Leo Frobenius
Das schwarze Dekameron
Leo Frobenius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Rache des Ehemannes

Kordofan

Ein Mann hatte eine junge Frau geheiratet und das vor nicht langer Zeit. Da erschien ihm eines Nachts sein Vater im Traum und sagte ihm, er müsse nach Mekka pilgern. Am andern Morgen rüstete der Mann sogleich sein Gepäck, ging zu seiner Frau und sagte: »Meine junge Frau, mein Vater ist mir im Traum erschienen und hat mich aufgefordert, nach Mekka zu reisen; das will ich nun sogleich tun. Nun ist es sehr wohl möglich, daß du in den wenigen Tagen, die wir miteinander verheiratet sind, empfangen hast. Ich hoffe aber, wenn du das Kind ausgetragen hast, zurückzukehren, so daß ich zu der Zeit der Geburt dann in deiner Nähe bin. Wende dich aber immerhin, wenn du die ersten Anzeichen der Schwangerschaft wahrnimmst, an eine alte Frau, der ich den Auftrag geben werde, für dich zu sorgen.« Darauf nahm der junge Ehemann von seiner jungen Frau Abschied und trat seine Pilgerfahrt an.

In der gleichen Stadt wohnte nun ein Muezzin, der täglich von dem Minarett der großen Moschee aus seiner Berufspflicht nachkam. Dieser Muezzin hatte die junge Frau gesehen, und er hatte auch aus dem Munde ihres Mannes gehört, daß dieser zu einer Pilgerfahrt nach Mekka abgereist sei. Der Muezzin sagte bei sich: »Diese junge Frau führt jetzt ein sehr stilles Leben und wird diese Stille um so schmerzlicher empfinden, als sie erst wenige Tage die Freuden der Ehe kennengelernt hat. Diese junge Frau ist aber so schön und gut gebildet, daß es mir scheint, ich könne derzeit nichts Angenehmeres erleben, als das weiterzuführen, was dieser Mekkapilger an ihr begonnen hat. Ich werde also mit der Alten, die bei der jungen Frau ein und aus geht, Freundschaft schließen. Vielleicht kann sie mir in meinem Drang, die junge Schöne über die Einsamkeit hinwegzutrösten, helfen.«

Der Muezzin sprach also eines Tages die Alte an und bat sie, ihn einmal aufzusuchen, da er mit ihr etwas besprechen wolle. Die Alte kam dem Wunsch sehr bald nach, und als der Muezzin sich mit ihr allein sah, sprach er zu ihr: »Meine liebe Frau, ich denke, du mußt eine reiche Erfahrung haben und mußt es wissen, daß die Bedürfnisse und Wünsche der Leute recht verschieden sind.« Die Alte sagte: »Gewiß weiß ich das und kann selbst viel darüber sagen.« Der Muezzin sagte: »Dann wirst du wissen, daß einigen Menschen dann und wann im Kopf das herzlichste Bedürfnis aufwacht, nach Mekka zu pilgern, während andere Leute an tiefer gelegenen Körperteilen einen ebenso starken Drang empfinden, näher gelegene Ziele zu erreichen. Du wirst dieses wissen.« Die Alte sagte: »Hierin hast du sicherlich recht, und ich darf wohl annehmen, daß du mich nicht hast zu dir kommen lassen, um mich über den Weg nach Mekka zu befragen.« Der Muezzin sagte: »So ist es! Ich habe nicht im geringsten vor, nach Mekka zu pilgern.« Die Alte sagte: »Dann wohnt deine Bedrängnis also wohl tiefer und das Ziel deiner Sehnsucht näher.« Der Muezzin sagte: »Ganz so wollte ich es gesagt haben. Ich habe in der Tat eine Beschäftigung, die mich den halben Tag mit den Dingen des Propheten in so engem Zusammenhang erhält, daß ich nicht daran denken kann, den oberen Teil meines Leibes in der Richtung nach Mekka weiter wegzuführen, als das Gebet es vorschreibt. Ich habe auch vor einigen Tagen wieder einen Bekannten nach Mekka pilgern sehen, der mir außerdem versprach, für mich dort zu beten, so daß für den oberen Teil meines Körpers gesorgt ist.« Die Alte sagte: »Wenn du also dem Bedürfnis des Kopfes durch deinen Freund in Mekka Rechnung getragen siehst, so meinst du wohl, daß du dafür jenen Pflichten nachkommen könntest, die jener Mekkapilger hier in der Stadt derweilen versäumt?« Der Muezzin sagte: »Ich sehe, du bist eine kluge Frau. Ich werde auf keinen Fall undankbar sein, weder gegen einen andern noch gegen dich.«

Die Alte sagte: »Wenn die Sache so steht, so will ich gern sehen, wie ich dich den Zielen deiner Sehnsucht näherbringen kann, und ich denke mir, daß mir das nicht schwer werden kann, wenn du nämlich den Wunsch hast, die Tätigkeit fortzusetzen, die der Jungverheiratete Mekkapilger so plötzlich unterbrochen hat.« Der Muezzin dankte darauf der Alten, und diese eilte schnell zu der jungen Frau des Mekkapilgers hinüber. Die Alte sagte zu der Jungen: »Wenn ich es recht überlege, muß ich doch sagen, daß dein Mann sehr schlecht an dir gehandelt hat und daß du sehr zu bedauern bist!« Die junge Frau sagte: »Weshalb beschimpfst du meinen Mann?« Die Alte sagte: »Ich beschimpfe deinen Mann nicht; ich finde nur, daß er mit dem unfertigen Kind sehr schlecht an dir gehandelt hat, und daß er erst einmal das Kind seiner Frau ausarbeiten konnte, ehe er sich entfernte, um den Wunsch seines Vaters so schnell zu erfüllen.« Die junge Frau sagte: »Was meinst du mit dem unfertigen Kind?« Die Alte sagte: »Nun, er hat dein Kind nicht fertig ausgearbeitet! Er hat nur für den Körper gesorgt. Wenn das Kind so geboren wird, werden ihm der Kopf und alle Glieder fehlen. Er ist von der unfertigen Arbeit fortgelaufen, und dir wird die Schande widerfahren, diesen Krüppel gebären zu müssen.« Die junge Frau erschrak sehr und sagte: »Ist es sicher so?«

Die Alte sagte: »Sicher ist es so! Du kannst jeden Menschen fragen, der davon genug versteht. Noch vor wenigen Tagen sprach ich mit dem Muezzin des großen Minaretts, der durch seine ausgezeichnete Kinderarbeit bekannt ist, über eine ähnliche Sache.« Die junge Frau sagte: »Ach, was ist mein Mann schlecht! Was ist mein Mann schlecht! Aber sage mir doch, kann mir jener Muezzin, der durch seine ausgezeichnete Kinderarbeit so bekannt ist, nicht noch helfen, daß das Kind fertig wird?« Die Alte sagte: »Gewiß kann er das. Du mußt ihn nur bitten!« Die junge Frau sagte: »Meine Freundin, ich bitte dich, gehe schnell zu dem geschickten Muezzin und sprich mit ihm. Willst du es tun?« Die Alte sagte: »Wenn du durchaus willst, soll es geschehen!« Die Junge sagte: »Ja, ich bitte dich! Und er soll auch schnell kommen, damit es nicht zu spät wird.« Die Alte sagte: »Ich will sogleich gehen. Wann soll der Muezzin kommen?« Die Junge sagte: »Bitte ihn herzukommen, sobald er Zeit hat.« Die Alte ging.

Die Alte kam zum Muezzin und sagte: »Geh nur schnell hinüber, mein Freund. Die junge Frau des Mekkapilgers bittet dich, nur ja recht schnell zu ihr zu kommen!« Der Muezzin bedankte sich bei der Alten und machte sich sogleich auf den Weg. Er kam zu der jungen Frau des Mekkapilgers. Die junge Frau begrüßte ihn und sagte: »Ich danke dir, daß du gekommen bist. Mein Mann hat mir ein unfertiges Kind zurückgelassen und ist nach Mekka gepilgert, ehe noch die Glieder angefangen waren. Ich habe dich bitten lassen hierherzukommen, damit du diese Arbeit, in der du sehr geschickt bist, zu Ende führst.« Der Muezzin sagte: »Ich will das gern ausführen.« Die junge Frau sagte: »Wie lange wirst du hierzu benötigen?« Der Muezzin sagte: »Man kann das nicht auf einmal machen. Denn ich will die Arbeit gut machen, zumal dein Mann auch für mich in Mekka betet.« Die junge Frau sagte: »Es ist gut. Fange nur schnell an, damit wir keine Zeit verlieren.« Der Muezzin sagte: »Es ist gut, lege dich nur gleich auf das Angareb. Ich will dann schon mit allen Kräften arbeiten.« Die junge Frau legte sich also auf das Angareb. Der Muezzin kam aber seinem Bedürfnis nach und erfüllte sein Versprechen, daß er mit allen Kräften arbeiten wolle, vollkommen, so daß die junge Frau über die Maßen zufrieden war. Als sie sich wieder von ihrem Angareb erhob, sagte sie: »Es ist wahr, du verstehst diese Arbeit wirklich besser als mein Mann. Komm nur recht häufig wieder und bleibe weiter so bei der Sache.« Der Muezzin sagte: »Ich verspreche dir dieses und hoffe, daß du mit der Sache immer gleich zufrieden sein wirst. Nur mußt du, wenn du besondere Wünsche hast, mir diese beizeiten sagen, so daß ich alle Maßnahmen immer im betreffenden Augenblick beobachten kann.« Die junge Frau sagte: »Wenn du so freundlich sein willst, für alles beizeiten Maßnahmen treffen zu wollen, so vergiß doch ja nicht, daß das Kind, wenn es ein Junge wird, ein gleich gutes Arbeitswerkzeug erhält wie du. Es würde mir leid tun, wenn es bei dem Kind so klein und schwächlich würde wie bei seinem Vater.« Der Muezzin sagte: »Alles das kann ich dir versprechen. Denn gerade in der Ausführung solcher Einzelheiten bin ich, wie ich glaube, geschickter als nur irgendein anderer Kinderarbeiter dieser Stadt.« Die junge Frau sagte: »Mußt du jetzt schon gehen oder könntest du noch ein wenig in der Sache weiterwirken?« Der Muezzin sagte: »Ich habe soeben den Mund des Kindes angebracht. Wenn du nicht zu ermüdet bist, so lege dich nur noch einmal hin; ich will dann die Nase einsetzen.« Die junge Frau sagte: »Ich bin ganz und gar nicht so müde, daß ich das Einsetzen der Nase nicht noch ertragen könnte, vielmehr scheint es mir, daß deine heftige Arbeitsweise mir mehr zusagt als die sanftere meines Mannes.« Damit legte die junge Frau sich noch einmal auf das Angareb, und der Muezzin setzte die Nase so stark an, daß die angehende Mutter bei der Wahrnehmung der geschickten Tätigkeit des Muezzin freudig stöhnte.

Von nun an kam der Muezzin so oft es ihm behagte zu der jungen Frau des Mekkapilgers, und diese war über seine emsige Arbeit ganz außerordentlich glücklich. Um sich nun aber ganz und ungeteilt der Tätigkeit bei der jungen Frau hingeben zu können, sandte der Muezzin seine eigene Frau, die auch noch jung, ihm aber gewohnter und deshalb gleichgültiger war, zu deren Eltern, damit sie diese für einige Monate besuche. Dann widmete er sich mit doppelter Kraft der jungen Frau des Mekkapilgers.

Inzwischen hatte der Mekkapilger seine Gebete verrichtet und kehrte eines Tages unerwartet nach Haus zurück. Als seine Frau ihn kommen sah, gewann sie es aber nicht über sich, ihn freundlich zu begrüßen. Vielmehr wandte sie dem eintretenden Gatten den Rücken zu und kümmerte sich nicht weiter um ihn, und als er sie dann nachher freundlich ansprach, ging sie ohne Antwort mit böser Miene von dannen. Der Mekkapilger sagte darauf bei sich: »Hier muß irgend etwas vorgefallen sein. Ich muß das erfahren.« Er sprach seine Frau bei der nächsten Gelegenheit wieder freundlich an. Sie aber wandte sich abermals mit schlimmer Miene ab und wollte von dannen gehen.

Der Mekkapilger sagte aber zu seiner jungen Frau: »Warte einmal! Bleib einmal hier und sage mir, warum du mir nicht antwortest und mir ein so unfreundliches Gesicht zeigst!« Die junge Frau wandte sich nun wohl ihrem Manne zu; sie sah ihn aber sehr zornig an und sagte: »Weshalb ich unfreundlich zu dir bin? Nun, weil du ein schlechter Mann bist, ein sehr schlechter Mann! Deinem toten Vater zuliebe bist du weggelaufen nach Mekka und hast mich, deine lebende junge Frau, mit einem unfertigen Kinde zurückgelassen. Und einen Krüppel hätte ich bei derart abgebrochener Arbeit mir zur Schande geboren! Dank aber dem fleißigen Muezzin vom großen Minarett, der in vorzüglichster Weise das unterbrochene Werk fortgesetzt hat und in so unermüdlicher Tätigkeit dem Rumpfe alle Glieder, von der Nase bis zur großen Zehe, zugearbeitet hat!«

Als der Mekkapilger das hörte, sagte er bei sich: »Oho, steht die Sache so!« Zu seiner Frau sagte der Mekkapilger nichts. Am gleichen Tage ging er aber zu dem Muezzin, den er von früher wohl kannte, erzählte ihm, daß er die versprochenen Gebete ausgeführt habe, und schloß mit ihm herzliche Freundschaft. Diese Freundschaft pflegte der Mekkapilger mit aller Sorgfalt und besuchte seinen neuen Freund alle Tage. So erfuhr er denn bald, daß dieser seine Frau in eine einige Tagereisen entfernte Stadt gesandt habe, damit sie dort für einige Monate bei ihren Eltern verbleibe. Der Mekkapilger merkte sich dieses alles ganz genau und besuchte außerdem seinen Freund, den Muezzin, so häufig, daß jener nicht imstande war, etwas ohne Wissen des Mekkapilgers auszuführen. Einige Tage lang empfand der Muezzin die Behinderung an der ihm gewohnt gewordenen Nebenarbeit sehr angenehm, denn gerade in den letzten Tagen hatte die junge Frau des Mekkapilgers bei der Ausarbeitung der großen Zehen große Rührigkeit an den Tag gelegt und hatte mehr Geduld und Aufnahmefähigkeit gezeigt, als er auf die Dauer zu ertragen vermochte. Nachdem der Muezzin also einige angenehme Tage der Ruhe an der Seite des neuen Freundes genossen hatte, begann er sich nach einer frischen Betätigung zu sehnen und sagte bei sich: »Zwar wünsche ich mir auf die Dauer nicht eine Frau wie die dieses Mekkapilgers, eine Frau, die mehr Bewegungsfreude und Ausdauer besitzt als ein Mann. Sehr angenehm wäre es mir aber, wenn meine eigene Frau nun wieder zu mir zurückkehrte, denn ihre Sanftmut ist auf die Dauer doch genußreicher und leichter zu ertragen als das Ungestüm der andern.«

Nachdem der Mekkapilger nun also einige Zeit in der Stadt und viel in der Umgebung des Muezzin geweilt hatte, sagte er eines Tages zu seinem Freund: »Ich werde morgen wieder für einige Tage verreisen und werde jene Stadt aufsuchen.« Dabei nannte der Mekkapilger den Namen der Stadt, in der die Frau des Muezzin bei dessen Schwiegereltern wohnte. Als der Muezzin dies hörte, dachte er bei sich: »Dieser Mann verreist offenbar nur, um einmal wieder seiner Frau für einige Zeit zu entgehen und sich auszuruhen. Da seine Frau ihn also sehr in Anspruch genommen haben wird, scheint er mir für einige Zeit gänzlich ungefährlich für alle Frauen.« Der Muezzin sagte aber laut zu dem Mekkapilger: »Hast du in jener Stadt irgend jemand, bei dem du unterkommst?« Der Mekkapilger sagte: »Nein, ich kenne in dieser Stadt niemand.« Der Muezzin sagte: »Höre, mein Freund, das trifft sich ausgezeichnet. In jener Stadt wohnen nämlich meine Schwiegereltern, bei denen augenblicklich meine Frau zu Besuch weilt. Ich will dir also einen Brief an meinen Schwiegervater mitgeben, so daß du bei ihm wohnen kannst. Ich bitte dich aber um die Gefälligkeit, wenn du heimkehrst, meine Frau unter deinem Schutze mitzubringen und darauf zu achten, daß ihr auf dem Weg durch die Wüste nichts abhanden kommt.« Der Mekkapilger sagte: »Ich hatte zwar an ein anderes Unterkommen gedacht; wenn dir aber, meinem Freund, daran gelegen ist, so will ich deinem Wunsche gern nachkommen.«

Am andern Tage machte sich also der Mekkapilger mit dem Briefe auf den Weg und kam nach einer längeren Reise auch bei den Schwiegereltern des Muezzin an. Er weilte bei diesen einige Tage und bereitete die Rückwanderung vor, und dem Inhalt des Briefes entsprechend, bat der Gastwirt den Mekkapilger, sich seiner Tochter anzunehmen und sie zu seinem Schwiegersohne zurückzuführen. Der Mekkapilger reiste also mit der Frau des Muezzin ab. Nachdem er am ersten Tage nur einen kleinen Marsch zurückgelegt hatte, schlug er am zweiten den Weg in die Wüste ein, der ein gut Teil kürzer als der übliche, aber für den ersten Tagesmarsch sehr anstrengend war, zumal die Reisenden die folgende Nacht unter einigen Bäumen allein in der Wildnis übernachten mußten.

Also kamen der Mekkapilger und die Frau des Muezzin abends sehr ermüdet an diesem einsamen Lagerplatz unter den Bäumen an. Der Mekkapilger sagte zu der Frau des Muezzin: »Höre, wir sind hier in großer Einsamkeit, und es wird gut sein, daß immer einer von uns wacht, damit wir auf das Herankommen von Dieben oder Raubtieren vorbereitet sind. Laß mich nun erst zwei Stunden schlafen, so daß ich ganz frisch bin. Dann wecke mich und ich werde den Rest der Nacht wachen, so daß du ungestört und unbesorgt dich bis zum Morgen ausschlafen kannst. Wecke mich also nur nach zwei Stunden.« Die Frau des Muezzin sagte: »Damit bin ich ganz einverstanden.« Der Mekkapilger sagte: »Wecke mich nur nach zwei Stunden!«

Dann legte sich der Mekkapilger hin und schlief sogleich ein. Die Frau des Muezzin nahm sich zwar vor, wach zu bleiben, der Tagesmarsch war aber sehr beschwerlich gewesen, und so kam es, daß auch sie nach einiger Zeit einschlief. Der Mekkapilger erwachte aber bald darauf. Er sah vorsichtig hin, ob die junge Frau auch fest schlief; dann ging er zu ihr und nahm ihr vom Hals und von den Händen allen Goldschmuck, den sie umhatte, und steckte ihn in seine Beinkleider. Nun legte er sich an seinen alten Platz und schlief bis zum nächsten Morgen.

Am andern Morgen erwachte die Frau des Muezzin zuerst. Sie bemerkte sofort, daß ihr gesamter Schmuck abhanden gekommen war. Sie erschrak sehr und weckte sogleich den Mekkapilger. Dieser fuhr aus dem Schlaf und sagte: »Warum hast du mich nicht in der Nacht geweckt? Es hätte uns sehr leicht etwas geschehen können!« Die Frau des Muezzin sagte: »Es ist auch etwas geschehen. Ich bin vor Müdigkeit eingeschlafen, und da ist ein Dieb vorbeigekommen und hat mir meinen ganzen Goldschmuck gestohlen.« Der Mekkapilger fuhr auf und sagte: »Was, ein Dieb hat dich bestohlen? Wir müssen sogleich die Fußspuren im Sande suchen, um so zu erfahren, auf welchem Wege er von dannen gelaufen ist. Sieh gleich auf allen Seiten um dich. Ich gehe selbst auch umher.« Die Frau des Muezzin sah um sich. Sie blickte nach allen Seiten. Die Frau sagte: »Ich sehe nur die Spuren, die wir selbst getreten haben, als wir gestern abend unser Gepäck aufschichteten.« Der Mekkapilger schüttelte den Kopf und sagte: »Diese Sache ist sehr ernst; ich kann auch nicht mehr sehen. Wie kann das nur geschehen sein!«

Der Mekkapilger setzte sich hin und dachte nach. Die Frau des Muezzin setzte sich neben ihn und dachte nach. Die Frau des Muezzin sagte nach einiger Zeit: »Fällt dir nichts ein?« Der Mekkapilger sagte: »Es fällt mir schon etwas ein, aber es ist eine schwierige Sache!« Die Frau des Muezzin sagte: »Sage es mir, denn das ist mir eine schlimme Angelegenheit mit dem Verlust!« Der Mekkapilger sagte: »So höre denn, du Frau meines Freundes! Du weißt doch, daß Männer und Frauen einen Unterschied haben!« Die Frau sagte: »Das weiß ich!« Der Mekkapilger sagte: »Nun gut. Der Unterschied vieler Frauen ist diebisch und stiehlt sehr gern. Das Stehlen ist dem Unterschied der Frauen angeboren. Meist stiehlt der Unterschied der Frauen nun allerdings den Männern. Wenn er aber lange Zeit nichts bei Männern zu stehlen gehabt hat, so stiehlt er sehr leicht auch einmal seiner eigenen Herrin etwas. Da nun rund herum keine fremde Fußspur zu sehen ist, so kann ich es nicht anders annehmen, als daß dein eigener Unterschied, wenn er sonst längere Zeit nicht seinen Mann zu bestehlen Gelegenheit gehabt hat, dich selbst bestohlen und den Raub in seinem Innern verborgen hat.« Die junge Frau des Muezzin sagte: »Daß mein Unterschied bei Männern gern stiehlt, habe ich, seitdem ich verheiratet bin, oft bemerkt. Auch hat er in letzter Zeit keine Gelegenheit gehabt, etwas zu stehlen. Sage mir nur, ich bitte dich, wie kann man dem Unterschied die Schmucksachen wieder wegnehmen?«

Der Mekkapilger wiegte den Kopf hin und her und sagte: »Das kann eine Frau nicht allein machen. Ein Mann muß langsam und vorsichtig seinen eigenen Unterschied in das Innere führen und danach suchen. Es muß aber bald nach dem Raub und langsam und vorsichtig geschehen, denn sonst wird der Raub immer weiter im Innern versteckt, und du weißt, daß er dann erst als Kind wieder herauskommen kann. Dein Unterschied wird aus dem Schmuck also wohl ein steinernes Kind machen.« Die Frau des Muezzin schrie vor Schreck auf. Die Frau des Muezzin sagte: »Was? Ein steinernes Kind soll ich gebären? Daran sterbe ich!« Der Mekkapilger sagte: »Ja, daran sterben die Frauen.« Die Frau des Muezzin warf sich vor dem Mekkapilger auf die Erde und sagte: »Ich bitte dich! Ich bitte dich! Versuche es schnell, ob du die gestohlenen Sachen wieder aus meinem Unterschied herausholen kannst! Ich bitte dich!« Der Mekkapilger sagte: »Lege dich hin! Ich verspreche dir, daß ich alles tun werde, um deinem Unterschied den Raub wieder zu entreißen!«

Die Frau legte sich hin. Der Mekkapilger aber begann mit großer Vorsicht mit seinem Unterschied die Untersuchung; und als er dies eine Weile so ausgeführt hatte, daß auch die Frau seine Sorgfalt und Fürsorge bemerken mußte, griff er mit der Hand nach unten und langte aus seinem Hosenbein ein Armband heraus! Die Frau des Muezzin sagte: »Ja, das ist das erste! Ich danke dir! Ich danke dir! Schnell suche auch das andere!« Der Mekkapilger begann also nach einer kleinen Ruhepause die Untersuchung aufs neue und brachte diesmal das zweite Armband hervor. Die junge Frau war darüber sehr glücklich und hätte nun gern die Untersuchung sogleich zu Ende geführt gesehen. Der Mekkapilger bestand aber darauf, daß sie erst ein Frühstück einnähmen und einigen aus einer Flasche mitgenommenen Wein tränken, um so die Unterschiede zur Ruhe zu bringen.

Der genossene Wein hatte aber zur Folge, daß die junge Frau noch viel emsiger auf die Durchsuchung ihres diebischen Unterschiedes bestand. Sie sagte: »Mein Unterschied empfindet es gar nicht unangenehm, daß du ihn nach allen Richtungen auf den gestohlenen Schmuck hin untersuchst, und mir will es scheinen, als ob er die gestohlenen Sachen auf diese Weise sehr gern wieder hergibt; ja, als ob er nach jeder Untersuchung nach einer Wiederholung dränge.« Der Mekkapilger sagte: »Dieses ist sehr erklärlich. Denn dein Unterschied hat deine Steine und dein Gold nur deshalb gestohlen, weil er solange bei einem Manne nichts stehlen konnte.« Die Frau des Muezzin sagte: »Nun eile dich und suche noch nach der Halskette!« Der Mekkapilger kam der Aufforderung wiederum nach und überreichte der jungen Frau diesmal den Halsschmuck.

So hatte die junge Frau denn allen ihren Schmuck wiedererhalten, und der Mekkapilger hätte nun ohne weiteres mit der Frau des Muezzin Weiterreisen können. Nachdem beide sich aber noch ein wenig an Speise und Wein gestärkt hatten, sagte die Frau des Muezzin: »Höre, du freundlicher Mann! Vor einiger Zeit wurde im Hause meines Vaters ein Ring vermißt. Es scheint mir nun wohl möglich, daß mein Unterschied der Dieb auch dieses Gegenstandes ist. Ich wäre dir also sehr dankbar, wenn du ganz hinten einmal danach suchen wolltest!« Der Mekkapilger, dem der Wein auch noch mehr Freude an der annehmlichen Tätigkeit erweckt hatte, sagte: »Gewiß, du freundliche Herrin eines räuberischen Unterschiedes! Dieses soll sogleich geschehen!«

Der Mekkapilger begann die Untersuchung also zum vierten Male, und zwar betrieb er sie nunmehr so weitgehend und energisch, daß zum Abschluß die Frau des Muezzin einen Wind streichen lassen mußte. Der Mekkapilger, der sowieso an der Grenze aller Kräfte angekommen war, sagte also: »Hörst du? Eben hat dein Unterschied laut geschworen, daß er nun kein gestohlenes Gold und keine gestohlenen Steine mehr verborgen halte.« Damit erhob er sich. Die junge Frau richtete sich auch auf und sagte: »Ich habe es wohl gehört; außerdem spüre ich nun auch, daß die Widerstandskraft meines Unterschiedes gebrochen ist. Ich sage dir Dank!«

Der Mekkapilger und die Frau ruhten sich noch ein wenig aus, und dann machten sich beide auf den Weg und kamen zur guten Zeit wieder in der Stadt an, in der der Mekkapilger sogleich seine Frau, seine Begleiterin aber ihren Mann, den Muezzin, aufsuchte.

Der Muezzin empfing seine Frau aufs freudigste, und da er nun schon längere Zeit ein sehr zurückgezogenes Leben geführt hatte, so war er doppelt zudringlich in seinen Freudenbezeugungen. Seine Frau wehrte ihn aber ab und sagte: »Unterwegs ist mir eine schlimme Sache widerfahren, an der du schuld bist. Du weißt, daß die Unterschiede der Frauen sehr diebisch sind. Du weißt, daß sie eigentlich nur die Männer bestehlen. Da du mich nun aber solange allein bei meinen Eltern gelassen hast und ihm so jede Gelegenheit, sein angeborenes Diebsgelüst zu befriedigen, geraubt war, hat er mir nachts alle meine Steine, Silber- und Goldsachen gestohlen, um sich daraus ein steinernes Kind zu bilden, bei dessen Geburt ich dann nachher natürlich gestorben wäre. Dank aber dem freundlichen Mekkapilger, der jedes Schmuckstück eines nach dem andern schnell und mühsam dem Dieb wieder entrissen und ihn zuletzt zu dem Schwur, nichts anderes Derartiges gestohlen zu haben, gezwungen hat. Ohne seine unterschiedlichen Bemühungen ginge ich nun, infolge deiner Gleichgültigkeit, dem sicheren Tode entgegen!« Als der Muezzin das hörte, ging er hinaus und sagte bei sich: »Dieser Mann hat den Tauschhandel anscheinend so gründlich betrieben, daß meine Frau für die nächsten Tage mich wohl kaum freundlich aufnehmen wird.« Der Muezzin ging fort. Er traf unterwegs den Mekkapilger und sagte: »Meine Frau hast du so sicher zurückgebracht, daß ich für deine eingehende Fürsorge nicht dankbar genug sein kann.« Der Mekkapilger sagte: »Wie hätte ich dir sonst die freundliche Nachhilfe, die du mir früher gewidmet hast, danken können!«

Aini

1 Aini-Lehrzeit

Kabylen

Zwei Burschen waren miteinander sehr befreundet, sie wohnten aber nicht in dem gleichen Dorf, sondern in zwei verschiedenen, die weit voneinander entfernt lagen. Der eine, Ahmar, sagte eines Tages zu dem anderen: »Wir wollen doch nicht mehr so weite Wege machen, wenn einer von uns dem anderen einmal etwas zu sagen hat. Wir wollen in das gleiche Dorf ziehen.« Der andere war einverstanden. Als die beiden Burschen heirateten, sagte Ahmar: »Wenn der eine von uns eine Tochter, der andere aber einen Jungen hat, dann sollen unsere Kinder sich heiraten.« Der andere war einverstanden.

Als sie nun einige Monate miteinander im gleichen Dorf gewohnt hatten, war es dem Ahmar leid geworden, daß er mit dem anderen das Abkommen der Verehelichung ihrer Kinder getroffen hatte. Als dem anderen nun also einige Zeit darauf ein Sohn, ihm aber ganz kurze Zeit darauf eine Tochter geboren wurde, da sagte er: »Meine Frau hat geboren. Ihr Kind soll Aini heißen. Aini ist ein Junge und kein Mädchen.« Darauf ließ der Vater den Aini in Jungenkleidern gehen, so daß alle Welt glaubte, Aini sei ein Junge.

Aini und der Sohn des anderen freundeten sich aber von Kindheit auf an. Der Junge und Aini trafen sich am Morgen bis zum Abend. Sie spielten zusammen. Sie aßen zusammen. Der Junge wußte stets, wo Aini war, und Aini wußte stets, wo der Junge war. Das nahm so seinen Fortgang, bis sie beide begannen heranzuwachsen.

Aini war ein recht großes Mädchen. Der Bursche spielte mit Aini. Eines griff das andere. Der Bursche packte Aini um die Schultern, griff ihr auf die Brust. Der Bursche sagte: »Aini, weshalb hast du eine so hohe Brust? Aini, sieh, meine Brust ist ganz flach.« Aini sagte: »Ich weiß es nicht, laß das!« Eine alte Frau kam vorbei. Sie lachte und sagte zum Burschen: »Dein Freund ist eben ein Mädchen.« Aini ging fort. Der Bursche folgte ihr. Aini ging in den Wald. Aini weinte. Aini setzte sich auf einen Baumstamm. Der Bursche setzte sich neben Aini. Sie sprachen miteinander. Sie schworen, sich einander später zu heiraten. – Von dem Tage an spielten Aini und der Bursche nicht mehr miteinander. Aini und der Bursche vermieden es, sich in Gegenwart anderer zu treffen. Die Leute sahen das.

Die Leute kamen zu Ainis Vater und sagten: »Höre, dein Sohn Aini ist nicht mehr so vergnügt wie früher. Aini drückt sich mit seinem Freund immer in den Winkeln umher. Die beiden Freunde sind so wie ein Bursch und ein Mädchen, die sich heiraten wollen.« Ahmar sagte bei sich: »Hooo! also so geht diese Freundschaft! Da will ich eine Änderung treffen.« Und Ahmar nahm Aini in eine Kammer und gab Aini Beschäftigung in der Kammer und erlaubte Aini nicht mehr, das Gehöft zu verlassen. Aini saß nun also immer daheim, und wenn der Bursche, Ainis Freund, an das Gehöft klopfte und fragte, ob er Aini nicht sprechen oder sehen könnte, wurde ihm stets gesagt: »Aini ist zu beschäftigt.«

Der Bursche ging aber abends um das Gehöft und horchte an den Mauern, um zu hören, in welcher Kammer Aini lebte. Nach kurzer Zeit wußte er, wo Aini wohnte, und als alle schliefen, warf er Steine in das Fenster. Ein Stein traf Aini. Aini erhob sich, sah zum Fenster heraus und erkannte den Burschen. Aini sprach mit dem Burschen. So sprachen sich Aini und der Bursche viele Tage lang jeden Abend, ohne daß die Eltern Ainis es gewahr wurden. Der Bursche sah aber, daß er auf diesem Wege Aini nicht zur Frau gewinnen würde.

Eines Abends kam der Bursche wieder an Ainis Fenster. Er warf ein Steinchen herein und Aini kam an das Fenster. Der Bursche sagte: »Aini, ich will heute Abschied nehmen. Ich will weggehen und sehen, ob ich es an einem anderen Ort zu etwas bringen kann, um dich nachher zur Frau gewinnen zu können. Wenn ich etwas Großes bringen kann (soll heißen eine hohe Brautgabe), dann wird dein Vater dich mir geben.« Aini sagte: »So glaube ich, wird es werden.« Der Bursche sagte: »Ich schwöre aber, daß wenn du stirbst, dann will ich auch sterben, und nun schwöre du mir, daß, wenn ich sterbe, du auch sterben willst. Wir wollen nur eines mit dem andern leben. Willst du mir das schwören?« Aini schwor. Aini und der Bursche nahmen Abschied.

Der Bursche ging am anderen Tage von dannen. Er ging so seiner Wege dahin; da traf er einen alten Mann. Der alte Mann fragte den Burschen: »Wo gehst du hin?« Der Bursche sagte: »Ich gehe dahin, wo ich Brot finde.« Der Alte sagte: »Dann komm mit zu mir. Ich will dein Vater sein. Sei du mein Sohn.« Der Bursche war einverstanden. Er zog zu dem älteren Mann. Der alte Mann war sehr freundlich zu ihm. Sprach mit ihm, aß mit ihm, sorgte für ihn. Eines Tages nun aber kam der Alte dazu, wie der Bursche mit den anderen Burschen des Dorfes spielte. Er hörte, wie der Bursche den Namen seiner Aini rief. – Nun hatte der Alte vor einigen Jahren aber wieder geheiratet, und seine junge Frau hieß Aini. Als der Alte nun hörte, daß der Bursche »Aini« rief, glaubte er, damit meine er seine eigene junge Frau.

Da wurde der Alte mißtrauisch. Er war nun nicht mehr freundlich zu dem Burschen und sprach nun überhaupt nicht mehr mit ihm. Er ließ den Burschen seine Wege gehen. Der Bursche sagte bei sich: »Es ist hier nicht mehr wie früher, ich will weitergehen und werde es an einem anderen Ort versuchen. Vorher will ich aber noch einmal zum Dorf meines Vaters gehen und sehen, wie es Aini geht.«

Der Bursche ging zu dem Alten und sagte: »Ich möchte morgen einmal in das Dorf meines Vaters gehen und sehen, wie es da steht.« Der Alte sagte: »Ich werde dich begleiten, denn ich will dort Öl einkaufen.« Sie machten sich gemeinsam auf den Weg. Als sie nahe dem Dorfe des Burschen waren, kamen sie über den Kirchhof. Sie sahen da ein neu errichtetes Grab. Der Alte fragte einen Hirten, der am Kirchhof seine Herde weidete: »Wer ist hier begraben?« Der Hirt sagte: »Sie haben hier soeben das Mädchen Aini begraben, das gestern gestorben ist.«

Der Bursche sagte bei sich: »Nun ist also Aini gestorben und begraben. Nun will ich auch sterben.« Der Bursche sagte zu dem Alten: »In unserem Lande begraben sie die Toten anders als in eurem. Ich will es dir zeigen. Komm, wir wollen einmal die Steinplatten aufheben.« Der Bursche hob die Steinplatten auf. Aini lag tot in der Grube. Der Bursche sagte: »Nun bist du tot, Aini; ich werde aber kommen.« Der Bursche legte sich zu der toten Aini in die Grube und sagte zu dem Alten: »Nun decke die Platten wieder über das Grab. Geh dann hin und kaufe dein Öl ein. Kehr du dann heim zu deiner Aini. Ich aber werde hierbleiben bei meiner Aini.« Da deckte der Alte das Grab zu und ging in den Ort, um Öl einzukaufen.

Am Tage, nachdem Aini begraben war, kam Asrain (der Richtengel), um über die verstorbene Aini zu richten. Als er an das Grab Ainis kam, fand er aber neben der toten Aini den lebenden Burschen. Da sagte Asrain zu dem Burschen: »Was tust du neben der toten Aini? Du lebst! Mit dir habe ich nichts zu tun. Geh von der toten Aini und aus dem Grabe.« Der Bursche sagte: »Es ist mir alles gleich. Aini ist gestorben. Nun will ich auch sterben. Ich bleibe hier im Grabe bei Aini.«

Asrain kehrte um und ging zu Gott. Asrain sagte: »Etwas Derartiges ist mir noch nicht vorgekommen. Ich ging hin, um die tote Aini aufzusuchen, und fand neben der toten Aini einen lebenden Burschen, und der Bursche sagte, Aini sei gestorben, nun wolle er auch sterben. Der Bursche will das Grab nicht verlassen.« Gott hörte es und sagte zu Asrain und dem Burschen: »Dieser Bursche hatte noch vierzig Jahre zu leben. Wenn er nun hiervon Aini die Hälfte abgeben will, so wird er nur noch zwanzig Jahre leben, aber Aini wird auch noch zwanzig Jahre leben.« – Der Bursche lachte im Grabe. Aini schlug die Augen auf. Aini sah den Burschen neben sich. Aini sagte: »Ich danke dir!«

Am anderen Tage kam der Alte vom Ölkauf zurück. Er sagte, als er in die Nähe des Grabes kam: »Ich möchte doch wissen, ob der Bursche, der sich zu der toten Aini ins Grab gelegt hat, noch lebt, oder ob er auch gestorben ist.« Er ging zu dem Grab, legte sein Ohr an die Platten und horchte. Da hörte er, daß der Bursche mit Aini sprach. Der Alte sagte: »Sie leben beide.« Der Alte nahm die Steinplatten auf. Aini und der Bursche lachten. Aini und der Bursche stiegen aus dem Grab, dankten dem Alten und verabschiedeten sich von ihm. Aini und der Bursche gingen von dannen.

Der Bursche sagte: »Aini, wir wollen weitab von den anderen Menschen im Wald uns ein Haus bauen und da die zwanzig Jahre, die uns zu leben erlaubt sind, verbringen.« Aini war einverstanden. Der Bursche baute im Wald ein Haus, das war stark und fest und hatte sieben Türen, so daß von außen niemand hereinkam, wenn es zugeschlossen war. In dem Haus wohnte der Bursche mit Aini. Tagsüber ging der Bursche auf die Jagd und schloß stets die sieben Türen ab. Aini konnte dann nicht aus dem Haus heraus, und es konnte außer dem Burschen, der den Schlüssel hatte, auch niemand in das Haus herein. Aini saß dann aber am Fenster und blickte in den Wald oder zum Himmel empor.

Eines Tages kamen zwei Jäger, die der Agellid der benachbarten Ortschaft täglich zur Jagd sandte, an dem Hause der Aini vorbei. Sie sahen zum Fenster empor und sahen Aini. Sie blieben stehen und betrachteten Aini. Aini war so schön, daß die Jäger sich von dem Anblick nicht trennen konnten. Sie gingen nicht weiter zur Jagd, sondern blieben bis zum Abend stehen und betrachteten Aini. Erst abends kehrten sie in das Dorf des Agellid zurück. Der Agellid fragte die Jäger: »Weshalb kommt ihr heute ohne Jagdbeute zurück?« Die Jäger sagten: »Wir kamen im Wald an einem Hause vorbei. Eine Frau sah zum Fenster heraus, die war so schön, daß wir uns nicht entfernen konnten, sondern sie immer anschauen mußten. Keiner von uns beiden hätte vorher geglaubt, daß es etwas so Schönes auf der Erde gibt. Auch du, Agellid, hast nie etwas so Schönes gesehen.« Der Agellid sagte: »Ich werde morgen mit euch gehen und sehen, ob ihr die Wahrheit gesprochen habt. Dann will ich euch verzeihen, daß ihr heute so lässig wart.«

Am anderen Tage ließ der Agellid sich von den Jägern den Weg zu dem Hause Ainis zeigen. Der Agellid kam zum Hause Ainis. Aini sah zum Fenster hinaus. Aini sah, daß der Agellid ein sehr schöner Mann war. Der Agellid sah Aini und blieb stumm. Er schaute Aini an und konnte nichts sagen. Er blieb bis zum Abend stehen. Als es Abend war, sagte Aini: »Mein Mann wird sogleich von der Jagd nach Hause zurückkehren. Wenn er dich trifft, wird er dich töten.« Der Agellid sagte: »Kann ich dich nicht einmal besuchen?« Aini sagte: »Mein Mann schließt das Haus jeden Tag mit den Schlössern an den sieben Türen ab; es kann daher niemand hinein. – Geh jetzt, mein Mann wird sogleich kommen.« Der Agellid ging.

Der Agellid rief am anderen Tage alle Männer seines Dorfes zusammen und sagte: »Grabt mir ein Loch und einen Gang in dieser Richtung.« Der Agellid ließ vom Boden seiner Kammer aus einen Gang graben, der bis unter die Kammer Ainis unter dem Hause im Wald führte. Als der Bursche eines Morgens in den Wald zur Jagd gegangen war und die sieben Schlösser an den sieben Türen hinter sich abgeschlossen hatte, kam der Agellid durch den Gang und trat in die Kammer Ainis. Aini erschrak und fragte: »Weshalb bist du gekommen?« Der Agellid sagte: »Deine schöne Gestalt hat mich hierher geführt.« Aini sagte nichts mehr. Aini sah wieder, daß der Agellid ein schöner, starker Mann war. Der Agellid führte Aini zu ihrem Lager. Der Agellid legte sie nieder. Aini sagte nichts. Der Agellid beschlief Aini. Aini sagte nichts. Der Agellid lag ihr mehrmals bei. Aini sagte: »Nun geh, denn mein Mann kommt bald wieder. Schließe Freundschaft mit meinem Manne.« Der Agellid ging.

Am anderen Tage begab sich der Agellid auf die Jagd. Der Agellid traf den Burschen und sah ihm eine Weile zu. Dann sagte er: »Du scheinst die Jagd ausgezeichnet zu können.« Der Bursche sagte: »Ich verstehe einiges davon.« Der Agellid sagte: »Lehre mich die Jagd. Alles was ich so erlege, soll dein sein.« Der Bursche jagte mit dem Agellid den Tag über. Sie gewannen viel Beute. Der Agellid gab seinen Anteil dem Burschen. Der Bursche kehrte mit reicher Beute heim. Aini sah, daß ihr Mann mehr Beute heimbrachte als sonst und fragte: »Woher kommt es, daß du heute so großen Erfolg hast?« Der Bursche sagte: »Unterwegs traf ich einen Agellid, mit dem jagte ich. Ich zeigte ihm alles. Da ließ er mir seinen Anteil an der Beute.« Aini sagte: »Das ist ein guter Verkehr für dich. Diesen Umgang solltest du pflegen.«

Der Bursche traf an einem anderen Tag den Agellid wieder im Wald. Der Agellid sagte: »Wir wollen heute einmal nicht jagen. Komm zu mir in mein Dorf und in mein Haus. Wir wollen zusammen spielen.« Der Bursche war einverstanden. Der Agellid führte den Burschen in seine Kammer und spielte mit dem Burschen Jammut (Dame). Der Bursche paßte gut auf. Der Agellid verlor im Anfang des Spiels. Der Agellid verlor weiterhin noch mehr. Der Agellid verlor alles, was er besaß. Es blieb dem Agellid nichts übrig. Der Bursche ging wieder nach Hause.

Als der Bursche am anderen Tage zur Jagd gegangen war, kam der Agellid durch den Gang unter der Erde zu Aini und sagte: »Ich habe gestern mein ganzes Vermögen an deinen Mann im Jammutspiel verloren.« Aini sagte: »Ich werde es einrichten, daß du alles wiedergewinnst. Lade dir meinen Mann morgen noch einmal zum Spielen ein.« Der Agellid sagte: »So werde ich all das Meine verlieren.« Aini sagte: »Das soll meine Sache sein.«

Am anderen Morgen traf der Agellid wieder den Burschen im Walde. Der Agellid sagte: »Komm noch einmal mit zu mir. Ich habe noch einiges zum Spielen.« Der Bursche sagte: »Warte, ich will nur schnell meine Waffen nach Hause tragen, dann komme ich.« Der Bursche ging nach Hause, schloß das Haus auf, ging hinein, hängte die Waffen an den Haken an der Wand und ging. Er schloß die sieben Türen, kehrte zu dem Platze im Wald zurück, an dem er den Agellid zurückgelassen hatte, und sagte: »Ich bin bereit. Wir können zu dir gehen und wieder Jammut spielen.« Der Agellid und der Bursche machten sich auf den Weg in das Dorf.

Als der Bursche die sieben Türen von draußen abgeschlossen hatte, um den Agellid im Walde wieder zu treffen, ergriff Aini die Waffen, die der Gatte eben an die Wand gehängt hatte, nahm sie herab und rannte mit ihnen fort durch den Gang. Sie kam durch den Gang in die Kammer des Agellid. Sie hängte die Waffen an die Wand, und zwar gerade gegenüber dem Platz, an dem der Gast sitzen mußte, also im Rücken des Platzes des Agellid. Dann lief Aini wieder davon.

Nachdem Aini einige Zeit fort war, kam der Agellid mit dem Burschen vom Walde her in seinem Dorf an. Der Agellid führte den Burschen in seine Kammer und sagte: »Setze dich nieder, ich werde das Jammut holen.« Der Bursche setzte sich. Er sah auf. Er sah zu der Wand, die ihm gegenüber war. Er sagte bei sich: »Das sind doch meine Waffen!« Er sagte bei sich: »Das können ja nicht meine Waffen sein, denn meine Waffen habe ich eben bei mir zu Hause an die Wand gehängt, und dann habe ich die sieben Türen hinter mir verschlossen. Die Schlüssel habe ich aber bei mir in der Tasche. Es können nicht meine Waffen sein!« – – Der Agellid kam zurück.

Der Agellid sagte: »Hier ist das Jammut. Nun wollen wir spielen.« Der Agellid spielte. Der Bursche spielte. Der Bursche dachte aber nicht an das Spiel. Der Bursche dachte: »Das sind doch meine Waffen. Das können nicht meine Sachen sein.« Der Bursche spielte schlecht. Der Bursche sah nach der Wand. Er sah nach den Waffen. Der Bursche verlor mehr und mehr. Er dachte immer: »Das sind meine Waffen! Das können nicht meine Sachen sein.« Der Bursche verlor alles, was er gestern dem Agellid abgewonnen hatte. Der Bursche stand auf und ging. Er machte sich auf den Heimweg durch den Wald.

Als der Bursche weggegangen war, kam Aini durch den Gang, nahm die Waffen von der Wand und trug sie in ihr Haus, das durch sieben Schlösser an sieben Türen geschlossen war. Aini hängte die Waffen zu Hause so an die Wand, wie der Bursche sie hingehängt hatte, ehe er zu dem Agellid zum Spielen ging. – Nach einiger Zeit kam der Bursche zu seinem Haus. Er öffnete die sieben Schlösser an den sieben Türen und trat hinein. Er schaute an die Wand, dahin, wo er heute morgen seine Waffen aufgehängt hatte, und sah, daß sie noch ebenso dort hingen. Der Bursche schlug sich vor die Stirn und sagte: »Ich war ein Narr! Ich war ein Narr!« Aini fragte: »Was hast du, was ist dir? Wo warst du?« Der Bursche sagte: »Ich war bei dem Agellid und spielte mit ihm Jammut. Es hingen da Waffen an der Wand, die sahen aus wie die meinigen. Da dachte ich immer an die Waffen und nicht an das Spiel. So kam es, daß ich alles, was ich dem Agellid gestern im Spiel abgewonnen hatte, heute wieder an ihn verloren habe.«

Aini sagte: »Dann mußt du eben morgen noch einmal mit dem Agellid spielen und mußt sehen, ob du das heute Verlorene nicht noch einmal wiedergewinnen kannst. Denke nur morgen nicht an deine Sachen und nicht an mich. Denke immer nur an das Spiel. Dann wirst du schon gewinnen.« Der Bursche sagte: »Du hast recht. Ich werde es versuchen.« Am andern Morgen ging er in den Wald, dahin, wo er den Agellid traf, und sagte: »Wollen wir heute jagen oder spielen?« Der Agellid sagte: »Mir ist es gleich.« Der Bursche sagte: »Dann wollen wir heute noch einmal spielen. Warte, ich trage meine Waffen schnell nach Hause und komme dann wieder hierher.« Der Bursche lief nach Hause, hängte seine Waffen an die Wand, sagte Aini Lebewohl und verschloß, hinausgehend, die Türen eine nach der anderen hinter sich. Dann ging er in den Wald, holte am Treffpunkt seinen Freund, den Agellid, ab und ging mit ihm in sein Dorf und in seine Kammer. Der Agellid sagte: »Setze dich, ich gehe und hole das Jammut.« Der Agellid ging. Der Bursche schaute sich im Zimmer um. Es war nichts da, was ihn störte. Der Bursche sagte: »Heute werde ich an nichts anderes denken als an das Spiel. Ich will heute dem Agellid alles Seine abgewinnen.«

Der Agellid kam mit dem Jammut. Er setzte sich. Sie begannen zu spielen. Der Bursche dachte nur an das Spiel. Der Bursche gewann. Er hatte schon einen Teil des Besitzes des Agellid wiedergewonnen, als Aini durch den Gang aus ihrem Hause kam. Sie trat in die Kammer, in der der Agellid mit ihrem Manne spielte. Sie setzte schweigend den Tee zwischen beide Männer und ging wieder hinaus. Dann eilte sie durch den Gang wieder in ihr eigenes durch sieben Schlösser an sieben Türen verschlossenes Haus. Der Schatten Ainis fiel, als sie den Tee niedersetzte, auf die Hände des Burschen. Er schlug die Augen auf und sah Aini. Er sagte bei sich: »Es ist nicht möglich.« Er sagte bei sich: »Es muß Aini gewesen sein.« Er blickte auf. Aini war wieder gegangen. Der Bursche dachte: »Das muß Aini gewesen sein. Ich habe sie doch aber in dem Hause mit den sieben Schlössern an den sieben Türen eingeschlossen gehalten. Nein, es kann nicht Aini gewesen sein.« Der Bursche dachte nicht mehr an das Spiel. Der Agellid begann mehr und mehr zurückzugewinnen. Der Bursche dachte nur noch: »War das Aini, oder war das nicht Aini?« Er dachte nicht mehr an das Spiel. Der Agellid gewann alles Seine zurück. Er begann dem Burschen das abzugewinnen, was diesem gehörte. Der Bursche dachte aber nicht an das Spiel, er dachte nur: »War das Aini, oder war das nicht Aini?« Der Bursche verlor alles, was ihm gehörte. Es blieb ihm nichts mehr, und der Agellid hatte nun nicht nur das Seine gerettet, sondern das Vermögen des Burschen dazugewonnen. Der Bursche ging. Der Bursche lief aus dem Dorfe nach Hause. Der Bursche besah die Schlösser an den sieben Türen. Sie waren alle gut verschlossen. Der Bursche betrat das Haus. Er sah Aini, die auf ihrem Lager ausgestreckt war. Er schlug sich vor die Stirn und sagte: »Du Narr, du Narr, du Narr!«

Aini fragte: »Was hast du? Hast du das Vermögen des Agellid zurückgewonnen?« Der Bursche sagte: »Nein, ich habe es nicht zurückgewonnen. Ich bildete mir ein, dich im Hause des Agellid zu sehen, und ich dachte nur noch, ob du dort sein könntest oder nicht, und so verlor ich nicht nur das, was ich dem Agellid schon wieder abgenommen hatte, sondern ich verlor noch mein ganzes Vermögen dazu.« Aini sagte: »So besitzt der Agellid nun dein und sein Vermögen?« Der Bursche sagte: »So ist es.« Aini sagte: »Du hast verspielt.«

Am anderen Tage ging der Bursche zur Jagd. Kaum war er fortgegangen und hatte die Türen abgeschlossen, so kam der Agellid durch den Gang zu Aini. Aini sagte: »Du hast nun meinem Mann alles abgewonnen und bist nun wohlhabender als früher?« Der Agellid sagte: »So ist es.« Der Agellid sagte zu Aini: »Komm mit mir. Dein Mann hat nun nichts mehr. Komm als meine Frau mit zu mir.« Aini ging mit dem Agellid. Der Agellid brachte Aini in sein Haus.

Der Bursche kam am Abend von der Jagd zurück. Er öffnete die Türen und rief: »Aini!« Aini antwortete nicht. Er rief nochmals und nochmals. Der Bursche suchte Aini im ganzen Hause. Er fand Aini nicht. Er setzte sich auf Ainis Lager und sagte: »Das hat der Agellid getan. Aini ist zu ihm gegangen.« Der Bursche dachte nach. Der Bursche sagte: »Ich habe ihr zwanzig Jahre meines Lebens gegeben. Ich werde sie ihr wieder nehmen.«

Der Bursche schloß sich ein. Er blieb vierzig Tage eingeschlossen. Während vierzig Tagen kam er nicht aus seinem Hause. Vierzig Tage lang sah er nicht die Sonne. Vierzig Tage lang aß er nichts und trank er nichts. Nach diesen vierzig Tagen erkannte niemand ihn wieder. Er war ganz mager. Die Augen waren leer. Er ging gebückt. Er sah aus wie ein Toter. Er sah nicht mehr aus wie ein Lebender. Nach vierzig Tagen kam der Bursche aber aus dem Hause. Er öffnete die sieben Türen, trat vor sein Haus und sagte: »Ich werde mir die zwanzig Jahre wiedergeben lassen, und es soll kein Jahr vergehen, ohne daß ich mich nicht sattgegessen hätte an den besten Gerichten, die Gott der Erde gegeben hat. Es scheint so, daß Gott seine besten Gerichte nicht dem Ehrlichen gibt, sondern den Klugen. Da mich Gott aber nicht dumm gemacht hat, sondern klug, so darf ich meinen Löffel so gut in die besten Gerichte stecken wie andere.«

Der Bursche sah so elend aus, daß niemand ihn wiedererkannte. Der Bursche kam zu dem Agellid. Der Agellid erkannte ihn auch nicht wieder. Der Bursche sagte: »Darf ich bei dir arbeiten?« Der Agellid sagte: »Du wirst zu schwach sein zur Arbeit.« Der Bursche sagte: »Ich war nur kank. Laß mich nur einige Zeit arbeiten und mich sattessen, dann wird mein Zustand sich ändern.« Der Agellid stellte den Burschen an. Der Bursche arbeitete und nährte sich. Nach einiger Zeit sah er schon besser aus.

