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Sechstes Kapitel.

Ein Schrei tönte durch den Morgen – wunderbar gellender Ton der Wildnis. Doch die Frau, die an eine steilaufragende Felsmauer gelehnt stand, schien ihn nicht zu vernehmen. Ihr Blick sah von dem breiten und hohen Plateau, auf dem sie stand, hinunter auf das wildzerklüftete Gewirr von Tälern und schmalen Einschnitten, das einen gewaltigen Eindruck machte. Am Horizont erhob sich ein hohes Gebirgsband, dessen Spitze im Nebel verhüllt lag.

Trotzdem es ein heißer Tag zu werden versprach, wehte hier oben ein stetiger, kühler und erfrischender Wind, der leicht, wie spielend durch die schwarzen Haare der Frau streichelte.

Plötzlich wandte sie ihren Kopf nach der Richtung, aus der sie das leise Rollen eines Steines vernommen hatte. Da gewahrte sie einen Mann, der sich ihr langsam und zögernd näherte. Ein Aufblitzen ihrer Augen verriet ihre Genugtuung, die sie bei seinem Anblick empfand.

In tiefen Atemzügen trank sie den wunderlich gemischten, unnachahmlichen Duft der Bergnatur ein und lauschte dem Klingen eines Quells dort oben in den Klüften nach.

Zwei Schritte von ihr entfernt, blieb der Mann unschlüssig stehen, seine Augen verschlangen die Frau vor sich. Endlich entschloß er sich, sie anzureden.

»Mercedes!« ein wenig herrisch klang sein Ruf; er mochte gesehen haben, daß sie ihn bemerkt hatte, aber daß sie seine Anwesenheit geflissentlich übersah.

Wie eine Raubtierkatze schnellte sie herum.

»Jeff Dryer, für Euch bin ich noch immer Senhora Mercedes!« kam es zischend über ihre Lippen.

Ihre Art, mit ihm zu sprechen, schien den Mann wenig zu berühren; er trat noch einen Schritt näher auf sie zu. Abweisend und doch herausfordernd, zwei sich widersprechende Begriffe, und dennoch kennzeichneten sie den Ausdruck der Haltung, in der sie vor ihm stand.

Dryer meinte den Verstand zu verlieren, so packte ihn die Leidenschaft für diese Frau. Nur mit eiserner Selbstbeherrschung bezwang er sich, seinem fast schmerzhaft gefühlten Wunsch, sie in seine Arme zu reißen, nicht nachzugeben.

Sie hielt seinen brennenden Blick aus. Reinen Augenblick wandte sie ihre Augen ab. Wo immer sie auch war, umgab sie eine gewisse Sinnlichkeit, die von ihr ausströmte, was sie auch immer trug, und wo immer sie erschien, verfolgte sie jeder Mann mit den Augen.

Ein wenig voller war Mercedes in den Jahren geworden; aber das hob nur noch ihre Schönheit, machte sie reifer, fraulicher. Vier Jahre teilte sie nun schon das anstrengende Leben Miguel de Silvas. Unentbehrlich war sie ihm geworden; auch er war ihrer Macht unterlegen.

Einmal in den Jahren waren sie und Miguel von den Leuten fortgeritten; erst Tage später stießen sie wieder zu ihnen. Von der Zeit an sprach Miguel immer von Mercedes als von seiner Frau. Ob eine heimliche Trauung in diesen Tagen stattgefunden, war nicht herauszubekommen; weder Miguel noch Mercedes sprachen je darüber.

Dryers Blick riß sich von ihr los.

»Wie Ihr wollt, Madame,« kaute er in seinem schlechten Englisch; ein bedrohlicher Ton schwang zwischen seinen Worten hindurch.

Ihr feines Ohr vernahm ihn wohl, doch berührte es sie nicht.

»Warum stört Ihr mich eigentlich?« Gleichgültig wie ihre Frage klang, sah sie über ihn hinweg.

»Eine Frage, Madame: wann werdet Ihr Euer Versprechen einlösen?«

»Ein Versprechen? – Ich wüßte nicht, daß ich Euch je ein Versprechen gab.«

»Nicht mit Worten, dafür umso mehr mit Euren Augen und dem Druck Eurer Hand!«

Ein Achselzucken von ihr brachte ihn um seine erzwungene Ruhe.

