Johann Nestroy
Der Unbedeutende
Johann Nestroy

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dritter Akt

Hofraum im Schlosse des Barons. Rückwärts über die ganze Breite der Bühne ein Trakt des Schlosses mit praktikablem Tor; rechts ein Vorbau des Schlosses mit terrassenförmigem Aufgang, welcher zur Eingangstüre führt. Links zieht sich ein Gitter mit praktikablem Gittertor, welches nach dem Vorplatz des Schlosses führt, bis nach dem Vordergrunde.

Erste Szene

Franz, Rumpf.

Franz. Der Baron is wütend auf die alte Fräul'n.

Rumpf. Er spricht von Untersuchungsverzweigung, Mitwissenschaft, Helfershelferei. Sie hat ja deswegen von Schloß Eschenau hereinmüssen.

Franz. Wenn man da den Herrn Puffmann dreinbringen könnt', diesen – ich mag gar nicht sagen, wer er ist –

Rumpf. Ruhig, er ist mein Bureauchef, mir tut 's Herz weh, wenn wer über ihn schimpft, weil ich in meiner Stellung nicht nach Gusto mitschimpfen kann.

Franz. An Ihnen hat er auch schmählich gehandelt.

Rumpf (mit tiefer Kränkung). Weiß der Franz, was das heißt, dem Amtspersonale die Sporteln entziehn?

Franz. Uns Dienerschaft hat er's ebenso gemacht.

Rumpf. Wie gesagt, mir erlaubt meine ämtliche Stellung nicht –

Franz. Setzen wir uns bei mir drin zusamm' zum zweiten Gabelfrühstück.

Rumpf. Das erlaubt meine ämtliche Stellung, ich lass' es mir wenigstens nicht verbieten von ihr. (Geht mit Franz links im Hintergrunde ab.)

Zweite Szene

Peter, Frau Hußbergerin, Hansi (treten durch das Gittertor links ein).

Peter (zu Frau Hußbergerin). Es is ihm gestern nix g'schehn und ebensogut garantier' ich der Frau heut' wieder Ihren ganzen, unverletzten Hansi.

Frau Hußbergerin. Im Grund kann er ja doch nix davor, der Hansi.

Peter. Das is g'wiß. Der Wind kann auch nix davor, daß er d' Regenwolken z'sammentreibt, deswegen muß er aber doch hernach die Erde trocknen, die er durch die dritte Hand naßgemacht hat; ebenso muß jetzt der Hansi helfen, das Unheil gutzumachen, was er unschuldig herbeig'führt hat.

Frau Hußbergerin. Ich fürcht' nur, daß ein gnädiger Herr dabei im Spiel is.

Peter. Das is ganz g'wiß, aber deswegen fürchten wir uns doch noch nicht. Der Beschreibung nach muß es einer von die Herren g'wesen sein, die immer beim gnädigen Herrn in Visit' sind, oder der gnädige Herr Baron selbst.

Frau Hußbergerin. Gott steh' uns bei!

Peter. Das wird er, denn 's Recht is auf unserer Seiten. Übrigens kann das Ganze nur an mir ausgehen. Die Gefahr sucht sich in der Regel Opfer, die ringen mit ihr, mit kleine Bub'n gibt sie sich nicht ab.

Frau Hußbergerin. Schick' mir 'n der Mussi Span nur bald nach Haus, 's Mutterherz is halt doch immer in Angst. (Geht durch das Gittertor links ab.)

Dritte Szene

Vorige ohne Frau Hußbergerin.

Peter. So, Hansi, jetzt werd'n wir wieder da Schildwacht stehn wie gestern.

Hansi. Nachher krieg' ich aber ein' lebzeltenen Reiter und ein' neuen Ballon.

Peter. Einen kugelrunden g'schecketen Ballon und ein' lebzeltenen Reiter, der manchen lebendigen an Haltung übertrifft. Schau die Herren nur alle recht gut an, die ich dir zeig'! (Nach dem Hintergrunde links zeigend.) Sieh, dort kommen zwei.