Der Bursche arbeitete einen Monat lang bei dem Agellid. Da sah er frischer und stärker und schöner aus als früher. Alle Frauen und Mädchen sahen ihm nach. Er arbeitete dann noch einen Monat und sättigte sich und ward so schön und stark, daß niemals vorher ein so schöner und starker junger Mann auf der Erde gewesen war.

Die Mutter des Agellid kam zu dem Burschen auf den Acker und sagte: »Mein Bursche, besuche mich heute nacht auf meinem Lager!« Der Bursche sagte: »Ich will das schon ganz gerne tun. Ich fürchte mich nur vor dem Agellid! Dein Sohn wird es merken, und er wird mich töten. Ja, wenn dein Sohn tot wäre, dann könnte ich dich ja überhaupt heiraten.« Die Mutter des Agellid sagte: »Dann hätte ich dich für immer.« Der Bursche sagte: »Ja, dann hättest du mich für immer.« Die Mutter des Agellid sagte: »Ich werde dann meinen Sohn gleich heute abend mit dem Abendessen vergiften. Iß du also von dem Brei nicht!«

Abends saß der Bursche beim Agellid. Das Essen wurde hereingebracht. Der Agellid nahm seinen Löffel und schöpfte aus dem Brei. Der Agellid wollte den Löffel zum Munde führen. Der Bursche hielt seinen Arm fest und sagte: »Warte, iß dies noch nicht. Rufe erst deinen Hund und gib diesen Brocken deinem Hunde.« Der Agellid tat es. Der Hund fraß und starb auf der Stelle. Der Agellid erschrak und sagte: »Wie ist das denkbar? Meine Mutter macht doch selbst meine Speisen!« Der Bursche sagte: »Warte, ich habe zuerst gelernt, jetzt lerne du zu zweit. Weißt du, wer ich bin?« Der Agellid sagte: »Was soll das? Du bist mein Arbeiter.« – Der Bursche schüttelte den Kopf.

Der Bursche sagte: »Du irrst dich. Ich bin nicht dein Arbeiter, sondern ich bin dein Lehrer, und außerdem bin ich der Mann der Aini.« Der Agellid wollte aufspringen und seine Waffen holen. Der Bursche sagte: »Laß das. Hätte ich mich an dir für den Raub der Aini rächen wollen, so hätte ich dich doch nur die vergiftete Speise, die deine Mutter bereitet hat, um dich zu töten und mich nachher heiraten zu können, essen zu lassen brauchen. Ich habe das aber nicht getan. Ich will mich nicht rächen. Ich will auch deine Mutter nicht heiraten. Ich will nur die Jahre zurückerstattet haben, die ich Aini geschenkt habe. Ich verlange Aini von dir. Ich will dich aber nicht töten. Du hast nun das gleiche erlebt mit deiner Mutter, was ich mit Aini erlebt habe. Gib mir beide Frauen. Ich will sie verbrennen.«

Der Agellid gab dem Burschen Aini. Er gab ihm seine Mutter. Der Bursche entzündete ein großes Feuer. Der Bursche sagte zu Aini: »Ich habe dir, als du gestorben warst, die Hälfte meines Lebens, ich habe dir zwanzig Jahre gegeben. Als Dank dafür bist du von mir gelaufen und zu dem gegangen, der reich und Agellid war, während ich noch ein armer Jäger war. Du hast die zwanzig Jahre, die ich dir geschenkt habe, nicht so verwendet, wie wir beide es uns seinerzeit zugeschworen haben. Deshalb verlange ich von dir jetzt die zwanzig Jahre zurück. Das ist alles.« Der Bursche verbrannte Aini und die Mutter des Agellid.

Dann ging der Bursche in ein anderes Land.

2 Die Töchter des Agellid – Gesellenübung

Der Bursche war sehr schön und stark und klug. Jeder Mann wollte ihn gern in seinen Diensten haben. Er kam in das Land eines Agellid, der überall bekannt war als weiser Richter. Der Bursche war bei dem Agellid einige Tage, als dieser zu ihm sagte: »Ich muß oft hierhin und dorthin, um Streitigkeiten zu regeln. Dann habe ich niemand, der mich hier vertritt. Deshalb frage ich dich, ob du bei mir bleiben und solche Vertretung in meinem Hause übernehmen willst, denn du bist der erste, den ich für klug genug halte, solches Amt zu übernehmen. Überlege es dir bis morgen.« Nachdem der Agellid dies gesagt hatte, ging er weg, und der Bursche blieb im Gehöft zurück.

Er ging im Hof auf und ab und überdachte das, was der Agellid ihm gesagt hatte. Er sagte vor sich hin: »Soll ich bleiben, oder soll ich nicht bleiben?« Zwei Stimmen sagten hinter ihm: »Wenn du nicht ein Tor bist, bleibst du.« Der Bursche wandte sich um. Er sah zwei sehr schöne erwachsene Mädchen. Die Mädchen gingen in das Haus. Es waren die Töchter des Agellid. Im Haus lachten sie. Der Bursche sagte bei sich: »Das ist eine schöne Doppelspeise für einen Klugen.« Abends kam der Agellid zurück. Der Bursche sagte: »Ich will es mir nicht lange überlegen. Ich habe mich entschlossen, deinen Vorschlag anzunehmen und als dein Stellvertreter hierzubleiben.«

Am anderen Morgen verreiste der Agellid schon. Kaum war er weggeritten, so kamen die beiden schönen Töchter des Agellid zum Burschen, lachten und sagten: »Bursche, willst du mit uns wetten? Du bist ein so schöner und starker Mann, daß es für Frauen eine Freude ist, mit dir in Händel zu geraten. Sag also, ob du mit uns wetten willst!« Der Bursche sagte: »Ich bin einverstanden. Sagt mir die Wette.« Die beiden schönen Mädchen lachten und sagten: »Wir wollen dir fünfzig Goldstücke geben, wenn du uns zwanzigmal hintereinander schwächen kannst. Du gibst uns fünfzig Goldstücke, wenn du es nicht kannst.« Der schöne Bursche lachte und sagte: »Wir wollen keine Zeit verlieren und anfangen.« Der Bursche beschlief die beiden Mädchen zwanzigmal. Er schwächte sie auch zwanzigmal. Beim letztenmal versagte aber seine Kraft. Die beiden schönen Mädchen sagten: »Du bist ein schöner und starker Mann, aber die fünfzig Goldstücke bekommst du nicht. Die fünfzig Goldstücke mußt du uns zahlen. Du hast uns allerdings zwanzigmal geschwächt, aber du selbst bist das zwanzigstemal schwach geworden.« Der Bursche sagte: »Das ist eine schwierige Sache, die nur ein Richter entscheiden kann. Ich schlage euch vor, daß wir dem Agellid, eurem Vater, die Sache zur Entscheidung vorlegen.«

Die beiden schönen Mädchen schrien auf. Sie sagten: »Wo denkst du hin! Unser Vater tötet uns ja, wenn er hört, daß wir so etwas taten. Er zerschlägt uns ja in kleine Stücke, wenn er hört, daß wir dir diese Wette vorgeschlagen haben. Du darfst auf keinen Fall mit unserem Vater darüber sprechen. Lieber schenken wir dir die fünfzig Goldstücke.« Der Bursche sagte: »Ihr braucht euch nicht zu ängstigen. Ich habe nicht vor, eurem Vater zu erzählen, daß wir miteinander diese Sache vorhatten. Ich will überhaupt von solchen Dingen mit ihm nicht sprechen. Aber da hier ein Streit vorliegt und ich mit dem Amte des Richtens in diesem Hause beauftragt bin, so muß ich seine Entscheidung hören.«

Die beiden schönen Mädchen ängstigten sich so, daß, als der Vater kam, sie sich im Viehstall neben der Wohnkammer versteckten. Der Agellid war noch nicht lange angekommen, da trat auch schon der Bursche ein, begrüßte ihn, setzte sich zu ihm und sagte: »Es waren gestern zwei Leute bei mir, die hatten miteinander eine Wette gemacht und stritten sich nun darum, wer von ihnen sie gewonnen habe. Der eine war der Besitzer eines starken Pferdes. Der hatte fünfzig Goldstücke gewettet, daß sein Pferd zwanzig Bündel Korn zu sich nehmen könne. Der andere war ein Kornhändler, der hatte fünfzig Goldstücke gewettet, daß das Pferd die zwanzig Bündel Korn nicht zu sich nehmen könne. Dann waren sie an die Ausführung gegangen. Das Pferd fraß neunzehn Maß Korn hintereinander. Das zwanzigste Bündel nahm es in sein Maul. Es zermalmte das Korn im Maul und ließ es dann wieder herausfallen. Der Kornhändler sagte nun, das Pferd habe die zwanzig Maß Korn nicht zu sich genommen und verlangte vom Pferdebesitzer fünfzig Goldstücke. Der Pferdebesitzer sagte, das Pferd habe alle zwanzig Bündel Korn zu sich genommen und damit die Aufgabe erfüllt. Wenn das Pferd nachher das zwanzigste Bündel wieder heraustat, so war das seine Sache. Der Pferdebesitzer verlangte deswegen vom Kornhändler fünfzig Goldstücke.« Der Agellid sagte: »Welcher Meinung bist du selbst?« Der Bursche sagte: »Ich meine, der Pferdehändler hat die Wette gewonnen. Denn sein Pferd hat die zwanzig Bündel tatsächlich zu sich genommen. Somit hat der Kornhändler die fünfzig Goldstücke dem Pferdebesitzer zu zahlen.« Der Agellid sagte: »Ich hätte gerade so entschieden wie du. Ich sehe, du hast die gleiche Auffassung von Recht und Unrecht wie ich, und du hast ein scharfes Urteil. Ich freue mich, daß du so weise bist, und werde meine nächste Reise um so ruhiger antreten.«

Am Abend kamen die beiden schönen Mädchen in die Kammer des Burschen und gaben die fünfzig Goldstücke ab. Sie lachten ganz leise und sagten ganz leise: »Wir danken dir. Der Verlust der fünfzig Goldstücke schmerzt uns nicht, da du uns reichlich gegeben hast. Wir wollen aber, sobald der Vater wieder verreist, eine andere Wette mit dir versuchen, die wir gewinnen wollen.«

Einige Tage später verreiste der Agellid abermals. Sobald er fortgeritten war, kamen die beiden schönen Töchter des Agellid zu ihm und sagten: »Bursche, du bist so klug, so schön und so stark, daß wir dich bitten müssen, dich nochmals in Händel mit uns einzulassen. Willst du noch einmal mit uns eine Wette eingehen?« Der Bursche sagte: »Ja, ich bin dazu bereit. Was wünscht ihr?« Die beiden schönen Mädchen lachten und sagten: »Wir beide wollen uns ganz nackt ausziehen. Du sollst dann vom Abend bis Mitternacht hinter uns herlaufen, uns fangen und uns auf unser Lager werfen. Wenn es dir gelingt, dieses Spiel von Abend bis Mitternacht mit uns zu treiben, ohne auf uns zu fallen und uns zu schwächen, so wollen wir dir fünfzig Goldstücke auszahlen. Wenn du aber dabei auf uns fällst und dich nicht enthalten kannst, uns zu schwächen, dann sollst du uns fünfzig Goldstücke auszahlen.« Der Bursche sagte: »Ich gehe darauf ein. Ich sage euch aber vorher, daß ihr eure fünfzig Goldstücke verlieren werdet.« Die beiden Mädchen lachten und sagten: »Das verschmerzen wir, wenn du nur nach Mitternacht noch bei uns bleibst und dann bei uns schlafen willst.«

Als es Abend war, zogen die beiden schönen Mädchen sich nackt aus. Der Bursche ging aber in seine Kammer und band sich das Glied am Bein mit einem Tuch fest. Nach einiger Zeit kamen die nackten Mädchen und zupften den Burschen. Der Bursche sprang auf, lief hinter ihnen her, fing sie, trug sie zu ihrem Lager und warf sie auf ihr Lager hin. Er drückte sie nieder, stand dann, ohne ihnen sonst etwas anzutun, auf und ließ auch sie aufspringen. Die Mädchen liefen fort, ließen sich wieder fangen und hinwerfen und niederdrücken. Das ging eine lange Zeit so, und die Mädchen erreichten das, was sie beabsichtigten, nicht. Einmal, nicht lange vor Mitternacht, fühlten aber die Mädchen, daß der Bursche sich das Glied festgebunden hatte. Da knoteten sie, während er sie auf das Lager rollte, ihm das Tuch ab. Als nun das Glied des Burschen frei war, mäßigte er sich nicht mehr, sondern er fiel auf sie und begann sie alle beide, noch ehe es Mitternacht war, zu schwächen.

Die Mädchen lachten und sagten: »Wir sind sehr zufrieden. Fahre so fort. Denn nun haben wir das, was wir wünschen, und die fünfzig Goldstücke mußt du uns auch zahlen.« Der Bursche sagte: »Ihr seht, ich bin euch gerne zu Willen, denn ihr seid ein paar schöne Mädchen. Die fünfzig Goldstücke habt ihr mir aber zu zahlen, denn ihr habt mir mein Tuch abgebunden, und deshalb habe ich das Recht auf meiner Seite. Wenn ihr mir nicht zustimmen könnt und die fünfzig Goldstücke nicht gutwillig zahlen wollt, werde ich, wie das vorige Mal, den Agellid um seine Meinung befragen.« Die Mädchen lachten und sagten: »Nein, wir wollen dir die fünfzig Goldstücke nicht zahlen, wir verlangen vielmehr von dir die fünfzig Goldstücke. Wenn du es so geschickt anfängst, sind wir damit einverstanden, daß du den Agellid, unseren Vater, um die Entscheidung angehst, und wir werden uns, wie das vorige Mal, seinem Richterspruch fügen. Jetzt bleibe aber noch bei uns.«

Am anderen Morgen kam der Agellid von seiner Reise zurück. Die beiden Mädchen versteckten sich im Viehstall, und der Agellid kam alsbald in seine Kammer. Der Bursche suchte den Agellid in seiner Kammer auf und sagte: »Während deiner Abwesenheit waren der Pferdebesitzer und der Kornhändler wieder hier und haben in einer schwierigen Streitfrage eine Entscheidung verlangt. Sie hatten wieder miteinander gewettet.

Der Pferdehändler sollte sein Pferd an eine bestimmte Stelle stellen, und der Kornhändler wollte zwei Kübel voll Korn, einen zur Rechten und einen zur Linken des Pferdekopfes hinstellen. Das Pferd sollte so vom Morgen bis zum Mittag stehen. Der Pferdebesitzer verpflichtete sich, dem Kornhändler fünfzig Goldstücke zu zahlen, wenn das Pferd das Korn in den beiden Kübeln vor Mittag anrühre. Der Kornhändler verpflichtete sich, dem Pferdebesitzer fünfzig Goldstücke zu zahlen, wenn das Pferd, nachdem es einmal hingestellt war, bis zum Mittag das Korn nicht fresse. Die Wette sagte beiden zu. Der Pferdebesitzer band das Pferd mit einem Strick an der bezeichneten Stelle fest. Der Kornhändler stellte rechts und links von dem Kopfe des Pferdes je einen Kübel mit Korn hin. Das Pferd stand lange so da und rührte das Korn nicht an. Als es nahe bis Mittag war, schlich der Kornhändler aber hin und schnitt heimlich den Strick, an dem das Pferd angebunden war, durch. Das Pferd lief nun frei umher. Es sprang auf den einen Kübel mit Korn und fraß ihn leer, und es sprang auf den anderen Kübel und fraß ihn leer, gerade, als es Mittag war. Nun verlangte der Kornhändler fünfzig Goldstücke, weil das Pferd das Korn nicht nur berührt, sondern auch aufgefressen hatte, und der Pferdebesitzer verlangte fünfzig Goldstücke, weil der Kornhändler den Strick heimlich durchgeschnitten und so die Sache verwirrt hatte.« Der Agellid sagte: »Sage mir, wie du die Sache als mein Stellvertreter entschieden hast!« Der Bursche sagte: »Ich habe gesagt, der Kornhändler hatte nicht das Recht, noch kurz vor Mittag, nachdem das Pferd so lange, ohne das Korn zu berühren, dagestanden hatte, die Schnur durchzuschneiden. Denn der Pferdebesitzer hatte sein Tier gelehrt, derart still zu verharren, solange es am Kopfe angebunden war. Indem der Kornhändler die Schnur durchschnitt, raubte er dem Pferdehändler den Einfluß auf sein Pferd und nahm dem Pferd den Verstand. Deshalb hat der Kornhändler dem Pferdebesitzer die fünfzig Goldstücke zu zahlen.« Der Agellid sagte: »Du hast sehr klug entschieden. Ich hätte nicht besser entscheiden können. Ich freue mich darüber, daß du mich während meiner Abwesenheit so gut vertrittst.«

Als es Abend war, kamen die beiden schönen Töchter des Agellid in die Kammer des Burschen, lachten leise und sagten leise: »Hier sind die fünfzig Goldstücke. Wir danken dir. Wir wollen noch etwas bei dir bleiben.«

Nach einiger Zeit waren die beiden schönen Mädchen des Agellid schwanger. Trotzdem hörten sie nicht auf, den Burschen zu besuchen. Der Bursche sagte eines Tages bei sich: »Diese Übung will ich nun beenden. Sie nimmt mir zuviel Kraft. Die Speise ist sehr gut für einen Klugen, aber ehrlich ist sie nicht. An dieser Sache habe ich gelernt, daß die besten Sachen zwar für die Klugen sind, daß sie aber auf die Zeit doch nur bekommen, wenn sie zu einem rechtlichen Genuß führen. Ich habe nicht vor, mir hier den Magen zu verderben.«

Der Bursche packte eines Nachts, nachdem die beiden schönen Mädchen des Agellid ihn über die Gebühr lang in Anspruch genommen hatten, seine Sachen und ging, ohne Abschied zu nehmen, von dannen.

3 Die Frau des Kaffeewirts – Meisterschaft

Der Bursche wanderte hinfort und kam weit hinein in das Land. Er fragte überall nach der Art der Menschen und nach der Art der Frauen. Als er in eine andere Gegend kam, hörte er von der Tochter eines Agellid, die besonders schön und klug sein sollte. Alle Leute, die von ihr sprachen, erzählten, daß ihr Vater ihr ein eigenes Haus geschenkt habe, in welchem sie wohne. Sie erzählten, daß dieses Mädchen außerordentlich klug sei und zugesagt habe, sie wolle es an Klugheit mit allen Männern aufnehmen. Die Leute erzählten, dies Mädchen habe sich bereit erklärt, irgendeinen Mann zu heiraten, sie wolle ihn aber nur behalten, wenn er ihr an Klugheit überlegen sei. Die Leute erzählten nicht, daß das Mädchen inzwischen einen Kaffeewirt zum Manne genommen hatte, denn die Leute wußten das nicht. Die Leute erzählten nicht, daß das Mädchen dem Kaffeewirt gesagt habe, daß sie ihn nur nähme, um zu sehen, was an einem Mann dran sei, daß sie ihn aber wieder aus ihrem Hause und der Ehegemeinschaft ausweisen würde, wenn ein Mann käme, der sich klüger und tapferer als er, der Kaffeewirt, und sie, die Tochter des Agellid, erwiese. Die Leute erzählten es nicht, denn die Leute wußten es nicht. Sie erzählten dem Burschen nur immer von der Klugheit und Schönheit der Tochter des Agellid. Der Bursche sagte: »Diese Tochter des Agellid ist anscheinend die Frau, die ich suche.« Der Bursche machte sich wieder auf den Weg und begab sich in den Ort, in dem die kluge Tochter des Agellid wohnen sollte.

Der Bursche kam in den Ort. Der Bursche legte seine Sachen bei einem Kaffeewirt nieder. Der Bursche wußte nicht, daß dieser Kaffeewirt gerade derjenige war, den die kluge Agellidtochter ausgewählt hatte, um kennenzulernen, was an einem Mann dran sei. Der Bursche lebte nun in dem Kaffeehaus und unternahm nichts. Der Bursche sagte: »Ich will nichts fragen und nichts tun. Es wird alles ganz allein so gehen, wie es gehen muß. Ich werde warten, bis man mir den Weg zu meiner zukünftigen Frau zeigt.«

Einen Monat lang war der Bursche in dem Kaffeehaus. Er tat nichts und sagte wenig. Der Kaffeewirt sagte bei sich: »Ich muß herausbekommen, was dieser Bursche hier will. Ich will das wissen, denn die Leute fragen mich danach, und ich kann ihnen keinen Bescheid geben.« Der Kaffeewirt kam eines Tages zu dem Burschen, begrüßte ihn, setzte sich zu ihm und sagte: »Du bist nun schon einen Monat lang hier bei mir.« Der Bursche sagte: »So ist es. Ich hoffe, daß ich immer mein Lager, mein Essen und mein Getränk bezahlt habe.« Der Kaffeewirt sagte: »Gewiß hast du stets alles bezahlt. Du mußt wohlhabend sein, daß du stets alles immer bezahlen kannst, ohne einen Beruf zu haben. Denn anscheinend arbeitest du nicht.« Der Bursche sagte: »Nein, ich arbeite nicht. Gott hat mich so klug, so schön und so stark gemacht, daß mir immer das, was ich brauche, zuteil wird.« Der Kaffeewirt sagte: »Glaubst du, daß du hier am Ort auch alles bekommen wirst, was du brauchst?« Der Bursche sagte: »Das glaube ich, wenn es hier nämlich kluge Frauen gibt. Ich glaube aber nicht, daß es hier kluge Frauen gibt.« Der Kaffeewirt sagte: »Du irrst dich sehr. Es gibt hier sogar sehr kluge Frauen. Ja, man sagt, in diesem Orte gäbe es die klügste Frau des ganzen Landes. Dort drüben in jenem Hause lebt z. B. eine junge Frau, die Tochter unseres Agellid, die ist klüger als alle Frauen. Sie hat sich vor einiger Zeit einen Mann genommen, der tagsüber beschäftigt ist. Damit sie nun ganz sicher ist, daß in der Zeit seiner Abwesenheit kein Mann zu ihr eindringen kann, hat sie ihr Haus mit sieben Türen verschlossen und nur einen Schlüssel machen lassen, den hat sie ihrem Mann gegeben, der ihn immer bei sich trägt. Die kluge Frau hat nun ihrem Mann geschworen, daß nur der in das Haus hineinkommen dürfe und von ihr empfangen würde, der den Schlüssel hat, der zu den sieben Schlössern paßt. Sie empfängt nicht einmal mehr ihre eigenen Verwandten. Diese Frau ist sehr klug.«

Der Bursche sagte bei sich: »Das Mädchen des Agellid hat also einen Mann genommen. Sie hat gesagt, daß sie nur den empfängt, der den Schlüssel zu ihrem Haus hat. Ich werde mir den Schlüssel zu ihrem Haus machen lassen. Ich werde zu ihr gehen und werde sehen, ob sie wirklich so klug ist, wie alle Leute sagen. Wenn sie so klug ist, dann werde ich ihr zeigen, daß ich ihr und ihrem Mann an Klugheit überlegen bin, und ich werde sie dann heiraten. Ihr Haus hat der Kaffeewirt mir ja nun gezeigt.« Als es Abend war, ging der Bursche zu dem Haus der Tochter des Agellid. Er nahm einen Klumpen Wachs mit sich und drückte auf einen Teil des Wachses die Form der Öffnung der Schlösser ab. Dann drückte er einen zweiten Teil Wachs innen in das Schloß. Der Bursche ging wieder heim. Als es Nacht war, ging der Kaffeewirt hinüber zu dem Haus seiner Frau. Er steckte einen Schlüssel in die Öffnung und öffnete. Als er den Schlüssel wieder herauszog, fand er, daß sich eine Wachsschicht in die Zacken gedrückt hatte. Der Kaffeewirt sagte: »Wie kommt denn das Wachs in meine Tasche und an meinen Schlüssel?« Er dachte aber nicht weiter darüber nach, sondern zog die Wachsschicht vom Schlüssel und warf sie auf die Straße. Dann ging er durch die anderen Türen zu seiner Frau hinein und verließ das Haus am anderen Morgen, nachdem er die Türen wohl verschlossen hatte.

Der Bursche ging aber nachts hin, suchte die Wachsschicht, die der Kaffeewirt weggeworfen hatte, auf und nahm sie mit nach Hause. Am Tage ging er zu einem Schmied und ließ sich nach dem Wachsabdruck des Kaffeewirts die Zapfen schmieden. Danach ging er in die Farmen vor dem Ort, schnitt sich ein gutes Stück Holz und schnitzte daraus nach dem selbstgenommenen Wachsabdruck das Schlüsselholz und setzte die Zapfen ein. Gegen Abend ging er zu dem Haus der klugen Tochter des Agellid, versuchte seinen Schlüssel und fand, daß er paßte.

Der Bursche öffnete die sieben Türen und schloß sie. Der Bursche trat in die Kammer der Tochter des Agellid. Die Tochter des Agellid kam ihm entgegen und fragte: »Wie bist du hereingekommen?« Der Bursche sagte: »Alle Leute haben mir gesagt, daß du klug bist. Die Leute haben mir gesagt, daß du nur den empfängst, der den Schlüssel zu deinen Türen hat. Hier ist der Schlüssel.« Die junge Frau besah den Schlüssel und sagte: »Es ist nicht der Schlüssel meines Mannes.« Der Bursche sagte: »Den Schlüssel deines Mannes zu nehmen, wäre sehr einfach; man brauchte ihn nur totzuschlagen und ihm den Schlüssel wegzunehmen. Die Leute erzählten mir, du habest gesagt: Du wollest als Gatten den behalten, der klug ist. Also mußte ich mit der Herstellung eines eigenen Schlüssels den ersten Beweis meiner Klugheit erbringen.« Die Tochter des Agellid gab ihm den Schlüssel wieder und sagte: »Setze dich!« Der Bursche setzte sich.

Der Bursche betrachtete die Tochter des Agellid. Sie war sehr schön und stark. Die Tochter des Agellid betrachtete den Burschen. Er war sehr schön und stark. Die Tochter des Agellid sagte: »Was willst du von mir?« Der Bursche sagte: »Erst will ich bei dir schlafen. Dann will ich sehen, ob es gut sein wird, wenn wir einander heiraten.« Die Tochter des Agellid sagte: »Mein Mann wird aber nachher kommen.« Der Bursche sagte: »Die Zeit bis dahin können wir nutzen. Wenn er kommt, rollst du mich in eine Matte ein und läßt mich eingerollt in der Ecke liegen. Ich werde in der Matte sehr gut schlafen, und er scheint mir, da er nicht merkte, wie ich das Schlüsselwachs eingedrückt habe, zu dumm zu sein, um auf mich zu achten.« Die Tochter des Agellid lachte. Der Bursche trat zu ihr und sagte: »Du bist schön.« Die Tochter des Agellid sagte: »Du bist schön und stark und klug.« Sie schliefen beieinander. Die Tochter des Agellid sagte: »Beweise mir deine Klugheit. O, wärest du doch so klug, wie ich es wünschte. Wärest du doch der klügste und tapferste aller Menschen!« – Der Bursche lachte. Die Tochter des Agellid lachte.

Sie schliefen beieinander, bis der Mann der Tochter des Agellid die Türen öffnete. Da ließ der Bursche sich in die Matte wickeln und in die Ecke rollen. Dort schlief er sogleich ein. Der Kaffeewirt kam herein und wollte sich neben seine Frau legen. Die Tochter des Agellid sagte: »Du schläfst heute nicht bei mir. Du wirst in diesen Tagen deine ganze Klugheit nötig haben, und da darfst du dich nicht schwächen. Vergiß nicht die Bedingungen, unter denen ich dich zum Manne genommen habe.« Der Kaffeewirt sagte: »Ich verstehe dich nicht.« Dann ging er auf sein Lager und streckte sich aus. Als es Morgen war, erhob er sich und verließ ärgerlich sein Haus. Als er in seinem Kaffeehaus angekommen war, sagte er ärgerlich: »Was mag meine Frau nur wollen? Was mag meine Frau nur meinen? Wozu soll ich denn meine ganze Klugheit notwendig haben?«

Einige Zeit, nachdem der Kaffeewirt das Haus verlassen hatte, erwachte der Bursche, steckte seinen Kopf ein wenig zur Matte heraus, sah, daß das Lager des Ehemannes verlassen und die Tochter des Agellid allein war, rollte sich aus seiner Matte aus und kam hervor. Die Tochter des Agellid sagte: »Hast du meinen Mann gesehen?« Der Bursche sagte: »Nein, dazu hatte ich keine Zeit. Ich habe geschlafen.« Die Tochter des Agellid sagte: »Komm und plaudere mit mir!« Sie sagte dem Burschen aber nicht, wer ihr Gatte war.

Der Bursche kam erst gegen Mittag in sein Kaffeehaus zurück. Der Kaffeewirt war gewöhnt, daß der Bursche stets da war. Der Kaffeewirt fragte: »Was hast du heute nacht gemacht? Du hast in dieser Nacht nicht dein Lager berührt und kamst erst gegen Mittag nach Hause. Du warst sicherlich bei einem schönen Mädchen!« Der Bursche sagte: »Nein, ich war nicht bei einem schönen Mädchen. Ich war bei einer schönen Frau. Ich habe dir doch gesagt, daß ich das, was ich brauche, immer von klugen Frauen erhalte, und du hast doch gesagt, daß die Tochter des Agellid, die dies Haus da drüben bewohnt, klug ist. Da habe ich denn eben sogleich die gestrige Nacht bei der klugen Frau zugebracht.« Der Kaffeewirt sagte: »So hast du da drüben bei der klugen Frau geschlafen?« Der Bursche sagte: »Natürlich!« Der Kaffeewirt sagte: »Wie bist du denn hineingekommen?« Der Bursche sagte: »Du hattest mir doch gesagt, daß die kluge Frau nur den empfängt, der den Schlüssel hat. Da habe ich mir von dem Mann der Frau eben einen Abdruck in Wachs machen lassen, indem ich Wachs in das Schlüsselloch steckte, das der Mann, der ein wahrer Esel sein muß, denn auch abdrückte und auf die Straße legte. Ich habe mir nach dem Wachsabdruck den Schlüssel gemacht. Ich bin hierauf gestern abend an das Haus gegangen, habe die sieben Türen aufgemacht und habe dann bei der Frau geschlafen. Es ist eine sehr schöne und kluge Frau. Als der Ehemann kam, habe ich mich von der Frau in die Fußmatte wickeln und in die Ecke rollen lassen. Als der Mann endlich heute morgen seine Frau verließ, bin ich aufgewacht, habe mit der Frau noch eine Zeitlang geplaudert und bin dann wieder hierher zurückgekehrt. Du hast ganz recht, es ist eine sehr kluge und sehr schöne Frau. Ich wiederhole dir aber, daß der Mann in Wahrheit ein Esel sein muß.« Der Kaffeewirt sagte: »So hat die kluge Frau dir nicht gesagt, wer ihr Mann ist?« Der Bursche sagte: »Nein, das hat sie nicht gesagt. Weshalb sollte sie mir das auch sagen?« Der Kaffeewirt sagte: »So hast du auch die kluge Frau nicht gefragt, wer ihr Gatte ist?« Der Bursche sagte: »Nein, wie soll ich dazu kommen, danach zu fragen? Es wäre der klugen Frau doch nur unangenehm gewesen, mit mir über den dummen Gatten zu reden, und mich geht er doch gar nichts an.« Der Kaffeewirt sagte: »Was sagst du? Der Mann der Frau, mit der du schläfst, geht dich nichts an?« Der Bursche sagte: »Nein, der geht mich nichts an. Das ist Sache der Frau. Der Mann wird es schon früh genug merken, wenn ich seine Frau heirate.« Der Kaffeewirt sagte: »Was sagst du? Du willst diese Frau heiraten?« Der Bursche sagte: »Ich denke, ja. Ich habe mich aber noch nicht fest entschlossen.« Der Kaffeewirt sagte: »So wirst du diese Nacht wieder zu der klugen Frau gehen, um mit ihr zu schlafen?« Der Bursche sagte: »Natürlich werde ich gehen.« Der Kaffeewirt sagte: »Versäume es ja nicht, heute nacht wieder zu der Tochter des Agellid zu gehen. Die Gelegenheit, bei einer so klugen und schönen Frau zu schlafen, ist sehr selten.« Der Bursche sagte: »Da hast du sehr recht. Ich danke dir jedenfalls dafür, daß du mich auf sie aufmerksam gemacht hast.« Der Kaffeewirt ging hinaus, schlug sich vor den Kopf. Dann ging er in seine Kammer, nahm einen Säbel hervor und schliff ihn. Er schliff den Säbel und sagte dabei immer vor sich hin: »Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Warte, Bursche, heute nacht werde ich dich treffen, und dann wird der wahre Esel dich lehren, seine Frau zu heiraten.«

Als es gegen Abend war, ging der Bursche hinüber zum Haus der klugen Tochter des Agellid. Er verschloß die sieben Türen wieder hinter sich und suchte die kluge Frau auf. Die Frau fragte ihn: »Hast du jemand erzählt, daß du vorige Nacht bei mir geschlafen hast?« Der Bursche sagte: »Ja, ich habe es dem erzählt, der es am schnellsten zu Ohren deines Mannes bringen wird, damit der möglichst bald beginnt, sich mit mir zu messen.« Die Frau sagte: »Wem hast du es denn erzählt?« Der Bursche sagte: »Ich habe es meinem Freund, dem törichten Kaffeewirt, erzählt.« Die Frau sagte: »Wem hast du es erzählt?« Der Bursche sagte: »Meinem Freund, dem Kaffeewirt. Wer sollte mir sonst bequemer gekommen sein?« Die kluge Frau lachte, sie lachte und lachte. Der Bursche sah sie an und sagte: »Dann ist also der Kaffeewirt dein Mann? Das ist bedauerlich.« Die Frau lachte und sagte dann: »Weshalb ist es denn bedauerlich?« Der Bursche sagte: »Weil ich es lieber mit einem Klügeren aufgenommen hätte.« Die Frau sagte: »Komm, setze dich zu mir.« Der Bursche blieb bei der klugen und schönen Frau, bis draußen der Kaffeewirt den Schlüssel in das Schlüsselloch der äußersten Tür steckte. Der Bursche hörte es und sagte: »Rolle die Matte zusammen, wie gestern, ich werde in die Holztruhe kriechen. Sie ist lang genug. Ich werde gut darin liegen und schlafen.«

Der Kaffeewirt trat bei seiner Frau ein. Er hatte den Säbel mitgebracht. Er legte ihn nieder und wollte sich neben seiner Frau auf dem Lager ausstrecken. Seine Frau, die kluge Tochter des Agellid, sagte ihm: »Du schläfst heute und auch die nächsten Tage nicht bei mir. Du wirst in diesen Tagen deine ganze Klugheit notwendig haben, und da darfst du dich nicht schwächen. Ich erinnere dich noch einmal daran. Vergiß nicht die Bedingungen, unter denen ich dich geheiratet habe.« Der Kaffeewirt konnte seine Wut nicht beherrschen. Er ergriff den Säbel mit beiden Händen und begann mit aller Gewalt auf die in der Ecke liegende Matte einzuschlagen. Er zerschlug die Matte mit dem Säbel in ganz kleine Streifen und Stücke und sagte dabei immer vor sich hin: »Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Warte, Bursche, jetzt habe ich dich aber erwischt, und jetzt wird dich der wahre Esel lehren, seine Frau heiraten zu wollen.« – Nachdem die Matte vollkommen zerfetzt und zerhackt und der Säbel stumpf geschlagen war, legte der Kaffeewirt sich nieder, schlief bis zum anderen Morgen und ging dann wieder hinüber in seine Kaffeewirtschaft.

Als es gegen Mittag war, kam auch der Bursche in die Kaffeewirtschaft. Der Kaffeewirt sah ihn erstaunt an und sagte: »Bursche, wo kommst du denn her?« Der Bursche sagte: »Ich? Wo ich herkomme? Das weißt du doch! Ich habe dir doch gestern gesagt, ich wollte wieder zu der klugen, schönen Frau gehen!« Der Kaffeewirt sagte: »Und du warst wieder da und hast wieder bei ihr geschlafen?« Der Bursche sagte: »Gewiß, ich habe auch ein großes Vergnügen gehabt. Als es spät war, kam der Mann der Frau und wollte sich neben ihr auf dem Lager ausstrecken. Seine Frau verbot es ihm aber für diesen und die nächsten Tage; sie sagte ihm, er dürfe seine Klugheit nicht schwächen und erinnerte ihn an die Bedingungen, unter denen er sie geheiratet hatte. Da packte den Mann, der in Wahrheit ein selten törichter Esel sein muß, eine unbeschreibliche Wut. Er ging auf die Matte, die von voriger Nacht her noch aufgerollt in der Ecke lag, los. Er dachte wahrscheinlich, ich würde zwei Nächte hintereinander an der gleichen Stelle liegen, und zerhackte sie mit seinem Säbel kurz und klein. Dabei sagte er immer: ›Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! – Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! – Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Warte, Bursche, jetzt habe ich dich aber erwischt, und jetzt wird der wahre Esel dich lehren, seine Frau heiraten zu wollen.‹ Nachdem der Mann die Matte und den Säbel zerschlagen hatte, legte er sich nieder. Es war sehr gut, daß er sich niederlegte, denn ich lag derweilen in der langen Truhe, die neben der Matte steht, und es wurde mir sehr schwer, mir das Lachen zu verhalten. Der Druck, der mir durch das Verhalten des Lachens entstand, war zuletzt so groß, daß mir fast etwas Unanständiges passiert wäre, und daß ich beinahe die Truhe angewässert hätte. – Aber, sage selbst, Freund Kaffeewirt, ist dies nicht ein sehr schönes Erlebnis?« Der Kaffeewirt sagte: »Gewiß! Ein sehr schönes Erlebnis! Sehr schön! Aber sage mir doch, mein Freund, wirst du heute nacht nicht wieder zu der schönen und klugen Frau gehen, um bei ihr zu schlafen?« Der Bursche sagte: »Gewiß werde ich das tun. Du hast mir als erfahrener Mann doch selbst gesagt, die Gelegenheit bei einer so klugen und schönen Frau zu schlafen, sei selten! Außerdem gedenke ich die Frau ja zu heiraten, und ich will nun sehen, ob ich auf die Dauer auch gut mit ihr auskomme und ob ich ihr an Klugheit auch gewachsen bin. Denn sie will ja einen klugen Mann heiraten. Der jetzige scheint ihr ja viel zu dumm zu sein!« Der Kaffeewirt sagte: »Hat die Frau das etwa gesagt?« Der Bursche sagte: »Was denkst du? Ich werde der armen Frau doch nicht das Herz schwer machen, indem ich mit ihr über die Dummheit des Mannes rede, mit dem sie zur Zeit noch verheiratet ist!« Der Kaffeewirt sagte: »Wie denkst du denn aber, daß es mit diesem jetzigen Mann der Tochter des Agellid werden soll? Wie denkst du denn den Mann wegzuräumen, damit du seine Frau heiraten kannst?« Der Bursche sagte: »Weshalb soll ich den Mann wegräumen? Der Mann ist so töricht, daß er sich zweifellos selbst beseitigen wird.« Der Kaffeewirt sagte nichts. Er rannte hinaus. Er schlug sich vor die Stirn und brüllte vor Zorn. Er nahm ein Beil und schlug auf einen Holzblock ein, bis er in ganz kleine Splitter gehackt war. Dann nahm er das Beil, trug es zum Schmied und sagte auf dem Weg immer vor sich hin: »Ist das nicht ein sehr schönes Erlebnis? Ist das nicht ein sehr schönes Erlebnis? Ist das nicht ein sehr schönes Erlebnis? – Und der Mann ist so töricht, daß er sich sicherlich selbst beseitigen wird.« – Beim Schmied angekommen, gab er den Auftrag, das Beil sehr scharf zu schmieden und zu schärfen. Er blieb daneben hocken und sah der Arbeit zu. Dabei sagte er immer vor sich hin: »Ein sehr schönes Erlebnis. Ein sehr schönes Erlebnis. Ein sehr schönes Erlebnis!« Er ging nach Hause und verrichtete zu Hause seine Arbeit. Er sagte aber immer vor sich hin: »Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis!«

Als es Abend war, ging der Bursche wieder hinüber zu dem Hause der klugen Tochter des Agellid, öffnete, schloß hinter sich die sieben Türen und suchte die Frau in ihrer Kammer auf. Die Frau fragte: »Wie geht es meinem Manne?« Der Bursche sagte: »Ich habe ihm alles erzählt, was sich vorige Nacht hier ereignet hat, ohne ihm zu sagen, daß ich weiß, daß er dein Mann ist. Er ist nun schon so weit, daß nur noch ein Tag nötig ist, ihn selbst der Sache ein Ende bereiten zu lassen.« Die Frau sagte: »Wie willst du der Sache ein Ende machen?« Der Bursche sagte: »Ich habe dabei nichts zu wollen. Das wird der Mann ganz allein tun. Er ist von der Art der Fliegen, die sich selbst totstechen, wenn ihr Zorn so groß wird.«

Die Frau sagte: »Er wird heute das ganze Haus nach dir absuchen. Ich weiß aber ein gutes Versteck. Setze dich nachher, wenn er kommt, in den großen Brutkasten der Tauben und halte in jeder Hand eine Taube an den Beinen fest. Wenn er den Deckel hochhebt, läßt du die Tauben fliegen, dann wird er sicher sagen, daß, wenn heute schon jemand den Kasten geöffnet hätte, keine Tauben mehr darin sein können, und wird ihn wieder schließen. – Nun komm aber noch zu mir und plaudere mit mir.«

Der Bursche unterhielt sich mit der jungen Frau bis in vorgeschrittener Nacht. Endlich hörten sie, daß der Kaffeewirt draußen den Schlüssel in das Schlüsselloch der äußersten Tür steckte. Dann gab die junge Frau dem Burschen die beiden Tauben in die Hand und hieß ihn in die Taubenbrutkiste steigen, die sie über ihm schloß. Die junge Frau streckte sich auf dem Lager aus. Der Kaffeewirt trat mit dem Beil in der Hand herein. Er ging sogleich auf die große Truhe zu und zertrümmerte sie mit einem Schlage. Er zerschlug die großen Urnen. Er schlug gegen die Wand. Er schlug auf den Boden. Er zerschlug die Axt. Er ging überall umher und suchte nach dem Burschen. Dabei sagte er immer vor sich hin: »Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis!« Er sagte: »Vielleicht ist er in der Taubennistkiste versteckt.« Er ging darauf zu. Er öffnete den Deckel. Die beiden Tauben flogen heraus und ihm ins Gesicht. Er ließ den Deckel fallen und sagte: »Wenn er dahineingekrochen wäre, hätten jetzt keine Tauben mehr herausfliegen können! Ein sehr schönen Erlebnis. Ein sehr schönes Erlebnis. Ein sehr schönes Erlebnis.« Er ging überall umher und fand den Burschen nirgends. Er warf sich zuletzt auf sein Lager und schlief ein. Am anderen Morgen erhob er sich und ging hinüber in seine Kaffeewirtschaft. Als es gegen Mittag war, kam auch der Bursche. Der Kaffeewirt begrüßte ihn und fragte ihn: »Warst du wieder bei der klugen und schönen Frau, der Tochter des Agellid?« Der Bursche sagte: »Gewiß war ich dort. Ich komme doch eben von dort.« Der Kaffeewirt fragte: »War denn der Gatte der Frau auch wieder da?« Der Bursche sagte: »Natürlich war er auch wieder da. Er lief mit einem Beil umher und zerschlug erst die Truhe, in der ich in der Nacht vorher gelegen hatte, dann zerhieb er alles, was ihm in den Weg kam, bis das Beil am Boden zerschlagen war. Dabei sagte er immer vor sich hin: ›Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis! ‹« Der Kaffeewirt sagte: »Wo warst du denn versteckt?« Der Bursche sagte: »Ich war im Taubenbrutkasten versteckt und hatte in jeder Hand eine Taube. Als der Mann den Deckel der Kiste öffnete, ließ ich ihm die beiden Tauben ins Gesicht fliegen. Da meinte er, wo noch Tauben darin wären, könne sich nicht erst vor kurzem ein Mensch versteckt haben! So ließ er den Deckel wieder fallen. Dieser Mann ist wirklich zu dumm!«

Der Kaffeewirt sagte bei sich: »Warte, mein Bursche! Ich will dich bei deiner Schwatzhaftigkeit packen und der eigene Vater deiner Geliebten soll dich als Richter verurteilen. Warte!« Der Kaffeewirt sagte zu dem Burschen: »Da wir nun Freunde sind, will ich dich auch in der Familie meines Schwiegervaters einführen. Ich bin dort heute zum Abendessen eingeladen. Meine Frau wirst du dort auch kennen lernen, denn sie geht schon über Mittag hin, weil die jüngste Frau meines Schwiegervaters unpäßlich ist und meine Frau das kleine Kind dort warten wird. Also, mein Freund, komm mit mir und iß dort mit mir zusammen.« Der Bursche sagte: »Das will ich sehr gerne tun.«

Der Kaffeewirt machte sich mit dem Burschen auf den Weg zum Schwiegervater, dem Agellid. Der Kaffeewirt brachte den Burschen in die linke von drei Kammern, die nebeneinander lagen und nur durch dünne Wände voneinander getrennt waren. In der mittleren Kammer befand sich die kluge Tochter des Agellid und wartete da das Kind der jüngsten Frau ihres Vaters. Nachdem der Kaffeewirt den Burschen in der linken Kammer untergebracht hatte, ging er hinüber zu der rechten, in der sich der Agellid befand.

Der Kaffeewirt begrüßte den Agellid und sagte dann zu ihm: »Ich habe dir heute einen Mann mitgebracht, der im ganzen Lande die jungen Frauen verführt und deshalb nach unserem Gesetz getötet werden muß.« Der Agellid sagte: »Es muß aber, um ihn zu töten, nach unserem Gesetz ein Mann da sein, der ihn des Ehebruchs wegen hier bei mir anklagt, und dann muß ein vollkommener Beweis dafür erbracht werden, daß der Ehebruch verübt wurde. Wie steht das?« Der Kaffeewirt sagte: »Den Beweis für den Ehebruch wird dir der Bursche selbst erbringen. Denn er erzählt alles ganz genau und prahlt mit seinen Erfolgen.« Der Agellid sagte: »Das genügt. Wer übernimmt nun die Anklage?« Der Kaffeewirt sagte: »Die Anklage übernehme ich.« Der Agellid sagte: »Tue dies nicht. Laß die Sache der anderen Leute. Denn es ist doch nicht deine Sache?« Der Kaffeewirt sagte: »Nein, nein, nein, es ist nicht meine Sache.« Der Agellid sagte: »Dann laß die Sachen. Denn wenn du den Beweis nicht voll erbringen kannst, muß ich dich nach den Gesetzen unseres Landes als Verleumder anklagen und bestrafen. Und du weißt, hieraufhin wird ebenso der Tod verhängt wie für Ehebruch.« Der Kaffeewirt sagte: »Das ist mir gleich. Ich klage den Burschen an.« Der Agellid sagte: »Wenn du darauf bestehst, muß ich es übernehmen. Die Folgen wirst du tragen.«

Der Agellid ging mit dem Kaffeewirt hinüber aus der linken Kammer, an der mittleren vorüber zu der rechten Kammer. Die kluge Tochter des Agellid blieb in der mittleren Kammer, in der sie alles hören konnte. Der Kaffeewirt begleitete den Agellid hinüber und sagte zu ihm: »Das ist der Bursche, der so schöne Geschichten zu erzählen weiß. Erzähle uns etwas, mein Freund!« Der Bursche sagte: »Ich weiß keine Geschichte zu erzählen.« Der Kaffeewirt sagte: »So erzähle doch das, was du mir in den letzten Tagen von deinen nächtlichen Abenteuern erzählt hast.« Der Bursche sagte: »Das wird dem Agellid ganz gleichgültig sein.« Der Agellid sagte: »Nein, es ist mir nicht ganz gleichgültig. Erzähle es nur!«

Der Bursche sagte: »Neulich sagte mir ein Mann, es sei eine sehr schöne und kluge Frau hier im Orte. Die sei an einen Mann verheiratet, der immer den einzigen Schlüssel zum Haus seiner Frau bei sich trage, so daß niemand anders zu ihr käme. Da drückte ich den Wachs in das Schlüsselloch und ließ den Mann selbst dadurch, daß er den Schlüssel hineinsteckte und den Abdruck hierauf wegwarf, mir das Modell des Schlüssels anfertigen. Ich ging hinein, schlief bei seiner Frau und ließ mich endlich von ihr in eine Matte wickeln und an die Wand rollen. So schlief ich die Nacht in der Kammer, auch als der Mann kam. In der folgenden Nacht zerhackte der Mann die Matte; ich lag aber in der Truhe. In der dritten Nacht setzte ich mich, als der Mann dazukam, in den Taubennistkasten und hielt in jeder Hand eine Taube. Als der Mann den Deckel öffnete, ließ ich die Tauben gegen sein Gesicht fliegen. Der Mann ließ, als er mich so beinahe ergriffen hatte, den Deckel über mir fallen.«

In der mittleren Kammer sagte, als der Bursche so weit gekommen war, die kluge Tochter des Agellid laut zu dem Kinde der jungen Frau: »Schweig! Laß das! Du bereitest dir Unheil!« Der Bursche hörte, was die junge Frau sagte. Der Bursche verstand sie.

Der Bursche sagte laut: »Als der Ehemann den Deckel der Taubenbrutkiste über mir fallen ließ, erwachte ich.« Der Agellid sagte: »Wieso erwachtest du?« Der Bursche sagte: »Nun aus meinem Traum!« Der Agellid sagte: »So ist das Ganze ein Traum?« Der Bursche sagte: »Natürlich ist es ein Traum.« Der Agellid sagte: »Du bist aber angeklagt, daß du dies wirklich getan hast.« Der Bursche sagte: »Wer hat mich angeklagt?« Der Agellid sagte: »Hier, dieser Kaffeewirt.« Der Bursche sagte: »Wie wird es in diesem Lande mit der Verleumdung gehalten?«

Der Agellid sagte zum Kaffeewirt: »Nun sage, wie es steht. Wo hast du deine Beweise?« Der Kaffeewirt verlor den Verstand und sagte: »Was soll ich sagen! Was soll ich sagen! Ich kann dir nicht sagen, daß es deine Tochter war, mit der er den Ehebruch getrieben hat!« Der Agellid wurde zornig und sagte: »Was unterstehst du dich? Wagst du es, meine Tochter in diese Sache zu ziehen? Ein Verleumder, ein ganz dummer Verleumder bist du!«

Der Agellid ließ den Kaffeewirt hinrichten. Der Bursche heiratete die kluge und schöne Tochter des Agellid. Am Tage, als er heiratete, gab er seiner Frau den Schlüssel zum Hause und sagte: »Behalte du den Schlüssel des Hauses. Ich weiß jetzt, was ich davon zu halten habe.«

Der Bursche und die kluge und schöne Tochter des Agellid lebten glücklich und ungestört. Als der Bursche seine Zeit verbraucht hatte und er nun sterben sollte, weil er Aini einige der letzten seiner Lebensjahre geschenkt hatte, bat die kluge Tochter des Agellid Gott darum, ihrem Gatten einige der ihren abtreten zu dürfen, und Gott gewährte es.

Dann starben der Bursche und die kluge Tochter des Agellid an einem Tag. Es geschah also so, wie der Bursche damals, als er vom Leben noch nichts wußte, es erhofft hatte mit Aini abschließen zu können.

Die Rache des Mamadi

Sahel

Die Leute von Wagadu sagten: »Die erste Tochter, die wieder in Wagadu geboren wird, soll Bida gegeben werden.« Das erste Mädchen war Sia Jatta Bari. (Jatta Bari ist der Familienname.) Sia Jatta Bari war wunderschön. Sie war das schönste Mädchen im Soninkelande. Sie war so schön, daß die Soninke und andere Völker heute noch von einem sehr schönen Mädchen als höchsten Lobspruch zu sagen pflegen: »Sie ist so schön wie Sia Jatta Bari.« Sia Jatta Bari war für Bida bestimmt.

Sia hatte aber schon einen Liebhaber, das war Mamadi Sefe Dekote. Alle Leute in Wagadu sagten: »Wir wissen nicht, ob wir je wieder in Wagadu ein so schönes Mädchen haben werden.« Deshalb war Mamadi Sefe Dekote sehr stolz auf seine Geliebte. Eines Nachts suchte Sia Jatta Bari nach dem Tamtam ihren Geliebten auf um bei ihm zu schlafen (ohne sich von ihm beschlafen zu lassen). Sia Jatta Bari sagte: »Jede Freundschaft muß auf dieser Erde einmal ein Ende nehmen.« Mamadi Sefe Dekote sagte: »Warum sagst du das?« Sia Jatta Bari sagte: »Es gibt keine Freundschaft, die für immer währen kann, und ich bin daran, der Schlange Bida überliefert zu werden.« Mamadi Sefe Dekote sagte: »Wenn das geschehen sollte, würde Wagadu kurz und klein geschlagen werden, denn ich würde es nicht dulden.« Sia Jatta Bari sagte: »Mach' keine Sache, es ist so bestimmt und es ist alte Sitte, in die sich jeder fügen muß. Ich werde die Frau der Sa (Schlange) Bida werden müssen, daran ist nichts zu ändern.«

Am anderen Morgen schärfte Mamadi Sefe Dekote sein Kitelalabong (Schwert) so scharf wie möglich. Er legte ein Hirsekorn auf die Erde und spaltete es mit einem Streich um zu sehen, ob das Schwert scharf genug sei. Darauf steckte er es wieder in die Scheide. Die Leute kleideten Sia Jatta Bari festlich zum Hochzeitstag, legten ihr Schmuck und schöne Kleider an und bildeten einen langen Zug, um sie zu der Schlange Bida zu begleiten. Bida wohnte in einem großen und tiefen Brunnen zur Seite des Dorfes. Dorthin wendete sich der festliche Zug. Mamadi Sefe Dekote hatte sein Schwert umgeschnallt, sich auf sein schönes Pferd geschwungen und ritt im Geleite mit.

