Elisabeth Charlotte von Orléans
Briefe der Herzogin von Orléans
Elisabeth Charlotte von Orléans

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An mad.Louiße, raugräffin zu Pfaltz. FranckfortBibl. d. lit. Vereins. Bd. 88, Nr. 76.

Versaille den 3 Aprill 1699

Hertzliebe Louiße, gestern habe ich Ewer schreiben vom 14/24 Mertz zu recht entpfangen; will nicht lenger verschieben, drauff zu antwortten, ob ich zwar jetzt mitt husten undt schnupen sehr geplagt bin, daß ich nicht mitt Monsieur nach Paris gekönt habe ins opera; allein ich habe mahrgenohmen, das, wen man mitt dem schreiben einsmahls ins auffschieben kompt, hatt es kein endt hernach undt kommen alß so viel verhindernüßen, daß man nie recht auff die brieffe antwortten kan. Die jagt ist jetzt die Zeitvertreib nicht, so ich ahm meisten liebe, sondern die comedien. Auff der jagt gehe ich nunmehr nur wegen meiner gesundtheit; den wen ich keine starcke bewegung habe, so habe ich abscheuliche miltzschmertzen. Ein wolff ist viel weniger, alß ein hirsch, zu förchten; den wen sie gejagt, attaquiren sie die menschen nie. Ich weiß woll, daß I.G. unßer Herr vatter s[eelig] nie hatt leyden wollen, daß man jagen solle undt reitten; daß habe ich auch erst hir gelernt. Ich bin woll 4 oder 25 mahl gefallen, daß hatt mich aber gar nicht abgeschreckt. Die RotzenheußerinEleonore v. Rathsamshausen, deutsche Hofdame van Liselotte. hatt ohnmöglich mit den graffen von Hannaw nach Franckfort gekönt; sie hatt sich in einem fall mitt der kutzschen gar einen großen schaden ahn einem bein undt fuß gethan, wie sie aus Lotheringen kommen; es ist noch nicht heill. Ich bin woll Ewer meinung, daß eine kleine compagnie von gutten freünden hundert mahl ahngenehmer ist, alß der große tumult; auch gantz undt gar allein zu sein, haß ich nicht, bring schier mein leben so zu. So übel ich auch die frantzösche ordonance in dem heüraht fundt, so muß ich doch woll folgen, waß sie mitt sich bringen, indem man mich leyder auf Parißer brauch geheürahtet hatt. Ich will Eüch, liebe Louiße, noch woll waß ärgers darvon sagen: es kan geschehen, daß, ob man mir zwar viel gutt zuspricht, daß ich einmahls bloß von deß königs gnaden werde leben müßen; den verthut Monsieur sein gutt undt mein gutt undt kompt vor mir zu sterben, so habe ich nirgendts nichts zu nehmen; den daß apanage kan mir nicht kommen, indem, wen mein sohn ohne sohn sterben solte, kompt es dem könig wider zu, wie manslehen, bleibt mir also weder heller noch pfening überig undt das apanage kompt meinem sohn zu; da hab ich nichts ahn zu pretendiren [beanspruchen]. Man muß ein wenig ein philosoph hir werden; sonsten müst man in stedem angsten leben undt könte nie ruhig sein. Gutte worte zu geben, helffen hir nichts, man gibt einem kein heller mehr, alß einem verschrieben ist. Im testament kan kein man seinem weib noch ein weib ihrem man waß geben. Die gesetze seindt sehr hart vor die weiber hir im ehestandt; daß macht auch so viel bößen ehen hir im landt. Solte ich millionen erben können, könte ich keine pistolle davon disponiren. Die letzte reiß ist mir Paris nicht so übel zugeschlagen wie ordinari. Ob Ewere feder zwar ein wenig gröber geweßen, alß ordinari, so war doch Ewere schriefft schön undt sauber undt meritirte keine entschuldigung .... Von hir kan ich Eüch nicht viel neües sagen. Die jagt ist das eintzige divertißement [Vergnügen], so wir nun haben; den daß apartement [s.o. S. 43] undt die commedien haben auffgehört, werden zu Fontainebleau erst wider ahnfangen. Adieu! Ambraßirt Ameliße von meinetwegen undt seydt versichert, daß ich Eüch beyde von hertzen lieb habe!

Elisabeth Charlotte.

An Raugräfin Amalie ElisabethBibl. d. lit. Vereins, Bd. 88, Nr. 89.

St. Clou den 10 Julli 1699.

Hertzliebe Ameliße, vorgestern habe ich Ewern lieben brieff vom 20/30 Juni zu recht entpfangen; würde gestern gleich drauff geantwortet haben, wen ich nicht ein klein reißgen 7 frantzöscher meillen von hir gethan hette nach Maubisson, ma tante, die fraw abtißin, dorten zu besuchen, welche ich, gott seye danck, in vollkommener gesundtheit gefunden habe. I.E. gleichen sehr I.G. unßerm herrn vattern s., bin also recht gern bey ihnen undt were es nicht so weit von hir, ginge ich öffter hin. Sie sprechen noch gutt teütsch, können perfect teütsch, frantzösch, englisch undt holländisch. Ich habe lachen müssen, daß Ihr Louiße ihren tag habt verseühmen laßen undt hernach den Ewerigen nicht sediren [cedieren = abtreten] wollen; bin Eüch davor verobligirt, liebe Ameliße! den daß erweist mir, wie lieb Ihr mich habt. Es ist kein wunder, daß ich das Frantzösche corecter weiß nach 28 jahren, daß ich in Franckreich bin, als Ihr, die nie in Franckreich geweßen. Im Teütschen habe ich Euch aber in keinem eintzigen brieff fehlen sehen. Ihr tröst mich sehr, liebe Ameliße, mir zu sagen, das ich mein Teütsch noch nicht vergeßen habe undt noch corect schreibe; den in wehrendem krieg habe ich wenig teütsch gesprochen, würde also gar kein wunder sein, wen ich etliche fraßen [Phrasen = Redensarten] vergessen hette. Zu meiner zeit war es schon der brauch, daß man frantzösche wörter mitt den teütschen mischte; thue es auch etlichmahl, den man muß woll hirinen den brauch folgen; allein waß mich verdrießen kan, ist, wen es auß affectation [Ziererei] geschicht. Diß wort könt ich auch ohnmöglich anderst auff teütsch sagen, glaube auch nicht, daß ein ander wort auff teütsch dazu ist. Ich gestehe auch gern, das mir alle complimenten bludtszuwider sein; ich kan sie nicht außstehen.

Alle, die meine gutte [freunde] sein, denen verbiette ich die complimenten, also wen Lenor [Frau v. Rathsamshausen] mir in ihre lange brieffe complimenten schreiben wolte, würde ich braff zürnen; es ist hir der brauch auch gar nicht, in frantzöschen brieffen macht man keine complimenten nicht. Herr Obrecht ist gar ein ehrlicher verständiger man; Ihr thut woll, ihm Ewere sach zu recommandiren. Monsieur sagte mir letztmahlen, der könig wolle sich der sach nun gar ernstlich annehmen; wie es abgehen wirdt, wirdt die zeit lehren. Die gutten pfältzer seindt böße visionomisten [Physiognomisten = Leute, die aus dem Gesicht eines Menschen auf seine Fähigkeiten und seinen Charakter schließen], daß sie den monseigneur vor auffrichtig teütsch ahngesehen haben. Freündtlich undt höfflich ist er woll, wen er will, allein nicht exact genung, in waß er verspricht undt unterschreibt; den es ist den armen Heydelberger undt Manheimern übel nach seinem überschreiben gangen, aber nicht, ohne daß ich ihm meine Meinung dichte drüber gesagt habe .... Mein gott, wie müst Ihr, liebe Ameliße, verendert sein, wofern Ihr nun I.G. dem churfürsten, unßerm Herrn vattern, gleicht! den wie ich Eüch gesehen, war kein eintzig liniament [Linie] in Ewerem gantzen gesicht, so dazu die geringste aparentz [Ähnlichkeit] hatte. Carolines aber gliche I.G. viel. Sie hatt allezeit verstandt gehabt, wundert mich also nicht, daß sie es biß in ihrem todt gehabt halt. Man kan sagen wie in der commedie von Jodelet: »Si nous estions artissans de nous mesme, on ne veroit par tout que des beautés extremes«.Wenn wir uns selbst geschaffen hätten, würde man nur außerordentliche Schönheiten überall sehen. Weillen es aber nicht bey unß stehet, müssen wir woll sein, wie unß gott der allmächtige geschaffen hatt, undt unß weitter nicht drumb bekümern. Ich gestehe, daß ich nicht lang von denen reden kan, deren todt mich betrübt hatt, ohne wider auff neüe trawerig zu werden. Gutte conversationen seindt gar watz rares hir. Es ist die mode nicht, zu conversiren, nach zu raisoniren, man lacht einem mitt auß undt das spillen mag ich nicht leyden; drumb bin ich lieber allein. Die fraw von Rathsamshaußen wirdt erst dießen abendt hir sein; den der hertzog von Lotheringen helt so viel von sie, daß er sie 3 wochen zu Nancie [Nancy] behalten undt nicht hatt weg wollen lassen; meine tochter hatt sie auch gar lieb. Ich dancke Eüch von hertzen, so viel gutte wünsche vor meine conversation zu thun, allein ich bin zu nichts nicht nutz in dießer welt, were also gar kein verlust, wen ich drauff gehen solte. Gutte wünsche halte ich vor kein compliment noch ceremonie, sondern vor freündtschafft, aber weillen ich niemandes dinnen kan, sehe ich nicht, womit ich jemandes trösten könte. Mitt halben wortten verstehen, daß lernt man hir über die maßen woll undt hirauff, deücht mir, bin ich gelehrt genung. Ich wünsche, daß Ihr undt Louiße Eüch woll im Schwalbacher brunen bey I.L. der fraw landtgräffin divertiren mögt. Aber wie Ihr undt Louiße mir von Ewerem humor sprecht, glaube ich nicht, daß Ihr, umb ein Hänsel außzusuchen undt sein Gredel zu werden, nach Schwalbach zicht. Schwalbach ist ein artiger undt glücklicher Ort, wen man dort frey leben kan, ohne daß man dort übel findt, waß man thut. Solchen ort kan man hir in Franckreich nicht finden. Die frantzösche damens last über Ewere inocente lust lachen, wie sie wollen! Sie haben keine so warhaffte freüde nicht; man mag sie nur bey ihrem spiel von 24 stunden sehen, umb davon zu judiziren; wie verzweyffelt sie außsehen! eine weint die bittern threnen, die ander ist fewerrodt undt gehen ihr die augen im kopff, alß wen sie in die gichter [Krämpfe] fallen wolt, die 3te ist bleich wie der todt undt wie halb ohnmächtige undt mäner undt weiber sehen auß wie bessessene, können niemandes bey noch umb sich leyden. Das seindt hießige freüden, aber warlich nicht die meinen; wolte lieber mitt gutten freünden im grünen graß bey einem brunen eßen, wie Ihr undt Louiße, die fraw von Degenfelt undt Schelm gethan habt. Diß landt hatt noch über dem englischen, das alle desbauchirten mäner undt weiber politisch sein undt dem hoff gefahlen wollen, welches manche untrew undt verrähterrey gibt, aber in welchen landt es auch sein mag, so muß man, wen man geheüraht ist, die jalousie [Eifersucht] auß dem hertzen banißiren [verbannen]; den daß kan nie kein gutt thun. Seine händt in unschuld waschen gibt woll vor sich selber ein ruhig gewissen, allein es gibt kein ahngenehm comerse undt mitt einem ruhigen gewißen kan einem doch die zeit bitter lang fallen undt manche sehr langweillige stunden haben. Ich bekümmere mich nicht über der welt weßen, aber es macht mich die welt genung verachten, umb wenig lust zu nehmen, in geselschafft zu sein. Man hört von nichts, alß tragiquen avanturen [tragischen Geschichten]; baldt werden 5 weiber noch gericht werden, so ihre mäner umbs leben gebracht haben, noch etliche haben sich selber umbs leben gebracht; sonsten geschehen auch viel unglück .... Adieu, liebe Ameliße! Ambraßirt Louiße von meinetwegen undt seydt versichert daß ich Eüch beyde sehr lieb habe!

