Adolf Gelber
Negermärchen
Adolf Gelber

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Hochzeit des Kimanaueze

Es war ein Mann, der hatte einen Sohn Namens Kimanaueze. Als der in das heiratsfähige Alter kam, sagte sein Vater: »Wähle dir eine Frau und heirate.« Er antwortete: »Heiraten ist recht, aber ich will keine Frau von dieser Erde heiraten.« Der Vater sagte: »Von woher willst du denn sonst eine nehmen?« Er erwiderte: »Es müßte schon die Tochter von der Frau Sonne und dem Herrn Mond sein, damit ich sie heirate.« Der Vater sagte: »Du bist ein Narr.« Er sagte: »Ich bin keiner,« und die Leute sagten: »Wer kann an den Himmel kommen, wo die Tochter von Sonne und Mond ist? Der Kerl ist doch ein Narr.« Er aber schrie: »Ich bin nun aber einmal so, und eine von der Erde heirate ich nicht.«

Gut. Des andern Tages schrieb er einen Heiratsbrief an die Sonne und fragte, da die Antilope grade vorüberging: »Willst du mir den Brief in den Himmel tragen?« Sie sagte: »Auf einen Berg hinauf kann ich, aber so hoch hinauf kann ich nicht.« Er gab ihn dem Habicht. Der Habicht sagte: »Bis an den Himmel kann ich nicht gehen.« Er rief den Geier, der sagte: »Halbwegs erreiche ich ihn, ganz komme ich aber nicht hinauf.« Da sagte Kimanaueze: »Gut nicht,« und legte den Brief beiseite in ein Kästchen. Aber im Herzen wurmte ihn die Sache doch.

Da kam Mainu der Frosch daher und sagte: »Junger Herr, was bist du so traurig? Nur wegen des Briefes? Gib her, ich besorge ihn dir.« Kimanaueze antwortete: »Scher dich! Wo Leute mit Flügeln es nicht können, sagst du, du willst mir's besorgen? Wie kommst du denn da hinauf?« Mainu sagte: »Junger Herr, du weißt, ich bin ein ehrlicher Mann und was ich sage, das vollbring ich. Gib mir den Brief, du wirst es schon sehen.« Darauf gab ihm Kimanaueze den Brief und sagte: »Aber das merk dir, kannst du nicht hinaufgelangen, dann haue ich dich durch.«

Mainu ging ab und begab sich an die Quelle, zu der die Mägde von Sonne und Mond immer kamen, wenn sie zum Wasserholen auf die Erde hinuntersteigen mußten. Oben fehlte das Wasser, und so mußten sie immer herab. So nahm der Frosch den Brief in den Mund, damit er im Wasser nicht naß werde und stieg in die Quelle, bis die Mägde kamen und einen Krug hinabließen. Da schlüpfte Mainu hinein – sie wußten es nicht. Als sie dann ihre Krüge hoch hoben und wieder in den Himmel kamen, setzten sie jeden auf seinen Platz im Wasserraum ab; dann gingen sie weg und der Frosch kam aus dem Krug heraus. In dem Raum befand sich auch ein Tisch; da nahm der Frosch den Brief heraus, legte ihn an dessen oberes Ende und verbarg sich in einer Ecke des Gemachs.

Nach einer Weile öffnete sich die Türe, und Frau Sonne kam selbst in den Wasserraum nachschauen, ob alle Krüge gehörig verwahrt wären. Da erblickte sie den Brief und fragte: »Woher kommt der Brief?« Sie rief die Mägde herein und wiederholte, woher der Brief komme. Sie sagten, daß sie es nicht wüßten. Da öffnete ihn die Sonne und las:

Frau Sonne!

Ich, der Kimanaueze, der Sohn eines Vaters von Tumba Ndala auf der Erde, möchte die Tochter von Frau Sonne und dem Herrn Mond heiraten und schreibe darum diesen Brief.

Die Sonne dachte nach und sagte bei sich: »Wer ist denn dieser Kimanaueze? Wir leben im Himmel und er lebt auf der Erde. Wo ist denn der, der diesen Brief gebracht hat?« Aber der Frosch wußte nicht, daß sie sich dies dachte und konnte nicht antworten. Da nahm sie den Brief, tat ihn in ein Kästchen und ging weg.

Nun stieg der Frosch wieder in den Krug. Nach einer Weile waren die Krüge alle leer und die Wassermädchen mußten frisch Wasser holen. So kamen sie wieder herunter, und als denn sein Krug untertauchte, stieg Mainu heraus und ging ins Dorf.

