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IV.
Ein Zimmer ohne …

Gopher-Prairie hat insgesamt ungefähr fünftausend Einwohner. Der Kaufmännische Verein dort bestätigt nachdrücklichst, daß es mindestens um tausend Einwohner mehr und eine unvergleichlich bessere Musikkapelle hat als die lächerlich eifersüchtige Nachbarstadt Joralemon. Doch sprachen wenig Anzeichen dafür, daß für die Boltwoods eine Flucht von Gemächern bestellt worden wäre, oder daß Prinz Stehkragen sich auf seiner königlichen Fahrt durch Amerika lange Zeit in Gopher-Prairie aufgehalten hätte. Claire erreichte den Ort etwas vor sieben. Trüben Blickes starrte sie ihn an. – Obwohl dies die erste Prairiestadt war, in der sie für eine einigermaßen bemerkenswerte Zeit anhielt, konnte sie ihr beim besten Willen kein Interesse abgewinnen.

Der Gemütszustand des Tourenfahrers, der abends in einem fremden Ort ankommt, ist so eigenartig und eindeutig bestimmt wie der eines Spekulanten. Es ist eine Mischung von Dankbarkeit dafür, daß man sicher gelandet ist; von Neugierde, eine fremde Stadt zu sehen, doch alle Freude an dem Neuen ist durch Müdigkeit beeinträchtigt; von Hoffnung, ein gutes Hotel zu finden, doch mit wenig Zuversicht, – und nicht der geringsten Wahrscheinlichkeit – daß auch wirklich eines da sein werde. Claire hatte nur einen undeutlichen Eindruck von spitzzulaufenden, hölzernen Gebäuden und kurzen, gedrungenen Ziegelmauern mit verblaßten Jalousien; von einem roten Getreideaufzug, einem Unterstand und einem Holzplatz; dann – die hoffnungslos kotige Straße, die wieder hinausführte ins offene Land. Sie wußte, wenn sie jetzt nicht sofort anhielte, würde ihr die Stadt vollkommen entschlüpfen. Der Fahrer-Instinkt half ihr, ließ sie die Kurven scharf nehmen, eine Garage ausfindig machen, und den Gomez sausend auf den Zementboden einfahren. Der Garagemann sah sie an und gähnte – »Wo wollen Sie den Wagen haben?« fragte Claire in scharfem Ton.

»Oh, stellen Sie ihn in diese Box«, brummte der Mann und drehte ihr den Rücken.

Claire starrte ihm finster nach. Sie suchte nach einer passenden Erwiderung auf diese Grobheit. Aber – oh, sie war für einen so unnötigen Aufwand zu müde. Sie versuchte, den Wagen in die leere Box zu fahren, die keine Box war, sondern ein freier Raum – gleich einer Zahnlücke – zwischen zwei anderen Wagen und der so eng schien, daß Claire fürchtete, die stolzen Kotflügel des Gomez zu verbiegen. Sie fuhr ein Stück vor, reversierte mit einer Schwenkung, glaubte, daß sie nun verkehrt in den angewiesenen Raum einfahren könnte – und fand, daß sie es nicht konnte. Ihre Nerven zuckten, und nochmals umzuschalten, schien eine Unmöglichkeit; so brachte sie endlich den Gomez hinter einen Lastwagen und stand schließlich seitwärts von dem ihr angewiesenen Platz.

»Fahren Sie wieder vor und schlagen Sie ein – scharf!« befahl der Garagemann.

Claire hatte gute Lust, ihm klarzumachen, was sie von ihm dächte, aber sie fragte nur: »Wollen Sie, bitte, den Wagen hineinfahren?«

»Ja, gerne. Bitte sehr«, sagte der Mann, als wäre dies ganz selbstverständlich. Seine Bereitwilligkeit erstickte ihre flammende Wut. Sie war ein wenig enttäuscht.

Als sie aus dem Wagen kletterte und eine Hand auf die eleganten Kofferchen legte, die an einem Trittbrett festgeschnallt waren, überfiel sie die lang aufgestapelte Müdigkeit wie mit einem Schlage. Sie hätte noch stundenlang weiterfahren können, aber im Augenblick, da der Wagen für die Nacht versorgt war, brach sie zusammen. Es sauste ihr in den Ohren, die Augen brannten wie Feuer, der Mund war ganz ausgetrocknet und im Nacken spürte sie einen stechenden Schmerz. Der Vater war es, der die Führung übernehmen mußte, als sie zu dem einzigen erträglichen Hotel des Ortes weiterzogen.

