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Tausend und eine Nacht. Band VI
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Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât.

»Glückseliger König, in alten Zeiten und in längst entschwundenen Tagen lebte ein Kaufmann, Namens Schems ed-Dîn, in Kairo, einer der besten und aufrichtigsten Männer unter den Kaufleuten und zudem reich an Eunuchen, Dienerschaft, Negersklaven, Sklavinnen, Mamluken und Geld und Gut. Derselbige war Obmann der Kaufmannschaft Kairos und hatte ein Weib daheim, welches er liebte, und die ihn liebte, doch hatte er bereits vierzig Jahre mit ihr gelebt, ohne daß sie ihm eine Tochter oder einen Sohn geschenkt hätte. Da saß er nun eines Tages wieder in seinem Laden und sah wie jeder der Kaufleute einen oder zwei und noch mehr Söhne hatte, die gleich ihren Vätern in den Läden saßen. Jener Tag war aber ein Freitag. Als der Kaufmann deshalb ins Warmbad ging und die Freitagswaschung vollzog, nahm er, als er wieder herauskam, einen Barbierspiegel. Beim Anblick seines Gesichtes im Spiegel rief er: »Ich bezeuge es, es giebt keinen Gott außer Gott, und ich bezeuge, daß Mohammed der Gesandte Gottes ist!« Als er darauf seinen Bart betrachtete und sah, daß derselbe bereits mehr weiße als schwarze Haare hatte, gedachte er daran, daß die grauen Haare des Todes Vorboten wären.

Nun wußte aber seine Frau die Stunde seiner Heimkehr des Abends und hatte sich deshalb, wie sie es zu thun pflegte, gewaschen und für ihn geschmückt. Als er bei ihr eintrat, wünschte sie ihm guten Abend, doch entgegnete er ihr: »Ich sehe nichts gutes.« Als dann die Sklavin auf ihr Geheiß das Abendessen brachte, und sie zu ihm sagte: »Iß, mein 81 Herr,« antwortete er ihr: »Ich esse nichts,« und wendete sein Gesicht vom Tisch ab. Da fragte sie ihn: »Weshalb nicht? Und was hat dich so trüb gestimmt?« Worauf er versetzte: »Du bist die Ursache meines Kummers.«

Zweihundertundfünfzigste Nacht.

Nun fragte sie ihn: »Und weshalb?« Und er erwiderte ihr: »Siehe, als ich heute meinen Laden aufmachte, sah ich, daß jeder Kaufmann einen Sohn oder zwei und noch mehr hat, und daß sie gleich ihren Vätern in den Läden sitzen, und da sprach ich bei mir: »Siehe, der, welcher deinen Vater geholt hat, wird auch dich nicht verschonen.« In der Hochzeitsnacht aber ließest du mich schwören mir weder ein Nebenweib noch eine Beischläferin, sei es eine Abessinierin oder Griechin oder sonst eine Sklavin, zu halten, und auch niemals eine Nacht fern von dir zu verbringen; nun aber steht es so, daß du unfruchtbar bist, und ebensogut könnte ich einen Stein zum Weib haben.« Da erwiderte sie ihm: »Gottes Name schütze mich! Du bist allein daran schuld, nicht ich.« Nun fragte er: »Was soll ich denn thun, um ein Kind zu erhalten?« Und sie antwortete: »Du mußt zu den Drogisten gehn und nach einem Mittel gegen Unfruchtbarkeit suchen.«

Am nächsten Morgen erwachten beide voll Reue darüber, daß sie einander Vorwürfe gemacht hatten, der Kaufmann aber begab sich auf den Bazar zu einem Drogisten und fragte ihn, nachdem sie den Salâm ausgetauscht hatten: »Hast du ein Mittel gegen Kinderlosigkeit?« Der Drogist antwortete ihm: »Ich hatte eins, doch ist es mir ausgegangen. Frage meinen Nachbar.« Da ging er von einem Drogisten zum andern und fragte nach einem Mittel gegen Kinderlosigkeit, bis er, von allen ausgelacht, bei ihnen die Runde gemacht hatte und nun wieder in seinen Laden zurückkehrte und sich dort setzte. Auf dem Bazar handelte aber auch der Maklerobmann, ein Haschischesser, welcher dem Genuß von Opium, Latwerge und grünem Haschisch frönte. Der Name dieses 82 Obmanns war Scheich Mohammed Simsim. Derselbige war arm, und es war daher seine Gewohnheit, dem Kaufmann jeden Tag guten Morgen zu wünschen. Als er nun wieder wie üblich ankam und zu ihm sprach: »Es-Salâm aleikum, der Frieden sei auf euch!« gab ihm der Kaufmann verdrießlich den Salâm zurück, so daß er ihn fragte: »Mein Herr, warum bist du so verdrießlich?« Da erzählte er ihm alles, was sich zwischen ihm und seiner Frau zugetragen hatte, und sagte zu ihm: »Seit vierzig Jahren bin ich mit ihr verheiratet, ohne daß ich einen Sohn oder eine Tochter von ihr empfangen hätte, und man sagte mir, die Schuld hieran läge an mir. Darum suchte ich nach einem Heilmittel, doch fand ich keins.« Da sagte der Scheich Mohammed zu ihm: »Ich habe solch ein Mittel; doch was wirst du zu dem sagen, der dir dazu verhilft, daß dein Weib nach diesen vierzig Jahren von dir empfängt?« Der Kaufmann erwiderte ihm: »Wenn du dies zuwege bringst, so will ich dich aufs reichste beschenken.« Nun sagte der Scheich Mohammed: »Gieb mir einen Dinar;« und der Kaufmann sprach: »Nimm diese zwei Dinare.« Da nahm er sie und sagte: »Gieb mir die Porzellanschüssel dort.« Da reichte er ihm die Schüssel, und er nahm sie und ging zu einem Haschischverkäufer, von dem er zwei Unzen konzentriertes griechisches Opium und eine Portion chinesischen Kubebenpfeffer kaufte, ferner Zimmet, Gewürznelken, Kardamum, Ingwer, weißen Pfeffer und Bergeidechs. Alles dies zerstieß er und kochte es halbgar in feinem Öl. Dann that er noch drei Unzen körnigen arabischen Weihrauch hinzu und einen Becher Koriandersamen, weichte es in Wasser auf und knetete alles mit Bienenhonig zusammen. Alsdann that er den Brei in die Schüssel, brachte ihn dem Kaufmann und sagte zu ihm, indem er ihm die Schüssel überreichte: »Hier ist das Heilmittel; iß erst Hammelfleisch und Haustauben stark gepfeffert und gewürzt, nimm dann von dem Brei löffelweise ein und trink dazu Scherbett aus raffiniertem Zucker.«

Der Kaufmann schickte nun alles seiner Frau, und 83 befahl ihr es gut zu kochen und ihm aufzubewahren, bis er es verlangen würde; und die Frau that, wie ihr geheißen, und stellte ihm das Essen hin. Als er nun das Nachtmahl eingenommen hatte, verlangte er nach der Schüssel und aß von ihr, und, da es ihm gut schmeckte, aß er alles auf und ruhte bei seiner Frau. Sie aber ward noch in derselben Nacht von ihm schwanger, und die Monate gingen über sie hin, bis sich ihre Tage erfüllten, und die Wehen sich einstellten. Dann erscholl das Freudengeschrei, und die Wehmutter sprach als Talisman über das Kind die Namen Mohammed und Alī, und das »Allāh ist groß«, und rief den Azân in sein Ohr, dann wickelte sie das Kind ein und gab es seiner Mutter, und diese reichte ihm die Brüste und säugte es, und es trank sich satt und schlief, und die Wehmutter blieb drei Tage bei ihnen, bis sie die Süßigkeiten gemacht hatten und am siebenten Tage verteilten. Dann verstreuten sie SalzZum Schutz gegen das böse Auge., und der Kaufmann kam herein und beglückwünschte seine Frau zum guten Verlauf und fragte sie: »Wo ist Gottes anvertrautes Gut?« und dann reichte sie ihm ein wunderschönes Kind, das Werk des allgegenwärtigen Lenkers, ein Knäblein von sieben Tagen, das jeder, der es sah, für ein Jahr alt gehalten hätte. Wie nun der Kaufmann in sein Gesicht schaute, und dasselbe leuchten sah wie einen schimmernden Mond mit Schönheitsmalen auf den Wangen, fragte er seine Frau: »Wie willst du ihn heißen?« Sie entgegnete ihm: »Wäre es ein Mädchen, so würde ich ihm den Namen geben, da es aber ein Knabe ist, soll niemand anders als du ihm den Namen geben.« Nun herrschte aber unter dem Volk jener Tage die Sitte, daß sie ihre Kinder nach einem Omen den Namen gaben, und, während sie sich grade über den Namen berieten, sagte jemand zu seinem Freunde: »Mein Herr Alā ed-Dîn.« Da sagte der Kaufmann zu ihr: »Wir wollen ihn 84 Alā ed-Dîn Abusch-SchāmâtDer Ruhm des Glaubens, der Vater der Schönheitsmale. Sprich: Aladdîn. heißen.« Dann übergab er den Knaben den Ammen und Wärterinnen, und er trank zwei Jahre lang Milch, bis er entwöhnt wurde, und heranwuchs und auf dem Boden gehen konnte. Wie er aber sieben Jahre alt geworden war, brachten sie ihn aus Furcht vor dem Auge in ein unterirdisches Gemach, und der Vater sagte: »Er soll nicht eher wieder aus diesem Gemach herauskommen, bis ihm der Bart wächst.« Dann beauftragte er eine Sklavin und einen Sklaven mit seiner Bedienung, und das Mädchen machte ihm den Tisch zurecht, während der Sklave ihm denselben heruntertrug. Hierauf beschnitt er ihn und richtete ihm ein großes Bankett an, und dann ließ er einen Schriftgelehrten kommen, der ihn im Schreiben, im Koran und in den Wissenschaften unterrichtete, bis er ausgelernt hatte und reiche Kenntnisse besaß. Da traf es sich einmal, daß der Sklave ihm den Tisch brachte und hierbei die Fallthür offen stehen ließ, so daß Alā ed-Dîn aus dem unterirdischen Gemach herauskam und bei seiner Mutter eintrat, als gerade eine Gesellschaft vornehmer Frauen bei ihr anwesend war. Mitten in ihrer Unterhaltung mit seiner Mutter kam er plötzlich zu ihnen herein, gleich einem von dem Übermaß seiner Schönheit berauschten Mamluken, so daß die Frauen bei seinem Anblick ihre Gesichter verschleierten und zu seiner Mutter sagten: »Gott straf' dich, du . . ., wie kannst du diesen fremden Mamluken zu uns hereinlassen! Weißt du nicht, daß Züchtigkeit ebenfalls zum Glauben gehört?« Da sagte sie zu ihnen: »Sprecht Gottes Namen aus, denn dies ist mein Sohn, meines Herzens Frucht, der Sproß Schems ed-Dîns, des Obmanns der Kaufleute, das Kind der Amme, das Halsband, die Kruste und die Krume vom Brote.« Nun sagten sie zu ihr: »Unser Leben lang haben wir keinen Sohn von dir gesehen;« und sie entgegnete ihnen: »Sein Vater 85 hat ihn aus Furcht vor dem Auge in einem unterirdischen Gemach groß gezogen.

Zweihundertundeinundfünfzigste Nacht.

Wahrscheinlich hat der Eunuch die Thür aufgelassen, so daß er herauskam; unser Wille war es ihn nicht eher herauszulassen, als bis ihm der Bart wüchse.« Da beglückwünschten sie die Frauen, der Knabe aber verließ die Frauen wieder und begab sich hinaus zum Hof des Hauses, wo er sich in die Besuchshalle setzte. Während er nun dort saß, kamen mit einem Male die Sklaven mit dem Maultier seines Vaters an. Da fragte er sie: »Wo ist dieses Maultier gewesen?« Und sie antworteten ihm: »Wir hatten deinen Vater auf diesem Maultier nach seinem Laden geleitet und haben es nun wieder zurückgebracht.« Da fragte er sie weiter: »Was ist meines Vaters Gewerbe?« Sie antworteten ihm: »Dein Vater ist der Obmann der Kaufleute im Lande Ägypten, und er ist der Sultan der Söhne der Araber.« Als Alā ed-Dîn dies vernahm, ging er wieder zu seiner Mutter und fragte sie: »Mutter, was ist meines Vaters Gewerbe?« Sie antwortete ihm: »Mein Sohn, dein Vater ist Kaufmann und ist der Obmann aller Kaufleute in Ägypten und der Sultan der Söhne der Araber. Seine Sklaven fragen ihn nur um Rat, wenn es sich um den Verkauf eines Gegenstandes im Werte von mindestens tausend Dinaren handelt; bei einem Preis von neunhundert Dinaren und darunter thun sie es nicht sondern verkaufen nach eigenem Ermessen. Auch kommt keine Ware aus der ganzen Welt, sei es groß oder klein, an, die nicht unter deines Vaters Hand zu freier Verfügung käme. Ebenso wird auch keine Ware in Ballen gepackt und in die weite Welt ausgeführt, die nicht in deines Vaters Haus gewesen wäre, und Gott, der Erhabene, mein Sohn, hat deinem Vater viel Geld, so viel, daß es nicht gezählt werden kann, verliehen.« Da sagte Alā ed-Dîn: »Mutter, gelobt sei Gott, daß er mich zum Sohn des Sultans der Söhne 86 der Araber gemacht hat! Ist aber mein Vater Obmann der Kaufleute, weshalb habt ihr mich in das unterirdische Gemach gesetzt und dort eingesperrt gehalten?« Seine Mutter entgegnete ihm hierauf: »Mein Sohn, dein Vater und ich, wir haben dich nur aus Furcht vor dem Auge der Leute in das unterirdische Gemach gesetzt, denn das böse Auge ist wahr und wahrhaftig, und die Mehrzahl der Menschen ruht um des Auges willen im Grabe.« Da sagte Alā ed-Dîn: »Ach, Mutter, wo giebt's einen Zufluchtsort vor der Bestimmung? Vorsicht wehrt das Verhängnis nicht ab, und vor dem, was einem geschrieben ward, giebt's kein Entrinnen. Siehe, der, welcher meinen Großvater geholt hat, wird auch meinen Vater nicht verschonen; wenn er auch heute noch lebt, so lebt er doch morgen nicht mehr, und wenn nun mein Vater gestorben ist, und ich erscheine und sage: »Ich bin Alā ed-Dîn, der Sohn des Kaufmanns Schems ed-Dîn,« so wird es mir kein Mensch glauben, und die Alten werden sagen: »Wir haben unser Lebenlang weder einen Sohn noch eine Tochter von Schems ed-Dîn gesehen,« – und dann kommt das Schatzhaus und zieht meines Vaters Gut ein. Gott habe den selig, der da gesagt hat: »Stirbt der Edle, so geht sein Gut dahin, und die gemeinsten Menschen nehmen seine Weiber an sich!« Darum, Mutter, sprich zu meinem Vater, daß er mich mit sich auf den Bazar nimmt, daß er mir dort einen Laden aufmacht, in dem ich mit Waren sitze, und daß er mich das Verkaufen und Kaufen, das Nehmen und Geben lehrt.« Seine Mutter erwiderte ihm darauf: »Mein Sohn, wenn dein Vater nach Hause kommt, will ich mit ihm darüber reden.«

Als nun der Kaufmann nach Hause kam und dort seinen Sohn Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât bei seiner Mutter sitzen sah, fragte er: »Warum hast du ihn aus seinem unterirdischen Gemach herausgeholt?« Da sagte sie zu ihm: »Mein Vetter, ich habe ihn nicht herausgelassen, vielmehr ließen die Diener die Thür auf. Als ich hier saß in Gesellschaft vornehmer Frauen, kam er mit einem Male zu uns herein; darauf 87 erzählte sie ihm, was sein Sohn zu ihr gesagt hatte. Da sagte er zu ihm: »Mein Sohn, morgen, so Gott will, der Erhabene, nehme ich dich mit auf den Bazar, jedoch, mein Sohn, das Sitzen in den Bazaren und Kaufläden erfordert unter allen Umständen Anstand und tadelloses Benehmen.«

Erfreut über seines Vaters Worte, verbrachte Alā ed-Dîn die Nacht; am nächsten Morgen aber nahm ihn sein Vater ins Warmbad und zog ihm einen Anzug an, der einen Haufen Geld gekostet hatte. Als sie dann gefrühstückt und Scherbetts getrunken hatten, bestieg er sein Maultier, ließ seinen Sohn ebenfalls ein Maultier besteigen und machte sich, ihn hinter sich nehmend, nach dem Bazar auf, wobei die Leute den Knaben anstaunten, da er wie der Mond in der vierzehnten Nacht aussah. Nun pflegte der Scheich Mohammed, sobald der Kaufmann des Morgens von Hause gekommen war und sich in den Laden gesetzt hatte, in Begleitung der Kaufleute bei ihm die Eröffnungssure des Korans vorzutragen und ihm guten Morgen zu wünschen, worauf sich ein jeder von ihnen nach seinem Laden begab. Als daher der Scheich und die Kaufleute wieder zu ihm kamen und zu ihrer Verwunderung den schönen Knaben bei ihm im Laden sitzen sahen, erzählte er ihnen, daß es sein Sohn wäre, den er so lange aus Furcht vor dem Auge in einem unterirdischen Gemach verborgen erzogen hätte, und daß es sein Wille gewesen wäre, ihn nicht eher herauszulassen, als bis er den Bart mit der Hand hätte ziehen können, daß seine Mutter es jedoch nicht gewollt hätte und in ihn gedrungen wäre ihm einen Laden mit Waren aufzumachen und ihn das Kaufen und Verkaufen zu lehren. Da wünschten sie ihm zu dem Knaben Glück und sagten: »Mag unser Herr die Wurzel und den Zweig behüten! Doch selbst der Arme unter uns kann nicht umhin, wenn ihm ein Sohn oder eine Tochter geboren ist, eine Schüssel AsîdeEin Gericht aus Mehlbrei, Honig und zerlassener Butter. für seine Brüder anzurichten 88 und seine Bekannten und Verwandten dazu einzuladen, du aber hast das nicht gethan.« Der Kaufmann erwiderte ihnen: »Ich bin in eurer Schuld, und im Garten wollen wir uns treffen.«

Zweihundertundzweiundfünfzigste Nacht.

Am nächsten Morgen schickte der Kaufmann den Zimmerdiener zu dem Saal und dem Gartenhaus und befahl ihm beides herzurichten. Dann schickte er die Sachen zum Kochen, wie Lämmer, zerlassene Butter und dergleichen erforderlichen Dinge und richtete zwei Tische her, den einen im Gartenhaus und den andern im Saal. Hierauf gürteten sich der Kaufmann Schems ed-Dîn und sein Sohn Alā ed-Dîn, und Schems ed-Dîn sagte zu seinem Sohne: »Mein Sohn, wenn ein Graukopf kommt, so empfange ich ihn und weise ihm den Platz am Tisch im Gartenhaus an, du aber mein Sohn, empfange die bartlosen Burschen und weise ihnen den Platz am Tisch im Saal an.« Da fragte ihn Alā ed-Dîn: »Weshalb dies, mein Vater? Warum richtest du zwei Tische an, den einen für die Männer und den andern für die Jungen?« Und der Kaufmann antwortete: »Mein Sohn, die bartlose Jugend schämt sich mit den Männern zu essen.« Und sein Sohn war dessen zufrieden.

Wie nun die Kaufleute kamen, empfing Schems ed-Dîn die Männer und wies ihnen den Platz im Gartenhaus an, sein Sohn Alā ed-Dîn aber empfing die Jungen und geleitete sie in den Saal. Darauf wurden die Speisen aufgetragen und sie aßen und tranken, ließen es sich gut schmecken und waren fröhlich, und tranken die Scherbetts, während die Diener das Räucherwerk aufsteigen ließen. Dann begannen die Alten Gespräche über Wissenschaft und die Tradition vom Propheten zu führen, während die Jungen, unter denen Alā ed-Dîn auf dem Ehrenplatz saß, sich über Handelsgeschäfte unterhielten, wobei einer von ihnen seinen Nachbar fragte: »Mein Herr Hasan, sag' mir doch, woher du das Kapital hast, mit dem du handelst?« Darauf 89 antwortete er ihm: »Als ich erwachsen und mannbar geworden war, sagte ich zu meinem Vater: »Mein Vater, gieb mir Waren.« Mein Vater aber sagte zu mir: »Mein Sohn, ich habe nichts bei mir, doch geh' und borge dir etwas Geld von einem der Kaufleute; handele damit und lerne das Verkaufen und Kaufen und das Nehmen und Geben.« Da begab ich mich zu einem der Kaufleute und lieh mir von ihm tausend Dinare, für die ich mir Zeug kaufte. Hiermit reiste ich nach Syrien und erzielte das Doppelte dafür; dann kaufte ich in Syrien Waren ein und reiste damit nach Bagdad, wo ich dieselben wieder für das Doppelte verkaufte, und so handelte ich, bis mein Kapital gegen zehntausend Dinare betrug.« In ähnlicher Weise erzählte jeder seine Geschichte, bis die Reihe und das Wort an Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât kam, und man ihn fragte: »Und du, mein Herr Alā ed-Dîn?« Da sagte er zu ihnen: »Ich ward in einer unterirdischen Kammer erzogen und kam aus derselben erst in dieser Woche heraus; nun gehe ich zum Laden und kehre dann wieder heim.« Die andern versetzten darauf: »Du bist gewöhnt zu Hause zu hocken und kennst nichts von der Lust, die das Reisen gewährt. Reisen ist allerdings nur Sache der Männer.« Da entgegnete er: »Ich habe es nicht nötig zu reisen; die Ruhe ist unbezahlbar.« Nun sagte einer unter ihnen zu seinem Nachbar: »Der ist wie ein Fisch, welcher stirbt, wenn er aus dem Wasser kommt;« die andern aber sagten zu ihm: »Alā ed-Dîn, der Ruhm der jungen Kaufmannssöhne liegt allein im Reisen um des Gewinns willen.« Hierüber erzürnte sich Alā ed-Dîn und verließ mit Thränen im Auge und bekümmerten Herzens die jungen Leute, setzte sich auf sein Maultier und ritt nach Hause. Als ihn dort seine Mutter, aufgebracht und mit Thränen im Auge, erblickte, fragte sie ihn: »Warum weinst du, mein Sohn?« Er antwortete: »Alle die jungen Kaufmannssöhne schalten mich und sagten: »Nichts bringt einem jungen Kaufmann mehr Ruhm ein als das Reisen für Profit an Silber und Gold.« 90

Zweihundertunddreiundfünfzigste Nacht.

