Friedrich Gerstäcker
Unter den Pehuenchen
Friedrich Gerstäcker

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10. Kapitel

Der Donnerstag, den Don Enrique zu seinem Ritt ins Innere bestimmt hatte, brach so klar und wolkenrein an, wie alle die übrigen vorhergehenden Tage gewesen. Kein Wölkchen zeigte sich am Himmel, und es schien fast, als ob man in dem sonst so regenreichen Valdivia einmal einen ausnahmsweise langen und schönen Herbst bekommen sollte.

Indessen waren alle nötigen Vorbereitungen mit Eifer betrieben worden, und besonders hatten der Doktor und Reiwald, der junge Rechtsgelehrte, eine Menge von Dingen angeschafft, die sie für eine solche Reise unumgänglich nötig zu gebrauchen glaubten. Jeder bedurfte auch eines eigenen Packpferdes, und das aus der Heimat mitgebrachte Geld war dadurch ziemlich in Anspruch genommen worden. Darüber trösteten sie sich jedoch ziemlich leicht, denn allen Versicherungen nach hörten ihre Geldausgaben auf, sobald sie die Stadt hinter sich hatten – im Lande selbst brauchten sie keins, und die Indianer der Otra Banda kannten es nicht einmal, würden wenigstens im Tausch mehr für eine Handvoll Glasperlen, als eine Handvoll Goldstücke gegeben haben. Glückliches Land – wie lange hatten sich beide danach gesehnt, einmal einen solchen Boden zu betreten.

Don Enrique selber hatte sechs Packtiere beladen – vier davon allein mit Geschenken für die Indianer, und führte noch außerdem ein paar Leitpferde bei sich, um das eine oder andere der Tiere, wenn es ermüden sollte, abzulösen. Aber er wußte auch dabei recht gut, daß seine deutschen Begleiter anfangs noch nicht recht mit dem Treiben der Tiere würden umzugehen wissen, und doch konnte er niemanden mehr finden, der sich seinem Zuge hätte anschließen mögen, nicht einmal bis zu den Kordilleren, da jener Landstrich schon einzig und allein, selbst auf der westlichen Seite der Berge, von Indianern bewohnt wird. Der Gouverneur aber, der sich ebenfalls sehr für den Zug interessierte, wenn er auch nicht imstande war, ihm eine militärische Eskorte zu geben, verschaffte ihm wenigstens für die schwierigste Strecke Hilfe. Er hatte nämlich gehört, daß drei oder vier Indianer von der diesseits gelegenen Mayhue Lagune in der Stadt wären, ließ sie zu sich kommen und veranlaßte sie, dem fremden Señor die Tiere wenigstens bis dorthin, also zum Fuß der Kordilleren, treiben zu helfen. Diese waren natürlich ebenfalls beritten, und dadurch war eine Hauptschwierigkeit beseitigt.

Als der Zug die letzte Straße Valdivias passierte, stand oben in einem kleinen, etwas baufälligen Hause ein Bekannter von uns, Meier, am Fenster und schaute ihm nach, so lange er ihm mit den Augen folgen konnte, ja als er schon vorüber war, öffnete er das Fenster und schien so in seine Gedanken vertieft, daß er nicht einmal bemerkte, wie unten jemand zu ihm hinaufsah und dann das Haus selber betrat. Als der Zug auch schon in der nächsten Biegung der Straße verschwunden war, lag er noch immer im Fenster und zog an der indessen lange ausgegangenen Zigarre, und erst ein stärkeres Pochen an seiner Tür brachte ihn soweit zu sich selbst, daß er sich aufrichten und ein etwas überraschtes »Entra!« rufen konnte.

Ein dunkler Verdacht war nämlich in ihm aufgestiegen, daß die Polizei vielleicht schon Nachricht von dem gestrigen Abenteuer haben könne; aber wenn so, wie wäre es möglich gewesen, ihn bei der Sache beteiligt zu glauben. Ihre Waren hatten sie in Sicherheit gebracht, die Lancha selber konnte niemand kennen, und auf einen bloßen Verdacht hin wußte er recht gut, daß sie gegen ihn nicht einschreiten durften; fehlten ihnen doch alle Beweise. Die Gestalt des Eintretenden beruhigte ihn auch augenblicklich vollkommen. Es war, allem Anschein nach, nur einer der gewöhnlichen chilenischen Peones, wie sie sich überall in Valdivia herumtrieben und ein dem seinigen nicht ganz unähnliches Leben führten. Sie arbeiteten, wenn ihnen das Feuer auf den Nägeln brannte und der letzte Centavo verzehrt oder vertrunken war, und spielten wieder die Señores, sobald sie ein paar Taler in der Tasche hatten. Mit der Polizei standen die aber in keiner Verbindung, so viel war gewiß.

