Bernhard Kellermann
Der Tunnel
Bernhard Kellermann

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Fünfter Teil

1.

Edison-Bio verdiente in diesen Wochen ein Vermögen. Sie zeigte sogar die Katastrophe im Tunnel selbst (!), das Laufen ums Leben in den Stollen. Sie brachte die Versammlungen. Mac spricht. Alles.

Auch den Zeitungen fielen unschätzbare Summen in den Schoß und die Verleger blähten die Bäuche. Katastrophe, Bergungsarbeiten, Riesenmeetings, Streik – das waren Kanonenschüsse, die das nach Schrecken und Sensationen lüsterne Riesenheer der Zeitungsleser, das den Globus bevölkerte, aufschreckte. Man riß sich um die Blätter.

Die Arbeiterpresse der fünf Kontinente zeichnete Mac Allan als das blut- und schmutzbesudelte Gespenst der Zeit mit Menschenköpfen im Maul und gepanzerten Geldschränken in den Händen. Er wurde täglich von den Rotationspressen aller Länder zerfleischt. Sie brandmarkten das Tunnelsyndikat als die schamloseste Sklaverei aller Zeiten, als die unerhörteste Tyrannei des Kapitalismus.

Die entlassenen Arbeiter nahmen eine drohende Haltung an. Aber Allan hielt sie in Schach. An allen Baracken, Straßenecken und Kabelmasten erschien eine Proklamation, die folgenden Wortlaut hatte. »Tunnelmen. Das Syndikat wird sich keine Schraube nehmen lassen, ohne sie zu verteidigen. Wir erklären, daß in allen Syndikatgebäuden 254 Maschinengewehre aufgestellt sind! Wir erklären ferner, daß wir nicht spaßen!«

Woher hatte dieser Mac plötzlich Maschinengewehre? Es kam heraus, daß diese Geschütze schon seit Jahren im geheimen aufgestellt worden waren – für alle Eventualitäten! Dieser Mac war ein Bursche, dem nicht beizukommen war!

Genau achtundvierzig Stunden nach der Entlassung gab es in den Arbeiterkolonien weder Licht noch Wasser mehr. Es blieb nichts anderes übrig als zu gehen, wenn man es nicht zu einer Schlacht mit dem Syndikat kommen lassen wollte.

Aber so ohne Sang und Klang wollten die Tunnelmänner nicht abtreten! Sie wollten der Welt zeigen, daß sie da waren, sie wollten sich sehen lassen, bevor sie gingen.

Am folgenden Tag begaben sich 50 000 Tunnelmen nach New York. Sie fuhren in 50 Zügen ab und um 12 Uhr waren sie – ein Heer! – in Hoboken angekommen. Die Polizei hatte keinen Anlaß, diesen Massen den Eintritt in New York zu verbieten: jedermann, der nach New York wollte, konnte kommen. Aber die telephonischen Apparate der Polizeistationen waren ununterbrochen in Tätigkeit, um die Bewegung dieses Heeres zu überwachen.

Hudson-River-Tunnel war zwei Stunden lang nahezu für jeden Verkehr gesperrt. Die Tunnelmen durchwanderten ihn, eine endlose Schlange von Menschen, und der Tunnel donnerte von ihren Tritten und Gesängen.

Gleich nach dem Austritt aus dem Tunnel ordnete sich das Heer zur Parade und schwenkte in die Christopher Street ein. Voran schritt eine Musikkapelle, die einen barbarischen Lärm machte. Dann kamen Bannerträger mit einer Flagge, die in roten Lettern die Aufschrift trug: »Tunnelmen.« Hierauf folgten Scharen von roten Bannern 255 der Internationalen Arbeiterliga, dahinter über den Köpfen Hunderte von Flaggen aller Nationen der Welt: voran das Sternenbanner der Vereinigten Staaten, der Union Jack, dann die Flaggen Kanadas, Mexikos, Argentiniens, Brasiliens, Chiles, Uruguays, Venezuelas, Haitis, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Dänemarks, Schwedens, Norwegens, Rußlands, Spaniens, Portugals, der Türkei, Persiens, Hollands, Chinas, Japans, Australiens, Neuseelands.