Da fragte ihn seine Mutter: »Mein Sohn, ist es dein Wunsch zu reisen?« Er antwortete: »Jawohl.« Nun fragte sie: »Und nach welcher Stadt beabsichtigst du zu reisen?« Er antwortete: »Nach der Stadt Bagdad, denn dort verdienen die Leute hundert Prozent.« Da sagte sie zu ihm: »Mein Sohn, dein Vater hat viel Gut, doch, sollte er dir von seinem Gut keine Waren beschaffen, so will ich es von dem meinigen thun.« Alā ed-Dîn erwiderte ihr darauf: »Schnelle Gabe ist beste Gabe; willst du ein gutes Werk thun, so ist dies die Zeit dazu.« Da ließ sie die Sklaven vor sich kommen und schickte sie zu den Zeugverpackern, worauf sie ein Magazin öffnete und daraus für ihn Zeuge hervorholte; und die Packer verpackten ihm davon zehn Lasten.

Soviel, was seine Mutter anlangt; wie nun aber sein Vater sich umschaute und seinen Sohn Alā ed-Dîn nicht im Garten fand, erkundigte er sich nach ihm und hörte, daß er sein Maultier bestiegen hätte und nach Hause geritten sei. Da setzte er sich ebenfalls auf und ritt ihm nach. Als er in sein Haus trat und dort die gepackten Lasten sah, fragte er danach, worauf ihm seine Frau mitteilte, was zwischen den Kaufmannssöhnen und ihrem Sohne Alā ed-Dîn vorgefallen war. Da sagte er zu seinem Sohne: »Mein Sohn, Gott verdamme das Reisen in die Fremde! Sagt doch auch der Prophet – Gott segne ihn und spende ihm Heil! –: Glückselig der Mann, der sich in seiner Heimat nährt! und die Alten sagen: Laß das Reisen, sei es auch nur eine Meile weit.« Dann fragte er seinen Sohn: »Bist du wirklich fest zum Reisen entschlossen und willst du davon nicht mehr abstehen?« Alā ed-Dîn antwortete ihm: »Ich muß nach Bagdad mit Waren reisen oder ich ziehe meine Kleider aus und fahre im Derwischgewand durch die Welt.« Da sagte sein Vater: »Ich bin nicht arm und mittellos sondern habe viel Gut.« Darauf zeigte er ihm all sein Gut, seine Waren und Zeuge 91 und sagte zu ihm: »Ich habe Zeuge und Waren, die für jedes Land passen,« und zeigte ihm unter der ganzen Masse vierzig verpackte Lasten, auf jeder von denen ihr Preis im Betrage von tausend Dinaren geschrieben stand: »Nimm diese vierzig Lasten, mein Sohn,« so sprach er dann, »noch zu den zehn Lasten von deiner Mutter und reise damit unter Gottes, des Erhabenen, Schutz; doch fürchte ich für dich unterwegs einen Wald, mein Sohn, der Löwenbusch geheißen, und ein Thal, genannt das Hundethal; dort läßt man sein Leben ohne Gnade und Barmherzigkeit.« Da fragte Alā ed-Dîn: »Und weshalb das, mein Vater?« Und der Kaufmann antwortete ihm: »Dort haust ein Beduine, ein Buschklepper, Namens Adschlân.« Alā ed-Dîn entgegnete jedoch seinem Vater: »Das Leben kommt von Gott; hab' ich Teil an ihm, so widerfährt mir kein Schaden.« Darauf setzte sich Alā ed-Dîn mit seinem Vater auf und ritt nach dem Bazar der Lasttiere, wo ein Packmeister bei ihrem Anblick von seinem Maultier sprang, und zu dem Obmann der Kaufleute, ihm die Hand küssend, sagte: »Bei Gott, lange Zeit, mein Herr, lange Zeit hast du uns nichts zu thun gegeben.« Der Kaufmann entgegnete ihm: »Jede Zeit hat ihren Lauf und ihre Männer; Gott hab' den selig, der da gesagt hat:

Ein Alter schritt, zur Erde gebeugt, einher,
Des Bart bis tief auf seine Kniee fiel.
Da fragt' ich ihn: Was beugst du dich so tief?
Er sprach, und seine Hände hob er zu mir:
Verloren hab' ich meine Jugend im Staub,
Nun schreit' ich, sie suchend, gebückt einher.«

Als er seine Verse beendet hatte, sagte er: »Meister, es ist nicht mein, sondern meines Sohnes Wunsch, zu reisen.« Da sagte der Verlader: »Gott schütze ihn dir!« Hierauf schloß der Kaufmann zwischen dem Verlader und seinem Sohne einen Kontrakt, wonach er ihn zum Vater seines Sohnes einsetzte und denselben seiner Obhut anempfahl, und sagte zu ihm: »Hier hast du hundert Dinare für deine 92 Burschen.« Dann kaufte er sechzig Maultiere und eine Grabdecke für den Seijid Abd el-Kâdir El-DschīlânīEin berühmter Heiliger, Stifter eines Derwischordens, † 1165 und zu Bagdad begraben. und sagte zu seinem Sohne: »Mein Sohn, in meiner Abwesenheit wird er Vaterstelle bei dir vertreten, und du gehorche ihm in allen seinen Worten.« Dann ritt er mit den Maultieren und den Burschen fort, und sie veranstalteten in jener Nacht eine Koranverlesung und ein Fest zu Ehren des Scheichs Abd el-Kâdir El-Dschīlânī. Am nächsten Morgen gab der Obmann der Kaufleute seinem Sohne zehntausend Dinare und sagte zu ihm: »Wenn du nach Bagdad gekommen bist und du das Zeug leicht verkäuflich findest, so verkauf' es, wenn nicht, so leb' von diesem Geld.« Darauf wurden die Maultiere beladen, und sie nahmen voneinander Abschied und machten sich auf den Weg zur Stadt hinaus.

Zweihundertundvierundfünfzigste Nacht.

Ihre Reise ging durch die Steppen und Wüsten über Damaskus und Aleppo glücklich von statten, bis sie nur noch eine Station von Bagdad entfernt waren und zu einem Wadi kamen, wo Alā ed-Dîn Halt machen wollte. Da sagte der Packmeister: »Steigt hier nicht ab, sondern zieht schnell weiter, damit wir Bagdad erreichen, bevor die Thore verschlossen werden, da man dort die Thore stets mit der Sonne aufmacht und verschließt, damit die Ketzer nicht die Stadt erobern und die theologischen Werke in den Tigris werfen.«Unter den Ketzern sind die schiitischen Perser zu verstehen. Alā ed-Dîn entgegnete ihm jedoch: »Mein Vater, ich bin in dieses Land mit meinen Waren nicht des Handels willen gezogen sondern um die Welt kennen zu lernen.« Wie ihm nun der Packmeister erwiderte: »Mein Sohn, wir sind um dich und um dein Gut vor den Arabern besorgt,« erwiderte ihm Alā ed-Dîn: »Mann, bist du der Diener oder der Herr? Ich ziehe erst am nächsten Morgen in Bagdad ein, damit das 93 Volk von Bagdad meine Waren schaut und erkennt, wer ich bin;« worauf der Packmeister sagte: »Thu nach deinem Belieben, ich habe dir zum guten geraten, doch du mußt am besten wissen, wie du heil davon kommst.« Alā ed-Dîn befahl nun den Leuten die Lasten von den Maultieren abzuladen, und sie thaten es und stellten das Zelt auf, worauf sie bis Mitternacht saßen, als Alā ed-Dîn eines Bedürfnisses wegen hinausging. Da sah er etwas in der Ferne blitzen, und, wie er nun den Packmeister fragte und zu ihm sagte: »Meister, was ist das, was da schimmert?« und dieser es betrachtete und scharf ins Auge faßte, sah er, daß der Schimmer von Lanzenspitzen und dem Stahl der Waffen und Schwerter von Beduinen herrührte. Es waren aber arabische Buschklepper unter ihrem Führer, dem Araberscheich Adschlân Abū Nâib. Als dieselben nahe an sie herangekommen waren und ihre Lasten sahen, riefen sie einander zu: »O Beutenacht!« Sobald der Packmeister Kamâl ed-Dîn diese Worte von ihnen vernahm, rief er: »Pack dich, du Araberwicht!« Da stieß ihm Abū Nâib mit dem Speer vor die Brust, daß die Spitze blitzend zum Rücken herausfuhr, und er tot vor der Zeltthür zu Boden stürzte. Nun rief der Wasserträger: »Pack dich, du Araberlump!« Da versetzte ihm einer einen Schwertstreich in den Nacken, daß die Klinge blitzend die Halssehnen durchschnitt und er tot zu Boden stürzte, während Alā ed-Dîn dastand und den Vorgängen zuschaute. Darauf umzingelten die Araber die Karawane von allen Seiten und attackierten sie, bis sie alle bis auf den letzten Mann von Alā ed-Dîns Leuten niedergemacht hatten, worauf sie die Lasten auf die Rücken der Maultiere luden und abzogen, während Alā ed-Dîn bei sich sprach: »Nur dein Maultier und dieser dein Anzug wird dir das Leben kosten,« und nun seine Sachen bis aufs Hemde und die Hosen auszog und auf den Rücken eines Maultiers warf. Wie er sich dann umblickte und vor der Zeltthür eine Lache vom Blute der Ermordeten gewahrte, wälzte er sich darin, bis daß er wie ein Ermordeter aussah, 94 der in seinem Blute schwamm. So viel, was Alā ed-Dîn anlangt. Der Araberscheich Adschlân aber fragte seine Schar: »Ihr Araber, kam diese Karawane aus Ägypten oder von Bagdad?«

Zweihundertundfünfundfünfzigste Nacht.

Als sie ihm antworteten, daß sie aus Ägypten gekommen wäre, sagte er zu ihnen: »So kehret noch einmal zu den Erschlagenen um, da ich glaube, daß der Herr der Karawane noch nicht tot ist.« Da kehrten die Buschklepper wieder zu den Erschlagenen um und bearbeiteten dieselben von neuem mit Lanzenstößen und Schwerthieben, bis sie zu Alā ed-Dîn kamen, der mitten unter den Toten lag. Als sie zu ihm kamen, sagten sie: »Du stellst dich nur tot, doch wir wollen dir schon den Garaus machen;« darauf hob einer der Buschklepper seinen Speer und wollte ihm denselben in die Brust stoßen, doch da rief Alā ed-Dîn: »Deinen Segen, o mein Herr Abd-el-Kâdir, o Heiliger von Dschīlân!« Und siehe, da gewahrte er, wie eine Hand den Speer von seiner Brust nach Kamâl ed-Dîns Brust lenkte, so daß der Beduine denselben durchbohrte und ihn verfehlte. Darauf luden die Buschklepper auf und machten sich wieder davon.

Als nun Alā ed-Dîn sah, daß die Vögel mit seinem Gut fortgeflogen waren, lief er eilends davon, als mit einem Male der Beduine Abū Nâib zu seinen Raubgesellen sagte: »Ich sehe sich etwas in der Ferne bewegen, ihr Araber.« Da kehrte einer der Araber um und rief Alā ed-Dîn nach, als er ihn davonlaufen sah: »Dein Laufen soll dir nichts nützen, wo wir hinter dir her sind.« Dann spornte er seine Stute an und setzte ihm nach. Alā ed-Dîn aber gewahrte nun eine Tränke mit Wasser vor sich, neben welcher sich eine Cisterne befand, und stieg in ein Fenster derselben, wo er sich lang ausstreckte und schlafend stellte, indem er bei sich sprach: »O gütiger Schützer, deine Decke ist's, die nicht aufgedeckt wird!« Da stand aber auch schon der Beduine unten an der Cisterne und streckte seine Hand aus, um Alā ed-Dîn zu packen, 95 während Alā ed-Dîn rief: »Ach, deinen Segen, o Herrin Nafîse,Ebenfalls eine Heilige, † 824 in Kairo. deine Zeit ist jetzt gekommen!« Und siehe! Da stach ein Skorpion den Beduinen in die Handfläche, daß er laut schrie: »Ihr Araber, heran zu mir, ich bin gestochen!« worauf er von seinem Gaul stieg. Da kamen seine Gesellen zu ihm, setzten ihn wieder auf und fragten ihn: »Was ist mit dir vorgefallen?« und er antwortete: »Mich hat ein Skorpion gestochen.« Hierauf zogen sie mit der Karawane ab, während Alā ed-Dîn die Nacht über in dem Fenster der Cisterne zubrachte. Am andern Morgen ging er dann in die Stadt, wo die Hunde bellend hinter ihm herliefen, bis er eine offene Moschee fand, in deren Vestibül er sich bis zum Abend versteckte. Mit einem Male sah er, wie ein Licht sich näherte, und erkannte bei genauerm Zusehen, daß es von zwei Laternen herrührte, welche von zwei Sklaven getragen wurden, die zwei Kaufleuten voranschritten, von denen der eine ein Greis mit hübschem Angesicht und der andere ein junger Mann war. Da hörte er, wie der Jüngling zu dem Greis sagte: »Um Gott, mein Oheim, gieb mir meine Base wieder.« Der Greis erwiderte ihm jedoch: »Habe ich es dir nicht schon zu widerholten Malen verboten, da du die Scheidung wie die heilige Schrift fortwährend im Munde führtest?« Dann schaute der Greis um sich, und, wie er nun Alā ed-Dîn erblickte, der in seiner Schönheit einem Stück vom Mond glich, sagte er zu ihm: »Frieden sei auf dir!« Alā ed-Dîn erwiderte ihm den Salâm, und nun fragte ihn der Greis: »Jüngling, wer bist du?« Er antwortete: »Ich bin Alā ed-Dîn, der Sohn Schems ed-Dîns, des Obmanns der Kaufleute von Kairo. Ich bat meinen Vater um Waren, und er machte mir fünfzig Lasten zurecht –

Zweihundertundsechsundfünfzigste Nacht.

und gab mir außerdem zehntausend Dinare, worauf ich mich auf den Weg machte und ungefährdet bis zum 96 Löwenwald gelangte. Da aber überfielen mich arabische Buschklepper und raubten mir mein Geld und Gut. So kam ich in diese Stadt, und suchte an diesem Ort hier Unterkunft, da ich nicht wußte, wo ich sonst die Nacht über hätte zubringen können.« Als der Greis seine Erzählung vernommen hatte, sagte er zu ihm: »Mein Sohn, was sagst du dazu, wenn ich dir tausend Dinare und einen Anzug im Werte von tausend Dinaren dazu gebe?« Da fragte Alā ed-Dîn: »Zu welchem Zwecke wolltest du mir dies schenken, mein Oheim?« Der Greis erwiderte: »Siehe, dieser Jüngling hier ist meines Bruders einziger Sohn und ich habe eine einzige Tochter, Subeide die Lautnerin geheißen. Sie ist schön und anmutig, und ich hatte sie mit ihm verheiratet. Er liebte sie auch, sie aber konnte ihn nicht leiden. Als er nun einmal bei der dreifachen Scheidung schwor und den Eid brach, hatte sie nichts eiligeres zu thun, als ihn zu verlassen, worauf er alle Leute in Bewegung setzte, daß ich ihm meine Tochter wiedergeben sollte. Doch erklärte ich ihm, daß dies nur nach einer Zwischenehe geschehen dürfe, und wir einigten uns dahin, einen Fremden zum Zwischengatten zu nehmen, damit ihm niemand in dieser Sache Vorwürfe machen könnte.Nach dem Koran darf der Mann sich dreimal von seiner Frau scheiden lassen, dann aber darf er sie nur mit ihrer Einwilligung und durch einen neuen Ehekontrakt heiraten, nachdem ein anderer mit ihr die Ehe eingegangen ist und sich von ihr hat scheiden lassen. Dieser Zwischenehemann ist der sogenannte Mustahall oder Muhallik. Die dreifache Scheidung kann aber auch, wie hier, auf einmal ausgesprochen werden. Da du nun ein Fremder bist, so komm' mit uns, daß wir deinen Ehekontrakt mit ihr schreiben und du die Nacht über bei ihr bleibst. Am nächsten Morgen hast du sie dann zu verlassen, und wir schenken dir das Besagte.« Da sprach Alā ed-Dîn bei sich: »Eine Nacht bei einer Braut in einem Hause im Bett zu verbringen ist besser als auf den Straßen und in den Fluren zu nächtigen,« und ging mit ihnen zum Kadi. Als der Kadi Alā ed-Dîn 97 erblickte, gewann ihn sein Herz sogleich lieb, und er fragte den Vater des Mädchens: »Was ist euer Begehr?« Der Greis erwiderte: »Wir wollen diesen jungen Mann zum Zwischengatten für unsere Tochter haben, doch wollen wir ihn durch ein Dokument verpflichten zehntausend Dinare als Hochzeitsgabe voraus zu zahlen. Läßt er sich von ihr nach der Hochzeitsnacht scheiden, so wollen wir ihm einen Anzug für tausend Dinare, ein Maultier für tausend Dinare und noch tausend Dinare in bar dazu geben, läßt er sich aber nicht scheiden, so hat er dir zehntausend Dinare zu zahlen.« Hierauf schlossen sie den Vertrag unter dieser Bedingung ab, und der Vater des Mädchens nahm den Kontrakt an sich und nahm Alā ed-Dîn mit sich nach Hause, wo er ihn in den Anzug kleidete, worauf er sich mit ihm zu dem Hause seiner Tochter begab. Indem er ihn hier an der Thür warten ließ, ging er selber zu ihr herein und sagte zu ihr: »Nimm den Schein für deine Brautgabe, denn ich habe dich mit einem hübschen Jüngling, Namens Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât verheiratet; nimm ihn daher aufs beste auf.« Darauf übergab er ihr das Dokument und ging wieder nach Hause.

Nun hatte aber ihr Vetter eine Wirtschafterin, welche Subeide die Lautnerin, die Tochter seines Oheims, zu besuchen pflegte, und an welcher er manches Gute gethan hatte. Zu dieser sagte er: »Meine Mutter, wenn meine Base Subeide diesen hübschen Jüngling sieht, wird sie mich hernach nicht mehr haben wollen; ich möchte daher gern, daß du durch irgend eine List die beiden voneinander fern hältst.« Die Wirtschafterin erwiderte ihm hierauf: »Bei dem Leben deiner Jugend, ich will es nicht zulassen, daß er sich ihr nähert.« Darauf begab sie sich zu Alā ed-Dîn und sagte zu ihm: »Mein Sohn, ich will dir um Gottes willen einen guten Rat erteilen, und du nimm meinen Rat an. Nähere dich dem Mädchen nicht, laß sie allein schlafen, fasse sie nicht an und bleib' ihr fern.« Da fragte er sie: »Weshalb dies?« 98 Und nun erwiderte sie ihm: »Ihr Leib ist über und über voll Aussatz, und ich fürchte, sie steckt dir deine hübsche Jugend an.« Als Alā ed-Dîn dies vernahm, sagte er: »Ich bedarf ihrer nicht.« Alsdann begab sie sich zu dem Mädchen und sagte ihr dasselbe, was sie zu Alā ed-Dîn gesagt hatte, worauf sie ebenfalls erklärte: »Ich bedarf seiner nicht sondern will ihn allein schlafen lassen; am andern Morgen mag er seines Weges gehen.« Dann rief sie eine Sklavin und sagte zu ihr: »Nimm den Speisetisch und setz ihm denselben vor, daß er zur Nacht essen mag.«

Als ihm nun die Sklavin den Speisetisch vorgesetzt hatte, aß er, bis er genug hatte, worauf er sich setzte und mit wohlklingender Stimme die Sure I. S.Die 36. Sure, das »Herz des Korans«. hersagte. Das Mädchen hörte aber seinen Vortrag und fand, daß seine Stimme süß war wie Davids Psalmen, so daß sie bei sich sprach: »Gott verdamme die alte Vettel, die mir sagte, er sei vom Aussatz geschlagen! Ein Aussätziger hat keine so schöne Stimme; das ist alles nur erlogen.« Darauf nahm sie eine Laute indischen Fabrikats zur Hand, stimmte ihre Saiten und sang zu ihrem Spiel mit einer so süßen Stimme, daß die Vögel mitten im Himmel stehen blieben, indem sie die beiden Verse vortrug:

Ich lieb' ein Reh mit träumerisch schwarzem Aug',
Des Gang die Rute des Bân mit Neid erfüllt.
Mich weist er ab und beglückt einen andern Schatz,
Doch Gott gewährt seine Gaben, so wie Er will.