Elisabeth Charlotte.

An die Kurfürstin Sophie von HannoverBodemann, Sophie Nr. 401.

Versaille den 3. Januari 1700.

Die post geht jetzt recht verdrießlich undt ist noch nicht ahnkommen; ich hatte mich drauff gefreüet, undt ein gnädig schreiben von E. L. were das ahngenehmbste neüjahr geweßen, es hatt mir aber leyder gefehlet.... Wir haben jetzt gantz undt gar nichts neües hir. Gestern haben wir hir die neue coommedie von Athanais [L'Athenais von J. de Mairet] gesehen; sie haben recht woll gespilt, aber mich deücht doch, daß das stück nichts besonderes ist. Das sujet gefehlt mir nicht übel, aber in meinem sinn macht er seine personagen nicht verständig genung, undt ich kan nicht vertragen, daß Theodose seiner schwester pulcherie, die doch, wie man woll sicht, alles regirt, zwey mahl befilt, den teimpel zurecht machen zu lassen vor sein beylager, alß wenn er sonst keine leütte hette; das kompt mir zu bürgerlich vor. Darnach auch den philosopne Leontin, den macht er wie einen pedanten reden undt weiß nie nicht recht was er will, denn ein augenblick will er seine dochter zur Keyßerin machen, ein augenblick hernach weint er drüber; das deücht mir ein sot personage [dumme Person] vor einen philosophen zu sein, welche mehr resolution in ihre desins [Entschließungen] haben sollen. Des Kayßers personge gefehlt mir auch nicht, denn im ahnfang will er halb raßendt werden vor jalousie, undt hernach ist er gantz fertig, seine maitresse seinem rival zu cediren, wenn sie nur will; das ist nicht natürlich. Aber hirmitt einmahl genung von der gesterigen commedie ... Heütte undt morgen werden E.L. singen: »Ein kindellein so löbelich ist unß geboren heütte« oder: »Ein kindt geboren zu Bettlehem, zu Be he hetlehem, deß frewet sich Jerusalem, halé halé halé haleluja«, oder: » In dulci jubilo ho ho, nun singet undt seidt fro ho ho, unßers hertzens wo ho ho né ligt in praesepio ho ho undt leüchtet alß die so ho ho ne, in matris gremio ho ho, alpha est et o ho, alpha est et ho« ....

Wenn patte [Herzog Georg Wilhelm von Celle] noch bey, E.L. ist, wenn sie diß schreiben entpfangen werden, so bitte ich E.L., sie wollen doch die gütte haben, patte mein compliment zu machen, damit I.L. meiner nicht vergeßen mögen, denn ich habe patte noch alß recht lieb ...

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 406; vgl. Ranke XIII, 174.

Versaille den 11. Februari 1700.

.... Ich habe auch ein gar groß liederbuch; die gutte große mad lleMadame de Montpensier, Tochter von Gaston, Bruder Ludwigs XIII. hatt mir es vor ihrem todt gegeben, das amusirt sehr. Ahn feu Monsieur [dem verstorbenen Monsieur Gaston] sein hoff da waren viel, so verstandt hatten undt possirlich lieder machten. Es seindt leütte zu Paris, so 10 oder 12 große tomen [Bände] von den alten liedern haben undt gar fleißig bewahren. In Franckreich kan man alle zeitten durch die lieder erkennen, denn alles wirdt gesungen, dadurch kan man die historien vom gantzen hoff besser lernen, alß in den historienbücher, denn da flattirt man nur, aber in den liedern singen sie, wie es in der that hergeht, undt wie man durch die medaillen die römische historien beweist, so kan man hir im landt durch die lieder die rechte warheit erfahren, seindt also nicht so unnützlich, alß man meint .... Die brieffe werden geöffnet, ehe sie in des BrousseauBrosseau war hannoverscher Agent in Paris. hände kommen; was schadts, daß E.L. frey schreiben? Es geht denen, so unßere brieffe leßen, wie denen, so ahn der wandt laustern [lauschen], von welchen das sprichwort sagt: »Der lausterer ahn der wandt, der hört sein eygen schandt.« Was man ahm übelsten in E.L. gnädigen schreiben finden wirdt, ist, daß sie mich lieb haben, denn das verzeyet man hir nicht ... Ich weiß nicht, auff welche seydt vom schloß E.L. nun zu Hannover logiren, ob sie noch sein, wo sie vor dießem waren, da man durch die presentz [Audienzzimmer] und Vorkammer undt billiard in den hoff hinsahe, wo das althauß war, undt Dero kammer, wo E.L. bett war, auff die gaß sahe. Es war auch ein klein balcon vor E.L. fenster, wo blumenkrüg mitt jasmin undt mirten stunden; man hatt mich offt dort gemeßen. Oder ob E.L. logiren, wo ma tante Lisbet vor dießem logirte, hinter Raisons [Kammerdiener] kammer, oder auff meiner seitten, wo ich logirte undt das frawenzimmsr war zu meiner zeit, oder über pattes kammer, so in den ersten hoff sicht, wo oncle Rupert [Ruprecht von der Pfalz] einmahl logirt hatt. E.L. sehen hirauß, daß ich das alte Hannover nach gantz autzwendig weiß. E.L. haben mir einmahl gnädigst bericht, daß das operahauß ist, wo mein heimblich gemach vor dißem war, undt weilen E.L. sagen, daß es de plain pied [auf gleicher Höhe] von ihrer cammer ist, so bildt ich mir ein, daß man E.L. apartement von meinem undt dem frawenzimmer gemacht hatt; das capucinercloster aber, wo der Churprintz logirt, bildt ich mir ein, daß es ist wo die schneyderey undt das althauß war im dritten hoff .... Was macht, daß der respect überal sehr abkompt, sindt zwey ursachen, erstlich weillen Msgr. nach nichts nicht fragt, undt so gemein man sich auch mitt ihm machen mag, findt er es nie übel, zum andern so ist das landtsknechtspiel auch viel schuldig dran, man will immer leütte haben, so gelt zusetzen können; die, die große qualiteten haben, seindt nicht die reichsten, man spilt also mitt allerhandt lumpenzeüg, wenn sie nur gelt haben. Alle weiber biß auff cammermagt erlaubt man à 1a rejouissance [bei der Belustigung] zu setzen; damitt die bleiben können, macht man sie sitzen; wenn die sitzen, können die weiber von qualitet nicht stehen, also sitzt alles ohne unterschied des ranges undt der qualitet; alles geht dann drunter und drüber; die politesse hatt der König allein behalten, sonsten ist sie gantz vom hoff banisirt ....

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 409.

Versaille den 14. Mertz 1700.

.... Meine taille ist monstreux, denn ich bin klein, wie E.L. woll wißen, undt habe dicke breitte axseln, einen abscheülichen dicken hintern undt hüfften undt bauch, gar keine brüste. E.L. können leicht gedencken, daß dießes alles zusamen etwaß abscheüliches macht, aber es ist nichts dazu zu thun. Nach den kinderblattern bin ich in kurtzer zeit so geworden; befinde mich doch nicht übel darbey undt kan noch zimblich woll gehen undt reitten, seyder einem jahr habe ich nicht zugenohmen, hoffe also, daß ich nun so bleiben werde; hette ich immerfort zugenohmen, were ich endtlich gar eine kugel geworden.

Junge leütte wie der König in Denemarck [Friedrich IV.] meinen, sie werden heros [Helden], wenn sie nur krieg führen, undt dencken nicht, daß es übel ablauffen kan undt daß sie, wenns glück nicht will, sie ahnstatt des heros nur zeros [Nullen] werden; hoffe, der König in Denemarck wirdt gutten raht folgen ...

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 411.

Marly den 6. May 1700.

.... Die gutte jungfer Colb betrog ich offt in meinen jungen jahren mitt nachts zu essen, allein wir aßen nicht so delicatte sachen alß wie chocolatte, caffé undt thé, sondern wir fraßen einen gutten krautsalat mit speck. Ich erinere mich, daß man einsmahl in meiner cammer zu Heydelberg eine thür verendert undt derowegen mein undt der Colbin bett in die cammer thate, so vor meiner jungfern cammer war; die Colbin hatte mir verbotten, nachts in der jungfern cammer zu gehen, ich versprach, nicht über die schwelle zu kommen, sie solte sich nur zu bett begeben, ich könte noch nicht schlaffen, wolte die sternen noch ein wenig ahm fenster betrachten. Die Colbin wolte mir nicht trawen, blieb immer ahn ihrem nachtuch sitzen; ich sagte, sie jammerte mich, sie solte sich doch zu bett legen undt den Vorhang auffmachen, so könte sie mich ja sehen; das that sie. Sobaldt sie im bett war, machten die jungfern ihre thür auff undt setzten den theller mit dem specksalat auff die schwell; ich that alß wenn mein schnuptuch gefahlen were, hub damitt den theller auff undt ging stracks ahns fenster; kaum hatte ich 3 gutte maul voll geschluckt, so schießt man auff einmahl das stück loß, so auff der altan vor meine fenster war, denn es war ein brandt in der statt ahngangen. Die Colbin, so das feüer unerhört fürcht, springt auß dem bett, ich, auß forcht, ertapt zu werden, werfe mein serviet mitt sambt dem silbern theller mitt salat zum fenster 'nauß, hatte also nicht mehr, das maul abzuwischen. In dem höre ich die höltzerne stiege herauff gehen, das war der Churfürst unßer papa s(eelig), der kam in mein cammer, zu sehen, wo der brand war. Wie er mich so mitt dem fetten maul undt kinn sahe, fing er ahn zu schwöhren: » sacrement, Lisselotte, ich glaub, ihr schmirt euch etwaß auff den gesicht.« Ich sagte: »es ist nur mundpomade, die ich wegen der gespaltenen leffzen geschmirt habe.« Papa s(eelig) sagte: »ihr seydt schmutzig.« Da kam mir das lachen ahn, papa undt alle, so bey ihm waren, meinten, ich were närisch worden, so zu lachen. Die raugräffin kame auch herauff undt ging durch meine jungfern kammer, kam daher undt sagte: »ah, wie richts in der jungfern cammer nach specksalat.« Da merckte der Churfürst den possen undt sagte: »Das ist denn ewer mund pomade, Lisselotte.« Wie ich sahe, daß der Churfürst in gutter laun war, gestundt ich die sache undt verzehlte den gantzen handel, wie ich die hoffmeisterin betrogen Colbin hatt mirs lang nicht verziehen. Diß ist eine alte historie, sage sie nur, umb E.L. zu erweißen, daß ich den spaß woll kene, so man in der jugendt hatt, etwaß nachts gegen der hoffmeisterin willen zu eßen ....

