Johann Nestroy
Höllenangst
Johann Nestroy

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Neunte Szene

Die Vorigen; Pfrim.

Pfrim (in zerrissenem Schlafrock aus der Kammertüre tretend) . Was is denn das für a Remissori? Könnts nit still reden miteinand'?

Eva. Is denn a klein's Kind in der Näh'?

Pfrim. Ein alter Vater is da, der is über ein' Kind, ein ehrwürdiger Greis, der sehr viel auszuschlafen hat.

Wendelin. D' Frau Mutter hat mir grad woll'n die G'schicht' erzählen von die Schriften.

Eva (zu Wendelin). Der Vater weiß ja nix.

Pfrim. Was für Schriften?

Eva. Die selige Baronin hat mir in ihrer letzten Stund' –

Pfrim. Obs d' aufhörst!? So a verstorb'ne Totenbetthistori, wo man sich ohnedem vor Jammer nit auskennt!

Eva (will das Paket wieder in den Schrank legen). Na, i heb's schon wieder auf.

Pfrim. Daß wir auf d' Letzt' noch in a Verantwortung kommen – her mit der Schreiberei, ich verbrenn' s'. (Ein Blitz erhellt die Bühne.)

Eva (entrüstet). Was?

Pfrim. Blitzt hat's – sixt es, der Himmel selber sagt: »Verbrennen!«

Wendelin (seiner Mutter das Paket aus der Hand nehmend). Die Schriften steck' ich zu mir. (Steckt sie in die Brusttasche seiner Jacke.)

Pfrim. Du unterstehst dich –?

Wendelin. Die Verantwortung soll niemanden treffen als mich.

Pfrim. Was? Die himmlischen Mächte und ein ehrwürdiger Greis sagen: »Verbrennen!«, und so ein Bub' will ankämpfen dageg'n? So ein –

Eva (zu Pfrim). Schimpf' nit! Er is ein Sohn, auf den du stolz sein sollst.

Pfrim. Hat er a Geld?

Eva. Er hat sich aufgeopfert aus Edelmut –

Wendelin. Das is z'viel g'sagt, Frau Mutter. (Zu Pfrim.) Ich bin ein rechtschaffner Kerl, weiter nix – und das allein is schon g'nug, um kein Glück z' hab'n auf der Welt.

Eva. Buberl, frevel nit! (Es blitzt.) Sixt es, der Blitzer geht dich an.

Pfrim. Laß ihn gehn, jetzt hat er mir aus der Seel' gesprochen. (Zu Wendelin.) Du hast recht, ich seh's an mir; ich wär' vielleicht der ordentlichste Mann, den 's gibt, wenn die Verhältnisse danach wären. Bei einem andern kann man sagen, es is Lumperei, bei mir is es Bestimmung, daß ich immer in eine schiefe Stellung komm'. Glaub' mir, Sohn, wir sind alle zwei zu edel für diese Welt.

Wendelin. Die Vorsehung hat mit die Reichen, mit die Glücklichen zu viel zu tun, für die Armen bleibt ihr ka Zeit. Nur anschaun den da drüben (gegen das Palais deutend), der der Frau Mutter ihr' kleine Pension g'stohlen hat, wie dem alles geht nach Wunsch, während wir Hunger leiden –

Pfrim. Und ich meinen Durst kaum zur Hälfte stillen kann.

Wendelin. Und so geht's durch die Bank! Ich frag': Warum tragt der Stromberg Goldstickerei auf'n Frack, während er Eisenschmiederei um die Pantalon verdient? Warum sitzt der reiche Wucherer in der Equipagi, während seine Opfer hinter der Scheibtruhen gehn? Warum kleid't die reiche Hundsmutter ihre Lieblinge in atlaswattierte Schabrakerln, während die arme Menschenmutter für ihre Kinder nix anz'legen hat? Warum kriegt der brave Mann Hörndln, während sich um den Lüftigen 's treue Weib z' Tod kränkt z' Haus? Warum – zu was viel reden – man sieht's zu deutlich, die Vorsehung hat abg'wirtschaft't, der böse Feind hat ihr 's Neujahr abg'wonnen auf der Welt. (Es blitzt wie früher.)

