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Siebentes Kapitel

Die Konkurrenz der Geschlechter

Ist die Vereinigung von Beruf und Mutterschaft die wichtigste und schwierigste innere, so ist die bedeutsamste äußere Frauenfrage die der richtigen Verwertung der erwerbsbedürftigen Frauen in der Volkswirtschaft. Und auf dieser Seite der Frauenfrage liegt, zugleich als ihr wundester Punkt, das Problem der Konkurrenz der Geschlechter.

Im allgemeinen Bewußtsein scheint die Sache sehr einfach. Die Frauen verdrängen die Männer. Sie besetzen Stellen, die einen Mann, d. h. eine Familie, ernähren könnten. Darin liegt eine Gefahr für das Volkswohl. Wenn daher die Frauenarbeit unvermeidlich ist – so heißt es – muß man sie auf solche Gebiete schieben, wo diese Gefahr zu vermeiden ist, d. h. entweder die sogenannten weiblichen, die der Mann unter keinen Umständen besetzen wird, oder die unbegehrten, niedrig bewerteten. Der Mann als Kandidat einträglicher Berufe hat immer vor der Frau den Vorzug, daß er eine Familie erhalten kann, daß also seine Einnahme im größeren Interesse des Volkswohls verwendet werden wird.

Diesem Gedankengang kann man immer begegnen, wer ihn ausspricht, pflegt ihn für durchschlagend und unwiderleglich zu halten.

In Wirklichkeit aber sind in diesen wenigen Sätzen, die ihre Herkunft von dem Interessensstandpunkt sich bedroht glaubender männlicher Berufsschichten deutlich verraten, eine Fülle von Tatsachen als selbstverständlich vorausgesetzt, die erst nachgewiesen, es sind darin Werturteile ausgesprochen, die auf ihre Begründung untersucht werden müßten.

Für das Urteil über Wert und Unwert, Recht und Unrecht des Anspruchs auf irgendwelche Berufsgebiete gibt es drei Ausgangspunkte. Der erste wäre das einfache Recht eines einzelnen Menschen, seine Kraft zu verwerten, wo er will und kann. Den zweiten bildete die Frage nach der Berufsleistung – nur der Wert der Leistung, so würde es von diesem Ausgangspunkt heißen, entscheidet darüber, ob dieser oder jener in seinem Beruf gut aufgehoben ist. Der dritte wäre die Frage nach der Verwertung des Einkommens und dem Nutzen, der daraus der Gesamtheit erwächst. Die Berufsfrage also muß beurteilt werden vom persönlichen Interesse des Individuums, vom sachlichen des Berufs, vom sozialen der Volkserhaltung.

Aber ehe wir von diesen drei Gesichtspunkten aus die weibliche Berufstätigkeit im Rahmen des Gemeinschaftslebens bewerten, vergegenwärtigen wir uns die volkswirtschaftlichen Tatsachen. Erwächst in der Tat aus der Erweiterung der Frauenarbeit dem Manne eine Konkurrenz?

