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Ballade.

» G eh' nicht in den Wald, Herr Edelfried,
zur mitternächtigen Stunde.
Der Nebel ist wie Schleiergewand
drunten im Erlengrunde.

Der Nebel ist weiss wie ein Leichentuch,
und seltsame Fieberträume
umflattern wie dunkle Falter der Nacht
die tausendjährigen Bäume.

Geh' nicht in den Wald, Herr Edelfried,
das bitte ich dich mit Schmerzen,
bei unsrer heiligen Mutter Marie,
die sieben Schwerter im Herzen!«

Er aber küsste ihr Goldgelock
und seinem Sohne den Mund
und ritt auf bäumendem Rosse
hinab in den Erlengrund.

Die Hexe lag auf dem Drudenstein.
Wie blutige Tropfen glühten
in ihrem abgrundschwarzen Haar
die roten Fingerhutblüten.

»Was kommst du so spät, Herr Edelfried?
Wo hast du so lange gerastet?
Meine braunen Glieder sind feucht vom Tau,
der über den Blumen lastet.

Die Nebelfrauen kamen zu mir;
sie tanzten in weisser Reihe
und sangen von eines Kindes Blut
und seinem Todesschreie.

Aber mein Herz war wild nach dir! –
Ich hörte nicht, was sie sangen;
ich hörte des Rosses Hufe nur,
die durch die Zweige drangen.

Was zittert dein Ross und ist so scheu?
Von seiner weissen Mähnen
will ich ihm selber trocknen den Schweiss
mit meiner Haare Strähnen.

Es trug ja dich, Herr Edelfried!
Deine Hände hielten die Zügel,
und es lastete dein Füssepaar
in seinem silbernen Bügel.

Es hat ja deinen leuchtenden Leib
so oft getragen zum Walde
und wartete scharrend am Teufelsstein,
bis Frührot deckte die Halde.« – –

Ihre Hände kosten das edle Tier;
das dehnte zitternd die Nüstern,
als sie, an seinen Bug gelehnt,
auflachte süss und lüstern.

Sie warf die Arme um sein Genick.
Ihr stöhnender Atem glühte.
Sie presste auf seine goldnen Brau'n
ihres Mundes feuchte Blüte.

Er aber schlug mit der Rechten das Kreuz.
»Ich verderbe an Seel' und Leibe,
wenn ich noch länger schenke Gehör
dem lockenden Hexenweibe.

Vergiftet hast du mein edles Blut.
Meine Lippen sind ganz verschmachtet.
Von Haus und Hof, von Weib und Kind
treibt mich dein Ruf, wenn es nachtet!

Ich höre, – – ich hör' deiner Stimme Ton,
und von den weichen Pfühlen
jag' ich hinaus in den Zauberwald,
meine böse Lust zu Kühlen.

Du sollst nicht fürder mit Höllenkunst
meine wilden Sinne berücken,
ich sehne mich, so schuldlos wie einst
meinem Weib in die Augen zu blicken.

Ich sehne mich, so schuldlos wie einst
meinen Sohn auf den Knieen zu halten.
Verderben und sterben sollen in mir
all deine bösen Gewalten.

Ich schwör es bei meines Sohnes Haupt!
In Sankt Magdalenens Kapelle,
da will ich büssen auf beiden Knie'n – –
Du aber – – fahre zur Hölle!« – –

Sie warf sich nieder auf den Grund.
Um ihren Leib, den schlanken,
wucherten Moos und Schierlingskraut
und dornige Brombeerranken.

Er sprengte von dannen auf weissem Ross
in verzweifeltem Ungestüm. – – –
Und jagte er bis an's Ende der Welt, –
seine Sehnsucht zog mit ihm.

— — — — — —

Und Monde gingen und Frühherbst kam.
Die Sommerblüten sind tot;
aber die Bäume im Erlenwald
leuchten in brennendem Rot.

Die blutroten Kronen beugten sich
den wütenden Küssen des Föhn,
der um die Mauern des Schlosses strich
mit wildem Sterbegestöhn.

Herr Edelfried sah hinaus in die Nacht.
Ihm war, als klang' aus der Tiefe
ferneher aus dem Zauberwald
eine Stimme, die ihn riefe.

Die rief so süss und lockte so laut
und war so wild vor Sehnen,
und sein gemartertes Herze schrie
bei diesen Klagetönen.

»Ich schwor bei meines Sohnes Haupt!« – –
Und näher und näher wehte
ihre heisere Stimme durch den Sturm
und bat und lockte und flehte.

Er schritt hinunter wie im Traum.
O wehe! das lockende Flüstern. – – –
Und hörte das müde, welke Laub
unter seinen Tritten knistern.

»Herr Edelfried, Herr Edelfried,«
schrie sie in tollem Umfassen,
»die Lippen, die meinen Mund berührt,
die können nicht von mir lassen.

Die Augen, die meine Nacktheit sahn,
die können mich nicht vergessen.
Ich weiss es, dass du mein eigen bist
über Wollen und Ermessen.

Das Laub ist falb, das Laub ist tot,
aber ich bin so glühend
wie in der seligen Sommernacht,
die uns umloderte blühend.

Der Stein ist kalt, der Drudenstein,
und feucht vom peitschenden Regen.
Wir wollen uns unter den Ahornbaum,
den schützenden Riesen, legen!«

Er kniete auf der nassen Erd'
und küsste ihr lachend die Füsse.
»Ich habe mich so nach dir gesehnt,
O Teufelinne, du süsse!

Nicht Ruhe fand ich und fand nicht Rast.
Ich bin so müde vom Sehnen« – – –
über sein blasses Antlitz floss
leuchtend der Strom seiner Thränen.

»O gieb« – – da lachte sie wild und süss
und thät sich zu ihm neigen.
Der Herbststurm sang ein böses Lied
in den verwelkten Zweigen.

Und als des Frührots weicher Schein
aufdämmerte durch die Tannen,
da ging der Ritter, Herr Edelfried,
langsamen Schrittes von dannen.

Seine Lippen waren so rotgeküsst;
seine Augen brannten und glühten,
und seine Wangen schimmerten hell
wie junge Rosenblüten.

Er stieg des Schlosses Treppe empor:
er lachte und scherzte so wild.
Und oben lag sein einziger Sohn
tot vor dem Marienbild.

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