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 440.

Versaille den 2. Januari 1701.

.... Ich bin alß persuadirt (aber vielleicht flatire ich mich auch), daß der König mich nicht hast undt mehr mitt mir umbginge, wenn das alte weib es nicht hinderte, aber er hatt mich auch nicht lieb genung, mich nicht an ihrem haß auffzuopfern. Er [hatt] mir doch 1000 pistolger zum neüen jahr geschickt, welches woll zu paß kam, wenn ich die andern jahre nicht so gar zurück geweßen were undt golt hette lehnen müßen; aber ich hab doch schon über die taußendt pistollen schulden gezahlt; diß jahr werde ich, ob Gott will, alles zum endt bringen. I.L. die Churfürstin von Brandenburg macht es wie ich alß in mein alt schreibbuch schreiben mußte: »Was nicht zu endern stehet, laß gehen wie es gehet.« Ich finde so woll alß mein padgen nichts schwehrers, alß gegen meine eygene sentimenten sprechen. E.L. haben groß recht, zu sagen, daß man Chur Brandenburg den tittel von König hir geben wirdt, sobaldt man seiner von nöhten wirdt haben; so gehts just hir her... Mich deücht, den letzten christtag singt man:

»Vom himmel hoch da komme ich her,
Ich bring eüch gutte neüe mehr,
Der neüen mehr bring ich so viel,
Davon ich singen und sagen wil«,

undt so mir recht ist, so endiget es mitt: »So singen wir ein neües jahr.« Mich wundert, daß man die gewohnheit vom h. Christ zu Hannover abgeschafft hatt, denn das war doch all artig, insonderheit die gedeckte taffeln mitt bucksbaum undt kleine wackslichterger undt allerhandt farben zucker bestrewet.

Ich weiß nicht, ob E.L. wißen, daß der papst [Klemens XI.] den Keyßer [Leopold I.] ermandt, keinen krieg ahnzufangen in der christenheit. Wenn der Keyßer den krieg nicht außführen kan, ist diß ein gutt pretext [Vorwand] mitt ehren auß dem Handel zu kommen. Der Keyßer hatt den papst bitten lassen, den König in Spanien [Philipp v. Anjou] vor keinen König zu declariren undt ihm die investiture von Naples undt Sicillien abzuschlagen; der papst hatt aber geantwortet, der König in Spanien seye rechtmäßiger erb zur cron undt von allen Königreichen von Spanien davor erkandt undt vom peupel beruffen, könne ihn also anders nicht alß vor einen rechtmäßigen König in Spanien declariren. Hir meint man vestiglich, daß es krieg wirdt werden, undt alles rüst sich dazu. Ich glaube, daß es König Wilhelm nicht leydt sein wirdt, seine Engellander zu occupiren [beschäftigen], damitt sie ihn desto mehr in ruhen laßen....

An DieselbeBodemann, Sophie Kr. 454; vgl. Ranke XIII, 190 f.

Versaille den 12. Juni 1701.

Nun ich von meinem ersten schrecken ein wenig ersetzet bin, kan ich nirgendts beßer trost in meinem unglück suchen, alß bey E.L., welche sein was mir in der welt ahm liebsten ist. Ich will also mein hertzlieb ma tante alles verzehlen. Vergangen Mittwoch morgendts war Monsieur s(eelig) noch gantz frisch undt gesundt, fuhr nach Marly, aß dort perfect woll zu mittag mitt dem König. Nach dem eßen fuhren I.L. nach St. Germain, kamen abendts umb 6 wider gantz lustig, verzehlte unß, wie viel tabourets er bey der Königin in Engellandt gesehen. Gegen 9 Uhr solte ich zu nacht eßen, konte aber nicht eßen, denn ich hatte noch 4 stundt das fieber gehabt; Monsieur s(eelig) sagte zu mir: » je m'en vay souper et ne feres [=ferai] pas comme vous, car j'ay grand apetit«,Ich gehe jetzt fort essen, werde es aber nicht machen wie Sie; denn ich habe großen Hunger. geht damitt ahn taffel. Eine halbe stundt hernach höre ich ein geraß, sehe mad. de Vantadour bleich wie der todt in meine camer kommen, die sagt: » Monsieur se trouve malMonsieur geht's schlecht. Ich lauff gleich in I.L. kammer; sie kanten mich zwar woll, konten aber nicht reden, daß man es verstehen konte; so viel konte ich nur hören: » vous estes malade, allés ches vous enSie sind krank, gehen Sie nach Hause. Man hatt I.L. dreymahl zur ader gelaßen, il oncen emetique [Brechmittel] geben, waßer von Chaffhausen, gouttes d'Angleterre 2 boteillen voll, aber nichts hatt geholffen; gegen 6 morgendts hatt es sich gantz zum endt getrehet. Da hatt man mich auß der cammer mitt gewaldt geschlept, war wie ohnmächtig; man legte mich zu bett, ich konte aber nicht im bett bleiben, stundt auff undt wie ich in freüdt undt leydt allezeit ahn E.L. gedencke, so war auch mein erste gedancken, ahn E.L. zu schreiben; ich weiß aber nicht, was ich E.L. gesagt habe. Nachdem ich E.L. brieff weg geschickt, kam der König zu mir, war auch sehr touchirt [gerührt], thate doch seinen möglichen fleiß, mir trost einzusprechen, erwieße mir viel gnade. Mad. de Maintenon war auch sehr touchirt undt sprach mir zu. Der König fuhr weg. Umb 12 verschiedt Monsieur; ich setzte mich gleich in kutzsch undt fuhr her. Der König schickte mir mons. le premier, umb zu fragen, wie ich mich befinde. Der schrecken hatt mir das fieber vertrieben. Mad. de Maintenon ließ mir durch meinen sohn sagen, daß es jetzt die rechte zeit were, mich mitt dem König zu versöhnen. Hirauff habe ich meine reflectionen gemacht undt mich erinert, wie offt E.L. mir gerahten, zu suchen, mich mitt dießer damen selbsten zu versöhnen; derowegen habe ich den duc de Noailles gebetten, dießer damen von meinetwegen zu sagen, daß ich so touchirt [gerührt] were von aller freündtschafft, so sie mir in meinem unglück bezeugt, daß ich sie bätte, doch die mühe zu nehmen, zu mir zu kommen, denn ich dörffte nicht außgehen. Dießes hatt sie gestern umb 6 gethan. Ich habe ihr gleich widerholt, wie content ich von ihr were undt begehre ihre freündtschafft, habe ihr auch gestanden, daß ich übel zufrieden mitt ihr geweßen, weillen ich gemeint, daß sie mir des Königs gnaden entzogen undt mich gehast hette, daß ich es auch von mad. la dauphine erfahren, wolle aber gerne alles vergeßen, wenn sie nur meine freündin sein wolte. Hirauff halt sie mir viel schönne undt eloquente [beredte] sachen gesagt und ihre freündtschafft versprochen, undt wir haben unß ambrassirt [umarmt]. Hernach habe ich ihr gesagt, es were nicht genung, daß sie mir entbotten, daß der König mir ungnödig were, sie müste mir auch sagen, wie ich wider in gnaden kommen könte. Darauff hatt sie mir geraten, gantz offenhertzig mit dem König zu sprechen, selber gestehen, daß ich sie gehast hette, weillen ich gemeindt, daß sie mir böß office bei dem König thete, auch worumb ich böß über den König geweßen. Dießen raht habe [ich] gefolgt, undt wie mir Monsieur gesagt hatte, daß der König auch böß were, daß ich E.L. zu offenhertzig schreibe, so habe ich auch diß article tractirt undt gesagt, daß diß I.M. nicht müste wunder nehmen, daß E.L. die person von der welt weren, [auf welcher ich am] meisten attachirt were auß reconnnoissance [Dankbarkeit] undt auß inclination [Neigung], daß ich E.L. mein Hertz zu allen zeiten öffnete undt daß, so lang I.M. mir Dero gnaden erzeigt, hette ichs E.L. gerümbt, da I.M. mich übel tractirt, hette ich E. L. geklagt, undt könte nie anderst vor E.L. sein. Der König sagte, er wüste nichts von meinen brieffen, hette keinen gesehen, es were nur eine einbildung von Monsieur geweßen; er finde nicht übel, daß ich E.L. alß eine mutter ehrte undt liebte; aber E.L. hasten ihn. Ich sagte, E.L. admirirten [bewunderten] alle zeit seine große qualiteten [Fähigkeiten], allein wenn es I.M. beliebte, würden sie auch von E.L. geliebet werden. Nachdem ich I.M. alles außgelegt und clar bewiesen, daß, so übel sie mich auch tractirt, ich sie doch jederzeit respectiret, und geliebet hette, ja alle zeit große freüde gehabt, wenn sie mich nur bey sich leyden wollen, da hatt mich der König ambrassirt, gebetten, das vergangene zu vergeßen, undt hatt mir seine gnade versprochen, lachte auch, wie ich gantz natürlich zu ihm sagte: »si je ne vous avois pas aimé, je n'aurois pas tant haï mad. de Maintenon, croyant qu'elle m'ostoit vos bonnes graces.«Wenn ich Sie nicht geliebt hätte, so hätte ich Frau v. Maintenon nicht so gehaßt, da ich glaubte, daß sie mir Ihre Gnade entzog. Endtlich hatt sich alles gar gnädig geendet. Ich habe zu I.M. gesagt, daß wie diß der eintzige trost in meinem unglück were, so könte ich nicht laßen, E.L. solches heütte zu berichten, welches I.M. aprobirt haben. Heütte werde ich noch einen betrübten tag haben, denn umb 3 wirdt der König wider herein kommen, umb Monsieur s(eelig) testament zu öffenen, welches mich greülich jammern undt schmertzen wirdt....

An Markräfin Amalie Elisabeth von der PfalzBibl. d. lit. Vereins, Bd. 88, Nr. 144.

Fontainebleau den 4 Novembris 1701.

Hertzliebe Amelise, gestern habe ich auff Louiße brieff geantwortet undt heütte werde ich auff die Ewere antwordten, so vom 15 undt 28 Oktober sein. Es ist war, daß ich eine zeithero vom gar ernstlichen undt recht langweiligen Sachen mit Louise habe sprechen müssen, welches mir leydt genung. Ich habe hoch von nöhten, daß man mich lachen macht; den diß wirdt sehr rar bey mir. ...

