Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebentes Kapitel.
Die Contremine.

Die Person, die außer Herrn Torhanyi von den zur Eröffnung, resp. Einweihung des neuen Schlosses zu Rosenhain Eingeladenen erschien, war kein Anderer, als Herr Baron Ludveghy.

Wir haben keinerlei Ursache, unsere Verwunderung darüber auszusprechen, daß man zu Rosenhain von einem Schlosse spricht, denn das mag in der That etwas Unerhörtes sein. Noch dazu ist hier von keiner Lehmresidenz die Rede, die ein Bauersmann höchstselbst Schloß zu betiteln pflegt, sondern von einem wirklichen, stockhohen Schlosse mit eisernem Gitter und Balkonen, welches zweiundvierzig Gastzimmer enthält und in der Mitte einen Thurm mit einer Glocke trägt.

Die ganze Welt zerbricht sich den Kopf darüber, was Herrn Borcz bei seinen vorgerückten Jahren eingefallen sein mag. Er und ein Palast! Kostspielige Feste! Er, der das Gebäude blos als dazu vorhanden betrachtete, daß Menschen und Thiere vor Nässe geschützt seien; der in all und jedem derart das Gewöhnliche liebte und das Aermlichste aussuchte, daß er in Pest niemals einen anständigeren Gasthof bezog, sondern die »blaue Ziege« oder ähnliche vornehme Schenken aufsuchte und selbst da mit dem Wirthe zu zanken begann, wenn ihm dieser das beste (!) Zimmer anwies, denn ein solches gehöre für keinen Schafzüchter, der selbst unter freiem Himmel schlafen müßte.

Und nun urplötzlich ein Palast!

Herr Borcz aber hat für seine alten Tage seinen Verstand nicht verloren; er weiß sehr gut, was er thut!

Das hatte er bereits wahrgenommen, daß sein Sohn Amalie Torhanyi nicht heirathen wolle, weil er in Gräfin Serena vernarrt ist. – Wenn er also schon vernarrt ist, so soll er wenigstens in gescheidter Weise vernarrt sein, so möge er sie nämlich heirathen. So sollte er denn den Schaden, welchen er angerichtet, wenn er Amalie im Stiche läßt, damit gut machen, daß er die Gräfin heirathet. Um aber die Gräfin erreichen zu können, muß auch er zeigen, daß er ein Herr ist.

Eines Tages ersuchte Herr Borcz den Baron Ludveghy um die Kleinigkeit, ihm, aber schriftlich, zu gestatten, auf dem gepachteten Gute einige nothwendige Baulichkeiten aufzuführen. Baron Ludveghy war, wie wir bereits wissen, wohl mit allen Salben (buchstäblich!) geschmiert, in eine solche Schmiere aber war er noch nicht gerathen, wie ihm Baron Borcz zurechtmachte. Der Unglückliche gab es schriftlich, daß Herr Baron Borcz von Rosenhain in Rosenhain nach Gutdünken bauen und graben dürfe. Binnen eines halben Jahres erhoben sich in gehöriger Entfernung von dem alten schmutzigen Hofe ein großes Kastell, daneben Wirthschaftsgebäude und Ställe: es wurde eine Menge gebaut, die Ziegelbrenner hatten Tag und Nacht zu thun und es fand sich kein wohlgesinnter Mann, der dem Baron einen gut gemeinten Wink gegeben hätte: »Herr! es wird Hals über Kopf auf Deinem Pachtgute gebaut; bis der Pachttermin abläuft, werden auf demselben so viele Baulichkeiten vorhanden sein, daß Du deren Preis niemals wirst bezahlen können!« Und Ludveghy selbst besaß nicht den Verstand, sich dies zu sagen.

Es war demnach sehr hübsch eingefädelt, auf welche Weise Herr Borcz allmälig aus dem Pächter von Rosenhain dessen Eigentümer werden sollte. Dann – wird sich Adorjan an die Gräfin heranmachen können.

Dies war indessen noch ein tiefes Geheimniß, von welchem außer den dabei Interessirten Niemand Kenntniß besaß und auch diese sprachen niemals zu einander darüber.

Herr Torhanyi nannte den Schafzüchter noch immer seinen lieben Verwandten, wenn sie zusammen kamen, und dabei hatte er die Hände stets in seinen Taschen stecken, wie wenn er in denselben bereits die hundertfünfzigtausend Gulden hätte, die er als Lösegeld für seinen verlobten Sohn zahlen wird.

Sonderbar! Lösegeld für einen Bräutigam.

Herr Borcz benahm sich auch seinerseits unbeirrt in der Weise, wie wenn er Fräulein Amalie Torhanyi für seine zukünftige Schwiegertochter ansähe und in gar vielen Dingen erbat sich der ehrliche Schafzüchter ihren Rath und ihre Ansicht, ob dem lieben Fräulein Wohnung und Möbel zu Geschmacke sei, ob sie das Silber dem Porzellan vorziehe, ob sie Seide oder Sammet mehr liebe, ob Malerei oder Tapeten schöner seien? Und hierüber wurde angelegentlichst korrespondirt, wie wenn Alles in schönster Ordnung wäre. Und dabei wußten beide Parteien, daß daraus gar nichts mehr werde.