Bida pflegte, wenn sie ihr Opfer in Empfang nahm, immer dreimal den Kopf aus der Brunnengrube emporzurecken und dann erst ihr Opfer zu greifen. Als der Zug neben dem Brunnen Platz nahm, hockte Mamadi ganz dicht am Rande nieder. Darauf streckte Bida ihren Kopf zum ersten Male zum Brunnen heraus. Die Leute von Wagadu sagten zu Sia und Mamadi: »Es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Nimm Abschied.« Bida streckte den Kopf zum zweiten Male aus dem Brunnen empor, und die Leute von Wagadu riefen: »Nehmt schnell Abschied voneinander, tut es aber schnell!« Bida reckte zum dritten Male das Haupt aus dem Brunnen. Da zog Mamadi Sefe Dekote das Schwert und trennte mit einem Schlag das Haupt der Schlange vom Körper. Das Haupt flog weit in die Luft empor. Ehe es wieder zur Erde kam, sprach es: »Sieben Jahre, sieben Monate und sieben Tage mag Wagadu ohne Goldregen bleiben.« Das Haupt fiel dann weit im Süden zu Boden, und aus ihm stammt das Gold, das man dort findet.

Die Leute von Wagadu hörten den Fluch der Schlange. Sie schrien wild auf Mamadi ein. Mamadi aber nahm Sia hinter sich auf sein Pferd und sprengte von dannen, in der Richtung auf Sama-Markala, einer Stadt nördlich von Segu am Niger, in der seine Mutter lebte. Mamadi Sefe Dekote hatte ein gutes Pferd – es stammte von Samba Ngarranja ab. Nur ein Wagadu konnte es einholen, das war Samba Ngarranja selbst. Die Wagaduleute forderten also Wagana Sako auf, hinter Mamadi Sefe Dekote herzusetzen und ihn, wenn irgend möglich, einzuholen und totzustechen. Wagana Sako sprang auf sein Pferd und setzte hinter Mamadi, seinem Onkel, her.

Wagana Sako holte seinen Oheim, dessen Pferd zwei Menschen trug, bald ein. Er ergriff seine Lanze und rannte sie fest in die Erde. Dann sagte er zu Mamadi: »Flieh so schnell du kannst, mein Oheim, denn wenn die Wagaduleute dich einholen, so werden sie dich sicher töten. Ich will dich nicht töten, weil ich dein Neffe bin. Flieh schnell nach Sama zu deiner Mutter.« Da sprang alsbald Wagana vom Pferd und zog an seiner Lanze. Nach einiger Zeit kamen die anderen Leute von Wagadu an. Er sagte zu ihnen: »Helft mir den Speer aus der Erde zu ziehen. Ich habe ihn nach Mamadi Sefe Dekote geworfen, ihn aber gefehlt, und dabei ist der Speer so tief in die Erde gefahren, daß ich ihn nur schwer wieder herauszuziehen vermag.« Die Leute halfen ihm, den Speer wieder herauszuziehen und dann sandten sie ihn wieder hinter Mamadi Sefe Dekote her. Wagana war bald wieder nahe bei Mamadi angelangt und stieß abermals seinen Speer in die Erde, indem er wieder rief: »Fliehe schnell zu deiner Mutter nach Sama.« Abermals wartete er die Leute von Wagadu ab, um mit ihrer Hilfe den Speer aus der Erde zu ziehen und wiederholte dasselbe Spiel noch ein drittes Mal. Dann war Mamadi in Sama angekommen.

Die Mutter Mamadis kam aus der Stadt den heranstürmenden Reitern entgegen. Sie rief Wagana Sako zu: »Kehre um und laß meinen Sohn in Ruhe zu mir kommen.« Wagana sagte: »Frage deinen Sohn, ob ich ihn nicht gerettet habe, so daß er zu dir kommen kann und ob er es mir nicht verdankt, wenn er noch am Leben ist.« Mamadi Sefe Dekote sagte: »Ich habe die Bida getötet, um dieses Mädchen, das ich heiraten will, zu retten. Ich schlug der Schlange den Kopf ab. Ehe der zur Erde fiel, sagte Bida: Sieben Jahre, sieben Monate und sieben Tage mag Wagadu ohne Goldregen bleiben. – Darauf waren die Leute von Wagadu zornig und sandten Wagana Sako auf Samba Ngarranja hinter mir her – um mich töten zu lassen. Er aber hat mich geschont. Nun bin ich mit Sia hier angekommen.«

In Wagadu hatte Mamadi Sefe Dekote jeden Morgen, wenn Sia ihn verließ, ihr Mutukalle Tamu an Gold (zirka 1000 Franken) gegeben. Drei Monate lang hatte sie das jeden Tag erhalten. Trotzdem hatte sich Sia Mamadi nicht hingegeben. Hier in Sama nun, wo es keine Goldschlange gab, die den Reichtum über das Land brachte, hörten diese Gaben auf. Sia war Mamadis überdrüssig. Sie suchte sich seiner zu entledigen. Sie sagte deshalb eines Morgens: »Ich habe Kopfschmerzen. Gegen diese Kopfschmerzen kann nur eines helfen: schneide dir einen kleinen Zeh von einem deiner Füße ab, ich will mir mit dem Blute die Stirn waschen.« Mamadi liebte Sia außerordentlich. Er schnitt sich den kleinen Zeh ab. Sie sagte nach einiger Zeit: »Das hat noch nicht geholfen. Der Kopfschmerz will nicht aufhören. Schneide dir noch den kleinen Finger ab. Wenn ich mir mit dem Blut die Stirn einreibe, so wird das nützen.« Mamadi war sehr verliebt in Sia. Er tat es also. Dann aber sandte Sia an ihren Liebhaber eine Botschaft und ließ ihm sagen: »Ich liebe nur Menschen mit zehn Fingern und zehn Zehen. Ich liebe nicht Menschen mit neun Fingern und neun Zehen.« Diese Botschaft empfing Mamadi.

Als Mamadi diese Nachricht empfing, wurde er sehr zornig, er wurde vor Zorn krank und zwar so krank, daß er fast starb. Er ließ eine alte Frau kommen: Die alte Frau kam und fragte: »Was hast du, mein Mamadi Sefe Dekote?« Mamadi sagte: »Ich bin vor Wut erkrankt, weil mich Sia Jatta Bari so schlecht behandelt hat. Für Sia habe ich die Schlange Bida getötet. Für Sia habe ich den Fluch auf Wagadu geladen. Für Sia bin ich aus Wagadu geflohen. Für Sia habe ich jeden Morgen viel Gold gegeben. Für Sia habe ich meine Zehe abgeschnitten. Für Sia habe ich meinen kleinen Finger abgetrennt. Jetzt läßt mir Sia sagen: ›Ich liebe nur Menschen mit zehn Fingern und zehn Zehen. Ich liebe nicht Menschen mit neun Fingern und neun Zehen.‹ Darüber bin ich erkrankt vor Zorn.« Die alte Frau sagte: »Das ist nicht schwer. Gib mir deine Schnupftabaksdose.« Mamadi dachte, die Alte wolle nach Art der alten Leute schnupfen. Er reichte ihr die Dose. Sie nahm sie in die Hand und sagte: »Damit du siehst, daß das nicht schwierig ist, blick in die Dose. Eben war noch Tabak darin, jetzt, wo ich es in die Hand nahm, ist es Gold. Das deine ist nicht einmal so schwierig. Es ist leichter, Sia mit Liebe, als die Dose mit Gold zu füllen. – Sage: wenn ich dir einen Karté- (das ist Butter vom Butterbaum) Kuchen gebe, könntest du es einrichten, daß Sia die Butter auf den Kopf erhält?« Mamadi sagte: »Ja, das kann ich.« Darauf bereitete die Alte einen Kartékuchen mit Borri (Zaubermittel) und übergab die Zaubermaterie Mamadi.

In Sama war eine Frau, die verstand es ausgezeichnet, die Haare zu ordnen. Diese Frau hieß: Kumbadamba. Mamadi ließ die Frau zu sich kommen und fragte sie: »Ich bin bereit, dir Mutukalle Tamu an Gold zu geben, wenn du Sia diese Karté beim Haarordnen in die Haare bringst. Willst du das übernehmen?« Kumbadamba sagte: »Das ist nicht schwierig. Das will ich übernehmen.« Mamadi übergab ihr die Zauberkarte und überließ ihr das weitere.

Eines Tages ließ Sia Kumbadamba zu sich kommen und sagte ihr: »Ordne mir das Haar!« Sie sagte zu ihrem kleinen Sklaven: »Bring Karté aus dem Hause!« (Zum Haarordnen gehört diese Baumbutter.) Kumbadamba sagte: »Das ist nicht nötig, ich habe gerade viel Karté bei mir.« Darauf begann sie die Arbeit. Als sie die eine Seite geordnet und eingerieben hatte, sprang Sia auf und sagte: »Mamadi ruft mich.« Sie lief zu ihm hin und sagte: »Hast du mich gerufen, mein großer Bruder?« (Ausdruck höchster Zärtlichkeit.) Mamadi hatte nicht gerufen; das Borri wirkte schon. Mamadi sagte: »Nein, ich habe dich nicht gerufen, denn ich habe nur neun Finger und neun Zehen und ich weiß, daß du nur Menschen mit zehn Fingern und zehn Zehen liebst.« Darauf kehrte Sia zurück und ließ sich von Kumbadamba weiter die Haare ordnen. Als die die zweite Seite geordnet und eingerieben hatte, sprang Sia abermals hastig auf und sagte: »Laß mich! Mamadi ruft mich!« Sie lief schnell zu Mamadi Sefe Dekote hin und sagte: »Hast du mich gerufen, mein großer Bruder?« Mamadi hatte nicht gerufen, das Borri wirkte auf der zweiten Seite. Mamadi sagte: »Nein, ich habe dich nicht gerufen, denn ich habe nur neun Finger und neun Zehen, und ich weiß, du liebst nur Menschen mit zehn Fingern und zehn Zehen.« Darauf kehrte Sia zurück und hieß Kumbadamba die Hand an die Beendigung der Arbeit legen. Sie glättete alles und verwandte reichlich von der Borrikarté, so daß Sia endlich ungeduldig aufsprang und rief: »Nun laß mich endlich, Mamadi ruft mich.« Eilig rannte sie zu Mamadi Sefe Dekote hin und fragte: »Hast du mich gerufen, mein großer Bruder?« Mamadi sagte: »Ja, ich habe dich gerufen. Ich wollte dir sagen: Komme diese Nacht in mein Haus.« Sie sagte: »Ich werde diese Nacht zur Hochzeit kommen.« Bis dahin hatte es Mamadi Sefe Dekote nicht erreicht, daß sich Sia ihm hingab.

Mamadi ließ in seinem Hof Bett und Haus ordnen. Er hatte Blali, einen jungen Sklaven, dem er alles anvertrauen konnte und dem er die Sorge für sein gutes Pferd übergeben hatte. Er rief Blali und sagte: »Gib mir dein altes Kleid, ich will es anziehen. Reinige und wasche es also ordentlich. Darauf wasche dich selbst und lege dich heute nacht in meiner Hütte auf mein Bett. Um Mitternacht wird eine Frau, Sia, zu dir kommen. Sprich mit ihr aber kein Wort. Sia soll denken, ich sei an ihrer Seite und sie ist gewohnt, daß ich nicht spreche. Daher habe ich meinen Namen Sefe Dekote. Sprich also nicht mit ihr, beschlafe sie aber. Du mußt sie beschlafen. Hast du es bis zum Morgen nicht getan, so laß ich dich einfach totschlagen. Du hast mich verstanden?« Blali sagte: »Ich werde es tun.«

In der Nacht kam Sia. Mamadi hatte seine Schuhe vor dem Bette stehen lassen, damit Sia sicher sei, daß er da sei und sie ihn gleich daran erkenne. Sie kam, erkannte die Schuhe und legte sich zu dem Pferdeknecht. Sie sagte: »Kassunka« (Gut Nacht). Blali schnalzte zur Antwort nur mit dem Gaumen, um sich nicht zu verraten. Sie sagte: »Mein großer Bruder, ich weiß, daß du nie viel sprichst, heute aber sprich mit mir. Ich bitte dich, mir heute zu antworten.« Blali beschlief darauf Sia. – Am anderen Morgen trat Mamadi Sefe Dekote in den Kleidern Blalis in die Hüttentür und rief: »Blali!« Blali antwortete: »Nam!« (Herr) Mamadi sagte: »Weshalb hast du heute morgen nicht mein Pferd besorgt und statt dessen bei dem Frauenzimmer Sia geschlafen?« Blali sagte: »Wenn ich heute morgen meine Arbeit nicht verrichtete, so willst du das damit entschuldigen, Herr, daß ich eine Frau beschlafen konnte, von der ganz Wagadu sagte, sie sei die Schönste im Lande. Ist das nicht verzeihlich?« Sia hörte das und begann auf dem Bette am ganzen Leibe zu zittern. Zitternd sprach sie: »Mein großer Bruder, du zahlst gut!« Sia blieb vor Scham den ganzen Tag über im Hause. Sie wagte sich nicht heraus. In der Nacht aber schlich sie hinüber in ihr eigenes Haus und starb daselbst vor Scham. – Das war das Gericht Mamadi Sefe Dekotes über Sia Jatta Bari.

Hami-du-hama-nkulde

Sahel

Im Dorfe Djibo, das im Lande Djelle-Goji gelegen ist, lebte ein Fulbemädchen, das war so schön, daß alle jungen Burschen ihres Landes in sie verliebt waren. Jeden Morgen kamen 120 tapfere junge Fulbe zu ihr, blieben bei ihr und unterhielten sich mit ihr bis zum Abend. Sie waren alle hochadlig und aus der Familie des Königs Ardo. Sie kamen am Morgen auf ihren weißen Pferden angeritten und abends ritten sie wieder von dannen. Jeder dieser jungen Männer war in das schöne Mädchen Djullu-Deeru verliebt. Jeder bat sie: »Werde meine Frau!« Jedem antwortete sie: »Weit draußen liegt das Wasser Pete-erre. Tränke dein Pferd im Wasser Pete-erre und ich will dich heiraten.« Jeder von den 120 bat sie um die Ehe. Jedem sagte sie: »Pete-erre.« Jeder ging dann still und betrübt von dannen. Denn Pete-erre war ein Wasser, an dem hielten jeden Morgen 720 Tuareg Wache. Und diese 720 Burschen verleideten jedem der 120 jungen Fulbe, die jeden Morgen auf ihren weißen Pferden zu Djullu-Deeru kamen, die Möglichkeit, die schöne Frau zu heiraten.

Im Lande Djelle-Goji lebte ein Fulbe: Hami-du-hama-nkulde. Dessen Spielmann (Mabo) sagte: »Du bist kein rechter Fulbe. Wenn du ein rechter Fulbe wärst, würdest du Djullu-Deeru anschauen. Da würdest du Djullu-Deeru heiraten wollen, wie das alle Ardosprossen wünschen, und du würdest den Ardosprossen zeigen, daß Djullu-Deerus Bedingungen nicht so schwer zu erfüllen sind.« Hami-du-hama-nkulde wohnte in Barrabulle. Er sagte zu seinem Mabo: »Rüste dein Pferd, wir wollen morgen aus Barrabulle abreiten. Wir wollen nach Djibo weiter.«

Djullu-Deeru lebte in Djibo. Djibo hatte sieben Mauern. In der Mitte war ein Wasser. Hami-du-hama-nkulde ritt nach Djibo. Als er hereinkam, standen die anderen 120 jungen Fulbe auf und verließen den Ort. Hami-du-hama-nkulde ließ sich nieder. Er sah Djullu-Deeru. Er sagte zu Djullu-Deeru: »Werde meine Frau.« Djullu-Deeru sagte: »Ich will deine Frau werden, sobald du dein Pferd im Wasser Pete-erre getränkt hast.« Hami-du-hama-nkulde sagte: »Das ist sehr einfach. Ich werde es tun. Du sollst aber mitkommen und es mitansehen.« Djullu-Deeru sagte: »Es ist gut.«

Djullu-Deeru rüstete sich. Sie nahm einen Mabo, einen Diawando, einen Dimadio mit. Jeder ritt auf einem Ochsen. Hami-du-hama-nkulde rüstete sich. Er nahm seinen Mabo, einen Diawando, einen Dimadio und fünfzig Reiter mit. Sie machten sich auf die Reise. Sie reisten zwei Tage weit. Am Morgen des dritten Tages sahen sie in der Frühe die Bäume am See Pete-erre. An jedem Baum standen einige Tuareg. Einige hatten lange Bärte und alle hatten den Unterteil des Gesichts bedeckt. Als die Tuareg die fremden Reiter ankommen sahen, rüsteten sie sich allsogleich zum Kampfe. Als aber Djullu-Deeru das sah, bekam sie Angst, und sie sagte: »Laß es jetzt genug sein. Ich bin damit schon zufrieden. Es ist nicht nötig, daß du dein Pferd im Wasser selbst tränkst. Es hat schon die Morgennebel aufgesogen, die aus dem Wasser steigen. Laß uns umkehren. Ich will dich zum Manne nehmen.« Hami-du-hama-nkulde aber sagte: »Das wäre ja sehr merkwürdig. Mein Pferd und ich sind vom Morgennebel nicht gesättigt. Entweder ich tränke mein Pferd da unten in dem See, oder ich sterbe.«

Dann rüstete er sich. Als der erste Tuareg heransprengte, stach er ihm vom Pferd. Er gab das Pferd Djullu-Deeru und sagte: »Halte es.« Der große Kampf begann. Hami-du-hama-nkulde focht. Er kämpfte bis gegen Abend. Dann waren die Tuareg in die Flucht geschlagen. Er hatte sieben Pferde gewonnen. Er ging hinab und ließ sein Pferd aus dem Wasser des Sees trinken. Danach sagte Djullu-Deeru: »Du bist ein wahrhaftiger Pulo. Dich werde ich heiraten. Wir wollen heimkehren.« Hami-du-hama-nkulde sagte: »Das ist noch nicht möglich. Die Tuareg haben die Eigenart, dreimal hintereinander anzugreifen. Ich werde sie also noch zweimal hier bekämpfen müssen. Wenn ich jetzt heimritte, würden die Leute sagen, daß ich nur einen Plünderungszug unternommen hätte. Das will ich nicht. Wir wollen ein Lager aufschlagen und übernachten.«

Sie blieben über Nacht am See. Am anderen Morgen kamen die Tuareg, um den See zurückzugewinnen. Hami-du-hama-nkulde mußte vom Morgen bis zum Mittag kämpfen, abends tränkte er sein Pferd im See. Sie übernachteten am Wasser Pete-erre. Am anderen Morgen kamen die Tuareg wieder in großer Menge, um den See zurückzugewinnen. Hami-du-hama-nkulde mußte vom Morgen bis zum Nachmittag kämpfen. Dann waren die Tuareg geschlagen. Abends tränkte Hami-du-hama-nkulde sein Pferd im See Pete-erre. Er hatte nun im ganzen 25 weiße Tuaregpferde gewonnen.

Djullu-Deeru sagte: »Du hast dich als Held und Pulo erwiesen Nun wollen wir heimkehren.« Hami-du-hama-nkulde sagte: »Wie ich die Tuareg kenne, sind sie nicht ruhig, als bis ich ihnen ihr Vieh weggenommen habe. Wir wollen also noch eine Nacht hierbleiben. Dann will ich hinreiten und ihr Vieh forttreiben.« Am anderen Morgen machte er sich auf den Weg. Djullu-Deeru blieb unter guter Bewachung zurück. Am Abend kehrte er zu Djullu-Deeru am Pete-erre zurück. Er hatte 30 000 Stück Rindvieh erworben. Er sagte: »Nun können wir heimkehren.«

Hami-du-hama-nkulde und Djullu-Deeru kamen nach Djibo im Lande Djelle-Goji zurück. Djullu-Deeru sagte zu ihrem Vater »Der Hami-du-hama-nkulde ist ein wahrer Pulo, ein wahrer Held!« Sie sagte es zu aller Welt. Ihr Vater sandte zu Hami-du-hama-nkulde und ließ ihm sagen: »Ich bin bereit, dir meine Tochter zur Frau zu geben.« Hami-du-hama-nkulde sandte die 25 weißen Pferde und die 30 000 Rindvieh an den Vater Djullu-Deeru und ließ antworten: »Nein, heiraten will ich Djullu-Deeru gar nicht. Im übrigen schenke ich euch das da.«

Siga Sanke

Sahel

Siga Sanke wohnte in dem Dorfe Söina in Kaarta. Er lebte zur Zeit des Königs Njagaleng Gara, eines stolzen Massassi, der damals über Kaarta herrschte. Zuerst war er mit dem König sehr befreundet. Er reiste im Lande umher, besuchte die einzelnen Dugutigis und kam dann gewöhnlich mit der Nachricht zurück: »Der und der ist gar kein treuer Untertan, gib mir Soldaten, ich will ihn in deinem Namen züchtigen.« Anfangs dachte der König nichts Schlimmes dabei und freute sich über den treuen Sinn Siga Sankes, aber dann fand er, daß jener ein schlimmer und gefährlicher Schmeichler sei, und darauf zog er seine Gnade von ihm.

Siga Sanke zog sich darauf eiligst in sein Dorf Söina zurück und begann ein ruhmrediges und prahlerisches Wesen anzunehmen. Seine Stadt war sehr fest. Vor einem der Tore hatte er unter vier Bäumen eine Galla (eine Plattform) errichten lassen, auf der standen am Abend zwölf Männer mit Trommeln und schlugen den Takt, während unten das Volk tanzte. Siga Sanke hatte Freundschaft geschlossen mit einem Schmied Numuka Boji, mit dem trank er, während draußen die Trommeln den Takt rührten, Honigbier, und dazu sangen ihm zwei Frauen. Die eine war Siga Sankes Frau, die sang: »Siga Sanke de firina mogo je« (Siga Sanke schlägt sich mit vielen). Darauf antwortete die zweite, das war seine Schwester: »Siga Sanke mogo Bammana ndo nde« (kein Bammana gleicht Siga Sanke). Sie sangen mit Gitarrebegleitung.

Siga Sanke trank viel. Er nahm einmal eine Kalebasse, die frisch gefüllt war. Er setzte sie an und trank sie aus. Er beugte sich so weit zurück, daß seine Mütze herunterfiel. Er sagte zu Numuke Boji: »Wenn du nichts Schlechtes tust, wirst du nie bekannt werden.« – So lebte er in ständiger Betrunkenheit. Einmal hörte er, daß der Sohn des Königs Njagaleng Gara im Lande umherreiste. Da rief er seine Leute und sagte ihnen: »Geht dahin, wo der Königssohn ist und schlagt ihn tot!« Die Leute gingen hin und taten es.

 

Söina war ein großes Dorf mit sieben Toren. Es war ein Ort, der sehr schwer einzunehmen war. Siga Sanke kam sehr selten heraus, nämlich nur zweimal im Jahr; einmal, wenn die Äcker neu bestellt wurden zu Anfang der Regenzeit, um die Bestellung zu besichtigen. Und einmal, wenn die Ernte reif, um die Frucht zu besichtigen. Als er nun den Königssohn hatte erschlagen lassen, ließ er eines Tages zwölf Dialli kommen und ließ sie auch auf der Galla Platz nehmen, damit sie die Trommler ablösten. Dann stellte er eines Tages, nachdem der Königssohn ermordet war, und die zwölf Dialli neben den Trommlern spielten, vier große, mit Gold gefüllte Tabaksbüchsen auf den Boden in der Mitte des Platzes.

Siga Sanke trank.

Er drehte sich um und sagte: »Wer ist da?« Ein Sklave antwortete: »Ich bin da.« Siga Sanke sagte: »Komm!« Der Sklave kam heran. Siga Sanke nahm eine der Tabaksbüchsen voll Gold und sagte: »Nimm dies Gold, bringe es zum König von Segu und sage dem König Daga, daß mich der König Njagaleng Gara von Kaarta in einem Monat angreifen will und daß er sich schon zum Kriege vorbereitet. Sage ihm, daß, wenn er in einem Monat kommt und mir im Krieg beisteht, daß ich ihm dann in Zukunft Tribut zahlen will.« Der Bote ging mit dem Gold von dannen.

Siga Sanke trank. Er drehte sich um und sagte: »Wer ist da?« Der Sklave sagte: »Ich bin da.« Siga Sanke sagte: »Komm!« Der Sklave kam heran. Siga Sanke nahm eine mit Gold gefüllte Tabaksbüchse, gab sie dem Boten und sagte: »Nimm das und bringe das zum König Njagaleng Gara. Sage ihm, ich hätte ihm zwar schweres Unheil zugefügt. Aber es täte mir sehr leid. Er solle mir vergeben. Sagt ihm ferner: In einem Monat wolle der König von Segu gegen meine Stadt zu Felde ziehen, um mich zu unterwerfen. Da ich nun früher befreundet gewesen sei mit dem König von Kaarta, sei es doch richtiger, ich zahle an ihn Tribut. Er solle also eine Kolonne entsenden, die dem Heerhaufen von Segu Trotz bieten könne.« Der Bote nahm die Tabaksbüchse voll Gold und ging von dannen.

Siga Sanke trank. Er wandte sich um. Er sagte: »Wer ist da?« Ein Sklave sagte: »Ich bin da.« Siga Sanke gab ihm die dritte der mit Gold gefüllten Tabaksbüchsen und sagte: »Nimm das und bringe es zum König Amadu-Amadu von Massina. Sage ihm, im folgenden Monat wollten mich die Leute von Scharo angreifen und meine Stadt erobern. Da wäre es mir lieber, dem König Amadu-Amadu von Massina Abgaben zu zahlen. Er solle also im kommenden Monat mit einem starken Heerhaufen hierherkommen, um mich zu schützen.« Der Bote nahm die Tabaksbüchse mit Gold und ging von dannen.

Siga Sanke trank. Er wandte sich um. Er sagte: »Wer ist hier?« Der Sklave sagte: »Ich bin da.« Siga Sanke sagte: »Komm!« Der Sklave kam heran. Siga Sanke nahm die vierte Tabaksbüchse voll Gold, gab sie ihm und sagte: »Nimm dieses, bringe es zum König von Scharo. Sage dem König Bina Salogo Traore, daß der König von Massina eine starke Mannschaft vorbereite, die meine Stadt angreifen und überwinden soll. Sage ihm, daß er einen starken Heerhaufen rüsten möchte, um ihn im nächsten Monat mir zu Hilfe zu senden. Denn ich zöge es vor, dem König Bina Salogo Traore von Scharo eine Abgabe zu zahlen, statt ein Vasall des Königs von Massina zu werden.« Der Bote nahm seine Tabaksbüchse voll Gold und ging von dannen.

Am anderen Tage rief Siga Sanke alle seine Mannen zusammen und forderte sie auf, die Mauer zu verstärken und höher zu machen. Er ließ die Frauen zusammenrufen und ihnen sagen, sie sollten für den nächsten Monat viel Hirsebier bereiten.

 

Als der nächste Monat gekommen war, stieg er abends mit den zwölf Dialli und den beiden Frauen auf das Dach eines Hauses und begann ein fröhliches Zechgelage. Er ließ die sieben Tore der Stadt schließen und nahm die Schlüssel an sich. Die Dialli spielten. Die Frauen sangen. Siga Sanke trank.

In dieser Nacht kamen die Ton-jong (Auxiliartruppen) von Segu an und schrien ihr: »Daga! Daga!« Dann trafen die Heerhaufen von Kaarta ein und riefen ihr: »Dese! Laba! Dunkoro! Mussira!« (Das waren die alten Hauptleute in Kaarta.) Sie fielen übereinander her, und die Mannschaften aus Segu und die aus Kaarta begannen in dieser Nacht ein mörderisches Gefecht.

In derselben Nacht kamen die Truppen des Königs von Massina vor den Toren der Stadt Söina an. Es trafen aber auch die Mannschaften aus Scharo ein. die der König Bina Salogo Traore gesandt hatte, und als sie das »Amadu-Amadu« der Massinaleute hörten, da fielen sie über jene her, und auch hier hob in dunkler Nacht ein Streiten und Kämpfen an, bei dem kein Leben geschont wurde.

Als aber der andere Tag nahte und die Sonne aufging, da waren auf beiden Seiten alle Tapferen gefallen, und rings um die Stadt lagen die Leichen von Pferden und Kriegern. Als die Sonne aufging, sagte Siga Sanke zu den Trommlern: »Nun hört auf!« Er sagte zu den Dialli: »Nun hört auf!« Er stieg auf das Dach des höchsten Hauses, sah über all die Toten hin und rief: »Ihr vier Scharen von Kämpfern! Ich habe euch alle vier kommen lassen, ihr seid alle vier gekommen. Ihr habt diese Nacht hindurch kräftig gekämpft. Ihr habt eure besten Männer verloren. Wißt ihr, weshalb ich das tat? Ich tat das, um meine Felder zu düngen. Und meine Felder sind jetzt von gutem Blute und mit den Leichen Tapferer gedüngt. Meine Ernte wird gut werden.« Dann rief er den Schmied Boji und sagte: »Schlage gegen die Mauern, daß man am Klang höre, ob sie gut oder schlecht sind.« Der Schmied Boji schlug dagegen und sagte: »Sie sind gut!« Siga Sanke rief den Kämpfern zu: »Ihr habt den Klang gehört. Die Mauern sind gut. Das kommt davon, daß meine Männer alte Hosen anzogen, daß meine Frauen alte Stoffe umhängten, als sie die Mauern bauten. Sie arbeiteten nicht mit neuen Kleidern, sondern in alten, und da griffen sie gut zu. Ich selbst gehe ja jedes Jahr nur zweimal aus der Stadt, ihr könnt aber selbst die Männer für die ausgezeichnete Arbeit beim Mauerbau bezahlen.«

Alle zogen ab. Sira Bo, der Bruder des Königs von Kaarta und Heerführer der vom König Njagaleng Gara gesandten Mannschaft, war der letzte vor den Toren Söinas. Siga Sanke rief seinen Leuten zu: »Verhöhnt ihn!« – Darauf schrien alle Leute Siga Sankes: »Ho, Sira Bo! Ho, Sira Bo! Ho, Sira Bo!« Sie schrien es dreimal. Sira Bo rief: »Heute lachst du mich aus, Siga Sanke! Aber eines Tages werde ich es sehen, daß du Zähne spuckst.« Dann sandte Sira Bo an Siga Sanke eine Botschaft und ließ sagen: »Geh in ein anderes Land und verlaß Söina! Früher hat meine Mutter dort ihren Garten gehabt. Dies Land gehört den Massassi!« Dann zog auch er von dannen.

 

Als die nächste Regenzeit begann, beschloß Siga Sanke einen großen Acker zwischen Söina und der Stadt des Königs Njagaleng Gara anzulegen. Er ließ das Gebüsch und die Bäume an jenem Ort schlagen und beschloß dann selbst hinzureiten, die Arbeit und den Platz zu besichtigen, denn er hatte ja die Gewohnheit, zweimal im Jahr die Tore Söinas zu verlassen. Sira Bo hatte aber zwei Ritter ausgesandt und ihnen gesagt: »Geht nach Söina und achtet darauf, wann Siga Sanke Söina verläßt. Sobald ihr es erfahrt, kommt schleunigst und sagt es mir!« Die beiden Aufpasser hörten nun, daß Siga Sanke beabsichtige, das Feld zwischen Söina und der Stadt des Königs zu besichtigen, und sie jagten eilig zu Sira Bo und sagten: »Morgen wird Siga Sanke sein Feld besichtigen. Siga Sanke hat dies Feld Kulanieni oder Bolanieni (er sucht Bo) genannt.« Sogleich machte sich Sira Bo auf den Weg und umstellte das Land im weiten Umkreis.

Siga Sanke bestieg am anderen Morgen sein Pferd und ritt mit einigen Leuten nach dem Feld Bolanieni. Dort stieg er ab und ging umher. Kaum sah das der versteckte Sira Bo, so rief er seinen Leuten zu: »Schließt den Kreis, aber tut dem Siga Sanke nichts. Ich will ihn vor mir hertreiben.« Siga Sanke hörte das. Er sah die Gefahr. Er stürzte auf sein Pferd zu, um aufzuspringen und zu fliehen. Sein Pferd hatte sich im Schreck aber auch losgerissen und lief fort. Siga Sanke packte noch ein Bein des Pferdes, aber der Fuß des schlagenden Tieres traf ihn auf den Mund, so daß ihm oben und unten je zwei Zähne abbrachen. Er spie sie aus und lief wieder hinter dem Pferd her. Er erreichte es, wollte im Laufen aufspringen, stürzte aber auf der anderen Seite herab. Er fiel mit dem Kopf gegen einen Steinhaufen und schlug sich wiederum oben und unten je zwei Zähne aus, die er ausspie. Da rief Sira Bo: »Habe ich dir nicht gesagt, daß ich dich eines Tages Zähne speien lassen würde?«

Siga Sanke gelang es aber doch noch, auf sein Pferd zu springen, und er jagte nun von dannen. Es gelang ihm auch, dem Kreis zu entschlüpfen, aber Sira Bo war ihm dicht auf den Fersen und stieß ihn mit dem Flintenkolben in die Seite. Siga Sanke schrie: »Hëig!« und heulte. Er rief: »Töte mich nicht.« Dreimal wiederholte sich das. Dann hatte er die Tore von Söina erreicht.

Sira Bo rief: »Du weinst?! Da kannst du sehen, daß du ein Njamogode (ein Unedler) bist. Ich aber bin ein Njerre Ulu (reinen Blutes). Ich bin ein Massassi. Du hast geweint!« Dann kehrte Sira Bo heim. Siga Sanke war gerettet. Als er in der Stadt angekommen war, fragte er seine Leute: »Wo ist die Trommel?« Die Leute antworteten: »Du hast sie draußen auf dem Bolanieni zurückgelassen.«

Siga Sanke hatte nun mit allen Leuten Streit angefangen. Eines Tages sagte auch der König der Surakka: »Wir wollen den Siga Sanke angreifen.« Er machte sich mit allen seinen Leuten auf und kam vor Söina an. Seine Leute umkreisten Söina. Siga Sanke hatte die Tore rechtzeitig geschlossen, aber er hatte doch Furcht, es möchte diesmal ein böses Ende nehmen. Er rief seinen Sohn und seinen Bruder und sagte: »Geht zu König Njagaleng Gara von Kaarta und sagt, ich hätte ihm unrecht getan und ihn geschädigt. Aber ich bäte ihn auch um Entschuldigung. In Zukunft will ich sein Höriger sein. Jetzt soll er mir aber gegen die Surakka helfen.« Die beiden machten sich auf den Weg und kamen an den Hof des Königs von Kaarta. Sie richteten ihren Auftrag aus. König Njagaleng Gara und sein Volk riefen: »Jetzt haben wir zwei aus dieser Gesellschaft. Schlagt sie tot.« Damals war aber ein Numu der Richter. Der sagte: »Laßt das, tötet diese Leute nicht. Der König soll mit einem Heerhaufen hinziehen!« Darauf gaben der König und das Volk den Gedanken auf. Er sandte die beiden Boten zurück und ließ sagen: »In drei Tagen kommen meine Leute.«

Der König Njagaleng Gara war mit seinem Heerhaufen unterwegs. Da sandte ihm auch der König der Surakka eine Botschaft und ließ ihm sagen: »Überlaß mir diesen Siga Sanke. Ich will ihm den Kopf abschlagen und will ihn mit Gold aufwiegen. Das Gold soll dein sein.« Der König von Kaarta war einverstanden. Er wollte nun Siga Sanke in eine Falle locken – denn es war nicht möglich, die Mauern zu zerstören. Siga Sanke kam heraus und verhandelte mit den Boten König Njagaleng Garas. Er entdeckte aber die Absicht, ließ sein Pferd zurück und entkam in die Stadt.

Man sagt, Njagaleng Gara habe nachher doch noch den Siga Sanke getötet.

Sidi Baba

Sahel

Sidis Vater war Baba. Babas Dorf war Tonna. Baba hatte eine Frau geheiratet, die hieß Schokolo. Er kümmerte sich nie um die Familie seiner Frau. Als Baba mit Schokolo drei Jahre verheiratet war, sagte sie: »Du hast nie meinen Vater und meine Mutter besucht.« Baba sagte: »Wenn du das wünschest, so kann das sehr schnell geschehen. Ich werde mich alsbald aufmachen.« Er rüstete eine Kriegerschar und machte sich auf den Weg.

Baba kam in das Dorf der Eltern seiner Frau. Er rüstete schnell zum Angriff. Er griff an. Er brannte das Dorf nieder. Er nahm den Vater und die Mutter seiner Frau gefangen. Er tötete sie, er schnitt ihnen die Köpfe ab, er steckte die Köpfe in einen Sack und nahm den Sack mit. Als Baba wieder daheim angekommen war, sagte er: »Ich war, wie du es gewünscht hast, im Dorfe deines Vaters und deiner Mutter. Ich habe beide sehr herzlich umarmt und bringe dir von ihnen hübsche Neuigkeiten mit. Hier ist ein Sack. Schau hinein.« Die Frau öffnete den Sack. Sie zog einen Kopf heraus. Baba fragte: »Was ist das?« Die Frau sagte: »Das ist der Kopf meines Vaters.« Sie zog noch einen Kopf heraus. Baba fragte: »Was ist das?« Schokolo sagte: »Das ist der Kopf meiner Mutter.« Baba sagte: »Nimm die beiden Köpfe und lege sie als Unterlage unter deine Kochtöpfe. Bereite mir das Essen darauf.«

Die Frau Schokolo sagte kein Wort. Sie nahm die Köpfe, sie legte Feuer an. Sie stellte die Kochtöpfe darauf. Sie bereitete das Essen für ihren Mann darauf, aber sie sagte kein Wort. Die beiden Köpfe verkohlten und verbrannten, aber die Frau sagte kein Wort.

Nachdem genug Zeit vergangen war, daß Baba das alles vergaß und vergessen hatte, ging Frau Schokolo zu einem Schmied und ließ sich ein sehr scharfes Messer geben. Mit diesem Messer ging sie dann in aller Frühe in das Haus, in dem ihre Schwiegermutter, die Mutter ihres Mannes Baba, lebte. Sie sagte der Frau nicht guten Tag, sondern schnitt ihr die Kehle durch. Alsdann schnitt sie den Leib der Frau auf und trennte alles gute Fett, das darin enthalten war, heraus. Die Leiche ließ sie liegen und ging mit dem Fett nach Hause. Sie bereitete mit dem Fett ein Gericht. Sie stellte eine Speise her, die war über alle Maßen schmackhaft.

Inzwischen war es Morgen geworden, und die angesehenen Leute versammelten sich auf dem Platz, wo sie miteinander plauderten. Die Frau Babas nahm das Gericht, das sie bereitet hatte, und trug es auf den Platz hinaus. Sie kniete vor ihrem Mann (nach alter Sitte) nieder und überreichte die Schüssel. – Die Männer begannen zu essen. Einer sagte: »Ach, das ist ausgezeichnet.« Ein anderer sagte: »Ach, das ist ganz besonders gut zubereitet.« Baba selbst sagte: »Ja, das ist das wohlschmeckendste Gericht, das ich je in meinem Leben genossen habe.«

Baba hatte die Gewohnheit, jeden Morgen zu seiner Mutter einen Boten zu senden und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Er rief auch heute einen Haussklaven und sagte zu ihm: »Geh zu meiner Mutter und frage sie, wie es ihr geht.« Der Haussklave ging. Er kam in das Haus. Er sah die Leiche in ihrem Blut und mit aufgetrenntem Leib. Er kam zu Baba zurück. Baba fragte: »Wie geht es meiner Mutter?« Der Haussklave sagte: »Ich kann dir das nicht berichten.« Baba sagte: »Sofort sage es mir, oder ich töte dich.«

Der Haussklave sagte: »Töte mich, aber ich kann dir doch nicht wiederholen, was ich gesehen habe.« Darauf ließ Baba den Sklaven töten.

Baba sagte zu einem anderen Haussklaven: »Geh hin und frage meine Mutter, wie es ihr geht.« Der Haussklave ging. Er sah die blutige Leiche, kam zurück und sagte: »Ich kann nicht wiederholen, was ich gesehen habe.« Baba ließ auch diesen totschlagen. Er rief einen dritten Haussklaven und sagte zu ihm: »Geh hin und frage, wie es meiner Mutter geht.« Der Haussklave ging. Er sah die blutige Leiche, kam zurück und sagte: »Ich kann nicht wiederholen, was ich gesehen habe.« Baba ließ auch diesen totschlagen.

Es war da ein Spielmann, der sagte: »Baba, du solltest doch deine Leute nicht so hinschlachten, wie die Ochsen und Schafe.«

Baba sagte: »Gut. Wenn dir das nicht zusagt, so geh du in das Haus meiner Mutter und frage sie, wie es ihr geht.« Der Spielmann ging hin. Er sah die blutige Leiche, kehrte zurück und sagte: »Baba, was deine Sklaven gesagt haben, ist wahr. Man kann es nicht wiederholen.« König Baba sagte: »Sage es jetzt, oder ich lasse dich auch totschlagen.«

Der Spielmann sagte: »Baba, deine Mutter ist tot. Das übrige sieh selbst.« Baba ging hin. Er sah die blutige Leiche mit dem aufgeschnittenen Leib. Darüber wurde der König über alle Maßen zornig. Er ließ sofort eine Botschaft in die Runde gehen, die lautete: »Alle Familienvorstände sollen allsogleich sich danach umtun, festzustellen, wer meine Mutter getötet hat. Wenn es nicht bis heute abend klar festgestellt ist, werde ich tausend Menschen töten.« Darauf machte sich alle Welt daran und suchte und spürte. Aber niemand vermochte eine Spur zu finden. Es kam nicht heraus, wer die Mutter Babas getötet hatte.

Als nun alle Leute vergebens gesucht hatten, und der König Baba mit den Spielleuten und Alten beratend auf dem Platze saß, kam Schokolo, Babas Frau. Sie ließ sich (der alten Sitte entsprechend) vor Baba auf die Knie nieder und fragte: »Habe ich dir nicht heute morgen ein Gericht bereitet und es hier auf den Platz gebracht?« Baba sagte: »Das ist richtig. Es hat allen sehr gut geschmeckt, und ich selbst habe dir gesagt, daß ich nie in meinem Leben eine so ausgezeichnete Speise genossen habe.« Schokolo sagte: »Diese Speise habe ich mit dem Leibfett deiner Mutter bereitet. Ich habe deine Mutter getötet. Nun tue mit mir, was du willst.«

Der eine von den Umsitzenden sagte: »Man soll diese Frau totschlagen.« Der zweite sagte: »Man soll sie totschießen.« Der dritte sagte: »Man soll ihr auch den Leib aufschneiden.« Der vierte sagte: »Man soll sie verbrennen.« Es war da aber ein alter Mann, der war sehr angesehen im Rat, der sagte: »Ich denke, man soll sie leben lassen. Man soll gar nichts tun. Man soll warten. Von schlechtem Vater und von schlechter Mutter kommen schlechte Kinder.« Er stand auf und ging.

Man tat nichts.

Zwei Jahre nachher wurde von der Frau ein Knabe geboren, der ward Sidi Baba genannt, weil Baba sein Vater war. Der Knabe wuchs heran. Als er zehn Jahre alt war, war seine Hauptbeschäftigung, Fallen zu legen und Tauben zu fangen. Eines Tages hatte sich in einer seiner Fallen ein Eichhörnchen gefangen. Als Sidi Baba näher kam, riß das Tier in seiner Angst im letzten Augenblick seine Schnur durch und rannte von dannen. Es gelang ihm, in sein Loch zu entschlüpfen. Sidi Baba sah das gerade noch.

Sidi machte sich sogleich daran, die Erde abzusuchen und das Eichhörnchen auszugraben. Er grub und grub. Sidi Baba grub einen Tag und eine Nacht, ohne an etwas anderes zu denken. Als eine Nacht vergangen war, ohne daß der Knabe heimgekehrt war, sandte Baba Boten aus, die seinen Sohn suchen sollten. Ein Bote traf Sidi. Er sagte zu Sidi Baba: »Dein Vater hat Boten ausgesandt, dich suchen zu lassen.« Sidi sagte: »Sage meinem Vater, daß in meiner Falle ein Eichhörnchen gefangen war, daß dieses aber im letzten Augenblick entwichen ist und in sein Loch schlüpfte, so daß ich jetzt seine Höhle aufgraben muß.« Der Bote kehrte heim und berichtete Baba.

Sidi grub weiter, und nach langer Zeit ergatterte er sein Eichhörnchen und tötete es. Dann begab er sich auf den Heimweg.

Ehe er aber noch wieder heimkam, war sein Vater gestorben, und man hatte das Königreich dem Vaterbruder übergeben. Man hatte ein großes Fest veranstaltet, hatte viel Besu getrunken und den neuen König herrlich gefeiert. Als Sidi heimkam, sagte man ihm: »Dein Vater ist gestorben. Dein Onkel ist zum König gemacht worden.« Sidi Baba fragte sogleich: »Zeige mir, wo mein Vater begraben worden ist.« Man zeigte es Sidi. Sidi sagte: »Öffnet das Grab.« Man tat es. Es war da der Sklave, dessen Amt es immer gewesen war, Peitschenhiebe zu verabfolgen. Sidi Baba sagte: »Gib diesem Baba fünfzig Hiebe mit dem Knotenstock, denn der Mann ist hinter meinem Rücken gestorben. Darum wird es jetzt Streit geben.«

Darauf sandte Sidi Baba an seinen Onkel eine Botschaft und ließ ihm sagen: »Wem kommt nach dem Tode meines Vaters das Königtum zu?« Als der Onkel diese Nachricht empfing, bekam er Angst und sagte: »Ich bin ja gar nicht König. Ich trinke nur ein wenig und freue mich meines Lebens.« Sidi Baba sagte: »Du kannst alle Weiber meines Vaters nehmen, meinetwegen auch meine Mutter. Aber sonst bekommst du nichts.« – Drauf wurde Sidi Baba selbst König.

Nachdem Sidi Baba sich derart zum König gemacht und er seinen Onkel beiseite geschoben hatte, sagte er: »Wartet, ihr Alten, seid ihr so? Wollt ihr mich so loswerden?« Sidi Baba hatte fünf große Hallen. Er ließ im Lande verkünden: »Alle Alten sollen zusammenkommen, die Ritter, die Bauern, die Spielleute, die Schmiede. Alle sollen in dem Gehöft des Sidi Baba zusammenkommen.« Sie kamen von allen Seiten und versammelten sich in großer Menge in dem Hof, und manche dachten, sie würden nun ganz besonders geehrt werden. – Als aber alle beisammen waren, ließ Sidi Baba rund im Lande verkünden: »Heute macht jeder Alte seinem Sohne Platz. Das Alter will, daß die Jugend daran komme. Keiner von den Alten wolle aber dem Nachkommen hinter seinem Rücken fortsterben, damit niemand eine Schwierigkeit in seiner Rechtsübernahme habe, und somit teilt Sidi Baba mit, daß die Alten heute beiseite rücken.«

Sidi Baba ließ alle Alten erschlagen. Dann rief er die jungen Spielleute und sagte: »Nehmt ihr jetzt den Bari (Kalebassenpiano)! Singt zum Bari. Die Alten haben den Bari nicht mehr nötig.« Er gab den jungen Landleuten die Äcker der Alten. Er gab den jungen Rittern die Herrschaft der Väter. Er gab den jungen Schmieden die Werkstätten der Alten.

In der Gegend war ein Land namens Garrio, das ist nicht weit vom Lande Fara-Maka. Im Ort Garrio war jeden Tag Spiel und Tanz. Das ärgerte den König Sidi Baba. Er hörte das jeden Tag herüberschallen, und er war so ärgerlich, daß er eines Tages sagte: »Der König von Garrio vagabundiert zu sehr. Ich werde ihm etwas Ruhe schaffen.« Zwischen Tonna, seinem Dorf, und Garrio war eine Wildnis, die hieß Nampala. Die Wildnis Nampala ist weit bekannt. In allen Ländern hat man von der Wildnis Nampala gehört. Um die buschige Wildnis Nampala zu durchqueren, braucht man zwei bis drei Tage. Es ist kein Wasser da zu finden. Sidi Baba machte sich mit seinen Kriegern auf, um gegen Garrio zu ziehen. Als er am ersten Abend in der Wildnis Nampala lagerte, sagte er zu seinen Leuten: »Hier ist kein Wasser. Morgen früh will ich erwachend Wasser finden. Grabt einen Brunnen. Wenn ihr morgen früh den Brunnen nicht fertig habt, so werde ich euch allen die Köpfe abschlagen lassen.« Danach legte sich Sidi Baba zu Bett. Seine Kriegsmannschaft arbeitete die ganze Nacht, und am anderen Morgen, als Sidi Baba erwachte, war der Brunnen vollendet. Es war ein Brunnen von weit über 100 Metern Tiefe. Man zeigt ihn noch heute. Er hat lange, lange Zeit bestanden, aber im Laufe der Zeit ist er verschüttet.

Sidi Baba kam nach Garrio und nahm es ein.

Als Sidi Baba von Tonna aufbrach, hatte er 10 000 lange starke Stricke mitgenommen. Die ließ er nun aneinanderbinden und begann damit, daß er in den ersten einen Gefangenen binden ließ. Einer ward hinter den anderen gebunden. Wie eine Kette von Schafen nahm sich das aus. Er unterwarf 100 Dörfer und band die Unterworfenen jeden in die Schleife eines der 10 000 Stricke. Die Leute sagten zu ihm: »Herr, du hast schon soviel getan, kehre doch heim!« Er sah an der Reihe der Gekoppelten entlang an das Ende und fragte: »Ist noch freie Schnur da?« Die Leute sagten: »Ja, es ist noch etwas Schnur da.« Sidi Baba sagte: »Dann sind wir noch nicht fertig, dann können wir noch nicht heimgehen.«

Er unterwarf das Land bis nach Barbe und Fentala im Kunarigebiet. Dann war fast die ganze Schnur aufgebraucht. Als er wieder zu dem Busch Nampala kam, sah er aber, daß doch noch 200 Schnüre ungenützt herunterhingen. Darauf sagte er: »Wir haben gerade 200 Djongwalde (Sklavenaufseher, ursprünglich wohl Distrikts- resp. Haufenführer). Wir haben gerade 200 Stricke übrig. Mit den 200 Stricken wollen wir den 200 Djongwalde die Hände auf dem Rücken zusammenbinden lassen. Dann will ich die 200 Djongwalde verkaufen. Sollten deren Kinder und Weiber aber schreien, so laß ich alle 200 Djongwalde einfach totschlagen.« So wurden die 200 Anführer verkauft, und dafür kaufte sich Sidi Baba Getränke. Sidi Baba starb, nachdem er 30 Jahre regiert hatte. Er hat in seinem Leben 620 Dörfer eingenommen. Seinem Stamme nach war Sidi Baba Kulloballi. Seine Nachkommen leben noch heute zwischen Gumbu und Sokolo. Es sind Bammana.

Hassum Labo

Sahel

Fondu Gorori galt als der klügste Mabo (Kaste der Spielleute) im ganzen Farimaka. – Eines Tages sagte die Frau des Hassum Labo: »Wenn du mir nicht das Rindvieh des Fondu Gorori wegtreibst, lasse ich mich von dir scheiden, denn alles, was du bis jetzt getan hast, genügt mir nicht. Du bist kein rechter Labo und kein rechter Fulbe.« Hassum sagte: »Ich werde sogleich mein Pferd satteln lassen und das Vieh des Fondu holen.«

Hassum machte sich auf den Weg. Er kam an Ort und Stelle, nahm alles Vieh zusammen und trieb es fort. Fondu hörte es und setzte hinter ihm her. Er erreichte ihn nach einiger Zeit. Fondu fragte: »Willst du heute lieber in der Erde oder im Himmel übernachten?« Hassum sagte: »Ich will bei mir zu Hause übernachten.« Fondu nahm seine Lanze und warf sie nach Hassum. Sie zersplitterte. Hassum nahm seine Lanze und warf sie nach Fondu. Sie zersplitterte. Hassum hatte noch einen ganz kurzen Speer. Mit dem warf er nach Fondu und verwundete ihn so, daß er vom Pferde sank. Hassum trieb aber sein erbeutetes Vieh heim.

Als Fondu Gorori kam, schalt ihn seine Frau und sagte: »Du bist kein echter Labo, kein echter Fulbe. Erst läßt du dir das Rindvieh fortnehmen, dann läßt du dich verwunden!« Fondu fragte: »Wer ist nun ein richtiger Labo?« Seine Frau sagte: »Hassum.« Fondu sagte: »Es ist gut.«

Am anderen Morgen verband Fondu sein Bein und setzte sich auf sein Pferd. Er ritt zum Gehöft Hassums. Hassum war nicht da. Hassums Frau war da. Fondu fragte: »Wo ist Hassum?« Die Frau sagte: »Mein Mann ist im Dorf. Was willst du?« Fondu sagte: »Dich will ich!« Die Frau sagte: »Bitte, nimm mich. Du kannst mich nehmen. Ich weiß, daß mein Mann hinter dir hersetzen wird, also!« – Fondu nahm die Frau Hassums und setzte sie hinter sich aufs Pferd. Dann ritt er fort.

Die Sklaven liefen zu Hassum und sagten ihm: »Fondu hat deine Frau genommen.« Hassum rüstete sein Pferd, sprang auf und setzte hinter Fondu her. Fondu hatte hinterlassen: »Sagt Hassum, daß ich kein Räuber bin. Ich werde vor dem Zaune meines Gehöfts auf ihn warten, um ihn zu sehen.« Die Leute sagten das Hassum. Hassum erreichte Fondu an dem Eingang vor dessen Gehöft. Fondu hatte hinter sich auf dem Pferd die Frau Hassums.