Im Hotel fiel Claire die Häßlichkeit der giftgrünen Wände auf, der Messing-Spucknäpfe, der Reklame-Kalender und des nackten Fußbodens im Büro; es fiel ihr die wissenschaftlich interessante Sache auf, daß alle Luft durch konzentrierten Zigarrenrauch und Kohlengestank ersetzt war; daß die herumlungernden Geschäftsreisenden sie anstarrten und daß die Willkommensfreude nicht überwältigend war auf Seiten des Nachtportiers, eines älteren, bleichen Mannes, der an Stelle eines Kragens einen Backenbart trug.

Sie versuchte wichtig zu tun: »Zwei Zimmer mit Bad, bitte«.

Der bleiche Mann starrte sie an und schob ihr die Eintragungsliste und eine tintenbekleckste Feder hin. Sie füllte das Formular aus. Er nahm die Koffer und führte sie zur Stiege. Ängstlich fragte sie: »Sind beide Zimmer mit Bad?«.

Der Nachtportier blickte von der zweiten Stufe aus auf sie herab, als wäre sie ein Exemplar, das sofort auf Kork gespießt werden sollte, und er sagte laut: »Nein, Gnädigste. Keins von beiden. Haben kein Zimmer mit Bad frei, auch kein Badezimmer allein! Nicht, daß wir keins im Haus hätten. Wir haben jeden erdenklichen modernen Komfort. Aber das eine Zimmer ist vergeben und das andere Bad funktioniert seit drei oder vier Monaten nicht ganz gut.«

Aus der Zuhörerschaft der Commis-voyageurs unten tönte diskretes Kichern.

Claire war zu wütend, um zu antworten. Und zu müde. Als sie, nach meilenweiten Wanderungen über Stiegen und dumpfe Korridore, endlich den ihr bestimmten Taubenschlag erreichte, in dem ein so schlecht zusammengefügtes Eisenbett stand, daß es beim Zittern eines Atemzuges zu rattern begann, ferner der obligate Schreibtisch mit einem Meldezettel und einem blutarmen Schaukelstuhl – da fiel Claire keuchend aufs Bett, ihre Lider schlossen sich, obwohl sie weiter wie Feuer brannten. Es schien, daß sie sich nie mehr würde regen können. Sie hatte die Empfindung, narkotisiert worden zu sein. Sie konnte sich nicht einmal vom Bett aufraffen, um nachzusehen, ob ihr Vater im Nebenzimmer irgend besser daran wäre.

Sie wußte bestimmt, daß sie nicht bis Seattle chauffieren würde. Sie würde überhaupt nicht mehr chauffieren! Sie würde den Wagen nach Minneapolis zurückschicken und selbst mit der Eisenbahn zurückfahren – Pullmann! – Salon-Wagen!

Hätte sie nicht der Gedanke an ihren Vater davon abgehalten, so wäre sie in den durchweichten Kleidern eingeschlafen. Als sie es mit Aufwand aller Energie zuwegebrachte, sich zu erheben, mußte sie sich abwechselnd am Schreibtisch anhalten und am Fußende des Bettes, während sie im Zimmer herumging, um die nassen Sachen aufzuhängen, sich mit einem zweifelhaften Handtuch abrieb und ein dunkles Seidenkleid mit Abendschuhen anzog. Sie fand ihren Vater regungslos in seinem Zimmer sitzen und auf die Wand starren. Sie bemühte sich, ihn wegen seiner düsteren Gleichgültigkeit auszulachen. Dann stolzierte sie mit ihm in die Halle hinunter.

Als sie am Fuß der Treppe ankamen, beugte sich der Alte, der Nachtportier, über das Pult vor und fragte in einem für die Anwesenden berechneten Ton, spöttisch: »Kommen aus New-York, was? Na, da sind Sie ein hübsches Stück weit von zu Hause weg.«

Claire nickte. Sie war vor diesen feierlich dreinschauenden Geschäftsreisenden befangener als sie jemals in einer Loge in der großen Oper gewesen war. Vor der Klapptüre des Speisezimmers – aus dem ein Kohlduft strömte, der vielleicht etwas an Jugend, gewiß aber nichts an Kraft und Intensität eingebüßt hatte – hielt ein Mann, einer jener Männer, deren man sich nie erinnern kann, weil sie an Größe, Schnurrbart, Reiseanzug und braunem Haar so sehr den Typus des Durchschnittsmenschen wahren, die Boltwoods an und sagte gewandt: »Hab Sie in der Stadt ankommen gesehen. Sie haben eine New-Yorker Nummer?«

Das konnte Claire nicht leugnen.