»Buenos dias, Señor,« sagte der Fremde, als er das Zimmer betrat und einen Blick darin umherwarf. Er schien indessen weniger auf die Unordnung zu achten, sondern sich nur überzeugen zu wollen, ob noch jemand anderes anwesend sei, »como está?« (Wie geht's?)

»Danke, leidlich,« sagte Meier, erst jetzt bemerkend, daß seine Zigarre ausgegangen war, »was wünschen Sie?«

»Quien sabe« (wer weiß es), sagte der Mann achselzuckend, in der wunderlichen Weise aller dieser Stämme.

»Na, Kamerad, wenn Ihr es nicht wißt,« brummte Meier, eben nicht in der Laune, eine langes Gespräch mit dem fremden Burschen anzuknüpfen, »wer soll es denn wissen?«

»Sie kennen mich wohl nicht mehr, Señor?« fragte der Peon wieder und sah den Deutschen von der Seite mit einem ziemlich verschmitzten Blick an.

»Habe wirklich nicht die Ehre!« knurrte Meier.

»Nicht?« fuhr der Peon fort, und ein fast spöttisches Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, »ja, es war freilich sehr dunkel gestern abend.«

»Gestern abend?«

»Oder diese Nacht.«

»Diese Nacht?« wiederholte Meier, und ein unbehagliches Gefühl beschlich ihn. Was konnte der Bursche von dieser Nacht wissen? – Was meinte er damit?

»Merkwürdig,« sagte der Chilene, »wie kurz das Gedächtnis mancher Menschen ist – übrigens wollte ich mich bloß erkundigen, was Sie mit meinem Segel und meinem einen Ruder gemacht haben. – Caramba, amigo! Es war gerade nicht hübsch, einen armen Teufel auf die Art in den Büschen sitzen zu lassen, und ich habe zwei volle Stunden arbeiten müssen, bis ich über die Bai hinüber und stromauf an meine Wohnung kam.«

Don Carlos Meier war nicht gerade der Mann, der leicht erblaßte, wenn man ihm irgend etwas auf den Kopf zusagte – er kam auch nicht rasch in Verlegenheit und hatte sich schon aus mancher ziemlich verwickelten Lage ganz geschickt herausgewunden; hier aber fühlte er doch, wie das Blut, wenn auch nur für einen Moment, seine Wangen verließ, denn auf dies Zusammentreffen war er nicht vorbereitet und wußte in dem Augenblicke um sein Leben nicht, ob er leugnen oder sich mit dem Mann verständigen solle. Und wie in aller Welt kannte ihn der Patron – man hatte dort drin in den Büschen keine Hand vor Augen sehen können; es war rein unmöglich, daß er sein Gesicht erkannt haben sollte.

Dazu kam eine andere Unannehmlichkeit – das Segel sowohl wie das fortgenommene Ruder hatten sie in letzter Nacht, nach dem Zusammenstoß mit dem Douaneboot, einfach über Bord geworfen, um nicht dadurch verraten zu werden. Wenn er es eingestand, konnte er es auch bezahlen, und wer wußte denn nachher, ob der Bursche auch schwieg und dies Zusammentreffen nicht mit dem Übersegeln des Douanebootes in Verbindung gebracht wurde. Was das aber nachher für Folgen haben mochte, ließ sich noch gar nicht absehen, denn einmal war ein Schuß gefeuert, und dann konnten zwei oder drei Menschen aus dem Boot bei der Katastrophe ertrunken sein – ja, Meier wußte sogar nicht einmal genau, ob nicht Cruzado – und fähig hielt er ihn dazu – einem oder dem andern von denen, die sich an ihre Lancha angeklammert, den Schädel eingeschlagen hatte. Blut war jedenfalls dabei geflossen – Menschenleben waren gefährdet worden, und die chilenischen Gesetze spaßten wahrlich nicht in solchen Fällen.