Wer kam ihm dort entgegen? Kimanaueze kam ihm entgegen und sagte: »Nun, Großmaul, bist du mit meinem Brief dort gewesen?« Der Frosch sagte: »Gewiß bin ich dort gewesen.« Kimanaueze schrie: »Du lügst, nicht im geringsten bist du dort gewesen!« »Es ist aber so,« erwiderte der Frosch, »und der Brief ist in den richtigen Händen. Du wirst schon sehen, daß ich dort gewesen bin.«

»Also soll ich warten?« fragte Kimanaueze. »Ja,« sagte der Frosch, »ein paar Tage mußt du warten, und wenn keine Antwort kommt, noch einmal den Heiratsbrief schreiben. Du wirst sehen, ich lüge dich nicht an.« Da wartete Kimanaueze sechs Tage, und dann setzte er sich hin und schrieb noch den folgenden Brief:

Ich schrieb euch, Frau Sonne und Herr Mond. Mein Brief ging ab, aber ihr habt nicht geantwortet. Ja, gar keine Antwort habt ihr mir gesendet, nicht »wir nehmen dich an« und nicht »wir lehnen dich ab«.

Diesen Brief übergab er dem Frosch. Der ging wieder an die Quelle, duckte sich auf ihrem Grund und schlüpfte in einen Krug, als die Wassermädchen Wasser holen kamen; und wie sie oben die Krüge in den Wasserraum brachten, kam er heraus, legte den Brief auf den Tisch und versteckte sich wie das erstemal. Da ging nach einer Weile Frau Sonne wieder nachsehen, und als sie den Brief erblickte, öffnete sie ihn und begann zu lesen:

Ich, Kimanaueze, der Sohn eines Vaters in Tumba Ndala auf der Erde, möchte mich bei dir Frau Sonne nach dem vorigen Brief erkundigen. Ihr ließet mir überhaupt keine Antwort zuteil werden, obwohl der Brief zu euch gekommen ist, nicht »wir nehmen dich an« und nicht »wir lehnen dich ab«.

Denn eigentlich hatte der Brief nicht so gelautet, wie ich es früher gesagt habe, sondern er war länger. So wie es hier zuletzt steht, so war der Brief. Da rief Frau Sonne die Wassermädchen zurück und sagte: »Ihr Wassermädchen, bringt ihr immer Briefe mit, wenn ihr zum Wasserholen hinunter geht?« Die Mädchen sagten erschrocken: »Wir? Nein.« Da setzte sich die Sonne hin und schrieb an den Kimanaueze folgenden Brief:

Du, Kimanaueze, der Sohn eines Vaters in Tumba Ndala auf der Erde, der du mir immer Heiratsbriefe schreibst, wie soll ich dir unsere Tochter bewilligen, wenn du nicht in eigener Person hierher kommst und ein Erstgeschenk mitbringst, damit ich dich auch kennen lernen kann?

Wie sie fertig war, faltete sie den Brief, legte ihn auf den Tisch und ging weg. Darauf kam der Frosch aus seiner Ecke heraus, nahm ihn in den Mund, stieg in einen Krug, und wie die Mädchen Wasser holen gingen und die Krüge in die Quelle tauchten, war er gleich draußen und ging ins Dorf. Abends klopfte er an die Türe. Kimanaueze fragte: »Wer ist da?« Der Frosch sagte: »Ich bin da.« Kimanaueze sprang vom Bette auf und ließ ihn eintreten, dann las er den Brief und sagte: »Es war also doch wahr, was du sagtest, daß du hinaufgelangen würdest; und gleich morgen wollen wir antworten.« Dann sann er nach und zählte sein Geld, das er fürs Erstgeschenk brauchte. Es waren vierzig Taler, und so schrieb er des andern Tages:

Frau Sonne! Ich, Kimanaueze, der Sohn eines Vaters aus Tumba Ndala auf der Erde, danke Euch für Eure Antwort, und es ist alles in Ordnung. Nur noch das Werbungsgeschenk ist jetzt übrig. Ich bitte Euch, mir die Höhe desselben mitzuteilen. Ich glaube zwanzig Taler sind genug.

Dann beendete er den Brief und sagte: »Frosch, hier ist der Brief, und hier sind zwanzig Taler für das Werbungsgeschenk. Nun in deine Quelle und trag es hin.« Richtig kamen dann bald die Wassermädchen und der Frosch gelangte nach oben, legte den Brief und das Geld auf den Tisch und kroch in seine Ecke zurück. Nach einer Weile kam Frau Sonne und nahm den Brief und das Geld, es waren richtig zwanzig Taler, und dann öffnete sie die Türe und rief:

»Mann!«

Der Mond antwortete: »Was willst du?«

»Komm herein, ich muß dir etwas sagen.«

Da kam der Mond, sie erzählte ihm alles, er las die Briefe und sagte: »Sind es zwanzig Taler?« »Ja,« sagte die Sonne, »also wird dir der Schwiegersohn recht sein?« Er fragte: »Kennst du ihn?« Sie darauf: »Nein, ich weiß nur, es ist der Kimanaueze, der Sohn eines Vaters von Tumba Ndala auf der Erde, aber zwanzig Taler sind ein gutes Werbungsgeschenk.« Er erwiderte: »Also was meinst du?« Da überlegte sie und sagte: »Wenn ich nur den kennen würde, der den Brief gebracht hat. Für einen Heiratsboten muß man etwas kochen; wie soll die Speise für ihn gekocht werden?« Darauf sagte der Mond: »Da hast du recht,« und die Sonne: »Und wo stellen wir ihm die Speisen hin?« Da sprach der Mond: »Stelle sie hier auf den Tisch her, wo er immer die Briefe hinlegt.« Da sagte die Sonne: »Da sieht man, daß ein Mann immer gescheit ist. Du hast ganz recht.«

Darauf kochten sie ein Huhn und Maisbrei und andere Speisen, und als die Türe zu war, aß der Frosch die Speisen und schlüpfte wieder in seine Ecke, während die Sonne im andern Zimmer sich an den Tisch setzte und einen Brief schrieb, wie folgt:

Mein lieber Schwiegersohn Kimanaueze!

Sohn eines Vaters aus Tumba Ndala auf der Erde. Das Erstgeschenk, das du mir geschickt hast, habe ich erhalten, aber es ist ein wenig zu wenig; wenn du die Tochter der Sonne heiraten willst, paßt sich nicht ein Geschenk wie du es geschickt hast; was sind zwanzig Taler? Ein Sack voll Geld würde nicht genug sein, aber weil du vielleicht nicht soviel hast, so schick noch zehn Taler und gut.

Abends, nachdem die Sonne untergegangen war, saß der Frosch unten und klopfte an die Tür, worauf Kimanaueze sagte: »Frosch, wenn du's bist, dann tritt ein.« Nun und da wickelte Kimanaueze gleich tags darauf wieder im Krug zehn Taler ein, worauf der Frosch mit einem Brief in den Himmel hinaufstieg; und als die Sonne und der Mond in den Wasserraum kamen und das Geld fanden, sagten sie: »Sehr schön.« Und es blieb also nur noch der Tag zu bestimmen, an dem Kimanaueze das Mädchen, seine Braut, abholen sollte, aber o weh, da wußte er keinen Rat. »Frosch,« sagte er, »ich brauche jemand, der mit mir die Braut einholt und ich kann nicht an den Himmel gehen und sie sagen, sie können auch nicht herab.« Darauf sagte der Frosch: »Junger Herr, sei unbesorgt, auch da will ich helfen und es schaffen, daß dir die Brautführer sie heimholen,« und wieder stieg er zum Himmel hinauf.

Dort aber verließ er abends, nachdem die Sonne untergegangen war, den Wasserraum, die Sonne schlief und der Mond hatte anderwärts zu tun, und alle Mägde schliefen, und die Tochter der Sonne schlief auch. Da gelangte er in ihr Zimmer und sagte: »Junge Braut, jetzt sollst du sehen, was der Frosch kann.« Und ohne daß sie es merkte, nahm er ihr das Herz heraus, und wie sie tags darauf aufwachte, konnte sie nicht aufstehen und sagte: »Hier, wo das Herz ist, bin ich so krank.« »Vater,« sagte die Sonne, »was ist dem Kind?« Und der Mond sagte: »Gestern war sie ganz gesund und klagte doch nicht.« Da schickte die Sonne Boten ab, die Wahrsager zu holen, diese blickten sie an, nahmen die Zauberwürfel und sprachen: »Eure Tochter ist krank und ihr Gebieter, der um sie angehalten hat, ist der Grund, daß sie krank ist, ihr Herz hat er, und wenn ihr sie ihm nicht sendet, dann wird ein Unglück geschehen.« Da sprach die Sonne: »Aber er soll doch heraufkommen und sie heimholen.« Sie erwiderten: »Wollt ihr so lange warten? Rasch muß es sein.« Da sprach die Sonne: »Dann soll die Spinne gleich ein Gewebe, das bis zur Erde hinunterreicht, zusammenbringen, und wenn morgen die Wassermädchen hinuntersteigen, soll unsere Tochter mit ihnen in dem Gewebe hinuntergehen.«

Das hörte der Frosch, und tags darauf, wie die Wassermädchen und die kranke Himmelsprinzessin hinunterkamen, schlüpfte er rasch in der Quelle aus seinem Krug. Und eilte zum Kimanaueze und brachte ihm das Herz der Himmelstochter und sagte: »Gleich kommen sie, sie bringen dir die Tochter der Sonne ins Haus.« Richtig klopfte es auch gleich an die Tür und die Wassermädchen brachten die Kranke. Da setzte er wieder ihr Herz an seinen Platz, nahm sie zur Frau und sie wurden beide glücklich.


 << zurück weiter >>