Ich fürchte, zu kunfftig jahr werdet Ihr den krig näher haben, alß in Ittalien. Wer in dießem landt nicht spilt, muß all sein leben die parthey nehmen, nicht hinter dem offen zu sitzen (den es seindt keine offen hir im landt), aber woll camin; dahinter sitzt man, gantz einsam undt allein, undt wer es noch waß, wen man artige rätzelger hören könte. Bißher haben wir hier daß schönste wetter von der welt gehabt; ich habe es mir auch braff zu nutz gemacht, bin alle tag im walt spatziren gangen. Weillen ich nicht weiß, waß man alß im herbst thut, noch wie man sich dort divertirt, so kan ich nicht sagen, ob es mir gefallen könnte oder nicht. Viel trauben eßen gereütt man etlich mahl, wen man einen braffen tribsdrill [Durchfall] bekompt, welches schir allemahl geschicht, wen man zu viel trauben frist. Diß jähr ist dieße kranckheit sehr gefährlich undt wirdt leicht eine rotte ruhr drauß; es seindt unerhört viel leutte ahn der ruhr diß jahr hir in Franckreich gestorben. ...

Der könig continuirt, mir große gnadt zu erweißen. Ven gutten wunsch, so Ihr thut, daß gott des königs hertz regiern möge, damitt ich noch ferner vergnügt leben möge, meritirt [verdient] noch eine absonderliche dancksagung. wen man so alt ist, alß ich bin, vergeht alle lust von sich selber; den man wirdt alles müht, aber gridtlich [krittelig] zu sein, kan man sich woll endtwehren. Es ist woll gewiß, daß große trawerigkeit sterben macht, hirin hatt der könig Salomon groß recht. Meint Ihr, liebe Ameliße, daß ich die bibel nicht mehr leße, weillen ich hir bin? Ich lese alle morgen 2 capittel. Ihr müßt nicht meinen, daß die frantzösche catholischen so alber sein wie die teütschen catholischen; es ist gantz eine andere sach mitt, schir alß wens eine andere religion were. Es lest hir die heylige schriefft, wer will; man ist auch nicht obligirt, ahn bagatellen undt abgeschmackte miracle zu glauben. Man helt hir den papst nicht vor unfehlbar; wie er monsieur de Lavardin zu Rom excomunicirte, hatt man hir nur drüber gelacht. Man bett ihn nicht ahn, man helt nichts auff wallfahrten undt hundert dergleichen, worinen man im landt gantz different von den teütschen catholischen ist, wie auch von den Spaniern und Ittallienern. Ich komme aber wider auff waß Ihr von der melancoley sagt. Es ist nur gar zu war, daß die trawerigkeit zu nichts nutz ist; allein es stehet nicht allezeit bey unß, lustig oder trawerig zu sein, undt es ist schwer, lustig zu sein, wen man sein leben einsam zubringen muß, nichts hatt, so einem eygendtlich erfrewen kan, undt in der that manche trawerige sachen auff dem hals hatt. Die lust runtzelt eben so sehr, daß der chagrin [Kummer], undt wen man offt in die son undt in den windt geht, runtzelt man ohnfehlbar; daß lachen runtzeln eben so sehr, alß daß weinen. Ich finde die glücklich, so affairen verstehen können; mir seindts lautter spanische dörffer. Die menage [Haushaltung] begreiff ich auch gar übel, komme spät dazu, etwaß zu lernen, doch werde ich es so gutt machen, alß daß ich kan. Ewer hauß wirdt eher in richtigkeit gebracht werden, alß daß meine; den Ihr gar gewiß weniger leütte zu versorgen habt, alß ich; aber genung hirmitt von dießen verdrießlichen sachen; den alle affairen, wie sie auch sein mögen, kommen mir verdrießlich und langweillig vor. Ich versichere Eüch, liebe Ameliße, daß ich gantz undt gar keine ambition habe undt nichts weniger wünsche, alß königin zu sein. Je höher man ist, je gezwungener muß man leben, und wehre die stelle von Madame eine charge, so man verkauffen könte, hette ich es lengst gar wollfeill weg geben, will geschweygen den, daß ich eine königin zu sein wünschen solte. Die princes von Savoye kompt nicht unschuldig zum königreich; sie ist ja von dem rechten stoff, da man die königinen von macht, undt von vatter- undt mutterseytten nichts ahn ihr zu tadlen. Sie ist Monsieur s. enckel; aber die meine nicht, wie Ihr woll wist; aber daß gutte kindt schreibt mir mitt solche amitié, alß wen sie in der that mein enckel were. Daß kompt, weillen ihre fraw mutter kaum zwey Jahr alt war, wie ich in Franckreich kamme, wuste also nichts von ihre eygene fraw mutter, hatt mich also so lieb bekomme, alß wen sie mein leiblich kindt wehre. Ich habe die gutte hertzogin auch von hertzen lieb undt mache keinen großen unterschiedt unter meinen kindern und I.L. Die hatt ihrer fraw dochter, der königin, dießes eingepregt, daß sie mich lieb haben solle. Die wir hir haben, ist zu jung von ihrer fraw mutter kommen, hat also ihre sentimenten nicht. Die junge königin thut ihr reiße zu landt. Der könig in Spanien undt seine gemahlin seindt freylich junge eheleütte, sie machen nur 31 jahr zusammen; den der könig wirdt dießen December 18 jahr alt werden und die königin ist 13 jahr alt seyder dem September. Daß zwey bruder zwey schwestern nehmen, ist nirgendts verbotten, aber woll, daß man zwey bruder oder zwey schwestern nach einander nimbt. Engellandt ist gar nicht ihr weg, weder zu waßer noch zu landt, geweßen. Man sagt hir, könig Wilhelm hette die waßersucht und seye todtkranck; ich werde es aber nicht glauben, biß ich anderwerts her erfahre. Es were schadt, daß so ein verstandiger könig so wenig leben solte. Waß man ihm aber beschuldiget, ist nur gar zu war. Alle jungen Engelländer, so mitt mylord Portlandt ambassade herkammen, alß sie sahen, daß es zu Paris eben zugeht wie bey ihrem hoff, haben sie keine scheü gehabt, alles gantz natürlich zu verzehlen, wie es hergeht, sollte von dem Albemarle verliebt gewest sein wie von einer damen undt ihm die händt vor alle menschen geküst haben. Daß große zeichen noch, daß dießer könig verliebt von jungen mänern ist, ist, daß er nichts nach weiber fragt; den glaubt mir, liebe Ameliße! die mäner seindt so, sie müßen eines oder daß andere lieben. König Carl s. hatt allein die Weiber geliebt. Es seindt aber noch vielle, die beyde lieben; deren findt man hir gar viel und mehr, alß von denen, so nur von eine inclination sein. König Carl ist nicht verliebt von madame Mazarin geweßen, sondern von madame de Porthsmuth undt von einer commediantin. Die mäner glauben, die weiber können nicht sein, ohne waß zu lieben, weillen sie selber es sein; drumb muß man ihnen dieße fragen zu gutt halten. Ich glaube, daß lieben oder nicht lieben nicht allerdings bey unß stehet, aber die haben gott zu dancken, denen er hirinen einen ruhigen sinn gibt undt vor solch unglück bewahrt, so taußendt andere unglück nach sich zicht. Drumb muß man mittleyden mitt denen haben, welche gott in solch unglück fallen lest, undt ihn fleißig bitten, unß davor gnädig zu bewahren. Ewer art von schreiben, liebe Ameliße, gefehlt mir recht woll undt bin gar content darvon. Carl MoritzRaugraf von der Pfalz, gest. 1702 am Trunke. machts nun auch beßer, alß er ahnfangs gethan, bin woll mitt seinem letztem brieff zufrieden geweßen. Complimenten seindt gutt vor leütte, so man nicht kenen will undt welchen man nicht lieb haben will undt also nichts anderst zu sagen hatt; die speist man mitt einem compliment ab, aber die man lieb hatt, denen sagt man, waß man denckt, wie wir jetzt thun.

An Raugräfin Luise von der PfalzBibl. d. lit. Vereins, Bd. 88, Nr. 147.

Versaille den 10 Decembris 1701.

Daß testament von mein herr vatter s. ist mir gar woll zu paß kommen; es solle, wie man mir versichert, mir gar nöhtig geweßen [sein], dancke Eüch also nochmahlen von hertzen davor. Vom Zweyffel werde ich nichts mehr sagen; Ihr wist nun woll, wie alles gangen. Ohne eydt undt schwur kan undt will ich Eüch, lieb Louiße, woll glauben, daß Ihr nicht gern bettelt. Herr Jesus, wo soltet Ihr daß gelernt haben? Hiemitt ist Ewer erstes schreiben vollig beantwortet; ich komme jetzt auff das zweyte. Ich habe woll gedacht, daß Eüch Zweyffels propossitionen undt mitt einem wordt bettelleyen nicht gefahlen würden. Mein heürahtscontract hatt man so ellendt auffgesetzt, daß wen ich ein burgersdochter were; kan nicht begreiffen, wie I.G. der churfürst s. mich selbigen hatt unterschreiben machen. Aber mein hauß ist so groß, daß, ob der könig mir zwar 250 taußendt francken pension giebt undt man mein heürahtsguht undt alles dabey regnet, so fehlt es noch ahn noch einmahl so viel, alß der könig mir gibt, umb mich nach meinem stand gemeß zu unterhalten, undt daß, weillen auff alle chargen gerechtigkeitten seindt, alle erkaufft sein und ich also nicht retranchiren kan, auch hir im landt so thewer undt nutzer preiß ist. Es ist also gar weit gefehlt, daß ich die pfaltzische gelter frey undt zu spielgelt, so zu sagen, haben solte; ich muß sie haben, meinen standt zu erhalten, undt werde nichts davon apart zu legen haben, Were es, wie Ihr es gemeindt, würde ich gar gewiß vergnügt leben, aber ich bin leyder weit davon. Wen die sachen woll gehen, ist es ein spaß, davon zu reden, aber wen sie übel gehen, ist es warlich gar keine lust, sondern macht recht gridtlich. Sie docktoren in recht machens den eben auch, wie ich sehe, alß die von der medecin. Ich kan leicht gedencken, wie Ihr wünscht, von dießen leütten befreyet zu sein. Ich bin froh, daß mein compliment der fraw von Wolmerhaußen ahngenehme geweßen. Es ist mir leydt, daß die gutte fraw so alt wirdt; sie ist doch, wie ich glaube, nur [nun?] 84 alt; es were mir recht leydt, wen sie sterben solte. Ich wuste schon durch ma tante, die fraw churfürstin, daß mein neuveu, der junge landtgraff, wider zu Cassel ahnkommen .... Mein, dochter undt ihr herr seindt rechte kälber; es ist eine schandt, daß sie so kindisch sein. Mein dochter hatt sich bleßirt, weillen sie mitt ihrem herren gespilt, so ihr die arm verthrehet, ist den 4ten tag drauff ins kindtbett kommen. Vor alle gutte wünsche dancke ich Eüch von hertzen, liebe Louiße! Ich mißgönne Euch zwar die gnade nicht, so Ihr haben werdet, ma tante auffzuwartten, ich mögte es aber auch gern thun. Man rufft mich; es ist zeitt, nüber zum könig zu gehen. Ich kan ohnmöglich dießen brieff überleßen; bitte, entschuldigt die fehler, liebe Louiße, undt glaubt, daß ich Eüch undt Ameliße allezeit von hertzen lieb behalte.