Bei der vorhin gekennzeichneten laienhaften, aber sehr verbreiteten Auffassung der Konkurrenzfrage steht bewußt oder unbewußt im Hintergrunde die folgende Vorstellung: Es gibt nur eine bestimmte, gegebene Zahl von Arbeitsplätzen in der Volkswirtschaft. In dem Maße als Frauen diese Plätze einnehmen, werden Männer »verdrängt«. Diese Vorstellung ist ausgesprochen unmodern. Sie zieht letzten Endes ihre Nahrung aus längst vorübergegangenen Wirtschaftsformen. Ganz allgemein gesprochen ist in der Zeit der Weltwirtschaft jedes nationale Wirtschaftsleben ausdehnbar. Unsere Industrie arbeitet nicht nur für nationale Bedürfnisse, sie kann in dem Maße mehr Kräfte beschäftigen, als sie den Weltmarkt erobert. Man kann auch umgekehrt sagen; sie kann in dem Maße den Weltmarkt erobern, als ihr Kräfte zur Verfügung stehen. Ähnlich liegt es im Handel. Und wenn die moderne Entwicklung uns bei all diesen Fragen an das »größere Deutschland« denken lehrt, das Deutschland, das durch Handel und Gewerbe sein wirtschaftliches Dasein jenseits der eigenen Grenzen über die Erde erstreckt, so können wir es an sich nicht als ein Unglück betrachten, wenn durch verschärfte Konkurrenz in der Heimat die unternehmenderen, tüchtigeren Kräfte auch in anderen Berufen gezwungen würden, dem deutschen Geist in der Welt draußen eine Stätte zu bereiten. Die Konkurrenz der Geschlechter ist ein vollkommen anderes Problem in einer stagnierenden oder begrenzten als in einer sich erweiternden, ausdehnungsfähigen Volkswirtschaft. Nun liegt allerdings die Frage heute, unter der Nachwirkung des Krieges und der Geltung des Friedens von Versailles, viel schwieriger als in der Zeit, da die weltwirtschaftliche Ausdehnung Deutschlands unbegrenzt zu sein schien. Heute ist es nicht in dem Grade wie damals nur eine Frage der Intelligenz und des Fleißes, ob das deutsche Volk seinen wirtschaftlichen Spielraum auszudehnen imstande ist; heute setzt die Vorbelastung der deutschen Wirtschaft, die Verkürzung Deutschlands um notwendige Rohstoffe und vieles andere den Erfolgen des deutschen Fleißes engere Grenzen. Daß sie starr und unausdehnbar seien, wird gleichwohl nicht behauptet werden können. Aber zurzeit wird der Gesichtspunkt der Volkserhaltung allerdings bei der Beurteilung des Problems der Geschlechterkonkurrenz eine größere Bedeutung beanspruchen dürfen als bei anderer, günstigerer Wirtschaftslage.

Aber besteht tatsächlich eine solche Konkurrenz?

Die Frage ist nicht allgemein und summarisch, sie ist nur für die einzelne Schicht gesondert zu betrachten. In großen Zügen gekennzeichnet, ist die Sachlage diese: In der Landwirtschaft besteht überhaupt keine Konkurrenz. Wo sich die Frauenarbeit vermehrt – die Zahl der Landarbeiterinnen z. B. hat in Deutschland gegenüber der der Landarbeiter zugenommen –, haben die Frauen nur Plätze bezogen, für die sich keine Männer fanden. Der chronische Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften läßt ein Konkurrenzproblem überhaupt nicht entstehen. Schon heute, so kurz nach dem Kriege, beschäftigt die deutsche Landwirtschaft wieder ausländische Arbeitskräfte. In der Großindustrie dagegen, deren Vielgestaltigkeit einer zusammenfassenden Darstellung des Problems spottet, gibt es diese Konkurrenz in verschiedensten Formen. Einmal unmittelbar und im eigentlichsten Sinne: daß nämlich Frauen neben den Männern die gleiche Arbeit tun wie diese. Dieser Fall ist aber nicht so sehr häufig. Andererseits so, daß Frauen die Männer im eigentlichsten Sinne »verdrängen«, insofern technische Veränderungen eingeführt werden, durch welche der gelernte Arbeiter entbehrlich wird und der ungelernte – unter Umständen also die Frau – ihn ersetzen kann. Allerdings kann man sagen, daß solche Verwandlung von gelernter in ungelernte Arbeit eine allgemeine Entwicklungstendenz der Industrie ist und ebensogut wie die ungelernte Frau auch den ungelernten Mann an die Stelle des gelernten schiebt. Aber sicher ist wohl, daß das Angebot der Frauenkräfte diese technischen Veränderungen begünstigt und erleichtert, und daß der Krieg, der ja die technische Entwicklung geradezu zwang, die Industrie möglichst auf ungelernter Frauenarbeit aufzubauen, diese Tendenz sehr beschleunigt hat. Im Handwerk hat sich eine ziemlich glatte Arbeitsteilung entwickelt. Den Frauen fallen bestimmte Zweige der Schneiderei, Putzmacherei, Wäschenäherei, Stickerei als vorwiegend »weibliche« Handwerke zu. Von einer Konkurrenz im eigentlichen Sinne läßt sich vielleicht im Friseurhandwerk sprechen.