Vierte Szene

Packendorf, Althof; Vorige.

Packendorf (aus dem Hintergrunde links kommend und rechts nach der Terrasse gehend). Sie ist einmal seine Verwandte.

Althof. Und wenn er noch so aufgebracht ist über sie!

Packendorf. Wir tun deshalb doch, was die Höflichkeit erfordert.

Peter (der sich nach vorne rechts gezogen, leise zu Hansi). Is es der? (Auf Packendorf zeigend.)

Hansi. Nein.

Althof (mit Packendorf die Treppe hinaufgehend). Die Sache ist schnell abgetan.

Peter (wie oben, zu Hansi). Oder der andere? (Auf Althof zeigend.)

Hansi. Nein.

Packendorf. Machen wir ihr ein paar Kratzfüße in ihrem Appartement, wo er sie hin verbannt. (Geht mit Althof in die Eingangstüre oben auf der Terrasse ab.)

Fünfte Szene

Peter, Hansi, dann Seewald.

Peter (zu Hansi). Also, der dir neulich auf d' Nacht das Geld gegeben hat, das war keiner von die zwei?

Hansi. Nein, die zwei waren's nicht, es is nur einer g'west.

Peter (auf Seewald zeigend, der eben aus dem Hintergrunde links tritt). Da schau den Herrn an, Hansi!

Hansi. Ich seh' ihn schon.

Seewald (für sich, ohne Peter und Hansi zu bemerken). Die andern tun's auch, warum sollt' ich nicht? – (Die Terrassentreppe hinaufsteigend.) Eine Art von Respekt erfordert, daß man ihr eine Art von Artigkeit erzeigt. (Geht rechts oben ab.)

Sechste Szene

Peter, Hansi, dann Puffmann.

Peter. Also, der is's auch nicht?

Hansi. Nein, der is es gar nicht, da könnt's eher noch einer von die zwei andern sein.

Peter. Bub, mit dir hab' ich a Kreuz! Still! (Zieht ihn rechts in den Vordergrund.)

Puffmann (aus dem Hintergrunde links, ohne beide zu bemerken). Mach' ich ihr keine Visit', so erregt es Verdacht, mach' ich ihr eine, so erweckt es Argwohn, das juste milieu sagt: im Beisein der andern eine kurze Aufwartung gemacht. (Geht oben rechts ab.)

Siebente Szene

Peter, Hansi, dann Lockerfeld.

Peter. Na, hast dir 'n recht ang'schaut, den?

Hansi. Ja!

Peter. War er's?

Hansi. Nein, der mir's Geld geben hat, der war schwarz.

Peter. Du mußt denen Herren auf die G'sichter schaun und nicht auf die Frack'.

Hansi. So groß muß mein Ballon sein wie dem sein Bauch.

Peter. Da kommt wieder einer – paß auf, Hansi! (Zieht ihn rechts in den Vordergrund.)

Lockerfeld (links aus dem Hintergrunde, ohne beide zu bemerken). Die Rücksichten soll der Guckguck holen! Macht man Fräulein Ottilie die Honneurs, so beleidigt's den Baron, daß man artig war gegen eine Person, auf die er zürnt; in acht Tagen verzeiht er ihr, und erfährt er dann, daß man ihr nicht die Honneurs gemacht, so beleidigt's ihn, daß man unartig war gegen eine Person, die ihm verwandt ist. (Ist während dieser Rede hinaufgegangen.) Das Schmarotzerwesen hat doch auch seine Last. (Geht oben rechts ab.)

Achte Szene

Peter, Hansi.

Hansi. So muß er ausschauen!

Peter (hastig). Der dir 's Geld geben hat?

Hansi. Nein, der lebzeltene Reiter, den ich krieg'.

Peter (mit getäuschter Erwartung, für sich). Geduld, verlaß mich nicht!

Hansi. Der mir 's Geld geben hat, der war schwarz.