»So? – Es war also kein Versprechen, das Ihr mir gabt, als ich Rose Dylon erschoß, weil ›Laternenpfahl‹ sie unverständlicherweise schonen und sogar mit hierher nehmen wollte?? Ihr und wir, keiner glaubte seinem Gestammel von Lösegeld für sie! Ein Abenteuer wollte er haben, weiter nichts! Daß sie Euch in Wirklichkeit keinen Augenblick ernstlich gefährlich werden konnte, wußtet Ihr so gut wie wir. Aber schon diese flüchtigen Stunden, in denen er nicht ausschließlich Euch gehört hätte, mißgönntet Ihr ihm. Dafür mußte ich meine Hände beschmutzen und eine Frau töten! Mitunter ekelt es mich vor mir selbst!«

Ohne eine Miene zu verziehen, hörte Mercedes ihn an.

»Und wer hetzte gegen ›Laternenpfahls‹ ausdrücklichen Befehl unsere Leute auf? – Er wollte die Männer schonen, doch das war nicht nach Eurem Wunsch! Ihr wolltet keine Zeugen!! Wer trieb damals sein Pferd an das meine? Wer sah mir so tief in die Augen? – Gab ich nicht damals das Signal zum Vorgehen? Habe ich nicht Miguels Zorn dafür aushalten müssen? Und wer sah mich, während Miguel tobte, mit so verheißungsvollen Augen an?« Dryer keuchte vor Erregung.

»Wenn Ihr Euch etwas eingebildet habt, was nie war, was kann ich dafür?« Gleichgültig zuckte Mercedes die Achseln. Jeff Dryer erstarrte.

»Ach, Madame, Ihr spieltet nur mit mir?« Nur schwer kamen ihm die Worte von den Lippen. »So spielt Ihr nun auch wohl mit dem Portugiesen Affonso, dessen Augen Euch keine Minute auslassen?«

Er bekam keine Antwort, es schien, als ob Mercedes seine Anwesenheit vergessen hätte; ihr Blick sah längst wieder in die Weite. – Eine zornige Glutwelle schoß in Dryers Gesicht.

»So haben wir nicht gewettet!« Leise, aber deutlich drangen diese Worte zu ihr. – Ihre Augen rissen sich von dem Bilde vor ihr los, stirnrunzelnd wandte sie sich ihm zu, um den Mann erstaunt wie ein seltenes Tier zu betrachten.

Dryer stand völlig ruhig vor ihr; kalt und hart blickten seine Augen sie an, sodaß Mercedes meinte, eine eiseskalte Hand berühre ihr Herz. Diese Augen fesselten Mercedes, atemlos sah sie in sie hinein.

Es war nicht das erste Mal, daß sie in solche Situation geriet: daß ein Mann fordernd vor ihr stand. Doch waren es meistens leidenschaftliche Südländer gewesen, die sich wie feuerspeiende Vulkane gebärdeten. Diese Art kannte Mercedes und wußte mit ihr fertig zu werden. Aber fremd war ihr das Wesen dieses Nordamerikaners, den sie eisig ruhig fordernd vor sich erblickte. Ihr schoß der Gedanke durch den Kopf, daß das Spiel mit Dryer gefährlicher sei als alle anderen, die sie schon mit Männern gespielt hatte.

Schon wollte ein Bedauern, sich jemals mit diesem Manne eingelassen zu haben, in ihr emporsteigen, als sie trotzig den Kopf in den Nacken warf. Auch er mußte sich beugen, wie sich schließlich alle ihrem Willen gebeugt hatten.

Auch für ihn schien ihre Kopfbewegung ein Zeichen gewesen zu sein, denn er trat dicht an sie heran; seine Hand packte plötzlich ihr schmales Handgelenk und umklammerte es fest. Ein Wehlaut kam von Mercedes Lippen, doch achtete er nicht darauf.

