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DER MYSTISCHE BAUM

So war mein auge starr und fest gerichtet
Dass es nach dem zehnjährigen durst sich letze
Und hatte jeden andren sinn vernichtet.

Wie wenn es hier und dort sich grenzen setze
Der obacht – so hat mich das heilige blinken
An sich gezogen mit dem alten netze.

Dann ward mein antlitz mir zu meiner linken
Von jenen göttinnen gedreht im zwange
Als eine sagte: Nicht zu sehr versinken!

Und einwirkung die unsern blick befange
Wenn eben grad die sonne in ihm brannte
Beraubte mich der sicht minutenlange.

Doch als mein aug das mindre wiederkannte –
Ich sage ›minder‹ neben dem gesichte
So gross von dem ich mit gewalt mich wandte –

Sah ich nach rechts in einer andern richte
Das ruhmesvolle heer im bogen kommen
Im blick die sonne und die sieben lichte.

Wie schildbewehrte schar zu ihrem frommen
Umschwenkt und einen kreis zieht um ihr zeichen
Bevor sie andre Stellung eingenommen:

So war die heerschar aus den ewigen reichen
Die vorging ganz an uns vorbeigeschritten
Bevor des wagens deichsel war im weichen.

Die frauen drehten sich an fuhrwerks mitten ●
Der Greif kam mit der heiligen last gezogen
Und so dass keine seiner federn glitten.

Die schöne frau die mich enttaucht den wogen
Und ich und Statius bei dem rade gingen
Das seinen kreis beschrieb mit mindrem bogen.

Indem wir durch den wald der leer war dringen
(Sie der die schlange log ist anzuklagen)
Schlafft unsren schritt ein engelhaftes klingen.

So weit etwa war er dahingetragen
Als dreimal es ein bogenschuss gestatte:
Da hielt er ● und die Selige stieg vom wagen.

Nachdem die schar ›Adam‹ gemurmelt hatte
Umgab sie einen baum von jeder seite
Der ganz entkleidet war von blüt und blatte.

Sein haar das um so mehr sich dehnt ins breite
Je weiter oben – würde von den Indern
In ihrem wald bestaunt ob seiner weite.

›Glückselig ● Greif! den schnabel zu verhindern
Dies holz zu splittern ● das im schmacke zarte ●
Das nachher grimmt im leibe seinen schindern!‹

So riefen um den starken baum gescharte
Einhellig – und das tier das zwiegestalte:
›Jedes gerechten same so sich wahrte!‹

Er fasste die vorher gezogne halte ●
Trieb sie zum fuss des Stammes ohne frische
Indem er was von IHM war an IHN schnallte.

So wie bei unsren pflanzen wenn vermische
Das grosse licht mit jenem seine schosse
Das glutet hinterm himmelsbild der Fische:

Die säfte steigen und dann jede sprosse
In ihrer farbe ● eh der sonnenwagen
Führt unter andrem sterne seine rosse ●

Minder als rosenfarbe ausgeschlagen
Als veilchen mehr – stand das gewächs im flore
Das so verwaiste zweige erst getragen.

Verstanden hab ich nicht ● nie dringt zum ohre
Bei uns ein loblied wie es jene sangen..
Nicht lauschen konnt ich bis zu end dem chore.

Dürft ich beschreiben wie der schlaf umfangen
Des Argus augen bei der Syrinx sage
Dem es für zuviel wachsein schlimm ergangen:

Würd ich ● ein maler der sein vorbild frage ●
Darstellen wie ich damals eingeschlummert..
Doch schlaf zu schildern – ob es einer wage?..

FEGEFEUER ● XXXII. GESANG ● 1–69.

 


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