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Vorwort.

. Mit einem einer bessern Sache würdigem Feuereifer verlangen die ultramontanen Parteien Deutschlands und der Schweiz immer wieder von neuem die Rückkehr des Jesuitenordens in diese Länder, aus denen derselbe, durch die Bundesverfassung hier, durch Gesetze dort, zur Zeit verbannt ist. Ohne sich anzumaßen, daß seine Stimme eine maßgebende sei, will der Verfasser lediglich den beiden Völkern germanischer Abkunft, von denen er das eine als das seines Vaterlandes, das andere als das seines Stammes, seiner Sprache und Kultur liebt, zu bedenken geben, ob sie jenen Stimmen der Rückkehr zu überwundenen Standpunkten eine Berechtigung zuerkennen oder ihnen nicht lieber widerstehen wollen. Der Verfasser wünscht und hofft das letztere, und zwar nicht etwa aus irgend einem Grunde der Opposition gegen die katholische Kirche, die er aufrichtig achtet und ehrt, sondern vielmehr, weil er aus tiefster, innigster Überzeugung die sich so nennende »Gesellschaft Jesu« als einen gefährlichen Feind jener Kirche in ihrer Reinheit, und ihre Lehren als das gerade Widerspiel der ursprünglichen Kirchenlehre betrachtet. Diese Ansicht hat der Verfasser nach reiflichem Studium aus den Schriften der Jesuiten selbst geschöpft. Er führt demnach in diesem Büchlein zur Unterstützung derselben beinahe ohne Ausnahme die Schriften der Jesuiten selbst an. Wollte man dabei etwa die Einwendung geltend machen, diese Bücher seien nur Werke einzelner Jesuiten und nicht die Stimme des Ordens, so antworten wir mit dem »Institutum Societatis Jesu, auctoritate congreg. gener. XVIII etc. (Prag 1757), Vol. I. p. 372: »Verschiedene Lehrmeinungen sollen nicht gestattet werden, weder in Predigten oder in öffentlichen Vorlesungen, noch in Büchern, welche ohne Approbation und Gutheißung des Ordensgenerals nicht herausgegeben werden dürfen.« Auch die Konstitutionen des Ordens verbieten (VIII, 1. 8) die Veröffentlichung irgend eines Buches ohne Erlaubnis des Generals, sowie die Billigung neuer Ansichten ohne Zustimmung der ganzen Gesellschaft. »Sind die katholischen Lehrer, sagt dasselbe Gesetzbuch, über einen Punkt im Streite, so müssen alle Jesuiten nur eine Meinung darüber annehmen, nämlich die der Gesellschaft vorteilhafteste ( magis conveniens Nostris.)« In der That sind sämtliche in diesem Buche angeführte Schriften von Jesuiten »mit Erlaubnis der Oberen« erschienen. Daß in dem Orden auch heute »doctrinae differentes« nicht statthaft sind, daß der Geist des Ordens derselbe geblieben ist und die heutigen Jesuiten in die Erbschaft der alten eingetreten sind, ergiebt sich aus einer Vergleichung der letzteren mit den, wie im Orden selbst, so auch bei der römischen Curie, hochangesehenen und maßgebenden Jesuitenvätern Gury, Liberatore, Moullet, Lehmkuhl und anderen, die unsere Zeitgenossen und deren Lehren in der römisch-katholischen Welt unbestritten anerkannt sind.