»Mercedes, komm mit mir! Laß die Bande und dieses Leben hinter Dir! Du wirst eines Tages an diesem Höllenleben zerbrechen und dann fürchterlich zu Grunde gehen, wenn Miguel etwas passiert, was bei seinem Leben jeden Tag geschehen kann, hast Du Dir schon vorgestellt, was dann aus Dir wird?« Er atmete schwer auf und zwang Mercedes, ihn anzusehen. »Du treibst Dich und uns rücksichtslos vorwärts. Du wartest immer auf den einen großen Coup, der Dich mit einem Schlage zu einer reichen Frau machen soll. Du gibst Dich nicht mit dem zufrieden, was Miguel schon sein Eigen nennt, Du bist unersättlich! So hetzt Du Dich und uns in unabwendbares Unglück hinein.«

Mit bösen Augen blitzte sie ihn an.

»Was geht's Dich an!« zischte sie bebend.

»Viel! Denn – ich liebe Dich!« Ruhig klang seine Stimme.

Ihr spöttisches Auflachen trieb ihm eine flüchtige Röte auf die Stirn, doch fuhr er sich bezwingend fort: »Du hast mit mir gespielt, Mercedes, wie Du es vielleicht schon mit manchem triebst. Dein Pech nur, daß ich es so verdammt ernst nahm.

»Sprich, willst Du mir folgen, fort von hier in ein anderes Land gehen – als mein Weib, das ich in Ehren halten will?

»Gemeinsam wollen wir die Vergangenheit vergessen, uns ein neues Leben aufbauen. Ich besitze etwas Geld. Ich will für Dich arbeiten, du sollst nicht leiden, frei sollst Du Dich fühlen. Groß wird das Leben nicht sein, das ich Dir bieten kann, aber gefestigt und segensreich soll es werden.«

Sprachlos hatte ihn Mercedes ausreden lassen, sie sah ihn entgeistert an. War Jeff Dryer verrückt geworden? Dann schoß in ihr die Wut hoch.

»Seid Ihr wahnsinnig geworden?« schrie sie ihn an. »Was interessiert es mich, daß Ihr mich liebt! Bleibt mir vom Halse mit Eurem rührenden Bilde vom Glück in der kleinen Hütte, vielleicht soll ich auch noch Kinder haben. Eins – zwei – drei – einen ganzen Haufen!« höhnte sie, um ihn dann herrisch anzufahren. »Laßt mich zufrieden! Schert Euch fort!«

»Nicht ohne Euch, Mercedes. Entweder Ihr kommt mit mir oder ...«

Sie sah einen fast hilflos flackernden Blick in seine Augen treten, der merkwürdig von seiner Ruhe und Männlichkeit abstach.

Mercedes verwünschte sich ob ihres Leichtsinns, in Miguels Zelt ihren Gürtel mit ihren Revolvern liegen gelassen zu haben. Sie zerquälte sich ihren hübschen Kopf, wie sie diesen Mann meistern könne, als sie über seine Schulter hinweg Miguel mit sechs Leuten um eine Felsenkante biegen sah. Der Bandenführer stutzte bei dem Anblick des Paares; nur mit Mühe unterdrückte Mercedes ihre Genugtuung. Laut, damit es weit schalle, sagte sie zu Dryer:

»Laßt mich los, und quält mich nicht mit Eurer unsinnigen Leidenschaft. Ihr seid ein guter, brauchbarer Kamerad; darum sei Euch manches verziehen. Ihr wollt doch nicht Euren Führer beleidigen, indem Ihr mir zu nahe tretet?«

Erstaunt lauschte Jeff den ruhigen, vernünftigen Worten nach, das war nicht Mercedes' Art zu sprechen. Mißtrauisch prüfte er ihr Gesicht, doch nichts, was in ihr vorging, war daraus zu entnehmen, klar, fast mütterlich sah sie ihn plötzlich an, und nun drängte sie sich näher an ihn heran.

»Jeff Dryer,« raunte sie »ich bin Euch gut und ...«

Fassungslos erstarrt stand er und lauschte auf ihre Worte; und als Mercedes ihr Handgelenk nun leise und sanft von seiner umklammernden Hand befreite, merkte er es gar nicht. Er fühlte nur die Wärme ihres Körpers und atmete den Duft ihres Haares ein; er trank ihr fast die Worte von den Lippen.

Doch plötzlich machte Mercedes eine blitzschnelle Bewegung. Ehe er es erfassen konnte, hatte sie ihm seinen Colt aus dem Halfter gerissen – ein Sprung brachte sie aus seiner Nähe. Er keuchte auf und wollte ihr folgen, ihr die Waffe wieder aus den Händen reißen, als sein eigener Revolver ihm entgegenblitzte.

