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Fünfzehntes Kapitel. Eine zufällige Begegnung

Es bestand nun ein offener Bruch zwischen dem Ehepaar Steel, wenn auch dritte Personen keine Veränderung in ihrem Benehmen gegeneinander wahrnehmen konnten. Im Grunde waren eben nur die Fäden zerrissen, die die von Anfang an zwischen Rahel und ihrem zweiten Gatten gähnende Kluft überspannt hatten. Diese Kluft war für solche, die häufig mit dem Paare in Berührung kamen, wohl deutlich sichtbar, aber jene feinen Fäden der Sympathie hatten die bloßen Augen einer oberflächlichen Beobachtung nicht zu entdecken vermocht. Da es also keine sichtbare Veränderung gab, so konnten Fremde auch nichts davon bemerken. Zum Streiten gehören bekanntlich immer zwei, und Steel sträubte sich mit einem unerschütterlichen Gleichmut dagegen, einen davon abzugeben. Rahel konnte ihn auf die schwersten Proben stellen, keine Abweisung entmutigte ihn, keine Laune verdroß ihn, und diese Unempfindlichkeit wurde von seiner erbitterten Gattin nicht als die geringste der ihr angetanen Kränkung angesehen.

Nur gegen jemand, der uns schon einmal wärmere Gefühle eingeflößt hat, kann man einen solch heftigen Groll empfinden, wie Rahel ihn jetzt gegen ihren Gatten hegte. Das Gift eines falsch angebrachten Vertrauens brannte in ihrem Blute. Wohl hatte er ihr ja manches eingestanden, Rahel aber genügte das nicht, und gerade jener eine Punkt, über den er sie hartnäckig im Dunkeln ließ, verdrängte alles andre aus ihren Gedanken. Sie schätzte seine Offenheit nur halb, da ihre eigenen zufälligen Entdeckungen ihn mehr oder weniger dazu gezwungen hatten. Nichts war von ihm zugestanden worden, was sie nicht aus ihren eigenen Entdeckungen hätte schließen können. Der geheimnisvolle Grund aber, warum er sie geheiratet hatte, der blieb ihr auch jetzt, und mehr denn je, ein Rätsel, und doch lag gerade in der Lösung dieser Frage der Kernpunkt der Situation. Wenn ihr erster Mann den Anlaß zu Steels Entschluß gegeben, und wenn Steel sie wirklich nur geheiratet hätte, um der Witwe seines besten Freundes ein Heim zu bieten, dann würde Rahel dies als die tödlichste aller Kränkungen empfinden und ihr nichts andres übrig bleiben, als diesen Mann zu verlassen, wie sie um ein Haar seinen Freund verlassen hätte. Dies war der tolle, unvernünftige Lauf ihrer Gedanken.

Um ihrer selbst willen hatte er sie jedenfalls nicht geheiratet, und von ihr war er doch nichts weniger als dazu ermuntert worden. So sehr die Neugierde sie aber auch verzehren, so viel Grauen ihr all diese Geheimnisse einflößen mochten, das Gefühl persönlicher Kränkung war stärker als alle andern Empfindungen. Wenn Rahel jetzt gewagt hätte, einen tieferen Blick in ihr eigenes Herz zu tun, so wäre ihr da eine gar wunderbare Offenbarung geworden.

Hätte sie jedoch anderseits schon eine Ahnung von ihrer wahren Herzensverfassung gehabt, so wäre dadurch ihre Erbitterung gegen denjenigen kaum vermindert worden, der so widersprechende Gefühle in ihr erweckte. Diese Erbitterung war in den Tagen, die unmittelbar auf den Auftritt zwischen Rahel und ihrem Gatten folgten, natürlich besonders heftig, und da Rahel nicht das geringste Hehl daraus machte, so hätte sie ohne Zweifel neue ähnliche Szenen hervorgerufen, wenn John Buchanan Steel ihr nicht mit seiner unverwüstlichen Gelassenheit entgegengetreten wäre.

Und gerade in jene Tage fielen zwei Ereignisse, denen die Delvertoner Gesellschaft voll Spannung entgegengesehen hatte, und wovon nicht nur sie, sondern auch die ganze Umgebung noch jahrelang sprechen sollte.

