Poggio Fiorentino
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6.
Von einer Witwe, die heftiges Verlangen nach einem Bettelmönch hatte.

Die Heuchler sind die schlimmste Sorte Menschen auf der Welt. Eines Tages kam in meiner Gegenwart in einer Gesellschaft die Rede auf dieses Gezücht, und es wurde gesagt: ihnen fließe alles in reichem Maße zu; denn wenn sie auch noch so sehr auf Würden und Reichtum ausseien, suchten sie doch den Anschein zu erwecken, als ob sie nur mit Widerwillen und allein aus Gehorsam gegen ihre Oberen Auszeichnungen annähmen. Da bemerkte einer der Anwesenden: »Sie gleichen einem heiligen Mann, namens Paolo, der zu Pisa wohnte, einem von jenen, die man Apostel nennt, und die vor den Haustüren zu hocken 15 pflegen, ohne um etwas zu bitten.« Und als wir ihn aufforderten, uns zu erklären, was es mit diesem Paolo für eine Bewandtnis habe, erzählte er: »Paolo, der wegen der Heiligkeit seines Lebenswandels il Beato genannt wurde, saß bisweilen vor der Tür einer Witwe, die ihm Almosen in Gestalt von Speisen reichte. Er war ein schöner Mann, und da sie ihn öfter sah, verliebte sie sich in ihn und forderte ihn jedesmal, wenn sie ihm zu essen gegeben hatte, auf, doch am andern Tage wiederzukommen, sie würde ihm ein gutes Mahl bereiten. Als er auf diese Weise häufig vor das Haus der Witwe gekommen war, bat diese ihn eines Tages, doch hereinzukommen und im Hause zu speisen. Paolo willigte gern ein und schlug sich den Leib tüchtig voll mit Speise und Wein. Als er fertig war, umarmte und küßte ihn das Weib, das es vor Verlangen kaum mehr aushielt, und schwor, ihn nicht eher ziehen zu lassen, bevor er sie nicht befriedigt hätte. Er aber tat, als wolle er von dem Spiel nichts wissen, als erfülle ihn die Brunst der Witwe sogar mit Abscheu, doch schließlich, als sie noch schamloser in ihn drang, sagte er, gleich als weiche er nur der Gewalt: »Da du nun einmal etwas so Übles tun willst, rufe ich Gott zum Zeugen an, daß die Schuld ganz auf deiner Seite ist, und ich keinen Teil 16 daran habe. Ergreife selbst das verfluchte Fleisch (denn schon stand das Glied) und bediene dich seiner nach Gefallen; es sei ferne von mir, es auch nur anzurühren.« Und so befriedigte er das Weib gegen seinen Willen, und da er so enthaltsam gewesen, sein Glied nicht zu berühren, konnte er alle Schuld auf die Verführerin schieben.

 


 


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