»Hübsches Stück von zu Hause fort, nicht?«

Das mußte sie zugeben.

Sie wurde von einer dienstbeflissenen, schwarzäugigen Kellnerin zu einem Tisch mit vier Plätzen geführt. Diesem zunächst stand ein langer Tisch, an dem sieben Geschäftsreisende und einheimische Geschäftsleute, deren Frauen über den Sommer an den Seen waren, sofort aufhörten, ihre Speisen zu genießen und sie anstarrten. Ehe die Boltwoods Platz genommen hatten, wischte die Kellnerin über nicht vorhandene Flecken auf dem Tischtuch, übersah die wirklichen Brösel, die vor Claires Teller lagen, rückte zwecklos an einem Glas und einer ehemals versilberten Gabel und plapperte: »Bis hieher durchgefahren mit dem Auto?«

Claire tastete nach ihrem Stuhl, sank müde darauf nieder und hauchte: »Ja.«

»Fahren Sie weit?«

»Ja.«

»Von wo kommen Sie denn?«

»New-York.«

»Ach! Da sind Sie ja ein hübsches Stück weit weg von zu Hause, nicht?«

»Scheint so.«

»Hemenegs Rindsbradn Schweinsbradn gebratner Hecht, frische Pfefferminzsauce, 'Pfelkompott.«

»Was – was bitte?«

Die Kellnerin wiederholte.

»Ich – oh – oh, bringen Sie uns Ham and eggs. Is recht Vater?«

»Oh – nein – ja –«

»Sie auch bitte?« fragte die Kellnerin Herrn Boltwood.

Er war eingeschüchtert. Er sagte: »Ja, bitte«, und scharrte ein wenig mit der Gabel.

Die Kellnerin kam sofort mit Suppe zurück und einer Sammlung von Porzellangeschirr, die nur ein weitgereister Mann heimbringen konnte, der ernste katholische Interessen und keinerlei Geschmack besaß. Einer der Teller stammte, wie sich herausstellte, von einem Hotel in Omaha. Sie schob eine Kanne Kondensmilch genau an die Stelle, wo Herr Boltwood sie mit dem Ärmel umstoßen mußte, fegte die Brösel, die vor Claire lagen, in ein Versteck unter die rosafarbene, pockennarbige Zuckerdose, zog den Zahnstocher wieder hervor, den sie hinter den glühenden Lippen verborgen hatte, stocherte eine Weile, gab es wieder auf, legte die Hände auf die Hüften und wendete sich an Claire:

»Wie weit fahren Sie?«

»Nach Seattle.«

»Haben Sie dort Ihre Leute?«

»Leute – Oh ja, ich glaube.«

»Bleiben Sie lange dort?«

»Wirklich – wir wissen noch nicht.«

»Kommen aus New-York, was? Hübsches Stück von zu Hause, wirklich wahr. Vater dort im Geschäft, nicht?«

»Ja.«

»Welche Branche?«

»Wie bitte?«

»Welche Branche er hat. Autsch! Herrgott, diese Schuhe drücken mich. Früher einmal hab ich die ganze Nacht durchtanzen können, aber jetzt werd ich dick, mir scheint, ha! ha! Letzten Monat hab ich sieben Pfund zugenommen. Autsch! Herrjeh, das tut aber weh. In was für einer Branche, haben Sie gesagt, is Ihr Vater?«

»Ich habe nichts gesagt, aber – Ach, Eisenbahn.«

»Herr Boltwood unterbrach: »Sind die Ham and eggs schon fertig?«

»Ich geh gleich nachschaun.« Als sie das Essen brachte, steckte sie einen Löffel in Claires Erbsenschüssel und fragte: »Sagen Sie, Sie tragen doch dieses Seidenkleid nicht im Auto, wie?«

»Nein.«

»Ich glaub, Sie sollten eine rosa Schärpe draufgeben. Schaut ein bissel kahl aus – 's is sonst wirklich sehr schön. Aber eine rosa Schärpe war wirklich sehr hübsch. Euch dunkeln Fräuleins steht eine grelle Farbe immer gut.« Jetzt war Claire überzeugt, daß die Kellnerin sie nur hänseln wollte, um die Männer an dem langen Tisch zu unterhalten. Sie explodierte. Wahrscheinlich wußte die Kellnerin nicht, daß eine Explosion stattgefunden hatte, als Claire kühl aufsah, ihre Augenbrauen hochzog und wieder hinuntersah, um an dem kalten, harten, versalzenen Stück Schinken herumzuschnitzeln, denn sie fuhr weiter fort:

»Wenn man hell ist, so wie ich, braucht man keine so ausgesprochenen Farben; mein Haar ist schwarz, wie Sie sehen, aber ich bin doch hell, wirklich. Pete Liverquist sagt, daß ich eine blonde Brünette bin, herrlich! der wird den Kerl noch einmal umbringen, oh, das ist einer, der hört sich gern selber reden, mein Gott! Da ist noch der alte Walters, der leitet hier den Telephonumbau, ich hab gehört, daß er nach St. Cloud hinuntergefahren ist. Aber jetzt hör ich lieber auf, mein ich; Grüß Gott daweil.«

Claires Bemerkungen waren so sauer wie der bleiche Rübensalat vor ihr, so bitter wie die Erbsen, so hart wie die Brocken des wässerigen Kartoffelbreies:

»Ich weiß nicht, ob die Frau verrückt ist oder nur dumm. Ich möchte gerne wissen, ob sie mich wegen dieser entsetzlichen, unrasierten Männer dort ärgern wollte oder bloß zu ihrer eigenen Erbauung.«

»Ja, wirklich, Mädi. So ist die Geschichte. Wir wollen schaun, daß wir ein Mittel finden, um uns ins Bett hinauf zu befördern. Ich – ich – ich denk, wir versuchen erst gar nicht, direkt bis Seattle zu fahren. Wenn wir wirklich nur bis Montana – oder auch nur bis Bismarck durchkämen?«

»Durchfahren, mit Hotels wie dieses hier? Du lieber Mann, wenn wir noch einen solchen Tag haben, so gehen wir überhaupt nicht weiter. Ich hoffe, wir kommen bei dem Mann dort am Pult vorbei: Ich habe das Gefühl, als würde er da lauern und nachdenken, um etwas Beleidigendes zu finden, das er uns sagen könnte. Ach, mein Lieber, ich hoffe, du bist nicht so hundsmüde wie ich. Meine Knochen sind wie heiße Eisen.«

Der Mann am Pult warf nur eine zynische Frage hin: »Fahren Sie weit?« ehe Claire den Arm ihres Vaters ergriff und ihn die Treppe hinaufführte.

Zum erstenmal seit ihrem zehnten Lebensjahr gestattete sie sich den Luxus, vor dem Schlafengehen die Zähne nicht zu putzen. Sie schlief wie betäubt – es war kein Schlaf, sondern eine schmerzliche Erschöpfung des Körpers, die ihre Gedanken nicht davon abhielt, sich die Straße wieder zu vergegenwärtigen, die kotigen Stellen und scharfen Kurven noch einmal ganz ungeschickt zu nehmen, dann wieder sich dieses Bettes bewußt zu werden, mit dem Buckel unterhalb der Schulterblätter, der Neigung gegen Westen und dem entsetzlichen Krachen, das sich erhob, so oft sie sich umdrehte. Mindestens fünfzehn Minuten hindurch lag sie stundenlang wach.

Dies Claire Boltwoods erste Reise in die Demokratie. Aber nächsten Tages, da war es nicht so sehr, daß die Sonne schien, als daß eine Welle frische Luft durch das Fenster strömte. Sie entdeckte, daß sie sich wieder darnach sehnte weiterzufahren – immer weiter zu fahren – neue Gegenden zu sehen und neue Straßen zu erobern. Sie wünschte sich nicht eine gute Straße. Sie wünschte sich etwas, gegen das sie kämpfen konnte. Sie wollte es noch einen Tag versuchen. Als sie aus dem Bett kroch, war sie ganz steif, aber nachdem sie sich mit kaltem Wasser abgerippelt hatte, fühlte sie sich kräftiger als jemals; mehr wie eine erwachsene Frau, nicht wie ein abhängiges Mädchen. In dem siegreichen Sonnenschein der Prairien wurde die weite Hauptstraße von Gopher-Prairie schon langsam trocken und die Kotrinnen wurden seichter. Außerhalb der Stadt schwebten die Klänge einer singenden Feldlerche – klingender Sonnenschein. »Oh, was für ein herrlicher Morgen! Herrlich! Wir werden weiterfahren! Ich bin schrecklich aufgeregt.«

Sie fand ihren Vater bereits angezogen. Er wußte nicht, ob er weiterfahren wollte oder nicht. »Es scheint, daß ich die Herrschaft über die Dinge verloren habe. Ich pflegte doch früher ziemlich entschlossen zu sein. Aber wir wollen es noch einen Tag versuchen, wenn du willst«, sagte er.