Peter. Aber alle Tag' wird er nicht schwarz sein. (Beiseite.) Wenn alle die Tagdieb', die sich mit erlogne Liebesabenteuer prahlen, immer schwarz gingen, wie brächten denn da die Tuchhändler ihre lichten Codrington und ihre quadrillierten Hosenzeug' an! (Nachsinnend). So geht's nicht, ich muß das Ding auf ein' andere Art – die Gelegenheit lass' ich nicht mehr aus. Mir scheint, sie werden sich nicht lang aufhalten da oben. (Eine Idee erfassend, zu Hansi, welcher gedankenlos umhergafft.) Hansi! Hörst nicht? Da schau, der spiegelblanke Zwanz'ger g'hört dein zum Vernaschen.

Hansi. Oje!

Peter. Du mußt aber zu die Herren, wenn s' wieder kommen, sagen: »Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.«

Hansi (spricht es nach). Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.

Peter. Brav, junges Genie!

Hansi. Ah, um ein' Zwanz'ger merk' ich mir schon was, aber in der Schul' soll man umsonst alles wissen.

Neunte Szene

Seewald; die Vorigen.

Peter (zu Hansi, auf Seewald zeigend, welcher oben aus rechts heraustritt und die Treppe herabkommt). Da – sag' jetzt dein' Spruch auf! (Zieht sich links nach dem Vordergrunde.)

Hansi (Seewald entgegengehend). Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.

Seewald. Was für ein Abend? – Was für ein Geld? – Und was für eine Mutter? (Hansi schaut ihn an, ohne etwas zu antworten.) Dummes Zeug! – (Geht links im Hintergrunde ab.)

Zehnte Szene

Hansi, Peter, dann Packendorf und Althof.

Peter. Bravo, Hansi, so war's schon recht. Wenn wieder einer kommt, so sagst du's wieder! (Auf die beiden Kommenden zeigend.) Siehst, kommen schon!

Hansi. Das sind aber zwei.

Peter. Macht nix, sag' nur dein' Spruch! (Zieht sich wieder zurück.)

Hansi (Packendorf und Althof entgegentretend, welche von der Treppe herabkommen). Die Mutter läßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.

Packendorf (verwundert zu Althof). Wen geht denn das an, dich oder mich?

Hansi. Alle zwei.

Althof. Das ist eine Bettelei! – Hab' nichts Kleines.

Packendorf. Oder eine Fopperei, und da hätt' ich was Großes drauf. (Hansi anfahrend.) Wer hat dich angestiftet, du Bursch, du?

Hansi (erschrocken). Ich kann nix davor. (Weint.)

Althof. Laß ihn gehen!

Packendorf. Ich will wissen –

Hansi (weinerlich). Werd's in mein' Leben nimmer mehr tun.

Althof. Komm, 's ist nicht der Mühe wert.

Packendorf (indem er mit Althof links im Hintergrunde abgeht). Werd' dich lernen, du Bursch! (Beide im Hintergrunde links ab.)

Elfte Szene

Peter, Hansi.

Hansi (weinend). Frau Mutter! Wo is d' Frau Mutter?

Peter (ihn besänftigend). Na, was is's denn, Hansi?

Hansi (wie oben). Zu der Frau Mutter möcht' ich, ich fürcht' mich.

Peter. Vor wem?

Hansi. Vor dem Herrn, er hat mich fressen wollen.

Peter. Die Herrn, die alles fressen wollen, sein am wenigsten zu fürchten. Und was fallt dir denn ein, er hat sich ja vor dir g'forchten!

Hansi. Wer sagt's denn? Er hat mich ang'schrien.

Peter. Aber davong'rennt is er.

Hansi (sich umsehend und Mut bekommend). Richtig – er is fort.

Peter. Und du bist da, du hast das Feld behauptet.

Hansi. Weil ich Courage hab'!

Peter. 's traut sich keiner über dich!

Hansi (sich in Positur werfend). 's sollt' nur einer kommen!

Zwölfte Szene

Puffmann, Lockerfeld; Vorige.

Peter (auf beide zeigend, welche eben oben herabkommen). Da sind gleich zwei.

Hansi (bramarbasierend). Und wann's sechse wären! (Geht beiden entgegen.)