Elisabeth Charlotte.

An Kurfürstin Sophie von HannoverBodemann, Sophie Nr. 499; vgl. Ranke XIII, 203.

Versaille den 20. April 1702.

.... Ich schenckte gestern mad. de Chasteautier Eine(n) schönnen papagay, der blauttert unerhört. Ich wolte hören, was er sagen kan, ließ ihn in meine cammer; meine hunde wurden jalous [eifersüchtig], undt eine, so Mione heist, wolt ihn ahnbellen; der papagay sagte alß »donne la patte«;»Gib die Pfote!« ich wolte, daß E.L. hetten sehen können, wie verwundert Mione war, den vogel sprechen zu hören: sie hörte auff zu bellen, sahe ihn starck ahn, hernach mich; wie er fortfuhr zu reden, erschrack die Mione wie ein mensch, lieff davon undt versteckte sich unter das lotterbett, da fing der papagay überlautt ahn zu lachen. Das machte mich ahn herr Leibnitz gedencken, daß E.L. sagen, daß er soutenirt, daß die thiere verstandt haben, keine machine sein, wie es Descarte hatt behaupden wollen, undt ihre seelen unsterblich sein. In jener welt werde ich mich sehr erfrewen, nicht allein verwante und gutte freünde wider finden zu können, sondern auch alle meine thierger, aber were woll atrappirt [betroffen], wens bedeütten solte, daß meine seele so sterblich alß die ihrige werden solte undt daß wir alzusamen nichts mehr sein solten, will lieber das andere glauben, denn es ist viel tröstlicher ....

An Raugräfing Amalie Elisabeth von der PfalzBibl. d. lit. Vereins, Bd. 88, Nr. 183.

Versaille den 7 Januari [1703].

Hertzliebe Ameliße, .... Der abscheü von den comedien kompt nicht von wie sie nun sein, sondern wie sie geweßen vor dießem, da allerhandt unzucht drinen getrieben wardt. Weren sie gewesen, wie jetzundt, würde man es eher befohlen, alß verbotten haben, weillen sie, wen man es nimbt, wie man es nehmen solle, es mehr guts, alß bößes, zuwegen bringen kan undt, ich sage es noch, es mehr capable ist, die tugendt zu animiren, alß eine schlechte predig. »Wie schickt sich Christus mitt Bellial?« ist baldt gesagt. Es ist aber schwer, zu expliciren. Der alte Adam muß sich finden in waß böß ist, aber waß zum gutten leyten kan, da verspürt sich der alte Adam nicht. Augen undt ohren kitzeln ist nicht schlim, wens nur, wie schon gesagt, zum gutten führt. Die prediger bestraffen die commedien, weillen sie vor dießem seind bestrafft worden, da sie straffens würdig wahren. Es ist aber ein zeichen von ihrer ignorentz, daß sie nicht examiniren, ob sie noch straffens würdig sein. Man wendt allzeit sein serieux zu Gottes ehr, wen es die tugendt zum grundt hatt. Waß woll gerett undt schön ist, braucht kein lachen, sondern nur, waß ridiculle ist, undt kan ich nicht begreiffen, worum mich etwaß ridiculles mehr vergnügen solle, alß etwaß serieux, so mir den weltlauff erweist, deßen man in dießer weldt woll zu studiren hat. Aber in dießem allem liegt viel, wie man erzogen ist worden. Daß starcke lachen, insonderheit wen es ohne ursach geschicht, kompt vom miltz eben so woll, alß weinen. Ich höre viel von der philosophie, die weldt vor nichts zu schätzen; aber in der pratica findts sichs wenig undt ich habe offt gesehen, daß, die sich ahm meisten berumbt, offt die schwächsten in der noht gefunden. Ich gestehe meine schwachheit; geht mirs nach meinem gefallen, bin ich lustig, kommen mir verdrießlichkeit, bin ich unlustig, bis es vorbey ist. Ich strebe nicht wider dem allerhögsten, ich verzage nicht; ich dencke aber, daß er mich züchtigt, damit ich es entpfinden mag, bin also nach seinem willen lustig oder trawerig, nachdem es gottes wille ist; daß hindert weder seine vorsehung noch barmhertzigkeit noch daß vertrawen, so man dazu haben solle. Unßer humoren gehen auch, nachdem er unßer herrgot verhengt hatt, also muß einer woll mitt dem andern geduld haben; zudem so begreifft ein jeder nach dem verstandt, so ihm gott geben hatt. Ich muß lachen, daß Ihr sagt, damitt die damen auch plaisir haben mögen, so bey Eüch zu gast wahren, so hettet Ihr 3 messieurs dazu gebetten undt von 3 diferenten nationen. Ich wolte, daß die ministre d'estat [Staats-] mittel finden könten, diese 3 nationen so woll zu vergleichen, alß Ihr gethan, so würden wir baldt einen gutten frieden haben. Da kompt meines sohns gemahlin mitt ihrer elften dochter herrein, muß also schließen undt vor dißmahl nichts mehr sagen, alß wie ich Eüch allezeit lieb behalte.

Elisabeth Charlotte.

An DieselbeBibl. d. lit. Vereins, Bd. 88, Nr. 204.

Versaille den 17 Februari 1704.

Hertzliebe Ameliße, .... Sie mögen ja nur unßere brieffe sehen, so werden [sie] woll finden, daß man von keinen staadtssachen spricht; also mögen sie woll unßere brieffe lauffen laßen. Ich gestehe, daß ich offt verwunder bin, zu hören, wie es in Teütschland nun zugeht; alles muß in den 32 jahren, so ich hir bin, erschrecklich geendert sein. Mich wundert, da doch so viele leütte in Franckfort sein, wie man sich nicht beßer dort in dem letzt verwichenen carneval divertirt hatt. Zu Hannover macht man sich braff lustig. Gott gebe, daß es lange weren möge undt erhalte sie alle bey gutter gesundtheit! Ich bin woll Ewerer meinung, liebe Ameliße, daß man der divertissementen woll entberen kan, wen man nur seine zeit ohne verdrutz undt ruhig passiren kan; allein in dießer weldt gehts nicht so gladt ab, der verdruß kompt undt findt sich offter undt eher, alß die freüde. Ihr würdet einen gutten prediger sein, liebe Ameliße! Den alles, waß Ihr sagt, ist eben so gutt alß eine fastenpredig, undt da schlaff ich nicht bey, wie bey alle andere predigen hir; den man geht hir eine halbe stundt nach dem eßen in die predigt, kan mich also ohnmöglich deß schlaffens enthalten, undt es ist keine eintzige predig, wo ich nicht in schlaffe; heütte noch habe ich so geschlaffen, daß mir [der] kopff davon schwindelt. Hir findet man gar wenig weibsleütte, so nicht von natur coquet sein, undt ist es recht rar, wen man eine findet, so es nicht ist. Vor gott mag es woll schlim sein, aber vor der weldt ist es lustiger, daß ist gewiß. Die coquetten flattiren sich, weillen man in der heylligen schriefft findt, daß unßer Herr Christus so viellen von ihren gattungen gnädig geweßen, daß er sich ihrer schwachheit auch erbarmen wirdt, alß nehmblich der Marie Magdelaine, der Samaratin, dem weib, so im ehebruch begriffen war; daß flatirte sie. Ihr meindt, Ihr würdet der coquetterie baldt müde werden; allein ich habe ahn viellen hören sagen, daß wer einmahl verliebt geweßen ist, kan sonst kein spaß mehr ohne den leyden undt daß mans nie müde wirdt. Wie ich sehe, so ist Ewer humor jalous, liebe Ameliße! Wolte Eüch also nicht rahten, coquet zu sein; Ihr müstet zu große qual außstehen .... Es ist jetzt eine große freüdt in Lotheringen, daß mein dochter, gott seye lob und danck, einen printzen bekommen; bin versichert, daß Ihr Euch auch deßwegen mitt mir erfrewet. Ädieu, liebe Ameliße! Seydt versichert, daß ich Eüch biß ahn mein endt wie auch Louiße recht lieb behalte!

Elisabeth Charlotte.

An DieselbeGerman.-roman. Monatsschrift, Heidelberg 1911, S. 457 f.

Fontainebleau, den 1. Octobre 1704.