Leider wird durch die Verbannung des Jesuitenordens der Jesuitismus von den betreffenden Ländern nicht fern gehalten, sondern erfreut sich einer zunehmenden Geltung in den maßgebenden Kreisen der katholischen Kirche. Es ist dieser Umstand im Interesse der Kirche selbst tief zu beklagen, nicht nur weil er die Ehrfurcht verdienende Würde der Kirche beeinträchtigt, sondern weil er ihr unermeßlichen und stets zunehmenden, teils öffentlichen, teils geheimen Abfall zuzieht, so daß die Zeit vorauszusehen ist, für Jeden nämlich, der nicht blind sein will, in welcher die katholische Kirche nur noch aus einer Partei bestehen und keinen Anspruch mehr darauf haben wird, als die zur Allgemeinheit bestimmte Eine Heerde unter Einem Hirten verehrt zu werden. Darauf hin arbeiten die Jesuiten, darauf hin mit ihnen ihre gegen alle ihnen unbequemen Thatsachen blinden und tauben Anhänger. Würden daher die Behörden Deutschlands und der Schweiz die Verbannung des Jesuitenordens aufheben, so würden sie damit anerkennen, daß der in der Kirche sich immer breiter machende jesuitische Geist der wahre Geist des Katholizismus und berechtigt sei, die Kirche zu regieren. Ja, die Mehrheit eines Deutschen (!!) Reichstages hat diese Anerkennung, in teils bewußter, teils unbewußter Unkenntnis der Geschichte, bereits ausgesprochen. Glücklicher Weise aber steht der Vollzug dieses undeutschen Beschlusses auf weitem Felde. Halten aber jene Behörden die Ausweisung der Jesuiten aufrecht, – auch ohne deshalb den Jesuitismus verbannen zu können, so verweigern sie damit jene Anerkennung und brandmarken das Jesuitentum als das, was es ist, als einen Ausfluß der Unduldsamkeit, Verfolgung und Herrschsucht, kurz als eine Erscheinung, welche nicht nur keine Berechtigung im heutigen Staatsleben hat, sondern nicht einmal eine solche in der katholischen Kirche haben sollte. Man wird uns wahrscheinlich einwenden, die katholische Kirche, welche den Jesuitenorden hoch halte, werde am besten wissen, was zu ihrem Heile diene. Dem ist zu entgegnen, daß der zufällige heutige Stand der Dinge nicht als ein für alle Zeiten gültiger anzuerkennen ist. Ein edler Papst hat vor 120 Jahren den Jesuitenorden verurteilt und aufgehoben. Die beiden unter dem letzten Papste vor dem jetzigen als verbindlich erklärten Dogmen von der unbefleckten Empfängnis Marias und von der Unfehlbarkeit des Papstes sind innerhalb der katholischen Kirche bis zu ihrer Verkündigung streitig gewesen, und in früheren Zeiten sind ihre Anhänger wiederholt der Ketzerei beschuldigt worden. Die katholische Kirche hat demnach nicht immer Eines und dasselbe zu ihrem Heile als förderlich erachtet, sondern verschiedene Wandlungen durchgemacht. Es muß daher dem Staate das Recht gewährt werden, diesen Wandlungen, soweit sie seine Interessen berühren, ein Halt zuzurufen und nicht zuzugeben, daß eine Gesellschaft, welche Grundsätzen huldigt, die bei allgemeiner Anerkennung alle Grundlagen der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit untergraben müßten, bald geduldet, bald bevorzugt und bald verdammt werde, sondern fürzusorgen, daß sie für immer verbannt bleibe.

Der Verfasser hätte an die Herausgabe dieses Büchleins nicht gedacht, wenn nicht, wie bereits angedeutet, gerade gegenwärtig in »katholischen« Versammlungen statt anderer Fragen, welche der Kirche förderlicher wären, neben dem Rufe nach Wiederherstellung der weltlichen Gewalt des Papstes, derjenige nach Rückkehr der geistlichen Orden den meisten Lärm verursachte. Jenen ersten Ruf halten wir für durchaus fruchtlos und berücksichtigen ihn nicht weiter, so anmaßend es auch von Deutschen, Schweizern, Franzosen, Belgiern etc. ist, über die staatliche Zugehörigkeit eines Teiles des italienischen Volkes verfügen zu wollen, welcher die päpstliche Herrschaft gar nicht haben will. Anders ist es mit den Orden. Gegen die Duldung eigentlicher Klöster von Männern sowohl als Frauen, haben wir unter gewissen Einschränkungen nichts einzuwenden; denn schrankenlos ist auch die Freiheit der Weltkinder nicht und darf es nicht sein. Aber es wäre immerhin möglich, daß mancherlei Einflüsse auch für die Jesuiten Freiheit erlangen könnten. Wir vermöchten jedoch eine Freiheit dieses Ordens nicht für heilsam zu halten und werden dies auf den folgenden Blättern näher begründen. Man hat die Jesuiten als heilsamen Schutz gegen sozialen Umsturz angepriesen. Aber als die Gräuel von Charleroi, London, Chicago und Barcelona alle Welt schaudern machten und auch an einigen Orten Frankreichs anarchistische Excesse vorfielen – wo waren da die in Belgien, Frankreich, England, Spanien und Amerika geduldeten Jesuiten?

Gegenüber dem teilweise kindischen Gezeter, welches die ultramontane Presse über dieses Büchlein erhob, erwidert der Verfasser nichts weiter, als daß er an seinem Grundsatze, nur die Quellen sprechen, sich von keinerlei Tendenzschriften für oder wider die Jesuiten leiten zu lassen und sich jeder leidenschaftlichen Äußerung zu enthalten, nicht nur festhält, sondern ihn noch weiter ausdehnt. Was aber die vielfach bemängelte geschichtliche Einleitung betrifft, so ist diese eben nur für solche Leute geschrieben, welche die Gründe ihrer Abfassung zu verstehen imstande sind.

Der Verfasser beruft sich auch fernerhin auf sein gutes Recht; denn sein Standpunkt ist derjenige der Verfassung seines Vaterlandes, wessen sich seine Gegner nicht rühmen können.

St. Gallen im Januar 1894.


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