Als er sie diese Verse singen hörte, sang er, nachdem er die Sure beendet hatte, nun seinerseits folgenden Vers:

Meinen Salâm der Gestalt, die in den Kleidern sich birgt,
Und den Rosen, die hold in dem Garten der Wangen erblühn.

Da erhob sich das Mädchen, von wachsender Liebe zu ihm ergriffen, und hob den Vorhang. Als aber Alā ed-Dîn sie nun erblickte, sang er die folgenden beiden Verse: 99

Sie erscheint wie der Mond und wiegt sich im Gang wie die Rute des Bân,
Ambra duftet sie aus, und ihr Aug' ist gazellenschön.
Mir ist, als hätte der Kummer sich glühend verliebt in mein Herz,
Denn meidet sie mich, so sucht der Kummer zur Stunde mich auf.

Hierauf kam sie stolz, ihre Hüften schaukelnd und ihre Gestalt wiegend, heran, das Werk dessen, des Gaben verborgen sind, und jeder schaute den andern mit einem Blicke an, der tausend Seufzer weckte. Als aber der Pfeil der beiden Blicke in seinem Herzen saß, sprach er die beiden Verse:

»Sie schaute den Mond am Himmel und ließ mich gedenken der Nächte,
Da wir selbander auf grünender Matte geruht.
Wir beide, wir sahn einen Mond, doch schaute ich ihn
In ihrem Aug' und sie in dem meinigen.«

Als sie ihm nun so nahe stand, daß nur noch zwei Schritte sie trennten, sprach er die beiden Verse:

»Drei Flechten ihres Haares breitete sie vor mir aus,
Nacht war's, und da sah ich der Nächte vier.
Zum Mond am Himmel hob sie ihr Antlitz auf,
Und Sonne und Mond erblickt' ich zu gleicher Zeit.«

Hierauf trat sie ganz nahe an ihn heran, doch da sagte er zu ihr: »Tritt zurück von mir, daß du mich nicht ansteckst.« Da entblößte sie ihm ihr Handgelenk, und siehe, da war es von ihren Adern in der Mitte in zwei gleiche Teile geteilt und schimmerte weiß wie reines Silber. Dann sagte sie zu ihm: »Tritt du zurück, denn du bist vom Aussatz geschlagen, damit du mich nicht ansteckst.« Nun fragte er sie: »Wer hat dir denn gesagt, daß ich aussätzig bin?« Sie antwortete: »Die Alte hat es mir gesagt.« Da sagte er: »Und mir hat die Alte ebenfalls gesagt, daß du aussätzig wärest;« darauf entblößte er ihr seine Arme bis zum Ellenbogen, und sie sah, daß seine Haut rein wie lauteres Silber war. Da preßte sie ihn an die Brust, und er zog sie an seine Brust, und sie umarmten einander und ruhten 100 beisammen. Als aber der Morgen kam, rief er: »O über die Freude, die nicht vollkommen ist! Der Rabe raubt sie und fliegt mit ihr von dannen!« Da fragte sie ihn: »Was bedeuten diese Worte?« Darauf antwortete er ihr: »Meine Herrin, ich darf nur noch diese Stunde bei dir weilen.« Nun fragte sie: »Wer sagt das?« Und er erwiderte: »Dein Vater ließ mich ein Dokument ausfertigen, wonach ich zehntausend Dinare als Brautgabe zu zahlen habe. Zahle ich sie nicht noch heute aus, so sperren sie mich dafür ins Kadihaus ein, und ich habe in meiner Hand nicht einmal einen halben Dirhem von diesen zehntausend Dinaren.« Da sagte sie zu ihm: »Mein Herr, ist der Ehekontrakt in deiner Hand oder in ihrer?« Er antwortete: »Er ist in meiner Hand, doch hab' ich nichts.« Da sagte sie: »Die Sache ist einfach; fürchte nichts. Hier hast du hundert Dinare, hätte ich mehr, ich würde dir soviel geben, als du brauchst, doch hat mein Vater in seiner Liebe zu seinem Bruderssohn all sein Gut mitsamt meinen Juwelen von mir nach seinem Hause hinübergeschafft. Schicken sie aber morgen einen Gerichtsbeamten, –

Zweihundertundsiebenundfünfzigste Nacht.

und sagt der Kadi und mein Vater zu dir: »Trenn dich von deiner Frau,« so sprich zu ihnen: »Nach welchem Gesetz ist es mir erlaubt mich am Abend zu verheiraten und am Morgen von meinem Weib scheiden zu lassen?« Dann küß dem Kadi die Hand und gieb ihm ein Geschenk; ebenso küß den Zeugen die Hand und gieb jedem zehn Dinare. Sie werden dann alle mit dir reden, und, wenn sie dich fragen: »Warum willst du dich nicht von ihr scheiden lassen und die tausend Dinare, das Maultier und den Anzug nehmen, wie wir es kontraktlich mit dir ausbedungen haben?« so sprich zu ihnen: »Jedes Haar von ihr ist mir tausend Goldstücke wert, und nimmer will ich mich von ihr trennen noch einen Anzug oder sonst etwas nehmen.« Wenn dann der Kadi zu dir sagt: »So bezahl die Morgengabe,« so sprich zu ihm: 101 »Ich bin augenblicklich blank;« und der Richter und die Zeugen werden dann Nachsicht üben und dir eine Frist bewilligen.«

Während sie noch miteinander redeten, kam mit einem Male der Gerichtsbote und klopfte an die Thür; als nun Alā ed-Dîn herausging, sagte der Bote zu ihm: »Entsprich dem Befehl des Efendī,Ein türkischer Titel, das griechische a}uqénthV. dein Schwiegervater verlangt nach dir.« Da gab ihm Alā ed-Dîn fünf Dinare und fragte ihn: »Gerichtsdiener, nach welchem Gesetz hab ich mich am Abend zu verheiraten und am Morgen wieder von meinem Weib zu trennen?« Der Bote antwortete: »Nach keinem unserer Gesetze; wenn du das Recht nicht kennst, so will ich dein Advokat sein.« Sie gingen nun zum Gerichtshof, wo man ihn fragte: »Warum entläßt du nicht dein Weib und nimmst deinen ausbedungenen Lohn?« Da trat Alā ed-Dîn an den Richter heran, küßte ihm die Hand und fragte ihn, indem er fünfzig Dinare vor ihm niederlegte: »O mein Herr Kadi, nach welchem Gesetz bin ich verpflichtet, mich am Abend zu verheiraten und mich am Morgen wider meinen Willen scheiden zu lassen?« Und der Richter antwortete nun: »Eine Scheidung durch Zwang ist nach keiner moslemischen Schule gestattet.« Da sagte der Vater des Mädchens: »Wenn du dich nicht von ihr trennen willst, so bezahl mir ihre Brautgabe von zehntausend Dinaren.« Alā ed-Dîn erwiderte: »Gewähre mir eine Frist von drei Tagen.« Der Kadi sagte jedoch: »Drei Tage sind eine zu kurze Frist; er soll dir zehn Tage Zeit lassen.« Alsdann einigten sie sich und verpflichteten ihn, entweder nach zehn Tagen die Morgengabe zu zahlen oder sich von seinem Weib scheiden zu lassen, worauf er sie verließ und Fleisch, Reis, zerlassene Butter und die übrigen zum Essen erforderlichen Sachen einkaufte und damit nach Hause ging, wo er seiner Frau alles, was vorgefallen war, erzählte. Da sagte sie zu ihm: »Zwischen Nacht und 102 Tag giebt's Wunder genug; wie gesegnet ist der Mann, der da gesagt hat:

Sei sanft, wenn Zorn dir Leiden verschafft,
Und üb' Geduld, wenn ein Unheil dich traf.
Die Nächte gehn schwanger von der Zeit
Und Wunder gebären sie mancherlei.«

Alsdann stand sie auf, machte das Essen zurecht und brachte den Tisch, worauf sie aßen und tranken und vergnügt und guter Dinge waren; dann bat Alā ed-Dîn sie etwas Musik zu machen, und sie nahm die Laute und spielte eine Weise, daß die härtesten Steine sich vor Entzücken schüttelten, und die Saiten vor Wonne »o David« riefenD. h. die Saiten wetteiferten mit Davids Harfenspiel., worauf sie in ein schnelleres Tempo verfiel.

Während sie sich in dieser Weise vergnügt und fröhlich und heiter und selig die Zeit vertrieben, klopfte es mit einem Male an die Thür. Da sagte sie zu Alā ed-Dîn: »Steh' auf und sieh' nach, wer an der Thür ist.« Wie er nun hinunter ging und die Thür öffnete, fand er draußen vier Derwische stehen. Auf seine Frage nach ihrem Begehr antworteten sie ihm: »Mein Herr, wir sind vier fremde Derwische auf der Wanderschaft, deren Seelenspeise Musik und die Leckerbissen der Lieder sind; wir möchten uns gern die Nacht über bis zum Morgen bei dir vergnügen, um dann wieder unsers Weges zu gehen, und Gott, der Erhabene, wird es dir lohnen. Wir lieben Musik und jeder von uns weiß Oden, Lieder und Stanzen auswendig.« Alā ed-Dîn antwortete ihnen. »Ich muß erst jemand um Rat fragen.« Dann ging er hinauf und erzählte es seinem Mädchen, worauf sie zu ihm sagte: »Öffne ihnen die Thür.« Da öffnete er ihnen die Thür, führte sie hinauf und lud sie ein sich zu setzen, indem er sie willkommen hieß. Hierauf setzte er ihnen Speisen vor, doch wollten sie nichts essen sondern sagten zu ihm: »Mein Herr, unsere Speise besteht darin, daß wir Gottes Namen in 103 unsern Herzen sprechen und mit unsern Ohren Gesang hören; wie gesegnet ist der Mann, der da gesagt hat:

Wir wollen nichts als in guter Gesellschaft sein;
Am Fressen erkennt man allein das Vieh.

Wir hatten soeben bei dir hübsche Musik gehört, nun aber, wo wir in dein Haus eingetreten sind, hat sie aufgehört. Sag' uns doch, wer so schön musiziert hat; war's eine weiße oder eine schwarze Sklavin oder ein Mädchen aus gutem Haus?« Da antwortete er: »Es war meine Frau hier;« dann erzählte er ihnen all seine Erlebnisse und sagte: »Mein Schwiegervater hat mir eine Hochzeitsgabe von zehntausend Dinaren auferlegt, und sie haben mir eine Frist von zehn Tagen gewährt.« Nun sagte einer der Derwische zu ihm: »Bekümmere dich nicht weiter und denke nur an Gutes, denn ich bin der Klosterscheich und habe vierzig Derwische unter meiner Hand, denen ich gebiete. Ich werde für dich die zehntausend Dinare von ihnen eintreiben, und du sollst die Brautgabe deinem Schwiegervater voll auszahlen. Doch befiehl ihr jetzt, daß sie uns etwas Musik macht, damit wir uns daran erfreuen und erfrischen, denn für die einen ist Musik ein Mahl, für andere Medizin und für die dritten ein Fächer.« Die vier Derwische aber waren der Chalife Hārûn er-Raschîd, sein Wesir Dschaafar der Barmekide, Abū Nuwâs el-Hasan, der Sohn des Hâni, und Mesrûr, des Racheschwertes Träger; und der Grund, daß sie an diesem Hause vorüberkamen, lag darin, daß dem Chalifen um die Brust beklommen geworden war, weshalb er zu seinem Wesir gesagt hatte: »Wesir, wir wollen hinausgehen und durch die Stadt streifen, da mir die Brust beklommen ist.« Darauf hatten sie Derwischkleidung angelegt und waren beim Durchstreifen der Stadt auch zu diesem Hause gekommen; als sie dann hier die Musik vernahmen, hatte sie die Lust angewandelt den Sachverhalt kennen zu lernen.

Sie verbrachten die Nacht vergnügt und einträchtig, während das Wort die Runde machte, bis der Morgen 104 anbrach und der Chalife nun hundert Dinare unter den Gebetsteppich legte. Alsdann nahmen sie von ihm Abschied und gingen ihres Weges.

Als das Mädchen den Teppich hob und die hundert Dinare unter demselben fand, sagte sie zu ihrem Mann: »Nimm diese hundert Dinare, die ich unter dem Gebetsteppich fand; gewiß haben die Derwische das Geld vor ihrem Fortgehen, ohne daß wir es merkten, unter den Teppich gelegt.« So nahm denn Alā ed-Dîn das Geld, ging auf den Bazar und kaufte dafür wieder Fleisch, Reis, zerlassene Butter und die andern zum Essen erforderlichen Sachen ein. Als es dann wieder Nacht ward, zündete Alā ed-Dîn die Kerzen an und sagte zu seiner Frau: »Die Derwische kommen nicht mit den versprochenen zehntausend Dinaren, es sind sicherlich arme Leute.« Während sie aber noch miteinander redeten, pochten die Derwische wieder an die Thür, und Subeide sagte zu Alā ed-Dîn: »Geh hinunter und mach ihnen auf.« Da öffnete er ihnen und fragte sie, als sie wieder hinaufgestiegen waren: »Habt ihr mir die versprochenen zehntausend Dinare mitgebracht?« Sie antworteten ihm: »Wir haben bisher noch nichts aufgetrieben, doch sei unbesorgt, so Gott will, der Erhabene, kochen wir dir morgen alchemisches Gold. Jetzt aber befiehl deiner Gattin uns eine prächtige Musik zum besten zu geben, die unsere Herzen wieder erweckt, denn wir lieben Musik.« Da nahm sie die Laute und spielte ihnen eine Weise, daß die härtesten Steine davon hätten tanzen müssen, und sie verbrachten die Nacht fröhlich und in Freuden, plaudernd und vergnügt, bis der Morgen anbrach, und es licht ward und tagte. Nachdem der Chalife dann wieder hundert Dinare unter den Teppich gelegt hatte, nahmen sie Abschied und gingen ihres Weges. In dieser Weise besuchten sie Alā ed-Dîn und sein Mädchen Subeide neun Nächte hintereinander, wobei der Chalife jedesmal hundert Dinare unter den Gebetsteppich legte, bis die zehnte Nacht kam, in welcher sie ausblieben. Der Grund hierfür lag aber darin, daß der 105 Chalife zu einem großen Kaufmann geschickt hatte und ihm hatte sagen lassen: »Bring mir fünfzig Lasten Stoffe, wie sie von Kairo kommen, –

Zweihundertundachtundfünfzigste Nacht.

laß jede Last tausend Dinare wert sein und schreib auf jede derselben ihren Wert; außerdem bring dann noch einen abessinischen Sklaven zu mir.« Als der Kaufmann den Befehl des Chalifen vollzogen hatte, gab dieser dem Sklaven ein Becken und einen Eimer von Gold nebst andern Geschenken zusamt den fünfzig Lasten und schrieb im Namen Schems ed-Dîns, des Obmanns der Kaufleute von Kairo, des Vaters Alā ed-Dîns, einen Brief und gab ihn dem Sklaven, indem er ihm befahl: »Nimm diese Lasten samt den andern Sachen, begieb dich damit in die und die Straße, in welcher der Obmann der Kaufleute wohnt, und frag: Wo wohnt mein Herr Alā ed-Dîn Abusch-Schānât? Die Leute werden dich dann schon zu der Straße und dem Hause führen.« Da nahm der Sklave die Lasten nebst den andern Sachen und machte sich auf den Weg, wie es ihm der Chalife befohlen hatte.

Soviel, was den Sklaven anlangt; was nun aber den Vetter des Mädchens anlangt, so ging derselbe zu ihrem Vater und sagte zu ihm: »Komm, wir wollen zu Alā ed-Dîn gehen und ihn zur Scheidung von meiner Base zwingen.« Darauf machte er sich mit ihrem Vater zu Alā ed-Dîn auf den Weg, und sie fanden nun, als sie bei seinem Hause angelangt waren, daselbst fünfzig Maultiere mit fünfzig Zeugballen und einem Sklaven, der ein Maultier ritt. Auf ihre Frage: »Wem gehören diese Lasten?« antwortete ihnen der Sklave: »Sie gehören meinem Herrn Alā ed-Dîn Abusch-Schānât. Sein Vater hatte ihm Waren ausgerüstet und ihn nach der Stadt Bagdad reisen lassen, doch überfielen ihn unterwegs die Araber und raubten sein Geld und Gut. Wie nun sein Vater hiervon Kunde erhielt, schickte er mich mit 106 neuen Waren zu ihm nebst einem Maultier mit fünfzigtausend Dinaren, einem Paket mit Sachen, die einen Haufen Geld kosten, einem Zobelrock, einem Becken und einem Eimer von Gold.« Da sagte der Vater des Mädchens: »Der, welchen du suchst, ist mein Schwiegersohn, ich will dir sein Haus zeigen.«

Während nun Alā ed-Dîn in großen Sorgen zu Hause saß, klopfte es mit einem Male an die Thür. Da rief er: »Ach Subeide, Gott ist allwissend! Siehe, dein Vater schickt einen Boten vom Kadi oder gar vom Wâlī zu mir.« Subeide sagte jedoch: »Geh hinunter und sieh zu, was es giebt.« Da ging er hinunter und öffnete die Thür, wo er nun seinen Schwiegervater, den Obmann der Kaufleute Bagdads, Subeides Vater, sah, begleitet von einem abessinischen Sklaven von brauner Farbe und hübschem Gesicht, der auf einem Maultier ritt. Als der Sklave ihn erblickte, sprang er vom Maultier und küßte ihm die Hände. Da fragte ihn Alā ed-Dîn: »Was willst du?« Und der Sklave antwortete: »Ich bin der Sklave meines Herrn Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât, des Sohnes Schems ed-Dîns, des Obmanns der Kaufleute im Lande Ägypten, der mich mit diesem Gut zu ihm geschickt hat.« Dann überreichte er ihm den Brief, und Alā ed-Dîn nahm ihn, öffnete und las ihn und fand folgendes darin geschrieben:

O du mein Brief, wenn dich mein Trauter schaut,
So küß den Staub vor ihm und seine Schuh'.
Sei langsam auch und eil' dich nicht zu sehr,
In seiner Hand ist meine Seel' und Ruh'.

Nach bestem Salâm, nach Glückwunsch und Respektsbezeugung von Schems ed-Dîn an seinen Sohn Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât. Wisse, mein Sohn, mir kam die Kunde zu Ohren, daß deine Leute erschlagen und dein Geld und Gut dir geraubt sind. Ich schicke dir deshalb fünfzig andere Lasten ägyptischer Stoffe nebst einem Anzug, einem Zobelrock und einem goldenen Becken und Eimer. Sei ohne Sorge, 107 denk', daß das Geld dein Lösegeld war, mein Sohn, und bekümmere dich nicht weiter. Deine Mutter und die Hausgenossen sind wohl und gesund und lassen dich vielmals grüßen. Außerdem, mein Sohn, kam mir zu Ohren, daß sie dich zum Zwischengatten des Fräuleins Subeide der Lautnerin gemacht und dir eine Morgengabe von fünfzigtausend Dinaren auferlegt haben. Das Geld trifft zugleich mit den Lasten mit deinem Sklaven Selîm bei dir ein.

Als Alā ed-Dîn den Brief zu Ende gelesen und die Lasten an sich genommen hatte, wendete er sich zu seinem Schwiegervater und sagte zu ihm: »Mein Schwiegervater, nimm zehntausend Dinare, die Morgengabe deiner Tochter Subeide, und nimm auch die Lasten und verfüge über sie und der Profit sei dein. Gieb mir nur das Grundkapital wieder.« Da sagte sein Schwiegervater zu ihm: »Nicht doch, bei Gott, ich nehme nichts, und was die Morgengabe für dein Weib anlangt, so mach' du die Sache mit ihr aus.«

Nachdem nun die Lasten untergebracht waren, traten Alā ed-Dîn und sein Schwiegervater ins Haus, und Subeide fragte ihren Vater: »Mein Vater, wem gehören diese Lasten?« Da antwortete er ihr: »Diese Lasten gehören deinem Gatten Alā ed-Dîn; sein Vater hat sie ihm an Stelle der von den Arabern geraubten Lasten geschickt. Außerdem hat er ihm fünfzigtausend Dinare, ein Paket Sachen, einen Zobelrock, ein Maultier, ein goldenes Becken und einen goldenen Eimer geschickt. Was nun deine Morgengabe anlangt, so hast du darüber zu entscheiden.« Nun stand Alā ed-Dîn auf, öffnete die Kiste und gab ihr die Morgengabe; ihr Vetter aber sagte: »O mein Oheim, laß Alā ed-Dîn mir mein Weib herausgeben.« Sein Oheim erklärte jedoch: »Das kann nicht mehr geschehen, wo der Ehekontrakt in seiner Hand ist.« Da ging der junge Mann bekümmert und erregt fort, legte sich zu Hause krank ins Bett und starb aus Kummer über ihren Verlust.

