Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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König Rudolf von Böhmen.

                  »Reich her mir den Quadranten, schraub fest den Sektor an;
Wie rein ob unserm Scheitel glänzt der Aldebaran! –
Kein einzig Wölkchen hemmet der Forschung freien Lauf,
Am mitternächt'gen Himmel glühn hell die Sterne auf. –

Wie bin ich doppelselig in meinem Doppelreich,
Da oben und da unten im schönen Böhmerreich,
Mit Triften und mit Bergen, mit Stadt und Burg besät,
Mit Volk, der stärksten Mauer, die meinen Thron umsteht!

Und – käm auch eine Stunde, (doch die ist wahrlich fern)
Wo feindlich Trift und Auen dem angebornen Herrn,
Wo Stadt und Burg in Aufruhr vom Throne mich verstieß',
Dies Reich dort bei den Sternen, – dies bleibt mir doch gewiß! –

Und wenn sie mir all' entrissen, (mein Böhmen wird es nie)
Bleibt mir das Reich der Sterne, und nie erlöschen die! –
Bleibt mir doch unverbrüchlich der Himmelszeichen Macht,
Der Themis Wag' und Zepter, des Kronenreifes Pracht.«

Die Worte, freundlich lächelnd, in seinem Schloß zu Prag,
Rudolf, der Böhmenkönig, zu seinem Kepler sprach,
Und drückt die Hand ihm freudig und schaut ihm ins Gesicht:
»Und wenn mich all' verließen; – mein Prag verläßt mich nicht.«

Der Astronom bescheiden sich an sein Fernrohr stellt,
Als läg mit tausend Blättern ein Buch ihm aufgehellt;
Der König, ihm zur Seite, blickt längs des Schlosses Wand
Durch hohe Bogenfenster hinunter auf sein Land.

Kein Laut in all' den Straßen, wiewohl der Morgen graut,
Und bleicher schon, wie scheidend, manch Sternlein niederschaut,
Stumm liegt ein dumpfes Brüten auf Hütten und Palast,
Als hätte unheilschwanger ein Zauber all' gefaßt.

Wo sonst ein reg' Gewimmel durch Markt und Straßen wühlt,
's ist heut', als ob ein Schauder sie alle ferne hielt, –
Als ob ein Werk im Anzug, ein Werk der Mitternacht,
Dem sich das Aug' verschließet, bis es die Faust vollbracht.

Dem König jedes Lächeln von Lipp' und Wange flieht,
Bis daß er ernst und ernster hinweg vom Fenster tritt,
Ein allgewalt'ger Schauer läuft leis' ihm übers Herz,
Er kann ihn nicht bezwingen, blickt er auch sternenwärts.

Da wird ein dumpf Gemurmel, fernrollend, laut und wach,
Da schallt es tönend, klirrend, ans fürstliche Gemach.
Es ist just wie ein Brausen, wie wenn die Elb' empört
Mit hochgeschwollnen Fluten aus Damm und Ufer fährt.

Und Angel knarrt an Angel im fürstlichen Palast,
Bis daß ein treuer Diener einstürzt in voller Hast:
»Herr, Herr! Du bist verloren! Da du nach Sternen siehst,
Dein ganzes Reich Matthias als seinen König grüßt!«

Und immer nah'res Lärmen erstickte jeden Ton,
Rudolf hört's unten brausen vor seinem Schlosse schon.
»Sprich nur! Woher der Aufruhr, wer hat ihn mir erregt?
Ist's meines Bruders Kriegsvolk, das hell die Trommel schlägt?

Dann reich mir Helm und Panzer und auch mein gutes Schwert,
Hass' ich gleich alles Streiten – dies Reich ist streitenswert.«
»O Herr, von Euerm Bruder lärmt so das Kriegsvolk nicht!«
»Um Gott, so sag mir schleunig, wer sonst die Treu' mir bricht?

Lausitzer wohl und Mährer? Gib Antwort! Ist's nicht so?
Wie, oder Volk aus Schlesien, stets wandelbar und roh?«
»Herr, Herr! nicht Volk aus Mähren noch auch vom Schlesierland.«
»Herr Christ! doch nicht von Böhmen?« – »Ihr habt das Wort genannt.«

»Du träumst! – und doch – wenn's Böhmen im äußersten Gemark,
Im Fichtel oder Walde sich dieser Aufruhr barg!
O sprich, aus welchen Kreisen das Volk die Treue bricht!
Nur eine Stadt (ich bebe) nur eine nenne nicht!«

»Ich kann's Euch nicht verbergen! O rettet, rettet Euch,
Den Aufstand hat geboren das Herz vom Böhmerreich,
Das Volk wählt Euren Bruder, für Euch, o König blind.«
»Prag« – – »Prag?! O meine Tochter, du ungeratenes Kind!«

Der König ruft's, ihm schwindelt, sinkt Keplern an die Brust,
Dem gleitet aus dem Auge 'ne Träne unbewußt!
Der König hebt sein Auge, schaut nochmal auf die Stadt,
Die just der Sonnenaufgang reich übergüldet hat!

Und blickt in seinem Schmerze, blickt hin auf sie entzückt:
»Vergeb' dir Gott, auf daß dich mein Bruder mehr beglückt,
Daß du Matthias treuer als seinem Bruder bist,
Der dich zum letzten Male als König jetzt begrüßt.«

Da öffnet sich die Türe, da tritt der Bruder ein,
Und draußen stürmt der Haufen: »Er soll unser König sein!«
Rudolfus aber – nochmal schaut auf sein Prag er hin:
Zerdrückt die Trän' im Auge, und reicht die Kron' ihm hin.

 


 


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