Am zehnten August gab die Familie Uniacke ein großes Gartenfest in Hornby Manor, und für den elften hatten Steels endlich die Einladungen zu ihrem ersten großen Diner, das sie in Normanthorpe House zu geben beabsichtigten, vom Stapel gelassen.

Der zehnte war ein idealer Augusttag: tiefblauer Himmel, Bäume, die dank der kräftigen nördlichen Luft noch in ihrem vollen Glanze prangten, und darunter der herrlichste Schatten. Rahel hatte sich schon vor dem Lunch für die Gesellschaft fertiggemacht und erschien in einer blauen Toilette, die mit der heiteren Farbe des Himmels wetteiferte und ihr reizend stand, im Speisesaal, wo sie ihren Gatten fix und fertig in einem tadellos sitzenden nagelneuen Gehrock vorfand. Prüfend betrachteten sie sich gegenseitig einen Augenblick, worauf Steel eine schmeichelhafte Bemerkung machte, für die Rahel wie gewöhnlich keine Antwort hatte. Sie verzehrten ihre Mahlzeit in tiefem Schweigen, das nur hin und wieder gutmütigerweise von dem Hausherrn unterbrochen wurde. Dann kamen Woodgates, um mit nach dem etwa sieben bis acht Meilen entfernten Hornby zu fahren, und kurz nach drei Uhr verließ der elegante Steelsche Landauer Normanthorpe.

Den ganzen Morgen, Mittag und halben Nachmittag eben jenes zehnten August hob der Romanschreiber Charles Langholm nicht ein einziges Mal seinen ungekämmten Kopf von dem alten Schreibtisch in die Höhe. Er arbeitete am offenen Fenster, von wo aus man den ländlichen Garten übersehen konnte. Ein mit seinen geliebten Rosen gefülltes Wasserglas stand unter Manuskripten halb begraben in einer Ecke, während noch ungepflückte Rosen über den Fenstersims guckten und zu beiden Seiten hereinnickten. Langholms Gedanken aber waren im gegenwärtigen Augenblick mit ganz andern Dingen als mit Rosen beschäftigt. Seine sorgsam paginierten Blätter von liniertem Kanzleipapier hatten nahezu die Zahl fünfhundert erreicht. Sein Held und seine Heldin befanden sich im hohen Schwunge jener rührenden Erklärungen und Geständnisse, denen sie während der letzten dreihundert Seiten mit großer Kunst aus dem Wege gegangen waren – kurz, Langholms neuester Roman steht unmittelbar vor seiner Vollendung. Er gehört zwar nicht zu seinen besten, doch hat vor wenigen Minuten sogar im Auge seines Schöpfers eine Träne der Rührung gestanden, und nun lacht er glückselig vor sich hin wie ein Kind beim Spiel. Und ein Spiel ist es wirklich, obwohl er dafür bezahlt wird und obwohl dieses Spiel erst nach Wochen und Monaten saurer Arbeit gewonnen worden ist.

Endlich ist der große Augenblick der Schlußgänsefüßchen gekommen, und mit einem Gefühl stolzer Genugtuung setzt Langholm in großen, kräftigen Zügen seine Unterschrift darunter – und nun, Gott sei Dank!

Mit steifen Gliedern erhob sich Langholm von seinem Schreibtisch, wo ihm in guten Stunden so oft schon der Zeitsinn abhanden gekommen war. In diesem Augenblicke aber fühlte er sich doppelt erschöpft und von Hunger geschwächt, da er die schädliche Gewohnheit hatte, sich erst dann die für Körper und Geist so notwendige Stärkung einer Mahlzeit zu gönnen, wenn er ein vorgestecktes Ziel erreicht hatte. Am heutigen Tag nun war dieses Ziel die Vollendung seines Buches gewesen, und einige selige Minuten lang überließ sich Langholm seinem Wonnegefühl. Endlich war es ja nun erreicht: ein neuer Roman lag fertig vor ihm. Kaum vermochte er diese Tatsache noch zu fassen, obwohl die letzte, kaum getrocknete Seite vor ihm auf dem Schreibtisch lag und die meisten der vorhergehenden, teilweise schon gedruckten oder mit der Schreibmaschine abgeschriebenen Blätter im Zimmer verstreut umherlagen. Überdies gefiel er den Verlegern, das war der Hauptspaß. Die rasche Vollendung war freilich nicht zum mindesten dem Umstand zu verdanken, daß Langholm ein andres Werk in petto hatte, das er ganz allein nur zu seinem eigenen Vergnügen schreiben wollte. Diese Gedankenfolge führte ihn endlich aus seinen rosigen Träumen in die Wirklichkeit zurück.

