Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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Der Fliegenfänger.

              Domitian, der große Cäsar,
In dem Prunksaal des Palastes,
Müßig wacht' er auf dem Lager,
Mißgelaunt und düster schweigend.

Schweigend ruhte vor ihm Flavia,
Sie, die schönste aller Frauen,
Auf dem seidnen Pfühle dehnend
Ihre nackten Blumenglieder.

Zwischen beiden auf dem Tische
Glänzte eine Jaspisvase,
Voll von dunkeln Purpurrosen
Und von duftigen Violen.

Und sie schauten beide müßig
Stumm herüber und hinüber
Auf die Rosen und Violen,
Beide wagten kaum zu atmen.

Denn der Kaiser Domitianus
Einen Liebesgötter-Bogen
Hielt er aufgespannt in Händen
Mit dem giftgetränkten Pfeile.

Jetzt mit grimmem Blicke sprach er:
»Das ist heut ein schlimmes Jagen!
Immer summt die goldne Fliege,
Saust und summt mir um die Ohren.

»Aber auf die Rosen niemals
Setzt sie sich, auf die Violen.
Könnt' ich zwingen diese Fliege,
Größer als Apoll dann wär' ich.«

Seufzend sprach hierauf die Schöne:
»Heißgeliebter Domitianus,
Hast du Lust nur noch an Fliegen,
Weil du diesen Leib vergissest?«

Lallend sprach der große Cäsar:
»Fliegen, weiß ich, sind genäschig,
Treulos sind sie, freche Diebe;
Nicht vergaß ich's, liebste Fliege!«

Und er lauerte beständig
Mit dem giftgetränkten Pfeile,
Und die schöne Flavia gähnte,
Hingeschmachtet auf dem Pfühle.

Jetzt auf einmal flog die Fliege
Summend zu dem üpp'gen Weibe,
Saust' und summt' um ihren Busen,
Schöner blüht er noch als Rosen.

Auf der Brust dann saß sie nieder,
Auf der jugendlichen, zarten;
Plötzlich klang die Silbersehne,
Plötzlich kam der Pfeil geflogen.

Und es sank zum Polster ächzend
Flavia die todtenbleiche.
Aber aufsprang wie ein Heros,
Domitian von seinem Lager.

Alle Generale rief er,
Nach den Senatoren sandt' er,
Und sie kamen, und es lachte
Domitian, der große Schütze:

»Niemals ist mir noch gelungen
Eine Jagd so heldenmütig;
Eine Fliege wollt' ich schießen,
Lange hat sie mich betrogen.

»Aber endlich saß sie nieder
Auf den Busen dort der Dame,
Schöner blüht er noch als Blumen;
Eine Rose, glaubt' ich, sei er.

»Auch die Fliege, glaub' ich, glaubt' es,
Denn sie setzte sich drauf nieder.
Beide haben wir geirrt uns,
Ich der Kaiser, sie die Fliege.

»Doch ich traf mit gift'gem Pfeile;
Jetzt den Herkules beschäm' ich,
Schoß mit einem Meisterschuß ich
Heut auf einmal doch zwei Fliegen.

»Zwei Triumfatoren-Bogen
Prächt'ger noch als den des Titus
Bau ich jetzt mir auf als Sieger
An dem Fuß des Capitoles.

»Aber feierlich bestatt' ich
In dem Grabmal des Augustus
Diese allerschönsten Fliegen
So das Römerreich gesehn hat.«


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