In den Mittelstandsberufen wird die Konkurrenz der Frauen durchgehender und schärfer empfunden. Die Berufsorganisation der Handelsangestellten behauptet dauernd eine Verdrängung und eine Herabsetzung der Gehälter durch die Frauen. Tatsächlich liegt auch hier die Sache so, daß die Entstehung gering bezahlter Posten im Handelsgewerbe aus der modernen Organisation des Handels hervorgeht. Die durchgeführte Arbeitsteilung des Großbetriebes hat zahlreiche untergeordnete Posten geschaffen, die nicht mehr nur Durchgangs-, sondern Dauerstellungen sind, aber ihrem Wesen nach keine hohe Bezahlung erfahren können. Diese Entwicklung, die sich ohne Zweifel auch ohne weibliches Arbeitsangebot hätte vollziehen müssen, ist durch die vorhandenen weiblichen Kräfte erleichtert und beschleunigt. Die Ausdehnung der Frauenarbeit im Handelsgewerbe ist eine Erscheinung von internationaler Tragweite. Überall hat dieselbe Entwicklung des Handelsgewerbes zur Frauenarbeit geführt. Eine Schädigung der Männer durch die Frauenarbeit liegt hier insofern vor, als einerseits durch das vorhandene Angebot weiblicher Kräfte die Schaffung gering bezahlter unterer Angestelltengruppen erleichtert wurde und als andererseits das Vorhandensein der weiblichen Kräfte eine aufsteigende Lohnbewegung der männlichen Angestellten in gewissem Maße erschwert. In wie hohem Grade, läßt sich nicht objektiv schätzen.

Wie weit im Lehrberuf die Vermehrung der weiblichen Lehrkräfte als »Konkurrenz« aufzufassen ist, hängt zunächst äußerlich von dem jeweiligen Angebot der männlichen Kandidaten ab. Die Fortschritte des Volksschulwesens verbunden mit der Zunahme der Bevölkerung hatten vor dem Kriege das Bedürfnis nach Lehrkräften ungemein gesteigert. Tatsächlich ist in der Bewegung von Angebot und Nachfrage im Lehrberuf der Volksschule Lehrermangel häufiger gewesen als ein Überangebot. Von einer Männer verdrängenden Konkurrenz der Frau konnte bis dahin also überhaupt nur in sehr eingeschränktem Maße die Rede sein. Etwas anders liegt es im höheren Lehrberuf. Allerdings schwankt das Verhältnis von Bedarf und Bewerbern auch hier stark. Im ganzen herrscht wohl ein Überangebot von Kräften vor. Dieses chronische Überangebot ist aber auch den höheren Berufen ohne Frauenkonkurrenz eigentümlich, es kam auch im höheren Lehrberuf vor, ehe er den Frauen zugänglich war. Zurzeit besteht in Deutschland ein Überangebot, das im wesentlichen auf den Rückstrom der Lehrkräfte aus abgetretenen Gebieten und auf die Verminderung der Geburtenzahl im Kriege zurückzuführen ist und durch die Notwendigkeit zur Verminderung der staatlichen Beamten aus Ersparnisgründen verschärft wird. Aber das ist eine vorübergehende Erscheinung, die möglicherweise, da auch das Studium zurückgeht, schon sehr bald anderen Verhältnissen Platz macht.

In den anderen wissenschaftlichen Berufen sind bisher die Ziffern der Frauen zu klein, um bereits eine Konkurrenzgefahr zu bedeuten. Ernstlich wird man von der zukünftigen Möglichkeit einer solchen nur noch im ärztlichen Beruf sprechen können, wo allerdings bei ganz freiem Wettbewerb die Frau die Aussichten des Mannes unter Umständen verschlechtert.