Hinter dem bunten Wald von Flaggen trotteten Horden von Negern. Diese Neger hatten sich teilweise in eine Wut hineingeschauspielert und rollten die Augen und schrien sinnlos, teilweise aber waren sie gute schwarze Burschen geblieben, die ihre weißen Zähne zeigten und den »ladies«, die sich sehen ließen, nicht mißzuverstehende Liebesanträge machten. In ihrer Mitte wanderte ein Plakat mit Riesenlettern: »Hell-men!« Dann kam eine Gruppe, die einen Galgen schleppte. An dem Galgen baumelte eine Puppe: Allan!

Er war gekennzeichnet durch eine feuerrote Perücke auf dem runden Kopf, der aus einem alten Sack gemacht war, durch weiße Zähne, die mit Farbe aufgemalt waren. Ferner hatte man aus einer Pferdedecke einen weiten Mantel zusammengeschneidert, der Macs bekanntem rehfarbenen Ulster ähnlich sah.

Ein Riesenplakat wanderte vor dem gehenkten Allan her, worauf stand:

»Mac Allan, Mörder von 5000.«

Über der Flut von Köpfen, Kappen, Mützen und verbeulten steifen Hüten, die durch Christopher- und Washingtonstreet dem Broadway zutrieb, schwankte eine ganze Reihe derartiger Vogelscheuchen.

Hinter Allan baumelte Lloyd am Strick. 256

Der Kopf der Puppe war nußbraun angestrichen, Augen und Gebiß schreckenerregend aufgemalt. Das Plakat, das diesem indianischen Totem voranwandelte, lautete.

»Lloyd, Milliardendieb.«
»Frißt Menschenfleisch.«

Dann kam Hobby mit blonder Strohperücke, so jämmerlich dünn, daß er wie eine Flagge hin- und herwehte. Sein Plakat lautete.

»Hobby.«
»Dem Teufel knapp entronnen, gehenkt.«

Es folgte S. Woolf! Er trug einen roten Fez auf dem Kopf, hatte wulstige, rote Lippen und faustgroße schwarze Augen. Um seinen Hals hing eine Anzahl von Kinderpuppen an Bindfäden.

»S. Woolf mit Harem!«
»Jude und Champion der Schwindler!«

Dann kamen bekannte Finanzgrößen und die Chefingenieure der verschiedenen Stationen. Unter ihnen erregte besonders der fette Müller von Azora großes Aufsehen. Er war rund wie ein Ballon, als Kopf trug er nur einen alten steifen Hut.

»Ein fetter Bissen für die Hölle!«

Zwischen den trottenden Menschenhaufen marschierten Dutzende von Musikbanden, die alle gleichzeitig spielten und die Schlucht des Broadways mit einem Geplärr und Klirren anfüllten, als zerschellten gleichzeitig Tausende von Fensterscheiben auf dem Asphalt. Die Arbeiterhorden johlten, pfiffen, lachten, alle Mäuler waren verzerrt von der Anstrengung, Lärm zu machen. Einzelne Bataillone sangen die Internationale, andere die Marseillaise, andere sangen wirr durcheinander, was sie wollten. Den Unterton des ungeheuren Lärmes aber bildete das Trappen und Stampfen der Schritte, ein dumpfer Takt der schweren 257 Stiefel, der stundenlang das gleiche Wort wiederholte: Tunnel – Tunnel – Tunnel . . .

Der Tunnel selbst schien nach New York gekommen zu sein, um zu demonstrieren.

Eine Gruppe in der Mitte der Prozession erregte großes Aufsehen. Ihr voran wanderten Flaggen aller Nationen und ein Riesenplakat.

»Macs Krüppel.«

Die Gruppe bestand aus einer Schar von Männern, denen eine Hand oder ein Arm fehlte, oder ein Bein; Stelzfüße, und selbst solche, die sich an zwei Krücken vorwärts schwangen wie Glocken. Hinter ihnen trotteten Männer mit gelben, kranken Gesichtern. Das waren die, die an der »Beuge« litten.

