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XVI.

Das einsame Leben.

Es klopft an meine Hütte sacht, mich weckend
Aus leichtem Schlaf, des morgendlichen Regens
Geträufel, während im verschloßnen Stalle
Die Henne mit Gegacker schlägt die Flügel
Und spähend an das Fenster tritt der Landmann,
Und ihren Zitterstrahl die Sonne wirft,
Die junge, unter flieh'nde Sternenschaaren:
Da mich erhebend preis' ich froh die Wölkchen,
Die leichten, und der Vögelchen Gezwitscher,
Den frischen Hauch, die heiteren Gefilde.
Denn nur zu lang, unsel'ge städtische Mauern,
Sah und erkannt' ich euch, dort wo der Haß
Des Leids Gefährte, wo ich leidvoll lebe,
Und leidvoll sterben werde, ach, wohl bald!
Nur du, Natur, zeigst Mitleid mir, wiewohl
Ein karges, hier, die einst um vieles noch
Sich milder mir gezeigt! Ach, du auch wendest
Hinweg den Blick vom Elenden; auch du
Schreckst vor dem Leid, dem Mißgeschick zurück,
Und beugst dich sklavisch vor des Glückes Göttin.
So bleibt kein Freund im Himmel und auf Erden
Unglücklichen, kein Tröster – als das Eisen.

Zuweilen sitz ich an entlegnem Ort,
Auf einem Abhang, an des Sees Gestad,
Wo stille Pflanzen krönend mich umranken.
Dort wenn der Mittag hoch am Himmel steht,
Malt in der Flut ihr ruhig Bild die Sonne;
Nicht Gras noch Blatt bewegt im Winde sich,
Kein Wellchen kräuselt sich, kein Grillchen zirpt,
Die Schwinge regt kein Vogel in den Zweigen,
Kein Falter flattert, nah und ferne rings
Siehst du, vernimmst du Stimme nicht noch Regung.
In tiefster Ruh versunken ist die Flur:
Und so die Welt vergessend und mich selbst
Dort sitz' ich reglos, wie gelös't erscheinen
Mir meine ruh'nden Glieder schon, Empfindung
Bewegt sie nimmer, und mit ihrer Ruh
Ist eins geworden jenes Ortes Stille!

O Liebe, Liebe, fern entflogen bist du
Aus meiner Brust, die einst so heiß gewesen,
Ja glühend! Nun hat Unglück es zusammen-
Gepreßt mit kalter Hand, in Eis verwandelt
Ist's in des Lebens Frühling! Oft gedenk' ich
Der Zeit, wo in mein Herz du dich gesenkt!
Die süße Zeit wars, die nie wiederkehrt,
Die Zeit, wenn sich dem jugendlichen Blick
Erschließt die Bühne dieser Welt und ihm
Zulächelt als ein Paradies! Dem Jüngling
Pocht in der Brust vor jungfräulicher Hoffnung
Das Herz, und vor Verlangen, und ans Werk
Des Lebens geht der arme Sterbliche
Gleichwie zu Tanz und Spiel. Doch kaum bewußt,
O Liebe, ward ich dein, als schon mein Leben
Zertrümmerte das Schicksal, und nichts Andres
Als Thränen mehr geziemte meinem Auge!
Zuweilen freilich, wenn auf lichten Fluren
Am stillen Morgen, oder wenn im Strahl
Der Sonne Dächer, Hügel, Felder glänzen,
Wenn da mir eines holden Kindes Antlitz
Begegnet – oder wenn in sanfter Stille
Der Sommernacht den irren Schritt ich hemme
Vor ländlicher Behausung irgendwo,
Und, still den Blick gesenkt, noch eines Mädchens
Helltönenden Gesang vernehme, das
Im einsamen Gemach dem Werk der Hände
Die Nacht auch opfert: da beginnt zu pochen
Mein armes Herz von Stein; bald aber sinkt es
Zurück in eh'rnen Schlaf, denn fremd geworden
Ist ihm für immer jede sanfte Regung!

Geliebter Mond, in dessen stillem Scheine
Das Wild im Haine tanzt, darob der Jäger
Am Morgen klagt, weil ihm, verwirrt, die Fährte
Unkenntlich ist, und vom Versteck der Thiere
Seitab ihn lenkt der Irrthum. Sei gegrüßt,
Du milder Fürst der Nächte! Feindlich fällt
Dein Strahl ins Waldgebüsch, auf Felsenpfade,
In wüstverfallne Mauern, auf den Stahl
Des bleichen Räubers, der gespannten Ohrs
Der Räder Rollen und der Rosse Trab
Belauscht von fernher, und den Schritt des Wandrers
Am stillen Pfad – dann plötzlich, unversehens,
Mit Waffenklang und rauher Stimme Drohn
Und mit dem grausen Blick das Herz versteinert
Des Wanderers, den halbentseelt und nackt
Er bald zurückläßt unter Felsen. Feindlich
Triffst du mit bleichem Schimmer in den Gassen
Der Stadt den schnöden Buhler, der sich ängstlich
Drückt an die Mauern, und im Schattendunkel
Sich hält, und lauschend öfters stille steht,
Zusammenschrickt vor brennenden Laternen
Und offnen Fenstern. Feindlich bist du so
Den Bösen, aber mild und freundlich immer
Ist mir dein Anblick hier auf diesen Fluren,
Wo du mir Andres nicht als heitre Hügel
Und Weite Felder zeigst. Ich pflegte schon
In jugendlich-unschuld'ger Zeit, dein Licht
An vielbewohnten Stätten anzuklagen,
Wenn es dem Blick der Menschen mich verrieth,
Und meinem Aug der Menschen Anblick zeigte.
Nun werd' ich stets dich loben, magst in Wolken
Du segeln, oder, reinen Glanzes wallend
Als Herrscher auf des Aethers lichter Flur,
Herniederschaun auf diese Menschenwelt,
Die thränenvolle! Mich wirst oft du noch
Einsam durch Wald und Felder schweifend sehn,
Zuweilen ruhend auch im Gras – zufrieden,
Daß Herz und Odem mir noch blieb – zu seufzen!

*


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