren mir äußerst ehrenvollem Verlagsantrage kann ich leider nicht entsprechen, da ich mich hauptsächlich nur mit Damenliteratur abgebe, und da außerdem meine Pressen bis zu Ostern des nächsten Jahres mehr als übermäßig beschäftigt sind. Sollten Sich Ew. Wohlgeboren jedoch dazu entschließen können, dem Werke eine andere, der Tendenz meiner Verlagshandlung entsprechende, Gestaltung zu geben, so würde ich mich, wenn der Druck der von mir in Verlag genommenen 6 Damentaschenbücher fürs nächste Jahr erst vollendet sein wird, vielleicht imstande sehn, Ihren Wünschen zu entsprechen. –

Unter den vielen neuen Ideen, die die fortschreitende Kultur und Humanität unsres Jahrhunderts angeregt haben, möchte wohl namentlich die Berechtigung des zarteren Geschlechts zu geistiger Gleichstellung mit dem stärkeren zu einer sozialen Lebensfrage geworden sein. Geistreiche Schriftsteller haben sich der ehrenvollen Aufgabe unterzogen, die Früchte ihres Denkens diesem erhabenen Zwecke: der bisher vernachlässigten geistigen Ausbildung des Weibes, opfernd darzubringen.

Sollten Ew. Wohlgeboren nicht abgeneigt sein, Sich dieser ehrenwerten Reihe humaner Männer anzuschließen, so hätte ich Ihnen zwei unmaßgebliche Vorschläge zu machen, nämlich:

Entweder Ihr Werk umzuarbeiten und in Briefe an eine Dame sachgemäß einzukleiden. Natürlich müßte alles trocken Wissenschaftliche dabei wegbleiben, so wie auch alles etwa Anstößige (als die Begattung der Pflanzen) möglichst zart und verhüllt behandelt werden.

Ein blühender Stil wäre zu empfehlen und ein leicht eingeflochtenes Liebesverhältnis zwischen dem Briefsteller und der fiktiven Briefempfängerin würde für das schöne Geschlecht eine angenehme Zugabe sein und heitren Wechsel der Gegenstände bewirken.

Oder aber Ew. Wohlgeboren kleiden das Ganze in einen hinzu zu erfindenden Roman ein, und verwenden das Material Ihres Werkes in demselben zu didaktischen Episoden. Für eine elegante und zierliche Ausstattung würde ich Ew. Wohlgeboren bürgen.

Doch alles das überlasse ich am besten Ew. Wohlgeboren feinem Takte und bin mit ausgezeichneter Hochachtung etc.«

So schickte Nicodemus sein Manuskript von einem Buchhändler zum andern. Er wurde mutloser und mutloser. Zuletzt versank er in eine dumpfgleichgültige Verzweiflung und fuhr mit dem Herumschicken fast mehr aus Gewohnheit, als aus Hoffnung fort. Er hatte bereits 12 abschlägige Antworten erhalten, die, bei sonstiger Verschiedenheit, alle wunderbar in dem Refrain übereinstimmten: Da meine Pressen bis zu Ostern des nächsten Jahres mehr als übermäßig beschäftigt sind. Erstand mit dem 13ten Buchhändler in Verhandlung, als noch vier Wochen an dem verhängnisvollen Termin fehlten, wo Junius, mit Rechenkunst ausgestattet, ins Bureau eintreten sollte.


 << zurück weiter >>