Die Tunnelmänner marschierten in Reihen von zehn zu zehn und die Prozession war über fünf Kilometer lang. Ihr Schwanz schlüpfte gerade aus dem Hudson-River-Tunnel, als der Kopf Wallstreet erreichte. In vollkommener Ordnung wälzte sich das Heer der Tunnelmänner durch den Broadway, und die Straßen, die es passierte, diese von den Reifen der Autos blankgeschliffenen Straßen, waren noch am nächsten Tag getüpfelt mit den Abdrücken von Schuhnägeln. Der Verkehr war unterbunden. Endlose Züge von Trams, Wagen, Automobilen warteten auf das Ende des Zuges. Alle Fenster und Auslagen waren von Neugierigen besetzt. Jeder wollte die Tunnelmen gesehen haben, die mit ihren gelben Grubengesichtern, ausgearbeiteten Händen und gekrümmten Rücken in den schweren Stiefeln dahintrotteten. Sie brachten aus dem Tunnel eine Atmosphäre von Grauen mit. Sie alle waren ja da drinnen in den dunklen Stollen gewesen, wo der Tod ihre Gefährten niedergemacht hatte. Ein Rasseln von Ketten stieg aus ihren Reihen empor, ein Geruch von Sträflingen und Entrechteten. 258

Die Photographen visierten und knipsten, die Kinematographen drehten die Kurbel. Aus den Läden der Barbiere stürzten eingeseifte Kunden, die Serviette am Kinn, aus den Schuhläden Damen mit einem Schuh, in den Kleidermagazinen standen Kunden in Hemdärmeln und selbst solche in Unterhosen. Die Verkäuferinnen, Arbeitsmädchen und Kontoristinnen der Waren- und Geschäftshäuser lagen rot vor Aufregung und zappelnd vor Neugierde beängstigend weit über die Simse gebeugt in den Fenstern vom ersten bis zum zwanzigsten Stockwerk. Sie schrien und quiekten und schwenkten die Taschentücher. Aber die Woge von Lärm, die von der Straße heraufschlug, trug ihre hellen Schreie mit nach oben, so daß man sie nicht hören konnte.

In einem unscheinbaren Privatauto, das mitten in dem brandenden Menschenstrom unter Hunderten von andern Gefährten wartete, saßen Lloyd und Ethel. Ethel bebte vor Erregung und Neugierde. Sie schrie in einem fort: »Look at them – just look at them – look! look!« Sie pries den glücklichen Zufall, der sie mitten in die Parade hineingeraten ließ.

»Vater – sie bringen Allan! Hallo! Siehst du ihn?«

Und Lloyd, der im Hintergrund des Wagens zusammengekauert saß und durch ein Guckloch blickte, sagte gleichmütig: »Ich sehe ja, Ethel!«

Als Lloyd selbst vorbeigetragen wurde, lachte sie hell auf, außer sich vor Vergnügen.

»Das bist du, Papa!«

Sie verließ ihren Sitz am Fenster und umarmte Lloyd. »Du bist es, siehst du denn?«

»Ich sehe, Ethel.«

Ethel klopfte an das Fenster, als die »Höllenmänner« vorbeikamen. Die Nigger grinsten sie an und drückten die 259 abscheulich ziegelroten Innenflächen der Hände gegen die Scheibe. Aber sie konnten nicht stehen bleiben, denn die Hintermänner traten sie auf die Hacken.

»Öffne nur das Fenster nicht, Kind!« sagte Lloyd gleichmütig.

Aber bei »Macs Krüppeln« zog Ethel die Brauen in die Höhe.

»Vater!« sagte sie in verändertem Ton. »Siehst du sie?«

»Ich sehe sie, Kind.«

(Am nächsten Tag ließ Ethel zehntausend Dollar unter »Macs Krüppel« verteilen.)

Ihre Freude war wie weggeblasen. Eine unerklärliche Bitterkeit gegen das Leben stieg plötzlich in ihrem Herzen empor.

Sie öffnete die Klappe zum Chauffeur und herrschte ihn an: »Go on!!«

»Ich kann nicht!« antwortete der Chauffeur.

Aber Ethel fand ihre gute Laune bald zurück.

Über ein Bataillon von Japanern, die mit hastigen Schritten wie gelbe Affen dahertrippelten, mußte sie schon wieder lächeln.

»Vater, siehst du die japs?«

»Ich sehe, Ethel,« antwortete Lloyd stereotyp.