»Du Hund!« gellte ihre Stimme. »Du wolltest mir drohen, mir!? Das sollst Du büßen! Erledige ihn, Miguel!«

Bei den letzten Worten fuhr Dryer herum. Vier Schritte hinter ihm, die Hände in die Hüften gestemmt, stand Miguel de Silva; neben ihm Alexandre d'Ordonez, der auch in diesem Augenblick die nie fehlende Zigarette im Mund hatte, und hinter den beiden standen noch vier Leute von der Bande. Kalt und ruhig, völlig unpersönlich sahen diese darein, nur in Alexandres Augen meinte Jeff einen mitleidigen Schein zu sehen.

»Jeff Dryer, Ihr habt Euch also erdreistet, Euch Eurer Herrin Mercedes zu nähern?« Ruhig und schneidend klang Miguel de Silvas Stimme. »Mann, habt Ihr noch einen Wunsch, dann sagt ihn schnell?«

Dryer blieb ruhig stehen, Miguels eisige Stimme wirkte wie ein kühler Wasserstrahl; er zuckte die Achseln.

»Ich gebe Euch drei Vaterunser Zeit, Dryer, habt Ihr dann eine genügende Erklärung gefunden, oder bittet Ihr Eurer Herrin auf den Knien die Unverschämtheit ab, dann laß ich Euch laufen – andernfalls –« eine Handbewegung beendigte Miguels Satz.

Still sah Jeff Dryer vor sich hin. Er wußte, was Miguels ›Laufenlassen‹ bedeutete. Er befahl einigen von seinen Leuten, den Delinquenten zwischen ihre Pferde zu nehmen. An ihren Sätteln festgebunden, mußte der Unglückliche dann Stunde um Stunde meilenweit im verschiedenen Tempo der Pferde laufen, wenn vor Anstrengung Blut über seine Lippen kam, so wurde angehalten; aber ohne dem Verdurstenden Wasser zu reichen, ohne ihm eine Waffe zurückzulassen, ließ man ihn liegen. Kam er durch – gut, verreckte er – desto besser.

Jeffs Blick irrte zu Mercedes. Ungerührt, seinen Revolver noch schußbereit in der Hand, stand sie und sah an ihm vorbei ins Leere. Sein Blick ging weiter und fand die Sonne, die schräg am Himmel stand, um ihren Tagesweg zurückzulegen; so schön schien sie ihm noch niemals geschienen zu haben.

Nicht eine Sekunde aber kam Jeff, dem ruhigen Nordamerikaner, der Gedanke, sein Leben von Mercedes zu erbetteln. Er schloß in diesen Minuten mit allem ab, und es war gut so, empfand er; denn sein Herz war schon kurze Minuten vordem gestorben.

»Drei Vaterunser!« Miguels Stimme riß ihn aus unbekannten Kernen. Als Jeff Dryer sich nicht rührte, sein Blick nur auf der Sonne haften blieb, fuhr ein unentschlossener Ausdruck über Miguels Züge. Unwillkürlich suchte sein Blick Mercedes, herrisch flammten ihre Augen auf – da riß Miguel seinen Colt aus dem Halfter. Ein Schuß – Jeff wankte, sein Auge umfaßte noch einmal Mercedes, und langsam, ganz langsam mit einer halben Umdrehung sank er zu Boden.

Miguel steckte seinen Revolver ein. – Ruhig, ohne ihm einen Blick zu gönnen, schritt Mercedes an Dryer vorüber auf Miguel zu. Wiegend war ihr Gang; Miguel glaubte immer wieder Neues an ihrer Schönheit zu entdecken. Flammend ruhten seine Augen in den ihren, die strahlend zu ihm aufgeschlagen waren.

Wie eine Königin nahm sie seinen Arm, doch ihr Kuß stockte sekundenlang, als sie Alexandres verächtlichen Gesichtsausdruck gewahrte; unwillkürlich stampfte ihr kleiner Fuß eigensinnig den Boden.