Heute habe ich den tag mit Einen Contretemps ahngefangen, ich war schon gantz ahngethan umb mit meines sohns hunden zu jagen gehen, aber der König hat den durchlauff bekommen und geht nicht auff die jagt, habe mich also gantz wider ahn kleiden müßen. Ich bin nicht so baldt wider in weiber kleyder fertig gewesen, so hat mir Madame d'Orleans sagen laßen, das die Duchesse de Bourgogne auff die jagt gingen, ob ich nicht auch hin wolte. Ich habe mich aber nicht resolviren können, mich zum 3ten mahl wider anderst ahn zu thun. La Fare ist nicht hir, so baldt ich ihn aber sehen werde, wil ich ihm sagen, wie E.L. seine versen approbiren, welches ihn sehr freuen wirdt. Ich sehe wol, das E.L. papas s[elig] opinion sein und auch glauben, das Es beßer in der weldt zu gehen würde, wen die weldt von die 3 Charlatans würde befreyet sein, die Pfaffen, die docktoren und advocaten. Ich glaube nicht, das es der wahren Religion schuldt ist, das alles übel geht, sondern nur deren die die Religion zum pretexte nehmen, nur ihre politic zu folgen. Ich muß lachen, das E.L. schir so Eine lange litanie haben von was die Religion übels gestifft, als St. Paulus Eine macht von den so durch den glauben gerecht werden sein. Womit E.L. schliesen, ist mit unsers herrn Christi Eygenen wortten, den Er sagt, das Gott liben von gantzem hertzen und gantzer seelen, darin bestehet das gesetz und die prophetten, muß also wol die rechte religion sein. Madame du Maine hat viel verstandt und ist sehr gelehrt, man kan darauff frantzösch sprichwort cittiren: C'est dans les petites boites que sont les bonnes drogues.Die guten Spezereien sind in kleinen Schachteln. Der König hat viel gefangene von den 3 schlachten, so vergangen jahr gewunnen sein worden als nehmlich die 2 von Villars und von Speyer, darnach auch seindt in den platzen, so der König in Savoyen Ein bekommen, viel gefangene gemacht worden, kan also gar wol sein, das man genung hat umb die gefangene auszutauschen, den man ist nicht allezeit unglücklich auf dieser seytten gewesen, wie E.L. woll wissen. Ich finde, das Es Eben nicht übel gethan ist, die schuldt, das die schlacht verlohren worden, auff die todten zu legen, den denen kan Es nicht schaden und den lebendigen hette Es schaden können, und Es seindt schon Etliche über ihr übel verhalten gestraft worden. Der general [Tallart in der Schlacht bei Höchstädt am 13. August 1704] unter uns geredt, mus sein handwerck nicht recht verstanden haben, das Er nicht begriffen wie avantageux und vortheilhaffte seine troupen hinter dem morast und auff der höhe gestellt waren, aber wie E.L. gar recht sagen, wen Ein unglück sein sol, so mus sich alles dazu schicken. Ich bin froh, das man unser Ehrliche Braunschweiger nicht genennt hatt, den sie haben bey die, so sie gesehen und kennen, doch nicht weniger Ehre Eingelegt, und man wirdt sie hir nicht hassen, weil die Brandenbourger so unglücklich gewesen .... Ich bin persuadirt, das der römische König mühe wirdt haben bey dem regen wetter Landaw zu belägern. Die Printzes von ZweybrückenMarie Elisabeth Luise, Tochter des Pfalzgrafen Adam Johann, wurde 1700 zu Paris katholisch, heiratete aber später den kursächsischen Oberrechnungsrat Chr. G. von Gersdorf. hat Ein teusch Cammer medgen zu Paris gelassen, so Etlich mal zu mir kompt, sie hat verstandt und verzehlt recht possirlich. Sie sagt die Printzes hette als zum Gersdorff gesagt, ich habe euch eine ordre zu befehlen, kompt was näher. Den nahm sie ihn bey der handt und sagte, mein kindt laß Dir küssen. Die Kammer magt fing ahn zu schmehlen und sagte, Ey potzteuffel Ewer durchleucht das lest sich nicht thun, das Eine hohe Printzessin sich gar so gemeine macht mit ihren Edelmann und kompt Er wider, wil ich dem Ellementen Edelmann die thür vor der nas zu schlagen. Du hast recht, sagte die Princes und fing ahn zu weinen. Aber Ein stundt hernach sagte die princes, laß mir meinen Gerstorff hollen, ich wil ausfahren. Die Cammer magt sagte, aber gnädige Printzes, wie solle Es her gehen. Wol sagte die printzes, den ich habe meine liebe über meistert. Den kam gerstorff wider und sahe zimblich trotzig drein, die Printzes sagte, mein Gertorff wolt ihr Catholisch werden. Nein I.D. sagte Gertorff ganz frotzig. Ich mus euch bekehren, sagte die Printzes, fing ahn gantz heimlich zu reden und im follen reden küste sie wider. Die kammer magt sagte, ist dies Eine bekehrung, Es ist der teuffel selbst. Was wilstu, sagte die Princes, die liebe ist Eine gefährliche sache, wer kan ihr Entgehen. Die Cammermagt ist auch allezeit fest drauff geblieben, das Es der gerstorff sein muste, mit welchem die Printzes durchgangen. Ich sahe wol, das sie quinten hatte, aber so gar närrisch hatte ich wol nicht gemeint, das sie were. Sie mus Es machen, als wie das frantzösche liedt lautt, vivre avec son Iris dans une paix profonde et ne conter pour rien le reste du monde,Mit seinem Geliebten in tiefster Abgeschiedenheit leben und die übrige Welt für nichts achten. so machen Es diese beyden auch, aber wie kan sie gerstorff frau sein, da sie Einen geheurahten man nimbt, ich meinte la poliegamie c'est un Cas pendable [strafbar], wie man im opera singt. Freylich habe ich gerstorff gesehen, Er ist wol geschaffen, aber auch nicht schön wie Ein Engel, wie hundert andere ... Es ist nicht vor eine reditte zu halten, wen man von was spricht, wo von man schon gesprochen, wen a propos kompt, ich sauffe mich gott lob nicht vol, aber ich habe viel öffter durst als hunger. Es sein viel leutte so aberglauben ahn taffel zu sitzen, andere umb das salz fas nicht umb werffen zu sehen. Mademoiselle Gargant hat Madame de la Mailleray, die oncle Rupert gern gesehen, Neveu geheuraht, Er ist längst ahn den Kinderblattern gestorben. Ich bin unschuldigerweise ursach ahn seinen todt, Er kam oft zu mir. Eine von meinen jungfern, freullens solte ich sagen, war seine Schwefter, wir sprachen offt von der gesundheit und Er fandt, das ich mich wol drauff verstunde. Er bekam nach mir auff der See die Kinderblattern, das geschrey war zu Paris gangen, das ich den 7ten Tag mein fenster auff gemacht hette und frische lufft genohmen. Das war nicht wahr. So baldt man ihm dieses sagt, ohne sich recht bey seiner schwester zu erkundigen, ob Es wahr ist oder nicht, machts auch so und stirbt dar von. Es war mir recht leyd umb ihn, den Es war gar Ein wackerer Ehrlicher man. Ich glaube, König Augustus würde dem neuen Rönig [Stanislaus Leszinski], wofern Er ihn in Warschau Ertapt hette, den Kopf wol vor die füße geschlagen haben. Das hette ich nicht gedacht, das der Papst vor König Augustus sein würde. Es ist lengst meine Meinung, wie E.L. wissen, das der König in Schweden [Karl XII.] aufhören solte und das Holländische sprichwort folgen, Es wirdt ihm gereuen, wen Es zu spät sein wirdt, das Er mit seinen vetter dem König in Polen nicht fride gemacht hatt. So Ein haß ist weder Christlich noch reputtirlich. Man meint nun das sich die fanatiquen Entlich besänfftigen werden, den man hatt den meisten Erlaubt nach Genève zu ziehen und den andern administie [Amnestie] geben ....

An Raugräfin Amelie Elisabeth von der PfalzBibl. d. lit. Vereins, Bd. 88, Nr. 231.

Versaille den 5 Mertz 1705.

Hertzliebe Amelise, vergangenen dinstag, wie ich zu Paris bey meinen kindtskindern ware, habe ich Ewer schreiben vom 26 Februari zu recht entpfangen. Louise hatte mir geschrieben, daß Ihr nach dem s. absterben der lieben undt schönnen königin in PreüßenSophie Charlotte, gestorben 1. Februar 1705 in Hannover. auch kranck geweßen seydt. Daß, meinte ich, hette Eüch ahn schreiben abgehalten; bin fro, daß Ihr wider gesund seydt. Mein leben hatt mich nach Monsieur s. todt nichts mehr erschreckt und bestürtzt, alß dießer schönnen königin so geschwinder todt, welchen ich woll von grundt meiner seelen beweint habe. Es ist woll war, liebe Amelise, daß dießes sehr moralisiren macht. Waß Eüch dabey eingefallen, gemandt mich ahn daß lutherische todtenliedt, daß ich offt gesungen, wie ich zu Hannover war.

Heütt seindt wir schön, gesundt und starck,
Morgen todt und ligen im sarck.
Heütt blühen wir wie die roßen rot,
Baldt kranck undt todt.
Ist allenthalben müh undt noht.

Ich kan nicht begreiffen, warumb man ma tante nicht gleich auß dem hauß geführt hatt, so baldt sie ihr unglück erfahren; den in demselben hauß zu sein, wo der todten corper ist, daß ist etwas abscheüliches, so die betrübtnuß stündtlich verneüern muß. Ich bin lenger, alß 10 nächte, geweßen, daß ich nicht habe schlaffen können auß ängsten vor ma tante, die fraw churfürstin, biß ich vernohmen, daß es, gott lob, beßer wirdt. Es ist beßer, liebe Amelisse, daß ma tante sich nicht zwingt undt ihre threnen fließen lest, als wen I.L. sich verhalten solte, welches gar ungesundt were. Ach, hette ich die wahl können haben, würde ich auch woll vor dieße liebe königin gestorben sein; den die königin hette ma tante über mich trösten können, ich kan I.L. aber nicht über dieße ahngenehme königin trösten, leyder; aber gott der allmächtige hatt es so vorsehen, dem man woll still halten muß undt sich in seinem h[eiligen] willen ergeben. Es graust einem, wen man ahn dießem carneval gedenckt. Es ist keine albertet, nichts lustiges vorzubringen, liebe Ameliße, wo nichts alß trawerige sujetten vorhanden sein. Es wäre unmenschlich, solch unglück nicht zu entpfindten. Adieu, liebe Ameliße! Seydt versichert, daß ich Eüch recht lieb behalten werde! Ambrassirt Louise von meinetwegen!

Elisabeth Charlotte.

An DieselbeBibl. d. lit. Vereins. Bd. 88, Nr. 283.

Versaille den 17. December 1705.

.... Alles, waß unßern Herrgott betrifft, daß lest sich nicht vexiren; waß aber seine dinner betriefft, die menschen seindt wie wir undt etlich mahl noch mehr schwachheiten haben, alß andere, da, glaube ich, ist woll erlaubt über zu lachen, wen es auch nur were, sie von ihre fehler zu corigiren. Ich mache mich nie kein gewißen über waß mich [was sie über mich reden?]; den deücht es nichts, so ist es deren schuldt, so es sagen, undt nicht die meine; ist es indifferent, so gibt es keine rewe. Die herrn prediger seindt ordinari nicht sehr zeitvertreiblich. Mich deücht, man verliehrt den respect vor die geistlichen, wen man sie so nahe undt offt sicht; aber es ist gewiß, daß es leütte wie andere sein. Gott gebe, liebe Ameliße, daß ich in der gnade gottes stehen möge! Ich fürchte aber, ich sey von den lauen leutten, so gott außspeyen will, den ich thue weder guts noch böß. Unßer herr vatter hatt alles woll gethan, waß einen regenten zukompt; aber sie liebten die predigen bey weittem nicht so sehr, alß Ihr undt Louiße. Ich gestehe, daß es billiger undt beßer ist, nie alß mit respect undt soumission von religion undt himmel zu reden; allein ich glaube, wen nur auß lustigem humor undt nicht auß boßheit oder Verachtung der religion einem einige vexirerey entfahret, daß es eben keine todtsündt ist undt daß es schir übeller gethan ist, medißance von seinem negsten zu sagen, alß mitt religionssachen possen zu treiben; den wen man mitt religionssachen possen treibt, macht mans zu grob, ist es nur schlim vor sich selber; waß aber den negsten betrifft, daß gibt inpression, man glaubts undt benimbt dem negsten die ehre, welches doch in allen religionen so hoch verbotten ist undt daß zweyte große gebott in sich helt. Aber ich glaube, daß in allen sachen ein unterschiedt muß gemacht werden, daß man über den negsten lachen kan, wen es nicht gegen die ehre geht. Le malade imaginaireDer eingebildete Kranke. ist nicht von Molière commedien, so ich ahm liebsten sehe; Tartuffe gefehlt mir beßer. Daß ist sehr ordinarie, daß schwangere weiber kein fleisch richen können ohne übel werden. So war ich auch. Man ist gern, was man in seiner jugendt zu eßen gewohnt ist. Es ist nun 34 jahr, daß ich in Franckreich bin undt habe mich noch nicht ahn daß eßen hir im landt gewohnen können, es mein leben kein ragoust ....

Elisabeth Charlotte.

An die Kurfürstin Sophie von HannoverBodemann, Sophie Nr. 594.