Peter (leise zu Hansi). Bist ein Mordmann! (Zieht sich nach links im Vordergrunde.)

Hansi (zu Puffmann und Lockerfeld in keckem Tone). Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.

Puffmann (betroffen). Was?! –

Hansi. Die Mutter –

Lockerfeld (zu Hansi). Die Mutter soll ein andermal keinen so dummen Buben schicken, der die Leute nicht kennt. (Sich zu Puffmann wendend.) Nun ja, uns geht die Post nicht an.

Puffmann. Freilich, uns geht's nichts an, diese Post, gar eine dalkete Post! (Hat Lockerfeld bis in den Hintergrund links begleitet.) Werd' gleich nachkommen. (Während Lockerfeld abgeht, kehrt Puffmann eilig zurück.)

Dreizehnte Szene

Vorige ohne Lockerfeld.

Puffmann. Knab' – wo bist denn, lieber Knab'? Geh her, guter Knab'! (Sehr freundlich zu Hansi, ohne Peter, welcher sich links lauschend verbirgt, zu bemerken.) Hast du mir sonst noch was auszurichten?

Hansi. Die Frau Mutter laßt sich bedanken für das Geld –

Puffmann. Sonst nichts? –

Hansi (seine Rede ergänzend). Von neulich abends.

Puffmann (beiseite, mit Beziehung auf den eben abgegangenen Lockerfeld). Das hätt' der schon hören dürfen. (Zu Hansi.) Weißt was, sag' du deiner Mutter, sie braucht kein solches Aufhebens zu machen über die bewußte Sach'! Da schick' ich ihr drei Taler, sie soll aber nur dann reden, wenn sie befragt wird. Kannst dir das merken, Bubi? (Gibt ihm Geld.)

Hansi (ihn groß anglotzend). Ja. (Nimmt das Geld.)

Puffmann. Also jetzt geh und laß dich nicht wieder da sehen, Bubi, sonst packet dich vielleicht wer beim Schopfi oder ziehet dich tüchtig beim Ohri, daß du auf einer Seite ausschauest als wie ein Esi – das merk' dir, du Bubi! (Geht im Hintergrunde links ab.)

Vierzehnte Szene

Peter, Hansi.

Peter (frohlockend, doch mit inneren Grimm vortretend und dem abgehenden Puffmann nachblickend). Hab' ich dich!?

Hansi. Mussi Peter, das war der Mamsell Klarl ihr Schwarzer, heut' hat er sein' lichten Tag.

Peter. Geh nach Haus zu deiner Mutter!

Hansi (freudig springend). Und die Menge Geld! Juheh! Der Schwarze soll leben! (Läuft im Vordergrund links ab.)

Fünfzehnte Szene

Peter, Rumpf (kommt aus dem Hintergrunde links).

Peter (hastig zu Rumpf). Wer war der Herr? Sie müssen ihn begegnet haben.

Rumpf. No, no, is Feuer im Dach?

Peter. Nein, (für sich) mich brennt's nur unter die Sohlen.

Rumpf. Und was is denn das für eine Manier?

Peter. Ich hab' g'fehlt! So wird's vielleicht recht sein: Wollten Sie die gütigste Gewogenheit haben, mich hochgeneigt mit einer Auskunft beehren zu wollen – wer war der Herr?

Rumpf. Dieser Herr war der Herr von Puffmann, Güterintendant, Generalinspektor, geheimster Sekretär, Kassendirektor und Fadteekoktum des Herrn Baron von Massengold, und ich bin vom Amt. (Geht stolz die Treppe rechts hinauf und oben ab.)

Peter (sich verneigend). Hab' keinen Augenblick daran gezweifelt.

Sechzehnte Szene

Peter (allein).