Fondu hatte immer sein Toru bei sich, das ihm guten Rat gab. Dies war ein Uodjerre, ein Kaninchen, das er in seinem Ledersack eingeschlossen hatte. Fondu fragte das Toru: »Was muß ich tun, um Hassum heute zu überwinden?« Das Uodjerre antwortete: »Du darfst nicht hoffen, mit einem Speer irgendwie etwas gegen Hassum ausrichten zu können. Du kannst nur obsiegen, wenn du mit dem Sattelgurt nach ihm schlägst.« Fondu sagte: »Es ist gut.«

Hassum kam heran. Hassum nahm seine Lanze und warf nach Fondu. Es war ein Fehlwurf. Fondu nahm den Gurt, schlug nach Hassum und da sank er getroffen vom Pferd. Fondu sagte: »Wenn ich dir weiter nichts tue, so ist das, weil ich eine Frau hinter mir auf dem Pferd habe.« Fondu kam nach Hause. Er sagte zu seiner Frau: »Wer ist nun der wahre Labo? Hassum hat mir zweihundert Stück Rindvieh genommen. Ich aber habe seine Frau, und ich werde sie ihm nur wiedergeben, wenn er mir mein Rindvieh wiedersendet und zweihundert Stück obendrein.«

Hassum tat so.

Das Glück des Toren

Kabylen

Ein Bursche hatte eine Mutter; der Vater lebte aber nicht mehr. Der Bursche war ein Waisenkind. Die Mutter war eine große Beterin, die keine Stunde des Gebets vorübergehen ließ. Der Bursche war aber ein törichter Schwätzer. Wenn morgens um vier Uhr der Muezzin von der Moschee aus zum Gebet rief, erhob sich die Mutter schon und begann laut zu beten. Und wenn er abends zum letzten Gebet rief, erhob sie sich abermals und betete nochmals laut.

Der Bursche schlief aber morgens gern lange, und das Beten der Mutter störte ihn. Eines Morgens weckte der Muezzin wieder wie immer um vier Uhr und störte dabei den törichten Burschen im Schlafe. Der Bursche nahm darauf seine Keule, ging hin, schlug ihn mit der Keule so in den Nacken, daß er tot hinfiel. Dann nahm er die Leiche des Muezzin und trug sie zum Brunnen. Er war sehr froh über das, was er angerichtet hatte.

Froh kam er nach Hause und sagte zu seiner Mutter: »Der Muezzin wird mich nicht mehr morgens im Schlafe stören. Ich habe ihn totgeschlagen und in den Brunnen geworfen.« Die Witwe erschrak. Sie sagte bei sich: »Mein Sohn wird es allen Leuten erzählen!« Die Witwe ging in den Schafstall, zog ein Schaf heraus, tötete es, trug es zum Brunnen und warf es hinein.

Der törichte Bursche lief auf den Männerversammlungsplatz, sprang froh unter den Männern umher und rief: »Ho! Der Muezzin wird mich jetzt morgens nicht mehr im Schlafe stören. Ich habe ihn totgeschlagen und in den Brunnen geworfen.« Die Männer sagten: »Das ist ja entsetzlich!« Sie liefen mit Haken und Stricken zum Brunnen und suchten das, was da unten lag, heraufzuholen. Sie ergatterten endlich den Hammel, den die Witwe eben erst wohlüberlegt obenauf geworfen hatte, zogen ihn herauf und lachten. Sie sagten untereinander: »Oh! Der törichte Bursche hat keinen so schlechten Witz gemacht. Er nennt den Muezzin einen Hammel!«

Eines Tages gab die Mutter dem törichten Burschen einen Teppich, daß er ihn auf den Markt trage und verkaufe. Der Bursche ging mit seinem Teppich auf den Markt, bot ihn feil, wartete, verhandelte, fand aber den ganzen Tag über niemanden, der ihm den Teppich abgekauft hätte, und ging abends damit wieder heim. Zwischen dem Markt und dem Dorf, in dem seine Mutter wohnte, rann ein Fluß, an dem der törichte Bursche vorbeigehen mußte. Als der törichte Bursche vorbeiging, rauschte der Fluß. Der Bursche sagte: »Was sagst du? Du sagst, deine Füße frören dich? Du sagst, du brauchst einen Teppich? Willst du mir den Teppich nächsten Markttag bezahlen? – Du willst dies tun? – Dann will ich dir den Teppich über die Füße decken.« Der törichte Bursche warf den Teppich weit aus und breitete ihn auf dem Flusse aus. Der Fluß trug den Teppich fort. Der Bursche rief ihm nach: »Vergiß nur nächsten Markttag nicht zu zahlen!«

Der Bursche ging heim. Er sagte vergnügt zu seiner Mutter: »Ich habe den Teppich verkauft.« Die Mutter sagte: »Wo hast du das Geld?« Der Bursche sagte: »Das Geld bekomme ich nächsten Markttag. Der Fluß hat nämlich den Teppich gekauft.« Die Mutter fragte: »Wer hat den Teppich gekauft?« Der Bursche sagte: »Der Fluß hat ihn gekauft. Der Fluß fror an den Füßen. Er will ihn mir nächsten Markttag bezahlen.« Die Mutter sagte: »Da sieh nur zu, wie du dein Geld bekommst. Nimm nur gleich die Hacke mit, um das viele Geld, das er dir in der Tasche bereithält, herauszukratzen.«

Am nächsten Markttag nahm der Bursche eine Hacke über die Schulter und ging auf dem Wege zum Markt zum Fluß hinab. Er ging an das Ufer und sagte: »Zeig' einmal! Wo hast du denn deine Goldtasche?« Es war heller Tag, und der Fluß rauschte wie immer. Der Bursche konnte nichts Besonderes hören. Der Bursche sagte: »Du bist heute recht träge mit deinen Antworten. Ich werde deine Goldtasche selbst suchen müssen.« Der törichte Bursche nahm seine Hacke von der Schulter und begann in das Ufer und in das Bett Löcher zu schlagen und Dämme aufzuwerfen. Der Wasserlauf wurde so aus seinem Bett weggezogen und trat zurück in ein altes, von dem die Bauern ihn mit Mühe weggezogen hatten, damit der Fluß so ihre Felder am Ufer berieselte. Es dauerte gar nicht lange, so floß das Wasser seitwärts ab und die unten beschäftigten Bauern erkannten die Gefahr, die ihren Äckern drohte. So kamen die Bauern alle zusammen, liefen den Flußlauf aufwärts und kamen zu dem törichten Burschen, der emsig mit der Hacke weiterarbeitete.

Die Bauern sagten: »Bursche, was machst du da?« Der Bursche sagte: »Ich habe eine Verhandlung mit dem Fluß, die ich nur allein mit ihm abmachen kann. Es ist eine Geschäftssache.« Der Bursche arbeitete weiter. Die Bauern fragten: »Um was handelt es sich denn?« Der törichte Bursche sagte: »Als ich neulich mit einem Teppich vom Markt hier vorüberkam, hatte der Fluß kalte Füße und bat mich, ihm den Teppich zu verkaufen. Heute wolle er bezahlen. Nun bin ich dabei, seine Goldtasche zu suchen. Stört mich nicht weiter durch dumme Fragen, damit ich mit dem Handel bald zu Ende komme.«

Die Bauern traten zur Seite. Sie sagten zueinander: »Wenn der Bursche hier oben noch lange weiterarbeitet, so wird er unten unsere Äcker zerstören. Wir wollen zusammenlegen und den Teppich bezahlen.« Die Bauern einigten sich. Sie kamen zurück. Sie sagten: »Hier schickt dir der Fluß das Geld von unten herauf.« Der Bursche nahm das Geld, zählte es nach und sagte: »Es ist richtig.« Darauf ergriff er seine Hacke, lief nach Hause, gab seiner Mutter das Geld und sagte: »Hier ist die Bezahlung.« Der Bursche ging dann auf den Versammlungsplatz, setzte sich zu den Männern und sagte: »Wenn ihr mit den Menschen handelt, macht ihr schlechte Geschäfte. Ich handle mit dem Fluß, der zahlt besser.«

Am nächsten Markttag gab die Mutter dem törichten Burschen einen Burnus und sagte zu ihm: »Bringe diesen Burnus auf den Markt und verkaufe ihn.« Der Bursche nahm ihn und ging zum Markt. Er zeigte den Burnus diesem. Er zeigte den Burnus jenem. Kein Mensch wollte den Burnus kaufen, denn der Bursche verlangte zu viel für seinen Burnus. Dem Burschen wurde das langweilig. Er ging über den Fleischmarkt weg dahin, wo die Geier waren, und fragte: »Wollt ihr den Burnus nicht kaufen? Da, seht ihn euch an!« Der Bursche warf den Burnus den Geiern hin. Die Geier nahmen ihn auf und flogen damit von dannen. Der törichte Bursche rief den Geiern nach: »Hooo! Vergeßt nicht! Am nächsten Markttag komme ich wieder! Dann bezahlt ihr mir den Burnus meiner Mutter.« Der törichte Bursche ging nach Hause und sagte zu seiner Mutter: »Den Burnus habe ich gut verkauft. Eine ganze Familie hat ihn mitgenommen.« Die Mutter fragte: »Hast du denn das Geld?« Der Bursche sagte: »Nein, das Geld habe ich nicht. Ich habe den Burnus den Geiern verkauft. Die werden mir am nächsten Markttage zahlen.« Die Mutter sagte: »Da wirst du wohl in ihr Haus gehen müssen, um das Geld zu bekommen.« Der Bursche sagte: »Ich habe viel Zeit. Es kommt mir auf den Weg nicht an.«

Am nächsten Markttag nahm der Bursche seine Hacke auf die Schulter, ging auf den Markt und sah sich nach den Geiern um. Er traf die Geier am Fleischmarkt und sagte: »Ihr da! Habt ihr mein Geld mitgebracht?« Der Bursche winkte mit der Hacke. Da flogen die Geier schreiend auf und davon. Der törichte Bursche sagte: »Mein Mutter ist doch eine kluge Frau; sie hat gleich vorhergesagt, daß ich bis in das Haus der Geier hinaufsteigen muß, um mein Geld zu bekommen. Nun rufen sie mich schon.« Er rief den Geiern nach: »Fliegt nicht so schnell. Ich muß doch nachkommen!«

Der törichte Bursche stieg hinter den Geiern her den Berg hinauf. Er fand ihr Nest. Er ging auf das Nest zu. Die Geier flogen schreiend fort. Der Bursche sagte: »Geht nur. Nehmen werde ich mir mein Geld schon selbst.« Er ergriff seine Hacke und lockerte den Boden. Da fand er, daß zwei Töpfe eingescharrt waren, die voller Gold- und Silberstücke waren. Die Geier hatten das Gold und das Silber zusammengetragen. Der Bursche sah das Gold und das Silber und er sagte: »Was, das wollt ihr mir alles geben? Bei meinem Kopfe! Ihr zahlt nicht schlecht. Das kann ich ja gar nicht alles tragen.« Der Bursche lief fort.

Der Bursche lief nach Hause und sagte zu seiner Mutter: »Mutter, du hast recht gehabt, die Geier zahlen nur bei sich zu Hause. Sie haben mir zwei große Topfscherben voll Gold- und Silberstücke hingestellt, die soll ich mitnehmen. Komm nun mit zwei Körben und trage das Gold nach Hause.« Die Mutter nahm zwei Körbe. Sie sagte bei sich: »Wenn es wahr ist, was der törichte Junge sagt, werde ich mit der Habsucht der Leute zu tun haben, denn der Junge wird es überall erzählen. Ich muß der Sache Pfeffer beimischen« (das soll heißen, ihr einen anderen Geschmack geben). Die Frau füllte den einen Korb mit Eiern und den anderen mit Kuchen. Sie sagte: »Ich bin fertig und werde vorangehen.« Die Mutter ging. Sie ließ bald einen Kuchen, bald ein Ei fallen. Der törichte Bursche hob den Kuchen auf. Er hob das Ei auf. Er verzehrte alle Kuchen und Eier, die die Mutter unterwegs fallen ließ. Die Mutter sagte unterwegs: »Es regnet heute.« Es war aber nicht wahr. Die Sonne schien. Der Sohn sagte: »Was sagst du? Es regnet heute?« Die Mutter ließ wieder einen Kuchen und ein Ei fallen und sagte: »Ja, es regnet heute.« Der Bursche aß den Kuchen und das Ei und sagte: »Ja, es regnet heute.«

Die Mutter kam mit dem Burschen zu dem Nest der Geier. Sie sah das Gold und das Silber in den Nestern. Sie packte die beiden Körbe voll und kam abends wieder nach Hause. Der Bursche ging am anderen Tag auf den Platz, auf dem alle Männer versammelt waren, und sagte: »Meine Mutter und ich sind jetzt reiche Leute. Wir haben Gold und Silber in Töpfen gefunden.« Die Leute hörten hin. Die Leute fragten: »Wann war das?« Der Bursche sagte: »Das war an dem Tage, an dem es Eier und Kuchen regnete.« Die Leute lachten. Die Leute sagten untereinander: »Er ist wirklich ein törichter Schwätzer.«

Eines Tages ging der törichte Bursche auf der Landstraße hin. Seiner Gewohnheit nach schwatzte er vor sich hin und er sagte:

»Wenn Gott mich hundert Goldstücke auf der Landstraße finden läßt, werde ich sie aufnehmen und mitnehmen. Wenn Gott mir nur neunundneunzig Goldstücke hinlegt, lasse ich sie liegen.« Hinter dem Burschen ging ein schlauer Händler, ohne daß der erstere es wußte. Der schlaue Händler sagte bei sich: »Was der törichte Bursche sagt, kann ihm, wenn er es ausführt, vor dem Richter ein Stück Geld kosten, das der einstecken kann, der die neunundneunzig Goldstücke hinlegt.« Der schlaue Händler lief voraus und legte neunundneunzig Goldstücke auf die Straße. Der törichte Bursche kam an die Stelle, fand die Goldstücke, nahm sie auf, zählte sie und sagte: »Ho! Das hätte ich nicht von Gott gedacht. Jetzt ist mir Gott noch ein Goldstück schuldig. Höre Gott! Merke es dir gut und zahle mir das letzte Goldstück bald!« Der törichte Bursche ging weiter.

Der schlaue Händler kam aus seinem Versteck und sagte: »Du hast meine neunundneunzig Goldstücke weggenommen.« Der Bursche fragte: »Hast du die neunundneunzig Goldstücke etwa da hingelegt oder hat Gott sie dich verlieren lassen?« Der Händler sagte bei sich: »Ich darf vor dem Richter nicht sagen, daß ich die neunundneunzig Goldstücke dort hingelegt habe.« Der schlaue Händler sagte: »Nein, ich habe sie nicht hingelegt. Gott hat sie mich verlieren lassen. Komm vor den Richter!« Der törichte Bursche sagte: »Ich habe keine guten Kleider, um mit dir zum Richter zu kommen!« Der schlaue Händler gab ihm neue Kleider. Der Bursche sagte: »Zu Fuß kann ich nicht gehen.« Der Händler gab ihm einen Maulesel. Der törichte Bursche ritt in den neuen Kleidern auf dem Maulesel mit dem schlauen Händler zum Richter. Der Händler sagte: »Der Bursche hat mir neunundneunzig Goldstücke gestohlen.« Der Bursche sagte: »Ho! Jetzt behauptest du wohl auch noch, daß du mir die Kleider, die ich am Leibe habe, und den Maulesel, auf dem ich reite, hinterher dazugegeben hast?!« Der schlaue Händler sagte: »Gewiß habe ich sie dir hinterher noch gegeben.« Der Richter sagte: »Du bist als schlau bekannt. Was du eben selbst angibst, wäre so töricht, daß ich dir die ganze Sache nicht glaube.« Der törichte Bursche sagte: »Mein Richter, frage ihn, ob ich nicht durch seine Vermittlung von Gott neunundneunzig Goldstücke bekommen habe.« Der Richter fragte: »Ist es so?« Der schlaue Händler sagte: »Das ist ja das, was ich behaupte. Gott hat sie mich verlieren lassen.« Der törichte Bursche sagte: »Und Gott hat sie mich gewinnen lassen und ist mir dabei ein Goldstück schuldig geblieben. Richter, ich bitte dich, mir das Goldstück Gottes durch den schlauen Händler auszahlen zu lassen.« Der Richter lachte und sagte: »Höre, du Schlauer, wenn du wirklich, wie du eben sagtest, auf Veranlassung Gottes das Geld verloren und es nicht zum Zwecke der Erpressung auf die Straße gelegt hast, so zahle dem Burschen im Namen Gottes auch das letzte Goldstück. Sonst müßte ich die Sache anders auffassen.« Der schlaue Händler zahlte das letzte Goldstück und ging. Der törichte Bursche steckte das Goldstück ein und sagte zu dem Richter: »Wegen dieses letzten Goldstückes hat mir Gott mehr Schwierigkeiten gemacht als mit den neunundneunzig ersten.«

Der Listige

Nupe

Ein Fauler legte im Busch Fallen für Guineahühner. Er fing zwei Guineahühner. Er sagte zu seiner Mutter: »Nun bin ich ein wohlhabender Mann.« Die Mutter sagte: »Wieso das?« Der Faule gab der Mutter eines der Guineahühner und sagte: »Bring mir das heute nachmittag in die Stadt auf den Markt.« Die Mutter sagte: »Es ist gut.«

Der Faule ging in die Stadt. Er trug sein Guineahuhn auf den Markt. Er ging an einem Madugu aus dem Haussaland vorbei und sagte: »Das ist ein wertvolles Huhn. Das kannst du nicht bezahlen.« Der Madugu sagte: »Es ist ein Guineahuhn. Weshalb soll ich es nicht bezahlen können?« Der Faule sagte: »Weil es 400 000 Kauri kostet.« Der Madugu sagte: »Weshalb ist es so teuer?« Der Faule sagte: »Weil es viel Arbeit leistet.« Der Madugu sagte: »Was tut es denn?« Der Faule sagte: »Es kann in drei Tagen ins Haussaland und zurück eine Botschaft bringen.« Der Madugu sagte: »Wenn es das kann, so will ich es kaufen. Aber mach es mir erst vor.« Der Faule sagte: »Ich will das Guineahuhn einmal zu meiner Mutter hinaus zur Farm senden und sie gleich hierher kommen lassen.« Der Faule ließ das Perlhuhn frei. Das Perlhuhn flog in den Busch. Wenige Zeit später kam die Mutter mit dem zweiten Perlhuhn über den Markt. Der Faule sagte zum Madugu: »Sieh, da kommt meine Mutter. Das Perlhuhn hat meine Mutter gerufen.« Der Madugu sagte: »Es ist richtig!« Er zahlte 400 000 Kauri und nahm das Perlhuhn, das die Mutter mitgebracht hatte.

Am anderen Tage sandte der Madugu das Perlhuhn nach Kano und ließ seinen Leuten sagen, sie sollten mit anderen Lasten nachkommen. Der Madugu ließ das Perlhuhn fliegen. Das Perlhuhn flog in den Busch und kam nicht wieder. Der Madugu wartete sieben Tage. Als das Perlhuhn am siebenten Tage nicht wiedergekommen war, nahm er einen Stock und lief zu dem Faulen, um ihn zu schlagen. Der Faule hatte ein Pferd gekauft. Er hatte um das Pferd herum weithin Kaurimuscheln ausgestreut. Viele Menschen waren dazugekommen. Die Leute standen herum und sagten: »Das ist merkwürdig! Das ist merkwürdig!« Der Madugu fragte: »Was ist merkwürdig?« Die Leute sagten: »Sieh, das Pferd mistet Kauri!« Der Madugu trat herzu. Er sah das Pferd auf den Kauris. Der Madugu vergaß die Sache mit dem Perlhuhn. Der Madugu fragte den Faulen: »Wieviel willst du für das Pferd haben?« Der Faule sagte: »Ich will dafür drei Millionen Kauri haben.«

Der Madugu sagte: »Ich kaufe es!« Der Madugu ließ das Geld holen. Er bezahlte das Pferd. Er nahm das Pferd. Er ging mit dem Pferd von dannen. Als er ein Stück weit gegangen war, rief der Faule ihn zurück und sagte: »Du hast vergessen zu fragen, was man dem Pferd für Futter geben muß, damit es Kauri mistet!« Der Madugu sagte: »Ja, das muß ich wissen!« Der Faule sagte zu ihm: »Gib ihm jedesmal, wenn es Kaurimuscheln misten soll, Asche, gemischt mit der Rinde vom Ma-datschibaum.« Der Madugu sagte: »Es ist gut.« Der Madugu nahm das Pferd heim. Er gab ihm Asche, gemischt mit Rinde vom Ma-datschibaum zu fressen. Am Abend starb das Pferd.

Der Madugu nahm einen dicken Knüppel und lief zu dem Faulen, um ihn zu verprügeln und um von ihm das Geld zurückzufordern. Der Faule hatte drei Frauen. Er legte eine von ihnen auf die Erde. Er schlachtete einen Hammel und goß dessen Blut über den Kopf und Oberleib der Frau. Er sagte zu der Frau: »Lieg ganz still, bis ich dir mit dem Messer einen flachen Schlag auf den Leib gebe.« Die Frau sagte: »Es ist recht.«

Nach einiger Zeit kam der Madugu mit dem Knüppel an, um den Faulen zu schlagen. Als er die blutige Frau im Blute liegen sah, vergaß er die Sache mit dem Pferd. Der Madugu sagte: »Was ist hier vorgegangen?« Der Faule sagte: »Diese Frau war ungezogen, ich tötete sie. Es hat aber nichts auf sich. Ich kann sie jeden Augenblick wieder lebendig machen. Ich brauche sie nur mit diesem Messer auf den flachen Leib zu schlagen.« Der Madugu sagte: »Mach es mir vor!« Der Faule schlug mit dem flachen Messer leicht auf den Leib der Frau. Die Frau stand auf. Der Madugu sagte: »Was soll das Messer kosten?« Der Faule sagte: »Ich will zwei Millionen Kauri dafür haben.« Der Madugu ließ das Geld holen. Er bezahlte das Messer. Er nahm das Messer mit nach Hause.

Als er nach Hause kam, sagte er zu seinen Leuten: »Ich habe ein Messer, mit ihm kann man einen Menschen totschlagen und wieder lebendig machen.« Die Leute sagten: »Mache es vor!« Der Madugu schlug seiner Frau den Kopf ab. Die Frau fiel tot zu Boden. Er schlug ihr flach auf den Leib. Die Frau stand nicht auf. Sie blieb tot. Der Madugu weinte. Der Madugu sagte: »Der Faule hat mich betrogen. Wir wollen hingehen. Wir wollen ihn töten und ihm wieder alles Geld abnehmen!« Seine Leute liefen mit ihm zu dem Faulen.

Der Faule hatte in einem tiefen Brunnen ein Seitenloch gegraben. Er stieg hinab. Er nahm viele Kalebassen mit sich. Er setzte sich in das Seitenloch. Er sagte zu seiner Mutter: »Setze dich an den Rand des Brunnens. Weine. Sage, ich sei in den Himmel gegangen, um mit Soko (Gott) ein Palaver zu erledigen.« – Der Madugu kam mit seinen Leuten. Er kam zu der Mutter, die neben der Brunnentiefe saß. Die Mutter weinte. Der Madugu fragte: »Wo ist dein Sohn?« Die Mutter sagte: »Er ist zu Soko gegangen und macht im Himmel Palaver! Hört nur!« Der Faule schlug unten die Kalebassen gegeneinander, daß sie zersprangen. Als der Madugu und seine Leute das hörten, erschraken sie. Sie vergaßen die Sache mit dem Messer und liefen, so schnell sie konnten, von dannen.

Samba Kullung der Narr

Sahel

Samba Kullung heißt soviel wie Samba, der nichts tut, Samba der Feigling. Wenn man neben dem Kinde Samba die Hand schnell aufhob, so schrak es zusammen. Wenn einer aufschrie, so rannte das Kind Hals über Kopf von dannen. So war Samba Kullung als Kind; so wuchs Samba Kullung heran. Sein Vater gab ihm ein Pferd, einen Dialli (Spielmann), einen Pferdeburschen namens Munjo Kadi. Sein Dialli war Sirima. So war Kullung denn erwachsen.

Samba war aber immer noch Samba Kullung, Samba der Feige. Er war groß und stark und sehr schön, aber alle Welt verlachte ihn wegen seiner Feigheit. Die Mutter Sambas sagte zum Dialli Sirima: »Alle Welt sagt Schlechtes von meinem Sohn. Kann man denn gar nichts tun?« Dialli Sirima sagte: »Man kann nichts, man kann gar nichts tun. Ich reize ihn jeden Tag. Ich erzähle ihm allerhand, um ihn begierig zu machen auch Abenteuer zu bestehen; aber es nützt nichts. Er ist schon als Kind von diesem Charakter gewesen und wird als Erwachsener kaum anders werden.« Die Mutter sagte: »Ach, diese Schande in meiner Familie. Ich werde es nicht überleben. Oh, diese Schande! Aber höre, Dialli Sirima; könnte man nicht eine Freundin für ihn gewinnen? Jedes Frauenzimmer regt und reizt den Mann zu Kriegsabenteuern an. Könnte man ihm nicht eine Freundin gewinnen?« Dialli Sirima sagte: »Nichts ist einfacher als das; denn Samba Kullung ist der schönste Mann in Kala.«

Am anderen Tage kam Dialli Sirima mit einem schönen Mädchen namens Kumba zu Samba Kullung. Samba Kullung saß auf der Ecke seines Bettes. Der Dialli setzte sich mit dem schönen Mädchen auch auf das Bett. Kumba saß in der Mitte. Nach einiger Zeit stand Dialli Sirima auf, ging hinaus und ließ die beiden allein. Einen ganzen Tag lang, bis zum anderen Morgen, blieb Samba Kullung mit dem schönen Mädchen allein. Dann kam er heraus. Dialli Sirima fragte: »Nun, was war denn?« Samba Kullung sagte: »Was soll gewesen sein? Wir haben nebeneinander auf dem Bett gesessen. Sie hat nichts gesagt, da habe ich auch nichts gesagt. Sie hat sich nicht bewegt, da habe ich mich auch nicht bewegt.« Dialli Sirima sagte: »Du hast es nicht recht gemacht. Wenn man neben einem schönen Mädchen sitzt, so muß man sie am Arm anfassen. Versuche das einmal!«

Dialli Sirima ging mit Samba Kullung in das Haus. Er setzte sich mit zu Kumba und Samba Kullung. Dann ging er hinaus. Samba Kullung faßte nun Kumba leicht am Arm. Kumba aber, wie das so die Art der Frauen ist, stieß ihn beiseite und sagte: »Ach, geh doch!« Samba Kullung stand auf und ging. Er traf draußen den Dialli Sirima. Der fragte: »Nun?« Samba Kullung sagte: »Ich habe Kumba angefaßt, da hat sie mich fortgestoßen und gesagt: ›Ach, geh doch!‹ Darauf bin ich natürlich gegangen.« Dialli Sirima sagte: »So, so – Da kennst du die Art der Frauen noch recht wenig! So machen sie es alle. Versuche es noch einmal, und wenn sie dich wieder wegstößt, so klopfe ihr ein wenig auf den Hintern. So und nicht anders mögen es die Frauen.«

Samba Kullung ging sogleich wieder in das Haus. Nun kam er aber sobald nicht wieder heraus. Sie blieben einen Tag darin. Als Dialli Sirima ihn am nächsten Tag fragte, wie es gewesen sei, sagte Samba Kullung: »Höre, mein Dialli Sirima, es war sehr unrecht von dir, daß du mir nicht schon lange gesagt hast, daß es etwas so Schönes auf der Erde gibt. – Als sie mich wieder wegstieß, klopfte ich ihr auf den Hintern und dabei wurde mir so wohl, daß ich Achtung gab, was weiter geschehen könne, und darauf habe ich dann Kumba beschlafen. Ach, Dialli Sirima, warum hast du mir nicht früher gesagt, daß es so etwas auf Erden gibt!«

Am nächsten Tag kam die Mutter des Burschen zum Dialli Sirima und fragte: »Nun? Hat es etwas genützt?« Dialli Sirima sagte: »Der Rat war gut. Etwas hat er sich schon gebessert.«

Einige Tage nachher wurde die Tabele (Kriegspauke) geschlagen, weil in der Nachbarschaft ein Gefecht war. Dialli Sirima ging zu Samba Kullung, setzte sich neben ihn und sagte: »Die Tabele wird geschlagen!« Samba Kullung sagte nichts. Dialli Sirima sagte nach einer Weile: »Die Tabele wird geschlagen. Wollen wir nicht mit in den Krieg ziehen?« Samba Kullung sagte: »Ach, denkst du vielleicht, weil ihr mir die Kumba gegeben habt, müßte ich auch etwas tun und in den Krieg ziehen? Das fällt mir nicht ein. Ich bleibe zu Haus.« Der Vater Samba Kullungs fragte Samba Kullung: »Nun, mein Sohn, du bist nicht mit in den Krieg gezogen?« Der Bursche sagte: »Nein, ich mag nicht in den Krieg, ich will zu Hause bleiben.« Der Vater sagte: »Ich schäme mich deiner. Mach', daß du mir aus den Augen kommst. Geh weg!« Die Mutter Samba Kullungs sagte zu ihrem Sohne: »Wenn ich dich sehe, muß ich mich schämen. Geh mir aus den Augen.« Samba Kullung ging.

Samba Kullung rief Munjo Kadi, seinen Sufa, und sagte: »Meine Eltern wollen nichts mehr von mir wissen, weil ich nicht in den Krieg ziehen will. Sattle also mein Pferd, ich will in die Ferne ziehen, wo es keinen Krieg und Streit gibt.« Munjo Kadi sattelte das Pferd. Dialli Sirima kam zu ihm und sagte: »Ich will bei dir bleiben, ich will mit dir in die Fremde ziehen.« Die drei machten sich auf, verließen die Stadt und zogen in die Wildnis. Ein und einen halben Monat irrten sie in der Wildnis umher. Dann kamen sie in die Nähe eines großen Dorfes.

Dem Dorfe stand ein großer Häuptling vor, der hatte eine sehr schöne, ledige Tochter. Die Sklavin des Mädchens war eines Tages am Buschrande, hatte Holz gesammelt, es auf den Kopf gehoben und wollte es nun nach Hause tragen. Sie sah die drei Wanderer, und als ihr Blick auf Samba Kullung fiel, da wurde sie so befangen von der Schönheit des jungen Reiters, daß sie ihr Holz hinwarf und so schnell sie konnte nach Hause rannte. Daheim sagte sie zu ihrer Herrin: »Es kommt ein schöner, schöner Reiter mit seinem Dialli und einem Sufa. Sorge, daß dein Vater ihn würdig empfängt und ihm ein gutes Gehöft anweist.« Die Tochter des Oberhauptes ging hin und sagte das ihrem Vater. Samba Kullung kam mit seinem Dialli und seinem Sufa in dem großen Ort an. Der Dugutigi empfing ihn freundlich. Er führte ihn in ein schönes, weites Gehöft und tötete einen Hammel, um ihn zu ehren. Alle Leute sagten: »Was ist dieser Mann schön!« Samba Kullung machte es sich bequem und wohnte zwei Tage daselbst. Während zwei Nächten beschlief er die Tochter des Dugutigi.

Am dritten Tage ward die Tabele geschlagen. Samba Kullung saß in seinem Haus. Er achtete nicht auf den Kriegslärm. Die Tochter des Bürgermeisters aber kam, ließ sich, um ihn zu ehren, vor der Tür auf die Knie nieder und sagte: »Samba, höre die Tabele! Samba, willst du nicht in den Krieg ziehen?« Samba sprang auf und sagte: »Ach, du denkst, weil dein Vater mir einen Hammel geschlachtet hat, soll ich nun in den Krieg ziehen? Nein, das tue ich nicht. Ich mag den Krieg nicht! Ich bin Samba Kullung. Vater und Mutter haben mich schon aus dem Hause gejagt, weil ich Samba Kullung bin und nicht in den Krieg ziehen will. Du denkst nun, daß ich für den Hammel deines Vaters zum Krieg ausziehen würde!?« Das Mädchen sprang auf und sagte: »Ach, so einer bist du? Du bist Samba Kullung? Nein, dann will ich nichts mehr von dir wissen. Zieh deiner Wege, mich kümmerst du nicht mehr.« Samba Kullung rief seinen Sufa. Er sagte zu ihm: »Munjo Kadi, sattle mein Pferd, wir wollen diesen Platz verlassen.« Munjo Kadi sagte: »Es ist gut.« Er tat so. Samba Kullung bestieg sein Pferd. Dialli Sirima aber sagte: »Ich werde heimkehren und werde nicht länger bei dir bleiben. Denn du wirst nicht anders, und nur Schmach und Schande habe ich als deinen Lohn zu erwarten.« Dialli Sirima ging heim. Samba Kullung aber zog mit seinem Sufa allein weiter.

In einer großen Stadt herrschte ein großer König. Der war reich, hatte viel Land und Leute und eine sehr schöne und kluge Tochter, die noch keinem Mann in die Ehe gefolgt war. Die Sklavin dieser Prinzessin wusch vor den Toren der Stadt die Kleider ihrer Herrin an einem Teichrand. Sie sah von der Arbeit auf, und ihr Blick fiel auf Samba Kullung, der mit seinem Munjo Kadi angeritten kam. Allsogleich war das Mädchen von der Schönheit dieses Reiters so befangen, daß es seine Wäsche vergaß, aufsprang und zu seiner Herrin in die Stadt lief. Das Mädchen kam in deren Haus und sagte: »Fatumata, ich sah soeben einen schönen, sehr schönen Reiter kommen, der in unsere Stadt einzieht. Bitte nur sogleich deinen Vater, den König, daß er den Fremden würdig empfange, denn nie sahen meine Augen einen so schönen Mann wie diesen Reiter.« Fatumata ging zu ihrem Vater und sagte: »Mein Vater, ich höre, es soll ein sehr stattlicher und schöner Reiter in deine Stadt einziehen. Ich bitte dich, ihn würdig zu empfangen und ihm deine Freundschaft zu gewähren.« Darauf ließ der Fama ein großes Gehöft herrichten, und als nun Samba kam, empfing er ihn und ließ einen Ochsen schlachten und Fatumata sagte zu ihrer Sklavin: »Du hast recht gehabt, das ist der schönste Mann, den ich je gesehen habe.« Dazu schenkte Fatumata ihrer Sklavin einen hübschen Lendenschurz. Samba Kullung machte es sich in seiner schönen Wohnung sehr bequem, und es erschien ihm das alles außerordentlich angenehm. Während fünf Tagen ging es ihm ganz vorzüglich. Alle Tage wurde ihm mehrmals ausgezeichnetes Essen gebracht, zudem schlief er nachts bei der schönen Fatumata und der König erwies ihm große Ehre. Am sechsten Tage aber ward die Tabele gegen Abend geschlagen und es hieß überall: »Die Feinde kommen, die Feinde kommen, man muß ihnen entgegenreiten.« Samba Kullung tat so, als ob er von alledem nichts bemerke.

Eine Zeitlang beobachtete Fatumata von ihrem Hause aus, was Samba nun tun würde. Als sie sah, daß in dessen Gehöft gar nichts geschah, ging sie hin und warf sich vor ihm auf die Knie. Sie sagte: »Samba, die Tabele ist geschlagen. Laß dein Pferd rüsten, zieh auch mit den Königsleuten gegen den Feind!« Samba sagte: »Ich werde nicht gehen! Weil ich den Krieg nicht leiden mag, haben mich Vater und Mutter aus dem Hause gewiesen. Weil ich den Krieg nicht leiden mag, nennen sie mich Samba Kullung. Weil ich Samba Kullung bin, hat mich ein anderes schönes Mädchen von sich gestoßen. Und wenn dein Vater mir auch Ochsen schlachtet, so werde ich den Krieg doch nicht beginnen. Wenn du mich nicht so magst, wie ich bin, werde ich gehen.«

Fatumata war schön und stolz und sehr klug. Sie hatte in diesen Tagen schon vieles mit Samba gesprochen. Sie hatte seinen Charakter gesehen, und da Samba sehr schön war, hatte sie ihn sehr lieb. Sie sagte zu Samba: »Wenn du auch Samba Kullung bist, werde ich doch nicht von dir lassen. Aber ich will deine Kleider anziehen und dein Pferd besteigen und mit gegen den Feind ziehen. Es ist so dunkel, daß niemand das Gesicht und jeder nur das Kleid erkennen kann.« Es waren ein paar Sklaven dabei, die hörten und sahen alles. Fatumata zog die Beinkleider und den Mantel Samba Kullungs an und sagte zu den Sklaven: »Wenn heute oder später je einer das sagt, was hier geschieht, so lasse ich euch töten.« Fatumata stieg auf Samba Kullungs Pferd und ritt von dannen in die Nacht hinaus. Samba Kullung sah ihr heimlich und lange nach.

Die Tabele war umsonst geschlagen, es war blinder Lärm. Es kam kein Feind, sondern nur eine falsche Nachricht. Alle kehrten noch in gleicher Nacht um und Fatumata wechselte wieder die Kleider. Samba Kullung betrachtete lange sein Kleid, das Fatumata getragen hatte. Am anderen Tag ging Samba über den großen Platz in der Stadt. Da saß ein Dialli, der sang: »In dieser Nacht habe ich einen herrlichen Reiter gesehen, der war kein Mann unserer Stadt, aber er wollte gegen den Feind zu Felde ziehen. Wenn es zum Kampf gekommen wäre, dann hätte er sicherlich manchen fremden Räuber niedergeschossen. Sicher hätte er Großes geleistet.« Samba Kullung blieb an der Ecke stehen und hörte dem Dialli lange Zeit zu. Dann ging er nach Hause.

Fatumata war sehr traurig, daß der schöne Samba so gar nicht für den Krieg gesonnen sei. Sie überlegte lange; sie betrachtete den Charakter Samba Kullungs und fand, daß er sehr jung war.

Eines Tages sagte Fatumatas Vater zu seiner Tochter: »Wenn ich nicht sehr irre, wird es heute abend noch zu einem Gefecht mit den Nachbarn kommen. Sage das Samba, aber sorge, daß die Stadtleute nichts vorzeitig erfahren.« Fatumata überlegte. Sie sagte Samba Kullung und niemand anderem etwas, wohl aber kaufte sie auf dem Markt eine große Kalebasse voll Honigbier. Als es Abend war, ging sie zu Samba hinüber und ließ das Honigbier auch dorthin tragen. Samba Kullung fragte: »Was ist das?« Samba Kullung war noch so unerfahren, daß er nicht wußte, was ein berauschendes Getränk war. Fatumata sagte: »Ach, das hier ist nichts anderes als ein gutes Magenelixier. Versuche es nur!« Samba Kullung trank.

Samba Kullung trank. Er sagte: »Weshalb hat mir niemand früher gesagt, was es für herrliche Sachen gibt?!« Samba Kullung trank und ward betrunken. Er nahm Fatumata auf die Knie. Fatumata sagte: »Alle Leute der Stadt sagen, daß, wenn du nur willst, du allein eine ganze Räuberbande überwinden kannst.« Samba Kullung lachte. Samba Kullung trank.

Samba Kullung trank. Draußen auf dem großen Platz ward die Tabele geschlagen. Fatumata hörte es. Fatumata stand auf. Samba Kullung hörte es. Er sagte zu Fatumata: »Ach, du denkst wohl, du könntest jedesmal so für mich in den Krieg ziehen? Nein, Fatumata, du sollst die Dialli einmal von mir singen hören! Morgen werden sie das Pui singen. Heute ist die Tabele nur für mich geschlagen – denn alle Leute der Stadt sagen: ›Wenn Samba Kullung will, kann er eine ganze Räuberbande allein überwinden‹ Hörst du, wie sie die Tabele für mich schlagen?« Samba Kullung rief Munjo Kadi. Er sagte zu seinem Sufa: »Rüste mein Pferd, ich will wieder einmal in den Krieg reiten.«

Munjo Kadi sattelte das Pferd; Samba Kullung ritt von dannen. Er ritt mit den anderen. Er tötete einen Feind. Er kam zu Fatumata zurück und sagte: »Heute hatte ich kein Glück; denn ich habe nur einen Feind töten können.« Dann schlief er ein.

In der Nähe der Stadt, in der der Vater Fatumatas König war, lebte ein Jäger mit Namen Gomble. Das war ein großartiger Mann, begütert und über alle Maßen gewalttätig und jähzornig.

Er hatte große Ländereien und viele Sklaven, die seine Äcker bestellten. Er konnte es aber nicht mit ansehen, daß ein Pferdehuf seinen Acker betrat. Gar viele Leute, die mit oder ohne Willen über seinen Acker geritten kamen, hatte er angegriffen, und da er sehr stark war, hatte er sie alle getötet. Anschließend hatte er ihnen dann die Köpfe abgeschlagen und die Köpfe in die großen Bäume gehängt, die seine Äcker umgaben. Alle Welt hatte vor Gomble solche Furcht, daß niemand wagte, auf dem Kriegszug seinen Namen auszusprechen. Auch traute sich kein Mensch den Weg einzuschlagen, der zu seinen Besitzungen führte.

Als Fatumata sah, welche Wirkung das Bier auf ihren Samba Kullung ausgeübt hatte und nun hörte, daß die Dialli von seiner Schönheit und seiner Tapferkeit sangen, kaufte sie viel Durra und machte selbst daheim das beste Dolo. Das Dolo setzte sie Samba Kullung eines Morgens vor, und er begann zu trinken. Er nahm Fatumata auf die Knie. Als Samba Kullung genug getrunken hatte, sagte Fatumata: »Alle Leute loben dich wegen deiner Tapferkeit.« Samba Kullung sagte: »Ach, ich habe noch nichts getan. Aber ich habe gehört, daß es einen Jäger namens Gomble gibt.« Fatumata sagte: »Ach, schweig von dem! Kein Mensch wagt es, seinen Namen auszusprechen. Noch viel weniger wird ein Mensch wagen, ihn anzugreifen.«

Samba Kullung ergriff den Dolotopf. Er trank. Er setzte Fatumata auf die Erde und sagte: »Geh zu deinem Vater und sage ihm, er möchte für mich die Tabele schlagen lassen, dann möchte er mir Leute mitgeben, die mir den Weg zu Gomble zeigen.« Fatumata ging sogleich zu ihrem Vater und sagte: »Laß für Samba die Tabele schlagen. Er will mit Gomble kämpfen und bittet dich, ihm Leute mitzugeben, die ihm den Weg zeigen.« Der Fama sagte: »Das ist eine gute Botschaft.« Er ließ die Tabele schlagen.

Samba Kullung bestieg sein Pferd, er nahm seine Büchse. Es folgten ihm 100 Freie, 100 Dialli, 100 Numu und 100 Sklaven, alle zu Pferde. Als sie ein Stück weit geritten waren, teilte sich der Weg. Rechts ging eine breite Straße ab, die gingen viele Leute. Links führte ein schmaler Pfad zum Lande Gombles. Die Leute sagten: »Wir müssen nach links. Das ist der Weg zu Gomble.« Als das die vielen, vielen Gaffer, die aus der Stadt mitgekommen waren, hörten, blieben sie stehen und sahen Samba Kullung nach, der nach links von dannen ritt. Nach einer Weile sagten die 100 Sklaven: »Das wird eine schlimme Sache. Wir lassen wohl lieber davon ab.« Und die 100 Sklaven blieben fort. Nach einer Weile sagten die Dialli und Numu: »Ich denke, das wird genügen, wenn wir bis hierher gefolgt sind, denn dort vor uns hinter dem Hügel liegen schon die Äcker Gombles.« Die Numu und Dialli blieben dort. Die 100 Freien aber stiegen von den Pferden ab und begleiteten Samba Kullung noch eine Weile zu Fuß. Dann lagerten auch sie zur Seite.

Samba Kullung ritt nun allein und sah auch bald die Felder Gombles vor sich. Siebenhundert Söhne und Sklaven arbeiteten auf den Feldern Gombles. Gomble selbst aber saß am Rande der Felder unter einem Butterbaum und trank aus einer Kalebasse sein Bier. Samba Kullung tat so, als sähe er Gomble nicht und ritt auf den Acker des Jägers zu und ein Stück auf ihm hin. Gomble sah dem kühnen Unternehmen eine Weile erstaunt zu, dann rief er: »He, du schöner Mann, bist du ein Fremder, oder bist du aus diesem Land?« Samba Kullung erwiderte: »Ich bin ein Fremder in diesem Land.«

Gomble sagte: »Wie, kein Alter, kein freundlicher Ratgeber fand sich in der Gegend, aus der du kommst, in jener Stadt, die du gekreuzt haben mußt, der dir gesagt hätte, was es um mich und meine Äcker für eine Bewandtnis hat? So wisse denn, ich bin Gomble, ein Jäger und übelgesinnter Mann, und zumal alle, deren Pferde meinen Ackerboden berührten, haben bis heute ein hartes Schicksal erfahren. Ich habe sie eingefangen, getötet und ihre Köpfe in jene Bäume gehängt. Nun weißt du, wo du bist!« Samba Kullung sagte: »So bin ich ja genau vor dem rechten Stadttor angekommen. Mit dem Gomble wollte ich ein Wort reden.« Gomble sagte: »Es ist recht, ich will mit dir sprechen, denn du bist ein schöner Bursche und ich mache deshalb gern mit dir Kameradschaft. Steige aber sogleich von deinem Pferd und führe es an den Grenzrain dort. Dann fülle die Erde, die von den Hufen deines Pferdes berührt ist, in deine Mütze und trage sie beiseite. Das beanspruche ich. Nachher können wir gut Freund sein.« Samba Kullung sagte: »Ah, so hast du mich falsch verstanden! Nicht so will ich. Ich will dich packen.« Gomble sagte: »Treibe nicht solche Scherze mit mir. Wenn du nicht so ein schöner Jüngling wärst, dessen Anblick mir angenehm ist, würde ich dich schon lange an einem jener Bäume aufgehängt haben. So aber will ich dir etwas sagen. Vielleicht bist du ein junger Hungerleider, der das Glück für den Lebensunterhalt einsetzt. Brauchst du etwas, so nimm dir die zwei Sklaven dort – ich will sie dir schenken, weil du hübsch bist.«

Samba Kullung sagte: »Ach, du hast mich doch falsch verstanden. Nur dich, niemand anderes will ich packen.« Gomble sagte: »Reize mich nicht allzusehr, denn schon länger als mit anderen hielt sich meine Geduld mit dir auf. Nimm deine Sklaven dort meinetwegen und trolle dich von dannen.«

Samba Kullung sagte: »Ach, noch immer hast du mich nicht verstanden. Nur dich, dich allein will ich jetzt packen. Eile dich!« Gomble sagte: »Wie du willst!« Gomble packte sein Gewehr. Er stieß nach Jägerart mit dem Kolben auf Samba Kullung zu, mit dem Kolben in die Luft, dann drehte er es um, um auf Samba zu schießen. Gomble drückte ab, aber sein Gewehr versagte. Da packte ihn Samba an der Brust und schwenkte ihn hoch in die Luft. Gomble aber rief den Söhnen und Ackerknechten zu: »Laßt euch durch dieses kleine Ungemach nicht in eurer Arbeit stören!«

Gomble sagte dann zu Samba: »Samba, du raubst (soll heißen: du nutzest das Unglück, das ich mit der Flinte hatte, ungebührlich aus)!« Samba Kullung sagte: »Niemand soll behaupten, daß ich geraubt habe. Geh, gib die beiden Kolanüsse deinen Baschi zu essen, daß sie dich besser schützen.« Er ließ Gomble auf die Erde gleiten und warf zwei Kolanüsse hin. Gomble ging zur Seite. Nach einiger Zeit fragte Samba Kullung: »Gomble, bist du fertig?« Gomble sagte: »Ich bin fertig. Du kannst kommen.« Gomble nahm die Büchse und schoß. Er traf die Mütze Samba Kullungs, der sich gebückt hatte. Die Kugel riß sie ihm, ohne ihn selbst zu streifen, vom Kopf. Samba Kullung aber stürmte auf Gomble los, packte ihn zum zweiten Mal und schwenkte ihn hoch in der Luft. Samba Kullung sagte: »Gomble, wenn ich dich dreimal so packe und schwenke, willst du mir dann als Sufa folgen? Willst du dann mein Sklave sein?« Gomble sagte: »Das kann nicht dreimal geschehen!« Samba sagte: »Wir werden es sehen!« Samba ließ Gomble auf die Erde gleiten. Gomble aber rief seinen Söhnen und Hörigen zu: »Was hier vor sich geht, darf eure Arbeit nicht stören.«

Gomble ging zur Seite. Samba Kullung fragte Gomble: »Bist du fertig?« Gomble sagte: »Ja, du kannst kommen.« Er wollte dann sein Gewehr abdrücken, aber Samba Kullung stürmte so schnell und gewaltig heran, daß er das Gewehr Gombles zur Seite schlagen konnte, ehe es noch abgeschossen war. Jetzt packte er Gomble zum dritten Mal und schwenkte ihn hoch in der Luft. Dann sagte er: »Nun, Gomble, das wäre ja wohl das dritte Mal!« Die 700 Söhne und Arbeiter Gombles wollten sich auf den schönen Jüngling stürzen, aber Gomble rief: »Was geht euch diese Sache an? Wollt ihr machen, daß ihr zu eurer Arbeit kommt?« Die 700 Söhne und Arbeiter gingen wieder fort. Gomble sagte aber zu Samba Kullung: »Samba, du hast mich dreimal überwunden. Ich will dir als Höriger folgen, wohin du mich führst.«

Da machte sich Samba Kullung auf den Heimweg. Gomble folgte ihm. Sie kamen zu den 100 Freien, zu den 100 Numu, zu den 100 Dialli, zu den 100 Sklaven. Alle Leute jubelten: »Samba hat den Gomble überwunden. Gomble ist ganz allein der Hörige Sambas geworden. Seht, er geht hinter Samba. Samba ist der Tapferste. Seht Samba!« Gomble sagte aber zu den Leuten: »Laßt es euch nicht einfallen, meiner zu spotten; denn das würde für euch schlimm ausfallen. Wohl bin ich Sambas Höriger, aber nicht der eure. Ihr habt mich nicht überwunden.« Samba sagte: »Gomble hat recht. Ihr dürft ihn nicht verspotten.« Gomble sagte: »Ihr sollt aber meinen Herrn preisen, denn Samba ist stark und tapfer und schön.« Da riefen die Leute: »Samba ist der tapferste aller Männer!« So kamen sie bis zur Wohnung Fatumatas, und Gomble ging hinter Samba Kullung her als dessen Sklave. – Darauf ernannte man Samba Kullung zum Kelle-tigi, der in Zukunft alle Kriege und Fehde der Städter leiten sollte. – Nie war aber in dieser Stadt ein Krieger, der so herrlich und gewaltig war wie Samba Kullung.

Eines Tages hatte Fatumata ausgezeichnetes Dolo bereitet. Da machte sich Samba Kullung auf und zog gegen den Feind, ganz allein, und er brachte alle ihre Ochsen und Kühe heim – eine große Herde. Ein anderes Mal machte sich Samba Kullung wieder auf, als Fatumata herrliches Dolo bereitet hatte. Er brachte eine Herde von Kühen und Ochsen heim, die war noch viel, viel größer. Ein drittes Mal bereitete Fatumata vorzügliches Dolo. Abermals zog Samba Kullung aus und gegen die Feinde, und er gewann eine Herde, die war über alle Maßen stolz, und nun war er der reichste Mann der Stadt und des Landes.

Alle Leute sagten, daß er an Heldentat und Macht allem weit voranstehe, was bis dahin im Lande bekannt war.

Samba Kullung trieb alle seine Herden zusammen und übergab sie Fatumata. Er sagte zu Fatumata: »Nimm alles, was ich erworben habe. Ich selbst werde zu meinen Eltern nach Kalla fahren. Sie haben mich hinausgewiesen, weil ich nie einen Kampf beginnen mochte. Nun will ich ihnen zeigen, was in Wahrheit an mir ist. Ich werde wohl wiederkommen. Leb wohl und hüte das, was ich dir erwarb.«

Samba Kullung machte sich auf den Weg nach Kalla. Er kam heim. Er sah seine Eltern wieder und blieb längere Zeit bei ihnen.

Als aber Samba Kullung von dannen geritten war, erhoben sich alle, die der Kelle-tigi unterworfen hatte, und an ihrer Spitze war Gomble. Gomble sagte: »Die beste Kraft ist von der Stadt gewichen; nun wollen wir die Stadt angreifen.« Alle Gegner kamen und sammelten sich um die Stadt. Die Stadt war umringt von Feinden. Es war eine große Gefahr.

Samba Kullung war auf dem Heimweg. Da kam ihm ein Marabut entgegen. Das war aber kein ehrlicher Mann, sondern er war gemietet und bezahlt von Gomble und seinen Leuten. Der Marabut sagte zu Samba Kullung: »Die Stadt Fatumatas und ihres Vaters ist belagert, und Gomble ist an der Spitze der Feindlichen. Wenn du nun heimkehrst, und wenn es dir gelingt, sieben von den Belagerern gefangen zu nehmen, so ist die Stadt von allem Unheil befreit.« Es war das aber keine rechte Sache, sondern nur eine falsche Prophezeiung, die es darauf absah, Samba Kullung in einen Hinterhalt zu locken.

Samba Kullung kam vor der Stadt an. Er stürzte sich auf zwei Mann der Belagerer – er nahm sie gefangen. Er stürzte sich auf noch zwei der Belagerer und nahm sie gefangen. Er stürzte sich auf noch drei der Belagerer; er nahm sie gefangen. Dann aber kamen die Leute Gombles, und nun wurde er selbst festgenommen.

Zwei Leute Gombles führten Samba Kullung zu ihrem Herrn auf dessen Besitzungen. Samba Kullung sagte zum einen: »Gib mir etwas Wasser; ich habe Durst.« Der Mann sagte: »Ach was, du hast im vorigen Jahr meinen Vater totgeschlagen. Ich tue es nicht.« Samba Kullung wandte sich an den zweiten Mann und sagte: »Gib mir etwas Wasser; ich habe Durst.« Der Mann sagte: »Ach was, du hast im vorigen Jahr meinen Vater totgeschlagen. Von mir erhältst du nichts.« Als die beiden Sklaven dann sahen, daß Samba Kullung, der weit gereist war und hart gestritten hatte, matt wurde, schlugen sie ihn tot.