Was aber Alā ed-Dîn anlangt, so ging er, nachdem er 108 seine Lasten empfangen hatte, auf den Bazar, besorgte das Nötige an Speise und Trank und zerlassener Butter und richtete wie zu jeder Nacht ein Festmahl an, doch sagte er zu Subeide: »Schau, diese verlogenen Derwische, erst versprechen sie und dann halten sie nicht Wort.« Sie entgegnete ihm jedoch: »Du bist der Sohn eines Obmanns der Kaufleute, und deine Hand besaß nicht einmal einen halben Dirhem, um wie viel weniger also die armen Derwische.« Nun sagte er: »Gott, der Erhabene, hat uns ihrer überhoben; doch will ich, wenn sie zu uns kommen, ihnen die Thür nicht wieder öffnen.« Da fragte sie ihn: »Warum nicht, wo ihr Kommen allein uns Glück gebracht hat, und wo sie uns jede Nacht hundert Dinare unter den Gebetsteppich legten? Wenn sie kommen, mußt du ihnen unbedingt die Thür öffnen.«

Als nun der Tag mit seinem Licht sich wendete, und die Nacht herankam, zündeten sie die Kerzen an, und Alā ed-Dîn sagte zu ihr: »Ach Subeide, mach' dich auf und laß etwas Musik hören.« Und siehe, da klopfte es an die Thür, und Subeide sagte zu ihm. »Steh' auf und schau', wer an der Thür ist.« Da ging er hinunter und öffnete die Thür. Als er aber die Derwische wieder vor der Thür sah, rief er ihnen entgegen: »Willkommen, ihr Lügner, kommt herauf.« Da stiegen sie mit ihm herauf, und er hieß sie niedersitzen und brachte ihnen den Speisetisch, worauf sie aßen und tranken und vergnügt und fröhlich waren, bis sie zu ihm sagten: »O mein Herr, unsere Herzen waren um dich besorgt; wie ist es dir denn mit deinem Schwiegervater ergangen?« Da sagte er: »Gott gab uns Entgelt über alles Begehr,« und sie erwiderten: »Bei Gott, wir fürchteten für dich, –

Zweihundertundneunundfünfzigste Nacht.

und nur, weil wir blank an Geld waren, blieben wir aus.« Da sagte Alā ed-Dîn: »Der nahe Trost meines Herrn 109 kam zu mir; mein Vater hat mir nämlich fünfzigtausend Dinare und fünfzig Lasten Stoffe, von denen jede Last tausend Dinare wert ist, einen Anzug, einen Zobelrock, ein Maultier, einen Sklaven, ein goldenes Becken und einen goldenen Eimer geschickt; mein Schwiegervater und ich haben dann Frieden gemacht; mein Weib ist nun von Rechts wegen mein, und Gott sei dafür gelobt!« Nun traf es sich, daß der Chalife eines Bedürfnisses willen hinausgehen mußte; da neigte sich der Wesir Dschaafar zu Alā ed-Dîn und sagte zu ihm: »Gieb acht auf dein Benehmen, denn du bist in Gegenwart des Fürsten der Gläubigen.« Da fragte er: »Worin hab ich Mangel an Schicklichkeit in Gegenwart des Fürsten der Gläubigen gezeigt, und wer von euch ist denn der Fürst der Gläubigen?« Dschaafar erwiderte: »Der mit dir sprach und aufstand, um ein Bedürfnis zu verrichten, ist der Fürst der Gläubigen, der Chalife Hārûn er-Raschîd; ich bin sein Wesir Dschaafar, der da ist Mesrûr, seines Racheschwertes Träger, und der da ist Abū Nuwâs El-Hasan, der Sohn des Hâni.Abū Nuwâs war ein berühmter Dichter zur Zeit Hārûn er-Raschîds. Und nun, Alā ed-Dîn, nimm doch einmal deinen Verstand zusammen und überlege, wie viele Tagesreisen von Kairo bis nach Bagdad sind?« Alā ed-Dîn antwortete: »Fünfundvierzig.« Da sagte Dschaafar: »Deine Lasten wurden gerade erst vor zehn Tagen gestohlen; wie konnte also dein Vater Kunde davon bekommen, die andern Waren packen und sie dir auf einem Weg von fünfundvierzig Tagesreisen in zehn Tagen schicken?« Nun fragte ihn Alā ed-Dîn: »Mein Herr, woher kamen sie denn?« Und Dschaafar erwiderte: »Von dem Chalifen, dem Fürsten der Gläubigen, dieweil er dir sehr gewogen ist.« Während sie noch miteinander sprachen, kam der Chalife wieder herein, und nun erhob sich Alā ed-Dîn, küßte die Erde vor ihm und sprach: »Gott hüte dich, o Fürst der Gläubigen, und schenke dir langes Leben, und nimmer mag das Volk deiner Huld und 110 Güte entbehren!« Der Chalife aber entgegnete: »Alā ed-Dîn, laß Subeide uns etwas als »Genesungskonfekt«Wiedergenesene geben ihren Freunden ein Gastmahl, welches diese Bezeichnung führt. vorspielen.« Hierauf spielte sie ihnen auf der Laute eine so wundersame Weise vor, daß sich die harten Steine vor Entzücken schüttelten und die Laute vor Wonnen »o David« jauchzte. In fröhlichster Weise verbrachten sie wieder die Nacht, bis der Morgen anbrach und der Chalife zu Alā ed-Dîn sagte: »Komm morgen in den Diwan.« Alā ed-Dîn erwiderte: »Ich höre und gehorche, o Fürst der Gläubigen, so Gott, der Erhabene, es will, und du wohl und gesund bist.« Hierauf nahm Alā ed-Dîn zehn Platten, legte auf jede derselben ein kostbares Geschenk und begab sich damit zum Diwan, wo der Chalife auf seinem Thron saß; mit einem Male trat Alā ed-Dîn durch die Thür des Diwans ein und sprach die beiden Verse:

»Allmorgendlich grüße dich Glück und Ruhm,
Doch die Nase des Neiders schlag in den Staub!
Immerdar seien die Tage dir weiß,
Doch schwarz deinen Feinden in aller Welt.«

Da sagte der Chalife: »Willkommen, Alā ed-Dîn.« Alā ed-Dîn aber sprach nun: »O Fürst der Gläubigen, siehe, auch der Prophet – Gott segne ihn und spende ihm Heil! – nahm Geschenke an; diese zehn Platten hier mit dem, was darauf liegt, ist ein Geschenk von mir an dich.« Der Chalife nahm die Gabe an und machte ihn, indem er ihm ein Ehrenkleid verlieh, zum Obmann der Kaufleute, und gab ihm einen Sitz im Diwan. Wie er nun dort saß, kam mit einem Male sein Schwiegervater, der Vater seiner Frau Subeide, an und fragte den Fürsten der Gläubigen, als er Alā ed-Dîn auf seinem Platze sitzen und mit einem Ehrenkleid angethan sah: »O König der Zeit, weshalb sitzt der da auf meinem Platz, und weshalb ist er mit diesem Ehrenkleid angethan?« Da entgegnete ihm der Chalife: »Ich habe ihn zum Obmann der 111 Kaufleute gemacht, da Ämter durch Investitur und nicht auf Lebensdauer verliehen werden; du bist abgesetzt.« Der Kaufmann erwiderte hierauf: »Er ist von uns und gehört zu uns, und so hast du recht gethan, o Fürst der Gläubigen; Gott mache die Besten von uns zu Förderern unserer Angelegenheiten! Wie viele Kleinen sind nicht schon groß geworden!« Hierauf stellte der Chalife Alā ed-Dîn einen Firmân aus und gab ihn dem Wâlī, der ihn dem Ausrufer gab, und der Ausrufer verkündete im Diwan: »Es giebt keinen andern Obmann für die Kaufleute als Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât; sein Wort soll gehört, seine Würde muß respektiert werden, und es gebührt ihm Ehre, Achtung und hohes Ansehen.« Als dann der Diwan aufgehoben wurde, stieg der Wâlī mit dem Ausrufer vor Alā ed-Dîn hinunter in die Stadt, und der Ausrufer verkündete: »Es giebt keinen andern Obmann für die Kaufleute als Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât,« und zog mit ihm durch alle Straßen Bagdads, überall das gleiche ausrufend. Am nächsten Morgen eröffnete Alā ed-Dîn dann einen Laden für seinen Sklaven und setzte ihn hinein zum Kaufen und Verkaufen, während er selber sich tagaus, tagein auf sein Maultier setzte und zum Palast ritt, wo er seinen Sitz in dem Diwan des Chalifen einnahm.

Zweihundertundsechzigste Nacht.

Nun traf es sich, daß, als er wieder einmal nach seiner Gewohnheit seinen Sitz im Diwan einnahm, jemand zum Chalifen sagte: »O Fürst der Gläubigen, mag dein Haupt den und den von deiner Tafelrunde überleben! Denn, siehe, er ist zu Gottes, des Erhabenen, Barmherzigkeit eingegangen, doch dein Leben sei verlängert!« Da fragte der Chalife: »Wo ist Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât?« Infolgedessen trat er vor den Fürsten der Gläubigen, und, als dieser ihn sah, legte er ihm ein kostbares Ehrenkleid an und ernannte ihn zu seinem Tischgenossen, indem er ihm ein Monatsgehalt von tausend Dinaren verordnete. Längere Zeit hatte Alā ed-Dîn 112 bereits an seiner Tafelrunde teilgenommen, da traf es sich eines Tages, als er wieder wie gewöhnlich seinen Sitz im Diwan eingenommen hatte, um dem Chalifen aufzuwarten, daß ein Emir mit einem Schwert und Schild in den Diwan trat, und rief: »O Fürst der Gläubigen, möge dein Haupt den Hauptmann der Sechzig überleben! Denn siehe, er ist heutigentags gestorben.« Da befahl der Chalife Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât ein Ehrenkleid anzulegen und ernannte ihn zum Hauptmann der SechzigEin Titel, nicht wörtlich zu verstehen. an Stelle des Verstorbenen. Da derselbe aber weder einen Sohn noch eine Tochter oder ein Weib hinterlassen hatte, stieg Alā ed-Dîn hinab und legte seine Hand an sein Gut, und der Chalife sagte zu ihm: »Alā ed-Dîn, setz' ihn bei und nimm seine ganze Hinterlassenschaft an Geld, Sklaven, Sklavinnen und Eunuchen.« Alsdann schüttelte der Chalife sein Taschentuch, worauf der Diwan auseinander ging. Alā ed-Dîn aber ritt aus, zur Rechten geleitet von dem Hauptmann Ahmed ed-Danaf, dem Hauptmann zur Rechten des Chalifen, und seinem Gefolge von vierzig Mann, und zur Linken geleitet von dem Hauptmann Hasan Schūmân, dem Hauptmann zur Linken des Chalifen, mit seinem Gefolge von vierzig Mann. Hierbei wendete er sich zu Hasan Schūmân und seinem Gefolge und sagte zu ihnen: »Legt Fürsprache für mich bei Ahmed ed-Danaf ein, daß er mich unter Eid vor Gott zum Sohn annimmt.« Da nahm er ihn als Sohn an und sagte zu ihm: »Ich und meine vierzig Mannen, wir wollen Tag für Tag dir zum Diwan voranschreiten.« Längere Zeit hatte Alā ed-Dîn bereits wieder dem Chalifen aufgewartet, da traf es sich eines Tages, daß er aus dem Diwan nach Hause ging und Ahmed ed-Danaf nebst seinen Mannen entließ. Dann setzte er sich zu seiner Gattin Subeide der Lautnerin, die eben die Kerzen angezündet hatte und nun eines Bedürfnisses halber hinausging. Mit einem 113 Male hörte er einen lauten Schrei, so daß er schnell aufsprang, um nachzuschauen, wer geschrieen hätte. Da sah er, daß seine Frau den Schrei ausgestoßen hatte und auf dem Boden der Länge nach dalag; und, wie er nun die Hand auf ihre Brust legte, fand er, daß sie tot war. Gegenüber seinem Hause lag aber das Haus ihres Vaters, so daß dieser auf den Schrei hin zu Alā ed-Dîn kam und fragte: »Was giebt's, mein Herr Alā ed-Dîn?« Da sagte er zu ihm: »Möge dein Haupt, mein Vater, deine Tochter Subeide die Lautnerin überleben! Doch, mein Vater, des Toten Ehrung ist sein Begräbnis.« Als dann der Morgen anbrach, bestatteten sie sie, und Alā ed-Dîn und ihr Vater kondolierten sich gegenseitig.

Soviel, was Subeide die Lautnerin anlangt; was aber Alā ed-Dîn betrifft, so legte er Trauerkleider an und mied weinenden Auges und bekümmerten Herzens den Diwan, so daß der Chalife Dschaafar fragte: »Wesir, warum erscheint Alā ed-Dîn nicht im Diwan?« Und der Wesir antwortete ihm: »O Fürst der Gläubigen, er trauert um sein Weib Subeide und ist von den Kondolenzbesuchen in Anspruch genommen.« Da sagte der Chalife zu seinem Wesir: »So geziemt es auch uns ihm einen Kondolenzbesuch abzustatten.« Der Wesir antwortete: »Ich höre und gehorche.« Darauf stiegen der Chalife und der Wesir, von einigen Dienern begleitet hinunter, setzten sich in den Sattel und ritten zu Alā ed-Dîns Haus, welcher nun, wie er so dasaß, mit einem Male den Chalifen und den Wesir mit ihrem Gefolge zu sich kommen sah. Da erhob er sich zu ihrem Empfang und küßte vor dem Chalifen die Erde; der Chalife aber sagte zu ihm: »Gott entschädige dich reichlich für ihren Verlust!« worauf Alā ed-Dîn erwiderte: »Gott erhalte uns lange dein Leben, o Fürst der Gläubigen!« Nun fragte der Chalife: »Alā ed-Dîn, warum bist du vom Diwan fortgeblieben?« Alā ed-Dîn erwiderte: »Ich trauerte um mein Weib Subeide, o Fürst der Gläubigen.« Da sagte der Chalife zu 114 ihm: »Laß fahren deinen Gram, denn, siehe, sie ist gestorben und eingegangen zur Barmherzigkeit Gottes, des Erhabenen. Trauer frommt dir nun nimmermehr.« Alā ed-Dîn entgegnete jedoch: »O Fürst der Gläubigen, ich werde immerdar um sie trauern, bis ich gestorben bin und sie mich an ihrer Seite bestatten.« Der Chalife aber entgegnete: »Siehe, in Gott ist Ersatz für alles Verlorene, und weder Sinnen und Planen noch Geld und Gut befreien vom Tod. Wie herrlich hat doch jener gesagt:

Jeder Weibesgeborne, wie lang er auch lebe,
Wird eines Tags auf der buckligen Bahre getragen.
Wie denn soll er des Lebens Wonnen sich freuen,
Wenn einst der Staub doch seine Wangen bedeckt?«

Als nun der Chalife seine Kondolenz beendet hatte, ermahnte er ihn, nicht weiter vom Diwan auszubleiben und kehrte nach seinem Palast zurück. Alā ed-Dîn aber setzte sich am nächsten Morgen wieder auf, ritt zum Diwan, und küßte, sobald er bei dem Chalifen eintrat, die Erde vor ihm, während der Chalife sich auf seinem Throne ihm zu Ehren regte, ihn willkommen hieß und beglückwünschte und ihn auf seinen Sitz wies, indem er zu ihm sagte: »Alā ed-Dîn, heute Nacht bist du mein Gast.« Hernach führte er ihn in seinen Serâj, wo er eine seiner Sklavinnen, Namens Kût el-Kulûb, rief und zu ihr sagte: »Alā ed-Dîn hatte eine Frau, Namens Subeide die Lautnerin, welche ihm Kummer und Sorgen mit ihrem Spiel verscheuchte; sie ist jedoch gestorben und zu Gottes, des Erhabenen, Barmherzigkeit eingegangen, und nun wünsche ich, daß du ihm eine so wundersame Weise auf der Laute vorspielst, –

Zweihundertundeinundsechzigste Nacht.

daß er Sorge und Kummer vergißt.« Da erhob sich das Mädchen und trug ein entzückendes Lied vor; und der Chalife fragte Alā ed-Dîn: »Alā ed-Dîn, was sagst du zu der Stimme dieses Mädchens?« Alā ed-Dîn erwiderte: 115 »Ach, Subeide sang schöner als sie; doch weiß sie die Laute so vortrefflich zu schlagen, daß sie einen Felsen in Entzücken versetzt.« Nun fragte der Chalife: »Gefällt sie dir?« Alā ed-Dîn erwiderte: »Sie gefällt mir, o Fürst der Gläubigen.« Da sagte der Chalife: »Bei meines Hauptes Leben und den Grüften meiner Ahnen, ich schenke sie dir samt ihren Sklavinnen!« Alā ed-Dîn aber glaubte, der Chalife triebe nur seinen Scherz mit ihm.

Am nächsten Morgen begab sich nun der Chalife zu seiner Sklavin Kût el-Kulûb und sagte zu ihr: »Ich habe dich Alā ed-Dîn geschenkt;« und sie freute sich hierüber, da sie ihn beim ersten Blick liebgewonnen hatte. Alsdann begab sich der Chalife von seinem Serâjpalast wieder in den Diwan, wo er Lastträger zu sich rufen ließ und ihnen befahl: »Nehmt Kût el-Kulûb samt ihren Mägden in eine Tragsänfte und schafft sie mit all ihrer Habe nach Alā ed-Dîns Haus.« Während nun die Sklaven sie samt ihren Mägden und ihren Sachen nach Alā ed-Dîns Haus trugen, saß der Chalife bis zum Tagesende in der Regierungshalle, worauf der Diwan geschlossen wurde, und er wieder in sein Schloß ging.

Soviel, was den Chalifen anlangt; was aber Kût el-Kulûb betrifft, so sagte sie, nachdem sie samt ihren Mägden, vierzig an der Zahl außer den Eunuchen, in Alā ed-Dîns Schloß gebracht war, zu zweien ihrer Eunuchen: »Einer von euch setze sich auf einen Stuhl zur Rechten und der andere auf einen Stuhl zur Linken der Thür; wenn dann Alā ed-Dîn kommt, so küsset ihm die Hände und sagt zu ihm: Unsere Herrin Kût el-Kulûb entbietet dich zu sich ins Schloß, denn der Chalife hat sie dir samt ihren Mägden zum Geschenk gemacht.« Die Eunuchen erwiderten ihr: »Wir hören und gehorchen,« und thaten nach ihrem Geheiß.

Als nun Alā ed-Dîn nach Hause kam und zwei Eunuchen des Chalifen an der Thür sitzen sah, kam ihm die Sache sonderbar vor, und er sprach bei sich: »Vielleicht ist dies gar nicht mein Haus? Wenn aber doch, was mag dann los 116 sein?« Als die Eunuchen ihn aber erblickten, erhoben sie sich vor ihm, küßten ihm die Hände und sagten: »Wir gehören zu den Leuten des Chalifen und sind Kût el-Kulûbs Mamluken, welche dir den Salâm entbietet und zu dir spricht: Siehe, der Chalife hat mich dir samt meinen Mägden zum Geschenk gemacht, und ich bitte nun um deinen Besuch.« Da sagte Alā ed-Dîn zu den Eunuchen: »Sprechet also zu ihr: Meinen Willkomm dir, doch so lange du bei mir weilst, will ich das Schloß, in dem du wohnst, nicht betreten, da das, was dem Herrn gehört, sich nicht für den Hörigen schickt. Und weiter sprechet zu ihr: Wie hoch beliefen sich beim Chalifen deine täglichen Ausgaben?« Da gingen die Eunuchen zu ihr und bestellten ihr Alā ed-Dîns Worte, und sie sagte: »Hundert Dinare an jedem Tag,« worauf Alā ed-Dîn bei sich sprach: »Es that nicht not, daß der Chalife mir Kût el-Kulûb schenkte, um diese Summe für sie auszugeben; doch ist dem nicht mehr zu helfen.«

Nachdem sie nun eine Zeitlang bei im gewohnt hatte, während er ihr täglich hundert Dinare zukommen ließ, traf es sich, daß Alā ed-Dîn wieder einmal dem Diwan fernblieb, so daß der Chalife zu seinem Wesir Dschaafar sagte: »Ich habe Kût el-Kulûb doch nur Alā ed-Dîn dazu geschenkt, daß sie ihn über den Verlust seiner Gattin tröstet. Warum denn bleibt er uns fern?« Da sagte Dschaafar: »O Fürst der Gläubigen, fürwahr, der sprach ein wahres Wort, der da sagte: Wer eine Liebste findet, vergißt seinen Freund.« Nun meinte der Chalife: »Vielleicht ist er nicht ohne Entschuldigung ausgeblieben, doch wollen wir ihn besuchen.« Nun hatte aber einige Tage zuvor Alā ed-Dîn zum Wesir gesagt: »Ich klagte meinen Gram über den Verlust meines Weibes Subeide der Lautnerin dem Chalifen, und er schenkte mir Kût el-Kulûb.« Darauf hatte der Wesir zu ihm gesagt: »Wenn er dir nicht gewogen wäre, hätte er sie dir nicht geschenkt; hast du sie denn schon besucht, Alā ed-Dîn?« Und Alā ed-Dîn hatte gesagt: »Nein, bei Gott, ich kann ihre 117 Länge nicht von ihrer Breite unterscheiden.« Der Wesir hatte ihn darauf gefragt: »Wieso denn nicht?« Und Alā ed-Dîn hatte ihm erwidert: »O Wesir, was sich für den Herrn schickt, schickt sich nicht für den Hörigen.«

Der Chalife und Dschaafar verkleideten sich nun und gingen aus, um Alā ed-Dîn zu besuchen. Als sie bei ihm eintraten. erkannte er sie und küßte dem Chalifen, sich erhebend, die Hand. Der Chalife aber, der an ihm die Spuren von Trauer bemerkte, fragte ihn: »Alā ed-Dîn, wie kommt es, daß du traurig bist? Hast du denn Kût el-Kulûb noch nicht besucht?« Alā ed-Dîn antwortete: »O Fürst der Gläubigen, was sich für den Herrn schickt, schickt sich nicht für den Hörigen; ich habe sie bis jetzt noch nicht besucht und weiß ihre Länge nicht von ihrer Breite zu unterscheiden; nimm sie mir daher wieder ab.« Der Chalife entgegnete ihm darauf: »Ich möchte sie besuchen und fragen, wie es ihr geht.« Alā ed-Dîn antwortete: »Ich höre und gehorche, o Fürst der Gläubigen,« und nun trat der Chalife bei Kût el-Kulûb ein.

