Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VlII.

»Bäuerin, der Mathes is draußen, er will mit dir reden.«

»Aber i nit mit ihm. Er soll si scheern.«

Katharina lag auf ihrem Bett, das Gesicht in die Kissen gewühlt. Der Tag war längst angebrochen, aber sie hatte ihre Stube nicht verlassen wollen. Zenzi kehrte zurück.

»Er laßt gar schön bitten.«

»Ich geh nit.«

Katharina hörte draußen zwei Stimmen flüstern, dann sagte die eine, die des Mathes: »Gut, sie soll si nit stören lassn, i komm zu ihr 'nein.«

Mit einem Satz war sie nun aus dem Bett. Da sie vollständig angekleidet war, strich sie sich nur über die vom Liegen etwas zerzausten Haare und glättete ihre Kleider, dann trat sie hinaus. Mathes kam ihr entgegen, hinter ihm der Lukasbauer.

»I hab ihn heraufbracht, daß er si verantwort,« sagte der letztere finster und trat zurück. Mathes hatte seinen schwarzen Sonntagsstaat an. Sein Gesicht war blaß. Er streckte ihr die Rechte entgegen.

»Bäuerin, 's is alles mei Schuld. Sei nit bös auf mi, aber no weniger auf den dort,« er deutete auf Riegl, »der is unschuldig wie a neuborns Kind. Die G'schicht is a so.« Katharina stand stumm und steif wie eine Bildsäule und regte sich nicht. »Du weißt, a jeder Tirolerbauer hat auf sein Haus 's Bild von dem Heiligen, den er am meisten verehrt. I hab ka Haus, wie d' weißt, aber mei Freund da hat ans. Und wie m'r beratn habn, was er aufi maln lassn soll, und er mi g'fragt hat, hab i ihm halt – die Heilige g'nannt, di i am meisten verehr. ›Die Katharina,‹ sagte er, sinnt a Weilerl, ›die Katharina, meinst?‹ Und nacha: ›na ja, recht is.‹ I glaub, er – verehrt sie nämlich a ... heimlich ...« Mathes stockte und fuhr sich über die feuchtgewordene Stirne, dann fuhr er lebhafter fort: »So, da hast jetzt die Beicht, und jetzt sei wieder guat; das Verbrechen mußt verstehn, und – was ma versteht, verzeiht ma.«

Katharina entgegnete nichts, sie legte nur ihre Hand in die ihr entgegen gestreckte. »Und dem – sag ihm a guats Wörtl.«

Die gutmütigen Augen des nicht mehr jungen Mannes hefteten sich bittend auf sie. Ehe Katharina eine trotzige Erwiderung gefunden hatte, war er zur Seite getreten, und der Lukasbauer stand vor ihr.

»Bäuerin, du mußt m'r gut sein, i hab das gestern nit so gmeint – weißt, von dir ... i weiß nit warum, grad von dir thut mir alles Böse, was d' sagst, so weh.«

»Mir könnt nix weh thun, was du mir sagst,« flüsterte sie mit verächtlicher Geberde.

»Das is ja nit wahr,« murmelte er, die Stirn runzelnd, »gestern hab i di ... zum zweiten Mal weinen gesehen.«

Sie zuckte zusammen.

»Hast recht, i – versteh's eigentli nit, mi –«

»Ah was, du bist a Madl, a zärtlichs G'schöpf, das nur so a verfluchte Eisenhüllen um si than hat. Inwendig bist wie a kleins Kind, weich, sei's a a mal auswendig.«

»Das thät gut taugn,« lächelte sie schwach, »die Koflerin –«

»Meinst, d' Knecht habn deshalb mehr Respekt vor dir, wennst mit ihnen schreist? A freundlicher Ernst thut's a, 's Schreien paßt nit für a Frauenzimmer, und was no mehr gilt, es laßt si's a kaner g'falln. Nit amol die Dienstbotn. Die sein viel zu aufgeklärt, um an die Unfehlbarkeit ihrer Herrnleut z' glauben.«

»Ja leider,« nickte Katharina, von seinen Worten gefangen genommen, »leider.«

»Jetzt sagst: leider, und doch is niemand mehr gegen die alte Zucht und Ordnung als du selber. Du bist a Hitzköpfl, weißt nit, was d' willst.«

»Das wär traurig,« sagte sie, sich aufreckend.