Als Torhanyi aus S...i an Borcz schrieb, daß er es sehr gerne sähe, wenn Jener das ganze Badepublikum ihm und – Amalie zu Liebe für übermorgen zu einer Sommerunterhaltung zu sich einladen würde, fand es Herr Borcz, der sich noch niemals einem Gaste zu Liebe angestrengt hatte, für so natürlich, diesem Wunsche unverzüglich zu entsprechen, daß er statt einer Antwort am nächsten Tage bereits die Einladungskarten in bianco an Torhanyi einsandte, die der Bankier sodann nach eigenem Ermessen mit den Adressen versah.

Wir sehen also, daß zwischen den beiden wackeren Männern das schönste Einverständniß herrschte.

Wen der Schafzüchter indessen persönlich zu sich geladen hatte, war der Herr Baron Ludveghy, der in der Nähe von S...i wohnte und den Ort auch häufig besuchte, wobei er es dann gern scheinen lassen wollte, wie wenn er die gräfliche Familie, die ihn gar nicht beachtete, durch seine Anwesenheit ärgern würde.

Am Tage der Festlichkeit erschien also außer Herrn Torhanyi und dessen Tochter Niemand als der Baron in Rosenhain, dafür hatte sich aber Adorjan entfernt. Der Bräutigam war der Braut ausgewichen.

Derlei Fälle pflegt man im Leben Fatalitäten zu nennen. Wozu hat aber ein gescheidter Mensch seinen Verstand, wenn nicht, um auch den Unstern zu seinen Gunsten zu drehen?

Torhanyi zeigte es nur zu deutlich, wie sehr es ihn ärgere, daß Adorjan gerade heute nicht daheim ist, während er eigentlich das folgende Selbstgespräch hielt: »meine 150,000 Gulden rücken heran, schön langsam rücken sie heran, wie eine Heerde durstiger Schafe zur Tränke; möge der junge Herr immerhin Dummheiten treiben.«

Herr Borcz ärgerte sich noch mehr darüber, daß so viele vornehme Gäste seine elegante Einladung unbeachtet gelassen, indessen war ja der »Eigentliche« doch gekommen, daß aber auch er sich etwas Angenehmes dachte, bewies sein beim Diner entfalteter Appetit zur Genüge. Wenn er mit seinem Loose nicht zufrieden gewesen wäre, hätte er sicherlich nicht so viel von der Pastete gegessen, die ihm ein neu engagirter Koch für theures Geld bereitet hatte.

Herr Borcz war an diesem Tage außerordentlich splendid. Er bewies, daß er um jeden Preis ein Fest begehen wolle, noch dazu ein großes, glänzendes Fest. Wenn schon all die hochwohlgeborenen und vornehmen Herren aus S...i nicht gekommen waren, so werden doch die edlen und wohlgeborenen Herren aus der Umgegend, Amtsleute, kleine Grundbesitzer und Honoratioren – lauter wackere, sich nicht viel um die Etiquette scherende Männer zugegen sein. Die werden der Einladung Folge leisten, selbst wenn sie dieselbe erst am Tage der Unterhaltung erhalten sollten. Diese ließ er nun eiligst zusammentrommeln.

Besonderes Augenmerk richtete er bei diesen Einladungen auf einen Umstand. Familien, in welchen Töchter oder Gattinnen eine einigermaßen annehmbare Physiognomie aufwiesen, erhielten keine Einladung; die Ausgezeichneten waren lauter ehrwürdige, bejahrte Matronen, oder solche bescheidene Jungfrauen, die die Farben ihrer Toiletten niemals passend zu ihren Gesichtern wählten. Was er hiermit bezweckte? das wußte er sicherlich sehr gut.

Er täuschte sich denn auch nicht in seiner Menschenkenntniß. Um die vierte Mittagsstunde, für welche das Diner festgesetzt war, waren alle eingeladenen Herren Kompossessoren mit ihren Damen in dem neuen Schlosse versammelt. Da waren denn Musterexemplare aller Moden der seit Napoleon dahingegangenen Jahre in schönster Kollektion, sehr viele ehrliche, aber ein wenig faltige und sonnengebräunte Gesichter, gute muskulöse Hände zu sehen, die keiner Handschuhe benöthigten, da dieselben bis zum Gelenk ohnehin eine andere Farbe hatten, als über demselben; dann sah man sehr viele ehrwürdige Hauben, vorne und nach rückwärts gebunden und Frisuren, an denen sehr wenig zu verbessern oder zu verschlechtern war.

In dieser Gesellschaft auserlesener Schönheiten leuchtete die schöne Amalie in der That gleich einer Sonne. Sie war thatsächlich eine Sonne, Herr Borcz hatte für Wolken gesorgt. Er mußte blind sein, der diese wunderbare Schönheit nicht wahrnahm, der von diesen Reizen nicht entzückt war, der ihrem Lächeln zu widerstehen vermochte ...