Versaille den 7. Februari 1706.

.... In meiner schönnen bibel seindt keine Churfürsten von Saxsen noch doctor Luther, sondern nichts als biblische historien; E. L. ihre muß noch anderst sein alß die meine so nur in einem torne [Band] ist. Die schönne kupfferstück machen lust zu leßen. Man hört zu offt von der bibel reden, umb die historien davon vergeßen zu können; man findts überall gemahlt. Ich begreiffe noch fasse die bibel noch weniger alß E. L., aber ich leße die bibel gern, insonderheit das alte testament; was ich aber in der bibel ahm ungernsten leße, seindt die episteln, die finde ich undeütlich undt langweillig. Klle menschen lügen woll, ich glaube aber, man solle die nur vor rechte lügner halten, so allezeit lügen undt ganße historien erdencken, undt in dem fall weren nicht alle menschen lügner. E. L. haben woll groß recht: wer nichts eytel will finden, müste die weldt räumen, wie wenig kenne ich die Heydelbergische aufferzucht in Louisse undt Amelisse übermäßige gottesfurcht ... Da springt Titi [eines ihrer Hündchen] auff mein papir undt macht mir zwey saüe machen, bitte demütigst umb verzeyung, aber ich hoffe, daß mir E.L. erlauben werden, dießen brieff nicht wider abzuschreiben undt Titi impertinentz gnädigst entschuldigen, denn ich habe heütte gar viel zu schreiben; ich muß noch in Spanien, Engellandt undt Lotheringen wie auch ein paar brieff nach Paris schreiben ... Ahn kein frembt gedrenck habe ich mich nicht gewohnen können, wolte lieber warmbier mitt musscadnus drincken, alß chocolatte, caffé undt thé, kan keines von dreyen vertragen, kompt mir wie medicin vor; keine frantzosche ragoust kan ich auch nicht eßen, finde sie gar nicht gutt, sawerkrautt undt brauner kohl schmecken mir beßer; diß letzte kan man hir nicht haben, das erste aber eße ich etlichmahl, denn ein cammermagt von der printzeß von Zweybrücken ist zu Paris blieben, so von Straßbourg ist, die bringt mir offt gutt sawerkrautt, so sie selber macht und kocht. Ich glaube, daß, wenn man wie vor dießem sich ahn die harrten speyßen gewonte, daß die junge leütte starcker sein würden; nun können die junge leütte weder stehen noch gehen; zu meiner zeit stundt man einen gantzen tag ohne müht werden. Es wundert mich zu sehen, wie die jugendt nun ist; ich glaube, die zeit wirdt kommen, daß sie sich alle in betten werden herumb tragen laßen wie krancke ....

An DieselbeGerman.-roman. Monatsschrift, Heidelberg 1911, S. 467 f.

Versaille den 25. Februarius 1706.

Ich bekam gestern ein schreiben der fraw von Ratzenhausen [von Rathsamhausen] von Strasbourg. Die verzehlt mir, daß sie ahn Einen fenster in ihren hoff Einen soldaten gesehen, welcher Einen gar großen kupfern kessel trug, den Er kaum tragen kundt, wie Er sie ahm fenster sieht, rufft Er, fraw wolt ihr Einen schönen kessel kauffen. Die Ratzenhauserin antwort nein, du hast ihn vileicht gestolen, packe dich geschwind mit deinen kessel aus meinen Hause. Er antwort, so wolt ihr den den kessel nicht; nein sagte sie, gehe nur geschwind weg. Er macht ihr Eine grose reverentz und gehet mit dem kessel fort. Eine halbe stundt hernach kommt die magt geloffen und rufft, fraw man hat euch unsern wäschkessel aus der mauer gestohlen. Da sahe sie wol, das Es derselbe kessel war, den sie selber hat forttragen heißen. Man sagt, die diebe könen gerüch mit kreutter machgen, das wan die leutte schlaffen, fallen sie drüber in Einen so dieffen schlaff, das sie nicht wach können werden. Ist man aber wach, so thut der rauch nichts. Bei einer fraw zu Strasbourg, eine Landtsberg von geschlecht, da seindt die diebe nachts hin kommen und haben den man und der frawen hosen und rock unter den pulster weg genohmen, alle ihr silber geschirr gestollen, das leintuch vom bette weggenohmen. Sie hatte ein söhngen, das schlieff in ihrer Cammer, dem haben sie das bette unterm leib weg genohmen. Morgendts wie vatter und mutter ahnfingen zu lamentiren, das sie bestohlen worden, ach nein, sagte das kind, es seind gutte freundliche leutte, die werden bald wider kommen, Einer hob mich auff, gab mir Einen freundlichen Schmatz und sagte zu mir, stille mein kind, wir wollen bald wider kommen, wecke vatter und mutter nicht. Das seind neue maniren zu stehlen.... Ich glaube, der jüngste tag wird balt kommen, den Es fengt an zu gehen zur zeit der sündflücht, den Es scheint als wen sich die gantze natur verkehren wolte und wider ein Caos werden, den ich sehe überall alles drunter und drüber gehen, alles ist in Confusion, man weis nicht mehr, wer man ist oder nicht ist.... Mein sohn sagte, das unmöglich seye, von dem stummen was weiteres zu erfahren, den Erstlich were der mensch so stumm gewesen, Ein thum thir, von welchen man nichts anderst hat ziehen könen, als das Er ahn keinen Religion gedacht, das Er nichts übels begriffen als das Stehlen, weillen man ihm Einmahl Erschrecklich geschlagen, wie Er gestohlen. Er hatte keinen menschen umbringen sehen, aber wohl im bette sterben, meinte aber, wen man ihn in die todten bar legt, Er schlieffe und man begrabe ihn, umb lenger zu schlaffen. Die pfaffen haben sich seiner bemeistert, lasen ihn nichts sagen, als was sie ihm Ein blasen, also ohnmöglich Etwas rechts ferner von ihm zu erwarten.

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 670.

Versaille den 20. September 1708.

Morgen wirdt mons. Spilcker herkommen undt meinen brieff abhollen, drumb schreibe ich jetzt wider. Ich kan E.L. leider aber gar nichts artiges berichten, denn das alte weib boßhafftiger ist alß nie undt ihr pupil, die hertzogin von Bourgogne, in ihrer boßheit und falschheit erzigt. Sie macht die duchesse de Bourgogne mitt großen cappen, umb betrübt undt devot zu scheinen, in alle großen meßen lauffen; und in alle salut da that sie alß wenn sie weindt undt fasttage helt, undt nachts haben wir sie sehen mitt ihren damen durch die fenster medianosche halten undt sich braff lustig machen. Sie kan 2 bouteillen pure wein außsaufen, ohne daß man es ihr ansicht, undt ist so coquet, daß sie biß auff ihr eygene escuyer [Stallknecht] nachleüfft. Da sehen E.L. wie falsch alles hir ist. Das alte weib macht dem König weiß, daß ihresgleichen nicht ist in gottesforcht undt tugendt, undt das glaubt der gutte König heyllig. Alle tag thut sie mir brusquiren, lest mir ahns Königs taffel die schüsseln, wovon ich essen will, vor der naß wegnehmen; wenn ich zu ihr gehe, sicht sie mich über eine axel ahn undt sagt mir nichts oder lacht mich auß mitt ihren damen; das bestelt die alte expreß, hofft, ich würde böß werden undt mich amportiren, damitt man sagen möge, man könne nicht mitt mir leben, undt mich nach Montargis zu schicken. Aber ich merck den possen, lach also nur über alles was sie ahnfangen undt beklag mich nicht, sage kein wordt; aber die warheit zu bekennen, so führ ich ein ellendt leben hir, aber mein parthie [Entschluß] ist gefast, ich laß alles gehen wie es geht undt amusire mich so gutt ich kan, dencke: die alte ist nicht unsterblich undt alles endert in der weldt; sie werden mich von hir nicht wegkriegen alß durch den todt. Das macht sie verzweifflen vor boßheit. Niemahlen ist jemandts so absolutte geweßen alß die Maintenon ist, aber wie sie ignorant ist undt nichts alß das bürgerleben verstehet undt doch über alles regiren will, drumb geht alles so überzwerg. Das weib ist abscheülich gehast zu Paris, sie darff sich dort nicht offendtlich weißen, ich glaube, man würde sie steinigen ....

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 688.

Versaille den 21. April 1709.

Seyder gestern abendts seindt wir nun wider hir. Es ist nun das schönste wetter von der welt, ich hoffe, E.L. werden sichs zu nutz machen; gestern abendts horte ich ahn meinem fenster die nachtigallen singen biß umb halb eins, hatte alle meine fenster [auf], es ging nicht einmahl ein lüfftgen. Alles ist nun grün undt ein recht ahngenehmer frühling mitt schönem wetter ahnkommen. Da felt mir alß ein was ich in meiner jugendt in einer commedie, so mein bruder s[eelig] gespilt, gehört habe: »O frühling, des jahres jugendt, schöne mutter der blumen, der grünen kreütter undt der neüen liebe, du kommest zwar wider, du kommest zwar, aber mitt dir kompt nicht wider der schönne und fröhliche lentz meiner jugendt.« Es ist aber zeit, daß ich auff E.L. gnädig schreiben komme.... Ich lebe gantz à part wie ein reichstättel undt mein parthey ist gottlob in alles gefast; will man mich irgendts haben, gehe ich hin, will man mich nicht, gehe ich auff eine andere seyt und bekümmere mich umb nichts. Vorgestern besuchte ich die allmächtige dame; ich fandt sie im bett, sahe woll auß, sie hatt noch schöne undt lebhaffte augen. Ich fragte sie, ob sie kranck were, sie sagte »nein«, aber sie nehm so erschrecklich ab, daß der knochen von ihrem bürtzel die hautt schir durchsticht. Das abnehmen ist bei den Königinnen die mode, die arme Königin in Engellandt hatt gantz die consomption, ich fürchte sehr, sie wirdt nicht lang mehr [leben]. Ich wolte, daß ich dießen beyden alles fett von meinem bauch undt hüfften undt met verlöff hintern geben könte, so were unß beyden geholffen undt würden [sie] den bürtzel nicht wundt sitzen können.

Den freyen willen habe ich mein leben nicht gespürt; ich lebe gantz nach der providentz; man nent le destin auff teütsch woll recht das verhengnuß, denn alles hengt ahn einander...

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 690.

Versaille den 30. April 1709.