Dies sind die Tatsachen. Beurteilen wir sie nach dem aufgestellten dreifachen Maßstab.

Das erste Argument – die einfache Gerechtigkeit, die jedem gestatten mußte, seine Kräfte wo und wie immer zu verwerten – ist die Waffe, nach der die Frauen selbst zuerst gegriffen haben, um die Forderung der Berufsfreiheit zu verteidigen. Daß »die Frau zu jeder Arbeit berechtigt ist, zu der sie fähig ist«, war eine Grundforderung der Frauenbewegung in ihren allerersten Anfängen. Daß der Hunger den Frauen ebenso weh tut wie den Männern, daß das Streben nach Ausbildung und höchstmöglicher Verwertung ihrer Kraft ihnen ebenso natürlich ist und die Unterdrückung dieses Strebens sie ebenso unglücklich macht, ist unbestreitbar. Aber dieses Argument der formalen Gerechtigkeit könnte doch höchstens zu dem Schluß führen, daß man die weibliche Konkurrenz nicht durch Ausschluß der Frauen von bestimmten Berufen abstellen darf, daß man im Namen der Gerechtigkeit den Frauen gestatten muß, mit den Männern zu konkurrieren, selbst wenn damit bestimmte Mißstände verbunden sind. Über die Frage, ob diese Konkurrenz nützlich oder schädlich, ein Segen oder ein Übel sei, erhalten wir von diesem Standpunkt keine Antwort.

Und darum genügt dieses Argument nicht, um die Frage in jedem Sinne zu lösen.

Unser zweiter Gesichtspunkt ist das Interesse des Berufes. Nur von hier aus gesehen würde es einfach heißen: diejenige Verteilung männlicher und weiblicher Kräfte über das gesamte Erwerbsgebiet ist die beste, bei der jeder da arbeitet, wo er der Geeignetere ist.

Dieser Maßstab ist allerdings nicht auf jedes Gebiet anwendbar. Es gibt in Industrie und Handel zahllose Arbeiten, die von Männern und Frauen gleich gut gemacht werden können, d. h. die weder so viel Kraft erfordern, um eine Überlegenheit des Mannes zu begründen, noch qualitativ die Möglichkeit zur Ausprägung weiblicher Vorzüge geben. Auf alle solche ist der Maßstab der größeren Eignung des Geschlechts nicht anwendbar. Sie umfassen aber eine sehr große Zahl, vielleicht die größere Hälfte aller weiblichen Berufstätigen. Die Möglichkeit, den Berufsweg der Frau aus ihrer besonderen weiblichen Eigenart zu begründen, entsteht im allgemeinen erst dort, wo das Wort Qualitätsarbeit anwendbar ist. Zwar bringen auch für manche Formen ungelernter Arbeit die Frauen gewisse Vorzüge mit, z. B. die kleineren und weicheren Hände; sie können an sich, physisch, ganz abgesehen von Ausbildung und erworbener Fähigkeit, als Werkzeug mancher beruflicher Verrichtungen geeigneter sein – z. B. durch ihre Stimmlage für das Telephon. Aber die praktische Bedeutung dieser Differenzierung ist nicht so weitreichend, wie das zuweilen angenommen wird.