Einen solchen blinden Menschen gab es in der That auf der Welt; dies war Herr Adorjan, zum nicht geringen Schaden seines Vaters; aber wie ...

... Aber wie, wenn Herr Baron Ludveghy glücklicher sein wird, als er gewesen?

Ach! dieser von Schmutz starrende Schafzüchter ist kein so einfältiger Mensch als er gerne erscheinen möchte!

Der alte Borcz war heute von einer unendlichen Liebenswürdigkeit. Wie wenn er es zu seiner Aufgabe gemacht hätte, seine Gäste zu amüsiren, so scherzte und lachte er mit denselben. Er selbst eröffnete den Tanz nach der prächtigen Mahlzeit, und obgleich er kein so berühmter Tänzer war, wie sein Herr Sohn, so ging es doch an mit ihm; bis Mitternacht ließ er seinen Gästen keine Ruhe, sie mußten sich amüsiren, noch dazu gut amüsiren und wenn sie müde wurden, ließ er Punsch, Eis und Barbaras herumreichen und die vielen ehrlichen Leute tranken ohne Unterschied alles Dargebotene.

Es war demnach nicht zu verwundern, daß der Baron ein- zweimal mit Amalie tanzte, so wenig es besonders auffallend war, wenn er auch nach Beendigung des Tanzes mit ihr plauderte. Niemand in der Gesellschaft war so auffallend schön wie sie; sie glich einer Kamelie inmitten von Feldblumen. Es kann auch sein, daß sie als eine in der großen Welt einheimische Dame viel eher geeignet war, ein Gespräch mit dem Baron zu führen, als die bescheidenen Fräuleins der edlen Herren. Es fand aber auch Niemand etwas Auffallendes darin und Herr Torhanyi kümmerte sich nicht im Entferntesten darum. Er hatte sein Geschäft bereits mit seiner Tochter erzielt und darum hat er sich ganz und gar nicht zu kümmern, wie sie sich weiterhin benimmt, denn das war im Kontrakt nicht stipulirt worden.

Während einer Tanzpause ersah Herr Borcz die Gelegenheit, sich an den Baron heranzumachen. Er lächelte, hüstelte, machte schelmische Aeuglein.

»Ei, ei, ei, Herr Baron. Mir gefällt die Sache nicht, mir gefällt sie nicht.«

Betroffen fragte der Baron, was dem guten Herrn nicht gefalle?

»Na, na, Herr Baron, ich sehe schon, was ich sehe. Meine Augen sehen gut. Aber auch die Augen des Herrn Baron sind gar zu schlau.«

Der Baron suchte in seiner Verwirrung nach seinem Augenglase, wie wenn er sich durch dasselbe über seine Augen orientiren wollte.

»Ich sehe ja, wohin Sie schielen, ich sehe diese Blicke. Ei, ei, Herr Baron, dieses Mädchen ist bereits Braut; dieses Mädchen ist die Braut meines Sohnes. Da dürfen Sie keinen Scherz treiben.«

Ludveghy wollte schwören, daß er so wenig daran gedacht habe, wie er jetzt daran denkt; – Borcz ließ ihn aber nicht zu Worte kommen.

»Nun, nun, ich rechte ja nicht mit Ihnen; – soviel ist schon sicher, daß das Mädchen ein sehr schönes, ein kapitales Mädchen ist, das Jedem auffallen muß, doch bedenken Sie gütigst, daß es bereits Braut ist, Adorjans Braut, daß nach einigen Wochen die Hochzeit gefeiert wird. Hofiren Sie ihr also nicht auf Tod und Leben.«

Damit ließ er lächelnd und blinzelnd den Baron stehen, vor dem jetzt Amalie doppelt interessant zu werden begann. Braut; Adorjans Verlobte, nach einigen Wochen die Vermählung – das verlohnt sich der Mühe.

Jetzt sprach der Baron bereits in flüsterndem Tone mit Amalie und blickte ihr beim nächsten Tanz tiefer in die Augen und in dem Verhältnisse, wie er wärmere Blicke auf sie richtete, wurde sie lebhafter. Das geschieht stets in dieser Weise auf der Welt.

Herr Borcz that, wie wenn er sie gar nicht beachtete und rieb sich vor Freude die Hände, als er sie derart mit einander flüstern sah.

Der Tanzsaal war mit Jasmin- und Rhododendronsträuchern geziert, die der Schafzüchter für theures Geld aus der Hauptstadt hatte kommen lassen; vor einem dieser Sträucher stand ein Armstuhl, auf welchem Amalie zu sitzen pflegte, wenn sie vom Tanze ausruhte, daneben stand ein runder Stuhl ohne Lehne, auf welchem der Baron seinen Hut niederstellte, wenn er mit Amalie tanzte.

Herr Borcz gewahrte, daß Amalie einen Handschuh auf ihrem Stuhle vergessen hatte und als die Verwickelungen des Cotillons Aller Aufmerksamkeit gefesselt hielten, schlich er leise heran, nahm den Handschuh und warf ihn in den Hut des Barons.