Das alles ging Meier durch den Kopf, wie Blitze zuckten ihm die Gedanken herüber und hinüber – aber das eine Gefühl behielt doch bei ihm die Oberhand: »Leugnen – leugnen bis aufs Blut!« Beweise konnte der Bursche nicht haben; er war allein in seinem Boot gewesen, und gegen bloße Vermutungen, gegen einen unbestimmten, wenn auch noch so entschieden ausgesprochenen Verdacht half am besten eine kecke Stirn. Sein anfänglich etwas verlegener Blick ging deshalb – wie dieser Entschluß in ihm reifte – in den des Erstaunens und der Überraschung über, und nachdem der Fischer schon eine ganze Weile geendet hatte und ihn erwartungsvoll ansah, sagte er endlich ruhig:

»Mein lieber Freund, phantasieren Sie eigentlich, oder was wollen Sie von mir? Ich stehe eben auf und bin noch ganz verschlafen, denn wir hatten gestern abend ein wenig geschwärmt, und jetzt wollen Sie von mir wissen, was ich mit Ihrem Segel und Ihrem Ruder gemacht habe? Sie träumen wohl oder sind an das falsche Haus geraten. Zu wem wollen Sie denn eigentlich?«

»So?« sagte der Mann, der seinen Gegner vollkommen durchschaute und nach dieser Anrede schon wußte, was er von ihm zu erwarten hatte, »also Sie waren gestern abend nicht in Corral?«

»Nein, Señor.«

»Und sind auch nachher nicht in einer Lancha stromauf gefahren?«

»Nein, Señor, ich habe nicht daran gedacht.«

»Sie hatten auch nicht einen Mann Namens Cruzado bei sich?«

»Cruzado?«

»Es ist immer leichtsinnig, wenn man bei solchen Partien Namen nennt«, sagte der Fischer. – »Sie erinnern sich wohl nicht mehr, daß Sie den Señor, der zuerst in mein Boot sprang, Cruzado nannten!«

»Sie sind verrückt, mein werter Señor,« sagte Meier trocken, »ich weiß weder etwas von einem Boot, noch einem Segel oder Ruder. Wünschen Sie sonst noch etwas?«

»Ja, Señor, etwas Feuer für meine Zigarre, wenn ich bitten darf«, sagte der Fischer ruhig. »Die Ihrige brennt, glaub' ich, nicht mehr.«

»Mit Vergnügen, Compañero,« erwiderte Meier, dem es aber viel lieber gewesen wäre, wenn der Fischer auf seiner Behauptung bestanden hätte. Das kurze Abbrechen desselben gefiel ihm gar nicht. Es ließ sich aber für den Augenblick nichts weiter in der Sache tun; er hatte einmal geleugnet und mußte jetzt auch daran festhalten, was immer daraus entstehen mochte.

Der Fischer indessen, ohne weiter ein Wort über die Sache zu verlieren, zündete sich an dem gereichten Schwefelhölzchen mit der größten Gemütsruhe seine Papierzigarre an, tat ein paar tüchtige Züge und sagte dann: »Also adios, compañero, da muß ich doch sehen, ob ich mein Segel nicht wo anders finde. Vielleicht ist es dem Boot der Douane in den Weg gekommen, das gestern oder vielmehr heute morgen unterhalb der Insel mit einer Lancha zusammentraf und verunglückte.«

»Ein Boot der Douane?« fragte Meier anscheinend erstaunt.

»Ich soll Ihnen die Geschichte wohl noch einmal erzählen?« lachte der Fischer; »caracho, amigo, das wäre ein bißchen viel verlangt; also adios – vielleicht sehen wir uns heut abend wieder.« Und ohne weiter eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um, nickte Meier über die Achsel zu und verließ ohne weiteres das Zimmer und das Haus.

Meier blieb, wie ihn der Bursche verlassen, mitten in der Stube stehen und sah, als jener schon lange die Straße hinabgeschritten war, noch immer nach der Tür, durch die er verschwunden, schien auch gar nicht darüber verwundert, als diese sich gleich darauf wieder öffnete und Cruzado auf der Schwelle stand.