Vielmehr kommt dieser Gesichtspunkt erst eigentlich zur Geltung in solchen Berufen, in denen sich überhaupt persönliche Anlagen in ihrer seelischen Vielgestaltigkeit ausprägen können. Dazu gehört zunächst das weibliche Handwerk. Ernstlich hat ja auch noch niemand bestritten, daß Schneiderei, Putzmacherei, Stickerei usw. Frauengebiete sind, die Frauen als Arbeitskraft erfordern. Aber in eben dem Sinne wären es auch noch andere, die bisher nicht in derselben Einstimmigkeit für weiblich gehalten werden. In Wohnungskunst, Schmuckindustrie, Kunstgewerbe im weitesten Sinne besteht ohne Zweifel die Möglichkeit, mehr Reichtum der Erfindung, der Formen, eine feinere und mannigfaltigere Durchbildung des künstlerischen Ausdrucks dadurch zu erreichen, daß die technisch genügend geschulte, bis zur künstlerischen Selbständigkeit durchgebildete Frau neben dem Mann arbeitet. Wo diese Möglichkeit besteht, liegt die weibliche Konkurrenz ohne Zweifel im Interesse der sachlichen Leistung. Dabei kommt neben der spezifisch weiblichen Nuance, um die hier die Masse der handwerklich künstlerischen Erzeugnisse reicher wird, auch der rein individuelle Beitrag der einzelnen Frau zur Qualitätshöhe ihres Berufs hinzu. Jede Frau, die auf einer mittleren und höheren Leistungsstufe ihres Gewerbes steht, ist für die Volkswirtschaft wertvoller als diejenigen Kollegen, die nicht über die unteren Grade hinauskommen. Unter der Voraussetzung also, daß sich im Wettbewerb die fähigeren Kräfte gegen die unfähigeren durchsetzen, kann die Beteiligung der Frauen an diesem Kampf nur im Interesse des Berufes liegen.

In noch höherem Maße kommen beide Werte der Frauenarbeit, der spezifisch weibliche und die individuelle Qualität, für die geistigen Berufe in Betracht: das Lehramt, den ärztlichen, die sozialen Berufe. Hier fordert die Sache an vielen Stellen unbedingt die Frau, und sie zurückweisen, um den Männern eine leichtere Versorgung zu sichern, hieße das Werk der Erziehung oder der sozialen Arbeit schädigen, hieße den Objekten und Kunden dieser Berufe die Befriedigung eines Bedürfnisses versagen, das sie zum Teil lebhaft empfinden. Daß die Frauen sich in vielen Fällen lieber an die Ärztin wenden als an den Arzt, ist ein Gewicht mehr in der Wagschale der sachlichen Notwendigkeit der Frauenarbeit, die außerdem durch die allgemeine Eignung der Frau für bestimmte Seiten des Berufs und durch die besondere, individuelle Tüchtigkeit der einzelnen überragenden Frau beschwert wird. Daß im Lehrberuf, besonders in der Mädchenbildung, die Frau unentbehrlich ist – in demselben Maße unentbehrlich wie die Mutter als Erzieherin in der Familie –, hat man zwar in Deutschland ziemlich spät angefangen einzusehen, es ist darum doch eine Tatsache, daß sie hier geradezu an erster stelle stehen muß. Und sicher ist damit der Kreis der Aufgaben noch nicht geschlossen, die in einem besonderen Sinne die Frau verlangen. Für den weiblichen Rechtsanwalt sprechen ähnliche Gründe des seelischen Bedürfnisses wie für die Ärztin. In dem großen, erst entstehenden Gebiet der öffentlichen Wohlfahrtspflege ist die weibliche Kraft schlechthin notwendig und setzt sich in der sozialpflegerischen Seite des Berufes, kaum ernstlich angefochten, von selbst durch. Auch für manche Aufgaben der Wissenschaft bringt sie besondere Voraussetzungen mit, die dem Manne fehlen. Immer kommt dazu dann noch das Interesse der ganz individuellen Auslese. Da – ganz abgesehen von der Weiblichkeit – die Frauen überdurchschnittliche Kräfte zu all solchen Berufen nachweislich stellen können und gestellt haben, ist es wünschenswert, daß die Berufsauslese sich auch aus ihrem Kreise rekrutiert. Aber selbstverständlich auch nur aus diesem Grunde. Das Prinzip der Auslese, das der geeigneten Frau gegenüber dem ungeeigneten Manne den Vorzug bei der Berufsbesetzung geben soll, bedeutet natürlich auch, daß man den Frauen nicht nur deshalb irgendeinen Beruf erschließen soll, weil sie versorgungsbedürftig sind. Ursprünglich war das die Anschauung. Man verdachte z. B. dem wirtschaftlich gesicherten Mädchen die Ausübung eines Berufes, weil sie damit denen, die es »nötig hatten«, »das Brot wegnahm«. Das ist dieselbe Einseitigkeit der Berufsbewertung, durch die man stets den Mann der Frau voranstellen will, weil er als Familienerhalter die gute Stelle »nötig hat«. Soll aber z. B. ein pädagogisch oder künstlerisch hoch befähigtes Mädchen von einem Beruf abstehen, um einem talentlosen aber bedürftigen Platz zu machen? Im Interesse der Berufe und ihres Niveaus kann die Lösung des Konkurrenzproblems nur heißen: Auslese der Geeigneten. Und umgekehrt: eine Berufsauslese nach dem Maßstab der Erwerbsbedürftigkeit statt der Fähigkeit kann nur verhängnisvoll auf die Gesamtleistung wirken. Dies muß gerade heute betont werden, wo die Verhältnisse eine starke Versuchung zu einseitiger Betrachtung der Arbeitsverteilung unter dem Gesichtspunkt der Erwerbsbedürftigkeit enthalten.