Es war ja heute der Tag des Uniackeschen Gartenfestes, zu dem man auch den armen Schriftsteller eingeladen hatte, und der arme Schriftsteller war auch gar nicht abgeneigt, dieser Einladung zu folgen. Nicht daß er eine glänzende Rolle in Gesellschaft gespielt oder selbst für große Geselligkeit geschwärmt hätte, o nein, aber Mrs. Steel würde bei jenem Feste sein, und er brannte darauf, ihr zu sagen, daß er sein Buch vollendet habe und nun frei sei, das ihrige in Angriff zu nehmen. Mit Recht durfte er es das ihrige nennen, denn ihr würde er ja doch im Grunde den großen Roman verdanken, durch den der Name Langholm unsterblich werden sollte. Rahel war es gewesen, die ihm die Anregung zu einer schriftstellerischen Behandlung des Prozesses ihrer Namensschwester Rahel Minchin gegeben hatte. Die Übereinstimmung der Taufnamen war dem Schriftsteller natürlich aufgefallen, aber ohne den geringsten Verdacht eines Mannes zu wecken, der in der Erfindung hochdramatischer Situationen zu erfahren war, um nicht achtlos über die dem wirklichen Leben entsprungenen hinüberzustolpern. So nahm denn Langholm federleichten Herzens und mit gewohnter ungesunder Hast seine Mahlzeit ein, machte hierauf umständlich Toilette, setzte sich auf sein Rad und fuhr in vorsichtig gemäßigtem Tempo nach Hornby Manor.

Fahnen hingen schlapp von ihren Stangen herab, die Klänge einer Musikkapelle tönten durch die schläfrige Augustluft, und immer noch kamen Wagen die lange Anfahrt herauf, als auch Langholm seinen bescheidenen Einzug hielt. Ihm war ein bißchen befangen und unbehaglich zu Mut, und zugleich ärgerte er sich über seine eigene Ängstlichkeit, die ihn im Gedanken an die Neuigkeit, die er Mrs. Steel mitteilen wollte, beschlich, obwohl er sonst wahrscheinlich zu Hause geblieben wäre. Kaum hatte er sein Rad in den Ställen untergebracht, sorgsam die Klammern von seinen Beinkleidern entfernt und den Fuß auf den Rasen gesetzt, so suchten seine Augen auch schon eifrig nach ihr. Aber noch ehe er sich für seine Bemühungen belohnt sah, wurde er von seiner Wirtin nach dem Teezelt geleitet und einer noch sehr jugendlichen Dame als Kavalier zugeteilt, die offenbar unter dem Schutz eines mageren älteren Herrn mit Kotelettbart und langem, schmalem Gesicht gekommen war.

Noch ganz erfüllt von seiner ermüdenden Arbeit, wußte Langholm beim besten Willen nicht, was er mit dem hübschen Backfisch, dessen eigene Schüchternheit auf ihn selbst zurückwirkte, anfangen sollte. Trotzdem tat er sein Möglichstes. Er entschuldigte sich wegen seiner geringen gesellschaftlichen Talente, und in seinem Eifer stieß er gegen eine Dame in Blau, in der er, als sie sich umwandte, Rahel selbst und an ihrer Seite Mr. Woodgate entdeckte.