»Hallo!« lachte dieser, als er den Gefährten in einer Art von stummer Verzückung mitten in der Stube stehen und ihn anstarren sah, »was ist nun los, Don Carlos? Sie scheinen mich entweder für ein Gespenst oder für einen Polizeidiener zu halten.«

»Seid Ihr jemandem auf der Treppe begegnet, Cruzado?« fragte Meier, der jetzt erst seine Sprache wiedergewann.

»Auf der Treppe nicht,« erwiderte der Halbindianer, »aber gleich vor dem Haus, einem Peon, der hier herauskam.«

»Wißt Ihr, wer das war?«

»Soll ich alle Peones in der Stadt kennen?«

»Der Fischer von gestern abend, dem wir das Segel weggenommen haben«, erwiderte Meier.

»Alle Teufel!« rief Cruzado, »und wie kommt der hierher?«

»Er hat uns erkannt«, sagte der Deutsche, »und geht jetzt jedenfalls auf die Polizei, um dort sein Recht zu suchen.«

»Caracho!« fluchte der Chilene.

»Was machen wir jetzt?«

»Was machen wir jetzt? Ja, da ist gut fragen!« rief Cruzado, indem er seinen Hut auf die Erde schleuderte und sich das lange Haar durcheinander strich; »das kommt von der verfluchten Halbheit in all' solchen Geschichten. Hätte ich gestern abend meinen Willen gehabt, so liefe der Bursche jetzt nicht hier herum und hetzte uns die Polizei auf den Hals; was machen wir jetzt? Jawohl! lassen uns einstecken, vor ein Gericht stellen und zu zwanzigjähriger Eisenstrafe verurteilen. Pest oder Tod, es ist zum Verrücktwerden!«

»Aber er kann uns nichts beweisen«, sagte Meier, wenn auch etwas kleinlaut.

»Nichts beweisen?« rief aber Cruzado, »als ob es mehr Beweise brauchte, als daß er erklärt, wir wären mit einer Lancha gestern abend um die und die Zeit in die Büsche hineingefahren und hätten ihn in seinem Boot überfallen und gefangengenommen.«

»Und ist irgend jemand aus dem Boot der Douane – verunglückt?«

»Glaubt Ihr, Compañero, daß ich mich danach erkundigt hätte?« lachte der Halbindianer verächtlich. – Doch das bleibt sich jetzt auch gleich – wir sind vogelfrei, und was mich betrifft, so habe ich verdammt wenig Lust, die Entscheidung des hochachtbaren Gerichtshofes abzuwarten.«

»Aber Don Pascual –«

»Bah, unser werter Señor läuft keine Gefahr,« rief der Halbindianer, »das ist der intimste Freund des Friedensrichters, und eine Krähe hackt der anderen die Augen nicht aus.«

»Und wenn wir der Geschichte jetzt auf eine Weile aus dem Wege gingen?« sagte Meier.

»Aber wohin?« rief Cruzado, »die Bark ist fort, der Dampfer ebenfalls, und weitere Fahrzeuge nach außen liegen nicht in der Bai – wir sitzen in der Falle!«

»Vor einer halben Stunde ritt der alte Chilene hier vorbei, der nach der Otra Banda hinüber will,« sagte Meier; »Caramba, ich hätte große Lust, mich dem Zug anzuschließen, wir bekämen noch außerdem gute Bezahlung.«

»Hm,« sagte der Halbindianer, »das ließe sich allenfalls hören – aber wenn sie uns Polizei nachschicken?«

»In das Land? – Nie – der Zug ist hier vorbeigegangen; die ganze Stadt weiß, wer sich ihm angeschlossen hat und daß wir beide die Begleitung verweigert haben. Ehe sie sich nur die Sache überlegen, sind wir oben in den Bergen.«

»Wenn uns die roten Schufte der Otra Banda den Hals abschneiden, kommen wir freilich kürzer davon«, brummte Cruzado.