Es ist allerdings unvermeidlich, daß dieser Maßstab mit dem dritten, der Verwendung des Einkommens, kollidieren muß. Für die Gesamtheit fällt es selbstverständlich ins Gewicht, ob das für die Berufsleistung gezahlte Geld wieder der Erhaltung von Kindern dient. Es ist sicher, daß der familienerhaltende Berufsmensch der Gesamtheit auf Zwiefache weise dient, durch seine Arbeit und durch die Verwendung seines Einkommens, und daß die zweite Form des Dienstes an Gemeinschaftswert nicht unter der ersten steht. Unter diesem Gesichtspunkt erst wird das Konkurrenzproblem zum Problem. Es ist an sich ohne weiteres zuzugeben, daß – gleiche Geeignetheit vorausgesetzt – die Gesamtheit ein größeres Interesse daran hat, einen familienerhaltenden als einen unverheirateten Berufsarbeiter an irgendeiner Stelle des Wirtschaftslebens zu sehen, und daß die Frau, sofern ihr Einkommen nur ihr allein zugute kommt, weniger wünschenswert sein kann als der Familienvater.

Aber es ist in Betracht zu ziehen, daß auch die alleinstehende Frau durch die Fürsorge für Eltern und Geschwister in der großen Mehrzahl der Fälle Familienerhalterin ist. Schon indem sie als junges Mädchen die Eltern von der Fürsorge für ihre Person entlastet, macht sie Mittel frei für jüngere Geschwister, für die Ausbildung der Brüder. Untersuchungen über die persönlichen Verhältnisse von Arbeiterinnen und kaufmännischen Angestellten haben immer wieder bestätigt, daß die Mädchen ihren Lohn in die allgemeine Familienkasse fließen lassen. In den mittleren und höheren Frauenberufen ist es durchaus das Übliche, daß die unverheiratete erwerbende Frau die Fürsorge für alternde Eltern übernimmt und dadurch den Bruder für eigene Familiengründung frei macht. Genaue statistische Unterlagen dafür lassen sich nicht beibringen. Aber die tägliche Erfahrung zeigt jedem, daß auch das Einkommen der Frau in überwiegendem Maße nicht rein als Individualeinkommen verbraucht, sondern der Familienerhaltung dienstbar gemacht wird.