»O nein, wir wohnen in London,« antwortete das Mädchen auf eine Frage des Schriftstellers, »aber ich besuche dieselbe Schule wie Ida Uniacke und bin hier nur zu Besuch.«

»Ich habe ihn vollendet,« flüsterte Langholm Rahel zu, »erst heute nachmittag, und nun kann ich mich hinter den Ihrigen machen. Ah so,« fügte er, sich wieder voll anscheinenden Interesses zu dem jungen Mädchen wendend, hinzu, »nur auf Besuch, und wer war denn der alte Herr, dessen Gesellschaft ich Sie entrissen habe?«

Belustigt lachte das junge Ding auf.

»Das war mein Vater,« sagte sie. »Er ist nur ganz vorübergehend hier auf der Durchreise nach Leeds.«

»Sie müssen es nicht meinen Roman nennen,« wehrte sich Rahel, während Woodgate die beiden Damen mit Süßigkeiten bediente.

»Sie waren es ja aber doch, die mir die Idee, einen Roman über Rahel Minchin zu schreiben, eingegeben hat.«

»Sie täuschen sich wirklich. Ich weiß es ganz bestimmt, daß Sie selbst auf diesen Gedanken gekommen sind. Aber wollen Sie denn überhaupt schon wieder einen neuen Roman beginnen? Sie werden sich doch sicherlich vorher ein wenig Ruhe gönnen?«

»Ich muß allerdings vorher meine letzte Arbeit noch einmal durchsehen, was mich jedenfalls bis zu Selbstmordgedanken herunterstimmen wird. Dann aber stürze ich mich auf mein magnum opus

»Glauben Sie wirklich, daß es das werden wird?«

»Es sollte es wenigstens werden, was freilich nicht viel sagen will. Allein ich glaube wirklich, noch niemals eine so großartige Idee gehabt zu haben, wie diese, die ich Ihnen verdanke.«

Mißbilligend schüttelte Rahel den Kopf, während sie sich mit dem Pfarrer von Marley entfernte.

»Ach, Mr. Langholm, Sie schreiben also Romane?« fragte das Backfischchen, die blauen Augen vor staunender Bewunderung weit aufreißend.

»Leider Gottes, ja,« gestand er. »Doch sagen Sie, was darf ich Ihnen bringen? Gefrorenes, oder noch etwas Erdbeeren mit Schlagrahm?«

»Danke schön, weder das eine noch das andre,« antwortete das junge Mädchen mit fröhlichem Lächeln. »Ich bin nämlich schon einmal am Büfett gewesen, ahnte aber nicht, daß ich mit einem Schriftsteller hieher zurückkehren würde!«

»Dann wollen wir doch lieber ins Freie hinausgehen,« sagte Langholm, worauf die beiden mit kurzem Abstand hinter Rahel hergingen.

Es war ein malerisches, farbenprächtiges Bild, das der Zufall hier geschaffen hatte: die über den weichen Rasen streifenden eleganten Sommerkleider der Damen, die hübschen Sonnenschirme mit den noch hübscheren Gesichtern darunter, die stattlichen, gutgekleideten Herren und als Hintergrund auf einer Anhöhe das altersgraue Herrenhaus, während zwischen den Bäumen die roten Uniformen der Musiker und ihre funkelnden Blechinstrumente hervorleuchteten. Die Kapelle spielte gerade ein Potpourri aus Geisha, als Langholm, Rahels Spuren folgend, aus dem Zelt trat. Mrs. Venables führte ihre beiden heiratsfähigen Töchter am andern Ende des großen Platzes ins Treffen, und nur ihre unermüdliche Strategie war schuld, daß ihr ein interessanter Zwischenfall entging. Auch Mr. Steel und Mrs. Woodgate schienen nichts davon zu bemerken. Man hätte glauben können, der ganze Auftritt sei einzig und allein zum Besten von Charles Langholm in Szene gesetzt worden, der sich pflichtschuldigst um das Backfischchen bemühte.

Plötzlich entfernte sich Mrs. Uniacke einige Schritte von dem Herrn mit dem grauen Kotelettbart, den sie schon seit einiger Zeit mit Beschlag belegt hatte, um Rahel anzureden, die eben im Begriff war, mit Mr. Woodgate an ihr vorüberzugehen.