»Soviel für das,« lachte der Deutsche verächtlich, »und lieber doch will ich in den Pampas herumgehetzt werden, als hier oder in Valparaiso, mit einer Kette am Bein, die Straßen kehren. – Ich gehe mit, macht Ihr, was Ihr wollt, aber verdammt, wenn ich in einer Stunde noch in Valdivia zu finden bin.«

Cruzado ging mit verschränkten Armen in dem kleinen Gemach auf und ab. Er hatte sich geweigert, den Zug zu begleiten, weniger weil er eine Gefahr für sich fürchtete, als weil ihm die Jahreszeit nicht paßte; aber blieb ihnen jetzt ein anderer Ausweg? Nach der Otra Banda folgte ihnen niemand, soviel war sicher, und selbst in dem innern Land hätte man sie, wenn man ihrer habhaft werden wollte, nicht gleich gesucht – und wenn man sie dort endlich suchte, wäre es zu spät gewesen; gab es überhaupt eine andere Hilfe? – Der Deutsche indessen hielt sich nicht lange mit Überlegen auf. Noch während der Halbindianer unschlüssig in der Stube stand, hatte er eine von roher Haut gearbeitete Satteltasche unter seinem Bett vorgezogen und alles hineingepackt, was er unterwegs zu brauchen glaubte; viel war es überdies nicht, was er an Wäsche und Kleidungsstücken besaß, und füllte kaum die eine Tasche aus. Er verteilte es aber, und einen Blick noch im Zimmer umherweisend, rief er lachend:

»Meine alte Martha mag indessen hier aufräumen und Ordnung halten; und jetzt werde ich unsern Señor aufsuchen und mir Reisegeld ausbitten; geht Ihr mit, Cruzado?«

»Grandisima!« fluchte der Mestize, indem er ärgerlich den Boden stampfte, »daß uns so ein verwünschter Schuft in der Jahreszeit hinauf in die Berge treiben kann, wo uns gestern noch seine Kehle in aller Bequemlichkeit zu Gebote stand.«

»Und wißt Ihr einen andern Ausweg?«

»Aber was weiß der Schuft eigentlich von mir? – Ich habe das Gesicht in meinem ganzen Leben nicht gesehen.«

»Er nannte Euren Namen, so viel ist sicher,« sagte Meier, »und da Ihr der einzige Cruzado in der ganzen Kolonie seid, so wird der Polizeidirektor gerade nicht lange zu raten haben.«

»Caracho! das dank' ich Euch, Amigo; aber dann hilft's freilich nichts mehr. Wo treffen wir uns?«

»Doch wohl an der Straße, vielleicht in Calle Calle – ich weiß nicht, wie weit die Kalvakade heut abend reiten wird.«

»Auf Wiedersehen, Amigo,« brummte Cruzado, »mir wird der Platz hier unbequem. Wo habt Ihr Euer Pferd?«

»Auf Don Pascuals Weideplatz, gleich da draußen; ich brauche wenigstens nicht damit durch die Stadt zu reiten.«

»Werde mich auch nicht viel mehr darin blicken lassen«, nickte der andere, und seinen Hut aufsetzend, verließ er rasch das Zimmer.

Meier hatte seine Vorbereitungen indessen schon getroffen, sein langes Messer schob er in den Gürtel, eine kleine Pistole in die eine Satteltasche, und diese dann über den Arm werfend, hing er sich seinen Poncho über die Schulter und verließ seine Wohnung, als ob er nur etwa einen einstündigen Spazierritt machen und nicht eine Reise antreten wolle, die über Jahr und Tag dauern konnte, wenn er überhaupt je wieder hierher zurückkehren durfte. So schritt er quer über die Straße hinüber zu Don Pascuals Haus, in welchem er verschwand, worauf er in der Stadt nicht mehr gesehen wurde.

Seine Eile schien auch in der Tat gerechtfertigt, denn kaum eine halbe Stunde später klopfte ein Gerichtsbote an seine Tür und stieg endlich, als er von keiner Seite Antwort bekam, langsam zur Stube hinauf. Er blieb eine Zeitlang kopfschüttelnd in der Tür stehen; dann, als auf seine mehrfachen Ausrufe alles still blieb, sah er sich etwas näher darin um, kam aber zu keinem rechten Resultat. Der Bewohner desselben war jedenfalls noch vor ganz kurzer Zeit hier gewesen und konnte das Bett kaum verlassen haben, vielleicht trieb er sich irgendwo in der Stadt herum, keinesfalls war er mehr zu Hause. Damit verließ der Polizist das Haus wieder und schlenderte langsam die Straße hinab, dem Polizeigebäude zu.

 


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