Peter. Jetzt kenn' ich also meinen Mann, ich sage, meinen Mann – er is mir verfallen, er is Eigentum meiner beleidigten Familienehre. Ja, ja, Herr Intendant, Faktotum und dirigierender Gott weiß was, wenn du noch zehn Chargen hättest und wenn du Obergroßmufti des Sultans von Babylon und Ninive wärst, für mich bist du ein Taschendieb des ehrlichen Namens, du bist versetzt im Pfandhaus meiner Rache, nur die vollste Wiederherstellung der Unbescholtenheit meiner Schwester löst dich aus! – Aber halt! Ist die Zuversicht, auf der mein blinder Glaube stolziert, nicht etwa eine dünne Eisrinde, wo mir vielleicht beim nächsten Schritt Einsturz ins kalte Wasser der Beschämung droht? – Ich glaub' fest an meine Schwester, das ist schön von mir – aber das Schöne kann auch dumm sein, wir haben an vielen Schönen den Beweis. – Wenn sie vielleicht doch – wenn vielleicht – verfluchtes Losungswort des Zweifels! – Lächerlich! Geschmacksverirrung in diesem Grade! Klara, die Luftgestalt, und dieser von Erdengenuß ang'schoppte Wohllebensack, unmöglich! – Hm – welcher Entdecker hat das schon bemessen, wie weit sich die äußersten Vorgebirge der Möglichkeit ins Meer der Unmöglichkeit hinein erstrecken? – »Glänzende Partie« heißt die Fee, die oft Wunder wirkt in jungfräulichen Herzen, und selbst die ordinäre Hex' »Reichliche Versorgung« hat schon in zarten Wesen riesige Selbstverleugnung erzeugt. – Ich muß wissen, ob er ihr ganz fremd ist – ich muß sie einander gegenüberstellen. Fallt die Überzeugung nicht so günstig aus, wie ich überzeugt bin, daß sie ausfallen muß, das wär' von so einem Mädel ganz was Neu's, und es gibt ja nix Neues unter der Sonne, man sagt wenigstens, es war alles schon da. Ich aber sag' konträr, es war eine Menge noch nicht da, und dann kann man ja das, was sich in Jahrhunderten nur einmal ereignet, doch auch unter das Neue rechnen.

Lied

1.
                        Es tut einer prassen
    Ganz über die Maßen.
    Um Geld z' kriegen in d' Hände,
    Verspricht er Prozente;
    D' Leut' blend't d' Equipagi,
    Vertraun ihm ihr Laschi.
    Gach tut er verschwinden,
    Is in Neu-York zu finden;
    Die Gläubiger fluchen,
    Dort können s' ihn suchen.
Solche Fälle, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß einer saget: »Meine Herren Kreditoren,
    Noch habts nix verloren;
    Doch Betrug bringt kein' Segen,
    Drum nehmts mein Vermögen,
    Daß ich niemand betakl',
    Mit mein' G'schäft hat's a Hakl.
    Auch, was auf d' Frau geschrieben,
    Nehmts hin nach Belieben.
Sie geht gern mit mir betteln, wenn ich Ehr'nmann nur heiß'!«
Ja, so eine Krida wär' ganz etwas Neu's.
 
2.
    D' Frau is jung und sauber,
    Und ihr alter Tauber
    Hat ein' jungen Bekannten,
    Weitläufig Verwandten;
    Der Alte is rheumatisch,
    Der Freund is sympathisch;
    Der spielt ohne Ende
    Cavaliere servente
    Und seufzt sehr bedeutend
    Auf d' Frau, sie begleitend.
Solche Fälle, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß so ein Freund saget: »Bedenken Sie, Gnädige,
    Sie sind keine Ledige,
    Verfolgen mich mit Blicken,
    Das tut sich nicht schicken;
    Wie S' von Liebe was sagen,
    Muß ich Ihnen verklagen,
    Denn in jeder Hinsicht,
    Ihr Mann, der verdient's nicht,
Trotz Husten und Podagra liebt 'r Ihnen heiß!«
A Hausfreund, der so red't, wär' ganz etwas Neu's.
 