»Meinst, du selbst wärst a richtige Bäuerin? Bist aufgeklärt wie d' Stadtfrauen.«

»Woher etwan?« fragte sie höhnisch.

»Woher? das kann ma nit sagn, das liegt in der Luft. I bin a ka echter Bauer, schon vor i im Ausland war, bin i kaner mehr g'wesen, hab über alles mögliche nachdenkt und grübelt. 's wird bald überhaupt kane Bauern mehr gebn, der Arbeit nach ja, aber dem Geist nach nit.«

»Irrst di,« sagte Katharina, »'s blitzt in den Bergen, wenn d' Köpf erst einmal den richtigen Weg sehen –«

»Und welcher wär der?« lächelte Alois.

»'s Erkennen, daß unser Stand a schöner und guter is, der erste auf der ganzen Welt, daß m'r nit schlechter sein als die andern Menschen, daß ma's nit nötig habn, auf'n Bauch vor ihnen z' kriechen. I wollt an Adligen sehen, den seine Ahna älter wärn als d' meinigen.« Sie lachte stolz und richtete den schlanken Leib im Bewußtsein ihres unabhängigen Bauernbluts auf.

»Du bist die adeligste Frau im ganzen Land.« Seine dunklen Augen überflogen sie bewundernd.

Sie erglühte unter seinem Blick.

»Setzt di nit a bißl nieder, mir stehn schon so lang,« bat er.

Sie ließen sich auf dem Bänkchen vor der Thür nieder. Sie war plötzlich verstummt. Sie schämte sich, daß sie ihres Zornes vergessen hatte und so zuthunlich geworden war. Aber wie sie sich auch in ihre frühere Stimmung zurückversetzen wollte, es gelang ihr nicht, sie fühlte sich auf einmal so leicht, so zufrieden. Ihre Augen schweiften heimlich von der Seite auf Alois, und blieben an seinem schönen Gesicht hängen. Und plötzlich sprang sie, über und über errötend, auf.

»Was hast?« fragte er aufatmend, »'s war so schön.«

»I hab z' thun.«

Er erhob sich. »Mir kommt's grad vor als ob heut Feiertag wär.«

»Kannst ja feiern, wenn's di g'freut.«

»Koflerin, sei brav!« Er streckte seine Hand nach der ihren aus. Sie reichte sie ihm nicht.

»Giebst mir nit dei Hand?«

»Na.«

»Warum nit?«

»Weil i nit will.«

»Na, dann ohne Hand: adjes.«

»Pfiat di Gott.«

Er that einige Schritte. Dann wandte er sich um. Sie wollte eben in den Hausflur treten.

»Weißt was d' bist? A tappetes Schulmadl bist.«

»Und du gleichst an Hecht, der ans Land hupfen möcht.«

Sie schlug die Thür hinter sich zu.

»Meinst wohl, überall is Wasser, nur bei dir is Land?« murmelte er ingrimmig, über den Hof schreitend.

Draußen, wo die ersten Lärchen anfingen, saß Mathes geduldig.

»Seid's einig worn?«

»Jessas, du! Di habn mir ganz vergessen. Nix für ungut.«

»Seid's einig worn?« fragte Mathes nochmals, Alois in die Augen blickend.

»Mit der? Eher verständigst di mit'm Teufl seiner Großmutter.«

Mathes sprang elastisch auf.

»Also forsch hinunter. Wollen eins auf den Schreck setzen, gelt?«


 << zurück weiter >>