Nikolaus Lenau
Gedichte
Nikolaus Lenau

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Das Blockhaus

(1838)

                    Müdgeritten auf langer Tagesreise
Durch die hohen Wälder der Republik,
Führte zu einem Gastwirt mein Geschick;
Der empfing mich kalt, auf freundliche Weise,
Sprach gelassen, mit ungekrümmtem Rücken:
»Guten Abend!« und bot mir seine Hand,
Gleichsam guten Empfangs ein leblos Pfand,
Denn er rührte sie nicht, die meine zu drücken.
Lesen konnt ich in seinen festen Zügen
Seinen lang und treu bewahrten Entschluß:
Auch mit keinem Fingerdrucke zu lügen;
Sicher und wohl ward mir bei seinem Gruß.
Wenig eilte der Mann, mich zu bedienen,
Doch nicht fand ich die Kost so dürr und mager
Wie sein Wort, ich sollte bei ihm ein Lager
Finden weicher und wärmer als seine Mienen.
Winters wars, ich starrte vom Urwaldfroste;
Als ich eintrat in die geheizte Stube,
Sprang mit Fragen heran des Farmers Bube,
Was von meinem Gepäck dies, jenes koste?
Emsig am Tisch sah ich die Weiber schalten;
Und es wurde die Mahlzeit rasch gehalten.
Später schwatzten die männlichen Hausgenossen
Am Kamin, die scharfe Zigarr im Munde,
Von Geschäft und Betrieb, bis eine Stunde
Mir in traulicher Langweil hingeflossen.
Hörbar vor allen sprach des Hauses Vater,
Als ein vielerfahrner Lenker und Rater,
Wechselnd raucht' er und sprach, und aller Augen
Hingen an seinen Lippen, der Alte schien
Aus dem Zigarrenstumpf Erfindung zu saugen;
Schweigend ließ ich die Reden vorüberziehn.
Endlich gewann der Schlaf den stillen Sieg,
Und sie gingen zu Bett; ich blieb allein,
Trank noch eine Flasche vom lieben Rhein,
Als das englische Talergelispel schwieg.
Und zur weit gewanderten deutschen Flasche
Holt ich den Uhland aus meiner Satteltasche.
Ferne der Heimat, tiefst im fremden Wald,
Las ich mir laut den herrlichen ›Held Harald‹.
Eichenstämme warf ich ins lustige Feuer,
Mir die Stube zu hellen und zu wärmen,
Denn die Elfen Haralds sind nicht geheuer,
Lockend hörte ich sie schon im Walde schwärmen.
Aber mit einmal war die Freude geschwunden,
Und mir wollte der Rheinwein nicht mehr munden.
›Uhland! wie stehts mit der Freiheit daheim?‹ die Frage
Sandt ich über Wälder und Meer ihm zu.
Plötzlich erwachte der Sturm aus stiller Ruh,
Und im Walde hört ich die Antwortklage:
Krachend stürzten draußen die nacktgeschälten
Eichen nieder zu Boden, die frühentseelten,
Und im Sturme, immer lauter und bänger,
Hört ich grollen der Freiheit herrlichen Sänger:
»Wie sich der Sturm bricht heulend am festen Gebäude,
Bricht sich Völkerschmerz an Despotenfreude,
Sucht umsonst zu rütteln die festverstockte,
Die aus Freiheitsbäumen zusammengeblockte!«
Traurig war mir da und finster zumut,
Scheiter und Scheiter warf ich in die Glut;
Mir erschien die bewegte Menschengeschichte
In des Kummers zweifelflackerndem Lichte.
»Diese Stämme verbrennen hier am Herde,
Auf ein kurzes Stündlein mich warm zu halten,
Der ich bald doch werde müssen erkalten,
Der ich selber zu Asche sinken werde.
Gibt es vielleicht gar keine Einsamkeit?
Bin ich selber nur ein verbrennend Scheit?
Und wie ich mich wärme am Eichenstamme,
Wärmt sich vielleicht ein unsichtbarer Gast
Heimlich an meiner zehrenden Lebensflamme,
Schürend und fachend meine Gedankenhast?«
Also führt ich mit mir ein wirres Plaudern;
(Hoffnungsloser Kummer ist ein Phantast,)
Und ich blickte mich um – und mußte schaudern.

 


 


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