3.
    Eine Stelle is offen
    Nach zwanz'gjährigem Hoffen;
    D' Praktikanten, die rennen,
    Wenn s' vor Hunger noch können;
    Die schon z' schwach auf 'n Füßen,
    Es schriftlich tun müssen.
    So auch d' schwarzenfracklosen
    Besitzer lichter Hosen;
    Kurz, alle tun s' bitten
    Mit Schrift und Visiten.
Solche Fälle, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß einer saget: »Ich soll avancieren? –
    Da muß i deprezieren!
    's soll'n noch Jahre verfließen,
    Muß mich erst recht einschießen;
    Und dann wär's auch billi,
    Ein' z' wähl'n mit Famili.
    Sie werden vor mir und hinten
    Verdienstvoll're finden;
Unter uns praktiziert manch gar würdiger Greis.« –
A Praktikant, der so red't, das wär' ganz etwas Neu's.
 
4.
    »Heiraten S' mein Mädl,
    's Herz is gut und edel;
    Die Welt hat nichts zweites
    So Braves und G'scheites;
    Sie is sanft und geduldig
    Und gar so unschuldig;
    Und trotz ihrer Schönheit
    Tragt s' nur a Delaine-Kleid;
    Sie machen ein' Terno!
    Was Terno? Weit mehr no!«
Solche Mütter, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß d' Mutter saget: »So erwünscht Sie mir wären,
    Müssen S' doch d' Wahrheit hören.
    's Madel is voller Fehler,
    Wirft um mit die Teller;
    Jeder Putz is ihr z' weni,
    Steht auf erst um zehni;
    Und damit S' alles wissen,
    Bevor S' den Bund schließen,
Sie hat auch schon zwei Liebhaber g'habt, die ich weiß.« –
A Mama, die so red't, das wär' ganz etwas Neu's.
 
5.
    Z' Georgi, z' Michäli,
    Wann der Zins is kaum fälli,
    Kummt er glei mit 'n Wachter;
    Wann d' Parteien warten, lacht er;
    Und tät's d' Partei wagen,
    Beim Zinszahl'n zu sagen:
    »Rep'ratur wär' sehr nötig!« –
    Das nimmt er ungnädig;
    So a Begehr'n wird verweigert,
    Zur Straf' d' Partei g'steigert.
Solche Hausherrn, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß der Hausherr saget: »Sie tun viel spendier'n,
    Hab'n alls lass'n reparier'n, –
    Die prächtig'n Tapeten,
    D' neuen Öfen, die netten,
    Parketten von Ahorn,
    Aus an Zimmer sein zwa wor'n –
    Meiner Seel', es wär' schändli,
    Wir' i da nit erkenntli.
Hundert Gulden vom Zins lass' i Ihnen nach zum Beweis.« –
A Hausherr, der so red't, wär' ganz etwas Neu's.
 
6.
    D' Köchin rechnet alls teuer,
    Fleisch, Butter und Eier,
    Auch bei d' Hendeln und Anten
    Profitiert s' für 'n Amanten;
    Er muß s' einkaufen führ'n
    Und beim Einbrenneinrühr'n
    Halt't er zärtlich ihr 's Pfandl,
    Nennt sie »Laura« statt »Sandl«,
    Und so oft s' mit ihm g'spannt is,
    Kocht s' gar, daß 's a Schand' is.
Solches Dienstvolk, na ja, war schon tausendmal da.
Doch daß eine saget, tut s' ihr Liebhaber b'suchen:
    »Kuchel g'hörte zum Kuchen,
    Ale nit, daß scharmier' ich,
    Traktament ganz ruinier' ich;
    Drum scher' dich Weg' deinige,
    Leid't 's nit Frau meinige;
    Hab' ich Dienst prächtiges,
    Zahl'n s' Lohn grußmächtiges,
Daß ich betrag' mich mit sittsame Fleiß.« –
A Köchin, die so red't, wär' ganz etwas Neu's.
 