Sodann wartete er, bis Jemand Amalie dem Baron entführte und dieser allein blieb, worauf er sich zu diesem heranstahl.

»Hm, hm, Herr Baron; Ihre Tänzerin hat wirklich eine schöne weiße Hand.«

»Das kann ich nicht leugnen, Herr Borcz.«

»Sicherlich legte sie den einen Handschuh blos ab, damit man ihre schöne Hand bewundern könne.«

»Sie scheinen sehr strenge auf die Etiquette zu achten, wenn Sie sogar wahrnehmen, daß eine Dame blos mit einem Handschuh tanzt.«

»Besonders wenn ich weiß, wo dieser eine Handschuh hingerathen!«

»Wo ist also der Handschuh?«

»Wenn ich nicht irre, sah ich solch' einen lichten, rosafarbenen Handschuh in Ihrem Hute.«

Verwirrt antwortete Ludveghy:

»Wie? Ich habe ihn nicht dorthin gegeben.«

»Ah! Sie wollen damit sagen, Herr Baron, daß ihn das Fräulein selbst dahin geworfen?« erwiderte Herr Borcz ärgerlich lachend. »Hahaha! das wäre nicht übel! vielleicht sah das Fräulein Ihren Hut für den seinigen an?«

Es war Damenwahl, man holte den Baron von Herrn Borcz ab, dafür kehrte Amalie zurück.

Herr Borcz begann mit väterlichem Ernste mit ihr zu sprechen:

»Haben Sie nichts verloren, Malchen?«

»Ich? nein,« antwortete die Dame sauer.

»Ich dachte Ihren Handschuh.«

»Ach nein; dort liegt er auf meinem Stuhle, wo ich zu sitzen pflege.«

»Ja so! das ist etwas Anderes. Ich meinte – vorhin sah ich, daß der Baron einen rosafarbenen Handschuh von der Erde aufhob, küßte und ihn sodann in seinen Hut legte. Es ist ja gut, wenn es nicht der Ihrige gewesen. Gestatten Sie mir also, diese schöne Hand zu küssen.«

Amalie reichte ihm die Hand, an welcher der Handschuh fehlte, die andere verbarg sie sorgfältig in den Falten ihres Kleides; sie war blaß wie der Tod und wurde bald wieder roth, gleich einem auf frischer That ertappten Kinde. Und sie hatte ja noch nichts gesündigt.

Herr Borcz entfernte sich lächelnd und kehrte bis ein Uhr Morgens nicht in den Tanzsaal zurück. Man konnte ihn mit Torhanyi Karten spielen sehen, was ganz gegen seine Gewohnheit war, wobei er große Summen verlor, wie wenn es Spreu gewesen wäre.

Der Baron und Amalie kamen aber jetzt nur furchtsam zusammen und wechselten mit beklemmter Brust einige Worte; Ludveghy hatte Amaliens Handschuh thatsächlich in seinem Busen versteckt und das Mädchen wagte denselben nicht zu suchen. Und dann begannen sie einander zu meiden und sich nur von ferne anzublicken: – dies war bereits ein schlechtes Zeichen.

Um zwei Uhr nach Mitternacht kam Amalie aus dem Tanzsaal und sagte ihrem Vater, daß sie Kopfschmerzen habe und sich zur Ruhe begeben wollte.

Herr Borcz sprang selbst von seinem Platze auf, gab seine Karten einem Danebenstehenden, damit derselbe weiter spiele und eine Kerze ergreifend, wünschte er das Fräulein selbst bis zu dem Zimmer zu führen, wo weibliche Bedienung ihrer harre.

Sie mußten durch drei oder vier prächtig tapezierte und luxuriös möblirte Zimmer schreiten. Herr Borcz fragte süßlichen Tones, wie Amalie dieses Kastell gefalle?

Diese antwortete zerstreut, daß das alles sehr schön sei.

»Nur Schade, recht Schade,« meinte Herr Borcz; »daß das nur kurze Zeit uns gehören wird.«

Amalie blickte ihn mit den großen träumerischen Augen an und fragte, weshalb?

Herr Borcz antwortete mit sehr aufrichtiger Betonung:

»Weil mein Pachtvertrag nach kurzer Zeit ablaufen wird, worauf ich das Gut mit allen sich auf demselben befindlichen Baulichkeiten dem Baron zurückgeben muß.«

»Gehört denn das Gut dem Baron?« fragte Amalie staunend. (Ihr Vater hatte ihr immer gesagt, daß Herr Borcz das Gut dem Baron schon in dem Maße unter den Händen wegchangirt hätte, daß jenem kein Strauch mehr gehöre, wie es sich auch in Wahrheit verhielt.)