Lloyd wußte genau, daß sie in unmittelbarer Lebensgefahr schwebten, aber er verriet sich mit keinem Wort. Er befürchtete nicht, totgeschlagen zu werden, nein, aber er wußte, daß, sobald eine Stimme rufen sollte: »Das ist Lloyds Wagen!« folgendes eintreten mußte. die Neugierigen würden seinen Wagen umdrängen und zerdrücken. Man würde sie (ganz ohne Arg!) herausholen und sie würden totgedrückt werden. Im besten Fall hatten Ethel und er das Vergnügen, auf zwei Paar Negerschultern die Prozession 260 durch New York mitzumachen – und das war keineswegs nach seinem Geschmack.

Er bewunderte Ethel, die er stets bewunderte. Sie dachte gar nicht an Gefahr! Sie war in dieser Beziehung wie ihre Mutter.

Er erinnerte sich an eine kleine Szene, die sich in Australien zutrug, damals, als sie noch kleine Leute waren. Eine wütende Dogge stürzte sich auf Ethels Mutter. Was aber tat sie? Sie bot der Dogge Ohrfeigen an und sagte höchst indigniert: »You go on, you!« Und der Hund wich aus irgend einem Grunde tatsächlich zurück. Daran dachte er, und seine Haut legte sich in Falten, weil er lächeln mußte.

Plötzlich aber surrte der Motor und der Wagen setzte sich in Bewegung.

Lloyd streckte seinen ausgetrockneten Mumienkopf vor und lachte, wobei seine Zunge stoßweise durch die Zähne fuhr. Er klärte Ethel über die Gefahr auf, in der sie eben (eine Stunde lang) geschwebt hatten.

»Ich habe keine Furcht,« erklärte Ethel, und lachend fügte sie hinzu: »Wie sollte ich überhaupt vor Menschen Furcht haben?«

»So ist es gut, Kind. Ein Mensch, der Furcht hat, lebt nur halb.«

Ethel war sechsundzwanzig Jahre alt, vollkommen selbständig, die Tyrannin ihres Vaters, aber Lloyd behandelte sie immer noch als kleines Mädchen. Und sie ließ ihn gewähren, denn am Ende tat er doch, was sie wollte.

Als der rote Flaggenwald das Syndikatgebäude erreichte, fanden die Tunnelmänner die schwere Türe des Gebäudes geschlossen und die beiden ersten Stockwerke mit eisernen Läden versehen. Kein einziges Gesicht zeigte sich an den vierhundert Frontfenstern. Auf der Granittreppe, vor der schweren Eichentüre, stand ein einziger Schutzmann. Ein 261 riesiger fetter Irländer in grauer Tuchuniform, das Lederband des grauen Tuchhelmes unter dem rosigen Doppelkinn. Er hatte ein vollmondrundes Gesicht mit rötlich goldenen Bartstoppeln, betrachtete mit blauen lustigen Augen das heranflutende Arbeiterheer und hob beschwichtigend und gutmütig lächelnd die Hand empor – eine riesige Hand in einem weißen Wollhandschuh, einer Schaufel voll Schnee ähnlich – und wiederholte mit einem fetten rasselnden Lachen immerfort: »Keep your shirt on, boys! Keep your shirt on, boys!«

Wie zufällig rasselten in langsamem Tempo drei blanke Dampfspritzen (mit dem Zeichen »heimkehrend«) durch Pine Street, und da sie sich aufgehalten sahen, stoppten sie ab und warteten geduldig, während dünner weißer Rauch aus ihren blitzenden Messingkaminen in die klare Luft emporstieg und die Hitze über ihren Stahlleibern zitterte.

Es darf allerdings nicht verschwiegen werden, daß der gutmütig lächelnde Irländer mit den großen weißen Händen, der nicht die kleinste Waffe trug, nicht einmal einen Knüttel, eine Pfeife in der Tasche hatte. Sollte er gezwungen sein, diese Pfeife trillern zu lassen, so würden innerhalb einer Minute diese drei blanken, unschuldig und höflich wartenden Dampfspritzen, die sich vor verhaltener Kraft leise auf den Federn wiegten, 9000 Liter Wasser in der Minute in die Menge abschießen; ferner würde sich jene vier Meter breite Rolle, die an den Fenstersimsen des ersten Stockwerkes hing und die niemand beachtete, aufrollen und in großen Lettern in die Straße hinausschreien: »Achtung! Zweihundert Konstabler im Innern des Buildings. Achtung!«

Der riesige rosige Irländer hatte aber keinen Grund, nach der Pfeife zu greifen.