Eva. Sohnerl – 's blitzt –

Pfrim. Recht hat er, der Weltlauf is rein des Teu – (Man vernimmt einen Donnerschlag, Pfrim schweigt erschrocken still.)

Wendelin. Nur heraus damit! »Des Teufels!« hat der Vater sagen wollen – und darum muß man selbst des Teufels sein, sonst hat man offenbar den Weltlauf gegen sich.

Eva. Aber, Wenderl –! Dir muß wer ein Wein zahlt hab'n?

Wendelin (ohne auf sie zu hören, mit sich steigernder Aufregung fortfahrend). Der Teufel is überhaupt nicht das Schlechteste, ich lass' mich lieber mit ihm als mit manchem Menschen ein. Er ehrt das Alter, seine Großmutter steht hoch in Ansehn bei ihm, das is halt a schöner Charakterzug. Er halt't auf 'n Handschlag, man sieht's, daß er viel mit die Ritter z' tun hat g'habt, er erfüllt seine Verträge weit prompter als manch irdischer Schmutzian. Freilich nacher am Verfallstag, da kommt er auch auf d' Minuten, Schlag zwölfe, holt sich sein' Seel' und geht wieder schön orndtlich nach Haus in seine Höll'; 's is halt ein G'schäftsmann, wie sich's g'hört.

Pfrim. Ich bin schon zu alt, bei mir rentiert sich eine Teufelsverschreibung nicht mehr, aber wenn ich so jung wär' wie du – meiner Seel', ich weiß nit, was ich tät mit meiner Seel'.

Eva (böse zu Pfrim). Na, sei so gut, red' ihm noch zu!

Wendelin. Da braucht's ka Zureden; wann ich nur g'wiß wüßt', ob's ein' gibt und wie man ihn ruft.

Pfrim. Daß es einen gibt, einen Teu – (Es donnert stärker.) Das dumme Donnern schreckt ein' 's Wort von Maul ab.

Wendelin. Der Vater will sagen, daß es einen Teufel gibt –

Pfrim. Sixt es, dir laßt's 'n prächtig heraus; ja, die Jugend –

Wendelin. Fürcht't sich vor 'n Teufel nicht; es gibt ein', es muß ein' geben!

Pfrim. Mein' Großvätern sein Bruder war a Kornwucherer, dem is er erschienen, auswendig schwarz, inwendig rot, mit ein' roten Beutel voll Gold.

Wendelin. Na, da wird er sich doch nicht g'spreizt haben?

Pfrim. Der Wucherer nicht, aber der Teufel hat nicht an'bissen, er hat g'sagt: Den krieg' ich a so!

Wendelin. Das is halt wieder a Zug, der mir g'fallt.

Pfrim. Ich selber hab' ihn nie persönlich g'sehn, aber nächtlichs Remissori hab' ich g'nug erlebt. Wie wir noch auf 'n Dorf waren, da war 's Wirtshaus ent am Wald; wenn ich da um Mitternacht nach Haus gangen bin – du, das is schauerlich, wenn die Bäum' zum Tanzen anfangen.

Wendelin. Das hat mir der alte Martin, der Wildschütz, oft erzählt.

Eva. Aus dem hat 's ganze Jahr der Branntwein g'red't –

Wendelin. Das soll gräßlich sein, wenn so a alter windschelcher Felberbaum a junge schlanke Tannen um die Mitten nimmt, wenn sich siebzigjährige Buchen um einen aufg'schoss'nen Pappelbaum raufen, wenn die hohlen Bäum' Neuigkeiten erzählen und die Kienstöck stolz auf und ab spazieren.

Pfrim. Da war ich oft mitten drunter, so daß die Felsen die Köpf' beutelt haben, wenn ich vorbei'gangen bin.