Die beiden Leute kamen zu Gomble und sagten: »Dein Feind Samba Kullung ist gestorben.« Da wurde Gomble traurig und sagte: »Wie ist er ums Leben gekommen?« Die beiden Leute sagten: »Samba Kullung hatte Durst. Wir gaben ihm nichts zu trinken, denn er hat unsere Väter erschlagen. Als er dann matt wurde, schlugen wir ihn tot.« Da wurde Gomble traurig und sagte: »Ihr habt sehr schlecht gehandelt, denn einen Mann, der so tapfer ist und der so Großes zu tun imstande ist, den soll man suchen zum Freunde zu gewinnen. Ihr aber seid elende Räuber.«

Dame und Spielmann

Sahel

Sirrani Korro Samba heiratete eine Frau aus Tomma Korro. Eines Tages reiste er mit seiner Frau nach Tomma Korro, um seine Schwiegereltern zu besuchen. Seine Frau ritt auf einem Packochsen. Er ritt auf seinem Pferd. Er hatte seiner Frau einen Sklaven beigegeben, der deren Sachen trug. Sie kamen nach Tomma Korro. Drei Tage blieben sie in Tomma Korro. Es war viel Honigbier hergestellt worden. Sie aßen, und jeden Tag betrank sich Sirrani Korro Samba.

Am vierten Tag morgens sagte Sirrani Korro Samba: »Heute wollen wir zurückkehren. Du Frau, reite mit dem Sklaven auf dem Packochsen voran. Ich will noch einige Stunden hier bleiben, denn ich will das gute Honigbier austrinken, das noch übriggeblieben ist. Ich komme dann um die Mittagszeit nach. Steig auf deinen Packochsen und reite mit dem Sklaven voran.« Die Frau machte sich mit dem Sklaven auf den Weg.

Es waren damals 60 Helden von Segu auf dem Wege. Die hatten eine Unternehmung vor, hatten aber kein Glück gehabt, so daß sie jetzt ohne Beute mißmutig umherritten. Unter den 60 waren mit die berühmtesten Helden der Vergangenheit. Da war z. B. der Massassi Diadierri, der Fulbe Malia, der Djaora Gundaunda, dann Sira Obassi, der Bosso Mamadu Amadu und vor allem der Spielmann (Dialli) Signana Samba. (Der soll seinen Namen daher erhalten haben, daß, wenn er nach Art der Dialli um eine Gabe bat und man etwas für den anderen Morgen versprach, daß er dann an der Tür niederhockte und wartete, bis er die Gabe erhalten hatte. Er hatte große Beharrlichkeit und Geduld.)

Diese 60 Helden aus Segu also kamen beutegierig des Weges und waren darauf erpicht, noch irgend etwas aufzufangen, um nicht gezwungen zu sein, mit leeren Händen nach Segu zurückzukehren. Einer der Männer sah in die Ferne und sagte: »Hoo! Kommt da nicht ein Mann mit bepacktem Reittier an?« Die anderen sahen auch hin und sagten: »Nein, ein Mann mit einem Reittier ist es nicht. Wohl aber ist es eine Frau, die sicher schön und wohlhabend ist; denn neben ihr geht ein Sklave.« Andere meinten: »So wollen wir der Frau den Weg nach Segu zeigen. Auf solche Weise lernt sie dann etwas von der Welt kennen.« Andere meinten: »So hätten wir also doch noch einen leidlichen Abschluß für unser verunglücktes Unternehmen zu verzeichnen.«

Die 60 Reiter sprengten auf die Frau Sirrani Korro Sambas zu und hielten im Kreise um sie. Die Frau fragte: »Nun, was seid ihr für Räuber und Buschreiter, daß ihr nicht einmal einer anständigen Frau aus den Augen geht? Schämt ihr euch nicht, so in der Sonne mit euren diebischen Gedanken herumzustehen, so daß ich jeden einzelnen sehe?!« Einer der 60 Helden sagte erstaunt: »Frau, was gibt dir den Mut, in dieser Weise zu den sechzig vornehmsten Helden von Segu zu sprechen?« Die Frau Sirrani Korro Sambas sagte: »Oh, was seid ihr doch für großartige Helden, daß ihr so kühn mit einer Frau zu reden wagt; – wartet aber ein wenig, bis mein Mann kommt, der wird euch schon lehren, vor Angst zu furzen. Dann wird es sehr schnell mit dem stattlichen Mut vor der Frau zu Ende sein.« Signana Samba, der Spielmann, schlug an seine Gitarre und sagte: »Wenn der Mut des Mannes dieser Frau nicht ins Pui gehört, so sollte man wenigstens die Zungenfertigkeit dieser Frau besingen. Frau, wer ist dein Mann?«

Die Frau Sirrani Korro Sambas antwortete: »Wer mein Mann ist, fragt ihr? Wollt ihr ihn wirklich erst kennen lernen? Dann sucht euch schnell die Mauselöcher im Acker und die Vogelnester in den Bäumen aus und bleibt vorsichtig mit euren Pferdchen darin sitzen. Von dort aus könnt ihr am besten die Bekanntschaft meines Mannes machen und habt so Aussicht, nicht unter die Fußtritte seines Pferdes zu kommen.« Massassi Diadierri sagte: »Frau, du mußt uns unbedingt nach Segu begleiten, damit der König einmal eine ungewöhnliche Sache kennen lernt. Hat je einer solchen Vogel singen hören? – Vorwärts nach Segu.«

Die Frau sagte: »Macht schnell, daß ihr eures Weges kommt; denn da hinten kommt mein Mann. Ich sehe, daß er arg betrunken ist, und dann ist das Spielen gefährlich. Macht, daß ihr beiseite kommt, denn es wäre ein Jammer, wenn sechzig so tapfere Helden, die es wagen, bei hellem Tage eine einsame Frau zu belästigen, irgendwie Schaden nähmen. Geht nur, ich sehe jetzt, daß mein Mann ganz außerordentlich betrunken ist.« Einer der Seguleute sagte: »Das muß eine sonderbare Art von Held sein; berichte uns doch, ob es ein Gott ist oder eine Hyäne?« Alle Helden von Segu spotteten: »Es muß ein Gott oder eine Hyäne sein!« Die Frau sagte: »Wenn ihr in ein Mauseloch kriecht, wird er euch vorkommen wie ein Gott; wenn ihr in ein Vogelnest schlüpft, könnt ihr denken, er sei eine Hyäne, und das wäre eurem Verstand ähnlich.«

Sirrani Korro Samba kam langsam angetrottet. Er hörte den Wortstreit und sah auf. Die 60 Helden aus Segu zogen sich zurück und betrachteten den Mann aus der Ferne. Sirrani Korro Samba richtete sich mühsam in seinem Sattel auf. Er war nämlich sehr betrunken. Dann nahm er seine Flinte, schoß sie nach links in die Luft ab, schoß sie nach rechts in die Luft ab, schoß sie nach vorne in die Luft ab. Sirrani Korro Samba zog dann seine Tabakspfeife heraus, begann vor sich hinzuqualmen und rief den Männern aus Segu zu: »Hoooo! Seid ihr langweilig! Hooo! Seid ihr langweilig!«

Einer der Helden von Segu kam angesprengt. Er schoß auf Sirrani Korro Samba. Aber er traf ihn nicht. Sirrani Korro Samba schoß gleichmütig seine Flinte in die Luft ab. Der andere schoß und fehlte wieder und dann noch ein drittes Mal. Da legte Sirrani Korro Samba sein Gewehr an. Er schoß den anderen von seinem Pferd herab. Er lud, legte nochmals an und schoß den zweiten herab. Er lud, legte nochmals an und schoß einen dritten und vierten herunter. Die Seguleute begannen nun zu fliehen. Darauf setzte Sirrani Korro Samba sein Pferd in Bewegung, jagte ihnen nach und nahm drei von ihnen gefangen.

So tummelten viele Leute auf dem großen Platze herum. Viele schossen, Signana Samba, der Dialli von Segu, schlug die Gitarre und sang: »Ihr Helden von Segu! So vergeßt doch nicht euren würdigen Namen. Ihr Helden von Segu, bedenkt, daß ihr sechzig Männer seid, die von einem Frauenmund vergiftet sind und als Kranke nun hingeschlachtet werden sollen. Denkt doch, daß ihr Helden seid, ihr sechzig Männer aus Segu.« Der Held aus Kalla jagte in der Ferne hinter den Fliehenden her. Da ritt der Dialli zu der Frau heran und sagte: »Wenn diese Sache je im Pui besungen werden soll, wie sie es verdient, muß ein Spielmann dafür gewonnen werden, denn jene fliehenden Männer werden sicher nichts davon erzählen. Wenn der Spielmann diese Sache berichtet im Pui, dann wird er von der tapferen Frau, die er kennen lernte und von der er singen will, allzuweit entfernt sein als daß sie ihm ein Geschenk machen könnte!« Da nahm die Frau Sirrani Korro Sambas einen ihrer schweren goldenen Ohrringe ab und gab ihn dem Dialli.

Sirrani Korro Samba kam mit seinen drei Gefangenen zurück und übergab sie seiner Frau. Er sagte zu den Männern: »Paßt auf, daß meine Frau nicht aus Angst von ihrem Packochsen fällt, wenn sie eure tapferen Gestalten neben sich sieht.« Dann setzten sie sich wieder in Bewegung um heimzukehren.

 

Signana Samba hatte die fliehenden Genossen eingeholt, als sie sich unter einem Baum versammelt hatten. Er setzte sich zu ihnen, schnippste gegen seine Gitarre und sagte: »Einer – sechzig!« Die Helden sahen ihn an und einer sagte: »Du wirst doch dem König nichts davon sagen?« Signana Samba zog den Goldring heraus, den er von der Frau Sirrani Korro Sambas erhalten hatte, steckte ihn an den Kopf der Gitarre und sagte, das Instrument schlagend: »Einer – sechzig!«

Die Helden gingen hinter den Baum. Massassi Diadierri sagte: »Er meint, jener Kallamann wäre ein einziger gewesen und wir seien sechzig. Er wird das sicher dem König und aller Welt berichten.« Der Fulbe Malia sagte aber: »Er meint, von der Frau des Kallahelden hätte er einen Goldring erhalten, damit er im Pui von ihr singe. Wir aber seien sechzig, und er würde die Sache nicht vorbringen, wenn wir ihm sechzig Goldringe schenkten.« Darauf verabredeten sie sich und gingen zurück. Massassi Diadierri sagte zu Signana Samba: »Jeder von uns wird dir in Segu einen Goldring geben, wenn du von alledem dem König und den anderen in Segu nichts berichtest.« Signana Samba sagte: »Ihr wollt das gleich tun, wenn wir zurückgekehrt sind?« Die anderen sagten: »Ja!«

Sie kamen zurück nach Segu. Der König sagte: »Ihr bringt mir keine gute Nachricht?« Der Dialli sagte: »Ja, wir haben das Haus gereinigt und ein guter Strohwisch hat alle die weggefegt, die nicht hineingehörten.« Der König sagte: »Das verstehe ich nicht.« Der Spielmann fragte: »Kennst du den Puigesang: Einer – sechzig?« Der König sagte: »Nein, den kenne ich nicht.« Der Dialli sagte: »Gerade der Gesang wird von deinen Helden vorbereitet.«

Einige der Helden gaben dem Dialli sogleich das Gold. Andere taten es nicht. Traf Signana Samba einen der Säumigen, so schlug er gegen seine Gitarre und sang: »Einer – sechzig!« Und wenn der andere dann so tat, als wenn er es nicht verstehe, dann fragte er ihn: »Kennst du die Frau, die so sonderbar singt? Kennst du den, vor dem die einen in die Mauselöcher, die anderen in die Vogelnester kriechen? Kennst du den, der für den einen ein Gott, für den anderen eine Hyäne ist?« Einer der Männer nach dem anderen zahlte und einige zahlten noch für die, die gefallen und gefangen waren. Der Spielmann Signana Samba hatte also nach einiger Zeit 60 Goldringe von diesen erhalten.

Der Fama hörte dann und wann das eine oder andere Wort. Er sagte zum Dialli Signana Samba: »Nun berichte mir endlich.« Der Spielmann sagte: »Erst muß ich mit den anderen sprechen. Es müssen alle dabei sein.« Am Abend kamen alle zusammen. Der Dialli hatte an seiner Gitarre die 61 Goldringe angebracht. Der König fragte: »Was gibt es im Pui?« Signana Samba sagte: »Einer – sechzig!« Alle sahen ihn an. Der Dialli fragte Massassi Diadierri: »Wie hält man sein Wort halb oder ganz?« Massassi Diadierri sagte: »Man hält sein Wort ganz!« Der Dialli sagte: »Einer – sechzig! Hat man nicht versprochen, diese sechzig Goldringe sogleich zu geben? Hat man nicht gezögert und es mir sehr schwer gemacht? Hat man nicht unter einem Baume beraten? –« Der Dialli Samba schlug gegen die Gitarre und hub an: »Ich singe vor einem großen König. Weiß der große König sechzig Goldringe dem armen Dialli zu geben?«

Darauf ließ der König 60 Goldringe holen und gab sie dem Spielmann – der gewann so 121 Goldringe und sang die Geschichte von Sirrani Korro Samba und den 60 Helden von Segu im Pui.

 

Nachher sang man auch von Samba Ta Samba. Und das kam so: Sirrani Korro Samba war mit seinem jüngeren Bruder Samba Ta Samba einst im Gefecht. Die Räuber schossen sein Pferd tot, und er lag am Boden. Samba Ta Samba sagte: »Komm schnell auf mein Pferd, sitz hinten auf.« Sirrani Korro Samba sagte: »Nein, lieber sterbe ich, als wie eine Frau mit aufzusitzen.« Dreimal bat Samba Ta Samba seinen Bruder doch aufzusitzen. Dreimal schlug er ab. Alsdann waren die Feinde ganz nahe, und so nahm er das Angebot an, sprang hinter Samba auf und ward gerettet.

So kam auch Samba Ta Samba in das Pui.

Buge Korroba

Sahel

Buge Korroba hatte vier Frauen. Unter denen war eine, die hieß Njelle, das war sein Lieblingsweib. Dieser Njelle wegen hörte er nie die Tabele, die Kriegspauke; er verließ dies Weib nie, denn er liebte es über alle Maßen. Außerdem hatte er alles, was er brauchte, Sklaven, Pferde, Vieh usw. Die anderen drei Frauen waren eifersüchtig und sagten deshalb zu den Frauen der Stadt: »Dieser Frau Njelle wegen geht Buge Korroba nicht in den Krieg. Es ist ein Jammer für den Ort.« Die Frauen der Stadt sagten: »So werden wir diese Njelle, wenn sie einmal zum Brunnen kommt, ordentlich schlagen, damit sie ihren Mann in den Krieg schickt.«

Die Frauen der Stadt versuchten Njelle abzupassen, und eines Tages kam Njelle zum Brunnen. Einige Frauen sagten zu ihr: »Warte ein wenig!« Njelle sagte: »Was wollt ihr von mir? Ich habe euch nichts getan.« Die Frauen sagten: »Sieh, deinetwegen sitzt Buge Korroba ständig daheim und zieht nicht mit in den Krieg, und das ist schlimm für den Ort.« Sie schlugen Njelle. Sie nahmen ihre Armringe und schlugen auf Njelle, und Njelle erhielt auf der Stirn drei Wunden nebeneinander. Die Frauen sagten: »Weißt du nun, Njelle, weshalb wir dich geschlagen haben?« Njelle sagte: »Ihr habt recht, wenn ihr mich schlagt.«

Buge Korroba hatte zwei Dialli. Von denen ließ er sich alle Tage auf der Gitarre vorspielen. Sie mußten das Pui singen. Wenn sie das anfingen, schnippste er mit dem Finger gegen die Gitarre. Die Dialli fragten: »Weshalb tust du das?« Buge Korroba sagte: »Ihr werdet auch noch von mir singen!« Die Dialli sagten: »Du ziehst ja aber nie in den Krieg!« Buge Korroba sagte: »Ich liebe schöne Frauen und den Rücken der Pferde.«

Njelle kam blutig und beschmutzt nach Hause. Buge Korroba sagte: »Was hat es mit dir gegeben?« Njelle sagte: »Die Frauen aus Kalla haben mich geschlagen, weil du mich aus Liebe nicht verläßt und immer bei mir bleibst, statt in den Krieg zu ziehen.« Buge Korroba sagte: »Eines Tages werden die Leute von Kalla etwas erleben! Es ist nicht aus Furcht, daß ich nicht in den Krieg ziehe! Die Leute in Kalla werden noch etwas Schlimmes erleben wegen dieser Sache.«

Drei Tage später kamen Räuber aus Massina und führten alle Kühe und Rinder der Kallaleute von dannen. Nur das Rindvieh Buge Korrobas ließen sie unberührt. Es war auf einer Insel untergebracht. Als Buge Korroba das hörte, bestieg er sein Pferd. Er nahm zwei Kossongalla (Decken aus Segu) mit, nämlich die Njelles und die seine. Er ritt aus dem Dorfe. Als die Kallaleute ihn reiten sahen, spotteten sie und sagten: »Was, du willst in den Krieg? Ach, du wirst etwas Rechtes im Krieg anfangen!« Buge Korroba sagte: »Was ihr denkt! Ich will gar nicht in den Krieg; ich will nur meine Herde auf der Insel ansehen. Denn eure Herden haben die Räuber genommen, die meinen haben sie aber gelassen.«

Buge Korroba ritt von dannen. Erst suchte er seine Herde auf und besichtigte sie, dann setzte er hinter den Räubern her, und zwar schnitt er einen Bogenmarsch, den sie vor sich hatten, derart ab, daß er sie weit überholte. Hierauf stieg er vom Pferd. Eine der Kossongalla legte er als Decke auf die Erde und setzte sich darauf, den Zaumriemen des Pferdes wickelte er um den Fuß. Dann deckte er die andere Kossongalla so über sich, daß man sein Gesicht nicht zu sehen vermochte. In dieser Stellung wartete er. Nach einiger Zeit kam ein Dialli der Räubergesellschaft an. Der sah den Mann am Wege, kehrte zurück und meldete dem Führer der Räuber: »Einer deiner Leute sitzt am Wege und erwartet dich.« Die Leute des Räuberhäuptlings überlegten: »Wer mag es wohl sein?« Der eine riet auf den, der andere auf den. Sie dachten nicht daran, daß es ein Mann aus Kalla sein könne.

Die Räubergesellschaft rückte mit der Kuhherde näher. Bald hatten sie den mit einer Decke eingehüllten, anscheinend Schlafenden, erreicht, bildeten alle einen Kreis um ihn und erwogen, wer wohl der Mann sei. Nach einiger Zeit sprach aber Buge Korroba: »Wer ist euer Anführer?« Einer der Räuber sagte: »Träumst du oder redest du irre, daß du deinen Häuptling nicht kennst?« Der am Boden Hockende sagte aber: »Ich bin es nicht, der irrt, sondern ihr irrt euch. Ich will keinen Kampf, keinen Streit, keinen Wortwechsel von euch, denn mir, Buge Korroba, habt ihr nichts genommen. Ich möchte aber den Leuten von Kalla ihre Kühe zurückführen. Meine Landsleute sind es nicht gewöhnt, an Stelle der Milch den Fruchtsaft des Affenbrotbaumes zu genießen. Also laßt den Streit und gebt mir die Kühe der Kallaleute.« Die Räuber sagten: »Nein!« Buge Korroba sagte: »Achtet, daß ihr gerecht seid!«

Unter den Räubern war einer, der hieß Samba. Der war unter allen bekannt als ein Mann, der nie log und der vor König und Sklave gerecht urteilte. Der Räuberhäuptling sagte zu Samba: »Samba, sieh, ob etwas Gerechtes an der Sache dieses Mannes ist.«

Als Buge Korroba das hörte, nahm er seine Decken, stand auf, legte seine Decken zusammen und auf das Pferd. Dann schwang er sich selbst hinauf. Samba sagte: »Das Urteilen ist hier leicht, aber das Hinnehmen sehr schwer.« Der Räuberhäuptling sah wie es ging und sagte: »Ja.« Einer der Räuber aber rief: »Ich meine, man sollte Buge Korroba totschlagen und darauf verzichten wegen des Gerechten zu hadern.«

Der Suboli (Räuberhauptmann) sah, wie Samba urteilen würde, und, um dem zuvorzukommen, sagte er zu Buge Korroba: »Höre, Buge Korroba, wir wollen teilen. Nimm du eine Hälfte mit zurück nach Kalla, und die andere Hälfte will ich mit nach Massina nehmen.« Buge Korroba sagte: »Ich danke euch sehr, aber ich will nicht die Hälfte. Entweder ihr schickt durch mich alle Kühe nach Kalla zurück, damit meine Leute ihre Milch morgen früh haben, oder aber ich nehme außer den Kühen noch eure Pferde mit.« Der Räuberhäuptling rief erzürnt: »Buge Korroba, erst habe ich dir die Hälfte geboten. Jetzt wirst du nichts bekommen.«

Buge Korroba nahm sein Gewehr und schoß den Suboli tot. Er nahm sein Gewehr wieder und schoß den Kuntigi (Zugführer) tot. Er schoß. Die Räuber sahen es. Sie wurden von Angst befallen und jagten entsetzt von dannen. Buge Korroba aber nahm alles Rindvieh und die vier Pferde und trieb alles auf seine Insel. Dann sprengte er nach Kalla zurück.

Vor seinem Gehöft riß er sein Pferd zurück und rief: »Njelle!« Njelle kam heraus. Buge Korroba fragte Njelle: »Weshalb haben dich die anderen Frauen geschlagen?« Njelle sagte: »Die Frauen von Kalla haben mich geschlagen, weil du mich aus Liebe nicht verläßt und immer bei mir bleibst, statt in den Krieg zu ziehen.« Buge Korroba sagte: »Heute abend sollen alle Männer und Frauen, die, denen die Kühe gestohlen sind, und die, die dich geschlagen haben, kommen. Ich habe alle Kühe zurückgebracht. Wenn die Leute von Kalla nun morgen ihre Milch haben wollen, dann sollen sie heute abend mit mir über alle diese Sachen reden.«

Abends kamen alle Männer und Frauen zusammen. Alle sagten: »Buge Korroba ist der Tapferste von allen, denn er hat alle Kühe und noch Pferde der Räuber zurückgebracht. Das hat er ganz allein fertiggebracht.« Die Dialli kamen und sagten: »Buge Korroba ist nun im Pui (Heldenbuch).« Buge Korroba kam mit Njelle. Er fragte seine Frau vor den Leuten: »Njelle! Weshalb haben dich die Frauen Kallas geschlagen?« Njelle sagte: »Die Frauen von Kalla haben mich geschlagen, weil du mich aus Liebe nicht verläßt und immer bei mir bleibst, statt in den Krieg zu ziehen!« Buge Korroba sagte: »Ihr hört, was es gegeben hat. Ich habe eure Kühe. Wenn ihr eure Kühe wiederhaben und morgen eure Milch trinken wollt, dann laßt eure Frauen den Sklaventanz (Geschlechtstanz) hier aufführen.«

Die Männer sagten: »Du hast recht zur Klage. Unsere Frauen haben der deinen übel mitgespielt. Deine Frau wurde von den unseren geschlagen. Wir wollen nun unsere Frauen auch schlagen.« Buge Korroba sagte: »Tut, wie ihr denkt.« Darauf verabfolgten die Männer von Kalla ein jeder seinem Weib 50 Hiebe mit der Schnur. Dann sagten sie zu Buge Korroba: »Nun haben wir gerecht gestraft. Gib uns die Kühe.« Buge Korroba fragte sein Weib: »Njelle, weshalb haben dich die Frauen Kallas blutig geschlagen und dir drei Narben an der Stirn versetzt?« Njelle sagte: »Die Frauen von Kalla haben mich verletzt, weil du mich aus Liebe nicht verläßt und immer bei mir bleibst, statt in den Krieg zu ziehen.« Buge Korroba sagte: »Ihr hört, was es gegeben hat. Ich habe eure Kühe. Wenn ihr eure Kühe wiederhaben und morgen eure Milch trinken wollt, dann laßt eure Frauen den Sklaventanz hier aufführen.«

Die Männer sagten: »Das kannst du nicht verlangen. Unsere Frauen haben die deine geschlagen. Sie sind wiedergeschlagen worden. Deine Frau hat von den unseren drei Narben erhalten. Gut, auch das soll beglichen werden.« Buge Korroba sagte: »Tut, wie ihr denkt.« Die Männer ließen darauf ihren Frauen drei Längsschnitte zwischen den Augen in die Stirn schlagen; denn so waren auch die Narben Njelles beschaffen. Dann sagten sie zu Buge Korroba: »Nun haben wir gerecht gestraft; nun gib uns unsere Kühe.« Buge Korroba sagte zu seinem Weib: »Weshalb haben dich die Frauen Kalles erniedrigt?« Njelle sagte: »Die Frauen Kallas haben mich erniedrigt, weil du mich aus Liebe nicht verläßt und immer bei mir bleibst, statt in den Krieg zu ziehen.« Buge Korroba sagte: »Ihr hört, was es gegeben hat. Ich habe eure Kühe. Wenn ihr eure Kühe wiederhaben und morgen Milch trinken wollt, so laßt eure Frauen den Sklaventanz hier aufführen.«

Die Frauen saßen auf ihren Schemeln. Als sie das wieder hörten, streckten sie abweisend und voll Abscheu die rechte Hand hoch, und die linke in die Seite stemmend schrien sie: »Nie!« Nun ist das aber die erste Stellung des Geschlechtertanzes (Die Linke in die Seite, die Rechte hochgehoben!) Buge Korroba lachte und rief: »Ihr sagt: ›Nie!‹ Dabei habt ihr eben schon die erste Stellung eingenommen!« Da mußten alle Leute lachen.

Der Held Gossi

Sahel

Gossi gilt als der tapferste aller Fulbe, die je gelebt haben. Er ertrug jeden Schmerz. Wenn er sich einen Dorn in den Fuß trat, so schmerzte ihn das nicht. Wurde er angerufen, so hörte er das erstemal nie darauf; denn gleich sich umzuwenden ist das Zeichen wenn auch leichten Erschreckens. Auf alles, was hinter ihm vorging, achtete er nicht, und man mußte, wenn man seine Aufmerksamkeit erwecken wollte, an ihm vorübergehen und ihn von vorn anrufen.

Gossi erschrak, seitdem er erwachsen war, nur dreimal. Aber niemand als Gott und er haben wahrgenommen, daß er erschrak.

Eines Tages nach 6 Uhr nachmittags, als es schon dunkel war, riß draußen am Brunnen vor der Stadt die Leine, an der die Kalebasse zum Schöpfen angebunden war, und nun wußten sie nicht, wie sie für den Abend Wasser bekommen sollten. Niemand getraute sich in der Dunkelheit in den Brunnen zu steigen, denn alle Welt wußte, daß da unten im Brunnen eine gefährliche Korongo (eine Schlangenart) hauste. Alle Leute standen um den Brunnen. Es wußte niemand, was zu tun sei.

Gossi kam des Weges. Er sagte: »Was gibt es?« Die Leute sagten: »Wir haben kein Wasser im Dorf, die Leine ist gerissen, die Schöpfkalebasse hinuntergefallen; – man wird warten müssen, bis es Morgen und hell ist, denn jetzt ist es schwarze Nacht, und außerdem ist die Korongo da unten.« Gossi sagte: »Ach was, bindet mir die Leine um den Leib und laßt mich hinab. Ich will die Kalebasse heraufholen.« Einige sagten: »Aber es ist ja dunkle Nacht!« Andere sagten: »Und da unten ist die Korongo!« Gossi sagte: »Ach was! Laßt mich jetzt hinunter.« So ließen sie denn Gossi hinunter in das tiefe Brunnenloch.

Unten hatte die Korongo sich schon behaglich in der Kalebasse eingelagert. Gossi ergriff das Schnurende, zog und suchte sie herauszuschleudern. Es gelang aber nicht. Dreimal versuchte es Gossi und es gelang nicht. Inzwischen war aber das durstige Vieh zum Brunnen gedrängt und wartete auf den Trank. Im tierischen Spiel suchte ein Bulle auf eine Kuh zu springen. In der Dunkelheit nahmen sie das Brunnenloch nicht wahr und so stürzten beide hinein. Sie zwängten sich oben nahe dem Eingang fest und verstopften das Loch vollkommen. Nunmehr saß Gossi ganz fest. An der Schnur war nicht zu ziehen, über sich hatte er den Bullen und die Kuh, unter sich das Wasser und die Schlange, und ringsum war es stockdunkle Nacht. Entsetzt schrien die Leute auf.

Die Leute sagten: »Wir müssen von der Seite her schräg nach unten ein Loch machen und Gossi so das Herauskommen ermöglichen.« Gossi hörte das und rief: »Macht euch nicht diese unnötige Arbeit; denn ich würde nicht herauskommen. Laßt mich nur bis morgen früh hier unten. Dann bei Tageslicht könnt ihr Kuh und Bullen wegziehen und dann ist der gegebene Augenblick. Jetzt gehe ich nicht heraus.« Die Leute sagten: »Wenn Gossi es nicht anders will, können wir nichts tun.«

Am anderen Morgen kamen sie wieder und zogen erst den Ochsen und die Kuh heraus und riefen dann: »Gossi.« Aber Gossi hörte nie darauf, wenn er das erstemal angerufen wurde. Man rief nochmals: »Gossi, lebst du?« Gossi rief: »Ja, ich lebe. Die Schnur ist diese Nacht noch einmal gerissen und ich bin in das Wasser gefallen.« Die Leute banden ein starkes Ende daran, ließen es herunter und riefen: »Schlinge die Schnur jetzt um den Leib und laß dich heraufziehen!« Gossi antwortete: »Nein, ich lasse mich nicht herausziehen – ich will hier unten sterben. Denn ich bin in das Wasser gefallen und habe es damit für die Fulbe beschmutzt. Ich habe mich vor den Fulbefrauen lächerlich gemacht.«

Da kamen alle Frauen zusammen und zum Brunnen, und sie sagten zu Gossi: »Gossi, komm doch heraus. Sieh, das Dorf hat nur einen Brunnen. Wenn du unten stirbst, können wir hier kein Wasser mehr schöpfen. Dann werden alle Leute und alles Vieh vor Durst sterben. Du aber bist der Tapferste von allen. Denn du warst der einzige, der es wagte, da hinabzusteigen und bist die ganze Nacht da unten bei der schrecklichen Schlange geblieben.« Darauf ließ Gossi sich herausziehen und sagte: »Meinetwegen sollen die Fulbe nicht vor Durst sterben!« Als er an die Oberfläche kam, warf er die Leiche der zwischen den Fingern totgedrückten Schlange über den Brunnenrand auf die Erde.

Als die Kuh und der Bulle hinabstürzten, da war Gossi das erstemal erschrocken. Aber außer ihm und Allah hatte es niemand gemerkt.

 

Es gab in der Gegend noch einen zweiten Gossi, der war mit dem großen Helden Gossi verwandt. Dieser zweite Gossi war außerordentlich eifersüchtig auf seine Frau und hatte sich deshalb vor den Toren der Stadt für sich und seine Frau einen Hof angelegt. Denn er wollte nicht, daß eine Fliege, die schon auf der Haut eines anderen Mannes gesessen hatte, sich auf der Hand seiner Frau niederlasse. – Dieser Gossi ritt viel zur Jagd und zwar des Nachts. Wenn er wegritt oder kam, konnte man ein Glöcklein vernehmen, das hatte er um den Hals seines Pferdes gebunden.

Die Leute scherzten mit dem großen Helden Gossi und sagten: »Du bist zwar ein sehr großer Held, du wagst es aber doch wohl nicht, in die Niederlassung deines eifersüchtigen Vetters zu gehen und dessen Frau aufzusuchen, wenn ihr Mann nicht daheim ist.« Gossi sagte: »So? Meint ihr das?« Eines Tages nahm er sein zweiläufiges Gewehr, bestieg sein Pferd und ritt in die Niederlassung des eifersüchtigen Vetters. Der andere war nicht daheim. Da band er sein Pferd draußen an, zog alle Kleider aus und hing sie rund herum auf, so daß jeder sie sehen mußte. Dann ging er hinein zu der Frau.

Er blieb bei der Frau. Er legte seinen Kopf auf ihr Knie und schlief ein. Nach einiger Zeit hörte die Frau die Glocke am Hals des Pferdes ihres Gatten.

Die Frau stieß Gossi an und sagte: »Hör' doch!« Gossi wachte auf und fragte: »Was gibt es denn?« Sie sagte: »Höre die Glocke; sie ist am Pferd meines Mannes. Er kommt. Wenn er dich hier trifft, wird er dich töten.« Gossi sagte: »Was, einer solchen Kleinigkeit wegen weckst du mich?« Er drehte sich um und schlief wieder ein.

Gossi, der andere, kam inzwischen auf den Hof geritten. Er band sein Pferd an. Er gewahrte, daß noch ein anderes Pferd da war. Er ging auf das Haus seiner Frau zu. Da hingen alle Kleider seines Vetters. Darauf geriet er in große Wut und lud sein zweiläufiges Gewehr. Er ging in das Haus. Er legte auf Gossi, den Helden, an und schoß. Er hatte aber in der Wut zuviel Pulver hineingeladen, so daß der erste Lauf beim Abschießen platzte. Darauf legte er das Gewehr nochmals an und schoß. Es platzte aber auch der andere Lauf beim Abschießen, denn in der Wut hatte er wieder zuviel Pulver in den Lauf gestopft. Gossi, der Held, sagte: »Dein Gewehr ist schlecht, wie das aller Jäger, denn die Jäger lassen ihre Gewehre zu oft im Wasser und Regen naß werden. Nimm mein Gewehr, es ist gut und außerdem scharf geladen. Es steht dort hinter dem Lager.«

Gossi, der andere, ergriff das Gewehr, aber er zitterte vor Wut und Aufregung derart, daß er nicht abzudrücken vermochte. Nach einigen Stunden sagte Gossi, der Held: »Höre, wenn du nicht schießt, hat es auch keinen Zweck, daß ich hier bleibe.« Er nahm Abschied von der Frau des anderen Gossi und ging hinaus, zog sich an und ritt von dannen. Gossi, der andere, sagte: »Dein unerschrockenes Herz und Gott haben dich gerettet. Es ist wahr, du erschrickst nicht.« Als der Held nach Hause kam, nahm er wahr, daß er eine Schnur mit einem Schnuramulett am Hauseingang des anderen Gossi hatte liegen lassen. Er sagte: »Sende ich einen anderen, es zu holen, so wird man sagen, ich hätte Furcht. Laß ich es liegen, so wird man sagen, ich hätte Furcht, – reite ich schnell vorbei und nehme es im Vorüberreiten mit mir, so wird man sagen, ich habe Furcht.« Er sattelte sein Pferd, ritt langsam zurück, stieg am Hause des anderen Gossi ab, unterhielt sich mit diesem eine Weile und sagte dann: »Ich ließ heute morgen eine Sache hier liegen.« Er ging zu der Stelle, nahm das Schmuckstück, hängte es um, sah, ob es gut hing, nahm von seinem Vetter Abschied und ritt langsam nach Hause.

Dies war das zweitemal, daß Gossi erschrak. Aber außer Allah und ihm hat es niemand gemerkt.

 

Bakari, ein Fulbe, hörte von den Heldentaten Gossis. Er kam aus großer Ferne herbei und sagte zu Gossi: »Ich habe gehört, du sollst ein ganz außerordentlicher Held sein und große Unerschrockenheit besitzen. Würdest du mich wohl einmal auf deinem Zug mitnehmen, so daß ich mit dir etwas Außerordentliches erleben und deine Taten selbst mitansehen kann?« Gossi sagte: »Komm, wir können uns sogleich nach irgendeiner Richtung auf den Weg machen.« Sie bestiegen die Pferde und ritten von dannen.

Nach einer Weile kamen sie an einen Busch, in dem gingen sieben Jäger ihres Weges. Bakari sagte: »Wollen wir diese nicht angreifen?« Gossi sagte: »Diese Leute sind zu gefährlich. Ich fürchte mich vor solchen Leuten.« Nach einer Weile kamen sie zu Ackerbauern, die bestellten einen Acker. Bakari sagte: »Wollen wir diese nicht angreifen?« Gossi sagte: »Ich fürchte mich. Diese Leute sind so sehr gefährlich. Und außerdem, wenn wir hier den Kampf beginnen, haben wir vor uns die Ackersleute und im Rücken die Jäger.« Darauf sagte Bakari: »Ich sehe, daß du gar nicht ein tapferer Held bist, du fürchtest dich vor allem. Du bezahlst wohl sehr reichlich den Spielleuten, daß sie dir so gewogen sind und so große Sachen von dir singen?« Gossi sagte: »Siehst du, so und nicht anders ist es.« – Nach einiger Zeit kamen sie an eine Stadt; vor den Toren gingen einige Leute hin, dem Busch zu, um sich zu entleeren. Bakari sagte (spöttisch): »Wollen wir nicht vielleicht diese Leute angreifen?«

Darauf fuhr Gossi empor und sagte zu Bakari: »Du bist ein solcher Feigling, daß ich mich fast schäme, mit dir ausgeritten zu sein. Hast du keine Scham und nicht Angst, daß die Fulbefrauen dich auslachen werden, wenn wir harmlose Jäger und Ackersleute überfallen? Pfui – ich schäme mich deiner!« Bakari sagte: »Was hast du denn eigentlich vor?«

Gossi sagte: »Vor uns liegt die Stadt eines Königs. Der hat da drinnen zwei wertvolle Pferde. Nimm du eines, wie ich eines nehmen werde. Damit reiten wir nach Hause zurück. Das ist eine würdige Sache, denn jedes der beiden Pferde ist von zwölf wohlbewaffneten Sufa bewacht.« Bakari sagte: »Du willst das am lichten Tage ausführen? Da mache ich nicht mit!« Gossi sagte: »Dann laß es sein! Dann will ich allein hineinreiten und die Pferde herausholen.« Bakari sagte: »Nein, warte bis zur Nacht, dann machen wir es gemeinsam.« Gossi sagte: »Gut, wenn du es durchaus nicht anders willst.«

Also ritten sie am Abend in die Stadt hinein. Sie kamen unbehelligt an den Sufa vorüber; denn die Sufa hielten sie für ganz harmlose Reisende. Sie kamen an die Stelle, wo die beiden Pferde angebunden waren. Es war Mondschein. Im Mondschein gingen sie zu der Stelle hin und banden die Pferde los. Die Sufa hörten die Pferdetritte und schrien: »Die Pferde haben sich losgerissen, haltet sie! Die Pferde haben sich losgerissen!« Andere riefen: »Haltet die Pferde! Fangt die Pferde!« Gossi rief: »Der Pferde wegen braucht ihr nicht solche Sorge zu haben; die sind nicht allein, sondern ich, der ich sie losgebunden habe, bin dabei!« Als die Sufa das hörten, liefen sie schnell hin und schlossen alle Tore, fingen Gossi und Bakari ein und übergaben sie dem Aufseher der Gefangenen. Die Leute sagten: »Morgen früh können wir diese beiden Menschen über dem Baschi (Heiligtum) des Königs töten.« Gossi und Bakari wurden in Eisen gelegt. Gossi sagte zu den Leuten: »Geht zum König und sagt ihm, daß ich gewohnt bin, abends meine Milch zu trinken.« Die Leute sagten: »Milch gibt es nicht für Pferderäuber.« Sie sagten es aber dem König. Der König sagte: »Es ist ein Fulbe, gebt ihm die Milch.« Man brachte Gossi die Milch. Er trank die Hälfte und reichte die andere Bakari. Bakari sagte: »Ich mag nicht. Milch kann ich jetzt gar nicht trinken.« Dann nahm der Sklavenaufseher die beiden in seine Obhut. Beide wurden in ein Eisen geschmiedet.

Als es Nacht war, rief Bakari: »Gossi!« Gossi antwortete aber niemals auf den ersten Anruf. Bakari rief nochmals: »Gossi!« Gossi sagte: »Weshalb störst du mich im Schlaf?« Bakari sagte: »Was, in der Nacht vor deinem Tod kannst du schlafen?« Gossi sagte: »Gewiß. Wie soll ich morgen etwas bestehen können, wenn ich heute nicht schlafe?« Bakari sagte: »Wenn es dir paßt, wollen wir doch jetzt entfliehen. Ich wiederhole: wenn es dir paßt, denn ich habe schon sehr wohl gesehen, daß du deinen Kopf für dich hast.« Gossi sagte: »Ärgere mich nicht! Wie sollen wir wohl fort, da wir doch angeschmiedet sind. Wenn du solchen Unsinn noch einmal sagst, rufe ich den Gefangenenaufseher.« Bakari sagte: »Nun, sei doch nur gut ich meine, wir könnten doch nur . . .« Gossi wollte rufen, aber Bakari hielt ihm den Mund zu.

Es begann ein heftiges Gewitter. Der Sturm jagte starke Staubwolken über die Stadt hin. Bakari sagte nach einer Weile zu Gossi: »Höre, Gossi, wir können so einfach fortkommen. Wir sind ja beide zusammengeschmiedet, aber wir können doch zusammen gehen, wenn wir die Füße vorsichtig setzen. Wir können hier hinüber und können dann über die Mauer. Willst du mich begleiten, daß wir es ansehen?« Gossi sagte: »Es ist gut. Wir wollen gehen.« Beide gingen dahin, wo die Mauer war. Es war ganz dunkel. Aber im Gewittersturm kamen häufig Blitze nieder, die beleuchteten den Weg. Gossi und Bakari gingen Schritt für Schritt langsam zur Mauer.

Sie kamen an die Mauer. Bakari sagte: »Da brauchen wir nur hinunterzuspringen. Dann sind wir draußen.« Gossi sagte: »Nein, das mache ich nicht. Das Fußeisen können wir nicht zerbrechen. Wenn wir aber hinunterspringen, werden wir die Füße brechen und ewig wird man dann an meinem Fuß die Narbe, die vom Fußeisen kommt, wahrnehmen. Dann werden sich die Fulbefrauen über uns lustig machen. Nein, das will ich nicht. Eher sterbe ich morgen über dem Baschi des Königs.« Das Gewitter brauste über die Mauer hin. Der Donner rollte. Der Regen prasselte zur Erde. Blitze zuckten herunter. Da gab Bakari Gossi einen Stoß. Beide stürzten von der Mauer herab.

Unten war eine Löwin, die hatte lange Zeit nichts zum Fressen gehabt, so daß ihre Brust leer war. Sie stand unten mit ihren Jungen. Als Bakari und Gossi die Mauer herunterstürzten, fielen sie auf die Jungen und unter dem Aufschlagen der Fußeisen wurden die beiden Jungen getötet. – Die Löwin aber stürzte sich auf Bakari und biß ihm die Kehle durch.

Die Blitze zuckten vom Himmel herab. Die Löwin hatte sich auf Bakari gestürzt und begann ihn zu fressen. Wenn die Blitze aufleuchteten, wandte sie sich gegen Gossi, der an Bakari angeschmiedet war und zeigte ihm die blutigen Zähne. Gossi schlug ihr alsdann ins Gesicht, so daß sie wieder und immer wieder ihre Zähne in den Leib Bakaris bohrte und ihn zermalmte. Die Blitze zuckten nieder. Gossi schlug die Löwin. Die Löwin fraß Bakari. Gossi lag daneben. Endlich hatte die Löwin die Füße Bakaris durchgebissen. Gossi konnte mit dem Fußeisen aufstehen und gehen. Er gab der Löwin noch einen Schlag, dann machte er sich auf den Heimweg. Er konnte nicht schnell gehen, aber er konnte vorwärtskommen. So kam Gossi heim.

Das war das dritte Mal, daß Gossi erschrak. Aber außer Allah, der Löwin und ihm selber hatte es niemand gemerkt. Nachher erschrak Gossi nie wieder.

 

Gossi lebte im Lande Bakunu. Zu Gossis Zeit war Hamadi König der Fulbe von Bakunu. Hamadi hielt in zwei Punkten auf strenge Innehaltung der alten Gebräuche des Landes. Die eine Fürsorge galt einem heiligen Stier. Diesen Stier durfte niemand schlagen oder stoßen, und es stand auf Zuwiderhandlung einfach Todesstrafe. Zum zweiten aber war der König strengstens auf die Respektierung der Frauen seines Hofes und Hauses bedacht. Nicht weniger als siebenhundert Soldaten bewachten ständig die Tore, die zu seinem Häuserviertel führten.

Zweimal in der Woche, am Montag und am Freitag, wurden die Frauen von den gesamten Soldaten zum Fluß hinabbegleitet. Wenn der Zug kam, mußte jedermann schnell beiseite laufen, und wer es dennoch wagte hinzuschauen oder stehenzubleiben, der war auch der Todesstrafe verfallen. Wer zufällig auf dem Hof des Königs oder sonst wo eine Frau seines Haushaltes sah, der mußte sich abwenden und das Gesicht mit den Händen oder mit dem Mantel bedecken. – Zumal eine seiner Frauen liebte der Herrscher über alle Maßen. Das war Njelle. Der konnte er die Erfüllung keines Wunsches versagen, und sie war Hüterin aller seiner wichtigsten Schätze.

Es war ein Fulbe, der hieß Bulloballi. Der hatte von Gossis Taten gehört und machte sich auf den Weg, um den Helden persönlich kennen zu lernen. Er legte den weiten Weg zurück, kam an, trat zu Gossi und sagte: »Ich suche das Schreckliche und Unerhörte.« Gossi sagte: »Da kann dir ja leicht geholfen werden. Warte nur einige Tage, dann will ich dir das Unerhörte so zeigen, daß du genug davon haben sollst.« Bulloballi sagte: »Ich werde warten.«

An einem Montag saßen alle gemeinsam auf dem Marktplatz. Einige Dialli spielten Gitarre und sangen das Baudi (Heldenlied). Gossi schnippste gegen die Gitarre und sagte: »Komm, Bulloballi, heute wollen wir auf den Sandbänken des Flusses das Paddi (ein Würfelspiel) spielen.« Gossi und Bulloballi gingen zum Fluß hinab und begannen zu spielen. Nach einiger Zeit sah Gossi, daß der Zug der königlichen Frauen, geführt und beschützt von den siebenhundert Soldaten, daherkam. Er ließ sich nicht stören. Bulloballi wandte sich um. Er sah auch den Frauenzug. Da schlüpfte er alsogleich in großer Furcht in eine Höhle, die im Ufersand war.

Gossi stand auf. Er erwies den königlichen Frauen die Ehre und warf sich auf die Knie, das Antlitz gegen den Boden gewendet. Als der Zug aber just neben ihm war, richtete er sich unerschrocken auf, blickte mitten in den Zug und rief: »Njelle.« Njelle antwortete sogleich: »Hier bin ich!« Gossi sagte: »Njelle, ich habe Durst, bringe mir doch eine kleine Schale mit Wasser.« Njelle ging an den Fluß, sie ging bis an die Knie in das Wasser und schöpfte für Gossi Wasser. Sie kam mit der Schale zurück. Sie kniete vor Gossi nieder und reichte dem Helden den Trank. Gossi trank.

Man hatte vordem schon für die Frauen Decken am Boden ausgebreitet. Gossi strich jetzt mit der flachen Hand von einer der Decken den daraufgewehten Sand fort und sagte: »Setze dich zu mir nieder, Njelle!« Alle siebenhundert Soldaten und Wächter, alle Frauen sahen starr und entsetzt auf dieses Unerhörte. Niemand wagte sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Njelle aber ließ sich neben Gossi nieder, und so plauderten sie miteinander. Njelle sagte dann zu Gossi: »Es gibt keine rechten Männer mehr unter den Fulbe in Bakunu.« Gossi sagte: »Ei, es gibt schon noch echte Männer in Bakunu. Du kennst sie nur nicht. Wenn du einen echten Fulbehelden kennenlernen willst, so erwarte mich heute abend in deinem Hause; denn dann will ich trotz der siebenhundert Wachen und des heiligen Stieres bei dir schlafen.« Njelle sagte: »Ach, ich kann es gar nicht erwarten, daß es Abend wird. Ich möchte, es wäre Nacht!«

Dann nahmen Njelle und Gossi voneinander Abschied, und die Frauen kehrten mit ihren Wächtern zur Stadt in die Gehöfte des Königs zurück. Bulloballi kam auch aus seinem Versteck hervor. Er sagte: »Komm schnell heim. Ich habe genug des Unerhörten erlebt.« Gossi sagte: »Nein, wir gehen nicht, wir wollen erst noch spielen.« Bulloballi sagte: »Wir wollen gehen!« Gossi sagte: »Dann geh allein.« Bulloballi blieb. Sie spielten Paddi.

Gossi sagte (spielgemäß): »Eine Frau hat gesagt, es gibt keine echten Männer mehr unter den Fulbe von Bakunu. – Das gibt eine neue Sache. Wir wollen es zeigen.« Im Hintergrund kam eine Löwin herbei. Gossi sah nie hinter sich. Er hörte nun wohl die Schritte und das Knurren des Tieres; aber da es hinter ihm herankam, achtete er nicht darauf. Bulloballi sagte erschrocken: »Eine Löwin!« Gossi sagte: »Da, spiele!« Bulloballi sprang auf und schlüpfte wieder in seine Höhle. Gossi blieb, wie und wo er war.

Dann kamen zwei Jäger des Weges, und hierdurch ward die Löwin vergrämt und sprang schnell in den Busch. Bulloballi sagte: »Ich gehe nach Hause!« Er kroch aus seiner Höhle. Als er an Gossi vorbeikam, sagte er: »Ich habe heute genug Unerhörtes gesehen.« Er lief fort.

Gossi sagte: »Es gibt wirklich wenig wahre Männer unter den Fulbe. Ich werde es aber zeigen, daß es doch etliche gibt.« Er stand auf und ging auch in die Stadt.

 

Als es Abend war, nahm Gossi zwei Lanzen und ging damit in das Königsviertel. An dem einen Tor war Ngare togo scholi angebunden, der heilige Stier, den niemand bei Todesstrafe schlagen oder stoßen durfte. Er nahm die erste Lanze und stieß sie dem Tier in die Seite. Er nahm die zweite Lanze und stieß sie dem Stier in die Seite. Der heilige Stier brach tot zusammen. Dann ging Gossi durch das Torhaus und in das Königsviertel. Er fragte eine Frau nach der Wohnung Njelles. Die Frau zeigte ihm die Richtung. Er fragte nochmals eine Frau nach dem Hause Njelles. Sie zeigte Gossi das Haus Njelles. Gossi ging hinein und schlief bei Njelle.

Drei Tage war Gossi im Hause Njelles und schlief bei ihr. Alle Frauen und Männer wußten es. Keiner aber wagte es, dem König diese Nachricht zu hinterbringen, denn alle Leute fürchteten seinen Zorn. Am dritten Tage faßte sich die erste Frau Hamadis ein Herz, ging zum König und sagte: »Seit drei Tagen ist der Held Gossi im Königsviertel und im Hause deiner Frau Njelle und schläft bei ihr.« Als der König das hörte, rief er alle seine Vornehmen und Weisen zusammen zu einer Beratung auf dem großen Platz.

Der König sagte: »Ich habe das Gesetz erlassen, daß jeder, der den Ngare togo scholi schlägt oder stößt, getötet werden soll. Ich habe das Gesetz erlassen, daß jeder, der auf meine Frauen sieht und sich nicht umwendet, wenn sie irgendwo daherkommen, getötet werden soll. Nun aber ist dieser Gossi gekommen und hat den Ngare togo scholi nicht geschlagen, nein, er hat ihn getötet. Er hat meine Frauen nicht nur angesehen, sondern er hat die liebste meiner Frauen beschlafen. Er ist drei Tage bei Njelle und kümmert sich nicht um meinen Zorn. Wenn man schon wegen Schlagen und Hinschauen tötet, was soll man dann bei Töten und Beschlafen tun? Wer kann mir da einen Rat geben?«

Einige Leute sagten: »Man kann ihn eben nur töten.« Andere sagten: »Man kann ihn in einem großen Topf kochen.« Es wurde vieles von der Art gesprochen. Es war auch ein Bruder Gossis da, der war älter als Gossi und sagte: »Tötet Gossi nicht, sondern weist ihn aus dem Lande.« Gossi hörte in dem Hause Njelles alles, was draußen auf dem Platze gesprochen wurde.

Als der ältere Bruder Gossis gesagt hatte: »Tötet Gossi nicht, sondern weist ihn aus dem Lande!« sagte Gossi zu Njelle: »Höre, es wird mir etwas eng und warm im Haus, ich will ein wenig auf den großen Platz gehen.« Njelle sagte: »Ich komme mit dir.« Darauf traten Gossi und Njelle Hand in Hand aus dem Hause auf den großen Platz, auf dem die Versammlung abgehalten wurde, die wegen Gossis Strafe beratschlagte. Gossi sagte zu Njelle: »Nun kehre zurück.« Njelle sagte: »Nein, ich begleite dich noch ein wenig, denn du bist ein wahrer Mann und der tapferste unter den Fulbe.« Sie gingen also Hand in Hand noch weiter auf die Versammlung und den König zu und dann sagte Gossi: »Guten Weg, Njelle!« Njelle sagte: »Guten Weg, Gossi.« Njelle kehrte in ihr Haus zurück.

Als die versammelten Männer Gossi mit Njelle Hand in Hand aus dem Hause und über den Platz kommen sahen, wandten die einen den Kopf weg, die anderen bedeckten die Augen mit den Händen, die dritten verhüllten das Antlitz, um so den Geboten des Königs zu gehorchen, welche verlangen, daß jeder fortsieht, wenn ein königliches Weib auftritt. So kam es, daß Gossi ganz ungehindert über den Platz auf den König zugehen und neben ihm Platz nehmen konnte. Den König aber packte angesichts solcher Unerschrockenheit große Angst und er rückte furchtsam ein wenig zur Seite. Gossi setzte sich neben den König und sagte: »Mein älterer Bruder hat hier soeben gesagt: ›Tötet Gossi nicht, sondern weist ihn aus dem Lande!‹ Wenn es nicht mein Bruder gewesen wäre, der diese schmähenden Worte gesagt hat, mein Bruder, der gleichen Vater und Mutter mit mir hat, so würde ich ihn auf der Stelle töten. Straft mich, wie ihr wollt. Ihr könnt mich töten. Aber aus der Volksgemeinschaft der Fulbe werdet ihr mich niemals ausweisen!« Gossi sagte das, stand auf und ging zurück in das Haus Njelles. – Solange Gossi neben ihm gesessen hatte, war dem König angst und bange gewesen – als er aber nun von seiner Seite gegangen war, ward ihm leicht und angenehm zumute.