Weillen des printzen von Wolfenbuttel cammerdiner biß Freutay wider weg wirdt, alß werde ich durch ihn wider auff E.L. gnädig schreiben andtworten; will hir ein wenig teütscher reden alß durch die postbrieff, weillen dießer mensch es E.L. woll in eygene Hände geben wirdt, werde derowegen sagen, daß ich nun gar ruhig lebe, ob zwar die alte zot ihren möglichen fleiß thut, mich zu plagen undt verachten zu machen. Aber ich lasse sie in allen gewehren undt thue alß wenn ichs nicht merckte. Ich amusire mich den gantzen tag mitt schreiben, mitt meinen medaillen, gegrabenen steinen, kupfferstücken undt dergleichen; ist es schön wetter, gehe oder fahre ich spatziren; thue alß wenn ich die einsambkeit liebte, denn walte ich leütte haben, würden doch keine zu mir kommen, weillen man woll weiß, daß die dame mich nicht leyden kan. Spillen liebe ich nicht undt könte es auch nicht außstehen: niemandts will klein spiel spiellen undt große spiel kommen meinem beüttel zu hoch. Ich lebe ein wenig wie man vom limbe [Vorhimmel] spricht: ohne freüdt undt ohne leydt; meine größte freüde seindt E.L. gnädige schreiben, die leße ich offtmahl über. Mein sohn ist von gutter geselschafft, ich habe aber gar kein trost von ihm, in 14 tagen sehe ich ihn nicht eine halbe stundt, ist zu sehr in dem luderleben zu Paris verpicht, daß man ihn nirgendts viel sicht. Ich lebe woll mitt seiner gemahlin undt sie mitt mir, allein es ist so gar keine simpathie unter unß beyden, können einander also gar nicht geselschafft halten. Der König darff mich nicht umb sich leyden; ich sehe I.M. nirgendts alß ahn taffel undt nach dem essen ein augenblick in sein cammer. Etlichmahl fragt er mich, ob ich spatziren geweßen undt wo; damitt ist es getan, will ich weitter waß sagen, macht er eine reverentz undt threhet mir den rücken. Das alte weib muß einen ahnschlag haben, den ich nicht begreiffen kan, denn wir wissen gar gewiß, daß sie 40 millionen bar gelt hatt. Man hatt mich noch mehr von dem dauphin haßen machen undt von dem duc de Bery, den ich wie mein kindt geliebt habe. Im ahnfang hatt mich dießes alles sehr geschmertzt, aber nun habe ichs gottlob überstanden undt frag kein haar mehr darnach. Ich habe den ort in Procope geleßen, den E.L. cittiren, aber es war doch noch ein großer unterschiedt, denn Justinianus war nichts rechts undt dießer unßer König ist ja gar hoch gebohren, solte sich also nicht verquackelt haben, noch sein sohn, so es anders wahr ist, daß er die stinkende ChoinMarie Emilie Joly de Choin war Maitresse des Dauphins. geheüraht hatt. Das weib [die Maintenon] ist erschrecklich boßhafft, ich meine die alte; kein mensch bey hoff zweyffelt, daß sie nicht den Louvois undt Mansard vergiefft hatt, den ersten, weillen er dem König gerahten hatt, eine reiß ohne sie zu thun, undt den zweyten, weillen er dem König rahten wollte, die posten banquiers zu geben, so davor die billets de monaye liquidirt hetten, welches ein großer vortheil vor das gantze Königreich geweßen were. Es ist dieße böße zot, so alle meine brieff auffmacht, sie so übel vertrehet undt mich mitt zercht; sie ist capabel von alles in der welt undt stelt sich doch ahn, alß wenn sie gar gotsfürchtig were. Der König fürcht den teüffel erschrecklich, ist ignorant in der religion undt glaubt nichts alß was das weib ihn weiß macht, denn er list sein leben nichts, gibt der dame undt den ministern undt beichtsvatter alles zu leßen undt lest sich von ihnen vortragen was drinen stehet. Es stehet also bey ihnen, alles zu sagen, was sie wollen, können also leicht schaden, wenn sie wollen. Es ist woll sicher, daß das weib weder gott noch teüffel glaubt, sonsten würde sie nicht so boßhaftig sein, allen menschen übels zu thun undt die leütte zu vergifften ...

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 744.

Versaille den 23. December 1710.

.... Mein leben will ich E.L. ahnherzehlen: Montags undt Donnerstags stehe ich umb 8 uhr auff, die andern tage umb 9, bete undt wasche meine hände, ziehe mich hernach ahn. Ahn meine toillette kommen mannsleütte vom hoff, womitt ich spreche; umb 10 uhr gehe ich in mein cabinet, schreibe biß umb 12, da kommen alle meine leütte undt wer mich sonsten sehen will; ein virtel auff 1 gehe ich in die meße; hört mons. le dauphin die spate meß, gehe ich in die seine, höhrt er sie nicht, gehe ich in meine eygene. Das wehret nicht gar eine halbe stundt, also daß ich umb 1 wider komme, finde ordinari mein essen auff der taffel, bin drey virtel stundt ahm eßen. Hernach ruhe ich eine halbe stundt allein in meinem cabinet, besehe kupfferstücke, etliche mahl kommen kremer, deren wahren ich besehe undt bißweillen etwaß kauffe; darnach setze ich mich. Sobaldt ich sitze, schlaff ich ein; das wehret woll ein stündtgen; hernach schreibe ich. In sommerzeit ich abendts spazire, im herbst gleich nach dem eßen. Alle Dinstag kommen die envoyés undt abgesandten her; die kommen immer, wenn ich ahn der toillette bin. Alle tag umb 8 oder 9 uhr kompt mein sohn undt etlichmahl seine gemahlin. Dan gehe ich ahns Königs taffel, wo ich warten muß, dieweill der König undt gantze königlich hauß bey mad. de Maitenon seyn. Dießes warten ist langweilich, denn es wehret offt lenger alß eine gutte virtelstundt. Gleich nach dem nachteßen gehen wir alle ins Königs cammer, stehen da à la rangette [in Reihe und Glied], biß alle damen, so bey dem nachteßen auffgewarttet, sich rangiret haben; dan macht der König eine große reverentz, geht mitt dem gantzen königlichen hauß in sein cabinet, undt ich muß nach hauß. Ich habe vergessen zu sagen, daß mad lle de Chateautier nie von mir gehet, arbeydtet den gantzen tag in meinem cabinet; gegen abendt kompt die marechalle de Clerembaut, dan ließet man unß waß vor. Ist die fraw von Ratsamhaußen da, arbeydtet sie auch undt blaudertt unß waß vor. Im winter nach Allerheyligen haben wir Montag, Mittwoch und Samstag commedi, wo ich hingehe; die übrigen tage spiellt man bey der duchesse de Bourgogne, da gehe ich nicht hin, denn ich spielle nicht. Zweymahl die woch fähret der König auff die jagt nach Marly; M dm de Maitenon fährt nicht auff die jagt, sondern nur nach Marly, mitt dem König, duchesse de Bourgogne, duchesse de Bery undt den damen, so mitt ihnen gejagt, zu mittag zu eßen. Drumb darff ich nicht mitt hin, denn sie mag mich weder wißen noch sehen. Ahn der taffel spricht der König kein ander wohrt, alß wenn er einem ahn der taffel gnad erweißen will, bietet er ihm zu eßen ahn, sagt: » en voulés vous?« (Wollen Sie davon?). In dem cabinet soll er noch offt gar lustig sein; das kompt aber nicht biß ahn mich; es gehen offt 3 oder 4 tage vorbey, daß mir der König kein eintzig wordt saget undt nur reverentzen macht, der dauphin auch, außer etliche mahl in den commedien, sonsten darff er mir auch kein eintzig wort sagen; muß mich damitt trösten, daß ich mehr wehrt muß sein, als ich selber weiß undt meine, weillen man so jaloux vor mir ist; also suche ich mich in alles zu schicken....

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 782; vgl. Ranke XIII, 291.

Marly den 14. Februari 1712.

Wir seindt hir voller betrübtnuß, denn vorgestern abendts umb 3 viertel auff 9 ist die arme madame la dauphine verschieden. Ich bin persuadirt [überzeugt], daß die docktoren dieße arme printzes so gewiß umbs leben gebracht haben, alß ichs E.L. hir sage. Sie hatten ihr ein wenig meledy kent eingeben, nur etlich grain, da fing sie sehr ahn zu schwitzen; man hatte aber die geduld nicht, den schweiß gantz außzuwartten; in mitten von schweiß, da sie schon gantz feüerroht von den rödtlen außgeschlagen war, setzt man sie in warm wasser undt lest ihr zum vierten mahl zur ader, da schlug alle rödte wider ein.... Nun ist alles auß. Ich kan den König nicht ahnsehen ohne daß mir die threnen in die augen kommen; er ist in einer solchen betrübtnuß, daß es ein stein erbarmen mögt.

Ich mache E.L. mein compliment über die glückliche niederkunfft Dero enckel, der cronprintzes von Preüßen. Gott wolle dießen printzen [Friedrich den Großen, geboren 24. Januar 1712] lange jahre erhalten. Der König in Preüßen muß doppelte freüden dran haben, erstlich die, einen enckel zu haben, undt zum andern, eine neue occasion, eine ceremoni zu halten, welches woll bei der kindttauff nicht fehlen wirdt. Ich admirire, wie alles so unterschiedtlich in dießer weldt hergeht: unterdeßen daß man zu Berlin in vollen freüden ist, seindt wir alle in voller betrübtnuß undt einsambkeit hir.... Die cronprintzes ist nicht lang in kindtsnöhten geweßen; 3 stundt undt eine halbe, man kan ja nicht weniger sein, insonderheit da es so ein glücklich endt genohmen. Freylich kan man auff nichts bawen, wer hette nicht auff mad. la dauphineSie war die Mutter der Dauphine. glück gebawet, nun ist alles dahin. Mons. le dauphin ist hertzlich betrübt, aber er ist jung, er kan sich wider verheürahten undt seinen schaden ersetzen, aber mad. de Savoye verlust ist auff ewig, wie auch unßers Königs seiner, denn man hatt sie gantz nach seinem sinn erzogen, sie war all sein trost undt vergnügen undt von so einem lustigen humor, daß sie allezeit etwaß finden konte, ihn wider lustig zu machen ....

Wenn man sich in die finger butzt, wie mein hero [held], der Czaar [Peter der Große], thut, solle man meinen [verschrieben für keinen] knebelbardt tragen, denn das butzen in die finger kan drauff hencken bleiben undt das ist nicht apetitlich zu sehen, insonderheit ahn taffel. Weill er groß air hatt, muß er eine schöne taille haben; mich wundert, daß seine leütte ihn so sehr respectiren, denn ich glaube, daß er sich doch gar gemein mitt ihnen macht. Aber alles was ich von dießes Czaaren verstandt höre, gefelt mir auß der maßen; ich halte ihn vor einen rechten heros, nehme auch seine parthey hir in alles. Das muß doch der Czaarin mißfahlen, daß ihr herr so debauchirt[verdorben] ist, undt bey ihre drey freüllen kinder ahngestehlt hatt; aber Catterintien darff woll nicht jalous sein. Das macht mich ahn ein alber liedt gedencken, so die Villanova, so mein freüllen geweßen, alß sunge:

»Ich undt mein Cathreingen wir gingen zu dem bier,
Ich undt mein Cathreingen wir druncken ein maß oder vier;
Ich undt mein Cathreingen wir gingen zu dem wein,
Ich undt mein Cathreingen wir druncken ein maß oder neün.«

Die moderation undt sorg von der Czaarinen, zu fürchten, daß man ihre schwangere freüllen blessiren mögte im tantzen, ist recht poßirlich, sie muß sie vor camerattinen halten.


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