Eva. Mann, du bist schrecklich.

Pfrim. Merkst du das jetzt erst? Es war eine Zeit, (bramarbasierend) wo ich den lebendigen Teu – (es donnert sehr stark, Pfrim erschrickt und spricht etwas kleinlaut) die Donnerei fangt schon völlig an, entrisch z' werd'n. Ich brennet ab, wenn ich 'n rufen müßt' –

Wendelin (in größter Aufregung und Begeisterung). Und wenn 's Firmament ein' Sprung kriegt, ich schrei' durch alle tausend Donner durch –

Eva (zitternd). Wendelin – Sohn

Wendelin (ohne auf sie zu hören). Satan, Teufel, Mephisto, böser Feind, Luzifer, Beelzebub – ich glaub', ich hab' keinen von seine Titeln vergessen – erschein'! Erschein'!! Erschein'!!! (Es ertönt ein furchtbarer Donnerschlag, der Sturmwind reißt das Fenster auf, daß die Scherben klirrend zu Boden fallen.)

Eva und Pfrim (überlaut aufschreiend). Ah – !!! (Verhüllen sich in größter Angst das Gesicht und laufen in die Kammertüre ab.)

(Mit dem Donnerschlag ist Musik im Orchester eingetreten, welche die folgende Szene charakteristisch begleitet.)

Zehnte Szene

Wendelin, Thurming.

Thurming (schwingt sich von außen wie von einem höhern Dachabhang herab, so daß er auf die Fensterbrüstung zu stehen kommt, und steigt mit einem Fuß auf den am Fenster stehenden Tisch, wo er einen Augenblick innehält, um die Wohnung zu übersehen. Er hat, so wie er früher aus dem Fenster stieg, einen schwarzen Paletot mit hellrotem, etwas schwarz kariertem Futter an und eine schwarze Samtmütze auf).

Wendelin (prallt erschrocken gegen die Seitenwand links).

Thurming (für sich). Was hilft's? – Ich muß es wagen auf gut Glück. (Springt von der Fensterbrüstung herab ins Zimmer.) Die Blitze blenden das Auge, kaum konnte ich mehr auf dem schlüpfrigen Dache mich erhalten. (Laut zu Wendelin.) Fürchte nichts, ich komme als Freund – hier nimm, um meine ungewöhnliche Erscheinung zu entschuldigen! (Zieht eine aus roter Seide genetzte Börse aus der Tasche.) Es sind dreißig Dukaten darin, sie sind dein – (legt die Börse auf den Tisch) aber (für sich) Strombergs Aufpasser lauern ohne Zweifel an jeder Straßenecke – (zu Wendelin) du mußt deine Jacke und deinen Hut mit meiner Mütze und meinem Überrock vertauschen und mich aus dem Hause auf die Straße lassen. (Nähert sich dem vor Erstaunen starr und sprachlos dastehenden Wendelin und zieht ihm die Jacke aus.)

Wendelin (der alles willenlos geschehen läßt, lallt wie im Traum die Worte). Mein Janker – mein Hut – die Kappen – der Überrock – das Gold –!

Thurming. Gehört alles dir, der Handel ist geschlossen.

Wendelin (tief aufatmend). Der Handel ist geschlossen.

Thurming. Es gilt das irdische Glück –

Wendelin. Aha! – (Hört weiter nicht auf ihn, indem er sich in Betrachtungen vertieft.)

Thurming. Weit mehr – (beiseite) die arme Adele würde in Verzweiflung enden – (laut) es gilt –

Wendelin (mit äußerster Beklommenheit). Der Preis –?

Thurming (ohne auf dieses Wort gehört zu haben, seine Rede ergänzend). Das Seelenheil eines Menschen. (Es blitzt.)

Wendelin (in sich selbst zusammenknickend, mit fast tonloser Stimme). Is's möglich – ich verkauf' meine Seel' (Sinkt in den neben dem Tische stehenden Stuhl.)

