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12.
Allerlei Händchen.

Was dem einen recht, ist dem andern billig. Haben wir der Füßchen so ausführlich gedacht, wollen die kleinen Hände nicht schlechter sein.

Es präsentiren sich:

Händchen, die lustig einpatschen in die zum Gruß dargebotene Freundeshand.

Händchen, die Küßchen zuwerfen und, so klein sie sind, auf das zärtlichste liebkosen und streicheln können.

Händchen, die darauf ertappt werden, den Daumen zum Saugen in den Mund zu stecken.

Händchen, die den Tischfuß schlagen, an dem sich der Kopf gestoßen.

Händchen von früh entwickeltem Ortssinn, die den Bonbon in der Kleidtasche der Großmutter mit unfehlbarer Sicherheit zu finden wissen.

Händchen, die nicht eher Ruhe haben, als bis sie ergründet, wie das Spielzeug inwendig aussieht.

Händchen, von der Sonne verbrannt – als trügen sie Handschuhe von braunem dänischen Leder, die uns aber doch lieber, als elegante, stutzerhafte Händchen mit wirklichen Glacé-Handschuhen und einem Spazierstöckchen, wie aus dem Modejournal geschnitten.

Händchen, die, wenn der Vater das Kind auf dem Arme trägt, in ihrer Kleinheit und Zartheit einen anmuthigen Gegensatz bilden zu der starken, breiten Mannesschulter, an der sie sich festhalten.

Händchen, die ein roth und schwarz geflecktes Marienkäferchen auf sich herum kriechen lassen.

Händchen, die, von einer großen Hand geführt, Briefchen schreiben.

Jähzornige Händchen, die gleich darauf losschlagen, ohne daß sie jemand gelehrt, ein Fäustchen zu machen.

Händchen, die an trübe belaufenen Fenstern allerlei Krickelkrackel malen.

Freigebige Händchen, die gerne von ihrem Zuckerbrode »abgeben« und zwar ohne Vorbehalt, das Abgebissene unaufgegessen wieder zurück zu bekommen.

Händchen, denen es ein Vergnügen ist, im vollen Laufe weit vorgestreckt, an die Stubenthüren anzuprallen.

Händchen, die sich mit hochgeschwelltem Selbstgefühl in die Taschen der Höschen versenken; es will aber auch etwas heißen, Höschen mit Taschen zu haben – mit zwei Taschen!

Händchen, die »allein zubinden und zuhaken –« ja mit Beistand der aufkletternden Füßchen auch schon bei Rademachers an den hohen Klingelzug der Haustüre » selbst reichen können«.

Händchen, die, vor das Licht gehalten, mit den blutroth durchleuchteten Fingerchen ergötzendes Staunen hervorrufen.

Händchen, die beschämende Rübchen schaben.

Händchen, die hoch herab von Treppengeländern etwas niederfallen lassen mit dem Zuruf: »fang' auf!«

Händchen, die Federvieh füttern und ausgelacht werden, wenn sie vor dem dreist vordringenden Enterichschnabel retiriren.

Händchen, die sich darauf verlassen können, »wenn sie das noch einmal thun«, einen ganz gehörigen Klaps zu kriegen.

Naschhafte Händchen, die mit den Fingerspitzen auf dem Tische verstreute Krümel von Zucker und Gebäck auftippen.

Verwegene Händchen, die dem fremden Neufundländer den Kopf krauen, unbekümmert, ob er beißt oder nicht.

Tollkühne Händchen, die das Kind einer noch größern Gefahr aussetzen, und mir nichts dir nichts den Pferden Haare aus dem Schwanze reißen.

Händchen, die Stricknadeln über dem Rande von Tischplatten oder Fensterbrettern melodisch schwirren lassen.

Händchen, die, geheimnißvoll hinter dem Rücken verborgen, die spannendste Erwartung wecken mit der Frage: »rechts oder links? ... unten oder oben?«

Händchen, die an unfreundlichen, naßkalten Herbsttagen, wo alle Welt fröstelt, aber doch noch nicht geheizt wird, rein aus innerem Lebensfeuer, sich so warm wie frisch von der Ofenplatte genommene Bratäpfel anfassen.

Händchen, deren Daumen beim Kartengeben beleckt wird, damit das Blatt besser haftet und nicht mit dem folgenden zusammenklebt, wie Kinderkarten gerne thun.

Händchen, die mit ihrem kleinen Werkzeug allerlei Schnitzereien ausführen und sich einen Duft aneignen wie die ächten Holzhacker.

Händchen, die mit ihren vis-à-vis klatschend zusammen schlagen, einmal das rechte, einmal das linke, und dann beide zugleich.

Händchen, die andere Händchen drücken und sich von ihnen drücken lassen, um zu sehen, wer besser drücken und wer am längsten aushalten kann.

Endlich Händchen, die sich im Gesellschaftsspiel mit anderen Händchen schichtweise übereinander legen, so daß die unten hervorgezogenen immer wieder obenauf zu liegen kommen, immer schneller und schneller, bis zuletzt allgemeine heitere Verwirrung ausbricht, in der ein jedes tapfer daraus losschlägt und sich seiner Haut wehrt, so gut es kann.

Das ist unser Sortiment auserlesener Kinderhändchen.

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