Zweihundertundzweiundsechzigste Nacht.

Sobald Kût el-Kulûb den Fürsten der Gläubigen erblickte, erhob sie sich und küßte die Erde vor ihm, während der Chalife sie fragte: »Ist Alā ed-Dîn schon bei dir gewesen?« Sie antwortete: »Nein, o Fürst der Gläubigen; trotzdem ich zu ihm schickte und ihn bitten ließ, kam er nicht.« Da befahl der Chalife sie wieder zum Serâj zu tragen und sagte zu Alā ed-Dîn: »Halte dich nicht fern von uns.« Alsdann begab sich der Chalife wieder in seinen Palast.

Nachdem nun Alā ed-Dîn die Nacht verbracht hatte, setzte er sich am nächsten Morgen wieder auf und ritt in den Diwan, wo er den Sitz des Hauptmanns der Sechzig einnahm. Da befahl der Chalife dem Schatzmeister dem Wesir Dschaafar zehntausend Dinare einzuhändigen und sagte zu dem Wesir, nachdem der Schatzmeister diesem die Summe übergeben hatte: »Ich beauftrage dich auf den 118 Sklavinnenbazar zu gehen und für Alā ed-Dîn eine Sklavin für die zehntausend Dinare zu kaufen.« Sofort entsprach der Wesir dem Befehl des Chalifen und begab sich in Begleitung Alā ed-Dîns auf den Bazar. Es traf sich aber gerade, daß der Emir Châlid, welchen der Chalife zum Wâlī von Bagdad gemacht hatte, an jenem Tage auch auf den Bazar ging, um für seinen Sohn eine Sklavin zu kaufen. Die Ursache war aber folgende: Sein Weib, Namens Chātûn, hatte ihm einen Sohn von gemeinem Aussehen geboren, Habsalam Basâse geheißen, der nunmehr das zwanzigste Lebensjahr erreicht hatte, ohne ein Pferd besteigen zu können, obwohl sein Vater ein hochgemuter Reitersmann war, der ohne Furcht das Meer der NachtD. h. das Meer der Gefahren. durchwatete. Eines Nachts nun, als Habsalam Basâse schlief, hatte er einen Traum und erzählte denselben seiner Mutter, worauf diese es erfreut seinem Vater mitteilte und zu ihm sprach: »Ich will ihn verheiraten, denn er ist reif zum Heiraten.« Sein Vater erwiderte ihr jedoch: »Der Bursche ist so häßlich und hat einen so widerwärtigen Geruch und ist so schmutzig und garstig, daß ihn kein Weib nimmt.« Da sagte sie: »Wir wollen ihm eine Sklavin kaufen.« Und so verhängte es Gott, daß an dem nämlichen Tage, an welchem der Wesir mit Alā ed-Dîn auf den Bazar ging, auch der Wâlī, der Emir Châlid, mit seinem Sohne Habsalam Basâse auf den Bazar kam. Wie sie nun auf dem Bazar waren, sahen sie in der Hand eines Maklers ein schönes, liebliches Mädchen von tadellosem Wuchs und Ebenmaß. Da sagte der Wesir zum Makler: »Biete ihrem Verkäufer tausend Dinare.« So kam es, daß der Makler mit der Sklavin bei dem Wâlī vorüberging, doch kaum hatte dessen Sohn einen Blick auf sie geworfen, da stiegen tausend Seufzer in seinem Herzen auf, und, von Leidenschaft entflammt und von Liebe völlig in Besitz genommen, sagte er zu seinem Vater: »Mein Vater, kauf' mir diese Sklavin.« Da rief der 119 Wâlī den Makler heran und fragte die Sklavin nach ihrem Namen; und sie sagte: »Ich heiße Jāsmîn.« Nun sagte der Wâlī zu seinem Sohn: »Mein Sohn, wenn sie dir gefällt, so biete mehr für sie.« Dann fragte er den Makler: »Was hat man für sie geboten?« Der Makler antwortete: »Tausend Dinare.« Da sagte Habsalam Basâse: »Her mit ihr für tausend und einen Dinar!« Wie nun der Makler wieder zu Alā ed-Dîn ging, bot dieser zweitausend Dinare und überbot jedesmal, wenn der Sohn des Wâlīs einen Dinar mehr bot, denselben um tausend Dinare, so daß der Sohn des Wâlīs schließlich ergrimmt den Makler fragte: »Wer überbietet mich beim Kauf dieser Sklavin?« Da sagte der Makler zu ihm: »Es ist der Wesir Dschaafar, welcher sie für Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât kaufen will.« Schließlich bot Alā ed-Dîn zehntausend Dinare für die Sklavin, worauf ihr Herr sie ihm ließ und das Geld in Empfang nahm. Alā ed-Dîn aber nahm sie und sagte zu ihr: »Ich lasse dich frei um des erhabenen Gottes willen.« Dann schrieb er seinen Ehekontrakt mit ihr und ging mit ihr nach Hause. Als nun der Makler mit seinen Maklergebühren wieder zurückkam, rief ihn der Sohn des Wâlīs heran und fragte ihn: »Wo ist das Mädchen?« Der Makler antwortete ihm: »Alā ed-Dîn hat sie für zehntausend Dinare gekauft; dann hat er sie freigelassen und seinen Ehekontrakt mit ihr geschrieben.« Der junge Mann bekümmerte sich hierüber schwer, und unter Seufzern kehrte er liebeskrank nach Hause, wo er sich aufs Bett warf, jegliche Speise zurückwies und vor Verliebtheit und Sehnsucht immer kränker wurde. Als seine Mutter ihn in diesem Zustande gewahrte, sagte sie zu ihm: »Gott schütze dich, mein Sohn! Wie kommt's, daß du krank bist?« Da erwiderte er ihr: »Kaufe mir Jāsmîn, meine Mutter.« Die Mutter versetzte: »Wenn der Blumenhändler vorüberkommt, will ich dir einen Korb Jasmin kaufen.« Nun sagte er: »Ich will nicht den Jasmin zum Riechen haben, ich will eine Sklavin haben, die Jāsmîn heißt, und die mein Vater mir nicht 120 kaufen wollte.« Da fragte sie ihren Gatten: »Weshalb hast du ihm diese Sklavin nicht gekauft?« Und er erwiderte ihr: »Was sich für den Herrn schickt, schickt sich nicht für den Hörigen; auch habe ich nicht die Macht dazu, sie zu nehmen, denn kein Geringerer als Alā ed-Dîn, der Hauptmann der Sechzig, hat sie gekauft.«

Ihres Sohnes Krankheit wurde nun immer schlimmer, bis er schließlich ganz auf Schlaf und Speise verzichtete, so daß seine Mutter die Trauerbinden um den Kopf band und bekümmert über ihren Sohn zu Hause saß. Da begab es sich, daß eine Alte sie besuchte, die Mutter Ahmed Kamâkims des Erzdiebs, ein Erzdieb, der imstande war, die dicksten Mauern zu durchbrechen und die höchsten zu erklimmen und der selbst das Schwarze aus dem Auge zu stehlen vermochte. Von Kindheit an hatte er diese Schurkereien betrieben, bis man ihn zum Hauptmann der Wache machte, als welcher er wieder einen Diebstahl ausführen wollte, wobei er aber in flagranti vom Wâlī ertappt und dann von ihm vor den Chalifen geführt wurde, der ihn auf dem Blutplatz hinzurichten befahl. Da aber flehte er den Wesir um Schutz an, dessen Fürsprache vom Chalifen niemals abgewiesen wurde. Wie nun der Wesir den Chalifen um seine Begnadigung bat, sagte der Chalife zu ihm: »Wie kannst du für solch eine Menschenplage Fürsprache einlegen?« Doch der Wesir entgegnete: »O Fürst der Gläubigen, steck ihn ins Gefängnis, denn der Erbauer des ersten Gefängnisses war ein Weiser, insofern als das Gefängnis der Lebendigen Grab und der Feinde Freude ist.« Da befahl der Chalife ihn in Fesseln zu legen und auf seine Fesseln zu schreiben: Lebenslänglich gefangen gesetzt, und nur für die Bank des Leichenwaschers zu lösen; und so hatten sie ihn denn gefesselt ins Gefängnis geworfen. Seine Mutter ging aber im Hause des Wâlīs, des Emirs Châlid, aus und ein und pflegte ihren Sohn im Gefängnis zu besuchen, wo sie dann zu ihm sagte: »Hab ich dir nicht gesagt, laß dein strafwürdiges Thun?« worauf er ihr dann erwiderte: »Gott 121 hat es so über mich verhängt; doch, meine Mutter, wenn du die Frau des Wâlīs besuchst, so bitte sie Fürsprache für mich bei ihm einzulegen.« Als nun die Alte die Gattin des Wâlīs wieder besuchte und sie mit den Trauerbinden ums Haupt antraf, fragte sie dieselbe: »Weshalb trauerst du?« Und sie antwortete: »Ich trauere über meinen Sohn Habsalam Basâse.« Da sagte sie: »Gott schütze ihn, was hat ihn denn betroffen?« Als sie ihr nun die Geschichte erzählt hatte, sagte die Alte: »Was würdest du zu dem sagen, der solch ein Schelmenstück zuwege bringt, daß dein Sohn wieder gesund wird?« Da fragte sie: »Was willst du thun?« Und die Alte sagte: »Ich habe einen Sohn, Namens Kamâkim der Erzdieb, welcher gefesselt im Gefängnis liegt und auf seiner Fessel die Aufschrift trägt: »Lebenslänglich in Haft.« So mach dich nun auf, zieh deine besten Sachen an, schmücke dich, so schön du es nur vermagst, und tritt deinem Gatten mit frohem Gesicht und heiterer Miene entgegen. Wenn er dann von dir verlangt, was ein Mann von einem Weibe begehrt, so weis ihn ab, versag es ihm und sprich zu ihm: »Gottes Wunder, wenn der Mann etwas von seinem Weibe verlangt, so setzt er ihr so lange zu, bis er seinen Willen erreicht hat; hat aber das Weib ein Anliegen an den Mann, so erfüllt er es ihr nicht. Wird er dich dann fragen: Was verlangst du? so sprich zu ihm: Erst schwöre mir. Hat er dir dann bei dem Leben seines Hauptes oder bei Gott geschworen, so sprich zu ihm: Schwöre mir bei der Ehescheidung, – und gieb ihm nicht eher nach, als bis er diesen Schwur gethan hat. Dann aber sprich zu ihm: Du hast im Gefängnis einen Hauptmann, Namens Ahmed Kamâkim, dessen arme Mutter mich anging und in mich drängte, daß du bei dem Chalifen für ihren Sohn Fürsprache einlegst, damit er bereuen kann und es dir vom Himmel vergolten wird.« Da sagte sie zur Alten: »Ich höre und gehorche.«Als nun der Wâlī zu seiner Frau kam, – 122

Zweihundertunddreiundsechzigste Nacht.

sprach sie zu ihm, wie die Alte es ihr vorgeschrieben hatte, und gab ihm nicht eher nach, als bis er ihr bei der Ehescheidung geschworen hatte. Als er dann am nächsten Morgen die Waschung vollzogen und das Frühgebet verrichtet hatte, begab er sich ins Gefängnis und sagte: »Heda, Ahmed Kamâkim, du Erzspitzbube, bereust du deine Unthaten?« worauf er erwiderte: »Ich bereue meine Thaten zu Gott, thue Buße und spreche mit Herz und Mund: Ich bitte Gott um Vergebung.« Da ließ ihn der Wâlī aus dem Gefängnis los und nahm ihn mit sich in seinen Fesseln in den Diwan, wo er an den Chalifen herantrat und die Erde vor ihm küßte. Infolgedessen fragte ihn der Chalife: »Emir Châlid, was ist dein Begehr?« Da wankte Ahmed Kamâkim in seinen Fesseln heran, und nun sagte der Chalife zu ihm: »Ach Kamâkim, lebst du noch?« worauf er erwiderte: »O Fürst der Gläubigen, der Elenden Leben ist zäh.« Nun fragte der Chalife: »Emir Châlid, weshalb hast du ihn hierher gebracht?« Der Emir versetzte: »Siehe, er hat eine arme einsame Mutter, die keinen weiter als ihn hat; dieselbe drängte in deinen Sklaven, daß er bei dir, o Fürst der Gläubigen, Fürsprache für ihn einlege, und du ihm seine Fesseln lösest, da er seine Unthaten bereut, und ihn wieder wie zuvor zum Hauptmann der Wache machst.« Da fragte der Chalife Ahmed Kamâkim: »Bereust du deine Unthaten?« Und er antwortete ihm: »Ich bereue sie zu Gott, o Fürst der Gläubigen,« worauf der Chalife einen Schmied rufen ließ, der ihm die Fesseln auf der Leichenbank löste.Dies geschah, damit dem Verdikt Genüge geleistet wurde. Dann setzte er ihn wieder zum Hauptmann der Wache ein und ermahnte ihn zu einem guten und aufrichtigen Wandel; alsdann küßte Ahmed dem Chalifen die Hand und schritt, angethan mit seiner Hauptmannsuniform hinaus, während der Ausrufer seine Beförderung ankündigte. 123

Nachdem er eine Zeitlang sein Amt versehen hatte, begab sich seine Mutter wieder zur Frau des Wâlīs, welche zu ihr sagte: »Gelobt sei Gott, der deinen Sohn aus dem Gefängnis befreit hat, so daß er gesund und unbeschadet lebt. Warum aber sprichst du nun nicht zu ihm, daß er durch irgend eine List die Sklavin Jāsmîn zu meinem Sohne Habsalam Basâse bringt?« Da sagte die Alte: »Ich will es ihm sagen;« dann ging sie wieder von ihr fort, suchte ihren Sohn auf, den sie trunken antraf, und sagte zu ihm: »Mein Sohn, niemand anders als die Frau des Wâlīs hat dir zur Freiheit verholfen; sie verlangt nun von dir, daß du auf irgend eine Weise Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât umbringst und ihrem Sohne Habsalam Basâse die Sklavin Jāsmîn bringst.« Er antwortete ihr: »Nichts ist leichter als das; ich will bestimmt heute Nacht die Sache zuwege bringen.« Jene Nacht war aber gerade die erste Nacht im neuen Monat, und es war des Chalifen Gewohnheit, daß er diese Nacht bei der Herrin Subeide zubrachte, um eine Sklavin oder einen Mamluken freizulassen oder etwas dem Ähnliches zu thun. Hierbei pflegte er seinen Königsornat zugleich mit dem Rosenkranz, dem Kurzschwert und dem königlichen Siegelring abzulegen und alles zusammen auf einen Stuhl ins Wohnzimmer zu legen. Außerdem pflegte er dann noch eine goldene Laterne mit drei auf einen Golddraht gereihten Edelsteinen, die ihm sehr wert war, mitzunehmen. Nachdem nun der Chalife die Eunuchen mit der Obhut des Ornats, der Laterne und der übrigen Sachen betraut hatte, begab er sich in Subeides Gemach; der Erzdieb Ahmed Kamâkim aber wartete, bis die Mitternacht gekommen war und der Kanopus am Himmel stand, und alle Kreaturen, bedeckt von dem Schleier ihres Schöpfers, schliefen. Dann nahm er sein blankes Schwert in die Rechte, das Fangeisen in die Linke und schlich zum Wohnzimmer des Chalifen, wo er die Leiter anlehnte, das Fangeisen auf das Dach des Wohnzimmers warf und dann die Leiter erklomm und auf die Dachterrassen 124 stieg. Dort hob er die Fallthür zum Zimmer auf und stieg in dasselbe hinunter, wo er die Eunuchen schlafend vorfand. Nachdem er ihnen Bendsch beigebracht hatte, nahm er den Chalifenornat, den Rosenkranz, das Kurzschwert, das Taschentuch, den Siegelring und die Laterne mit den Edelsteinen, stieg dann wieder auf demselben Wege, auf welchem er hinaufgestiegen war, hinunter und schlich nach Alā ed-Dîn Abusch-Schāmâts Hause, der in dieser Nacht gerade die Hochzeit mit seinem Mädchen Jāsmîn feierte und bei ihr ruhte. Hier stieg er nun in sein Wohnzimmer ein, wo er eine Marmorplatte aus dem niedern Teil des BodensDer höher gelegene Teil ist der häufig erwähnte Līwân. aushob, unter derselben ein Loch grub und die Sachen in demselben unterbrachte; doch behielt er die Laterne bei sich. Dann vergipste er die Platte wieder, wie sie zuvor gewesen war und stieg auf demselben Wege wieder hinab, auf welchem er eingestiegen war, indem er bei sich sprach: »Ich will aufbleiben und mich betrinken und will die Laterne vor mich setzen, daß ich bei ihrem Scheine bechern kann.« Hierauf ging er wieder nach Hause.

Als nun am andern Morgen der Chalife sein Zimmer betrat, und die Eunuchen, von Bendsch betäubt, schlafend fand, weckte er sie auf; wie er dann aber seine Hand auf den Stuhl legte und weder Ornat noch Siegelring, Rosenkranz, Kurzschwert, Tuch und Laterne fand, geriet er hierüber in gewaltigen Zorn, so daß er sein Zornkleid, das von roter Farbe war, anlegte und sich so in den Diwan setzte. Da trat der Wesir an ihn heran, küßte die Erde vor ihm und sprach: »Gott befreie den Fürsten der Gläubigen von allem Übel!« worauf der Chalife entgegnete: »O Wesir, das Übel ist übergroß;« und nun fragte der Wesir: »Was ist vorgefallen?« Wie der Chalife ihm nun alles erzählte, erschien mit einem Male der Wâlī, neben seinem Steigbügel von dem Erzdieb Ahmed Kamâkim geleitet, und fand den Chalifen in 125 gewaltigem Zorn. Als der Chalife den Wâlī erblickte, rief er ihm zu: »Emir Châlid, wie steht's um Bagdad?« Der Wâlī entgegnete: »Heil und in sicherer Hut.« Doch der Chalife entgegnete: »Du lügst.« Da fragte der Wâlī: »Weshalb, o Fürst der Gläubigen?« Und nun erzählte der Chalife ihm den Vorfall und sagte zu ihm: »Du hast mir alles wiederzuschaffen.« Da versetzte der Wâlī: »O Fürst der Gläubigen, der Essigwurm ist von Essig und im Essig, kein Fremder ist imstande in diesen Raum einzudringen;« doch der Chalife entgegnete: »Wenn du mir diese Sachen nicht wieder schaffst, so kostet es dir den Kopf;« worauf der Wâlī versetzte: »Bevor du mich köpfst, köpfe den Erzdieb Ahmed Kamâkim, denn niemand kennt den Räuber und Verräter als der Hauptmann der Wache.« Nun trat Ahmed Kamâkim vor und sagte zum Fürsten der Gläubigen: »Nimm meine Fürsprache für den Wâlī an; ich will dir für den Dieb einstehen und seiner Spur folgen, bis ich ihn gefunden habe; doch gieb mir je zwei von Seiten des Kadis und des Wâlīs mit, denn der, welcher diese That gethan hat, fürchtet weder dich noch den Wâlī noch sonst jemand.« Da sagte der Chalife: »Dir sei, was du begehrst, doch suche zuerst in meinem Serâj nach, alsdann im Serâj des Wesirs und dann im Serâj des Hauptmanns der Sechzig.« Ahmed Kamâkim erwiderte: »Du hast recht, o Fürst der Gläubigen; wahrscheinlich ist der Dieb eine Person, die im Serâj des Fürsten der Gläubigen oder in dem eines seiner Vertrauten aufgewachsen ist.« Der Chalife aber schwur: »Bei meines Hauptes Leben, der, bei dem die gestohlenen Sachen gefunden werden, der soll es mit seinem Leben büßen, und wäre es mein eigener Sohn!« Darauf erhielt Ahmed Kamâkim das Verlangte nebst einem Fermân, mit Gewalt in die Häuser eindringen und sie durchsuchen zu dürfen.

Zweihundertundvierundsechzigste Nacht.