7.
    Daß Entrepreneure
    Sag'n: »Alls für die Ehre!
    Ich bin glücklich hienieden,
    Wann's Publikum z'frieden;
    Will gar nix gewinnen
    Als Beifall von Ihnen;
    Mit freudigem Herzklopfer
    Bring' ich jedes Opfer;
    's glimmt dankbar der Funke,
    Auch wenn ich zugrund geh' –«
Solche Floskeln, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß einer nix sagt und alles anwendet,
    Um herz'stell'n vollendet
    Mit tüchtige Kampel
    Ein rundes Ensemble,
    Auch von nahe und ferne
    Z'samm'trommelt die Sterne,
    Die hell strahl'n am Himmel
    Im Künstlergewimmel –
Und alles das um die gewöhnlichen Preis'!
So ein Unternehmer, das wär' ganz etwas Neu's.
 
8.
    's tut oft Mißjahre geben
    Fürs Korn und für d' Reben;
    Kein Getreid' fechst der Bauer,
    Die Weinbeer' bleib'n sauer,
    Ka Zuspeis kann wachsen,
    's Wetter macht solche Faxen,
    Daß sogar – wer sollt's denken?
    Sich d' Erdäpfel kränken.
    Natürlich heißt's dann: Heuer
    Wird's unsinnig teuer.
Solche Fälle, na ja, war'n schon tausendmal da.
's gibt aber auch Jahre, wo alles g'rat prächti,
    's Korn dick und hochmächti;
    's gedeiht Kelch und Weizen,
    Die Obstbäum' tun s' spreizen
    Antivi und Zeller –
    Zu klein werden d' Keller;
    Stoff zu zahllosen Affen
    Tut im Mostquantum schlafen;
Daß in so ein' Segen-Gottes-Jahr' d' Lebensmittelpreis'
Dann wohlfeil'r auch wurden, wär' ganz etwas Neu's.
(Links ab.)

Verwandlung

Puffmanns Bureau wie im Anfang des zweiten Aktes.

Siebzehnte Szene

Puffmann, Thomas.

Puffmann (sehr aufgebracht aus der Seitentüre links kommend, zu Thomas, welcher ihm folgt). Und wann Er mir ein halbes Jahr lang aus ein' Zimmer ins andere nachgeht, es is umsonst. Punktum!

Thomas. Ach nein, Sie können mir nix abschlagen, lieber Herr, das weiß ich schon.

Puffmann. Zweitausend Gulden! Heillose Unverschämtheit!

Thomas. Nur zu leihen, und das nur auf unbestimmte Zeit. Ein anderer, wenn er mit Ihnen in dem Verhältnis wär', verlanget's g'schenkt, natürlich, ein unbescheidener Mensch machet sich so was zunutzen.

Puffmann (seinen Grimm kaum bemeistern könnend). Red', Vampyr!

Thomas. Ich hab' kein' Tropfen Bier trunken seit drei Täg'!

Puffmann. Bist du ein Mensch oder bist du reines Qualgespenst?

Thomas (traurig). Bei meinem Unglück wär's wirklich kein Wunder, wenn ich a bißl aufdringlich wurd'.

Puffmann. Was hat Er denn für ein Unglück, was Ihn zu solcher Brandschatzung treibt?

Thomas. Mein Sohn hat heiraten wollen.

Puffmann. Woll'n? Das is noch kein Unglück! Wenn er g'heirat't hätt', könnt' man eher so sagen.

Thomas (schmerzvoll). Wenn nur das nicht g'schehn wär' –

Puffmann (mit erzwungener Treuherzigkeit). Was denn, guter Zimmermann? Teil' dich mir mit, ich werd' dir statt dem Geld einen guten Rat geben, der mehr wert is. Red'!

Thomas. A nobler Herr hat mein' Sohn seiner Braut ihren Ruf verschandelt.

Puffmann. So soll er sie sitzenlassen.

Thomas. Wär' das recht und billig?

Puffmann. Freilich, recht billig. 's Sitzenlassen is immer billiger als 's Heiraten. Wirst sehen, lieber Professionist, wir richten's ohne die zweitausend Gulden.

Thomas. Nein, 's Madel is brav; nur in Anfang das G'schrei von die Nachbarsleut' – das hat mir den Kopf so voll g'macht – ich bin das nicht g'wöhnt – und da hab' ich in der Verwirrung – aber nein, sie kann nicht schlecht sein, die Klara.