»Ach, warten Sie doch einen Augenblick, liebe Mrs. Steel. Ich möchte Sie so gern mit unserm vornehmsten Gast hier bekannt machen,« flüsterte Mrs. Uniacke in jenem irischen Idiom, das jede ihrer unbedeutendsten Bemerkungen für den Kenner zu einem wahren Gaudium machte. »Sir Baldwin Gibson – Mrs. Steel.«

Langholm und die kleine Gibson standen jetzt dicht hinter jenen dreien, so daß dem geübten Auge des Beobachters auch nicht die kleinste Einzelheit einer Szene entging, die sich für immer seinem Gedächtnis einprägen sollte. Die hübsche Mrs. Uniacke hatte ihre Vorstellung mit einem Lächeln beschlossen, das sich jedoch sofort in einen Ausdruck des Erstaunens verwandelte, denn Sir Baldwin, der die Hand schon halb zum Hut erhoben hatte, hielt plötzlich damit inne, während sein hageres Gesicht sich noch mehr in die Länge zog. Mrs. Steel dagegen, die im ersten Augenblick ihre Selbstbeherrschung vollständig bewahrt hatte, verriet den Umstehenden erst dann ihr tödliches Erschrecken, als sie die Bestürzung des alten Herrn gewahr wurde. Dies alles aber war tatsächlich das Werk nur weniger Sekunden, dann nahm Sir Baldwin Gibson nicht nur seinen Hut ab, sondern er streckte Rahel auch in wahrhaft väterlich-herzlicher Weise die Hand entgegen, und während Rahel ihm die ihrige reichte, ging ihre fahle Blässe in brennendes Rot über.

Allein auch sie war so rasch wieder Herrin ihrer selbst, daß die beiden zunächst stehenden Augenzeugen dieses Auftritts – Mrs. Uniacke und Charles Langholm, freilich ohne eine Ahnung von dem tieferen Sinn dieser Bestürzung zu haben – hofften, daß niemand außer ihnen diese Szene aufgefallen sein möchte. Sir Baldwin stürzte sich auch sofort in ein liebenswürdiges, lebhaftes Gespräch, und schon nach wenigen Augenblicken klang aus Rahels Antworten die gewohnte sichere Gelassenheit. Nun wendete sich Langholm wieder seiner jugendlichen Gefährtin zu, indem er sie durch eine Frage auf den Leim zu locken versuchte.

»Das ist also Ihr Herr Vater?« sagte er. »Denken Sie, mir ist, als hätte ich sein Gesicht schon irgendwo gesehen.«

Die kleine Miß Gibson ging auch sofort in die Falle.

»Das ist sehr wohl möglich, denn er ist der bekannte Gerichtspräsident.«

»Wirklich?«

»Ja, und schon vorhin im Zelt hätte ich Sie so gern etwas gefragt. Als Sie von Ihrer Idee zu einem neuen Roman sprachen, meinten Sie da jene Mrs. Minchin, die des Mordes angeklagt war?«

Vor Überraschung konnte Langholm nur bejahend nicken.

»Mein Vater war nämlich damals der Vorsitzende des Gerichtshofes!« sagte der Backfisch mit verzeihlichem Stolz.

Während sie noch sprachen, trat eine Dame zu den beiden heran.

»Sagten Sie wirklich, dieser Herr dort sei der Gerichtspräsident Gibson, der letzten November die Verhandlungen gegen Mrs. Minchin leitete?«

»Ja – mein Vater,« antwortete das junge Mädchen wieder voll Stolz.

»Das ist ja eine ganz seltsame Geschichte! Guten Tag, Mr. Langholm! Ich sah zuerst gar nicht, daß Sie es sind.«

Und ehe es Langholm recht zum Bewußtsein kam, hielt er jener Dame mit der Adlernase, um die er sich beim Venablesschen Diner so wenig gekümmert hatte, die Hand zur Begrüßung entgegen. Sie rächte sich jedoch für die damalige Vernachlässigung, indem sie ihm jetzt nur die Fingerspitzen reichte und dabei den Blick langsam an ihm vorüber zu Rahel und ihrem Richter wandern ließ.


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