Als sie vergnügt mit ihm die Treppe hinuntergestiegen war, erinnerte sie sich plötzlich voll Schrecken der Leute, denen sie wieder begegnen würde und der spöttischen Fragen, die sie wieder würde beantworten müssen.

Der Nachtportier war immer noch an seinem Pult, als hätte er stehend geschlafen. Er rief ihnen zu: »Ja, ja! Zeitlich auf, frisch und munter! Habt hoffentlich gut geschlafen? Die Betten sind nicht so gut als sie sein könnten, wir denken ohnehin daran, ein paar neue Matratzen anzuschaffen. Aber die frische Luft läßt einen gut schlafen. Hoffe, daß Sie heute eine feine Fahrt haben.«

Seine Stimme war kameradschaftlich; er war ein alter Freund; ein treuer Wächter ihres Fortkommens. Claire bemerkte, daß sie ihm zulächelte.

Im Speisezimmer stürzte sich ihre alles ergründen wollende Bekannte, die Kellnerin, gleich auf sie.

»Setzt euch, Leute. Heute gibts Waffeln. Wollen Sie was davon mitnehmen auf die weite Fahrt? Ist das ein schöner Tag heut! Wird auch eine flotte, schöne Fahrt werden heute, hoff ich!«

»Ja!« Claire atmete tief, »ja, sie sind gar nicht grob. Es liegt ihnen etwas – an Leuten, die sie nie zuvor gesehen haben. Darum fragen sie so viel; das hätt ich nie gedacht – nie gedacht. Es gibt Leute auf dieser Welt, die uns kennen lernen wollen, ohne uns im Adreßbuch nachgeschlagen zu haben! Ich schäme mich! Nicht etwa, daß der Sonnenschein meine Ansicht über diesen Kaffee ändern könnte. Er ist entsetzlich! Aber das wird besser werden. Und die Leute – die wollten die ganze Zeit über freundlich sein. Oh, Henry B., kleiner Henry Boltwood, du und deine Gevatterin Claire, ihr habt noch eine Menge Dinge zu lernen auf dieser Welt!«

Als sie in die Garage kamen, blickte ihr griesgrämiger Bekannter von tags zuvor ganz ebenso griesgrämig drein, doch Claire versuchte es mit einem strahlenden: »Guten Morgen!«

»Morgen! Gehts nach Norden? Nehmen Sie lieber die linke Straße bei Wakamin, fährt sich leichter. Soll ich Ihnen den Wagen herausfahren?«

Als der Wagen draußen stand und Benzin aufnahm, schlenderte ein Mann heran, entzifferte die New-Yorker Nummer, sah zu Claire und ihrem Vater auf und fragte: »Hübsches Stück weit weg von zu Hause, nicht?«

Diesmal sagte Claire nicht »Ja«. Sie versuchte es mit: »Ja, hübsches Stück.«

»Na, wünsch glückliche Reise!«

Claire legte den Kopf in die Hände und dachte angestrengt nach. »Ich war diejenige, die unfreundlich war«, versuchte sie ihrem Vater die Sache darzulegen. »Wie viel ich dabei verloren hab. Obwohl ich diesen Kaffee weiter nicht leiden mag!«

Sie bemerkte das Garagezeichen auf dem Schlauch der Benzinpumpe:

» Benzinstation

»Das ist das Motto unserer Wallfahrt!« rief sie. Begeisterung erfüllt sie, ob dieses Startens in frischer Luft – in unbekannte Gegenden auszuziehen ohne gebunden zu sein, abends wieder zurückzukommen.

Dies Claires zweite Reise in die Demokratie.

Zur Zeit als sie startete, faltete der junge Mann, der sie aus dem Kot herausgezogen und ihr das Essen bereitet hatte, eben sein Segeltuch und Bettzeug zusammen, auf dem er neben seinem Teal-Karren im Walde, drei Meilen nördlich von Gopher-Prairie, geschlafen hatte. Der hohen, edel-geborenen Katze teilte er laut seine geheimsten Gedanken mit: »Euer Gnaden, wie Shakespeare sagt, der Mann, der kalte Füße bekommt, wird nie sein Mädchen gewinnen. Und ich habe eine Heidenangst, Katze, einfach eine Heidenangst.


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