So zog er denn aus mit einer Rute in der Hand, die zu einem Drittel aus Bronze, zu einem Drittel aus Kupfer 126 und zu einem Drittel aus Eisen und Stahl bestand, und durchsuchte zunächst den Serâj des Chalifen und des Wesirs Dschaafar. Dann machte er in den Häusern der Kämmerlinge und der Vicekönige die Runde, bis er zu Alā ed-Dîn Abusch-Schāmâts Haus kam. Als Alā ed-Dîn den Lärm vor seinem Hause vernahm, verließ er sein Weib Jāsmîn, stieg hinunter und öffnete die Thür, wo er den Wâlī inmitten einer erregten Menge fand. Da fragte er ihn: »Was giebt's, Emir Châlid?« Als derselbe ihm den Vorfall erzählt hatte, sagte Alā ed-Dîn: »Tretet in mein Haus ein und durchsucht es.« Da sagte der Wâlī: »Um Vergebung, mein Herr, du bist der Getreue geheißen, und fern sei es, daß der Getreue zum Verräter ward.« Alā ed-Dîn entgegnete jedoch: »Ihr müßt trotzdem mein Haus durchsuchen.« Nun traten der Wâlī, die Kadis und die Zeugen ein, und Ahmed Kamâkim schritt gerade aus vorweg zum niedern Teil des Saales, bis er zu der Marmorplatte kam, unter welcher er die Sachen vergraben hatte; hier ließ er die Rute so stark auf die Platte fallen, daß der Marmor in Stücke brach, und, siehe! da schimmerte etwas unter ihm. Dann rief er: »Im Namen Gottes! Was Gott will! Durch unser gesegnetes Kommen haben wir einen Schatz erschlossen! ich möchte doch einmal zu diesem Hort hinuntersteigen und nachsehen, was darin ist.« Da blickten der Kadi und die Zeugen in das Loch und fanden alle die gestohlenen Sachen darin. Nachdem sie einen Bericht aufgesetzt hatten, daß sie die gestohlenen Sachen in Alā ed-Dîns Haus gefunden hätten, und ihr Siegel daruntergedrückt hatten, befahlen sie Hand an Alā ed-Dîn zu legen, nahmen ihm den Turban vom Kopf und machten ein Verzeichnis seines gesamten Hab und Guts. Ahmed Kamâkim der Erzdieb aber legte Hand an sein Mädchen Jāsmîn, das von Alā ed-Dîn empfangen hatte, und brachte sie zu seiner Mutter, zu der er sagte: »Übergieb sie Chātûn, der Frau des Wâlīs.« Da nahm dieselbe Jāsmîn und begab sich mit ihr zur Frau des Wâlīs. Als Habsalam 127 Basâse sie sah, ward er wieder gesund, stand zur selbigen Zeit und Stunde auf und wollte sich ihr in mächtiger Freude nähern, sie aber zog einen Dolch aus ihrem Gürtel und rief ihm zu: »Bleib' fern von mir oder ich ersteche dich und mich.« Da schrie seine Mutter Chātûn: »Du Dirne, ergieb dich meinem Sohn!« Sie aber rief ihr wieder entgegen: »Du Hündin, nach welchem Gesetz darf ein Weib zwei Männer heiraten? Und wie dürfen Hunde sich in des Löwen Lager wagen?« Wie nun ihres Sohnes Verlangen sich hierdurch verdoppelte, und er wieder infolge seiner Leidenschaft und Liebestollheit krank wurde, so daß er nicht mehr aß und sich aufs Kissen legte, sagte seine Mutter zu ihr: »Du Dirne, wie kannst du mir so viel Sorge um meinen Sohn bereiten? Ich muß dich dafür züchtigen, und, was Alā ed-Dîn anlangt, so wird er sicherlich gehängt.« Da sagte Jāsmîn: »Und ich werde aus Liebe zu ihm sterben.« Des Wâlīs Weib aber erhob sich nun, nahm ihr all ihren Schmuck und ihre seidenen Kleider ab, zog ihr Hosen aus grobem Sacktuch und ein härenes Hemd an und schickte sie in diesem Aufzug in die Küche, wo sie sie als Dienstmagd anstellte, indem sie zu ihr sagte: »Deine Strafe soll sein Holz zu brechen, Zwiebeln zu häuten und Feuer unter den Töpfen anzumachen.« Jāsmîn entgegnete darauf: »Ich bin mit jeder Strafe und jeglicher Arbeit zufrieden, wenn ich nur nicht deinen Sohn zu sehen brauche.« Gott aber neigte ihr die Herzen der andern Mägde zu, daß sie ihr die Arbeit in der Küche abnahmen.

Soviel, was Jāsmîn anlangt; was aber Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât betrifft, so nahmen sie ihn und die Sachen des Chalifen und führten ihn in den Diwan, wo nun der Chalife, während er dort auf dem Thron saß, sie mit einem Male mit Alā ed-Dîn und seinen Sachen ankommen sah. Da fragte er: »Wo habt ihr die Sachen gefunden?« Und sie erwiderten: »Mitten im Hause Alā ed-Dîn Abusch-Schāmâts.« Da ergrimmte der Chalife gewaltig und nahm die Sachen; als er aber die Laterne nicht sah, fragte er: »Alā ed-Dîn, 128 wo ich die Laterne?« Alā ed-Dîn entgegnete: »Ich habe sie nicht gestohlen; ich weiß nichts von ihr; ich habe sie nicht gesehen und habe nichts von ihr gehört.« Da schrie ihn der Chalife an: »Du Verräter, ich ziehe dich gütig in meine Nähe, und du stößest mich von dir fort, ich vertraue dir, und du verrätst mich?« Alsdann gab er Befehl ihn zu hängen und der Wâlī stieg hinunter mit ihm und dem Ausrufer, welcher vor ihm ankündigte: »Das ist der Lohn und zwar der geringste Lohn für den, der die rechtgläubigen Chalifen verrät.« Und die Menge drängte sich um den Galgen.

Soviel, was Alā ed-Dîn anlangt; was aber Ahmed ed-Danaf betrifft, Alā ed-Dîns Adoptivvater, so saß derselbe gerade mit seinem Gefolge in einem Garten und vergnügte sich aufs beste, als einer der Wasserträger aus dem Diwan zu ihnen kam, Ahmed ed-Danaf die Hand küßte und zu ihm sagte: »O Hauptmann Ahmed ed-Danaf, du sitzest da und vergnügst dich, während das Wasser unter deinen Füßen fließt, und weißt nicht was geschehen ist.« Nun fragte Ahmed ed-Danaf: »Was giebt's?« Und der Wasserträger erwiderte: »Siehe, sie haben Alā ed-Dîn, der durch Eidschwur vor Gott dein Sohn ist, genommen und gehen mit ihm auf den Galgenplatz.« Da rief Ahmed ed-Danaf: »Was weißt du zu raten, o Hasan, o Schūmân?« worauf dieser erwiderte: »Alā ed-Dîn ist hieran unschuldig; irgend einer seiner Feinde hat ihm diesen Streich gespielt.« »Und was rätst du mir?« fragte Ahmed. Hasan erwiderte: »Wir müssen ihn retten, so Gott will.« Darauf machte sich Hasan Schūmân zum Gefängnis auf und sagte zum Kerkermeister: »Gieb mir einen, der den Tod verdient.« Da gab er ihm einen, der von allen Menschen Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât am ähnlichsten war, worauf ihm Hasan das Haupt verhüllte, und Ahmed ed-Danaf und Alī es-Sîbak der Kairenser ihn zwischen sich nahmen und mit ihm zur Richtstätte fortmachten. Wie sie nun dort Alā ed-Dîn unter den Galgen stellten, trat Ahmed ed-Danaf heran und setzte seinen Fuß auf den Fuß des Henkers, 129 worauf dieser zu ihm sagte: »Mach Platz, daß ich thue, was meines Amtes ist.« Da aber sagte Ahmed ed-Danaf: »Verruchter, nimm diesen Menschen und häng' ihn an Stelle Alā ed-Dîns, denn er ist unschuldig, und wir wollen Ismael mit dem Widder auslösen.«Nach den Arabern sollte Ismael, nicht Isaak, von Abraham geopfert werden. Und so nahm der Henker jenen Verbrecher und henkte ihn an Stelle Alā ed-Dîns, während Ahmed ed-Danaf und Alī es-Sîbak der Kairenser Alā ed-Dîn nahmen und ihn zu Ahmed ed-Danafs Wohnung brachten. Als sie dieselbe glücklich erreicht hatten, sagte Alā ed-Dîn zu ihm: »Gott lohne es dir mit Gutem, mein Vater!« Ahmed aber entgegnete ihm: »O Alā ed-Dîn, was hast du da gethan?

Zweihundertundfünfundsechzigste Nacht.

Gott hab den selig, der den Ausspruch gethan hat: Wer dir Vertrauen schenkt, den verrate nicht, selbst wenn du ein Verräter wärest. Der Chalife gab dir in seiner Nähe hohen Rang und hieß dich den »Vertrauenswürdigen« und »El-Amîn, den Getreuen,« wie konntest du da in dieser Weise handeln und seine Sachen stehlen?« Alā ed-Dîn erwiderte ihm: »Bei dem höchsten Namen, mein Meister, ich hab es nicht gethan und bin schuldlos; doch weiß ich nicht, wer es gethan hat.« Nun sagte Ahmed ed-Danaf: »Diesen Diebstahl hat nur ein offenbarer Feind ins Werk gesetzt, und jeder erhält für seine That seinen Lohn. Jedoch, Alā ed-Dîn, du darfst nicht länger mehr in Bagdad bleiben, denn Könige, mein Sohn, wenden sich nicht so leicht von einem Ding zum andern; wenn Könige einmal nach einem Mann suchen, dann weh über seine lange Plage!« Da fragte Alā ed-Dîn: »Wohin soll ich denn gehen, mein Meister?« Ahmed antwortete: »Ich will dich nach Alexandria bringen; es ist eine gesegnete Stadt, ihre Schwelle ist grün und das 130 Leben in ihr bekömmlich.« Alā ed-Dîn erwiderte ihm darauf: »Ich höre und gehorche, mein Meister;« und nun sagte Ahmed ed-Danaf zu Hasan Schūmân: »Gieb acht, und wenn der Chalife nach mir fragen sollte, so sprich zu ihm: Er macht eine Rundfahrt durchs Land.« Alsdann nahm er Alā ed-Dîn und zog mit ihm aus Bagdad hinaus, ohne eher Rast zu machen als bis sie zu den Weinbergen und Gärten gelangten, wo sie zwei Juden von den Steuereinnehmern des Chalifen zu Maultier antrafen. Da sagte Ahmed ed-Danaf zu ihnen: »Her mit dem Schutzgeld!« Auf ihre Frage: »Warum sollen wir dir Schutzgeld geben?« entgegnete er: »Ich bin der Schutzvogt von diesem Wadi.« Da gaben ihm beide hundert Dinare, worauf er sie niedermachte, ihre Maultiere nahm und eins selber bestieg, während er Alā ed-Dîn das andere besteigen ließ. Alsdann zogen sie nach der Stadt Ajâs, wo sie die Maultiere für die Nacht unterbrachten. Am andern Morgen verkaufte Alā ed-Dîn sein Maultier, während er das Maultier Ahmed ed-Danafs der Obhut des Pförtners anvertraute. Dann stiegen sie im Hafen von Ajâs zu Schiff und segelten nach Alexandria. Dort angelangt, stiegen beide ans Land und gingen auf den Bazar, als gerade ein Mäkler einen Laden mit einem Wohnraum dahinter für neunhundertundfünfzig Dinare ausbot. Da rief Alā ed-Dîn: »Her mit ihm für tausend!« worauf ihm der Verkäufer denselben übergab, da er dem Schatzhaus gehörte, und ihm die Schlüssel einhändigte. Als er nun den Laden und den Hinterraum öffnete, fand er letzteren mit Teppichen und Pfühlen ausgestattet und fand darin ein Magazin von Segeln, Masten, Tauen, Kisten, Säcken voll Perlen und Kaurimuscheln, Steigbügeln, Beilen, eisernen Keulen, Messern, Scheren und dergleichen, da der Besitzer ein Trödler gewesen war. Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât setzte sich nun in den Laden, während Ahmed ed-Danaf zu ihm sagte: »Mein Sohn, der Laden und der Raum dahinter gehören dir mit allem Inhalt; 131 sitz nun hier, verkaufe und kaufe und murre nicht über dein Los, denn Gott, der Erhabene, segnet den Handel.« Nachdem er dann noch drei Tage bei ihm verweilt hatte, nahm er am vierten Tage von ihm Abschied und sagte zu ihm: »Bleib hier, bis ich wieder mit der Nachricht von deiner Begnadigung seitens des Chalifen zurückgekehrt bin und erfahren habe, wer dir diesen Streich gespielt hat.« Darauf reiste er wieder zurück nach Ajâs, holte das Maultier aus dem Chan hervor und ritt nach Bagdad, wo er Hasan Schūmân und seine Leute aufsuchte und Hasan fragte: »Hat der Chalife nach mir verlangt?« Hasan erwiderte: »Nein, du bist ihm gar nicht in den Sinn gekommen.« Hierauf trat er wieder sein Amt beim Chalifen an und suchte Nachricht in betreff des Diebstahls einzuziehen. Da sah er einmal, wie sich der Chalife zu seinem Wesir Dschaafar wendete und zu ihm sprach: »Wesir, schau doch, wie mich Alā ed-Dîn bestohlen hat;« worauf Dschaafar erwiderte: »O Fürst der Gläubigen, zur Strafe dafür hast du ihn aufhängen lassen, und ist ihm nicht sein Lohn zuteil geworden?« Darauf versetzte der Chalife: »Wesir, ich möchte einmal hinunter und ihn hängen sehen.« Da sagte der Wesir: »Thue nach deinem Belieben, o Fürst der Gläubigen.« Und so begab sich denn der Chalife mit seinem Wesir Dschaafar zur Richtstätte. Als er aber dort seinen Blick hob und sah, daß dort ein anderer als Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât, der Vertrauenswürdige, der Getreue, hing, sagte er zum Wesir: »Das ist nicht Alā ed-Dîn.« Da fragte Dschaafar: »Woher weißt du, daß er es nicht ist?« Und der Chalife antwortete: »Alā ed-Dîn war kurz und der da ist lang;« worauf der Wesir versetzte: »Gehenkte strecken sich.« Nun sagte der Chalife: »Alā ed-Dîn war weiß, und der da hat ein schwarzes Gesicht;« worauf Dschaafar wieder entgegnete: »O Fürst der Gläubigen, du weißt, daß der Tod staubfarben macht.« Der Chalife befahl jedoch den Gehenkten vom Galgen zu nehmen, und als sie ihn heruntergeholt hatten, fand er auf seine Fersen die Namen der beiden 132 ScheicheDie Chalifen Abū Bekr und Omar; die schiitischen Perser verwerfen die ersten drei Chalifen und pflegen bisweilen die Namen derselben, besonders den Omars, zum Zeichen der Verachtung auf ihre Sohlen zu schreiben, um sie mit Füßen zu treten. geschrieben, worauf er zu Dschaafar sagte: »O Wesir, Alā ed-Dîn war ein Sunnite und der da ist ein Ketzer.« Da sagte Dschaafar: »Preis sei Ihm, der das Verborgene kennt, während wir nicht wissen, ob dies Alā ed-Dîn ist oder nicht!« Darauf befahl der Chalife den Gehenkten zu begraben, und sie begruben ihn; Alā ed-Dîn aber wurde vergessen und sein Gedächtnis verscholl.

Soviel, was Alā ed-Dîn anlangt; was aber Habsalam Basâse betrifft, den Sohn des Wâlī, so sehnte und grämte er sich um des Mädchens Willen zu Tode, und sie versenkten ihn in den Staub. Die Sklavin Jāsmîn aber erfüllte die Zeit ihrer Schwangerschaft, bis sie von den Wehen befallen wurde und eines Knäbleins gleich dem leuchtenden Monde genas.

Da fragten sie die andern Sklavinnen: »Wie soll der Knabe heißen?« worauf sie antwortete: »Wäre sein Vater am Leben, so würde er ihm den Namen gegeben haben, so aber nenne ich ihn Aslân.Aslân = Arslân, türk., der Löwe.« Alsdann reichte sie ihm zwei Jahre lang die Brüste, worauf sie ihn entwöhnte und er zu krabbeln und laufen begann.

Da traf es sich eines Tages, daß der Knabe, als seine Mutter in der Küche zu thun hatte, fortlief und, als er die Treppe sah, ins Gastzimmer hinaufkletterte, als gerade der Emir Châlid dort saß. Als dieser ihn erblickte, nahm er ihn auf seinen Schoß und pries seinen Herrn für sein Werk und sein Gebilde; dann schaute er ihm ins Gesicht und fand, daß er von allen Wesen Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât am meisten glich. Bald hernach suchte ihn seine Mutter und stieg, als sie ihn nicht fand, zum Gastzimmer hinauf, wo sie nun den Emir Châlid mit dem Knaben im Schoß dasitzen und mit ihm spielen sah, denn Gott hatte im Herzen des Emirs Liebe 133 zu dem Knaben erweckt. Als der Knabe seine Mutter erblickte, wollte er sich ihr in die Arme werfen; doch hielt ihn der Emir fest an sich und sagte zu ihr: »Komm' her, Sklavin.« Als sie nun herzugetreten war, fragte er sie: »Wessen Kind ist dies?« Sie antwortete: »Es ist mein Sohn und meines Herzens Frucht.« Da fragte er sie: »Und wer ist sein Vater?« Und sie entgegnete: »Sein Vater war Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât, doch nun ist es dein Sohn geworden.« Da sagte er: »Alā ed-Dîn war ein Verräter.« Sie entgegnete jedoch: »Gott schütze ihn vor Verrat! Das sei fern und nie und nimmer, daß der »Getreue« ein Verräter wäre.« Nun sagte der Emir: »Wenn der Knabe groß geworden und herangewachsen ist und dich dann frägt: Wer ist mein Vater? so sprich zu ihm: Du bist der Sohn des Emirs Châlid, des Wâlīs und Polizeikommandanten.« Und sie erwiderte: »Ich höre und gehorche.« Darauf beschnitt der Emir Châlid den Knaben, erzog ihn aufs beste und ließ für ihn einen Doktor der Schrift und Kalligraphen holen, der ihm die Schreibkunst und das Lesen beibrachte; und er las den Koran einmal und noch einmal und lernte ihn auswendig und wuchs auf und pflegte den Emir Châlid als seinen Vater anzureden. Außerdem pflegte der Wâlī aber auch die Rennbahn fleißig zu besuchen, die Reiter zu versammeln und den Knaben in den Kampfesweisen mit Lanze und Schwert zu unterweisen, bis er im Alter von vierzehn Jahren ein wackerer Degen geworden war und zum Rang eines Emirs aufstieg. Da traf es sich eines Tages, daß Aslân mit Ahmed Kamâkim dem Erzdieb zusammenkam, sich mit ihm befreundete und ihn zur Schenke begleitete, wo Ahmed Kamâkim mit einem Male die Laterne mit den Edelsteinen, die er von den Sachen des Chalifen an sich genommen hatte, hervorholte, sie vor sich setzte und dann bei ihrem Lichte becherte, bis er trunken ward. Da sagte Aslân zu ihm: »Hauptmann, schenk' mir diese Laterne;« worauf er entgegnete: »Ich kann sie dir nicht schenken.« Nun fragte 134 Aslân: »Weshalb nicht?« Und Ahmed Kamâkim erwiderte: »Weil ihretwegen Leben draufgegangen sind.« Da fragte er: »Wessen Leben ging um ihrerwillen drauf?« Und nun erzählte er ihm: »Da kam einmal ein Mann hierher, welcher zum Hauptmann der Sechzig ernannt wurde, Namens Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât; derselbe war's, der um der Laterne willen sein Leben ließ.« Nun fragte Aslân: »Und wie ist seine Geschichte? Was ist seines Todes Ursach?« Darauf erzählte Kamâkim der Erzdieb: »Du hattest einen Bruder, Namens Habsalam Basâse; als derselbe sein sechzehntes Lebensjahr erreicht hatte und zum Heiraten reif geworden war, bat er deinen Vater ihm eine Sklavin zu kaufen,« – und so erzählte er ihm die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende, wie Habsalam Basâse schließlich krank geworden war, und was Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât ungerechterweise widerfuhr. Als aber Aslân seine Erzählung vernommen hatte, sprach er bei sich: »Vielleicht war jene Sklavin meine Mutter Jāsmîn, und ist kein anderer als Abusch-Schāmât mein Vater.« Darauf verließ ihn der Knabe bekümmert und begegnete dem Hauptmann Ahmed ed-Danaf, welcher bei seinem Anblick rief: »Preis Ihm, dem niemand gleicht!« Da fragte ihn Hasan Schūmân: »Mein Häuptling, worüber verwunderst du dich?« worauf er ihm antwortete: »Über jenes Knaben Aslân Gestalt, denn, siehe, von allen Kreaturen gleicht er am meisten Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât.« Dann rief Ahmed ed-Danaf laut: »Heda, Aslân!« Als dieser ihm den Ruf zurückgab, fragte er: »Wie heißt deine Mutter?« worauf er erwiderte: »Sie heißt die Sklavin Jāsmîn.« Da sagte Ahmed ed-Danaf: »So sei guten Mutes und kühlen Auges, Aslân, denn niemand anders als Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât ist dein Vater; jedoch, mein Sohn, geh' zu deiner Mutter und frag' sie nach deinem Vater.« Aslân erwiderte: »Ich höre und gehorche;« alsdann ging er zu seiner Mutter und fragte sie, und sie antwortete ihm: »Dein Vater ist der Emir Châlid.« Er entgegnete ihr 135 jedoch: »Nein, kein anderer als Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât ist mein Vater;« worauf sie weinte und ihn fragte: »Wer hat dir das gesagt, mein Sohn?« Und er antwortete: »Der Hauptmann Ahmed ed-Danaf hat es mir gesagt.« Da erzählte sie ihm alles Vorgefallene und sagte zu ihm: »O mein Sohn, die Wahrheit ist nun doch ans Tageslicht gekommen und die Lüge vergangen; wisse, Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât war in der That dein Vater, doch hat dich niemand anders als der Emir Châlid erzogen und dich an Sohnes Statt angenommen. Und nun, mein Sohn, wenn du wieder mit Hauptmann Ahmed ed-Danaf zusammentriffst, so sprich zu ihm: Mein Häuptling, ich beschwöre dich bei Gott, räche für mich das Blut meines Vaters Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât an seinem Mörder.« Da verließ er seine Mutter und machte sich auf den Weg –