»Gewiß gehört es ihm; selbstverständlich gehört es dem Baron. Wir sind blos die Pächter davon; ich bin der alte Schafzüchter, Adorjan ist der junge Schafzüchter, der gnädige Herr Baron der Grundherr. Das ist ja ganz natürlich. Der gnädige Herr Baron besitzt sehr viele Güter, er weiß es selbst nicht, wieviel. Rosenhain mag er seit zehn Jahren nicht gesehen haben.«

Das Stubenmädchen nahm Herrn Borcz die Kerze ab, der Schafzüchter wünschte seiner zukünftigen Schwiegertochter eine gute Nacht und entließ sie in ihr Schlafgemach.

Er selbst aber eilte zu dem Baron zurück.

Ludveghys Gesicht verrieth einige Verlegenheit, als Herr Borcz mit ernstem Gesicht seinen Arm ergriff und ihm sagte, er wünsche mit ihm einige ernste Worte zu sprechen.

»Verzeihen Sie, Herr Baron,« sprach der Schafzüchter, als er Ludveghy abseits von den Gästen in eine Ecke gezogen hatte; »daß ich so frei bin, Sie jeden Moment mit meinen Ansichten zu belästigen. Nicht etwa, wie wenn das so oder so wäre, sondern weil die Sache für mich denn doch nicht ganz so gleichgiltig ist. Denn es könnte etwas dazwischen kommen, wozu ich wohl nicht sage: Gott behüte uns davor, was für uns indessen dennoch eine äußerst unangenehme Sache wäre. Amalie wäre eine sehr gute Partie für meinen Adorjan, bedenken Sie doch, ihr Vater hat zwei Millionen, was keine Kleinigkeit für so arme Leute ist, wie wir sind. Der alte Torhanyi kann jeden Moment fünf- bis sechshundert Gulden aus seiner Tasche nehmen. Dies ist eine große Rubrik. Ich spreche Ihnen gegenüber, Herr Baron, nur aus dem Grunde so aufrichtig über die Sache, damit diese Verbindung nicht auf irgend eine Weise zerstört werde, was uns zu großem Schaden gereichen würde. Und ich hoffe, daß Sie Herr Baron in Anerkennung unserer vieljährigen Treue uns nicht zu schaden wünschen. Im Grunde genommen hätte ich nicht einmal etwas zu befürchten, denn die jungen Leute lieben einander, sind vernarrt in einander, Adorjan ist ein wackerer Junge und ich glaube nicht, daß man ihn Amalie so rasch vergessen machen könnte. Indessen habe ich ja nur so gesprochen. Ich bitte tausendmal um Verzeihung für meine grenzenlose Freiheit.«

Dies war der letzte Schlag vor Ludveghy's Kopf, damit er vollständig betäubt dahinfalle, wohin es Herr Borcz haben will. Torhanyis zwei Millionen bedeuten sehr viel. Soviel wäre ungefähr nöthig, damit sich Ludveghy ein wenig rangiren könne. Daß dem Schafzüchter hierbei ein Schaden widerfahre, verursachte ihm keine sonderlichen Gewissensbisse, zumal er von jener langjährigen Treue so manches zu erzählen wußte. Und endlich brauchte er blos zu hören, daß nicht viel zu fürchten sei, da Adorjan ein wackerer Junge ist! Dies allein genügte, um die Sache zu entscheiden, indessen gab es auch noch andere Gründe.

Herr Borcz setzte sich mit Torhanyi abermals an den Kartentisch. Sie spielten bis an den hellen Morgen, der Bankier hatte dem Schafzüchter eine bedeutende Summe abgenommen und bemühte sich dabei, sich wie einer zu geberden, dem dieser Gewinn völlig gleichgiltig ist.

Herr Borcz aber kümmerte sich noch weniger um den Verlust, denn in seinem Spiele hatte er den ersten Robber gewonnen: in dieser Nacht konnte weder Amalie, noch der Baron ein Auge schließen – sie dachten an einander! ...

Als der Morgen herankam, war Adorjan noch immer nicht heimgekehrt; die Gäste zischelten und flüsterten, kolportirten allerlei Märchen unter einander; man könne sich denken, in welcher Verwirrung sich jetzt der alte Borcz befinden mag und der Vater der Braut, am meisten aber die schöne Braut selbst, gegen die der Bräutigam eine derartige Unaufmerksamkeit bekunde, und dabei thun alle drei, wie wenn sie dieses Ausbleiben nicht im entferntesten interessirte.