Alle Männer konnte Mercedes beherrschen, alle unterlagen ihrer Macht und Schönheit, nur nicht Alexandre d'Ordonez! Gleich Miguel war er aus altem Adel, sonst aber gerade das Gegenteil von diesem. Gern hätte Mercedes auch ihn zu ihren Füßen gesehen, doch das wollte ihr nicht gelingen. Immer fühlte sie seine beobachtenden, spöttischen Augen auf sich gerichtet, doch niemals tat er ihr freiwillig den kleinsten Gefallen. Gern hätte sie manchmal gegen ihn intrigiert, doch sie war dazu zu schlau, sie wußte, daß Miguel ihn liebte und auf ihn schwor, und auch, wie treu und ergeben andererseits Alexandre Miguel war. Da er niemals etwas gegen sie unternahm, stellte sie mit weiblicher Klugheit ihre eigene Person und ihre eigenen Wünsche in den Hintergrund. Doch fürchtete sie Alexandres forschende, aufmerksame Augen, in denen immer ein feiner Spott lag, wenn er sie betrachtete.

Miguel schien die eben erlebte Szene schon vergessen zu haben; er sprach lebhaft auf Mercedes ein und erzählte ihr von einem Boten, der gerade angekommen und der in der kleinen Stadt Pambu als Kundschafter für die Bande eine Woche lang gesessen und sich nach Möglichkeiten dort umgesehen hatte, einen Überfall in großem Stile zu organisieren. Mercedes war ganz Ohr. Miguel erklärte, daß man einen größeren Ritt vor sich habe. Auf dem Rückwege könnte man ja alle am Wege liegenden Ortschaften und Fazendas abrasieren, meinte er lachend, um dann einige Zeit wieder hier ausruhen zu können.

Das große Plateau, auf dem sie weilten, und das der Bande als Hauptunterschlupf diente, war unübersehbar, da hervorspringende Felskanten und große, versteckt liegende Felsblöcke es unterbrachen.

Ein kahler Hang führte zu dieser zerklüfteten Höhe, die sich schließlich in eine schroff aufsteigende Felswand verlor. Es war eine gewaltige Felskuppe, zu der man über breite, eingekerbte Stufen im Zickzack hinaufgelangte.

Eifrig auf Mercedes einsprechend verschwand Miguel mit seinen Begleitern vor Alexandres Blicken, der als einziger auf der breiten, vorspringenden Felskante stehen geblieben war.

Jetzt trat er zu dem am Boden liegenden Dryer und kniete bei ihm nieder. Ein paar Bluttropfen lagen aus dessen Lippen; sonst sah er aus, als schliefe er. Ruhig drückte Alexandre dem Toten die erloschenen, grauen Augen zu. Dann erhob er sich.

»Dein Werk, schöne Mercedes!« hörte man ihn murmeln, und Haß klang aus seinen Worten.

Dann drehte er sich kurz um und folgte der Richtung, in der die voranschreitenden verschwunden waren.

Er erreichte sie gerade, als Miguel lachend zu Mercedes sagte: »Also mußt Du bald wieder mit Alexandre Ehepaar spielen und mit Deinem ›heißgeliebten Gatten‹ zu unserem Freund gehen. Für die kommenden Wochen brauchen wir notwendig ausreichenden Proviant.«

Schnell verbarg Alexandre seine aufkommende Freude bei dieser Nachricht. In Gedanken sah er ein feines, schmalgliedriges, blondes Mädchen, das sich mit leuchtenden, blauen Augen zu einem schwarzhaarigen Jungen beugte und ihn lachend und zärtlich herzte. So viel Wärme und liebende Mütterlichkeit lag in dieser Bewegung des jungen Mädchens, daß es Alexandre bei der Erinnerung an dieses Bild ganz warm ums Herz wurde. Er meinte ihre Grübchen zu sehen, ihren Schelm, der gewillt war, alle Dummheiten ihres kleinen Bruders mitzumachen, und Sehnsucht nach diesem reinen, unschuldigen, noch kindlichen Geschöpf stieg in ihm auf.

Er unterdrückte seine Gefühle und sah gleichgültig darein, sodaß niemand ahnen konnte, was in dem stets äußerlich unnahbaren Alexandre d'Ordonez vorging, während er scheinbar aufmerksam und ganz bei der Sache, Miguels Pläne für die kommenden Wochen mit anhörte.


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