Thurming (der inzwischen seinen Überrock und seine Kappe auf den Tisch gelegt und Wendelins Jacke angezogen und dessen Hut aufgesetzt hat). Von nun an hast du einen treuen Freund an mir. (Auf die Mitteltüre zeigend.) Dies ist der Ausgang, nicht wahr? – Denke meiner und vergiß nicht, daß du mich dir auf ewig verbunden hast! (Hält ihm die Hand hin.)

Wendelin (läßt willenlos seine Hand in Thurmings dargebotene Rechte sinken). Verbunden –

Thurming. Auf Wiedersehn! (Geht durch die Mitteltüre ab.)

(Das Gewitter hat während dieser Szene nachgelassen und gegen Ende derselben ganz aufgehört. Die Orchesterbegleitung endet hier.)

Elfte Szene

Wendelin.

Wendelin. Was war denn das –? A Traum, nix anders als a Traum – wenn ich mich nur ermuntern könnt'! Ich lieg' in Bett – nicht wahr? Diese Hitz' –! Na freilich, ich bin wieder zu'deckt bis über d' Ohren. (Er schüttelt sich wie im Fieber.) Und jetzt – die schauerliche Kälten auf einmal – ich hab' wieder mein' Decken hinunterg'strampft. – Ich muß mich recht hin und her werfen, da wacht man auf oder man fallt aus 'n Bett, da wacht man auch auf. (Bewegt sich im Sitzen, wie einer, der im Bette liegt und in unruhigem Schlafe um sich schlägt, und schleudert auf diese Weise die auf dem Tische liegende Geldbörse zur Erde.) Ha! Was war das –!? Das Gold – (Hebt die Börse auf und klimpert damit an seinem Ohr.) Nix mehr Traum – (vollends zur Besinnung kommend) Wirklichkeit – entsetzliche Wirklichkeit – der Teufel war da! (Läßt die Börse auf den Tisch fallen und bleibt, darauf hinstarrend, unbeweglich stehn.) Und dieser satanische Glanz! – 's Silber glanzt auch – aber eigentlich blenden tut doch nur 's Gold. (Indem er die Dukaten aus der Börse auf den Tisch rollen läßt.) Roll' nur heraus aus dem teuflischen Beutel, du reines Erzeugnis aus Höllisch-Kalifornien. (Nimmt einen Dukaten und läßt ihn sogleich wieder fallen.) Heiß –!! Als wie Schwefelglut –! (Den Rock, welchen ihm Thurming zurückließ, befühlend.) Auch dieses Unterfutter hat so eine kuriose Wärme – infernalisches Fabrikat! Ich hab' eine Frau kennt, die war eine Furie, die hat grad so ein' Wickler getrag'n. Alles stimmt überein, ich gehör' dem Teufel zu.

Zwölfte Szene

Der Vorige; Pfrim, Eva.

Pfrim (aus der Kammertüre tretend und in selbe zurücksprechend). Na, wenn ich dir's sag', er is allein.

Wendelin (erschöpft und kleinlaut). Is schon fort, die Visit.

Eva (aus der Kammertüre kommend). Ja, Sohnerl? Hast 'n verscheucht durch ein Stoßgebet?

Wendelin. Da nutzt ein ganzer Stoß Gebeter nix.

Eva (aufschreiend). Entsetzlich, du hast –?!

Pfrim. Hat ihm schon?

Wendelin (dumpf). Hat ihm schon!

Eva (jammernd). Ich stirb! Mein Sohn in die Krallen des Bösen!!

Pfrim. Ruhig, das geht nicht so g'schwind. (Zu Wendelin.) Auf wie lang' hast den Kontrakt?

Wendelin. Das weiß ich nicht; dort liegt's Drangeld'. (Es wird an der Mitteltüre geklopft.)

Eva. Ab! Der Gottseibeiuns –! (Lauft in die Kammer ab.)

Wendelin. Herein!


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