Dieser Tatsache läßt sich nun in den öffentlichen Berufen durchaus Rechnung tragen, wenn der Staat seine Besoldungsgrundsätze danach einrichtet. Gedacht ist in diesem Fall, daß zunächst die Leistung als solche bezahlt wird, und zwar die gleiche Leistung bei Mann und Frau gleich. Damit ist dann ausgeschlossen, daß die Frau den Mann durch ihre Billigkeit aussticht. Durch Zuschüsse, insbesondere Kinderzulagen, oder Abzüge, die von den Unverheirateten erhoben werden, sollte dann den Verschiedenheiten der Belastung Rechnung getragen werden, die den Alleinstehenden von dem, der für Angehörige zu sorgen hat, unterscheiden. Tatsächlich hat ja in den letzten Jahren bei der Knappheit der gesamten Existenzbedingungen das Prinzip des »Soziallohns« in der Besoldung sich mehr und mehr durchgesetzt. Zugleich hat die Gleichstellung der unverheirateten Frau mit dem unverheirateten Mann gewisse Fortschritte gemacht, ohne sich allerdings schon durchgesetzt zu haben. Im Unterrichtswesen ist vielmehr letzthin wieder ein Rückschritt zu verzeichnen, insofern der Grundsatz, daß alle Frauen 10 % weniger Gehalt bekommen als unter gleichen Verhältnissen ihre männlichen Kollegen, wieder allgemein gilt.

Die Besoldung nach dem Prinzip des Soziallohns wird in der Privatwirtschaft, in den gewerblichen und kaufmännischen Berufen aber stets durch andere wirtschaftliche Gesichtspunkte durchkreuzt werden. Hier also kann unter Umständen in der Bewertung der Frauenarbeit dem Aktivum ihres Leistungswertes ein Passivum in der Ausnutzung ihres Einkommens gegenüber stehen bleiben, und es gilt beide gegeneinander abzuwägen. Aber wiederum muß betont werden, daß diese Entweder-Oder-Fälle nicht so sehr zahlreich sind, weil 1. die erwerbsfähigen verheirateten Frauen auch Familienerhalter sind, weil 2. auch von den unverheirateten viele ihr Einkommen nicht für sich allein verwenden; weil 3., wie gezeigt worden ist, unsere Volkswirtschaft auch heute noch die unverheiratete Frau verwerten kann, ohne daß dadurch Männer verdrängt und von den ihrem Können entsprechenden Berufen abgeschnitten werden; weil 4. die Mehrzahl dieser Frauen nicht in direkter Konkurrenz mit Männern auf genau den gleichen Gebieten stehen, und weil 5. immer noch sehr wenige Frauen dauernd im Beruf bleiben, die meisten also in jugendlichem Alter an Stellen arbeiten, auf denen auch der Mann sich noch gar nicht verheiraten würde.

Eine bedenklichere Wirkung als durch die »Verdrängung« von Männern – von der, wie gezeigt, in erheblichem Umfang und bedenklichem Sinne kaum die Rede sein kann – kann die weibliche Konkurrenz haben, indem sie lohndrückend wirkt. Dies kann auf dreifache Weise geschehen: 1. indem die Frau genau die gleiche Arbeit billiger anbietet; 2. indem sie durch ihr Angebot von billiger ungelernter Arbeit technische Umwandlungen lohnend erscheinen läßt, durch welche gelernte Arbeit mechanisiert und durch ungelernte ersetzbar wird; 3. indem sie durch ihre Erwerbsarbeit (hauptsächlich als Ehefrau) dahin wirkt, daß bei der Lohnbemessung für den Arbeiter mit dem Beitrag der Frau für den Familienbedarf gerechnet wird. Dies ist z. B. in Textilgegenden mit viel Frauenarbeit der Fall.

Wie ist diesen Gefahren zu begegnen? – Sicherlich nicht durch die Methoden der früheren Zeit, die den Frauen möglichst die ordentlichen Ausbildungswege verschloß und damit ein Proletariat Halbgelernter schuf. Wenn auch dadurch den einzelnen Fähigen, die im Beruf bleiben, der Aufstieg und der erfolgreiche Wettbewerb mit den Männern erschwert wird, so ist doch das Angebot dieser halbgelernten Mädchen, die für jedes Gehalt arbeiten, weil ihr Beruf ihnen als Übergangsstadium gilt, viel gefährlicher als die Konkurrenz der wenigen, die dauernd im Beruf bleiben und in höhere Stellen aufrücken. Sofern früher manche Berufsorganisationen diese Taktik einschlugen, war sie mehr von dem eigentlichen Berufs neid diktiert, der der Frau vor allem den höheren Posten mißgönnt, als von dem wahren Interesse des Berufs.