Nach dem Frühstückskaffee hatten sich der alte Schafzüchter und der Makler in ein abgelegenes Zimmer zurückgezogen, wo sie über die Zukunft berathschlagten. Herr Borcz ist heute sehr gesprächig und voll Gemüthlichkeit und Freundlichkeit gegen seinen zukünftigen Verwandten, er übersieht dessen hochmüthiges Gebahren, rügt nicht, daß Herr Torhanyi seine Stiefel auf das Sammetsopha stemmt (sonst hätte er ihn mit denselben selbst von seinem Eichenbette gejagt), rügt es nicht, daß er ihm seine Porzellanschalen damit verdirbt, daß er Rum in denselben anzündet und läßt es ungerügt, daß er geringschätzend den gekochten Thee versucht, denselben mit einer Menge kostbaren Rum, Zucker und Sahne zurechtmacht und ihn sodann stehen läßt – Herr Borcz kümmert sich rein um gar nichts. Sie handeln über die Mitgift. Und das mit einem Ernste, wie wenn sie ihre Kinder wirklich mit einander verheirathen wollten. Es ist nicht Nachgiebigkeit, es ist der verkörperte Leichtsinn, wie sie sich gegenseitig diese bedeutungsvollen Positionen abgewinnen lassen. Jeder von ihnen bemüht sich, mehr zu bieten, als der andere. Was für Pferde, was für Wagen sie ihren Kindern geben werden, für wieviel Personen Silber und Tafelgedeck; wieviel jährliche Revenuen; wohin sie nach der Hochzeit ihre Kinder schicken werden, ob nach Paris oder Ostende; wen sie als Brautjungfer erwählen werden – all' dies und mehr noch wird ausführlich besprochen. Der Börsenmatador hält es für einen wichtigen Gegenstand, daß der Brautführer seiner Tochter der berühmte X. Inhaber des ersten Bankhauses nach dem Baron Sina in Wien sein werde; Herr Borcz prahlt seinerseits wieder, daß der Brautführer seines Sohnes der Herr Baron selbst sein wird, wie es eben eines Edelmannes würdig ist. Hierüber gerathen sie ein wenig in Streit mit einander, versöhnen sich sodann wieder und schließen damit, daß sie sich gegenseitig ihre Brautführer zu lobpreisen beginnen und an denselben jedwede bewunderungswürdige Eigenschaft entdecken und gebührend bewundern. Endlich setzen sie den Trauungstag fest, wobei sie sich gegenseitig den Kalender aus den Händen reißen. Der eine hat gegen den Montag als einen Unglückstag eine Einwendung zu erheben, dem anderen gefällt der Samstag nicht, da man da mit den Arbeitern abrechnen müsse, der Sonntag ist zu gewöhnlich, da heirathen blos nur Handwerker; endlich, endlich einigen sie sich in einen Donnerstag, der vom Ultimo und der Wollschur gleichweit entfernt ist, und welche beide Herren ungemein in Anspruch nehmen. Diesen Tag bezeichnen sie mit rother Dinte und Herr Torhanyi notirt sich das Datum in seinem Notizbuche.

Darüber wird wohlweislich geschwiegen, was dann geschieht, wenn aus alledem nichts werden sollte? Denn das wissen sie bereits im Voraus.

Für diesen Fall ist bereits alles voraus gesehen. Die beiden Herren lächeln so holdselig, als sie nach glücklicher Beendigung des Handels einander die Hände drücken – wer wird wohl von den Beiden zuletzt lachen? ...

*

Unterdessen lustwandelten Amalie und der Baron im Schloßparke.

O Ihr Träumer, Ihr empfindsamen Seelen, die Ihr gerne erfahren wollt, in welchem Tone die keimende Liebe spricht, kommt mit mir, verbergen wir uns hinter diesen alten Platanen hierher unter diesem dichten Jasmingebüsch und belauschen wir sie, was sie da so allein, so leise mit einander sprechen, da sie keinen unberufenen Lauscher fürchten, da die Alten oben insgeheim über Geschäfte und Zahlen unterhandeln.

»Dieser Park ist sehr alt,« sprach der Baron zu Amalien, die er auf den geschlängelten Wegen auf- und niederbegleitete. »Diesen hat nicht der Schafzüchter gepflanzt,« (glaubte er vielleicht, Amalie könne meinen, daß der Schafzüchter innerhalb eines Jahres Wälder aus der Erde hervorzaubern kann?) »Der ließ bloß Wege in denselben anlegen, denn ich erlaubte es ihm, aber auch hierin überlistete er mich, denn er führte die Wege gerade in die Richtung, wo die Bäume am dichtesten standen und unter dem Vorwande, Wege zu bahnen, machte er meinen Park mit mehreren hundert Klafter Holz ärmer.«

»O, in Klein-Eden haben wir einen ganz anderen Park,« unterbrach ihn Amalie. »Papa kaufte eine ganze Insel in der Mitte der Donau, ließ dieselbe mit einem Damm umgeben und der Länge nach mit Palmen bepflanzen.«

»Mit wirklichen Palmen?« fragte der Baron. »Ach, das ist grandiös!«

»O ja, denn dort giebt es deren sehr viele.«

(In den Gegenden von Raab und Komorn werden die italienischen Tannen nämlich Palmen genannt.)

»Dann giebt es dort auch gar keine gewöhnliche Bäume, denn in dem Schatten von solchen liebe ich nicht einmal zu athmen. Bei uns giebt es lauter exotische Bäume, die prächtige Blätter und Blumen haben, dann haben wir einen ganzen aus Tulpenbäumen gepflanzten Hain, und solche Tannen, die während des Winters in großen irdenen Geschirren in den Treibhäusern aufbewahrt werden, was dann um vieles schöner ist.«

»Ah! und wenn Sie erst den Garten meines Schloßes zu Aranyvar sehen würden, mein Fräulein,« beeilte sich Ludveghy hinzuzusetzen. »Diese Aruarien, Malvarien, Redromdons, Radikalen – es ist in der That sehr schön!«

Amalie war ganz eingeschüchtert durch diese sonderbaren Namen, die einen Botaniker zu gerechtem Staunen hingerissen hätten und verwundert fragte sie:

»Haben Sie Herr Baron, in Ihrem englischen Parke vielleicht auch solch' einen Nelsonbaum, wie ich solche dieser Tage im Leipziger Mode-Journal geschildert gelesen?«

»Ah und wie zahlreich sind dieselben bei mir vertreten!« erwiderte Ludveghy leichten Sinnes.