Als Gossi den Platz verlassen hatte und wieder in Njelles Haus zurückgekehrt war, kam ein eiliger Bote in die Versammlung gestürzt und teilte mit, daß ein starker Kriegshaufe in der Nachbarschaft der Hauptstadt aufgetaucht sei und da großen Schaden anrichte. Da sagte König Hamadi: »So wollen wir die Sache mit diesem Gossi zunächst sich selbst überlassen und zunächst einmal den Feinden entgegenziehen.« Einer aus der Umgebung sagte: »Wenn wir aber hier weggehen, so wird dieser Gossi sehr bald entfliehen und sich so seiner Strafe entziehen.« Ein Einheimischer aber sagte: »Man sieht, daß du nicht aus dieser Stadt bist, sonst würdest du wissen, daß dieser hier ein Held ist, der niemals entfliehen wird.« – Somit brach dann das Heer auf und zog unter der Führung des Königs Hamadi gegen den Feind.

Gossi hörte alles das mit an. Als die anderen abgezogen waren, sagte er zu Njelle: »O Njelle! Ich höre, daß draußen Krieg ist und nun sitze ich hier tatenlos bei einer Frau! Ach Njelle, wenn ich doch nur ein Pferd hätte!« Njelle sagte: »Höre, es sind hier im Königshof zwei herrliche Pferde, eines hat sieben, das andere hat zehn Sklaven gekostet. Geh hin und wähle eines aus.« Gossi ging hin und wählte ein Pferd aus. Er kam zurück und sagte: »Ach, Njelle, wenn ich nun noch ein gutes Gewehr hätte!« Njelle hatte alle Schlüssel über alle Vorratshäuser. Sie zeigte ihm, wo der Speicher mit den Gewehren sei. Er ging hin und nahm aus dem Haufen von fünfzig eine Doppelbüchse heraus. Njelle zeigte ihm, wo der Speicher mit dem Pulver und den Kugeln sei. Sie sagte zu Gossi: »Nimm dir nur viel Pulver und Kugeln mit!« Gossi sagte: »Ich brauche nur für zwei Schüsse, um uns hier zu befreien.« Er lud und sagte: »Guten Weg, Njelle.« Njelle sagte: »Guten Weg, Gossi!«

Inzwischen war es dem Heerhaufen des Königs Hamadi sehr schlecht ergangen. Die Feinde waren mit großer Macht herangekommen und hatten die Fulbe so gut wie zurückgedrängt. Nun waren zwei kühne Helden unter den Truppen des Feindes, die hatten es darauf abgesehen, den König Hamadi zu töten oder gefangen zu nehmen. Der eine hatte gerade die Büchse angelegt, um König Hamadi aus nächster Nähe totzuschießen, der andere hatte schon die Hand ausgestreckt, um den König Hamadi an der Brust zu packen. In diesem Augenblick kam Gossi angejagt. Er erschoß erst den, der sein Gewehr gegen König Hamadi gerichtet hatte, dann tötete er den anderen, der seine Hand nach dem König ausgestreckt hatte. Beide sanken tot zu Boden. Gossi packte die beiden Pferde an den Zügeln, reichte dem König die Zügel und sagte: »Bewahre mir diese beiden Pferde gut.« Der König band die Riemen der Pferde zusammen und hielt sie, und so wurde der König Hamadi der Sufa des Helden Gossi. – Gossi aber stürzte sich in das Schlachtgewimmel, sprengte überallhin, wo der Feind die Oberhand gewinnen wollte, und das hatte zur Folge, daß das Heer König Hamadis zuletzt doch noch den Feind zurückschlug.

Als das Heer Hamadis sich versammelte, sprengte Gossi so schnell wie möglich zur Stadt zurück, band sein Pferd am Hause Njelles an und ging hinein. Gossi sagte: »So, Njelle, nun mache mir warmes Wasser, damit ich mich baden kann, denn ich habe schwere Arbeit hinter mir.« Darauf lachte Njelle vor Freude und bereitete alles. Der Held wusch sich. Das Heer Hamadis versammelte sich auf dem Schlachtfeld und kehrte in die Stadt zurück. Die Versammlung trat wieder auf dem großen Platz zusammen. Als alle anwesend waren, sagte der König: »Wir müssen jene Sache des Helden Gossi, die noch nicht erledigt ist, abschließen. Gossi hat den Ngare togo scholi getötet und ist in das Haus meines Lieblingsweibes gegangen, um bei ihr drei Tage zu schlafen. Wir haben keine Strafe ersinnen können, die schwer genug gewesen wäre, die genügt hätte, diese Verbrechen zu sühnen. Inzwischen ist aber eine große Änderung eingetreten. Gossi hat mir auf dem Schlachtfeld nicht nur das Leben gerettet, sondern wir haben es ihm auch zu verdanken, wenn wir den Sieg nicht verloren haben. Darum will ich diesem Helden Gossi, anstatt ihn zu strafen, die Frau Njelle schenken.« Der ältere Bruder Gossis ging hin, um den Helden zu rufen und ihm zu sagen, was der König beschlossen habe.

Gossi kam. Er trat in die Versammlung. Er nahm kühn und unverzagt neben dem König Platz. Er sagte: »König Hamadi! Ihr anderen! Ihr glaubt, daß ich diese Sache um der Frau Njelle willen getan habe. Das würde ich nicht tun, denn Njelle ist die Frau des Königs. Aber eine Fulbefrau hat mir gesagt, ›es gibt keine ordentlichen Männer mehr!‹ Es ist eine Schande, wenn die Fulbefrauen so sprechen können. Ich habe mit alledem nur zeigen wollen, daß es eben noch echte Männer unter den Fulbe gibt. Deine Frau will ich dir nicht nehmen. Behalte sie, König Hamadi.«

Damit stand Held Gossi auf und verließ das Viertel des Königs. Später sagte der Held Gossi: »Ich bin doch der tapferste aller Fulbe. Nur drei Männer werden mich darin zu übertreffen wissen: Erstens, der sich in warmem Wasser wäscht und Geduld genug besitzt, dem Juckreiz zu widerstehen und sich nicht zu kratzen. Zweitens, der einen Niednagel am Finger hat und den Mut besitzt, ihn nach der Handfläche zu fingerauf wegzuziehen, statt ihn abzubeißen oder abzuschneiden. Drittens, wer nachts Wasser schöpft um zu trinken und dann trinkt ohne das anzusehen, was er schlürft.«

Sira Maga Njoro

Sahel

Sira Maga Njoro wurde einer der größten Helden Massinas. Er wurde seinerzeit im Dorf Keke geboren, und zwar als der Sohn des Königs von Massina. Sein Vater war Ardo, und Massina war damals dem Segureich des Königs Daga tributpflichtig.

An dem Tag, an dem Sira Maga Njoro geboren wurde, ließ König Ardo erforschen, wo überall in seinem Land am gleichen Tag Knaben geboren seien. Es stellte sich heraus, daß es hundert Knaben waren. Ardo ließ darauf der Mutter jedes der hundert Knaben Batang (d. h. 10 000 Kaurimuscheln) als Geschenk überweisen und jeder einzelnen sagen: »Sobald dein Sohn nicht mehr die mütterliche Brust nimmt, sende ihn an meinen Platz. Ich will alle hundert Knaben, die am gleichen Tag mit Sira Maga Njoro geboren wurden, gemeinsam mit meinem Sohn erziehen und dafür Sorge tragen, daß es ihnen niemals an etwas fehlen soll. Diese hundert jungen Leute sollen zusammenleben solange ihr Herr Sira Maga Njoro lebt.« Inzwischen ließ der König Ardo einen großen stattlichen Hof mit zehn schönen Gebäuden darinnen herrichten. In jedem der zehn Häuser sollten je zehn der hundert Knaben wohnen. Die hundert Knaben wurden nun von den Müttern nach und nach herbeigebracht und zogen in den Hof ein. Von da an führten sie alle mit Sira Maga Njoro das gleiche Leben. Sie aßen alle gemeinsam die gleichen Speisen. Sie trugen alle gemeinsam die gleiche Kleidung. Als sie genügend herangewachsen waren, wurden alle gemeinsam beschnitten. Dann aber erhielten sie auch zu gleicher Zeit Pferde zum Reiten und Waffen zu Jagd und Kampf, und es wurden gewandte Männer ausgewählt, die sie Kunstfertigkeiten lehrten, Spielmänner, die ihnen von den großen Taten der Vergangenheit vorsangen. Sie standen morgens gleichzeitig auf, verbrachten den Tag gemeinsam und suchten auch gleichzeitig das Lager auf, bis die Burschen erwachsen waren.

Damals, als die Burschen noch jung waren, war Massina nicht unabhängig, sondern König Ardo zahlte jährlich Ussuru (Tribut) an den Herrscher von Segu. Jedes Jahr kamen einmal von dort Boten, den Ussuru abzuholen; dann sandte Ardo Botschaft im Land umher und ließ Hammel zusammenbringen, die der Bote von Segu mit sich nahm. Als die hundert Burschen noch sämtlich halbreife Jünglinge waren, kam eines Tages der Bote aus Segu. Er saß in der Halle des Königs. Neben dem König saß ein strammer junger Mann. Auf den mußte der Bote aus Segu immer von Zeit zu Zeit hinschielen – denn auf der Stirn des Burschen saß eine große Fliege und die sog sein Blut aus. Die Fliege sog sich immer voller und voller. Der Bursche aber achtete nicht darauf. Sie fiel endlich übersättigt und mit Blut gefüllt tot herab auf das Knie des Jünglings. Dessen Blick fiel zufällig darauf; da schnippste er sie mit dem Finger fort gegen die Wand. An der Wand gab es einen Blutfleck.

Der Bote sah dem unwesentlichen Vorgang seitwärts schielend mit Interesse zu und ging dann fort. Draußen fragte er einen Mann: »Wer ist der Bursche, der da neben dem König Ardo saß.« Der Mann sagte: »Das ist König Ardos erster Sohn, mit Namen Sira Maga Njoro.« – Der Bote kam nach Segu, lieferte die Hammel ab und sprach: »Der König Ardo von Massina hat einen Sohn, namens Sira Maga Njoro. Wenn der erwachsen sein wird, wird es nicht so leicht sein, den Ussuru von Massina heimzubringen. Der Bursche hatte eine Blutfliege auf dem Kopf, die sog sich voll, bis sie herabfiel. Er bemerkte es gar nicht und faßte sich nicht einmal an die Stirn.«

Im anderen Jahr kamen die Boten aus Segu wieder, um den Ussuru einzutreiben. Sie begrüßten Ardo. Einer von ihnen trieb einige Tiere gerade an der Wiese vorbei, auf der Sira Maga Njoro mit seinen Genossen spielte. Der Königssohn sah den Hammeltreiber und rief: »Hallo! Bursch, woher, wohin mit den Hammeln? Wem gehören die Hammel?« Der Mann aus Segu sagte: »Das sind einige von den Hammeln, die der König von Massina an den König von Segu als Ussuru sendet.« Da rief Sira Maga Njoro: »Das ist ein Wort, das ich noch nicht gehört habe! Was ist das, Ussuru?« Der Bote sagte: »Das heißt, daß Massina schwächer als Segu ist, und daß dein Vater deswegen an den König von Segu eine Abgabe zahlt, damit der mit ihm in Freundschaft lebe!« Sira Maga Njoro sagte: »Das ist ja eine schöne Sache! Wozu ist denn Sira Maga Njoro jetzt ein erwachsener Bursch in Massina?! Nein, solange ich lebe, wollen wir den Ussuru abschaffen. Gibt es vielleicht noch mehr Hammeltreiber dieser Art?« Die Leute sagten: »Es sind sieben Männer, die den Ussuru nach Segu treiben.« Sira Maga Njoro sagte: »So treibt mir die sieben tapferen Männer hierher!« Man brachte alle sieben Leute aus Segu herbei. Als er sah, daß sie alle beieinander waren, gab Sira Maga Njoro den Auftrag, ihnen den Kopf abzuschlagen. Man tat es. Damals war Sira Maga Njoro noch nicht erwachsen, aber sein Einfluß war doch so bedeutend, daß man seinen Befehlen nachkam.

Als König Ardo das hörte, war er bestürzt und sandte sogleich einen Boten an Sira Maga Njoro, der ihm wichtige Worte sagen sollte. Ardo sandte einen alten Dialli. Der alte Dialli kam zu Sira Maga Njoro und sagte zu ihm: »Mich sendet dein Vater, daß ich dir zeige, wie die Verhältnisse liegen und wie wenig klug du gehandelt hast. Segu ist heutzutage stark, sehr stark; Massina aber ist schwach, sehr schwach. Segu wird uns alles nehmen können, wenn es will. Wir werden uns nicht wehren können.« Sira Maga Njoro hatte drei Wurflanzen in der Hand. Er packte die erste Lanze und schleuderte sie in großem Bogen fort in den Fluß. Er packte die zweite Lanze und schleuderte sie in großem Bogen fort in den Fluß. Er packte die dritte Lanze und schleuderte sie in großem Bogen fort in den Fluß. Darauf sagte er: »Sage meinem Vater, wenn Segu da heranflösse, würde es an meinen Harpunen hängenbleiben. So wird es sein, solange ich lebe.« Der Dialli ging hin und berichtete das dem König Ardo. König Ardo sagte: »Gut, wir werden es ja sehen.«

Eines Tages berichteten die Leute Sira Maga Njoro: »Der Bruder deines Vaters will heiraten.« Sira Maga Njoro sagte zu seinen Leuten: »Seht zu, ob das Mädchen jung oder alt ist. Der Bruder meines Vaters ist alt. Ihm ziemt kein junges Mädchen. Wenn es jung ist, will ich es ihm fortnehmen.« Die Leute gingen hin. Sie sahen das Mädchen an. Dann kamen sie zurück und sagten: »Das Mädchen, das dein Onkel heiraten will, ist jung.« Sira Maga Njoro sagte: »So kommt mit mir.« Er machte sich mit seinen Reitern auf und ritt in das Dorf, in dem das Mädchen wohnte. Er nahm es aus dem Dorf und heiratete es selber.

Als der Bruder König Ardos hörte, was ihm Sira Maga Njoro für einen Streich gespielt hatte, machte er sich sogleich auf den Weg. Er war über alle Maßen zornig und beschloß sogleich, gegen Sira Maga Njoro die höchste Gewalt zu gebrauchen. Er reist nach Segu zum Oberherrn von Massina und sagte zu König Daga: »Der Sohn meines Bruder, Sira Maga Njoro, hat mir große Schmach angetan und das Mädchen geraubt, das ich heiraten wollte. Nun leihe du mir deine Truppen, damit ich mit denen und meinen Leuten gegen ihn zu Felde ziehen und ihn töten kann.« Der König Daga von Segu sagte: »Du hast wohl Grund zur Beschwerde. Aber mir ist es noch viel schlimmer ergangen. Denn dieser Sira Maga Njoro hat die sieben Leute, die ich nach Massina sandte, um den Tribut einzutreiben, einfach totgeschlagen und mir den Tribut Massinas nicht zukommen lassen. Warte nun mit mir bis zum nächsten Jahr, dann wollen wir gemeinsam den Krieg gegen Massina und Sira Maga Njoro beginnen.«

Eines Tages saß Sira Maga Njoro mit seinen Dialli und seinen hundert Helden in einem Haus zusammen. Sira Maga Njoro sagte: »In drei Dingen bin ich allen Männern über: Zum ersten bin ich der schönste Mann in Njoro. Zum zweiten bringe ich mein Geld am freigebigsten unter die Leute. Zum dritten bin ich der Unerschrockenste von allen.« Der Bruder König Ardos ging draußen vorüber; der hörte die ersten Worte der Unterhaltung und sagte zu seinen Begleitern: »Wartet einen Augenblick. Der Sohn meines Bruders redet da drinnen große Worte. Die wollen wir mit anhören.« Sie blieben stehen. Sira Maga Njoro sagte: »Zum ersten bin ich der schönste Mann in Njoro.« Der lauschende Onkel nickte und sagte: »Das ist wahr!« Sira Maga Njoro sagte: »Zum zweiten bringe ich mein Geld am freigebigsten unter die Leute.« Der lauschende Onkel nickte und sagte: »Das ist auch wahr.« Sira Maga Njoro sagte: »Zum dritten bin ich der Unerschrockenste von allen.« Darauf schüttelte der Onkel den Kopf und sagte: »Nein, das letztere war nicht wahr. Er übertreibt. Ich bin zum Beispiel tapferer als dieser unerfahrene Knabe. Kommt!« Er ritt von dannen. – Im Hintergrund hatte der alte Hörige Sira Maga Njoros, Njidi mit Namen, dieses Gespräch des Onkels mitangehört. Er sagte aber seiner Gewohnheit nach kein Wort.

Am anderen Tag gingen die Sklaven mit Njidi an der Spitze in den Busch, um Holz zu schlagen. Njidi führte sie sehr weit, so daß sie sich nicht mehr zurecht fanden. Njidi sagte: »Wartet hier im Walde, ich will den Weg suchen.« Die Sklaven blieben zurück. Njidi ging aus dem Busch und auf Keke zu. Es war schon dunkel; der Mond schien nicht. Dazu regnete es. Njidi stieg nahe dem Dorf auf einen hohen Baum und schrie. In dem Orte fuhren die Leute auf: »Was hat da geschrien?« Andere sagten: »Wo war das?« Andere sagten: »Es muß ein Kriegszug sein, der gegen die Stadt heranzieht.« Andere sagten: »Und die Sklaven sind noch nicht zurückgekommen.« Andere sagten: »Das wird der Heereshaufe von Segu sein, der über uns herfallen will. Unterwegs hat er unsere Sklaven angetroffen und sie gefangengenommen.« Alle Männer holten Waffen und Pferde hervor und ritten mit Sira Maga Njoro und dem Bruder König Ardos an der Spitze zum Stadttor hinaus.

Die Helden ritten dem Schrei nach und kamen unter den großen Baum, auf dem Njidi saß. Sira Maga Njoro hielt auf der einen Seite, der Bruder König Ardos auf der anderen. Njidi schrie wieder über ihnen auf. Da packte den Onkel Sira Maga Njoros große Angst, und er jagte Hals über Kopf nach Keke zurück. Seine Leute folgten ihm. Inzwischen war Sira Maga Njoro ruhig an seinem Platz geblieben. Er rief zum Baum hinauf: »Wer ist denn da oben?« Njidi aber schrie noch einmal. Sira Maga Njoro fragte nochmals: »Wer ist denn da oben?« Darauf antwortete Njidi: »Ich bin es, der Sklave Sira Maga Njoros, die anderen Sklaven und ich haben den Weg verloren.« Sira Maga Njoro sagte: »So komm herab und steige hinten auf meinem Pferd auf. Wir wollen zurückreiten.« Als der Onkel am Stadttor von Keke endlich anhielt, fragte er: »Wo ist Sira Maga Njoro?« Seine Leute sagten: »Sira Maga Njoro ist unter dem Baum geblieben. Er hat sich nicht von der Stelle bewegt.« Darauf schämte sich der Onkel und ritt zurück. Als er zu dem jungen Helden kam, sagte er: »Mein Pferd ist durchgegangen, ich verlor die Macht über das Tier, und es jagte mit mir bis nach Keke zurück. Da erst bekam ich es wieder in meine Gewalt.« Hierauf sagte niemand etwas, aber alle machten sich auf den Rückweg durch die dunkle Steppe.

Als sie so durch die Steppe ritten, brüllte es in der Nähe. Darauf schreckte das Pferd Sira Maga Njoros und stieg. Aber Sira Maga Njoro packte fest in die Zügel und zwang es herab. Nach einiger Zeit brüllten ganz nahe zwei Löwen auf. Darauf stieg das Pferd Sira Maga Njoros hoch auf und machte einige Sätze nach vorn. Dann zwang der junge Held es zurück. Als der Onkel das Durchgehen des Pferdes sah, sagte er: »Siehst du, ebenso ging vordem mein Pferd durch.« Sira Maga Njoro sagte: »Aber es kommt nicht gleich bis an die Stadtmauer von Keke.« Der alte Sklave Njidi öffnete aber gegen seine Gewohnheit den Mund und sagte: »Gestern abend hörte ich von dort aus, wo ich das Essen für meinen Herrn bereitete, drei Worte meines Herrn Sira Maga Njoro und drei Worte eines anderen, der vorüberging. Das Wort des anderen ging durch ohne den Kopf seines Herrn, wie das Pferd des Bruders König Ardos. Das Wort meines Herrn war stark und stolz wie die Hand, die eben das Pferd Sira Maga Njoros bändigte.« Da schämte sich der Onkel.

Sira Maga Njoro sagte: »Wer weiß, ob ich noch länger als ein Jahr leben werde – denn ich habe schon zwei Sachen gemacht, die man mich entgelten lassen wird – ich habe die Boten des Herrschers von Segu töten lassen und ich habe meinem Onkel eine Frau weggenommen. Vergnügen wir uns also. Spielen wir das Paddi!« Sira Maga Njoro spielte das Paddi nicht wie andere mit Steinchen oder Holzstückchen, sondern mit Gold- und Silberwürfeln. Sie begannen das Spiel. Er ergriff die Silberstücke. Die anderen sagten: »Weshalb nimmst du als Königssohn nicht das bessere, die Goldstücke?« Sira Maga Njoro sagte: »Das Weiße ist rein, das Gelbe schmutzig. Ich will nur Reines haben. Mögt ihr das Schmutzige bevorzugen!«

Sie begannen dann das Spiel. Sira Maga Njoro sagte (spielgemäß): »Ich trete ein. Alles, was ich bereiten lasse, könnt ihr ohne Abscheu und Schlechtes zu bemerken essen.« Polor, ein älterer Haushöriger, der in hohem Ansehen stand, spielte mit. Er wurde als ein ganz besonderer Mann und Held angesehen, und die Sage erzählt, daß, wenn im Kampf Sira Maga Njoro auf der einen Seite einen Mann erschlug, Polor auf der anderen einen Feind zu Boden warf. Dieser Polor spielte nach Sira Maga Njoro und sagte: »Ich denke, wir können alles essen, was uns der Sohn des Königs vorsetzt, außer Kuhmist. Den werden wir herausschmecken.«

Am anderen Morgen rief Sira Maga Njoro seinen Koch Njidi und sagte: »Nimm eine Schüssel mit Reis, eine Schüssel mit Kuhmist, einen Hammel. Daraus mache mir eine ausgezeichnete Mahlzeit für meine Helden.« Njidi tat,wie ihm befohlen.

Er bereitete ein wohlduftendes Gericht. Als dann die anderen zum Essen zusammenkamen, sagte er: »Ihr müßt heute ohne mich essen – denn ich fühle mich heute nicht wohl. Ich habe Magenschmerzen.« Darauf aßen die anderen das Gericht, das Njidi ihnen bereitet hatte und das ihnen ausgezeichnet mundete. Sie aßen die Kalebassen ganz leer. Nachher begannen sie wieder das Paddi. Sira Maga Njoro begann wieder: »Ich trete ein! Alles, was ich bereiten lasse, könnt ihr ohne Abscheu und Schlechtes zu merken essen.« Polor sagte: »Ich denke, wir können alles essen, was uns der Sohn des Königs vorsetzt, außer Kuhmist; den werden wir herausschmecken.« Sira Maga Njoro sagte: »Ihr habt eben erst Kuhmist gegessen und habt nichts gemerkt. Was nützt da der Spruch!« Die anderen lachten und sagten: »Du hast uns angeführt. Du bist auch im Spiel König.« Sira Maga Njoro sagte: »Ihr seht aber, daß ich mit Recht die silbernen Würfel nehme, die immer rein sind und euch die goldenen überlasse.«

Eines Tages sagte Sira Maga Njoro zu seinem Kameraden (er war mit dem Sklaven so befreundet, daß er ihn so nannte): »Mein Polor, rüste mein Pferd Sopre Kange!« Polor fragte: »Wo willst du hin?« Sira Maga Njoro sagte: »Wer weiß, ob ich noch länger als ein Jahr lebe. Da will ich doch wenigstens heiraten. Ich will in das Land Konare, da will ich mir die Tochter des Landesherrn Galadio holen.« Galadio wohnte im Dorf Gundaka. Um Gundaka war ein breiter Buschgürtel des stehenden, stachligen Tomonongbaumes angelegt, und nur ein einziger Weg führte durch diese sichere Verteidigungswand nach Gundaka hinein.

Sira Maga Njoro, Polor und die hundert Helden machten sich auf den Weg und ritten in das Land Konare. Vor der Tomonongbuschwehr schlugen sie ihr Nachtquartier am Boden auf. Sira Maga Njoro legte zwölf leichte Wurflanzen auf die Erde und eine Decke darüber. Das war sein Bett. An das Kopfende steckte er eine schwere Lanze. Zwei Dialli nahmen neben ihm am Boden Platz und spielten das Baudi. Er schnippste mit dem Finger gegen die Gitarre und sagte: »Geht gleich zu Galadio hinein in die Stadt und sagt ihm einfach: Sira Maga Njoro ist gekommen. Er will deine Tochter heiraten und sie mit nach Keke nehmen. Sagt Galadio ferner: Deine Tochter Fatumata ist das erste Mädchen Massinas. Sira Maga Njoro ist der erste Bursche in Massina. Da gehören sie zusammen, damit Massina stark wird.« Die Begleiter Sira Maga Njoros sagten: »Sende nicht solche Botschaft, denn sie ist gegen allen Brauch. Du wirst den Herrn von Konare beleidigen, und er wird seine zwölf Kambodj (Ritter, die stark im Einzelgefecht sind) gegen dich aussenden.« Sira Maga Njoro sagte: »Wenn es kommt, kommt es so – ich will, daß meine Botschaft so ausgerichtet wird.«

Die beiden Dialli machten sich auf den Weg. Sie ritten den Pfad zwischen den Dornen hin und auf den Marktplatz. Da saß Galadio, umgeben von seinen Leuten, alle in schöne, weiße Gewänder gehüllt, und zwölf Dialli spielten das Baudi. Es war eine stattliche Versammlung. Die beiden Spielleute aus Keke sagten ihren Gruß und fuhren fort: »Wir sind wegen wichtiger Nachrichten an dich gesandt.« Der König sagte: »Wenn ihr etwas Gutes sagen könnt, so freue ich mich und will euch dann meine Freude erkenntlich machen. Wenn es sich aber um eine schlechte Sache handelt, so werdet ihr in den Tomonongbäume draußen die Hälfte eurer Hosen verlieren.« Da bekamen die Dialli Angst. Sie sagten: »Dann wollen wir lieber gehen, wenn unser Herr auch ein tapferer Mann ist.« Der Galadio sagte: »Tut, was ihr für gut haltet.« Darauf kehrten die beiden Dialli um.

Die beiden Dialli kamen zu Sira Maga Njoro zurück. Als sie in der Ferne sichtbar wurden, sagte ein Begleiter des Königssohnes: »Siehe, da kommen ja deine beiden Dialli wieder an!« Sira Maga Njoro sagte: »Weshalb kommt ihr ohne Fatumata?« Die Dialli sagten: »Wenn du sowohl von deinem Vater als von deiner Mutter ein wenig Bart ererbst, dann hast du schon einen schönen Bart. Galadio hat uns so schlechte Sachen gesagt, daß wir gleich wieder gingen.«

Sira Maga Njoro lachte und sagte: »Polor, rüste meinen Sopre Kange. Heute will ich noch alles Vieh Konares nehmen und morgen wird mir Fatumata zur Frau gegeben werden. Wenn mir das nicht gelingt, dürft ihr mich nachher, wenn ihr mich seht, beschimpfen und sagen: ›Da läuft der Hund fort.‹« Darauf machte er sich mit seinen Reitern auf und trieb alsbald alles Vieh Konares zusammen.

Als Galadio das hörte, ließ er die Tabele schlagen. Das vernahm Sira Maga Njoro und er sagte zu Polor: »Treibe du nur ganz ruhig das Vieh heim. Die hundert Helden werden dir helfen. Ich will hier warten, denn ich höre, daß man eine Tabele rührt. Du brauchst dich nicht so sehr zu eilen, und wenn das Vieh unterwegs etwas grasen will, so laß ihm seinen Willen. Ich werde dafür Sorge tragen, daß, solange ich am Leben bin, zwischen diesen Tomonong kein Reiter an mir vorüberkommt, um euch anzugreifen. Also macht die Sache lässig.« Polor trieb mit den hundert Helden das Vieh von dannen. Sira Maga Njoro setzte sich zwischen den Dornenhecken auf den Boden, band die Zügel des Pferdes an seinen Fuß, hüllte sich in seine Decke, hielt die dreizehn Lanzen bereit und wartete ab, was nun weiter geschehen würde.

Als die Tabele geschlagen war, kamen auch die zwölf Kambodj zum König Galadio und fragten ihn: »Was gibt es? Weshalb schlägst du die Tabele?« Galadio sagte: »Sira Maga Njoro ist in das Land gekommen und hat alles Vieh geraubt. Er treibt es von dannen.« Die Kambodj sagten: »Das lohnt doch aber nicht. Weshalb läßt du denn da gleich die Tabele schlagen und uns alle zusammenkommen, wenn ein einfacher Viehräuber im Busch ist?!« Galadio sagte: »Ihr irrt, wenn ihr Sira Maga Njoro für einen gewöhnlichen Viehräuber haltet. Er hat seine hundert Helden bei sich.« Die Kambodj sagten: »Du kennst uns doch aber und mußt wissen, daß einer von uns hundert Mann auf sich nehmen kann. Also wähle einen von uns zwölf aus und sende ihn hinter diesem Sira Maga Njoro her.« Galadio sagte: »Ihr scheint von diesem Sira Maga Njoro nichts zu wissen. Er ist der tapferste und unerschrockenste Held Massinas.« Die Kambodj sagten: »Gut denn also; so werden wir nach deinem Wunsch alle zwölf gegen ihn ausziehen.« Galadio sagte: »Auch das genügt mir nicht. Ich werde euch auch mit meinen anderen Reitern begleiten.« Darauf setzte sich der ganze Zug in Bewegung und kam alsbald an das Tor der Stadt.

Am Stadttor saß ein alter Dialli. Als Galadio vorbeiritt, rief er: »Galadio! Galadio! Galadio!« Er mußte dreimal rufen, ehe der König hörte. Galadio sagte: »Was gibt es?« Der Alte sagte: »Ich muß dir etwas sagen, was dich erzürnen kann. Aber es ist gut für dich! Du könntest aber so zornig werden, daß du mich tötest.« Galadio sagte: »Ich töte dich nicht.« Der Alte sagte: »Ich bin nicht sicher!« Galadio sagte: »Ich töte dich nicht.« Der Alte sagte: »Du könntest nachher doch zornig werden, schwöre!« Galadio sagte: »Ich schwöre dir bei meinem Namen, daß ich dir nichts tun werde.«

Darauf sagte der alte Dialli: »Wenn jemand wie dieser Sira Maga Njoro mit seinen hundert Reitern gegen deine dreihundertdreiunddreißig Dörfer auszieht, so ist das ein Tapferer, ein Held! Und Sira Maga Njoro ist ein Held! Laß also den Krieg. Denn er würde dich zu viele tapfere Krieger kosten, wenn du diesen einen Mann würdest töten wollen. Darum rate ich dir: reite ihm entgegen und besprich mit ihm diese Sache in Frieden. Entbiete ihm den Gruß eurer gemeinsamen Familie. Rufe ihm Diko entgegen!« (Name des gemeinsamen Adelsgeschlechts). Galadio zog weiter und bedachte diese Sache.

Sira Maga Njoro saß an der gleichen Stelle am Boden und sang das Baudi vor sich hin. Dazu schlug er die Gitarre, die einer seiner Dialli zurückgelassen hatte. Als der König kam, sprang Sira Maga Njoro auf. Da bekam Galadio einen Schreck. Er gedachte des Wortes des alten Dialli und rief: »Diko!« Das hatte Sira Maga Njoro nicht erwartet. Er hatte sich auf den Kampf gefreut. Als der König ihn so begrüßte, biß er sich auf die Lippen, daß das Blut herausspritzte; erst dann konnte er antworten. Galadio sagte darauf: »Höre, Sira Maga Njoro: Wir sind gleicher Familie und sind beide Königskinder. Weshalb wollen wir uns im Krieg schwächen? Wir wollen die Familien der Fulbe lieber stark machen, als uns und unsere Leute hinzumorden. Wenn etwas Gutes oder Böses in unseren Familien ist, so wollen wir lieber beides teilen. Wenn du eine Tochter hättest, würde ich dich bitten, sie mir zur Frau zu geben. Wenn du meine Fatumata heiraten willst, so gebe ich sie dir gern, denn du bist von meiner Familie und ein Held. So wollen wir handeln, aber wir wollen nicht einander bekriegen und uns berauben.« Sira Maga Njoro sagte: »Du hast recht, wir wollen diese Art nicht fortsetzen. Ich werde dir dein Vieh wiedergeben und deine Tochter zur Frau nehmen. Das war das Ganze. Du wirst ebenso Wort halten, wie ich es gewohnt bin.«

Der König sagte: »Ich will nachsenden und das Vieh holen lassen. Bleib solange hier.« Sira Maga Njoro sagte: »Es ist besser, ich rufe meine Leute selbst.« Der König Galadio sagte: »Nein, es wird besser so sein!« Sira Maga Njoro sagte: »Es ist deine Sache. Ich fühle mich recht wohl so.« Galadio sandte die zwölf Kambodj und dreihundert Krieger aus, die sollten Polor sagen, daß er das Vieh zurücksende. Galadio nahm die Kambodj beiseite und sagte: »Wenn Polor sich weigert, so tötet ihn und die anderen hundert, aber das Vieh bringt mir jedenfalls zurück.« Die anderen nahmen bei Sira Maga Njoro Platz. Die Dialli spielten das Baudi.

Polor hatte nach einer Weile gesagt: »Ihr hundert Helden, treibt ihr das Vieh nur langsam weiter. Ich werde euch den Rücken decken und werde sehen, daß kein Reiter Galadios an mir vorüberkommt.« Kurz nachdem sie den König verlassen hatten, sprengten die Kambodj voraus und ließen die dreihundert Reiter weit hinter sich zurück. Als Polor sich umsah, erkannte er zwölf fremde Reiter am Horizont und sprengte sogleich vorwärts zu den hundert Helden und sagte: »Unser Held Sira Maga Njoro muß gefallen sein, denn ich sehe feindliche Krieger nahen. Treibt das Vieh ruhig weiter. Ich werde sie nicht an mir vorüberlassen.« Dann blieb er wieder zurück. Er sah nun weit hinter den zwölf Kambodj die dreihundert Reiter herannahen. Er stürmte darauf nochmals vor und sagte den hundert Helden: »Treibt euer Vieh nur langsam vorwärts; denn ich habe hinter mir viel Arbeit. Es kommen mehrere Reiter. Laßt das Vieh am nahen Gewässer grasen und wartet mich ruhig ab. Sobald ich meine Sache erledigt habe, komme ich.«

Darauf sprengte Polor zurück und sagte vor sich hin: »Sira Maga Njoro hat noch nie gelogen. Heute hat er gesagt: solange ich lebe, kommt kein Reiter an mir vorüber. – Also muß er getötet sein. Das sollen mir diese Leute entgelten.« Polor stürmte vorwärts. Er sah, daß einer der zwölf Reiter die Hand hochhielt. Aber er gellte seinen Schrei so laut heraus, daß er den Anruf des anderen: »Halt! Polor, eine Botschaft!« nicht hörte. Er legte seine Waffe an und schoß den anderen, den ersten Kambodj, vom Pferde herab. Er hob seine Flinte wieder auf und schoß den zweiten Kambodj herunter. Darauf machten die anderen zehn Kambodj kehrt und flohen.

Das aber sahen die dreihundert Reiter, und sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als ihre Pferde herumzuwerfen und rückwärts zu eilen. Sie waren voran. Ihnen folgten die zehn Kambodj, und das Ganze hetzte Polor vor sich her. Er schoß noch einmal. Abermals fiel ein Kambodj. Es blieben nur noch neun übrig. Und so schoß er von Zeit zu Zeit auf die Kambodj. Er fehlte nie. – Elf Kambodj fielen. Dann waren sie aber bis an jene Stelle gekommen, an der Sira Maga Njoro mit Galadio hielt.

Sira Maga Njoro rief: »Halt, Polor!« Da setzte er das Gewehr ab, und somit rettete dieser Ruf dem letzten Kambodj das Leben. Polor rief: »Oh, Sira Maga Njoro, nie hast du vordem gelogen. Heute aber hast du die Unwahrheit gesagt. Denn vordem sagtest du mir: ›ich werde dafür Sorge tragen, daß, solange ich am Leben bin, kein Reitersmann zwischen diesen Tomonong an mir vorüberkommt‹. – Und nun bist du doch am Leben.« Sira Maga Njoro sagte: »Du hast vergessen, daß ich hinzusetzte: Um euch anzugreifen! – Diese Leute kamen aber nicht, um euch anzugreifen, sondern um euch eine Nachricht zu bringen.« Galadio sagte: »Jetzt sind meine elf Kambodj getötet und nur einer ist noch am Leben.« Sira Maga Njoro sagte: »Habe ich dir nicht gesagt: Es ist besser, ich rufe meine Leute selbst?« Nachher sandte Sira Maga Njoro die Kühe aus Konare an Galadio zurück, und wenig später heiratete Sira Maga Njoro Fatumata, die Tochter des Königs Galadio von Konare.

Inzwischen drängte der durch Sira Maga Njoro eines Weibes beraubte Bruder König Ardos den König Daga von Segu, daß er den Krieg gegen Massina beginne. König Daga sagte ihm: »Ich werde dir zehn Heerhaufen geben. Die kannst du mit deinen Leuten zusammen gegen Sira Maga Njoro führen.« Der Bruder Ardos sagte: »Das genügt nicht! Du kennst nicht diesen Sira Maga Njoro. Das ist ein Held, wie noch keiner in Massina von einer Fulbefrau vordem geboren war.« König Daga sagte: »So nimm denn mein ganzes Heer und führe es gegen Sira Maga Njoro nach Massina.« Der Bruder Ardos sagte: »Das genügt nicht. Wenn du nicht dein Heer begleitest, wird nicht genug Glück und Kraft unsere Kriege leiten.« So sagte Daga endlich Ardos Bruder alles zu und sprach: »Also werde ich mit dir ziehen und mit meinem Heer deine Leute begleiten. Wenn wir dann nicht obsiegen, muß unsere Sache in den Augen Gottes eine ungerechte sein.« Sie rüsteten und brachen auf.

Das Gerücht, daß eine gewaltige Kriegsmacht sich auf den Weg gemacht habe und daß König Daga selbst seine Mannschaften führe, drang auch nach Keke. Sira Maga Njoro rief seinen jüngeren Bruder, Mussa Ardo, und sagte: »Höre, mein Bruder, es gibt hier eine ernste Sache. Reite dem Gerücht entgegen und sieh zu, ob es wahr ist, daß König Daga selbst an der Spitze seines ganzen Heeres gegen mich zu Felde zieht. Sieh zu, daß deine Nachricht eine genaue und vollständige sei.« Mussa Ardo nahm einen Sufa als Pferdeburschen mit sich und ritt dem Heere Dagas entgegen, so schnell die Pferde sie trugen.

Als sie sechs Tage lang gereist waren, kamen sie an den Busch, in dem die Leute des feindlichen Heeres Holz schlugen zum Lagerbau und an dessen Grenze sie Gras schnitten zur Pferdefütterung. Der Sufa Mussa Ardos hörte kaum das Holzschlagen, als er eilig zu seinem Herrn sagte: »Schnell, kehren wir zurück, denn da sind die Lager. Wir können sagen, daß wir im feindlichen Lager waren.« Mussa Ardo sagte: »Ich habe meinem Bruder genauen und vollständigen Bericht versprochen und den kann ich erst geben, wenn ich die Heerhaufen selbst gesehen habe.« – Sie ritten weiter. Sie kamen an das feindliche Lager. Der Sufa sagte: »So, nun haben wir die feindlichen Truppen gesehen. Das genügt. Komm schnell zurück. Denn was hat dein Bruder davon, wenn wir getötet werden. Dann hört er gar nichts.« Mussa Ardo sagte: »Ich habe meinem Bruder versprochen, mich zu überzeugen, ob Daga selbst das Seguheer führt. Komm also mit mir!« Mussa Ardo ritt in das feindliche Lager und in dessen Mitte, dahin, wo man die Wohnung des Königs aufgeschlagen hatte. Daga stand selbst da. Mussa Ardo stieg von seinem Pferd, ging auf den König zu und sagte den Gruß. Der König antwortete: »Glücklicher Weg! Ich bin König Daga von Segu, der mit seinem Heer auf dem Wege ist, dem Helden Sira Maga Njoro von Massina den Krieg ins Land zu tragen. Wer bist aber du?« Der andere antwortete: »Ich bin Mussa Ardo, der Bruder des Helden Sira Maga Njoro. Ich bin von meinem älteren Bruder ausgesandt, mich zu überzeugen, ob das Heer von Segu nach Massina unterwegs sei und ob König Daga selbst an dessen Spitze einherziehe.« Daga sagte: »So kannst du deinem Bruder berichten, daß ich unterwegs sei und daß er sich rüsten möge.« Mussa Ardo sagte: »Das werde ich ausrichten.« König Daga sagte: »Du mußt ermüdet sein; denn du hast einen weiten Weg zurückgelegt.« Mussa Ardo sagte: »Wahrhaftig, müde bin ich!« König Daga sagte: »So schlafe dich heute in meinem Lager aus. Ich werde dir eine gute Schlafstatt anweisen.« Mussa Ardo sagte: »Das nehme ich an.« Kurze Zeit nachher sandte König Daga dem Helden hundert rote Kolanüsse als Erfrischung. Mussa Ardo nahm sie mit Dank an. Der Sufa des Helden sagte aber: »Iß sie ja nicht. Sie sind sicher vergiftet und man kann das nicht herausschmecken.« Mussa Ardo zuckte die Achseln und steckte sogleich einige in den Mund. Nach einer Weile sandte König Daga Speise und einen schwarzen Ochsen als Lager- und Wegzehrung. Mussa Ardo nahm ihn mit Dank an. Der Sufa sagte: »Iß um Allahs willen nicht von diesem Stier. Die schwarze Farbe sagt doch alles.« Mussa Ardo schnitt dem Stier die Kehle durch, ließ ein tüchtiges Mahl bereiten, aß, legte sich auf die angewiesene Lagerstatt und schlief ausgezeichnet bis zum anderen Morgen.

Am anderen Morgen ließ König Daga den Helden Mussa Ardo rufen und sagte zu ihm: »Mussa Ardo, sage deinem Bruder, daß ich mich über dein Kommen gefreut habe. Eigentlich war es meine Absicht, heute hier ab und schnell nach Keke zu rücken. Nachdem ich dich aber hier gesehen habe, will ich meinen Marsch nach Keke noch um acht Tage verschieben, und ich lasse durch dich Sira Maga Njoro sagen, er möge, wenn seine Lanzen noch nicht gerichtet, sie zusammenschmieden, wenn einige Gewehre noch zerbrochen, sie wiederherstellen, wenn das Mauerwerk der Stadt noch schadhaft, es ausfüllen lassen.« Mussa Ardo sagte: »Ich werde das meinem Bruder ausrichten.«

Der Held wandte sein Pferd und wollte von dannen reiten. Da fiel sein Blick auf Kaba Mbadji. Das war ein Häuptling aus der Gegend von Segu, ein Führer der Heereshaufen des Königs, ein sehr schöner, starker und stattlicher Mann. Mussa Ardo sagte: »Wer ist das, ein Freier oder ein Unfreier?« Mussa sagte: »Es ist ein Freier und ein Held.« Mussa Ardo sagte: »Gut. Kaba Mbadji, wir werden uns vor Keke wiedersehen. Wir beide werden miteinander kämpfen und du wirst der erste sein, der durch mich in diesem Krieg getötet wird.«

Dann ritt Mussa Ardo heim, suchte seinen Bruder Sira Maga Njoro auf und sagte: »Das ganze Heer des Königs von Segu mit Daga an der Spitze ist auf dem Wege hierher. Ich bin in das Lager geritten, habe mit dem König gesprochen, er hat mich für eine Nacht beherbergt, hat mir Geschenke gemacht und läßt dir sagen, er werde an jener Stelle noch acht Tage liegen bleiben. Du sollest nur alles gut für den Krieg rüsten.«

Dagas Kriegshaufen rückten durch das Land hin. Es waren so viele Mannschaften, daß sie wie ein Tornado den Staub aufscheuchten und vor sich her trieben und daß die Antilopen in der Stadt Keke Schutz suchten. Das Heer von Segu rückte vor und lagerte sich dann dicht vor den Mauern Kekes. Der König nebst dem Bruder König Ardos lagerten unter einem Tommibaum, der erhaben stand und von wo aus man über das Heer hinsehen konnte. Allerdings hatte der Bruder Ardos König Daga gewarnt und gesagt: »Ein so ausgesetzter Punkt ist nicht gut für dich und mich, denn wenn Sira Maga Njoro zu den Waffen greift, dann wird er alle diese Heerhaufen da unten durchbrechen und sich bis zu diesem weithin kenntlich gemachten Punkt durchschlagen.«

Einige Tage lang zog sich der Kampf in ständigen Plänkeleien hin. Die Leute aus Keke machten hier und da Ausfälle und fielen über die Scharen Segus her. Da konnte man schon manche ausgezeichnete Tat sehen, denn jeder Mann aus Keke rechnete sich zu den Helden des tapfersten Mannes im Lande. Wenn dann irgendeine besonders tüchtige Hand aus Kekes Toren heraus unter die Volksmenge Dagas fuhr, so fragte der König stets: »Ist das vielleicht Sira Maga Njoro?« Der Bruder König Ardos aber lachte und sagte: »Wie ganz anders ist es, wenn der Sohn meines Bruders zu den Waffen greift! Du wirst dann nicht erst fragen, sondern du wirst einfach sagen: Das und kein anderer muß Sira Maga Njoro sein!« – So ging es während zwei Tagen.

Am dritten Tage sagte Sira Maga Njoro: »Heute will ich gegen den Feind reiten!« Er kleidete sich in rote Hosen, roten Mantel, setzte eine rote Mütze auf. Er bestieg Sopre Kange. Er sprengte vor das Tor. Er sprengte hinaus. Alle Welt schrie: »Das ist Sira Maga Njoro! Das ist Sira Maga Njoro!« Der Held schleuderte die Feinde zur Rechten und zur Linken zurück. Er sprengte in die dicksten Haufen, und wo er auftauchte, stob alles auseinander und schrie: »Das ist Sira Maga Njoro! Das ist Sira Maga Njoro!«

König Daga sah es vom Platz unter dem Tommibaum aus. König Daga sagte: »Ja, das ist Sira Maga Njoro.« Der Held drang weiter und weiter vor. Er kam bis an den Tamarindenbaum. König Daga und der Bruder des Königs Ardo flüchteten angsterfüllt von dannen. Sira Maga Njoro aber kam bis unter den Tamarindenbaum. Er pflückte einen Zweig ab und sprengte damit wohlbehalten zurück in die Stadt. Am anderen Tage legte er wieder seine rote Gewandung an und ritt aus dem Stadttor. Er warf wieder die Krieger zur Rechten und zur Linken auseinander und sprengte die stärksten Heerhaufen. Überall, wo er hinkam, entstand Angst und Schrecken, und als er zu dem Tommibaum kam, flüchteten König Daga und der Bruder König Ardos. Sira Maga Njoro pflückte aber einen Zweig von dem Tamarindenbaum und kehrte in die Stadt zurück.

König Daga ward nachdenklich. Er sagte zu seinen Leuten: »Wir verlieren auf diese Weise Ruhm, Ansehen und Macht. Was kann man gegen die Gewalt dieses Helden tun?« Die Leute sagten: »Wir wollen einen weisen Marabut fragen.« Man rief einen weisen Marabut herbei und fragte ihn: »Kannst du uns sagen, wie König Daga dieses Helden Herr werden kann?« Der Marabut dachte lange nach.

Nach einiger Zeit sagte der alte Marabut: »Morgen wird Held Sira Maga Njoro noch einmal vor die Tore der Stadt Keke reiten und mit den Kriegern des Königs kämpfen. Man soll in der Nacht einen Pfeil aus Kupfer schmieden. Man soll einem Jepege (Albino) einen Bogen und den Kupferpfeil geben und soll ihn noch in dieser Nacht auf dem Tamarindenbaum verstecken. Wenn dann Sira Maga Njoro morgen wieder aufbricht und gegen den König reitet, dann soll der Jepege den Pfeil von oben her auf ihn herabschießen. Trifft er, so wird Sira Maga Njoro sterben, trifft er nicht, stirbt Sira Maga Njoro nicht auf diese Weise, dann ist nichts zu machen.« König Daga sagte: »So soll es geschehen.«

Sogleich schmiedeten sie den kupfernen Pfeil. Sie gaben einem Jepege Bogen und Kupferpfeil und setzten ihn noch in der Nacht auf den Tamarindenbaum.

Am anderen Tage kleidete sich Sira Maga Njoro wieder in sein rotes Gewand. Er ließ das Tor öffnen und ritt auf den Feind zu. Rechts und links fielen die getroffenen Feinde tot oder zu Tode verwundet zu Boden. Die tüchtigsten Scharenführer sanken, die mächtigsten Haufen zerstoben unter der Wucht seines Ansturmes. Er kam bis an den Tommibaum. Der König Daga und König Ardos Bruder waren geflohen. Sira Maga Njoro griff nach einem Zweig des Tamarindenbaumes. Der Jepege schoß, er traf. Der Held fühlte den Tod. Er riß den Zweig ab und sprengte zurück nach Keke. Man schloß hinter ihm das Tor. – Dann sank er tot zu Boden.

Sira Maga Njoro war gestorben. Seine Leute rissen die Stadt an allen Orten auf, um Hügel, wie frische Gräber, zu bilden. An einem geheimen Ort bestatteten sie aber Sira Maga Njoro – ganz im geheimen, damit nie jemand merke, wo, wie und ob Sira Maga Njoro gestorben sei. Denn man wußte, daß König Daga die Gräber öffnen lassen würde, um Sira Maga Njoro zu finden. Drei Tage lang blieben die Leute in Keke untätig. Dann sagte Mussa Ardo: »Ich will für meinen Bruder zurückkehren, gebt mir seine roten Kleider!«

Als Sira Maga Njoro in die Stadt Keke zurückgejagt war, fragte alle Welt den Jepege: »Hat dein Pfeil getroffen oder hat er nicht getroffen?« Jepege sagte mit aller Bestimmtheit: »Ich habe es gesehen, er hat getroffen.« König Daga schüttelte den Kopf und sagte: »Sira Maga Njoro hat den Zweig vom Tamarindenbaum abgebrochen und ist wohlgemut in die Stadt zurückgeritten.« Der Jepege sagte: »Wir werden es ja sehen, ob der Held aus der Stadt kommt oder nicht!« Als er am anderen Tage nicht auf dem Kampf platze erschien, sagten die Leute: »Er ist doch wohl gestorben.« Als er am zweiten Tage nicht auf dem Kampfplatz erschien, sagten sie alle: »Also ist es sicher, daß er gestorben ist.« Als er am dritten Tage nicht kam, riefen alle: »Sira Maga Njoro ist gestorben! Sira Maga Njoro ist gestorben!«

Am vierten Tage wurden die Tore der Stadt geöffnet. Ein Reiter im roten Gewande kam herausgeritten, der sprengte auf einen Heerhaufen zu, tötete Leute zur Rechten und zur Linken, warf andere tapfere Helden von den Pferden, sprengte zum Tommibaum, so daß König Daga und der Bruder König Ardos flohen und brach einen Zweig der Tamarinde ab. Darauf riefen alle feindlichen Haufen: »Sira Maga Njoro ist nicht gestorben. Sira Maga Njoro lebt noch! Sira Maga Njoro ist nicht gestorben!« Der Held im roten Gewand ritt gelassen in die Stadt zurück. Keiner unter den feindlichen Mannen wußte, daß das nicht Sira Maga Njoro, sondern dessen Bruder Mussa Ardo gewesen war.

Dasselbe wiederholte Mussa Ardo am anderen und an einem dritten Tage. Dann hatte sich des Heeres von Segu große Furcht bemächtigt. Mussa Ardo sammelte aber nachts alle seine Leute und verließ mit ihnen Keke. Er ging über den Strom und ritt von dannen.

Als König Daga und der Bruder König Ardos merkten, daß die Stadt verlassen war, brachen sie das Tor auf und rückten in die Stadt hinein. Im Innern fanden sie viele aufgeworfene Grabhügel; die öffneten sie, um zu sehen, ob Sira Maga Njoro darin bestattet sei oder nicht. Sie fanden aber Sira Maga Njoros Leiche nicht; denn sie war allzu gut verborgen. Somit erfuhr der König nicht, ob der Held sein Ende genommen habe oder nicht.

Während des Krieges mit König Daga von Segu und dem Bruder des Königs Ardo war Polor nicht in Keke gewesen, sondern er war mit fünfunddreißig Reitern in ein anderes Land gefahren. Als er nun nach Keke zurückkam, vernahm er alles, was sich ereignet hatte und daß Sira Maga Njoro gestorben sei. Da bedeckte er das Gesicht mit den Händen und weinte, weinte vor sich hin, einen Tag lang, bis er in derselben Stellung einschlief. Als er erwachte, bestieg er mit seinen fünfunddreißig Helden die Pferde und ritt von dannen. Kein Mensch hat je erfahren, wo er hingeritten ist. Wenn es donnert, sagt aber das Volk: »Hört ihr, das ist Polor, der im Busche Krieg führt.«

Goroba-Dike

Sahel

Aus der Familie des Königs Ardo, welche fünfhundert Jahre über Massina herrschte, ging auch Goroba-Dike hervor. Er war aber ein jüngerer Bruder, somit fiel für ihn keine Herrschaft ab und er irrte unzufrieden und schlechter Laune im Lande der Bammana umher und ließ diese seine schlechten Schicksale und Bitternis gründlich fühlen. Goroba-Dike wurde zu einem rohen, grausamen, gewalttätigen Mann. Wenn er abends in einem Bammanadorf abstieg, ließ er ein kleines Kind schlachten und stampfen, im Mörser Wasser darauf gießen und das seinem Pferd als Futter vorsetzen. Wenn er vor eine Schmiede kam, so mußte der Schmied ihm Messer und Lanzen schmieden, ohne dabei aber Feuer und Blasebalg anzurühren. Traf er auf einen Lederarbeiter, so verlangte er von ihm, daß er den Schädel eines Nilpferdes mit Leder benähe und solche Sachen mehr, so daß die Bammanastämme vor seiner Wildheit große Furcht hatten.