Vielmehr wird – im ganzen genommen – der zweite Ausgangspunkt, von dem wir das Konkurrenzproblem betrachteten, der Leistungswelt, der sicherste für alle Maßnahmen sein, um die Gefahren der Frauenkonkurrenz für die Gesamtheit zu vermeiden oder doch auf ein möglichst geringes Maß einzuschränken.

Wenn es klar ist, daß ein so starkes Kräfteangebot wie das der Frauen in der gegenwärtigen Volkswirtschaft nicht einfach en bagatelle behandelt werden kann, sondern zu bestmöglicher Verwertung im Ganzen geführt werden muß, so liegen auch alle Möglichkeiten einer gesunden Differenzierung auf der Linie möglichster Steigerung und Durchbildung der weiblichen Berufsleistungen. Im wesentlichen erst bei der Qualitätsleistung, so sahen wir, entstehen die Möglichkeiten einer Arbeitsteilung auf der Grundlage der Sonderanlagen, der spezifischen Art der Geschlechter, einer Arbeitsteilung, bei der sie einander möglichst wenig ins Gehege kommen, sondern sich ergänzen. Also nicht die Frauenarbeit durch Vernachlässigung und Gewalt im Stadium der undifferenzierten Gelegenheitsarbeit festhalten, sondern sie durch alle Ausbildungsmöglichkeiten vor allem in den aussichtsvollen weiblichen Berufen zu der Höhe bringen, auf der sie einen Qualitätswert für das Ganze darstellt.

Das bedeutet in allen Berufen, in denen Frauen und Männer arbeiten, die gleiche Ausbildung für Mann und Frau, um eine Auslese der Tüchtigsten und die Ausmerzung der Unfähigen durch die gleichen Mittel zu erreichen.

Auf dem gleichen Wege kann auch allein die Frau in dem Grade zum Berufsmenschen gemacht werden, daß ihre Gefährlichkeit als Lohndrückerin des Mannes sich abschwächt. Nur die Berufsorganisation, bei gleichem Berufsgebiet womöglich die gemeinsame mit dem Manne, ist imstande, die Nachgiebigkeit der Frau gegen die Unterbietungsversuche zu besiegen. Wenn nicht nur ein so geringer Teil unserer Industriearbeiterinnen organisiert wäre, so würde ihre Gefahr für das Niveau der Männerlöhne sich sehr vermindern.

Jahrzehnte hindurch hat die Frauenarbeit unter dem Zeichen des Notbehelfs gestanden. Weil man den Frauen keine Ausbildungsmöglichkeiten schuf, sind so weibliche Berufe wie die Erziehung der Mädchen Männerberufe geworden, ehe die Frauen beginnen konnten, sie zurückzuerobern. Denn hier haben nicht Frauen Männer verdrängt, sondern Männer Frauen. Und dies Beispiel läßt die Erörterung des Konkurrenzproblems in den Gedankengang unserer beiden ersten Kapitel einmünden: es kommt darauf an, außerhalb der Familie mit ihrer natürlichen Arbeitsteilung wieder eine Arbeitsteilung zu schaffen, bei der die Frau den Kultureinfluß, den sie ehemals besaß, auf dem veränderten Gebiet wieder gewinnen kann. Auch als die Familie noch die ganze Produktion umfaßte, hat es gemeinsame Arbeit von Mann und Frau gegeben, daneben solche, die nur der Mann, und solche, die nur die Frau tat. Diesen Zustand in der Volkswirtschaft wieder herzustellen, ist durch alle Krisen hindurch die einzig mögliche Lösung des Konkurrenzproblems.


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