Wir müssen hierbei bemerken, daß man diesen Nelsonbaum damals erst in Californien entdeckt hatte und daß je einer zwölf Klafter im Umfange hatte; in seinem Schatten hätte aber die ganze Aranyvarer Besitzung des Barons Raum gehabt, so weit dieselbe nämlich von gerichtlicher Beschlagnahme unberührt war.

»Sie halten das Leipziger Mode-Journal?« (Jetzt nahm das Gespräch diese Wendung an.)

»O, nur der Modebilder halber, da ich nach deren Muster meine Stickereien zu bestellen pflege.«

»Ich glaube, daß der Pariser Moniteur schönere Muster hat.«

»Wir pflegen selbst jährlich mehrmals nach Paris zu gehen, wo wir dann die beste Gelegenheit haben, die Moden kennen zu lernen. Hierher kommt alles erst, wenn es bereits alt geworden und aus der Mode gekommen ist.«

»Gnädiges Fräulein gehen also öfter nach Paris?«

»O ja. Papa muß immer dahin reisen, wenn die Eisenbahnaktionäre Versammlungen abhalten, da auch er mehrere hundert Stück Aktien besitzt. Und da gehe ich denn immer gerne mit ihm, weil er mir alles kauft, wenn er gut gelaunt ist. Auch voriges Jahr nahm er mich mit sich und eines Tages ließ er mich unsere Equipage besteigen, welche im Palais Royal vor dem eleganten Laden eines Spitzenhändlers aus Valencia anhielt und da sagte mir Papa: Mademoiselle (er nennt mich niemals anders) bei der heutigen Zusammenstellung ergab es sich, daß ich durch die plötzlich eingetretene Hausse hundertzwanzigtausend Franken mehr gewann, als wie ich gerechnet und diese Summe stelle ich Ihnen jetzt zur Verfügung und er ließ mich in der That nicht früher aus dem Laden, als bis ich die ganze Summe ausgegeben.«

Ludveghy's Augen funkelten bei diesen Worten.

»Ah, damals war ich gerade in Paris. Ich erinnere mich, Sie meine Gnädige, damals in den Italiennes gesehen haben zu müssen. Sie fielen aller Welt auf, Ihre leuchtende Schönheit, die auserlesene Toilette ... Ah! ein jeder fragte: wer mag sie sein? Doch konnte Niemand antworten. Nicht wahr, Sie saßen in einer Parterreloge, vis-à-vis dem Proscenium?«

»Ja,« sagte Amalie die großen leuchtenden Augen niederschlagend und verstohlen wieder das Gesicht ihres Hofmachers anblickend.

»Erlauben Sie einen Moment gnädigstes Fräulein, ich weiß noch mehr. Ein zweites Mal sah ich Sie in Longchamps; Sie saßen in einem eleganten Tilbury in einer weißen mit Brüsseler Spitzen geputzten Toilette, den gelben Florentiner hielten Sie nachlässig in der Hand, so daß Ihre wunderbaren schwarzen Haarlocken à l'anglaise frei niederwallen konnten. So sahen Sie dem Rennen zu, nicht wahr?«

»Ja, ja,« bestätigte Amalie lebhaft.

»Erinnern Sie sich nicht mehr meine Gnädigste, daß ein Reiter mit blauem Voile am Hute an Ihre Equipage heranritt?«

Amalie nickte mit dem Kopfe, daß sie sich erinnere.

»Das war ich. Ich hatte von Jemanden erfahren, daß Sie die Tochter eines österreichischen Bankiers seien und da dachte ich Sie angenehm zu überraschen, wenn ich Sie in der großen französischen fremden Stadt in einem bekannten Idiom ansprechen werde und da fragte ich Sie: ›welches gefällt Ihnen am meisten unter diesen Pferden?‹ Sie schienen überrascht zu sein und lächelten.«

»Ja, ja, ich erinnere mich schon.«

»Und dann hatten Sie die Gnade, mit einem freundlichen Lächeln zu antworten, daß Sie Ihre Sympathie jenem dunkelbraunen Vollbluthengste schenken, welchen ein Jockey in blauer Blouse und rother Kappe reite. Und hierauf erwiderte ich: dieses Urtheil macht mich sehr glücklich, denn das ist gerade mein Pferd, Son of the Sun, der auf diese Weise, wenn er den großen Preis nicht gewinnt, dennoch Sieger bleibt.«

Bei diesen Worten stand es Amalien sehr gut an, ihr Gesicht abzuwenden und verschämt zu erröthen.