Zweihundertundsechsundsechzigste Nacht.

zum Hauptmann Ahmed ed-Danaf. Als er bei ihm eintrat und ihm die Hand küßte, fragte ihn dieser: »Was fehlt dir, Aslân?« worauf er ihm erwiderte: »Ich weiß es nun und bin dessen gewiß, daß Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât mein Vater war; und nun bitte ich dich, daß du meines Vaters Blut an seinem Mörder rächst.« Da fragte er ihn: »Und wer ist's, der deines Vaters Tod verschuldet hat?« Aslân erwiderte: »Ahmed Kamâkim der Erzdieb.« Nun fragte er ihn: »Und wer hat dir dies gesagt?« Aslân entgegnete: »Ich sah die Laterne mit den Edelsteinen bei ihm, welche unter den andern Sachen des Chalifen fehlte. Als ich zu ihm sagte: Schenke mir die Laterne, da lehnte er es ab und sagte zu mir: Um ihretwillen sind Leben draufgegangen; dann erzählte er mir, daß er es gewesen war, der eingestiegen war und die Sachen in meines Vaters Haus versteckt hatte.« Als Ahmed ed-Danaf diesen Bericht vernommen hatte, sagte er zu Aslân: »Wenn du den Emir Châlid das Kriegsgewand anlegen siehst, so sprich zu ihm: 136 Rüste mich auch. Wenn du dann mit ihm auf den Plan trittst und du dort eine tapfere That vor dem Chalifen ausführst, und er dann zu dir sprechen wird: Erbitte dir eine Gnade, Aslân! – so sprich zu ihm: Ich erbitte mir die Gnade von dir, daß du meines Vaters Blut an seinem Mörder rächst. Sagt er dann zu dir: Siehe, dein Vater lebt ja, der Emir Châlid, der Wâlī, – so sprich zu ihm: Mein Vater war Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât, und der Wâlī Châlid hat nur das Recht der Erziehung an mir und nichts weiter. Dann erzähl' ihm alles, was zwischen dir und Ahmed Kamâkim dem Erzdieb vorgefallen ist, und sprich zu ihm: O Fürst der Gläubigen, gieb Befehl ihn zu durchsuchen, – und ich selber will dann die Laterne aus seiner Tasche hervorholen.« Aslân erwiderte hierauf: »Ich höre und gehorche,« und ging dann nach Hause, wo er den Emir Châlid antraf, wie er sich gerade zurecht machte, um sich in den Diwan des Chalifen zu begeben. Da sagte er zu ihm: »Ich möchte gern, daß du mich ebenfalls wappnest wie dich und mich mit dir in den Diwan des Chalifen nimmst.« So wappnete er ihn denn und nahm ihn mit sich in den Diwan. Der Chalife aber zog gleich darauf mit seinen Garden aus der Stadt ins offene Feld, wo sie die Zelte und Pavillons errichteten, worauf sie sich in zwei Reihen aufstellten und mit Ball und Keule spielten, indem ein Reiter den Ball mit der Keule dem andern zuschlug und der andere ihn wieder zurückschlug.Es ist dasselbe Spiel wie in der Erzählung vom König Jūnân und dem Hakîm Rūjân, das Polospiel.

Nun befand sich aber unter den Truppen ein Spion, welcher zur Ermordung des Chalifen gedungen war. Und so nahm derselbe den Ball und schlug ihn mit der Keule genau in der Richtung nach dem Gesicht des Chalifen; da aber fing ihn Aslân auf und schlug ihn auf den Ausschläger zurück, so daß er, zwischen die Schultern getroffen, vom Pferd zu Boden stürzte. Da rief der Chalife. »Gott segne dich, 137 Aslân.« Alsdann stiegen sie von ihren Gäulen ab und setzten sich auf die Stühle, der Chalife aber befahl den Ballschläger vorzuführen und fragte ihn, als derselbe vor ihm stand: »Wer hat dich hierzu angetrieben? Bist du Feind oder Freund?« Da entgegnete er: »Ich bin dein Feind, und es war meine Absicht dich zu töten.« Nun fragte der Chalife: »Welchen Grund hattest du dazu? Bist du denn kein Moslem?« Er erwiderte: »Nein, ich bin ein Renegat.D. h. ein Schiit. Dieselben betrachten sich in Wirklichkeit allerdings als echte Moslems.« Da befahl der Chalife ihn hinzurichten, zu Aslân aber sagte er: »Erbitte dir eine Gnade von mir.« Aslân sprach: »Ich erbitte mir von dir die Gnade, daß du meines Vaters Blut an seinem Mörder rächst.« Da sagte der Chalife: »Dein Vater lebt doch und steht vor dir auf seinen Füßen!« Aslân fragte: »Und wer ist mein Vater?« Der Chalife entgegnete: »Der Emir Châlid, der Wâlī.« Aslân aber erwiderte: »O Fürst der Gläubigen, er ist nicht mein Vater, er ist nur mein Pflegevater; mein rechter Vater ist niemand anders als Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât.« Da sagte der Chalife: »Siehe, dein Vater war ein Verräter.« Aslân aber versetzte: »O Fürst der Gläubigen, das sei fern, daß der »Getreue« treulos war; worin hat er denn Verrat gegen dich geübt?« Der Chalife erwiderte: »Er hat mir meinen Königsornat und die Sachen, die dabei waren, gestohlen.« Da sagte Aslân: »O Fürst der Gläubigen, das sei fern, daß mein Vater ein Verräter war! Doch, o mein Herr, als dein Ornat abhanden kam und dann wieder gefunden wurde, sahst du da auch, daß dir die Laterne wieder zurückgegeben wurde?« Der Chalife antwortete: »Wir fanden sie nicht.« Da sagte Aslân: »Ich sah sie bei Ahmed Kamâkim und bat sie mir von ihm aus; er aber wollte sie mir nicht geben, indem er sagte: Um ihretwillen sind Menschenleben draufgegangen. Dann erzählte er mir von Habsalam Basâse, dem Sohn des Emirs Châlid, von seiner Krankheit und Liebe zur Sklavin Jāsmîn, von 138 seiner Befreiung aus den Fesseln, und daß er der Dieb des Ornates und der Laterne gewesen wäre; und nun, o Fürst der Gläubigen, räche mir meines Vaters Blut an seinem Mörder.« Da befahl der Chalife: »Ergreifet Ahmed Kamâkim;« und sofort wurde er ergriffen. Dann fragte er: »Wo ist Hauptmann Ahmed ed-Danaf?« Als derselbe nun vor dem Chalifen erschien, befahl er ihm: »Durchsuche Ahmed Kamâkim.« Da steckte er die Hand in seine Tasche und holte aus ihr die Lampe mit den Edelsteinen hervor. Bei ihrem Anblick rief der Chalife: »Heran, du Verräter! Woher hast du diese Lampe?« Er antwortete: »Ich habe sie gekauft, o Fürst der Gläubigen.« Nun fragte der Chalife: »Wo hast du sie gekauft, und wer konnte dir solch eine Laterne verkaufen?« Darauf schlugen sie ihn so lange, bis er bekannte, daß er die Laterne und den Ornat des Chalifen gestohlen hätte, worauf der Chalife ihn fragte: »Zu welchem Zwecke hast du dies gethan, du Verräter, und Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât, den Vertrauenswürdigen, den Getreuen, zu Grunde gerichtet?« Darauf befahl der Chalife ihn und den Wâlī festzunehmen. Der Wâlī aber sprach nun: »O Fürst der Gläubigen, mir geschieht Unrecht; du befahlst mir doch ihn zu hängen, und ich wußte nichts von diesem Verruchten da, denn die Sache wurde zwischen dem alten Weib, Ahmed Kamâkim und meiner Frau geplant ohne daß ich etwas davon wußte. Aslân, ich begebe mich unter deinen Schutz.« Da legte Aslân beim Chalifen Fürbitte für den Wâlī ein, und der Fürst der Gläubigen fragte nun: »Was hat Gott mit der Mutter dieses Knaben gethan?« worauf der Wâlī erwiderte: »Sie ist bei mir.« Da sagte der Chalife: »So befehle ich dir, daß du dein Weib heißest sie wieder in ihre Sachen und ihren Schmuck zu kleiden und in ihren herrschaftlichen Rang einzusetzen. Ferner sollst du das Siegel von Alā ed-Dîns Haus lösen und seinem Sohne sein Hab und Gut zurückerstatten.« Der Wâlī erwiderte: »Ich höre und gehorche,« und ging dann zu seiner Frau und befahl 139 ihr, was der Chalife geheißen hatte. Dann löste er das Siegel von Alā ed-Dîns Haus und übergab Aslân die Schlüssel. Der Chalife aber sprach noch einmal zu Aslân: »Erbitte dir eine Gnade, Aslân!« Da sprach Aslân: »Ich erbitte mir die Gnade von dir, daß du mich wieder mit meinem Vater vereinst.« Da weinte der Chalife und sagte: »Das Wahrscheinlichste ist, daß dein Vater es war, der gehenkt wurde, und daß er tot ist; doch bei dem Leben meiner Ahnen, jedem, der mir die Botschaft bringt, daß er noch in des Lebens Fesseln liegt, gewähre ich alles, was er begehrt!« So trat denn Ahmed ed-Danaf vor, küßte die Erde vor ihm und sprach: »Gewähre mir deine Gnade, o Fürst der Gläubigen!« Der Chalife erwiderte: »Sie sei dir gewährt.« Und nun sagte Ahmed ed-Danaf: »Ich künde dir die Botschaft, daß Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât, der Vertrauenswürdige, der Getreue, noch lebt und gesund ist.« Als der Chalife dies vernahm, rief er: »Was sagst du da?« Da beteuerte Ahmed ed-Danaf: »Bei deines Hauptes Leben, meine Worte sind wahr, denn ich selber vertauschte ihn mit einem andern todeswürdigen Verbrecher und brachte ihn nach Alexandria, wo ich ihm einen Trödlerladen aufmachte.« Da sagte der Chalife: Ich beauftrage dich ihn zu mir zu bringen.«

Zweihundertundsiebenundsechzigste Nacht.

Ahmed ed-Danaf erwiderte: »Ich höre und gehorche,« worauf der Chalife ihm zehntausend Dinare zu geben befahl; alsdann machte er sich auf den Weg nach Alexandria.

Soviel in Bezug auf Aslân; was nun aber Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât anlangt, so verkaufte er nach und nach alle Sachen in seinem Laden, bis ihm nur noch ein kleiner Rest übriggeblieben war, unter dem sich auch ein Ledersack befand. Wie er nun einmal den Sack schüttelte, fiel ein Juwel an einer goldenen Kette heraus, das so groß war, daß es gerade in eine Hand hineinging. Dasselbe hatte fünf 140 Facetten, auf denen Namen und Talismane gleich Ameisenspuren eingegraben waren. Infolgedessen rieb er die fünf Facetten, da ihm jedoch niemand Antwort gab, sprach er bei sich: »Wahrscheinlich ist es ein Onyx.«Und die Zeichen demnach natürliche und nicht künstliche. Darauf hängte er es im Laden auf. Und siehe, da kam ein KonsulD. h. ein reicher Franke. des Weges daher; seinen Blick aufhebend und den Edelstein gewahrend, setzte er sich neben Alā ed-Dîns Laden und fragte ihn: »Mein Herr, ist dieser Edelstein zum Verkauf?« Alā ed-Dîn antwortete: »Alles, was ich bei mir habe, ist verkäuflich.« Da fragte er: »Willst du mir den Stein für achtzigtausend Dinare verkaufen?« Alā ed-Dîn erwiderte: »Gott wird öffnen.« Da fragte er: »Willst du ihn mir für hunderttausend Dinare lassen?« Und nun sagte Alā ed-Dîn: »Ich verkaufe ihn dir für hunderttausend Dinare; so zähl mir das Geld hin.«

Nun aber sagte der Konsul zu ihm: »Ich kann solchen Geldbetrag nicht bei mir tragen, da es in Alexandria Räuber und Spitzbuben giebt; komm jedoch mit mir mit auf mein Schiff, dort will ich dir den Betrag auszahlen und dir noch dazu einen Ballen Angorawolle, einen Ballen Satin, einen Ballen Sammet und einen Ballen Tuch geben.« So stand denn Alā ed-Dîn auf, verschloß seinen Laden, nachdem er dem Franken den Edelstein gegeben hatte, und händigte seinem Nachbarn die Schlüssel ein, indem er zu ihm sagte: »Nimm diese Schlüssel an dich und verwahre sie mir, daß ich diesen Konsul zum Schiff begleiten und mir das Geld für meinen Edelstein holen kann. Bleibe ich jedoch lange aus, und kommt Ahmed ed-Danaf zu dir, derselbe, der mich in diesen Laden setzte, so gieb ihm die Schlüssel und sag ihm, wohin ich gegangen bin.« Darauf machte er sich mit dem Konsul auf zum Schiff. Als er nun mit ihm an Bord trat, setzte dieser ihm einen Stuhl hin und hieß ihn niedersitzen, worauf er rief: »Bringt das Geld.« Dann gab er ihm den Betrag 141 nebst den fünf Ballen, die er ihm versprochen hatte, und sagte zu ihm: »Mein Herr, beehre mich durch die Annahme eines Bissens oder eines Schlucks Wasser.« Da sagte Alā ed-Dîn: »Wenn du Wasser bei dir hast, so gieb mir etwas zu trinken.« Da rief der Kapitän nach Scherbetts, doch befand sich in denselben Bendsch, so daß Alā ed-Dîn kaum davon getrunken hatte, als er auch schon auf seinen Rücken umfiel. Darauf trugen sie die Stühle fort, setzten die Stangen einZum Abstoßen vom Strand. und spannten die Segel aus, und der Wind wehte günstig und trieb sie hinaus aufs Meer. Mitten auf hoher See befahl nun der Kapitän Alā ed-Dîn aus der Kabine herauszuholen, worauf sie ihn herausholten und ihm das Gegenmittel gegen Bendsch zu riechen gaben. Da öffnete er die Augen und fragte: »Wo bin ich?« Und der Kapitän antwortete ihm: »Du bist bei mir gebunden und wohl verwahrt; hättest du mir aber auf mein Gebot von hunderttausend Dinaren »Gott wird öffnen« geantwortet, ich hätte dir noch mehr geboten.« Nun fragte Alā ed-Dîn: »Was ist dein Gewerbe?« Der Franke antwortete ihm: »Ich bin ein Schiffskapitän und will dich jetzt zu meiner Herzgeliebten bringen.«

Während sie noch miteinander redeten, kam mit einem Male ein Schiff mit vierzig moslemischen Kaufleuten in Sicht; da steuerte der Kapitän auf sie los, warf den Enterhaken auf dasselbe, sprang dann mit seinen Leuten hinüber, plünderte es und schleppte es als Beute mit sich nach der Stadt Genua, wo sich nun der Kapitän, welcher Alā ed-Dîn entführt hatte, zu einem Schloßthor, das aufs Meer hinausging, begab und siehe, da kam ein Fräulein mit einem Schleier über der untern Hälfte des Gesichts zu ihm herab und fragte ihn: »Hast du den Edelstein und seinen Besitzer gebracht?« worauf der Kapitän ihr antwortete: »Ja, ich habe beide gebracht.« Da sagte sie: »So gieb mir den Edelstein;« 142 und er gab ihr den Stein und ging dann zum Hafen, wo er den Kanonensalut abgab. Als der König der Stadt hieraus ersah, daß jener Kapitän eingetroffen war, zog er zu seinem Empfang hinaus und fragte ihn: »Wie war die Fahrt?« worauf der Kapitän erwiderte: »Sehr gut, und außerdem kaperte ich unterwegs ein Schiff mit einundvierzig moslemischen Kaufleuten.« Da sagte der König: »Bring sie in Eisen nach der Stadt.« Es befand sich aber auch Alā ed-Dîn unter der Zahl derselben. Nun setzten sich der König und der Kapitän auf und ließen die Gefangenen vor sich hermarschieren, bis sie zum Diwan gelangten, woselbst sie sich setzten. Dann wurde der erste Gefangene vorgeführt, und der König fragte ihn: »Woher bist du, Moslem?« Er antwortete: »Aus Alexandria.« Da rief der König: »Heda, Schwertmeister, köpf ihn;« Und der Scharfrichter versetzte ihm einen Schwertstreich und holte ihm den Kopf herunter und ebenso dem zweiten und dritten, bis alle vierzig geköpft waren, und nur noch Alā ed-Dîn übriggeblieben war, welcher die Seufzer seiner Kameraden hinunterschlucken mußte und dabei bei sich sprach: »Gottes Barmherzigkeit sei auf dir, Alā ed-Dîn, dein Leben ist aus!« Nun fragte ihn der König: »Und du, aus welchem Lande bist du?« Als er ebenfalls die Antwort gab: »Aus Alexandria,« rief der König: »Schwertmeister, herunter mit seinem Kopf!« Und schon hatte der Scharfrichter das Schwert hochgeschwungen und wollte Alā ed-Dîn den Kopf herunterholen, da trat mit einem Male eine Alte von ehrfurchtsgebietendem Äußern vor den König und sagte zu ihm, während derselbe sich respektvoll vor ihr erhob: »O König, sprach ich nicht zu dir: ›Wenn der Kapitän mit den Gefangenen kommt, so gedenke des Klosters mit einem oder zwei Gefangenen, damit sie in der Kirche dienen‹?« Da sagte der König zu ihr: »O Mutter, wärest du doch um eine Stunde früher gekommen! Doch nimm diesen Gefangenen, der noch übriggeblieben ist.« Hierauf wendete sie sich zu Alā ed-Dîn und fragte ihn: »Willst 143 du in der Kirche dienen oder soll ich den König dich köpfen lassen?« Da sagte Alā ed-Dîn: »Ich will in der Kirche dienen;« und so nahm sie ihn denn, verließ mit ihm den Diwan und wanderte mit ihm zur Kirche; hier fragte Alā ed-Dîn: »Welchen Dienst habe ich zu verrichten?« Da sagte sie zu ihm: »Du wirst in der Morgenfrühe aufstehen, wirst dir fünf Maultiere nehmen und mit ihnen nach dem Wald gehen, wo du dürres Reisig abzuhauen, es zu brechen und zur Klosterküche zu bringen hast. Hernach wirst du die Teppiche aufnehmen, wirst das Pflaster und den Marmor kehren und scheuern und die Teppiche wieder auf ihren Platz legen. Dann wirst du einen halben Ardebb Weizen nehmen, das Korn sieben und mahlen und kneten und aus dem Teig Backwerk fürs Kloster machen. Weiter hast du dann ein Maß Linsen zu nehmen, hast sie zu sieben, klein zu stoßen und zu kochen. Dann wirst du vier Fässer mit Wasser füllen und damit die vier Springbrunnen speisen. Hierauf wirst du dreihundertundsechsundsechzig Holznäpfe nehmen, wirst das Backwerk hineinbröckeln, die Linsensuppe darüber gießen und jedem Mönch und Patriarchen seinen Speisenapf bringen.« Als Alā ed-Dîn dies vernahm, sagte er zu ihr: »Bring mich lieber wieder zum König zurück und laß ihn mich töten; das fiele mir leichter als all diese Arbeit.« Die Alte erwiderte ihm darauf: »Wenn du deinen Dienst ordentlich versiehst, sollst du dem Tode entrinnen, wenn aber nicht, so soll dich der König töten.« So saß denn Alā ed-Dîn unter schwerer Sorgenlast da, und noch obendrein von zehn blinden Krüppeln, die sich in der Kirche befanden, verhöhnt, als mit einem Male die Alte zu ihm kam und zu ihm sagte: »Warum versorgst du nicht deinen Dienst, wie es sich schickt?« Er erwiderte: »Wie viele Hände habe ich denn, um all diese Arbeit verrichten zu können?« Da sagte sie: »Verrückter, hab ich dich nicht zur Arbeit hergeholt?« Dann fügte sie hinzu: »Mein Sohn, nimm diese Rute, –« dieselbe war aber von Kupfer mit einem Kreuz am obern Ende, – »geh auf 144 die Hauptstraße hinaus, und wenn der Wâlī der Stadt dir begegnet, so sprich zu ihm: Ich lade dich zum Dienst in der Kirche um des Herrn Jesu willen; er wird dir nicht widersprechen. Laß ihn dann den Weizen nehmen, ihn sieben, mahlen, seihen, das Mehl kneten und aus dem Teig Backwerk backen. Jedem aber, der dir nicht folgt, dem versetz einen Schlag, und fürchte dich vor niemand.« Da versetzte er: »Ich höre und gehorche,« und that nach ihrem Geheiß, fortwährend Groß und Klein siebzehn Jahre lang zum Frondienst zwingend.