Zunächst brandete ein ungeheures Geschrei an den 262 vierhundert Fenstern des Syndikatbuildings empor, ein wetternder Lärm, in dem der wahnsinnige Radau der Musik glatt versank. Darauf wurde Mac gehenkt! Er wurde unter tobendem Lärm einige Male am Galgen auf- und abgezogen. Dabei riß der Strick und Mac stürzte mit einer hilflosen Gebärde über die Köpfe. Der Strick wurde wieder gebunden und die Exekution unter gellenden Pfiffen wiederholt. Dann hielt ein Mann, auf zwei Schultern stehend, eine kurze Ansprache. Keines seiner Worte, auch nicht ein Laut seiner Stimme war in der Brandung von Lärm zu vernehmen. Der Mann aber sprach mit dem verzerrten Gesicht, mit den Armen, die er in die Luft warf, mit den Händen, in deren verkrampften Fingern er die Worte knetete und sie über die Menge schleuderte. Er schüttelte, Schaum auf den Lippen, beide Fäuste gegen das Syndikatbuilding und damit war seine Rede zu Ende und jedermann hatte sie verstanden. Ein Orkan von Geschrei fegte empor. Man vernahm diesen Aufschrei bis zur Battery.

Es wäre am Ende doch möglich gewesen, daß die Dampfspritzen in Tätigkeit hätten treten müssen, denn die Erregung vor dem Building steigerte sich zu wildem Fanatismus. Aber es lag in der Natur der ganzen Demonstration, daß es nicht bis zu einem Ausbruch kommen konnte, der den fetten Irländer plattgedrückt und die drei blanken Dampfspritzen hinweggefegt hätte. Denn während zweitausend vor dem Gebäude demonstrierten, drängten achtundvierzigtausend nach – mit einer automatischen, gleichmäßigen Energie. So mußte es kommen, daß stets die Zweitausend, die sich angesichts des toten Gebäudes erhitzt hatten, nachdem der höchste Punkt der Kompression erreicht war, wie ein Bolzen in einem Luftdruckgewehr durch Wallstreet hinausgepreßt wurden. 263

Über zwei Stunden war das Syndikatbuilding von höllischem Lärm umbrandet, so daß die Clerks und Stenotypistinnen es mit der Angst bekamen.

Der Lärm zog durch die Pearlstreet, Bowery hinauf zur 3. und von da zur 5. Avenue, wo die geschmacklosen Paläste der Millionäre stehen. Die Paläste lagen still, ohne Leben. Es war der dampfende, laute Schweiß, der sich an den verschanzten und stillen Millionen vorbeiwälzte. Vor Lloyds gelbem, etwas verwittertem Renaissance-Palast, den ein Gartenstreifen von der Straße trennte, staute sich der Zug wieder, da Lloyd »gehenkt« wurde. Lloyds Haus lag tot wie die andern. Nur im Eckfenster des ersten Stockes stand eine Frau und sah heraus. Das war Ethel. Aber da kein Mensch glaubte, daß jemand den Mut haben könnte, sich zu zeigen, so hielt man Ethel allgemein für ein Dienstmädchen.

Die Prozession bewegte sich am Zentralpark vorbei nach Columbus-Square. Von da zurück zum Madison-Square. Hier wurden die Puppen angezündet und unter fanatischem Geschrei verbrannt.

Das war das Ende der Demonstration. Die Tunnelmen zerstreuten sich. Sie verloren sich in den Saloons am East-River, und nach einer Stunde hatte das große New York sie aufgesaugt.

Es war die Losung ausgegeben worden, sich um zehn Uhr vor der Tunnelstation Hoboken wieder einzufinden.

Hier aber stießen die Tunnelmänner auf eine große Überraschung: die Station war verschanzt hinter breiten Konstablerbrüsten. Da sie aber erst nach und nach zusammenströmten, ihr Unternehmungsgeist durch das lange Wandern, durch Schreien und Alkohol gebrochen war, so hatten sie keine Stoßkraft mehr. Plakate verkündeten, daß unverheiratete Arbeiter nichts mehr in Mac City 264 zu suchen hätten. Nur die verheirateten würden zurückbefördert werden.

Eine Schar von Agenten übte genaue Kontrolle, und in Abständen von einer halben Stunde rollten Züge nach Mac City zurück. Früh um sechs Uhr wurden die letzten abgefertigt.

 


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