»Und Ihre Sympathie mein gnädiges Fräulein, bildete ein wunderbares Zaubermittel für mich, denn bei jenem Rennen gewann der Son of the Sun in der That den großen Preis. Und da wagte ich es Ihnen zu sagen, wieviel diese Ihre wunderwirkende Sympathie für das Herz eines Mannes werth sein müßte!«

Amalie fächelte sich mit ihrem großen Fächer Kühlung zu.

»Deshalb schienen Sie mir meine Gnädige bei unserer jetzigen Begegnung so bekannt und Sie erinnern sich meiner nicht, so wenig wie jenes Auftrittes auf dem Rennplatze zu Longchamps, wo mein Son of the Sun die fünftausend Sovereigns gewann?«

»O ich erinnere mich sehr gut,« stammelte Amalie leise und ließ ihrem schönen wogenden Busen einen zitternden Seufzer entflattern – im Namen des süßen Andenkens.

Nun erinnerten sich bereits Beide sehr gut an einander.

Das Schönste an der ganzen Sache war aber, daß bei jenem Pferderennen keines von ihnen anwesend gewesen. Und die Beiden so deutlich erinnerliche Begegnung hatte niemals stattgefunden; das Ganze war nichts weiter, als das Prahlen zweier eitlen Seelen, die sich dessen rühmen, daß sie nur äußerlich golden scheinen. Amalie dachte sich, es werde gut sein, die Stelle jener Dame im Herzen des Barons einzunehmen, die denselben in Longchamps so sehr bezaubert hatte, während der Baron bloß bezwecken wollte, Amalien mitzutheilen, daß seine Pferde auf den Rennen zu Longchamps die ersten Preise zu gewinnen pflegen. Daß all' dies historisch unwahr sei – was verschlug das? Wer kann ihn dessen überführen? Gewandte Kavaliere bereichern die Kenntnisse junger Damen mit gar vielen solcher Bagatellen.

Unterdessen hatte der Bediente des Schafzüchters seine Sache so gut angestellt, daß er den Herrn Baron und Fräulein Amalie im Parke auffand und ihnen nun meldete, daß die alten Herren schon lange mit dem Frühstück auf sie warteten und daß die Chokolade sicherlich schon kalt geworden sei.

Sie gingen hinauf, wo sie Herr Borcz sehr liebenswürdig empfing, der den Herrn Baron bei Seite nehmend, demselben vertraulich flüsternd mittheilte, daß er mit Torhanyi so eben den Tag der Vermählung zwischen seinem Sohne und Fräulein Amalie festgesetzt habe und daß Beide – er und Torhanyi – zu ungeheurem Danke verpflichtet wären und sich über die Maßen beehrt und beglückt fühlen würden, wenn der hochwohlgeborene Herr Baron die Gewogenheit hätte, die Stelle des Brautführers von Seiten des Bräutigams anzunehmen.

Ludveghy war durch die Bitte überrascht; in solchem Maße überrascht, daß er dieselbe aufs erste Wort zu erfüllen versprach.

Sodann lud Herr Torhanyi alle anwesenden Gäste einzeln und ohne jede Wahl ein, die in seinem eigenen Hause zu feiernde Vermählung seiner Tochter mit Herrn Adorjan Borcz mit ihrer werthen Gegenwart zu beehren, was eine sehr billige Großmuth von ihm war, wenn wir erwägen, daß sein Haus am Zusammenflusse der Raab und der Donau erbaut war, während die eingeladenen Gäste theils im Szathmarer, theils im Biharer Komitate wohnten, Eisenbahnen noch nicht existieren und es nicht sehr wahrscheinlich ist, daß einer der wohlgeborenen Herren zur Erntezeit seine eigenen Schecken einspannen werde, um auf einer Hochzeit in einem Donauorte rauchen zu können; – und außerdem – es wird ja doch nichts daraus.

Sodann küßten sich Gäste und Brautführer, verabschiedeten sich einzeln und in corpore von einander und nachdem jeder glücklich seinen Wagen gefunden, ging's nach allen Windrichtungen davon, der Baron und Torhanyi sammt Tochter zurück nach S...i.

Auf halbem Wege begegneten sie Adorjan, der zu Pferde von S...i nach Rosenhain ritt. Als er sie erblickte, gab er seinem Rosse die Sporen und als er an ihnen vorübersprengte, lüftete er ein wenig den runden Hut auf seinem Kopfe, worin sein ganzer Gruß an seine Braut bestand. Als er vorüber war, blickte ihm Torhanyi durch das Kutschenfenster noch lange nach, worauf er, vor innerlicher Freude lächelnd, sich wieder niedersetzte, als er ihn nicht mehr sehen konnte. Adorjan hatte kein einziges Mal zurückgesehen. Alles ging vortrefflich.

Die Herzen der Braut und des Bräutigams entfernten sich so rasch von einander, wie sie die dahinsprengenden Pferde nach Norden und Süden entführten.

*


 << zurück weiter >>