Puffmann (betroffen). Was? »Klara« sagt Er?

Thomas. So heißt sie, Nähterin ist sie, in der Kleingassen logiert sie.

Puffmann (beiseite). Verflucht! – (Zu Thomas.) Und kennt Er denjenigen, der –

Thomas (immer mehr in Aufwallung geratend). Haben Sie g'hört, daß seit 'n Siebenten einer zerrissen worden is? Nein, also kann ich ihn noch nicht kennen.

Puffmann (ängstlich). Und Sein Sohn?

Thomas. Mein Josef vom Militär? O je, gegen den bin ich noch ein Lamperl! Wenn der den Täter erwischt, der wirft augenblicklich sein Fleisch den Geiern vor, gibt sein Blut dem Erdboden zu trinken und laßt mit seiner Asche die Winde »Frau G'vattrin, leih mir d' Scher'!« spiel'n.

Puffmann (unwillkürlich schaudernd). Gräßlicher Kerl!

Thomas. Ein guter Kerl, so lang er's mit honette Leut' zu tun hat.

Puffmann. Und was hat Er denn mit die zweitausend Gulden vorg'habt?

Thomas. Die muß ich haben. Mit die reisen wir, ich, mein Sohn und die Klara, in die Fremd', vielleicht noch um a paar hundert Meilen weiter, und wenn wir in der Fremd' recht ein' unbekannten Ort finden, so lassen wir uns nieder. Sie hat fürs Ausland einen unbefleckten Ruf, und mein Sohn heirat't sie.

Puffmann. Wann reist ihr fort?

Thomas. Heut' noch, zuerst zu mein' Josef und dann weiter.

Puffmann (aufatmend, als er ihn für immer loszuwerden hofft). Sein Schicksal geht mir sehr nahe – Er soll das Geld haben. (Geht zu seinem Pult und schließt ein Fach auf.)

Thomas (gerührt). Oh, Sie guter Herr, ich hab's ja gleich g'wußt. Sie stell'n Ihnen nur manches Mal, als ob Sie hartherzig wären, 's is aber nicht Ihr Ernst. Ich war so g'wiß, daß ich gleich den Schuldschein mitgebracht hab'. (Legt das Papier aufs Pult.) Aber Sie haben da a Menge Geld.

Puffmann. Is schon viel weniger g'worden, seit ich das Vergnügen Seiner Bekanntschaft hab'. – Aber noch eins, wenn Er oder Sein Sohn in späterer Zeit jemals erfahren sollte, wer das Mädel ins G'schrei hat bracht –

Thomas. Dann fallt derjenige auf eine furchtbare Art, und er kann nix G'scheiters tun, als früher schon im Grab zu liegen.

Puffmann. Nein, Freund, so böse Menschen unterstütz' ich nicht. Rachsucht is was Abscheuliches; Er kriegt das Geld nur, wenn Er mir heilig verspricht, daß Er dem Verleumder, der außerdem vielleicht ein lieber Mensch ist, verzeiht und Seinem Sohne befiehlt, dasselbe zu tun.

Thomas. Euer Gnaden nehmen sich an um den unbekannten schlechten Kerl? 's is völlig rührend, was Sie für a gutes Gemüt haben. – Ihnen zulieb' wollen wir ihm verzeihn.

Puffmann. Schöne Flatusen, die Er mir sagt! (Gibt ihm das Geld.) Da nehm' Er also, reis' Er glücklich und vergess' Er nie, was Er versprochen hat.

Thomas. Oh, Sie rarer Mann! –

Puffmann. Jetzt geh' Er durch das Zimmer (nach links deutend) und eil' Er über die Schneckenstiegen, daß Ihn niemand sieht.

Thomas. Weiß schon, durchs kleine Türl; oh, ich bin ja bei Ihnen schon wie zu Haus. – Pfirtgott'! (Geht zur Seitentüre links ab.)

Puffmann. Geh zum Teufel!


 << zurück weiter >>