Während er nun nach Verlauf dieser Zeit eines Tages in der Kirche dasaß, kam mit einem Male die Alte zu ihm herein und befahl ihm: »Geh aus dem Kloster.« Da fragte er sie: »Weshalb soll ich fortgehen?« Und sie erwiderte ihm: »Bringe die Nacht über in einer Schenke oder bei einem deiner Kameraden zu.« Nun fragte er wieder: »Weshalb jagst du mich denn aus der Kirche fort?« Worauf sie ihm entgegnete: »Siehe, Husn Marjam,Die Schönheit der Maria, d. h. schön wie die Jungfrau Maria. die Tochter des Königs Johannes, des Fürsten dieser Stadt, will die Kirche besuchen, und da schickt es sich nicht, daß jemand in ihrem Wege sitzt.« So gehorchte ihr denn Alā ed-Dîn, stand auf, und that so, als ob er aus der Kirche ginge; doch sprach er bei sich: »Ob wohl die Prinzessin wie unsere Frauen aussieht oder ob sie schöner ist? Ich will nicht eher fortgehen, als bis ich sie mir angesehen habe.« Hierauf versteckte er sich in eine Zelle, deren Fenster auf die Kirche ging. Während er hier nun auf die Kirche hinausschaute, kam mit einem Male die Prinzessin an, und ein Blick auf sie genügte, tausend Seufzer in seinem Herzen zu erwecken, da sie ihm wie der aus dunklem Gewölk hervorbrechende Vollmond erschien. Außerdem sah er ein anderes Mädchen bei ihr, –

Zweihundertundachtundsechzigste Nacht.

zu welcher er die Prinzessin nun sagen hörte: »Du hast mich durch deine Gesellschaft erfreut, Subeide.« Da faßte 145 Alā ed-Dîn jenes Mädchen scharf ins Auge und sah, daß es seine verstorbene Gattin Subeide die Lautnerin war. Nun sagte die Prinzessin zu Subeide: »Auf, und spiele uns eine Weise auf der Laute!« worauf sie ihr erwiderte: »Ich spiele dir nicht eher etwas vor, als bis du mir meinen Wunsch gewährt und dein Versprechen erfüllt hast.« Da fragte die Prinzessin Subeide: »Was habe ich dir denn versprochen?« Sie erwiderte ihr: »Du versprachst mir mich mit meinem Gatten Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât, dem Vertrauenswürdigen, dem Getreuen, wieder zu vereinigen.« Da entgegnete die Prinzessin: »O Subeide, sei guten Mutes und kühlen Auges und gieb uns einen Ohrenschmaus zum Dank für deine Vereinigung mit deinem Gatten Alā ed-Dîn zum besten.« Nun fragte Subeide: »Wo ist er denn?« Und die Prinzessin antwortete ihr: »Siehe, er steckt dort in der Zelle und hört unsere Worte.« Da spielte sie so süß auf der Laute, daß harte Felsen vor Lust hätten tanzen können; als aber Alā ed-Dîn ihr Spiel hörte, geriet sein Inneres in Aufruhr; aus der Zelle hervorstürmend, stürzte er sich auf beide und zog seine Gattin Subeide an seine Brust; und auch sie erkannte ihn, und beide umarmten einander und stürzten ohnmächtig zu Boden. Da trat die Königin Husn Marjam an sie heran, sprengte Rosenwasser auf sie und sagte zu ihnen, als sie hierdurch wieder zu sich gekommen waren: »Gott hat euch beide wieder vereinigt;« worauf Alā ed-Dîn antwortete: »Durch deine Güte, meine Herrin.« Dann wendete er sich zu seiner Gattin Subeide der Lautnerin und sagte zu ihr: »Du warst doch gestorben und von uns begraben, Subeide, wie bist du wieder zum Leben erstanden und hierher gekommen?« Da antwortete sie ihm: »Mein Herr, ich war nicht gestorben, es hatte mich nur ein AunDie Aun sind ähnlich wie die Ifrîten und Mâride böse Dschinn. von den Dschânn geraubt und war mit mir hierher geflogen; die Gestalt, die ihr begrubt, war eine Dschinmîje, welche meine Gestalt 146 angenommen und sich tot gestellt hatte, dann aber, nachdem sie von euch begraben war, das Grab durchbrach, wieder herauskam und zur Dienstleistung bei ihrer Herrin, der Prinzessin Husn Marjam, hierherflog. Was mich anlangt, so war ich besessen; als ich wieder meine Augen öffnete und mich bei der Prinzessin Husn Marjam, die du hier siehst, fand, fragte ich sie: »Weshalb hast du mich hierher gebracht?« worauf sie mir antwortete: »Ich bin prädestiniert deinen Gatten Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât zu heiraten; nimmst du mich wohl als Nebengattin an, Subeide, so daß mir eine Nacht und dir eine Nacht zukommt?« Ich antwortete ihr: »Ich höre und gehorche, meine Herrin; wo aber ist mein Gatte?« Sie versetzte darauf: »Auf seiner Stirn steht geschrieben, was Gott für ihn beschlossen hat; und, wenn sich erfüllt hat, was auf seiner Stirn geschrieben steht, so wird er unwiderruflich hierher kommen; wir wollen uns daher bis dahin über die Trennung von ihm mit Sang und Saitenspiel trösten, bis uns Gott mit ihm zusammenführt.« Und so blieb ich bei ihr die ganze lange Zeit über, bis Gott mich mit dir hier in der Kirche vereinte.« Nun wendete sich Husn Marjam zu ihm und sagte: »Mein Herr Alā ed-Dîn, willst du mich wohl als dein Weib annehmen und willst du mein Herr und Gemahl sein?« Alā ed-Dîn erwiderte: »Meine Herrin, ich bin ein Moslem, und du bist eine Nazarenerin, wie könnte ich mich also mit dir vermählen?« Da entgegnete sie: »Da sei Gott vor, daß ich eine Ungläubige wäre! Seit achtzehn Jahren habe ich fest zum Glauben des Islams gestanden, und ich bin rein von irgend einem andern Glauben, welcher dem Glauben des Islams widerspricht.« Nun sagte Alā ed-Dîn: »Meine Herrin, ich möchte in mein Land zurückkehren.« Und sie erwiderte ihm: »Wisse, ich sehe auf deiner Stirne Dinge geschrieben, welche du erst erfüllen mußt, und dann sollst du deinen Wunsch erreichen. Freue dich aber, Alā ed-Dîn, denn ein Sohn ward dir geboren, des Name Aslân ist, welcher nunmehr deinen Rang beim Chalifen 147 einnimmt und achtzehn Jahre zählt. Und wisse auch, daß die Wahrheit an den Tag gekommen und der Trug vergangen ist, und daß der Herr den Schleier von dem Dieb, der des Chalifen Sachen stahl, aufgehoben hat. Ahmed Kamâkim war's, der Erzdieb und Verräter, der nun in Ketten und Banden im Kerker liegt. Und wisse, daß ich es war, die den Edelstein zu dir schickte und ihn dir in den Ledersack in den Ranzen legte, und daß ich den Kapitän zu dir entsandte, welcher dich dann und den Edelstein hierherbrachte; dieser Kapitän liebt mich nämlich und verlangt nach mir, doch verweigerte ich mich ihm, indem ich zu ihm sagte: Du sollst mich nicht eher besitzen als bis du mir den Edelstein und seinen Besitzer hergeschafft hast. Hierauf gab ich ihm hundert Beutel und schickte ihn in Kaufmannsverkleidung zu dir; als sie dich dann zum Tode führten, nachdem die andern Gefangenen, unter denen du dich befandest, enthauptet waren, schickte ich jene Alte zu dir.« Da sagte Alā ed-Dîn zu ihr: »Gott lohne es dir für mich mit allem Guten!« Darauf erneuerte Husn Marjam vor ihm ihr Bekenntnis zum Islam, und da er nun die Wahrheit ihrer Worte erkannte, sprach er zu ihr: »Sag' mir doch, welche Kraft in diesem Edelstein steckt, und woher er stammt?« Darauf versetzte sie: »Dieser Edelstein stammt aus einem verzauberten Hort und besitzt fünf Kräfte, die uns in Zeiten der Not nützen werden. Meine Großmutter nämlich, meines Vaters Mutter, war eine Zauberin, welche Geheimnisse lösen und Schätze an sich bringen konnte, aus deren einem dieser Edelstein stammt. Als ich herangewachsen war und vierzehn Jahre zählte und das Evangelium und andere Bücher las, fand ich den Namen MohammedsDie Mohammedaner lassen Abraham, Moses und Jesus als Propheten gelten, behaupten aber, daß die Bibel gefälscht ist. So lehren sie, daß Jesus im Johannesevangelium Mohammeds Sendung verkündete, indem er nicht den ParáklhtoV, den Tröster, sondern den PeríklutoV, den Gepriesenen, das griechische Wort für Mohammed, verheißen habe. – Gott segne ihn und spende ihm 148 Heil! – in vier Büchern, in der Thora, dem Evangelium, dem Psalter und dem Koran, und glaubte an Mohammed und bekannte mich zum Islam, indem ich erkannte daß niemand als Allāh, der wahre und einzige Gott, Er, der Erhabene, Anbetung verdient, und daß der Herr der Geschöpfe allein am Glauben des Islams Gefallen findet. Als dann meine Großmutter erkrankte, schenkte sie mir diesen Edelstein und lehrte mich seine fünf verborgenen Kräfte. Noch vor ihrem Tode sprach mein Vater zu meiner Großmutter: »Mach' für mich eine Sandfigur auf deinem Zauberbrett und erforsche meiner Sache Ausgang und mein Geschick.« Da verkündete sie ihm: »Du wirst fallen durch eines Gefangenen Hand aus Alexandria,« worauf mein Vater schwur jeden Gefangenen, der von Alexandria wäre, zu töten und dies dem Kapitän ansagte, ihm befehlend: »Du hast die Schiffe der Moslems zu überfallen und alle Gefangenen, die aus Alexandria stammen, zu töten oder mir herzubringen.« Der Kapitän gehorchte seinem Befehle, bis er so viele wie Haare auf seinem Haupt erschlagen hatte. Da geschah es, daß meine Großmutter starb, und nun machte ich mir eine Sandfigur, indem ich insgeheim bei mir sprach: Ich möchte doch einmal sehen, wer mich heiraten wird. Da fand ich, daß mich kein anderer heiraten würde als ein gewisser Abusch-Schāmât, der Vertrauenswürdige, der Getreue. Verwundert hierüber, wartete ich, bis sich die Zeit erfüllete und ich mit dir zusammentraf.« Und so heiratete sie denn Alā ed-Dîn und sprach zu ihr: »Ich möchte in meine Heimat zurückkehren.« Da sagte sie: »Wenn die Sache so steht, so komm' zu mir.« Alsdann nahm sie ihn und begab sich, nachdem sie ihn in einer Kammer in ihrem Schloß verborgen hatte, zu ihrem Vater, welcher zu ihr sagte: »O meine Tochter, ich fühle mich heute sehr beklommen, bleib' daher bei mir, daß wir zusammen uns beim Wein erheitern.« Darauf setzte er sich und rief nach dem Weintisch, und sie schenkte ein und reichte ihm zu trinken, bis er nichts mehr von sich 149 wußte; dann that sie Bendsch in seinen Becher, und er leerte denselben und sank auf seinen Rücken. Nun holte sie Alā ed-Dîn aus seiner Kammer und sagte zu ihm: »Siehe, dein Widersacher liegt auf dem Rücken; verfahre demnach mit ihm nach deinem Belieben, ich habe ihn nämlich trunken gemacht und ihm Bendsch eingegeben.« Da kam Alā ed-Dîn herein und band ihm die Hände fest auf dem Rücken zusammen und fesselte ihn; dann gab er ihm ein Gegenmittel ein, worauf der König wieder zu sich kam –

Zweihundertundneunundsechzigste Nacht.

und nun Alā ed-Dîn und seine Tochter auf seiner Brust knieen sah. Da sagte er zu seiner Tochter: »Meine Tochter, behandelst du mich in dieser Weise?« worauf sie ihm erwiderte: »Bin ich deine Tochter, so werde Moslem, gleich wie ich gläubig wurde; denn die Wahrheit ward mir offenbar und ich befolgte sie, und der Trug ward mir klar, und ich entsagte ihm. Ich habe mich ganz Gott, dem Herrn der Welten, ergeben und ich bin rein von jeglichem Glauben, welcher mit dem Glauben des Islams in Widerspruch steht in dieser Welt und in der kommenden. Wirst du Moslem, so ist's gut, wenn aber nicht, so ist der Tod dir besser als das Leben.« Ebenso redete ihm Alā ed-Dîn zu, da er aber nicht wollte und sich widerspenstig zeigte, zog Alā ed-Dîn einen Dolch und schnitt ihm die Kehle von einer Drosselader zur andern ab; dann nahm er ein Stück Papier, schrieb darauf, was vorgefallen war, und legte es auf seine Stirn. Hierauf nahmen sie alles, was leicht fortzuschaffen und hoch im Wert war, und gingen aus dem Schloß wieder zur Kirche, wo die Prinzessin den Edelstein hervorholte und ihre Hand auf die Facette, auf welcher ein Sofa eingegraben war, legte und sie rieb; und siehe, da stand ein Sofa vor ihr und sie, Alā ed-Dîn und seine Gattin Subeide die Lautnerin setzten sich darauf, und die Prinzessin rief: »So wahr die Namen, die Talismane und die magischen Zeichen auf diesem 150 Edelstein eingegraben stehen, Sofa, erhebe dich mit uns!« Da stieg das Sofa mit ihnen auf und schwebte, bis es zu einem kahlen Wadi gelangte, wo die Prinzessin nun die vier andern Facetten gen Himmel kehrte, so daß die fünfte mit dem Sofa nach unten gerichtet war, und sogleich senkte sich das Sofa mit ihnen zur Erde. Dann kehrte sie die Schliffseite des Edelsteins, auf welcher das Bild eines Zeltes eingegraben war, um, und rieb sie, indem sie dazu sprach: »Ein Zelt werde in diesem Wadi aufgeschlagen!« Und sofort stand ein Zelt aufgeschlagen da, worin sie sich setzten. Da aber jenes Wadi kahl und gras- und wasserlos war, kehrte sie vier Flächen zum Himmel und rief: »Bei dem Namen Gottes, es mögen hier Bäume sprießen, und ein Fluß soll neben ihnen strömen!« Und sogleich sproßten Bäume und strömte zu ihrer Seite ein rauschender und wogender Strom, in welchem sie nun die Waschung vollzogen, worauf sie beteten und tranken. Dann kehrte sie wieder drei Seiten vom Stein um, bis sie zur vierten kam, auf welcher das Bild eines Speisetisches eingegraben war, und rief: »Bei dem Namen Gottes, der Tisch werde vorgesetzt!« Und siehe, da stand ein Tisch mit allerlei köstlichen Speisen vor ihnen, worauf sie aßen und tranken und fröhlich und vergnügt waren.

Soviel was Marjam anlangt; was aber ihren Bruder den Prinzen betrifft, so begab sich derselbe ins Schloß, um seinen Vater zu wecken, und fand ihn dort ermordet daliegen und auf ihm das Blatt, welches Alā ed-Dîn geschrieben hatte. Als er es gelesen und seinen Inhalt begriffen hatte, suchte er nach seiner Schwester; da er sie jedoch nicht fand, ging er zur Alten in die Kirche und fragte sie nach ihr, worauf sie ihm zur Antwort gab: »Seit gestern hab' ich sie nicht mehr gesehen.« Da kehrte er zu den Truppen zurück und rief: »Aufs Pferd, ihr Reiter!« Dann teilte er ihnen das Vorgefallene mit, und sie sprangen in den Sattel und ritten hinaus ins Feld, bis sie sich dem Zelt näherten. Wie sich nun Husn Marjam umwendete, sah sie plötzlich eine 151 Staubwolke den Horizont verrammeln; dann stieg die Staubwolke auf und schwebte, und nun wurde ihr Bruder mit seinem Heere unter ihr sichtbar, und sie hörte sie rufen: »Wohin wollt ihr fliehen, wo wir hinter euch her sind?« Da sagte sie zu Alā ed-Dîn: »Stehst du fest im Gefecht?« Er antwortete: »Wie der Zeltpflock in der Kleie; ich weiß weder etwas von Krieg und Schlacht noch von Schwert und Lanze.« Da zog sie den Edelstein hervor und rieb die fünfte Fläche, auf welcher das Bild eines Rosses und seines Reiters eingegraben stand; und siehe, da erschien ein Reitersmann im Feld und hieb so lange mit dem Schwert auf sie ein, bis er sie zersprengt und in die Flucht geschlagen hatte. Hierauf fragte die Prinzessin Alā ed-Dîn: »Willst du nach Kairo oder nach Alexandria?« Er antwortete: »Nach Alexandria.« Da setzten sie sich aufs Sofa, die Prinzessin that den Zauberspruch, und im Nu erhob sich mit ihnen das Sofa und schwebte mit ihnen von hinnen, bis sie nach Alexandria gekommen waren. Hier brachte sie Alā ed-Dîn in einer Höhle unter, worauf er in die Stadt ging, ihnen Oberkleider holte und sie darin kleidete. Dann begab er sich mit ihnen in den Laden, wo er sie im Hinterraum unterbrachte, und ging nun aus, um ihnen das Frühstück zu besorgen, als mit einem Male der Hauptmann Ahmed ed-Danaf aus Bagdad ankam. Er sah ihn unterwegs und empfing ihn mit Umarmung, Salâm und Willkommgruß, worauf ihm der Hauptmann Ahmed ed-Danaf die gute Botschaft von seinem Sohne Aslân mitteilte und ihm erzählte, daß er nunmehr ein Alter von zwanzig Jahren erreicht hätte. Darauf erzählte ihm Alā ed-Dîn alle seine Erlebnisse von Anfang bis zu Ende und nahm ihn mit sich zum Laden und seinem Hintergemach, während Ahmed ed-Danaf sich hierüber aufs höchste verwunderte. Nachdem sie die Nacht verbracht hatten, verkaufte Alā ed-Dîn am andern Morgen den Laden, und legte den Betrag dafür zu seinem andern Geld. Alsdann erzählte ihm Ahmed ed-Danaf, daß der Chalife nach ihm verlangte; doch sagte 152 Alā ed-Dîn: »Erst muß ich nach Kairo, um meine Eltern und Hausgenossen zu begrüßen.« Und so setzten sich denn alle aufs Sofa und reisten nach Kairo, dem glückseligen, wo sie sich in der gelben Gasse, in welcher seiner Eltern Haus stand, niederließen. Dann pochte er an die Hausthür, worauf seine Mutter rief: »Wer ist an der Thür. wo die Lieben dahin sind?« Da antwortete er ihr: »Ich bin's, Alā ed-Dîn.« Und nun kamen sie herunter und empfingen ihn mit offenen Armen; dann brachte er seine Gattinnen und seine Habe ins Haus und trat zuletzt selber mit Ahmed ed-Danaf ein. Nachdem sie sich drei Tage ausgeruht hatten, wollte er nach Bagdad reisen. Seinem Vater, der zu ihm sagte: »Mein Sohn, bleib bei uns,« antwortete er: »Ich kann nicht von meinem Sohn Aslân getrennt sein.« Dann nahm er seinen Vater und seine Mutter mit sich, und alle reisten nach Bagdad, woselbst Ahmed ed-Danaf vor den Chalifen trat, ihm Alā ed-Dîns Ankunft vermeldete und ihm seine Geschichte erzählte. Da zog der Chalife mit seinem Sohn Aslân ihm entgegen, und sie trafen einander und umarmten sich, worauf der Chalife Ahmed Kamâkim den Erzdieb vorzuführen befahl. Als derselbe vor ihm erschien, sagte er: »Alā ed-Dîn, vorwärts, auf deinen Widersacher!« Da zog Alā ed-Dîn das Schwert und holte ihm mit einem Streich das Haupt herunter. Hierauf ließ der Chalife die Kadis und die Zeugen kommen, schrieb seinen Ehekontrakt mit Husn Marjam und veranstaltete für Alā ed-Dîn ein prächtiges Fest; und Alā ed-Dîn suchte sein Weib heim und fand in ihr eine undurchbohrte Perle. Dann machte der Chalife seinen Sohn Aslân zum Hauptmann der Sechzig und schenkte beiden Ehrenkleider, worauf sie das schönste und glücklichste Leben führten, bis der Zerstörer aller Freuden und der Trenner aller Vereinigungen sie heimsuchte. 153

 


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