In ihrer Not wandten sich die Bammana einmal an den Mabo Alal. Das war der kluge Spielmann Goroba-Dikes. Sie brachten ihm eine große Mulle mit Gold zum Geschenk und sagten zu ihm: »Du bist der einzige, der auf den Willen Goroba-Dikes Einfluß hat. Wir bringen dir dies Geschenk, damit du ihm sagst, daß er auf diese Art das Land nur zerstört, daß er oder wir aber damit gar nichts gewinnen können. Suche doch seinen Sinn zu ändern!« Der Mabo Alal sagte: »Es ist gut, ich werde sehen, was ich in der Sache tun kann.« Er nahm die Mulle mit Gold an, und er war wirklich der einzige, von dem Goroba-Dike sich etwas sagen ließ. Nach einigen Tagen sagte er zu Goroba-Dike: »Höre, diese Bammana haben dir eigentlich nichts Übles getan. Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich mich einmal etwas gegen meine Landsleute, die Pulo, wenden, die dir ein Königreich schuldig sind.«

Goroba-Dike sagte: »Du hast recht. Welche Stadt soll ich denn einmal aufsuchen?« Der Mabo Alal sagte: »Wie wäre es, wenn du einmal nach Sariam reistest, in welchem Orte Hamadi Ardo König ist?« Goroba-Dike sagte: »Gut, das können wir machen. Reiten wir dahin.«

Die beiden kamen in die Nähe Sariams. In einem Landgehöft der Umgebung machten sie bei einem Dimadio Halt und stiegen ab. Goroba-Dike sagte zu seinem Mabo: »Bleibe du zunächst hier. Ich will mir die Stadt einmal allein ansehen.« Dabei legte er seine guten Kleider ab, ließ sich von dem Dimadio das älteste und schlechteste Zeug eines Arbeiters geben, legte es an und wanderte in einem gar schäbigen Zustand in die Ortschaft. Bei einem Schmied sprach er zunächst vor und sagte: »Ich bin ein Pulo, dem es augenblicklich sehr schlecht geht. Wenn du mir ein wenig zu essen geben willst, bin ich bereit, dir tüchtig bei der Arbeit zu helfen.« Der Schmied sagte: »Das einzige, wozu ich dich eigentlich recht gebrauchen könnte, wäre, daß du mir den Blasebalg stößt.« Goroba-Dike sagte: »Das will ich gerne tun.« Er stellte sich an. Er arbeitete ordentlich.

Während der Arbeit fragte er den Schmied: »Wem gehört denn diese Stadt eigentlich?« Der Schmied sagte: »Die Stadt gehört dem Hamadi, der ein Ardosproß ist.« Goroba-Dike fragte: »Also dem Hamadi Ardo! Hat er denn ein paar Pferde?« Der Schmied sagte: »Ach, der hat eine Unzahl Pferde, überhaupt reich ist der! Die Stadt und er sind reich, sehr reich. Er hat alles, was er braucht. Er hat auch drei Töchter, und zwei von den Töchtern haben ordentliche, tapfere Fulbe zu Männern.« Goroba-Dike sagte: »Und die dritte Tochter ist wohl noch ein Kind?« Der Schmied sagte: »Nein, ein Kind ist sie nicht, eher könnte sie schon mehrere Kinder haben. Aber die Kode Ardo ist das stolzeste Fulbemädchen Massinas. Sie trägt einen silbernen Ring auf dem kleinen Finger und will nur den heiraten, auf dessen kleinen Finger dieser Ring auch paßt. Denn sie sagt, ein echter Fulbe muß ganz feine Glieder und zarte Finger haben. Sonst ist er kein echter Fulbe.«

Am anderen Morgen versammelten sich wie an jedem Tage alle vornehmen jungen Fulbe vor dem Hause Hamadi Ardos, lagen und standen plaudernd umher. Dann kam die stolze, kleine Tochter des Königs, Kode Ardo, aus ihrem Hause, zog den Silberring von ihrem Finger und suchte unter den Anwesenden einen Mann, der ihn auch über den kleinen Finger streifen könne. Der eine konnte ihn nicht einmal auf die Spitze setzen. Der zweite schob ihn mit knapper Not bis an das erste Gelenk. Einige wenige brachten ihn bis gegen das zweite Gelenk hin, aber darüber hinaus war er nicht mehr zu verschieben – auch nicht von einem einzigen mit der unglaublichsten Anstrengung. Denn von allen diesen hätte jeder herzlich gern Kode Ardo zur Frau gehabt. Sie zu besitzen galt als Beweis der Rassenreinheit. Sie war die Tochter des Königs. Sie brachte ihren Mann in ein wohlhabendes Anwesen.

Am darauffolgenden Morgen spielte sich die gleiche Sache ab. Wieder fand sich unter all den Fulbe, die von nah und fern herbeigekommen waren, nicht einer, der den Ring aufzusetzen imstande gewesen wäre. An diesem Tage war aber die Geduld des Hamadi Ardo bis aufs äußerste erschöpft. Er sagte zu seiner Tochter: »Du wirst nunmehr den ersten besten heiraten.« Der Schmied, bei dem Goroba-Dike in Arbeit stand, war unter denen, die das hörten. Er sagte: »Ach, in meinem Hause arbeitet jetzt ein Mann. Der ist nicht sauber gekleidet. Er kommt aus dem Lande. Er sagt er sei ein Pulo und man sieht es ihm auch an, daß er ein Fulbe ist.« Hamadi Ardo sagte: »Bringt mir diesen Mann herbei. Er soll auch versuchen, den Ring meiner Tochter überzuziehen.« Der Schmied und einige Leute gingen zu Goroba-Dike und sagten zu ihm: »Komm schnell, der König will dich sprechen.« Goroba-Dike sagte: »Was, mich will der König sprechen? Ich kann da nicht hingehen, ich habe ja ganz schmutzige und zerrissene Kleider an.« Der Schmied sagte: »Komm nur, der König will es so.«

Goroba-Dike ging mit dem Schmied auf den großen Platz, wo der König Hamadi, Kode Ardo und alle Vornehmen standen. Er ging in zerlumpten Kleidern. Der Schmied sagte: »Hier ist er.« Hamadi Ardo fragte ihn: »Du bist ein Fulbe?« Goroba-Dike sagte: »Ja, ich bin ein reiner Fulbe.« Hamadi Ardo sagte: »Wie heißest du?« Goroba-Dike sagte: »Das werde ich nicht sagen.« Hamadi Ardo nahm den Ring seiner Tochter und sagte: »Versuche diesen Ring über den kleinen Finger deiner Hand zu schieben.« Goroba-Dike nahm den Ring und schob ihn über den Finger. Der Ring paßte. König Hamadi Ardo sagte: »Du wirst meine Tochter heiraten.«

Da fing Kode Ardo an zu weinen und sagte: »Nein, diesen Mann von dem Lande, diesen häßlichen, schmutzigen Menschen will ich nicht heiraten.« Der König aber sagte: »Es war dein eigener Wille. Nun wirst du den Mann heiraten.« Kode Ardo weinte den ganzen Tag, aber sie mußte den schmutzigen Goroba-Dike heiraten. Man feierte am gleichen Tage die Hochzeit. In dieser Nacht schon schlief Goroba-Dike bei seiner Frau. Am anderen Tage weinte Kode Ardo. Sie weinte den ganzen Tag und sagte: »Oh, an welchen schmutzigen Menschen hat mich doch mein Vater verheiratet.«

Eines Morgens kamen die Burdam ins Land und raubten das gesamte Rindvieh König Hamadi Ardos und der Stadt Sariam. Es kamen die Hirten angelaufen und meldeten: »Die Burdam haben alles Rindvieh geraubt. Ihr müßt sie sogleich verfolgen.« Alle Leute der Stadt rüsteten sich. Goroba-Dike lag müßig in einer Ecke. König Hamadi Ardo trat zu ihm und fragte ihn: »Willst du nicht ein Pferd besteigen und auch mit in den Krieg ziehen?« Goroba-Dike sagte: »Auf ein Pferd steigen? Ich habe noch nie ein Pferd bestiegen. Ich bin das Kind armer Leute. Gebt mir einen Esel. Auf einem Esel kann ich mich halten.« Korde Ardo weinte. Goroba-Dike bestieg seinen Esel, hieb auf ihn drauf und ritt nach einer anderen Richtung fort als die Kriegsschar. Kode Ardo weinte und weinte. Sie sagte: »Vater, Vater, welches Elend hast du mir aufgeladen.«

Goroba-Dike ritt zu dem Dimadioweiler, wo er sein Pferd, seine Waffen und seinen Mabo zurückgelassen hatte. Er sprang vom Esel und sagte: »Alal, ich habe geheiratet!« Der Mabo sagte: »Was, du hast geheiratet? Wen hast du geheiratet?« Goroba-Dike sagte: »Ich habe das stolzeste Mädchen der Stadt geheiratet, Kode Ardo, die Tochter des Königs Hamadi Ardo.« Der Mabo sagte: »Was, solch ein Glück hattest du?« Goroba-Dike sagte: »Ja, heute gibt's aber noch etwas anderes. Die Burdam haben das Rindvieh meines Schwiegervaters gestohlen. Nun gib mir schnell die Kleider und Waffen, rüste mein Pferd, ich will den andern den Weg abschneiden.« Der Mabo rüstete alles, reichte ihm alles und fragte: »Darf ich dich begleiten?« Goroba-Dike sagte: »Nein, heute nicht.« Damit ritt er so schnell er nur konnte von dannen.

Er hatte die anderen bald eingeholt, und nun ritt er in einiger Entfernung immer neben ihnen her. Die beiden Schwiegersöhne König Hamadi Ardos und die anderen Fulbe sahen ihn von der Seite herkommen und sagten untereinander: »Das muß Djinar (der Teufel) sein. Den sollten wir für uns gewinnen, dann wäre der Sieg und die Rückkehr der Herden sicher.« Einer sagte: »Man sollte mit ihm sprechen.« Es ritten einige hin und fragten Goroba-Dike: »Wo reitest du denn hin? Was hast du vor?« Goroba-Dike sagte: »Ich reite dahin, wo es Kämpfe gibt und helfe dem, dem mir zu helfen paßt.« Die Leute sagten: »So bist du also Djinar?« Goroba-Dike sagte: »Gewiß bin ich Djinar.« Die Leute fragten: »Willst du uns helfen?« Goroba-Dike fragte: »Warum soll ich euch nicht helfen? Wieviel Schwiegersöhne König Hamadi Ardos sind bei euch?« Die Leute sagten: »Es sind zwei bei uns.« Goroba-Dike sagte: »Wenn mir jeder von beiden als Lohn eines seiner Ohren gibt, werde ich helfen.« Die Leute sagten: »Das geht nicht. Was würde man in der Stadt sagen!« Goroba-Dike sagte: »Das ist sehr einfach. Die zwei Schwiegersöhne sagen: ›Im Gefecht ist mir das Ohr abgeschlagen worden. Ich hielt den Kopf so, da glitt der Schlag ab.‹ – Das gilt dann noch als sehr ehrenvoll.« Die Leute ritten zurück und berichteten den beiden Schwiegersöhnen des Königs. Erst waren sie nicht einverstanden, dann ließen sie sich jeder ein Ohr abschlagen und sandten es Goroba-Dike. Der steckte die Ohren in die Tasche. Nun kam Goroba-Dike und setzte sich an die Spitze des Zuges. Er sagte zu den Fulbe: »Ihr dürft aber nicht sagen, daß euch Djinar half.« Die Fulbe sagten: »Nein, nein, wir werden es gewiß nicht sagen.«

Sie trafen auf die Burdam. Sie fochten mit den Burdam. Goroba-Dike tötete mehrere und gewann die Pferde. Er gab sie den Schwiegersöhnen. Die Fulbe gewannen das Gefecht. Darauf trieben die Fulbe die Herden wieder zurück. Goroba-Dike aber zweigte seitwärts ab und ritt zu dem Dimadiogehöft, in dem sein Mabo auf ihn wartete. Hier stieg er von seinem Pferd, legte Waffen und Kleidung ab, zog die Lumpen an, schwang sich auf den Esel und ritt wieder in die Stadt hinein. Als er durch Sariam ritt, sah ihn der Schmied, der ihn die ersten Tage beherbergt hatte. Der rief: »Bleib mir von meiner Schwelle. Du bist kein Fulbe, du bist ein ganz gemeiner Bastard oder ein Sklave; aber ein Kriegsmann oder ein Fulbe bist du nicht.« Die Frau des Schmiedes hörte das. Sie sagte zu ihrem Mann: »Laß solches Gerede, ein Fulbe ist ein Fulbe, und du bist auch nicht so klug, daß du wissen könntest, was dahinter steckt.«

Inzwischen waren die siegreichen Fulbe mit den wiedergewonnenen Herden glücklich daheim angekommen. Alles begrüßte sie mit Jubel. Hamadi Ardo, der König, kam ihnen selbst entgegen und sagte: »Das ist doch noch echte Kriegsart. Ihr seid doch noch Fulbe. Ihr habt ja wohl auch Wunden.« Der eine Schwiegersohn sagte: »Wie ich so auf der einen Seite angriff, schlug mir ein langer Burdam mit seinem Säbel so über den Kopf. Ich bog den Kopf, da schnitt das Schwert mir ein Ohr ab und ich war gerettet.« Der andere Schwiegersohn sagte: »Wie ich so auf der anderen Seite angriff, schlug mir ein kleiner Burdam mit seinem langen Schwert von unten her gegen den Hals. Um ein Haar hätte ich den Kopf eingebüßt. Ich drehte mich aber so, und da flog nur das Ohr weg. Der Kopf war aber gerettet.« König Hamadi Ardo sagte: »So etwas zu hören, macht Freude. Ihr seid Helden. Aber sagt, hat denn keiner meinen dritten Schwiegersohn gesehen?« Alle lachten und sagten: »Ach der! Er ritt ja schon von Anfang an nach einer falschen Richtung! Nein, wir haben ihn nicht gesehen.«

Von der anderen Seite kam Goroba-Dike auf seinem Esel angeritten. Als er näher heran war, hieb er auf das Tier, daß es in Galoppsprüngen dahersetzte. Als Kode Ardo ihn so ankommen sah, begann sie bitterlich zu weinen und sagte: »Vater, Vater, welches Unglück hast du mir aufgeladen!« – Abends lagen die vornehmen Fulbe in einem Kreise umher und erzählten von dem, was sie heute getan hatten. Goroba-Dike lag in seinen Lumpen in einer Ecke und hörte alles mit an. Der eine sagte: »Wie ich so als erster in die Menge der Feinde hineinsprengte –«, der Zweite sagte: »Als ich die Pferde erbeutet hatte –«, der Dritte sagte: »Ja, ihr seid nicht wie der Mann der Kode Ardo. Ihr seid noch wahre Helden!« Die beiden anderen Schwiegersöhne mußten wieder erzählen, wie sie im harten Kampf ihre Ohren verloren hatten. Goroba-Dike saß aber daneben und hörte alles, und in der Tasche hatte er die beiden Ohren und ließ sie immer durch die Finger gleiten. Als es Nacht war, ging er in sein Haus. Kode Ardo sagte zu ihm: »Du schläfst nicht mehr neben mir. Du kannst auf der anderen Seite schlafen.«

Am anderen Tage griffen die Burdam die Stadt in großen Mengen an. Als sie am Horizont auftauchten, versammelten sich alle kriegstüchtigen Männer. Goroba-Dike schwang sich aber auf seinen Esel und jagte von dannen. Die Leute schrien: »Da flieht Goroba-Dike. Da flieht Goroba-Dike.« Kode Ardo brach in Tränen aus. Sie weinte und sagte: »Vater, Vater, welches Unglück hast du mir aufgeladen.« Goroba-Dike ritt in das Dimadiogehöft, in dem er seine Kleider, Waffen, sein Pferd und seinen Mabo zurückgelassen hatte. In dem Dorf sprang er mit großer Hast vom Esel und sagte zu seinem Mabo: »Schnell, schnell, rüste mein Pferd, reich meine Waffen! Denn heute ist eine ganz große Sache! Die Burdam greifen die Stadt in gewaltigen Scharen an und niemand ist da zur Verteidigung.« Der Mabo Alal fragte: »Darf ich mitreiten?« Goroba-Dike sagte: »Heute noch nicht.« Er zog seine anderen Kleider an, ergriff seine Waffen, sprang auf sein Pferd und jagte von dannen. Die Burdam hatten inzwischen die Stadt Sariam angegriffen und umzingelt. Dann waren sie aber auch schon in die Stadt eingedrungen, und ein Teil rückte gegen den Kraal des Königs vor. Goroba-Dike, der von außen kam, durchbrach ihre Reihen. Er warf die Burdam nach rechts und links aus den Sätteln, sprengte über sie hinweg und langte gerade in einem entscheidenden Augenblick im Gehöft seines Schwiegervaters an. Soeben griffen die Burdam nämlich nach Kode Ardo und wollten sie fortführen. Als Kode Ardo den tapferen Fulbe ankommen sah, rief sie: »Mein großer Bruder, komm und hilf mir, denn die Burdam wollen mich fortschleppen und mein Mann ist feige geflohen.« Gordoba-Dike schlug mit dem Speer einen Burdam beiseite. Ein Zweiter hieb ihm selbst eine klaffende Wunde, aber dann stach Goroba-Dike ihn nieder. Die anderen flohen. Kode Ardo sah, daß Goroba-Dike eine schwere Wunde hatte. Sie rief: »Oh, mein großer Bruder, du hast mich gerettet, aber du bist verwundet.« Sie riß schnell die Hälfte ihrer Kleider herab und wand sie als Verband um das blutende Bein Goroba-Dikes. Dann sprengte Goroba-Dike von dannen, jagte in die größte Menge der Burdam hinein und drängte sie nach allen Seiten auseinander. Er stach hier einen Mann nieder und schlug da einen zu Boden, so daß sich der Burdam ein großer Schrecken bemächtigte. Sie drängten aus der Stadt und jagten in wilder Flucht von dannen. Die Fulbe verfolgten sie.

Goroba-Dike aber ritt seitwärts in das Gehöft des Dimadio, in dem sein Mabo Alal war. Dort stieg er vom Pferde, legte Kleider und Waffen ab, hüllte sich in seine Lumpen und kehrte auf seinem Esel in die Stadt zurück. Als er an dem Schmied vorüberkam, bei dem er zuerst aufgenommen war, schrie der: »Sieh diesen elenden Bastard, diesen Straßenhund, diesen Feigling! Mach, daß du schnell an meinem Hause vorüberkommst.« Die Frau des Schmiedes sagte: »Laß das Gerede, denn dies ist ein Fulbe, und nie soll man einen Fulbe schimpflich anreden!« Der Schmied aber rief: »Laß mich, Weib! Laß mich reden, Weib! Über diesen elenden Schurken, der fortgelaufen ist, als es uns am bittersten nötig war, Männer zu haben, kann ich nicht anders als schelten!« Goroba-Dike sagte: »Was willst du, seit ich hier ankam, sagte ich nichts anderes, als daß ich Kind armer Eltern sei.«

Dann gab er dem Esel Schläge, so daß er in Sätzen auf den großen Platz sprengte. Da waren viele Fulbe um den König Hamadi Ardo versammelt und sprachen von den Ereignissen des Tages. Auch Kode Ardo stand da. Als Goroba-Dike so angesprengt kam, begann sie zu weinen und sagte: »Mein Vater, weshalb hast du mir ein so elendes Schicksal aufgebürdet, wo es doch so tapfere und mutige Männer unter den Fulbe gibt.« Goroba-Dike sagte: »Schon am ersten Tage, da ich dich heiratete, sagte ich dir, daß ich das Kind armer Eltern sei, und ich habe es vor deinem Vater gesagt, daß ich von Pferden und vom Kriegsbrauch nichts wisse.« Kode Ardo aber weinte und sagte: »Du Feigling, du elender Flüchtling! Du sollst nie wieder mein Lager teilen!« Goroba-Dike legte sich gleichgültig in einen Winkel.

Bis zum Abend saßen die Fulbe zusammen und sprachen über den Tag. Der eine sagte: »Als ich jenen Teil der Burdam zurückwarf –«, der andere sagte: »Als ich dort die Burdam auseinandersprengte –«, der Dritte sagte: »Als ich die Hauptmasse der Burdam in die Flucht jagte –«. Viele aber spotteten und fragten Kode Ardo: »Wo ist denn eigentlich dein Mann geblieben?« Kode Ardo sagte: »Laßt mich. Mein Vater hätte mich lieber mit einem Affen verheiraten sollen, als mit diesem Feigling. Oh, wie ich mich schäme.«

Es wurde Nacht. Die Fulbe begaben sich wieder in die Häuser. Kode Ardo konnte nicht schlafen. Sie dachte an ihren feigen Mann und an den tapferen Fremden, der sie gerettet hatte. Um Mitternacht sah sie zum Lager ihres Mannes hinüber, der auf der anderen Seite des Raumes schlief. Sie sah, daß ihm das Kleid zur Seite geglitten war, – sie sah, daß die Lumpen heruntergefallen waren, – sie sah Blut. Sie erhob sich und sah scharf hin. Das Blut tropfte aus einem Verband von dem Schenkel herab, und der Verband war ein Teil ihres Kleides. Das war der Teil des Kleides, den sie heute sich selbst heruntergerissen hatte, um den tapferen fremden Fulbe damit zu verbinden. Der Verband lag auf dem Schenkel ihres Mannes, der mit dem Esel zurückgeritten war. Kode Ardo stand auf, ging zu ihrem Mann, beugte sich weit über ihn und fragte: »Goroba-Dike, wo empfingst du diese Wunde?« Goroba-Dike sagte: »Überlege es dir!« Kode Ardo fragte: »Wer riß sich das Kleid ab und legte es dir als Verband um?« Goroba-Dike sagte: »Überlege es dir!« Kode Ardo fragte: »Wer bist du?« Goroba-Dike sagte: »Der Sohn eines Königs.« Kode Ardo sagte: »Ich danke dir.« Goroba-Dike sagte: »Sage es vorerst nicht weiter. Mache aber Carite (Baumbutter) warm und lege sie mir auf die Wunde.« Kode Ardo holte Baumbutter. Sie machte sie warm. Sie träufelte sie auf die Wunde. Sie band den Verband um. Dann schlich sie hinaus. Sie ging zu ihrer Mutter, setzte sich bei ihr nieder, weinte und sagte: »Mein Mann ist kein Feigling – er ist kein Flüchtling. Er ist der Mann, der heute die Stadt vor den Burdam gerettet hat. Sage es aber niemand.« Dann schlich sie zurück.

Am anderen Tage bestieg Goroba-Dike wieder seinen Esel und ritt in das Gehöft des Dimadio, in dem er seinen Mabo, seine Kleider und Waffen und sein Pferd zurückgelassen hatte. Er sagte zu seinem Mabo: »Alal, heute ist der Tag gekommen, da wir uns wirklich und wie wir sind in Sariam und vor dem stolzen Hamadi Ardo vorstellen können. Rüste also mein Pferd. Rüste auch das deine.« Goroba-Dike kleidete sich und nahm seine Waffen. Er ritt in Sariam ein. Sein Mabo folgte ihm. Er stieg auf dem großen Platz ab, wo viele Fulbe versammelt waren. Dann schlug der Mabo die Pferdepflöcke in die Erde. Sie waren von Silber.

Goroba-Dike rief seine Frau herbei. Sie begrüßte ihn und sie lachte. Dann wandte er sich zu den Fulbe und sagte: »Ich bin Goroba-Dike, und das hier ist meine Frau Kode Ardo. Ich bin der Sohn eines Königs und bin es gewesen, der gestern und vorgestern die Burdam geschlagen hat.« König Hamadi Ardo sagte: »Das glaube ich nicht. Wir haben dich nur immer auf einem Esel gesehen.« Goroba-Dike sagte: »So frage die, die mit im Kampfe waren.« Die anderen sagten: »Es ist so!« Nur die ersten zwei Schwiegersöhne des Königs sagten: »Es ist nicht sicher.« Darauf zog Goroba-Dike die beiden Ohren hervor und fragte: »Nun, kennt ihr denn diese Ohren nicht wieder?« Da gingen die beiden still zur Seite.

König Hamadi Ardo aber trat an Goroba-Dike heran. Er kniete vor ihm nieder und sagte: »Verzeihe mir! Nimm aber das Königreich aus meinen Händen.« Goroba-Dike sagte: »König Hamadi Ardo, ich bin nicht weniger als du. Ich bin auch ein Ardosproß. Wenn ich nun König bin, so befehle ich als erstes, daß man dem Schmied, der mich mehrfach verhöhnt hat und doch nichts anderes ist als ein Schmied, fünfzig mit dem Knotenstock auf den Hintern zähle!« So geschah es.

Die kluge Hatumata Djaora

Sahel

Nach der Zeit gab es in Wagadu eine Frau, die war wunderbar schön. Sie war noch schöner als Sia Jatta Bari und hieß: Hatumata Djaora, denn sie war aus der Familie der Djaora. Sie war die Schönste im ganzen Lande und ihr Vater sagte: »Ich will nicht, daß du je einen Mann heiratest, den du nicht selbst erwählt hast. Ich werde dir keinen Mann aufdrängen. Dein Wille ist frei!« Hatumata sagte: »Wenn ein Mann reich ist, wenn er viele Pferde und Herden hat, so werde ich ihn deswegen nicht heiraten, denn ich liebe nicht die reichen, ich liebe nur die klugen Männer.« Der Vater richtete für Hatumata ein großes Gehöft ein, darin lebte sie mit ihrer Mutter. Das Gehöft hatte drei Torhäuser. In jedem Torhause waren einige Gefangene und ein Hund als Wächter.

Es kamen nun viele Leute, die um Hatumata warben, da sie so schön war. Wer einen Ochsen hatte, der bot einen Ochsen, wer zwei Ochsen hatte, der bot zwei Ochsen, wer zehn Ochsen hatte, der bot zehn Ochsen, wer zwanzig Ochsen hatte, der bot zwanzig Ochsen. Hatumata antwortete aber: »Ich heirate nicht nach Ochsen, sondern ich heirate nach dem Kopfe, nach der Klugheit eines Mannes.« Der Vater hatte einen alten Hörigen, der hieß Alanj. Bei dem mußten alle Leute absteigen, die sich um Hatumata bewarben. Es kamen viele Leute. Es kamen auch einmal Leute aus Segu. Der Vater Hatumatas sagte: »Wohnt bei Alanj, meine Tochter wird euch Essen senden.« Hatumata sandte mit dem Essen einen kleinen Hörigen. Sie sagte zu dem Hörigen: »Achte genau darauf, wie die Leute das essen, was ich ihnen sende. Achte darauf, was sie sprechen. Nachher trage die leeren Kalebassen fort und bringe sie mir.« Hatumata sandte als Essen eine Schüssel mit Brei und legte darauf ein Stück Kuchen mit wenig Fleisch und vier rote Kolanüsse. Der kleine Hörige ging hinüber und brachte das Essen hin. Er setzte sich zur Seite nieder. Die Fremden griffen, ohne etwas zu sagen, in die Schüssel und aßen alles auf. Der kleine Hörige kam dann herbei, ergriff die leeren Kalebassen und brachte sie seiner Herrin. Hatumata fragte: »Wie ist es verlaufen?« Der kleine Hörige sagte: »Sie haben ohne ein Wort zu sagen alles aufgegessen.« Hatumata sagte: »Bestelle den Leuten, sie sollten sogleich wieder abreisen. Mit solchen Leuten habe ich gar nichts zu tun.« Der Knabe bestellte es. Die Leute gingen von dannen. So verlief es mit sehr vielen Leuten. Hatumata antwortete jedesmal: »Solche Leute heirate ich nicht.«

Im Lande Wagadu war ein Mann, der hieß Kide Djaora, stammte also aus der gleichen Sippe wie Hatumata. Kide sagte: »Wenn Hatumata sagt, sie heirate nicht nach Ochsen, sondern nach dem Kopfe und der Klugheit, dann will ich einmal versuchen, ob es mir gelingt, sie zum Weibe zu erhalten, dann wird das wohl kaum einem anderen besser gelingen, als mir.« Er machte sich mit einem alten und einem jungen Begleiter auf den Weg und langte in der Hauptstadt an. Er kam zu dem Vater Hatumatas. Er sagte: »Ich möchte deine Tochter heiraten.« Der Vater sagte: »Geh und schlafe bei meinem alten Hörigen Alanj. Meine Tochter wird dir das Essen senden.« Die drei Leute stiegen also ebenfalls bei Alanj ab.

Hatumata stellte inzwischen den Brei her, legte vier rote Kolanüsse und einen Knochen mit wenig Fleisch darauf und sagte zu dem kleinen Hörigen: »Bringe das zu Kide und seinen Begleitern. Merke sehr wohl auf, wie sie das essen und berichte mir, wenn du die Kalebassen zurückbringst, ganz genau.« Der kleine Hörige brachte das Essen in das Haus Alanjs zu den drei Gästen und merkte genau auf, was sich ereignen würde. Kide sah auf die Schüssel. Er nahm den Knochen mit dem wenigen Fleisch, legte ihn beiseite und sagte: »Vielleicht gibt es da, wo die Kalebassen wieder hingehen, jemand, der danach Hunger hat.« Dann nahm er die vier roten Kolanüsse beiseite und begann den Brei mit den Kameraden zu essen. Endlich legte er die roten Kolanüsse wieder in die leere Kalebasse und ließ sie durch den kleinen Sklaven zu Hatumata zurücktragen. Hatumata nahm die Kalebasse mit den vier roten Kolanüssen und fragte: »Wie ist es gegangen?« Der Hörige sagte: »Kide hat den Knochen mit dem wenigen Fleisch zur Seite gelegt und gesagt: ›Vielleicht gibt es da, wo die Kalebassen wieder hingehen, jemand, der danach Hunger hat.‹ Dann legte er die Kola beiseite, aß mit den Kameraden den Brei und legte die roten Kolanüsse wieder in die Kalebasse.« Hatumata sagte: »Kide kann bis morgen bleiben. Das sind andere Leute.« Der kleine Sklave ging zu den drei Männern hin und sagte: »Ihr könnt bis morgen bleiben.«

Am anderen Tage sandte Hatumata eine Schüssel mit Brei, auf dem zwei rote Kolanüsse, zwei weiße Kolanüsse und ein Knochen mit wenig Fleisch lagen. Kide betrachtete das Gericht. Er legte den Knochen mit dem Fleisch beiseite und sagte: »Vielleicht gibt es da, wo die Kalebassen wieder hingehen, noch jemand, der danach Hunger hat.« Alsdann legte er auch die roten Kolanüsse beiseite und aß den Rest der Schüssel mit den beiden weißen Kolanüssen auf. Zuletzt legte er die roten Kolanüsse wieder in die Kalebassen und sandte die leeren Schüsseln an Hatumata zurück. Hatumata nahm die Kalebassen mit den zwei roten Kolanüssen und fragte: »Wie ist es gegangen?« Der Hörige sagte: »Kide hat den Knochen mit dem Fleisch beiseite gelegt und gesagt: ›Vielleicht gibt es da, wo die Kalebassen hingehen, noch jemand, der danach Hunger hat.‹ Alsdann legte er die roten Kolanüsse beiseite, aß mit den Kameraden die weißen und den Brei auf und schickte die leeren Kalebassen mit den roten Kolanüssen wieder zurück.« Hatumata sagte: »Kide kann bis morgen bleiben. Das ist ein anderer Mann.«

Am dritten Tage sandte Hatumata ein Gericht von Brei, darauf hatte sie gelegt: vier weiße Kolanüsse, einen Knochen mit wenig Fleisch daran, einen Strohhalm, einen Baumwollsamen, einen Tommonokern. Außerdem war der Korbdeckel so darauf gelegt, daß nur die Hälfte des Inhaltes bedeckt war. Als Hatumata die Speise fortgesandt hatte, sagte sie zu ihren Leuten: »Macht mein Zimmer und mein Bett recht in Ordnung, denn heute kann sich vielleicht etwas ereignen.« Inzwischen kamen die Schüsseln mit den Speisen zu Kide. Kide nahm den Knochen herunter, legte ihn beiseite und sagte: »Vielleicht gibt es da, wo die Kalebassen wieder hingehen, noch jemand, der danach Hunger hat.« Dann nahm er Strohhalm, Baumwollsamen und Tommonokern weg, steckte sie in die Tasche und sagte: »Heute wollen wir alle (vier weißen) Kolanüsse und den Brei essen.« Er aß alles auf und gab die gänzlich leeren Kalebassen dem Knaben zurück. Der kleine Hörige brachte sie zu Hatumata. Hatumata fragte: »Wie ist es abgelaufen?« Der kleine Hörige sagte: »Kide hat den Knochen genommen und beiseite gelegt. Dazu sagte er: ›Vielleicht gibt es da, wo die Kalebassen wieder hingehen, noch jemand, der danach Hunger hat.‹ – Dann hat er Strohhalm, Baumwollsamen und Tommonokern in die Tasche gesteckt und gesagt: ›Heute wollen wir alles aufessen, den Brei und die Kolanüsse.‹ – Sie haben alles gegessen und mir die leeren Schüsseln wiedergegeben.« Hatumata sagte: »Das ist der rechte Mann, richtet mein Schlafzimmer und mein Bett gut her.« Alsdann ging Hatumata zu den Sklaven, die an den Toren Wache hielten, gab ihnen einen Hammel und sagte: »Diese Nacht braucht ihr nicht zu wachen. Nehmt diesen Hammel, eßt ihn und macht euch irgendwo anders eine vergnügte Nacht.« Dann sagte sie zu ihrem Sklaven: »Bringe mir einen weißen großen Baumwollsamen!« Der Knabe brachte ihn. Als es Abend war, legten sie den Baumwollsamen vor die Türe und legten statt der Holztür eine Strohmatte vor die Türöffnung, die aber den Eingang nur zur Hälfte schloß.

Gegen Mitternacht erhob sich Kide im Hause Alanjs, weckte seine beiden Kameraden und sagte: »Wacht auf!« Die beiden Kameraden erhoben sich. Der Alte sagte: »Was gibt es?« Kide sagte: »Heute nacht noch will ich hingehen und mich verheiraten.« Der Alte fragte: »Welche Frau willst du heiraten?« Kide sagte: »Ich will Hatumata heiraten.« Der Alte sagte: »Was sind das alles für Sachen. Alle anderen Leute dürfen nur einen Tag hierbleiben. Du aber bist schon drei Tage hier. Nun sagst du auch noch, daß du Hatumata in dieser Nacht heiraten willst.« Kide sagte: »Hatumata gefällt mir eben.« Der Alte fragte: »Sollen wir anderen wachen?« Kide sagte: »Nein, das braucht ihr nicht.« Der Alte sagte: »Dann will ich mir einen anderen Platz suchen. Die Sache scheint mir doch recht gewagt zu sein.« Der Alte verließ darauf das Haus Alanjs, ging zu einem anderen Bekannten und sagte: »Kide will heute Hatumata beschlafen. Ich komme zu dir, damit du mir nachher bestätigen kannst, daß ich nichts mit diesen Sachen zu tun hatte, wenn ich auch mit Kide gekommen bin.« Der Alte blieb da.

Kide machte sich auf den Weg. Im ersten Torhause waren keine Wächter, aber ein Hund. Der Hund wollte ihn anfallen, da warf er einen der drei Knochen hin. Der Hund war zufrieden. Im zweiten Torwege waren wieder keine Wächter, aber ein Hund. Der Hund wollte ihn anfallen, da warf er einen Knochen hin. Der Hund war zufrieden. Im dritten Torhause waren abermals keine Wächter, aber ein Hund. Der Hund wollte ihn anfallen. Er warf ihm den dritten Knochen hin. Hinter dem Torweg teilte sich der Weg, der eine führte nach rechts, der andere nach links. Kide sah scharf hin. Auf dem linken Weg lagen Tommonokerne. Er zog den Kern, den er von der dritten Schüssel genommen hatte, aus der Tasche, legte ihn vergleichend neben den Haufen von Tommonokernen und wählte diesen linken Weg. Danach betrat er einen Platz, an dem lagen vier Häuser mit vier Türen in einer Linie. Er bemerkte, daß drei der Häuser mit Holztüren, das vierte aber mit einer Rohrplatte halb geschlossen war. Vor der Strohtür lag ein weiß leuchtender Baumwollsamen. Kide nahm den Baumwollsamen und das Strohstückchen, welche beiden Sachen er von der Speise Hatumatas genommen hatte, aus der Tasche, legte den Baumwollsamen vergleichend neben den weißen Flocken am Boden, das Strohstück neben die Tür.

Danach trat er in die halb geöffnete Tür. In diesem Augenblick streckte sich Hatumata derart, daß der vorgehängte Stoff in den Schnüren riß und herunterfiel. Kide trat zu ihr. Hatumata sagte: »Was willst du hier?« Kide sagte: »Du gefällst mir.« Hatumata fragte: »Wie kommst du her?« Kide sagte: »Du sandtest mir am ersten Tage ein Gericht mit vier roten Kolanüssen. Man fügt sonst nicht zum Brei Kolanüsse. Es mußte mir dies um so mehr auffallen, als alle vier rot waren und daß daneben ein Knochen mit allzu wenig Fleisch für einen Menschen lag. Ich schloß daraus, daß ich nicht zu dir kommen dürfe, weil du die Regel hast, denn alle vier Kola waren von der roten Art. Der Knochen mußte aber bestimmt sein für den Hund, der in deinem Torweg lag. Am zweiten Tage sandtest du mir zwei rote, zwei weiße Kolanüsse – also war deine Regel schon nahe dem Ende. Dann war da ein zweiter Knochen, der mir anzeigte, daß im zweiten Torhof ein zweiter Hund zu überwinden war. Am dritten Tage erhielt ich vier weiße Kolanüsse, und wußte, daß deine Krankheit beendet war. Ich fand außerdem den Deckel über der Speise nur halb geschlossen und mußte annehmen, daß du deine Tür nur halb geschlossen hättest und mich in der Nacht erwartetest. Aus dem Knochen schloß ich, daß ich noch einen Torweg durchschreiten müßte, in dem abermals ein Hund liege. Der Strohhalm, Tommonokern und Baumwollsamen mußten mir irgendwelche Angaben über den Weg zu bieten haben, und somit steckte ich sie in die Tasche. Nachts machte ich mich auf den Weg. Wie ich angenommen hatte, lagen drei Torweghäuser hintereinander, in deren jedem ein Hund zu beruhigen war. Ich gab die drei Knochen und war nicht in Versuchung, den richtigen Weg nach rechts und links zu verlassen. Nach den drei Torhäusern teilte sich der Weg. Ich fand aber sogleich die rechte Straße, denn links lagen Tommonokerne. Weiterhin kam ich an einen Platz, an dem vier Häuser mit vier Türen waren. Ich konnte nicht fehlgehen, denn drei Häuser waren mit Holztüren geschlossen, nur eine mit einer Strohplatte. Hier mußtest du wohnen und auf mich warten, denn einmal hattest du mir einen Strohhalm gesandt, zum zweiten einen Baumwollflocken, wie auch ein solcher durch die Nacht vor deiner Tür leuchtete und endlich war die Strohtür nur halb geschlossen, gleichwie die Speise heute nur zur Hälfte bedeckt war. Also sagte ich mir, daß ich eintreten dürfte. Daß ich alles recht verstanden habe, erkannte ich daran, daß, als ich eintrat, du dich so lang strecktest, daß die Schnüre deines Vorhanges rissen und er herabfiel, so daß du jetzt in deiner Schönheit mich begrüßt.«

Da sagte Hatumata Djaora: »Komm!«

In dieser Nacht beschlief Kide Hatumata. Am anderen Morgen brach er auf und sagte zu seinem Weibe: »Ich will in mein Dorf gehen und meinem Vater erzählen, daß ich geheiratet habe. Dann komme ich, wenn sonst nichts geschieht, wieder.« Er nahm Abschied und machte sich auf den Weg. – Die wohlhabenden Leute von Wagadu waren darüber wütend, daß Kide, der nicht einmal aus der Hauptstadt war, Hatumata Djaora erlangt hatte und beschlossen, sich hierfür zu rächen. Sie hörten, daß sich Kide aufmachte, um heimzukehren und seinem Vater die Nachricht von seiner Heirat zu bringen. So machten sich denn sieben bewaffnete Leute auf den Weg, um ihn irgendwo abzufangen und zu töten. Sie versteckten sich im Busch.

Nach einiger Zeit kam Kide. Die sieben Mörder umringten ihn und sagten: »Wir wollen dich töten. Wie kannst du es wagen, die Frau zu nehmen, die wir alle nicht zu erreichen vermochten; wir werden dich töten!« Kide sah wohl, daß er sterben müsse; er sagte jedoch: »Ich will euch sagen, wie ihr das Gold erhalten könnt, das ich bei Hatumata zurückließ.« Die Mörder sagten: »Rede!« Kide sagte: »Sagt zu meinem Weibe Hatumata, ich hätte euch gesandt, damit ihr euch von ihr das Geld geben laßt, das unter ihrem Bett liegt und von meinem Kopf bis zu meinen Füßen reichte. Wenn sie euch dann nicht glauben sollte und euch um weitere Erkennungszeichen angeht, so sagt: ›Vom Morgen bis zum Abend sei der Kamerad mit den langen Hosen bei mir, vom Abend bis zum Morgen sei der alte Kamerad mit dem vorgestreckten Kopf bei mir und ich erwarte den Kamerad ohne Füße und Hände.‹ Wenn ihr das Hatumata sagt, so wird sie meine Absicht genau erkennen und wird dafür sorgen, daß ihr das Geld erhaltet, das ich euch schulde.« Die Mörder sagten: »Wir wissen nun, wie wir dein Geld erhalten werden. Du aber mußt nun doch sterben!« Darauf töteten ihn die sieben Mörder. Alsbald kehrten die sieben Mörder in die Stadt zurück und gingen zu Hatumata. Sie kamen an das Gehöft Hatumatas und sagten: »Wir haben eine Nachricht Kide Djaoras an Hatumata Djaora zu bestellen.« Der Bote ging hinein und rief sie dann in den Hof. Hatumata erwartete sie und fragte: »Was läßt mir mein Mann sagen?« Die sieben Mörder antworteten: »Dein Mann läßt dir sagen, du sollest uns sein Gold geben, das er unter deinem Bett gelassen habe und das von seinem Kopf bis zu seinen Füßen reiche.« Hatumata sagte: »Wartet, ich will meinen Vater rufen, damit er Zeuge dafür sei, daß ich nichts Unrechtes tue, indem ich die Botschaft ausführe.« Die sieben Mörder warteten. Der Vater Hatumatas ward gerufen. Er kam mit seinen Sklaven in den Hof.

Hatumata sagte: »Nun wiederholt die ganze Botschaft, die mein Mann euch aufgetragen hat.« Die sieben Mörder wiederholten Kides Rede und sagten: »Dein Mann hat uns gesagt: ›sagt zu meinem Weibe Hatumata, ich hätte euch gesandt, damit sie euch das Gold gebe, das unter ihrem Bett liegt und von meinem Kopf bis zu meinen Füßen reiche. Wenn sie euch nicht glauben sollte und euch um weitere Erkennungszeichen angeht, so sagt: vom Morgen bis zum Abend sei der Kamerad mit den langen Hosen bei mir, vom Abend bis zum Morgen sei der alte Kamerad mit dem vorgestreckten Kopf bei mir und ich erwartete den Kameraden ohne Füße und Hände. Wenn ihr das Hatumata sagt, so wird sie meine Absicht genau erkennen und wird dafür sorgen, daß ihr das Gold erhaltet, das ich euch schulde.‹ Das hat dein Mann uns gesagt. Nun gib uns das Gold.«

Hatumata sagte: »Mein Vater, du hast alles gehört. Du kennst diese Männer. Es sind Leute, die sich um meinen Besitz beworben haben, aber abgewiesen wurden. Sie konnten also mit Kide, den sie beneiden mußten, nichts Gutes vorhaben und können ihm auch schwerlich einen Dienst erwiesen haben, den er mit vielem Gold lohnen müßte. Kide hat kein Gold zurückgelassen. Die Bestellung, die er mir aus dem Busch durch diese Leute hat zukommen lassen, hat einen anderen Sinn. Das Gold, das von seinem Kopf bis zu seinen Füßen reichte, ist das Blut, das dem Überfallenen vom Kopf bis zu den Füßen überströmte. Der Kamerad, der vom Morgen bis zum Abend bei ihm ist, der Kamerad mit den langen Hosen, ist der Geier, dessen Federn bis auf die Klauen herabreichen. Er hackt an seinem Leibe tagsüber. Der Kamerad, der vom Abend bis zum Morgen bei ihm weilt, der alte Kamerad mit dem vorgestreckten Kopf, das ist der Schakal, der nachts über an ihm zerrt. Der Kamerad, den er erwartet, der Kamerad ohne Füße und Hände, das sind die Würmer, die den Leichnam aufsuchen werden um ihn zu vernichten. Die Absicht Kides ist vollkommen klar, wenn er sagt, daß diese sieben Mörder das Gold erhalten sollen, das Kide ihnen schulde, so heißt das, daß ich ihr Blut ebenso vergieße, wie sie das Kides vergossen haben. Das ist das Gold, das ich ihnen geben werde. Vorher aber wollen wir auf dem Wege nach dem Dorf von Kides Vater die Tat feststellen, Kides Leichnam suchen und ihn bestatten. Denn er war ein kluger Mann, der eine ehrliche Bestattung erfahren muß.«

Die Hörigen des Vaters Hatumatas fesselten die sieben Mörder. Man suchte und fand den Leichnam Kides. Man bestattete Kide und ließ über seinem Grabhügel das Blut der sieben Mörder fließen.

Seitdem das geschehen ist, sollte niemand danach trachten, eine reiche Heirat zu machen, sondern jeder sollte danach sehen, eine kluge Frau oder einen klugen Mann zu ehelichen.

Das Girdamädchen

Kordofan

Ein Emir hatte drei Söhne, die wuchsen langsam heran. Als diese Söhne große Burschen geworden waren, sagte der Vater eines Tages zu ihnen: »Nehmt eure Lanzen und reitet mit mir hinaus aus dem Dorfe!« Die Söhne gingen und holten ihre Waffen, bestiegen ihre Pferde und ritten mit dem Vater hinaus in die Steppe. Der Vater sagte: »Nun, meine Söhne, möchte ich sehen, ob ihr geschickt genug in der Handhabung der Waffen seid, um eine Frau damit verteidigen zu können. Seht dort draußen die Gazellen. Jagt sie mit Lanzen. Ich werde sehen, wie ihr eure Sache handhabt.«

Darauf ritten die drei Söhne schnell von dannen, und der Vater folgte ihnen langsam in einiger Entfernung. Die drei Söhne warfen ihre Speere nach den Böcken und trieben die Rudel bald nach der einen, bald nach der andern Seite. Der Vater sah aus der Entfernung, wie geschickt sie ihre Lanzen den Tieren einsetzten, und als sie nach einigen Stunden zurückkamen, hatte jeder drei Antilopen erlegt. Der Vater sagte: »Kommt nun wieder mit mir zurück in unsern Ort. Wir wollen heimkehren. Wenn wir nun durch das Dorf reiten, könnt ihr ein jeder vor dem Hause, in dem das Mädchen wohnt, das er heiraten möchte, die Lanzen in die Erde stoßen, und ich werde nachher die Eltern der Mädchen aufsuchen und die Sache mit ihnen in Ordnung bringen.«

Der Vater ritt mit den Söhnen durch den Ort. Als sie an dem Hause eines sehr angesehenen Mannes vorbeikamen, der eine schöne Tochter hatte, die alle jungen Leute des Dorfes begehrten, stieß der älteste Sohn seinen Speer in die Erde. Der Emir sagte: »Es ist recht. Ich werde es nachher ausmachen.« Als sie an dem Gehöft eines andern angesehenen Mannes vorbeikamen, der auch eine viel begehrte Tochter hatte, stieß der zweite Sohn seine Lanze in die Erde, und der Emir nickte wieder und sagte: »Es ist mir recht, auch das soll nachher in Ordnung gebracht werden.«

Dann ritten sie weiter und durch das ganze Dorf. Der jüngste Sohn sprang mit seinem Pferde spielend hierhin und dorthin. Er wirbelte seine Lanze in der Luft zwischen den Fingern, aber er machte keine Anstalten, vor irgendeinem Gehöft seine Waffe in die Erde zu stoßen. So kamen sie bis an das Ende des Ortes. Der Vater sagte: »Was willst du nun, mein Sohn? Willst du denn keine Frau heiraten?« Der jüngste Sohn lachte und sagte: »Sicherlich will ich eine Frau heiraten. Die Mädchen dieses Ortes sind aber alle nicht schön genug. Die Wüste soll mir ihr schönstes Mädchen geben!« Der Jüngste lachte und stieß sein Pferd in die Weichen, so daß es hoch aufstieg. Er warf seine Lanze, so daß sie mit dem Winde weit hinaus in die Wüste flog.

Der Emir schüttelte aber seinen Kopf und sagte: »Mein Sohn, du bist jung, sonst würdest du nicht so mit deiner Waffe und mit uns spielen. Wie soll ich nun da hinausreiten und die Sache mit einer Frau, deren Namen und Familie ich nicht kenne, in Ordnung bringen? Reite also selbst, mein Sohn, deinem Speere nach und bringe selbst die Sache mit deiner Frau in Ordnung. Ich kann hierin nichts weiter tun.« Der Emir wandte sein Pferd um und ritt mit seinen beiden ältesten Söhnen wieder durch den Ort seiner Seriba zu.

Der jüngste Sohn blieb auf der Stelle und sah in die Wüste. Er schämte sich sehr, denn er sah, daß sein Vater gekränkt war und daß er die Schuld daran hatte. Der junge Mann war sehr schön, und alle Frauen und Mädchen liebten ihn sehr. Er selbst hatte aber noch keine Neigung gefaßt, und so hatte er nicht gewußt, was er sonst mit seiner Lanze hätte machen sollen, als sie hinaus in die Wüste zu werfen. Nun trieb er sein Pferd an und ritt in der Richtung, in die er die Lanze geworfen hatte, in die Wüste hinaus.

Der Jüngste ritt durch die Wüste und blickte aufmerksam nach allen Seiten, um seine Lanze wieder zu finden. Er ritt eine Stunde weit und sah seine Lanze nicht. Der Jüngste sagte: »Meine Lanze war mein bester Freund, seit ich ein Bube war, sie kann mir nicht fortgelaufen sein wie ein widerspenstiger Sklave.« Der Jüngste ritt weiter und weiter und immer in der Richtung, in die er seine Lanze geworfen hatte. Er folgte der Richtung und blickte emsig rechts und links und sagte: »Meine Lanze ist nicht dumm wie eine Hüttenstange. Sie weiß, daß ich sie suchen muß, wie die Mutter ihr Kind. Was hat meine Lanze getan?«

Der Jüngste ritt weiter und weiter und achtete auf die Richtung, in der er sie geworfen hatte. Er blickte zur Rechten und er blickte zur Linken, aber er sah nirgends, was er suchte. Der Jüngste sagte: »Mein Vater hat recht gehabt. Ich habe leichtsinnig gespielt. Ich sehe, daß meine Lanze allein nicht so weit geflogen sein kann. Ich werde eine Angelegenheit finden und werde sie zu bestehen haben. Aber da ich einmal auf dem Wege bin, will ich mich keinem Ereignis entziehen, das auf mich wartet.«

Der Jüngste ritt noch ein wenig weiter. Dann sah er einen einsamen Baum aus der Wüste aufragen und in seinem Stamm seine Lanze stark eingerammt. Der Jüngste ritt heran und blickte zu dem Baum hinauf. In der Mitte desselben saß zusammengekauert ein junges Girdaweibchen (Girda ist eine Affenart). Der Jüngste sah das Girdaweibchen. Der Jüngste sagte: »Du bist also meine selbstgewählte Gattin?« Das Girdaweibchen sagte: »So ist es.« Der Jüngste sagte: »Nun, du kannst wenigstens sprechen. Wenn du mir also auch keine wertvollen Teppiche und kein weiches Angareb und Öl und schmackhafte Speisen mit ins Haus bringen wirst, so kannst du doch wenigstens sprechen.«

Das Girdaweibchen sagte: »Das kann ich. Vergiß aber nicht, daß du mich durch den Lanzenwurf selbst zur Gattin gewählt hast.« Der Jüngste sagte: »Nein, das werde ich nicht vergessen können. Aber mein Vater wird nicht hier herauskommen wollen, um die Sache mit deinen Eltern in Ordnung zu bringen. Komm also gleich mit auf mein Pferd, damit ich dich in mein Haus nehme.«

Der Jüngste riß den Speer aus dem Stamm des Baumes. Er hielt dem Girdaweibchen den Arm hin. Das Girdaweibchen erfaßte ihn und ließ sich auf das Pferd hinab. Dann ritt der Jüngste mit seinem Girdaweibchen nach Hause.

In seinem Hause zeigte er dem Girdaweibchen das Angareb. Das Girdaweibchen legte sich hin und schlief ein. Der Jüngste ging zu seinem Vater und sagte: »Mein Vater, du hast recht gehabt. Ich habe den Speer in die Wüste geworfen, und als ich ihm nachritt, fand ich ihn vor dem Hause eines Girdaweibchens im Sande.« Der Vater sagte: »Was hast du getan?« Der Jüngste sagte: »Ich habe das Girdaweibchen mitgebracht.« Der Emir sagte: »Du hast das selbst zu ordnen.« Der Jüngste sagte: »Ich muß mein Haus nun bewohnen, wie es meine Frau herrichtet. Ich habe dem Girdaweibchen ein Angareb gegeben, es wird Essen und Trank erhalten. Das ist alles, was ich tun kann.«

Die beiden ältesten Söhne des Emir heirateten. Ihre Frauen richteten ihnen die Häuser ein. Es waren Teppiche und Polster und allerhand Geräte da. Der Emir sagte eines Tages zu seinem ältesten Sohne: »Mein Sohn, ich werde dich morgen einmal besuchen und werde bei dir essen. Denn ich möchte sehen, wie du nun lebst, nachdem du verheiratet bist.« Der älteste Sohn eilte zu seiner Frau und sagte: »Morgen wird mein Vater zu uns kommen und bei uns essen. Sorge, daß es ihm gefällt!«

Am andern Tag kam der Vater und wurde von seinem Sohne empfangen. Der Sohn führte den Vater herein und lud ihn ein, auf den Kissen und Teppichen Platz zu nehmen. Es kamen wohlgekleidete Sklaven und reichten duftenden Sorbet, und nachher brachten sie auf einer schönen Sinia viele verschiedene Gerichte. Der Vater sah um sich und erhob sich erst spät. Er sagte zu seinem Sohne: »Ich sehe, mein Ältester, daß du gut verheiratet bist und daß deine Frau für dich und alle deine häuslichen Angelegenheiten vorzüglich sorgt.«

Am Tage darauf besuchte der Vater in der gleichen Weise seinen zweiten Sohn, nachdem er ihm vorher sein Kommen angekündigt hatte. Der Emir fand hier ebenso reiche Herrichtungen und gute, geordnete Bewirtung. Er wünschte auch ihm zu seinem häuslichen Leben viel Glück.

Der jüngste Sohn des Emir hatte am Nachmittag zu Pferd sein Haus verlassen und war in die Umgebung geritten, denn seit das Girdaweibchen in seinem Hause weilte, fühlte er sich in den Lehmmauern nicht mehr wohl, und wenn er sie vorher nie häßlich gefunden hatte, so schienen sie ihm jetzt, wo das Girdaweibchen bei ihm war, und wo er seine Wohnung mit der schönen Zurichtung seiner glücklich verheirateten Brüder verglich, unerträglich. Der jüngste Sohn kam nun nach Hause und traf auf dem Wege seinen Vater, der bei seinem zweiten Sohne gegessen hatte. Der Jüngste begrüßte den Emir. Der Emir sagte: »Wie geht es dir, mein Jüngster? Ich habe gestern bei meinem ältesten Sohne gegessen und heute bei meinem zweiten. Ich habe es bei beiden ausgezeichnet gefunden. Sie führen beide ein glückliches Leben, seit sie verheiratet sind.« Der jüngste Sohn sagte zu seinem Vater: »Mein Vater, ich kann dich nicht bitten, morgen bei mir zu essen.«

Der Jüngste kam spät in der Nacht heim. Er setzte sich auf sein Angareb und seufzte. Er seufzte und war betrübt. Im Raum nebenan lag das Girdaweibchen auf seinem Angareb. Das Girdaweibchen hörte seinen Mann seufzen und stöhnen und kam herüber zu ihm. Das Girdaweibchen setzte sich neben den jungen Mann auf das Angareb und sagte: »Sage mir, was dich bedrückt, vielleicht ist die Sache auszugleichen.« Der Jüngste sagte: »Du bist ein gutes Girdaweibchen, daß du dich um meinen Kummer bemühst. Es ist aber nicht mehr möglich, mir zu helfen, denn ebenso wie dir ein Girdamännchen lieber wäre als ein Mensch, und wenn er auch der Sohn des Emir ist, so würde jedes Mädchen und jede Frau mir meine Angelegenheiten besser ordnen können als du, wenn sie auch nicht ein so freundliches Mitgefühl hat.« Das Girdaweibchen sagte: »Höre, du bist der Sohn eines Emir, aber du bist nur ein Mensch und kannst nicht wissen, was ein Girdamädchen ist, was es empfindet und was es kann. Sage mir also deinen Kummer!« Der Jüngste sagte: »Gutes Girdamädchen, ich habe am gleichen Tage dich gewonnen, an dem meine älteren Brüder ihre Frauen erwählten. Die Frauen haben nun ihren Männern die Häuser eingerichtet und wohnlich gemacht. Vorgestern hat mein Vater bei meinem ältesten Bruder, gestern bei meinem zweiten Bruder gegessen, und er hat alles sehr schön und reich und wohnlich gefunden, weil die Frauen alles gut und reich hergerichtet haben. Morgen müßte mein Vater nun bei mir essen. Wie soll ich ihm auf diesem Erdboden zwischen diesen Lehmwänden ein Essen vorsetzen?« Das Girdaweibchen sagte: »Ist das denn alles?« Der Jüngste sagte: »Es ist genug, um mich traurig zu machen.«

Das Girdaweibchen sagte: »Das ist sehr einfach! Sattle schnell dein Pferd und bringe mich heute nacht noch zurück in die Wüste. Dann stört dich das häßliche Girdaweibchen nicht mehr. In der Wüste ist aber eine Stadt, in der schöne, reiche Frauen sind. Ich weise dir den Weg. Du gewinnst eine von den schönen Frauen. Sie kommt mit allem ihren Besitz, und bis morgen abend kann sie dir dein Haus hergerichtet haben. Glaube mir, das ist keine schwierige Sache.« Der Jüngste sagte: »Du bist ein gutes Girdaweibchen, sage mir aber doch, was aus dir werden würde?« Das Girdaweibchen sagte: »Ich würde sterben.« Der junge Mann sagte: »Du bist ein gutes Girdaweibchen, du sollst nicht sterben. Ich habe dich durch meinen Lanzenwurf gewonnen. Nun sollst du nicht sterben durch mich. Geh nur auf dein Angareb und schlafe. Ich kann auch so leben und brauche den Besuch meines Vaters nicht. Ich danke dir aber dafür, daß du hierher gekommen bist, um mich nach meinem Kummer zu fragen. Mein Kummer ist nun zerflossen.«

Das Girdaweibchen sagte: »Du willst mich also nicht in die Wüste zurücktragen, um eine schöne, junge Frau zu gewinnen?« Der junge Mann lachte und sagte: »Nein, das will ich nicht. Du bleibst als mein gutes Girdamädchen in meinem Hause.«

Das Girdamädchen sagte: »Dann will ich dir eine andere Angelegenheit sagen. Hast du schon einen Girda gesehen, der sprechen kann?« Der junge Mann sagte: »Nein, ich habe das noch nicht gesehen!« Das Girdaweibchen sagte: »Wenn du dieses Ungewöhnliche selbst siehst, dann wirst du mir auch anderes Ungewöhnliche glauben?« Der junge Mann sagte: »Gewiß glaube ich dir!« Das Girdaweibchen sagte: »Dann geh morgen mittag zu deinem Vater, dem Emir, und bitte ihn, zu dir zu kommen, um mit dir zu speisen. Dein Vater wird alles ebenso gut finden, wie bei deinen Brüdern.« Der junge Mann sagte: »Ich werde es tun.« Das Girdaweibchen erhob sich und ging in ihr Zimmer, um auf ihrem Angareb zu schlafen.

Der junge Mann blieb auf seinem Lager sitzen. Er sagte: »Diese Sache mit meinem Girdamädchen ist anders als irgend etwas, was ich vorher gehört habe.« Nach einiger Zeit ging der junge Mann leise in den andern Raum, um das merkwürdige Girdamädchen noch einmal zu sehen. Er trat an ihr Angareb.

Ein wenig vom Licht des Mondes schlüpfte durch eine Ritze in der alten Mauer herein und beleuchtete das Girdamädchen, das vom Licht abgewendet auf dem Angareb schlief. Der junge Mann betrachtete das Girdamädchen und sah, daß aus einem Riß des Affenfelles lange Haare herausgefallen waren, die waren weich wie Seide, und goldene Fäden waren hineingeflochten. Der junge Mann betrachtete das Haar. Er befühlte es vorsichtig mit der Hand. Da seufzte das Girdaweibchen im Schlaf auf, und er schlich schnell und leise wieder in seinen eigenen Raum. In seinem Raum stand der Speer, mit dem er geworfen hatte. Er ließ die Hand über den Speer gleiten und sagte: »Mein guter Freund, du kannst gut fliegen und weithin eilen, aber sprechen kannst du nicht. Was würdest du mir sonst wohl hierüber sagen können?«

Am andern Mittag ging der Jüngste zu seinem Vater und sagte: »Mein Vater, du hast vorgestern bei deinem ältesten Sohne gegessen. Du hast gestern bei deinem zweiten Sohne gegessen. Komm heute zu mir und speise mit mir, deinem dritten Sohne.«

Der Vater sagte: »Mein bedauernswerter Sohn, du bist nicht verheiratet und hast dein Glück und deine Bequemlichkeit für ein Girdaweibchen fortgeworfen. Du wirst das noch schlimmer fühlen, wenn ich mit dir in deinem einsamen Hause dein Essen teile.« Der Jüngste sagte: »Mein Vater, ich bitte dich! Komm doch nur heute einmal zu mir.« Der Emir sagte: »Ich will dir deinen Wunsch nicht abschlagen. Ich werde kommen.«

Der Vater bestieg sein Pferd. Er ritt mit seinem Sohne zu dessen Haus hinüber.

Als die beiden Reiter vor dem Hause angekommen waren, traten zwei prächtig gekleidete Sklaven aus der Tür und hielten die Pferde. Zwei andere Diener aber rollten eine lange seidene Decke aus der Tür bis zum Tor. Sie halfen dem Emir und seinem Sohn aus dem Sattel und folgten ihnen, als beide über den seidenen Stoff zum Hause hineingingen.

Als der Emir und sein Sohn an die Tür kamen, traten ihnen schöne Knaben entgegen, die hielten Schale und Brig und Trockentuch, so daß sie den Staub abspülen konnten. Andere nahmen ihnen die Straßenschuhe ab, so daß sie nicht die schönen Teppiche zu beschmutzen brauchten, die den Boden bedeckten.

Der Emir stand als erster in dem Raum und fragte seinen Sohn sogleich: »Mein Sohn, erkläre mir dieses.« Der Jüngste sagte: »Mein Vater, ich kann dir von all dem nichts erklären, denn ich weiß nicht einmal, ob dies überhaupt mein Haus ist oder nicht. Ich bitte dich aber, auf diesen Kissen Platz zu nehmen und meine Bewirtung anzunehmen – soweit ich das Recht habe, diese Bewirtung die meine zu nennen.« Der Emir setzte sich. Der jüngste Sohn setzte sich. Sie betrachteten beide die Teppiche, die auf dem Boden und an den Wänden ausgebreitet waren. Sie sahen die Kursi, auf die eine goldene Sinia mit dreißig verschiedenen Gerichten gestellt wurde.

Der Emir aß und fand das Essen besser als irgendeines, das er vorher zu sich genommen hatte. Er schwieg aber und dachte bei sich: »Ich werde meinen Sohn nach nichts fragen, denn diese ganze Geschichte mit dem Girdamädchen ist eine Lüge, und er wird, wenn ich ihn frage, mir nur noch mehr vorlügen. Ich will aber sehen, wie ich diese Lügen aufdecken und meinen Sohn dafür strafen kann.«

Der jüngste Sohn aß und fand, daß er nie in seinem Leben so gut gegessen habe. Er sagte aber nichts, denn er dachte bei sich: »Seit ich die seidenen, golddurchwirkten Haare unter dem Affenfell meines Girdamädchens gesehen habe, weiß ich überhaupt nur noch, daß ich von allem, was mit dem Mädchen zusammenhängt, nichts weiß. Wenn ich meinem Vater etwas sage, wird er es mir nicht glauben, sondern wird mich für einen Lügner halten. Ich werde aber zusehen, daß ich herausbekomme, was sonst noch unter dem Affenfell meines Girdamädchens verborgen ist.«

Nachdem der Emir und sein Sohn gegessen hatten, erhob sich der Vater und sagte: »Mein jüngster Sohn, ich sehe zu meiner Freude, daß du in ebenso glücklichen Umständen lebst, wie deine älteren Brüder. Ich verlasse dich nun. Begleite mich heim und vergiß nicht, daß ich euch eine Mahlzeit schuldig bin, die eure Frauen bereitet haben. Darum will ich euch drei mitsamt euren drei ausgezeichneten Frauen morgen abend zum Essen bei mir sehen.« Der Sohn sagte: »Es ist gut, ich werde kommen!« Der Emir lachte und sagte: »Du wirst aber nicht allein kommen, sondern deine Frau mitbringen, die heute so vortrefflich für mich gesorgt hat, so daß ich sie kennen lerne und ihr danken kann.« Der Sohn begleitete seinen Vater heim. Als der Sohn in sein Haus zurückkam, war es schmutzig und kahl wie früher. Er schlich sich in den andern Raum, da lag das Girdamädchen auf dem Angareb. Er konnte aber keine Haare sehen. Der Mond schien auch nicht durch die Mauerritze. Der Wind blies nur Sand herein, so daß er ihm in die Augen fiel und ihn in seinen eigenen Raum zurückjagte.

Am andern Morgen ging der junge Mann sogleich zu seinem Girdamädchen hinüber. Er setzte sich auf den Rand des Angarebs und sagte zu dem Girdamädchen: »Mein Vater ging gestern sehr zufrieden fort.« Das Girdamädchen sagte: »Das weiß ich.« Der junge Mann sagte: »Mein Vater hat gesagt, daß heute seine drei Söhne mit ihren Frauen zu ihm kommen und bei ihm essen sollen.« Das Girdamädchen sagte: »Das weiß ich.« Der junge Mann sagte: »Was soll ich nun tun?« Das Girdamädchen sagte: »Du mußt hingehen.« Der junge Mann sagte: »Und welche Frau soll ich mitnehmen?« Das Girdamädchen sagte: »Bringe mich schnell in die Wüste und hole eine andere Frau, die ich dir zeigen werde.« Der junge Mann sagte: »Und was wird aus dir werden?« Das Girdamädchen sagte: »Du weißt es doch schon, ich werde sterben.« Der junge Mann sagte: »Ich habe dir auch schon gesagt, daß ich das nicht will.« Das Girdamädchen sagte: »Dann ist nur noch eines möglich, daß ich nämlich als deine Frau zum Fest deines Vaters gehe!«

Der junge Mann erschrak. Er wußte, daß die Frauen seiner Brüder sehr schön waren. Er wollte nicht das zottige Affenweib als seine Frau mitbringen. Der junge Mann sagte nichts. Das Girdamädchen sagte: »Dein Vater hat mich als deine Frau heute abend eingeladen. Mach, was du willst. Bringe mich in die Wüste zurück und hole dir eine andere Frau oder laß mich allein gehen. Ich verlange nicht, daß du mit mir gehst. Ich aber gehe hin.« Der junge Mann ging hinaus.

Der junge Mann legte sich auf den Hof und war sehr traurig.

Als es Mittag war, kam das Girdamädchen zu ihm und sagte: »Ich schlage es dir noch einmal vor: bringe mich zurück in die Wüste und laß mich für eine schöne Frau für dich sorgen.« Der junge Mann sagte: »Nein, du sollst nicht sterben.« Das Girdamädchen sagte: »Ich werde aber zu dem Feste deines Vaters gehen.« Der junge Mann sagte: »Gut, geh hin. Geh aber allein.« Dann erhob sich der junge Mann und sattelte sein Pferd. Er ritt ein Stück weit, stellte sein Pferd bei einem Freunde unter und stieg dann über die Dächer bis dahin, von wo aus der Mond sein Licht durch die Ritze in der Mauer auf das Angareb des Girdamädchens geworfen hatte.

Als es dunkel wurde, sah er, daß das Girdamädchen sich von seinem Angareb erhob. Das Girdamädchen griff mit der Hand in den Schlitz des Affenfelles und zog einen Diamant hervor, der leuchtete wie keine Lampe heller leuchten kann. Danach zog das Girdamädchen das Affenfell nach hinten über den Kopf. Da sah der Jüngste, daß die seidenen Haare lang und länger hervorquollen, daß zwischen die schwarzen Seidenhaare lange Goldfäden gesponnen waren. Das Mädchen strich mit der Hand eine rauhe Stelle der Lehmwand, da war da ein Spiegel, und nun konnte der junge Mann durch die Mauerritze sehen, daß das Girdamädchen über alle Maßen schön war, so schön, daß er vor Schreck zu zittern begann und fast über die Dachkante herab auf die Erde gefallen wäre. Dann streifte das Girdamädchen die Affenhaut auch vom Leibe und von den Gliedern, und nun konnte er sehen, daß unter dem feinen Linnen, in das sie gehüllt war, ein junger, schöner Körper, weiße Glieder und gewölbte Brüste lebten. Als das Girdamädchen so schön unten in dem Lehmhaus vor dem Spiegel stand, da war der jüngste Sohn des Emirs so glücklich, daß er fast geschrien hätte. Um das zu unterdrücken, biß er sich in die Hand, und er konnte sich nicht anders helfen, als daß er tief hineinbiß.

Das Girdamädchen betrachtete sich inzwischen im Spiegel. Es ordnete die Haare. Es nahm aus dem Affenfell allerhand Schmuck hervor. Es legte goldenen Schmuck um den Hals. Es legte goldene Ringe um Handgelenk und Füße. Es warf das Affenfell auf das Angareb, hüllte sich in ein langes Umschlagetuch des jungen Mannes und verließ das Haus, um zu seinem Schwiegervater zu gehen. Kaum hatte aber der jüngste Sohn gehört, daß das Girdamädchen sein Haus verlassen hatte, so stieg er von seinem Dach herab und lief zu seinem Hause. Er blickte in den Raum des Girdaweibchens. Er sah das Affenfell. Er nahm das Affenfell und warf es ins Feuer. Dann setzte er sich auf das Angareb und wartete die Rückkehr des Mädchens ab. Das junge Mädchen ging inzwischen hinüber zur Seriba des Emir. Sie trat zunächst in das Haus ein, in dem die Frau des Emir die Herstellung der Speisen beaufsichtigte. Als die alte Frau das verhüllte Mädchen hereinkommen sah, fragte sie: »Wer bist du?« Das Mädchen sagte: »Ich bin die, die dein jüngster Sohn sich als Gattin erwählt hat.« Die alte Frau sagte: »Zeige dein Gesicht!« Das junge Mädchen schlug das Tuch zurück. Die Mutter betrachtete sie lange und sagte: »Hüte dich vor dem Vater deines Gatten, meinem Manne, dem Emir, meine Tochter!« Das Mädchen sagte: »Meine Mutter, ich bitte dich, gib mir ein Brot!« Die alte Frau gab dem Mädchen ein Brot. Das Mädchen nahm das Brot unter den Arm und ging aus dem Haus zum Emir hinüber.

Die beiden ältesten Söhne mit ihren Frauen waren schon beim Emir angekommen. Die Frauen waren schön, sie waren reich gekleidet und hatten wertvollen Schmuck.

Der Emir sprach mit den Frauen seiner Söhne. Der Emir sagte: »Die Frau, die mein jüngster Sohn sich erwählt hat, wird auch kommen.« Der Türhüter kam und sagte: »Es kommt eine verhüllte Frau über den Hof.« Die Brüder sagten: »Das wird die Klugheit unseres jüngsten Bruders sein, die da kommt.« Die Frauen der Brüder sagten: »Das wird das Affenweib sein, das kommt. Müssen wir mit ihm aus einer Schüssel essen?« Der Emir sagte zum Türhüter: »Laß die Frau hereinkommen!«

Die Tür wurde geöffnet. Die verhüllte Frau schritt herein und blieb stehen. Der Emir sagte: »Wer bist du?« Die verhüllte Frau sagte: »Ich bin das Mädchen, das dein jüngster Sohn sich zur Frau erkoren hat.« Der Emir sagte: »Die Frauen meiner andern Söhne sind auch hier und nicht verhüllt. Zeige dich. Wir werden dich nicht kränken.« Die verhüllte Frau sagte: »Wie sollte mich der Vater dessen, der mich zur Frau begehrt, kränken wollen?« Dann ließ sie das lange Umschlagetuch fallen. Es wurde aber im Zimmer sogleich ganz hell, und war nun ein Unterschied, als ob vorher Nacht gewesen und nun gerade die Sonne aufgegangen sei.

Das Mädchen sagte: »Weshalb solltet ihr mich kränken?«

Die ersten beiden Söhne des Emir blickten auf das Mädchen. Die Frauen der beiden Söhne blickten auf das Mädchen. Der Emir blickte auf das Mädchen und sagte bei sich: »Dieses Mädchen soll meine eigene Frau werden. Ich werde meinen Sohn töten.« Das Mädchen nahm das Brot unter dem Arm hervor, das die Frau des Emir ihr gegeben hatte; es war ein Diamant geworden. Das Mädchen reichte den Diamanten dem Emir und sagte: »Nimm dieses als Begrüßungsgabe. Ich bin nicht das, was ihr glaubtet. Ich habe die Haut des Affen umgenommen, um zu sehen, ob dein jüngster Sohn so gut wie schön ist. Ich habe ihm schweren Kummer mit der Affenhaut bereitet und will nun nach Haus gehen, um seinen Kummer zu stillen. Denn auch im großen Kummer hat er nicht gewollt, daß das elende Affenmädchen sterbe, und deshalb will ich ihm eine gute Frau werden und will ihm alles geben, was ich als Tochter des Melik der Alledjenu ihm geben kann.« Als das Mädchen das gesagt hatte, nahm sie das Umschlagetuch wieder auf und ging. Es hatte aber keiner Zeit, etwas zu sagen.

Der Jüngste saß auf seinem Angareb und wartete. Als er einige Zeit gewartet hatte, sah er, daß es in der Dunkelheit draußen heller wurde. Dann hörte er Schritte und er sah, daß seine Wohnung von einer Reihe von Ampeln und Lichtern beleuchtet wurde. Wo er hinsah, traten Teppiche und Kissen hervor. Je näher die Schritte kamen, desto höher und weiter wurden die Räume. Er fühlte, daß seine Kleidung sich änderte; er hörte, daß draußen Vögel sangen, obwohl es Nacht war. Dann tat sich die Tür auf und die Tochter des Alledjenukönigs trat herein und ließ das Umschlagetuch fallen. Die Tochter des Alledjenukönigs kam auf ihn zugeschritten und kniete nieder und küßte die Wunde, die er sich vorher in die Hand gebissen hatte, um seinen freudigen Schreck zu überwinden. Und sogleich war die Wunde geschlossen. Der Sohn des Emir hob die Tochter des Alledjenukönigs auf. Beide gingen dann durch die hell erleuchteten Säle des Serails, in dem von nun an der jüngste Sohn mit seiner schönen Frau wohnte.

Der Emir dachte die ganze Nacht darüber nach, wie er seinen Sohn töte, um seine schöne Schwiegertochter heiraten zu können. Am andern Tag ließ er seinen jüngsten Sohn rufen und sagte zu ihm: »Mein Sohn, ich höre, du legst dir einen Garten an. Wenn du das für dich tun kannst, dann kannst du auch für deinen Vater etwas tun. Sorge also dafür, daß bis morgen nachmittag in meinem Garten ein neuer Weinstock wächst. Ich habe mir für morgen abend Gäste eingeladen, und sie sollen von den reifen Trauben dieses Weinstocks genießen. Wenn dir dies nicht gelingt, werde ich dich morgen abend töten lassen.«

Der Sohn ging betrübt von dannen. Er trat betrübt in sein Serail und warf sich betrübt auf die Kissen. Nach einiger Zeit kam seine schöne junge Frau. Sie strich ihm über die Haare und sagte: »Sage mir deinen Kummer!« Darauf erzählte der Sohn des Emir, was sein Vater von ihm verlangt habe. Als er berichtet hatte, lachte die Tochter des Alledjenukönigs und sagte: »Wenn es weiter nichts ist, so kann das leicht geschehen. Bringe Wasser aus dieser kleinen Flasche in den Garten deines Vaters. Stecke ein Stück trockenen Reisigs in die damit angefeuchtete Erde und sage deinem Vater nur, er solle bestimmen, wieviel Trauben an dem Weinstock sein sollen.« Der Sohn nahm die Flasche, die seine Frau ihm reichte, bestieg wieder sein Pferd und ritt in den Garten. Dort pflanzte er das Reisig und ging dann zu seinem Vater und sagte: »Nun brauchst du nur zu bestimmen, wieviel Trauben an dem Weinstock sein sollen, und alles ist in Ordnung.« Dann ritt der Sohn des Emir wieder fort. Als aber am andern Tag die Gäste des Emir versammelt waren und in den Garten gingen, da war aus dem trockenen Reisig ein großer Weinstock aufgewachsen, und jeder der Gäste konnte sich eine große, volle Traube abpflücken.

Der Emir ward dadurch aber nur noch zorniger. Er ließ am andern Morgen wieder seinen jüngsten Sohn kommen und sagte zu ihm: »Mein Sohn, sorge dafür, daß morgen um diese Stunde neben meinem Hause ein Garten mit Wassermelonen angelegt ist, der überall Früchte zeigt.« Der Sohn sagte: »Das soll da sein, wo jetzt nur Sand ist?« Der Emir sagte: »Jawohl, eben da sollen morgen abend viele Melonen reif sein, denn ich habe viele Leute zu Gast, und jedem will ich eine Melone vorsetzen.« Der Sohn ging nach Hause. Der Sohn des Emir suchte seine Frau auf und erzählte ihr von dem neuen Befehl und der wiederholten Drohung seines Vaters. Die Tochter des Alledjenukönigs lachte und sagte: »Das ist wieder sehr einfach. Nimm dieses Wasser und diese Kerne und mische beides mit Erde von dem Sandplatz. Dann wirf das Gemischte über den Sandplatz hin.« Der Sohn des Emir tat, wie seine Frau ihm geboten hatte. Als der Emir am andern Tag den Sandplatz betrat, fand er ihn bedeckt mit den Ranken der Wassermelonen, an denen so viele Früchte hingen, daß ein jeder Mann des Ortes eine oder auch mehrere erhalten konnte. Als der Emir sah, daß sein Sohn auch das zu vollenden vermocht hatte, wurde er über alle Maßen zornig, und in seiner Wut rief er einen seiner Freunde beiseite und sagte zu ihm: »Sage mir doch etwas, was ich meinem Sohne anbefehlen und was er doch unmöglich ausführen kann, damit ich einen Grund finde, ihn wegen Ungehorsams zu töten.« Der Freund sagte: »So fülle doch ein Haus mit Brot und Fleisch und verlange, daß er es in einer Nacht verzehre.« Der Emir sagte: »Das ist wahr!«

Am andern Tag rief der Emir seinen jüngsten Sohn und sagte: »Heute abend werde ich dich in ein Haus einschließen, das ich mit Brot und Fleisch fülle. Bis morgen früh muß das alles verzehrt sein, oder ich lasse dich töten.« Der Sohn des Emir ging nach Hause und erzählte seiner Frau von dem neuen Befehl des Vaters. Die Tochter des Alledjenukönigs lachte aber und sagte: »Laß dich ruhig einschließen. Die Zeit eines Augenaufschlags genügt meinen Leuten, um mehrere Häuser voller Speise zu leeren.« Abends ging der Sohn zum Emir und ließ sich von ihm in das Haus voller Brot und Fleisch einschließen. Er legte sich auf die Erde zum Schlafen nieder, und als man am andern Tag das Haus öffnete und ihn herausrief, war von allem Brot und Fleisch auch nicht mehr so viel übrig, daß eine Maus es hätte zwischen den Zähnen und der Zunge spüren können.

Nun aber entschloß sich der Emir, einen Befehl zu geben, dessen Ausführung undenkbar war, denn er sehnte sich alle Tage mehr danach, seine Schwiegertochter zu ehelichen und wollte also seinen Sohn deshalb auf alle Fälle töten. Er ließ also seinen jüngsten Sohn rufen und sagte: »Mein Sohn, nun höre meinen letzten Befehl. Ich will, daß ein Kind, das heute abend geboren wird, morgen früh schon gehen und sprechen kann. Wenn du das nicht vermagst, mußt du sterben.« Der Sohn des Emir ging zu seiner Frau und erzählte ihr den neuesten Befehl seines Vaters. Die Tochter des Alledjenukönigs sagte: »Ich sehe jetzt, daß dein Vater mich auf jeden Fall ehelichen und dich töten will. Rufe deshalb alle Leute des Ortes zusammen und fordere von deinem Vater folgende Vereinbarung: Kann das neugeborene Kind, das dein Vater heute abend schickt, morgen früh nicht sprechen, so darf er dich töten; kann das Kind aber sprechen, so muß er auf das Leben und das Emirat zu deinen Gunsten verzichten. Geh hin und fordere dies von ihm vor allen Leuten. Es ist die Stunde, da alle Angesehenen bei ihm versammelt sind.«

Der Sohn des Emir ging zu seinem Vater. Alle angesehenen Leute waren bei dem Emir versammelt. Der Sohn trat vor den Vater und sagte: »Mein Vater, du verlangst von mir, daß ich ein Kind, das heute abend geboren wird, zu mir nehme und dafür sorge, daß es morgen früh spricht; das forderst du von mir und erklärst, daß du mich töten willst, wenn ich das nicht vermag. Ich erkläre mich vor allen diesen Zeugen hiermit einverstanden unter der Bedingung, daß wenn ich das Unmögliche, was du jetzt unter Todesdrohung von mir verlangst, möglich mache, daß du dann selbst zu meinen Gunsten auf das Leben und das Emirat verzichtest.« Der Emir sagte: »Das ist mir recht. Denn wenn du hiernach nicht stirbst, hat das Leben für mich auch keinen Wert mehr.« Der Sohn ging.

Am Abend wurde in der Stadt ein Kind geboren. Man brachte es in das Haus des jüngsten Sohnes. Die Tochter des Alledjenukönigs legte es auf eine Matte. Der jüngste Sohn des Emir und seine Frau legten sich zum Schlafen nieder. Am andern Morgen erwachten sie von einem starken Geräusch. Der Emir war mit allen angesehenen Leuten gekommen und wartete vor dem Hause. Der Emir betrachtete das neue, große Haus und die Gärten, und alle Leute stießen Schreie der Bewunderung aus. Der Emir forderte laut Einlaß.

Da erhob sich der kleine Knabe, der am Tage vorher geboren war, von der Matte, auf die ihn die Tochter des Alledjenukönigs gelegt hatte, ging hin und öffnete das Tor. Der kleine Knabe blickte auf den Emir und die angesehenen Leute, die um ihn waren. Der Emir sagte: »Ist das nicht der Knabe, der gestern geboren wurde?« Die Leute sagten: »Ja, das ist er!« Der kleine Knabe sagte: »Ja, ich bin der Knabe, der gestern abend geboren war. Ich kann, wie du und alle Zeugen hier hören, sprechen, und du hast damit dein Leben und dein Emirat verloren.« Als der Knabe das gesagt hatte, fiel der Emir hin und war tot.

Darauf wurde sein jüngster Sohn der Herr des Landes.

Die Freunde

Sahel

In Sadia lebte der König Anko Gindo. Anko Gindo hatte siebzig Frauen. Aber keine dieser Frauen ward schwanger. Von allen diesen siebzig Frauen bekam er kein Kind. Darauf nahm er eine Urussufrau, und diese ward auch sogleich schwanger. Am selben Tage, wie die junge Frau des Königs Anko, gebar auch die Frau des Spielmanns des Königs, und so waren Königssohn und Spielmannssohn gleich alt. Der Königssohn erhielt den Namen Badju. Der Spielmannssohn erhielt den Namen Gimmile.

Da Badju Gindo und Gimmile Drami am gleichen Tage geboren waren, ließ der König sie auf einen hohen Turm an der Verteidigungsmauer bringen und dort oben ihnen einen Wohnplatz herrichten. Wenn die kleinen Kinder schrien und genährt werden sollten, mußten die Mütter immer auf den Turm steigen und nachher ihn wieder verlassen. Und das blieb so, bis die Kinder nicht mehr die Mutterbrust nahmen und auch nachher. Die beiden Kinder kamen nie zur Erde herab, sie mußten immer oben bleiben und sahen die Erde und das Leben auf der Erde nicht anders, als von ihrem Turme aus. Und das wurde nicht anders, als bis sie erwachsen waren. Als sie erwachsen waren, durfte Gimmile zuerst einmal heruntersteigen. Er ging herab, und da sah er eine junge Frau des Königs, die war sehr schön. Sowie er sie sah, hatte er sie sehr lieb. Es war aber eine Frau des Königs. Da wurde er traurig, stieg wieder auf den Turm zu Badju, band sich ein Tuch um den Kopf und legte sich in eine Ecke. Badju sagte: »Was ist dir, mein Gimmile?« Gimmile sagte: »Mir ist nichts Besonderes. Ich habe Kopfschmerzen.« Badju sagte: »Wenn mein Gimmile Kopfschmerzen hat, habe ich auch Kopfschmerzen.« Er band sich ein Tuch um den Kopf. Badju und Gimmile waren so gute Freunde, daß sie nicht anders konnten, als alles miteinander zu teilen.

Nachher kam eine Frau mit dem Essen für die beiden auf den Turm. Beide Jünglinge lagen mit ihren verbundenen Köpfen nach der Wand zu und wandten sich gar nicht um. Badju sagte: »Nimm das Essen nur wieder mit, wir sind krank und wollen nichts haben. Badju und Gimmile sind krank.« Die Frau nahm das Essen wieder mit herab, gab es der Mutter Badjus und sagte: »Badju und Gimmile sind krank. Sie wollen nichts essen.« Badjus Mutter nahm darauf die Schüsseln und stieg auf den Turm. Sie sagte zu Badju: »Mein Badju, was fehlt dir?« Badju sagte: »Gimmile ging auf die Erde hinab und kam dann mit Kopfschmerzen zurück. Du weißt, daß keiner von uns beiden etwas haben kann ohne den anderen! Nun habe ich auch Kopfschmerzen.« Die Mutter sagte: »So iß doch.« Badju sagte: »Ich kann nicht. Ich habe Kopfschmerzen. Gimmile ißt nicht. Da kann ich auch nicht essen.« Die Mutter Badjus ging.

Als die Mutter Badjus gegangen war, wandte sich Badju an Gimmile und sagte: »Mein Gimmile, wir sind in der gleichen Stunde geboren. Wir haben das Leben bisher auf diesem Turme verbracht. Nie sah einer etwas ohne den anderen. Weshalb willst du mir heute nicht sagen, was du hast!« Gimmile sagte: »Ich will es dir sagen, mein Badju. Als ich in den Hof herabkam, sah ich eine schöne junge Frau. Ich habe diese Frau sogleich über alles lieb gewonnen, aber ich kann sie nicht gewinnen, denn die junge Frau ist eine Frau des Königs, deines Vaters!« Badju sagte: »Weiter ist es nichts? Das werde ich bald geregelt haben. Weiter ist es nichts?« Gimmile sagte: »Nein, weiter ist es nichts.« Badju sagte: »So binde das Stirntuch ab!«

Auch Badju stieg vom Turm in den Hof. Badju suchte die kleine junge Frau seines Vaters, des Königs, und sagte zu ihr: »Gestern kam mein Freund Gimmile vom Turm herab auf die Erde. Er hat dich gesehen und hat sich in dich verliebt. Gimmile weiß, daß du die kleine Frau meines Vaters, des Königs, bist. Aber Gimmile wird sterben, wenn er dich nicht erwerben kann. Tu ihm das nicht an.« Die junge Frau sagte: »Ich kann mir das wohl denken, denn ich sah ihn gestern auch zum ersten Male und habe ihn auch liebgewonnen. Ich sehe dich ja auch heute zum ersten Male. Sage Gimmile, er solle zu mir kommen, aber nicht am Tage, sondern nachts. Und er solle nicht kommen vor Mitternacht. Er solle auf die Felldecke sehen, die vor meinem Hause ist. Wenn auf der Decke zwei Kolanüsse liegen, soll er nicht hereinkommen, denn dann ist der König bei mir und ich bin also nicht allein. Dann soll er wieder fortgehen. Wenn er aber nur eine Kolanuß auf der Decke findet, soll er getrost hereinkommen. Dann bin ich allein und erwarte ihn.« Badju sagte: »Es ist gut.«

Badju ging auf den Turm zurück und sagte das alles Gimmile. Gimmile sagte: »Ich danke dir.« Als es Mitternacht vorbei war, ging Gimmile herab und suchte das Haus der jungen Frau auf. Er fand auf der Felldecke vor der Tür nur eine Kola. Er ging hinein. – Nun wanderte er alle Tage vom Turm herab. Fand er nur eine Kolanuß auf der Felldecke vor der Tür, so ging er hinein, und fand er zwei Kolanüsse auf der Felldecke vor der Tür, so kehrte er auf seinen Turm zurück.

Eines Tages hatte die junge Frau wieder zwei Kolanüsse auf die Felldecke vor dem Hause gelegt. Der König war bei ihr. Es entstand aber ein Wind, und der rollte eine der beiden Nüsse zur Seite. Nach einiger Zeit kam Gimmile und sah auf die Felldecke. Er fand nur eine Kolanuß. Er trat in das Haus ein. Er ging auf das Lager der Frau zu. Er strich mit der Hand über das Lager. Aber eine starke Männerhand packte nach seiner Hand. Es war die Hand des Königs. Die Hand des Königs griff nach dem Ring, der auf dem kleinen Finger Gimmiles steckte. Gimmile zog die Hand schnell fort. Der Ring blieb in der Hand des Königs. Gimmile entfloh aus dem Hause auf den Turm. Auf dem Turm erzählte er alles Badju. Badju sagte: »Laß nur, ich werde das in Ordnung bringen.«

Am anderen Morgen, in aller Frühe, ging Badju zum Aufseher der Urussu und fragte: »Wo ist hier in der Nähe eine Löwin mit Jungen?« Der Urussuaufseher sagte: »Ich weiß es nicht, aber ich will den Hirten fragen. Der muß es wissen.« Der Hirt ward gerufen. Badju fragte: »Weißt du, wo in der Nähe eine Löwin mit Jungen ist?« Der Hirt sagte: »Ja, das weiß ich.« Badju sagte: »So führe mich hin.« Der Hirt führte Badju dorthin. Er sagte: »In diesem Buschwerk ist die Löwin mit ihren Jungen.« Badju ging in den Busch hinein. Die alte Löwin war fort, nur die Jungen waren da. Es waren vier Junge. Badju nahm sie. Er gab zwei Junge dem Hirten zu tragen. Zwei Junge trug er selbst. Dann machte er sich auf den Weg und brachte sie in seinen Turm.

Der König Anko ließ am Tage, nachdem er Gimmile nachts im Hause seiner Frau den Fingerring abgezogen hatte, die öffentliche Trommel schlagen und verkünden, daß sich alle Männer seiner Stadt und der Ortschaften bei ihm zu versammeln hätten. Sie kamen alle zusammen. Als alle Männer gekommen waren, zog er den Fingerring hervor, den er nachts von Gimmiles Hand abgestreift hatte, und suchte den Mann, auf dessen kleinen Finger der Ring paßte. Er suchte den Ring dem ersten Manne aufzuschieben, er kam aber nicht über den Nagel. Er versuchte es beim zweiten. Es ging nicht viel besser. Er versuchte es bei einem nach dem anderen. Es gelang ihm bei keinem. Der König sagte selbst: »Es kann keiner dieser Leute gewesen sein.«

Darauf ging der König in sein Haus und dachte nach. Er hatte nun alle seine Leute kommen lassen. Der Ring hatte auf keine Hand gepaßt. Da fiel ihm ein: »Ich habe ja noch meine beiden Burschen oben im Turm.« Er rief eine Frau und sagte: »Rufe mir doch Badju und Gimmile.« Die Frau ging und brachte Badju und Gimmile herein. Der König nahm den Fingerring und setzte ihn Gimmile auf den kleinen Finger. Er paßte. Der König fragte: »Ist dies dein Ring?« Gimmile sagte: »Gewiß ist das mein Ring.« Der König fragte: »Warst du in dieser Nacht bei mir, als ich bei meiner Frau war?« Gimmile sagte: »Ja, ich war in dieser Nacht bei dir, als du bei deiner Frau warst. Da hast du mir den Ring genommen.«

Badju sagte: »Darf ich dir erzählen, mein Vater, wie dies kam?« Der König sagte: »Sprich!« Badju sagte: »In der vorigen Nacht stritten wir uns darum, wer von uns beiden den Mut habe, etwas Ordentliches zu wagen. Ich sagte: ›Es ist das Gefährlichste, die Jungen der Löwin aus dem Busch zu holen.‹ Gimmile sagte: ›Es ist gefährlicher, den König nachts zu besuchen, wenn er bei seiner Frau liegt.‹ – Wir stritten nur deswegen, was gefährlicher sei, und beschlossen, daß jeder seine Sache ausführen solle. Somit war Gimmile gestern nacht bei dir, als du bei deiner Frau warst, und ich war heute morgen im Busch, um die Löwin zu besuchen.« Der König sagte: »Den Ring Gimmiles habe ich hier. Und hast du nun die jungen Löwen geholt?« Badju sagte: »Sie sind oben auf dem Turm.« Der König sagte zu seinen Leuten: »Geht auf den Turm und holt die jungen Löwen.« Die Leute gingen und brachten sie. Der König betrachtete sie und war sehr zufrieden. Er gab jedem der beiden Freunde eine junge Frau. Seitdem sind die Habbe mit ihren Spielleuten ausgezeichnete Freunde. Es sind große Freundschaften. Aber wenn Spielleute die Habbe besuchen, gehen sie nicht mehr in das Haus, sondern sie warten vor der Tür.

Ahun sticht den König aus

Yoruba

Eine Frau hieß Betjubetje. Sie war sehr schön. Der Osi (König) sandte zu ihr und ließ ihr sagen: »Schlafe mit mir!« Betjubetje ließ ihm sagen: »Ich will nicht mit dir schlafen.« Der Osi sandte viermal zu der Frau und ließ ihr sagen: »Schlafe mit mir!« Betjubetje antwortete immer: »Ich will nicht mit dir schlafen!« Ahun hörte das. Er sagte zum Osi: »Du bist nun Osi und kannst nicht erreichen, daß Betjubetje bei dir schläft. Ich bin nur Ahun und doch braucht es nur eine einzige Rücksprache und sie nimmt mich mit zu sich.« Der Osi sagte: »Das müßte ich erst noch sehen!«

Ahun begab sich in den Busch. Er schlug dort eine Schlange tot. Mit der toten Schlange ging er an den Weg, der zu seiner Farm führte. Dort legte er die Schlange quer über den Weg. Nach einiger Zeit kam Betjubetje, die auf ihre Farm gehen wollte. Sie gewahrte die Schlange. Sie sah Ahun, der auf seiner Farm arbeitete, und rief: »Ahun! Komm! Schlage die Schlange tot, die hier im Wege liegt!« Ahun kam herbei, schlug auf die Schlange, richtete es aber so ein, daß er sich dabei auch in den Fuß schlug. Ahun rief: »Oh, das kommt davon! Ich schlage für dich, Betjubetje, eine Schlange tot und verwunde mich! Oh, wer hilft mir nun!« Betjubetje sagte: »Komm, ich will dich auf meinen Rücken nehmen und heimtragen. Wo soll ich dich hintragen?« Ahun sagte: »Trag mich in dein Haus!« Betjubetje trug Ahun heim.

Als Betjubetje mit Ahun in ihrem Hause angekommen war, sagte sie: »Wo soll ich dich nun hinlegen?« Ahun sagte: »Laß mich die Nacht mit auf deinem Bett schlafen.« Betjubetje legte ihn also auf ihr Bett. Abends legte sie sich daneben auf die andere Seite. Nachts nahm nun Ahun ein Stück Rotholzfarbe heraus und malte, als Betjubetje schlief, ihr ein Kreuz auf den Unterleib.

Am andern Tage ging Ahun zum König und sagte: »Sagtest du nicht gestern, du glaubtest mir es nicht, daß ich sogleich bei Betjubetje schlafen könnte, was dir nicht gelang?« Der Osi sagte: »So ist es!« Ahun sagte: »Ich habe es aber doch gekonnt.« Der Osi sagte: »Wie willst du das beweisen?« Ahun sagte: »Wenn du Betjubetjes Unterleib sähest, würdest du ein mit Rotholzfarbe gemaltes Kreuz darauf sehen. Das habe ich darauf gemalt.«

Der Osi ließ Betjubetje rufen. Man nahm ihre Kleider hoch. Man sah das Zeichen. Betjubetje lief voller Scham in den Busch.

Ahun heiratet die Spröde

Yoruba

Djobi-Alaqua war ein Mädchen. Djobi-Alaqua war sehr schön. Viele Leute sagten: »Djobi-Alaqua! Ich möchte dich heiraten.« Djobi-Alaqua antwortete stets: »Ich mag dich nicht heiraten!« Der König sagte: »Ich möchte Djobi-Alaqua heiraten.« Djobi-Alaqua sagte: »Ich mag den König nicht heiraten.« Der König sagte: »Ich will Djobi-Alaqua beschlafen. Sie soll haben, was sie verlangt.« Djobi-Alaqua sagte: »Ich will nicht mit dem König schlafen. Ich will mit keinem Mann schlafen. Ich will vom König nichts geschenkt haben. Ich will von keinem Mann etwas geschenkt haben.«

Alle Männer sagten: »Kein Mann wird Djobi-Alaqua heiraten können. Kein Mann wird Djobi-Alaqua beschlafen können.« Ahun hörte das. Ahun sagte: »Ich werde Djobi-Alaqua beschlafen.« Die andern sagten: »Das sagst du, Ahun? Bist du nicht Ahun? Du willst das können, Ahun? Wie willst du das machen?« Ahun sagte: »Ihr werdet es sehen!«

Ahun ging zu Djobi-Alaquas Mutter. Ahun fragte Djobi-Alaquas Mutter: »Was ißt deine Tochter gerne?« Djobi-Alaquas Mutter sagte: »Meine Tochter ißt alle Früchte von allen Bäumen gerne. Sie ißt gern Nüsse.« Ahun fragte Djobi-Alaquas Mutter: »Auf welchen Markt geht Djobi-Alaqua?« Djobi–Alaquas Mutter sagte: »Meine Tochter geht auf den Markt Sekumasse.«

Ahun ging an den Weg, der zum Markt Sekumasse führt: Ahun stieg am Ende des Weges auf einen Palmbaum. Ahun warf eine Frucht herunter. Djobi-Alaqua kam vorbei, um auf den Markt Sekumasse zu gehen. Djobi-Alaqua sah die Frucht. Djobi-Alaqua nahm die Frucht auf. Djobi-Alaqua aß die Frucht. Ahun kam vom Baum herab. Ahun sagte: »Djobi-Alaqua, du hast meine Frucht weggenommen. Du bist ein Diebsmädchen. Ich werde es aller Welt sagen. Gib mir die Frucht wieder oder laß dich von mir beschlafen!« Djobi-Alaqua sagte: »Laß mich, ich will mich nicht beschlafen lassen!« Ahun sagte: »Dann sage ich aller Welt, daß du ein Diebsmädchen bist.« Djobi-Alaqua sagte: »Nein, sage es niemand. Ich bitte dich!« Ahun sagte: »Die Frucht oder den Beischlaf!« Djobi-Alaqua sagte: »Ich will dir tausend Kauri geben, aber laß mich!« Ahun sagte: »Die Frucht oder den Beischlaf!« Djobi-Alaqua sagte: »Ich will dir zwei Sklaven geben!« Ahun sagte: »Die Frucht oder den Beischlaf!« Djobi-Alaqua sagte: »Ich will dir alles geben, was ich habe, aber laß mich!« Ahun sagte: »Frucht oder Beischlaf!« Djobi-Alaqua sagte: »So komme mit in das Haus da!«

Ahun ging mit Djobi-Alaqua in das Haus. Ahun beschlief Djobi-Alaqua. Dann nahm Ahun Djobi-Alaquas Kopftuch und versteckte es. Djobi-Alaqua ging. Ahun ging. Ahun ging zum König. Ahun sagte zum König: »Wolltest du Djobi-Alaqua heiraten?« Der König sagte: »Ja, ich wollte Djobi-Alaqua heiraten. Djobi-Alaqua wollte sich aber nicht beschlafen lassen. Djobi-Alaqua will sich von keinem Mann beschlafen lassen.« Ahun sagte: »Ich habe soeben Djobi-Alaqua beschlafen!« Der König sagte: »Du lügst.« Ahun zog das Kopftuch Djobi-Alaquas heraus und sagte: »Hier ist mein Beweis!«

Jäger und Schlangenfrau I

Yoruba

Ein Jäger ging mit seinem Burschen alle Tage in die Farm. Wenn der Vater essen wollte, sandte er den Jungen fort, Feuer zu holen. Es zweigten sich drei Wege ab. Der eine Weg war gut instand gehalten, auf dem wohnte eine Feindin des Jägers. Der zweite Weg war mit Gras bewachsen. An dem wohnte ein Mann mit vielen Wunden. Der dritte Weg war mit Busch bewachsen, an dem war das Feuer. Der Jäger sagte jedesmal zu seinem Jungen: »Geh, und hole von dem bewachsenen Weg das Feuer! Gehe aber ja nicht den Weg, der gut gereinigt ist!«

Eines Tages regnete es. Der Jäger sagte zu dem Jungen: »Geh und hole mir Feuer. Geh aber nicht den gereinigten Weg, sondern den bewachsenen.« Der Junge sagte: »So will ich tun!« Der Junge ging. Es regnete. Der Bursche sagte bei sich: »Weshalb soll ich immer den schlechten Buschweg gehen. Ich werde lieber den guten Weg gehen, da wird es sicher auch Feuer geben.« Der Junge ging den guten Weg. Er kam an das Haus der Frau. Er trat herein. Er sah die Frau. Es war eine sehr schöne Frau. Die Frau kochte gerade Kerne im Wasser. Die Frau sagte: »Was willst du?« Der Bursche sagte: »Mein Vater sendet mich, daß ich Feuer hole!« Die Frau sagte: »Dein Vater hat dich zu mir gesandt?« Der Bursche sagte: »Nein, der Vater sandte mich den andern Weg, aber es regnete so arg und der andere Weg ist so verwachsen.« Die Frau sagte: »Hier hast du Feuer. Sage deinem Vater aber nicht, daß du das Feuer bei mir geholt hast.« Der Junge sagte: »Ich will meinem Vater nicht sagen, wo ich das Feuer erhalten habe!« Der Junge nahm den Feuerbrand und ging.

Der Junge ging mit dem Feuerbrand ein gutes Stück, dann sagte er bei sich: »Diese Frau war sehr schön. Ich muß sie noch einmal sehen!« Der Junge löschte den Feuerbrand aus und kehrte zurück. Er trat wieder in das Haus der Frau. Die Frau fragte: »Was willst du?« Der Junge sagte: »Das Feuer ist verlöscht. Gib mir einen andern Brand.« Die schöne Frau gab ihm einen neuen Feuerbrand und sagte: »Hier hast du anderes Feuer. Sage deinem Vater aber nicht, daß du das Feuer bei mir geholt hast.« Der Junge sagte: »Ich will meinem Vater nicht sagen, wo ich das Feuer erhalten habe.« Der Junge nahm den Feuerbrand und ging wieder.

Der Junge ging mit dem Feuerbrand ein gutes Stück, dann sagte er bei sich: »Diese Frau war sehr schön. Ich muß sie noch einmal sehen!« Der Junge löschte den Feuerbrand aus und kehrte zurück. Er trat in das Haus der Frau. Die Frau fragte: »Was willst du?« Der Junge sagte: »Das Feuer ist wieder verlöscht. Gib mir einen andern Brand.« Die schöne Frau gab ihm einen andern Feuerbrand und sagte: »Hier hast du anderes Feuer. Sage deinem Vater aber nicht, daß du das Feuer bei mir geholt hast.« Der Junge sagte: »Ich will meinem Vater nicht sagen, wo ich das Feuer erhalten habe.« Der Junge nahm den Feuerbrand und ging wieder.

Der Junge ging mit dem Feuerbrand ein gutes Stück, dann sagte er: »Diese Frau war sehr schön. Ich muß sie noch einmal sehen!« Der Junge löschte das Feuer aus und kehrte zurück. Er trat in das Haus der Frau. Die Frau fragte: »Was willst du?« Der Junge sagte: »Das Feuer ist verlöscht. Gib mir einen andern Brand.« Die schöne Frau sagte: »Ich werde deinem Vater selbst das Feuer bringen. Sage ihm aber nicht, auf welchem Wege du mich getroffen hast.« Der Bursche sagte: »Nein, das will ich nicht sagen.« Die Frau nahm einen Feuerbrand und ging mit dem Jungen zu der Farm des Jägers.

Der Junge kam mit der Frau auf die Farm des Jägers. Die Frau trug das Feuer. Der Vater sah sie. Der Vater sah, daß die Frau sehr schön war. Der Vater sagte zu dem Jungen: »Wo hast du diese Frau getroffen?« Der Junge sagte: »Ich traf sie an dem verwachsenen Weg.« Die Frau sagte: »Schilt den Jungen nicht! Er hat mich getroffen. Hier ist das Feuer.« Der Vater nahm das Feuer. Der Vater sah die Frau. Die Frau war sehr schön. Der Vater wußte nicht, daß die schöne Frau die große Schlange Irri war, weil er nicht wußte, daß sie von dem guten Wege kam. Die schöne Frau sagte: »Ich will mit dir nach Hause gehen und mit dir schlafen.« Der Vater sagte: »Es ist mir recht. Komm mit mir in mein Haus und schlafe mit mir.«

Der Jäger ging mit der schönen Frau nach Hause. Der Jäger nahm sie mit in sein Zimmer und schlief mit ihr. Der Jäger beschlief die schöne Frau. Nachher sagte die Frau: »Ich will gehen. Begleite mich durch den Busch.« Der Jäger sagte: »Das will ich tun.« Der Jäger wollte seine Flinte nehmen. Die Frau sagte: »Nimm nicht deine Flinte mit dir, sonst fürchte ich mich vor dir.« Der Jäger hatte drei Hunde. Er wollte sie mitnehmen. Die Frau sagte: »Laß die drei Hunde zu Hause. Schließ sie ein. Ich fürchte mich sonst vor ihnen.« Der Jäger schloß die drei Hunde ein. Er ging ohne Hund und Gewehr mit der schönen Frau.

Die schöne Frau ging mit dem Jäger durch den Busch. Nach einiger Zeit sagte er: »Nun will ich heimkehren.« Die schöne Frau sagte: »Bleibe noch. Begleite mich noch ein Stück.« Darauf begleitete er die Frau noch ein gutes Stück. Nach einiger Zeit sagte er dann: »Nun will ich heimkehren.« Die schöne Frau sagte: »Bleibe noch. Begleite mich noch ein Stück.« Nach einiger Zeit sagte er dann: »Nun will ich heimkehren.« Die schöne Frau sagte: »Bleibe noch. Begleite mich noch ein Stück.« Darauf begleitete er die Frau noch ein gutes Stück. Nach einiger Zeit sagte die schöne Frau: »Sieh die Früchte auf jenem Baum! Wirf mir doch von den Früchten herab. Steige hinauf und pflücke mir von den Früchten!« Der Baum war sehr hoch. Der Jäger stieg aber hinauf. Der Jäger stieg bis oben hin und warf der Frau von oben her Früchte zu. Er warf viele Früchte herab. Der Mann stieg immer höher. Als er ganz oben war, rief die schöne Frau von unten herauf: »Wenn du nach oben zum Himmel hin fort willst, so versuche es! Wenn du nach unten hin zur Erde herab fliehen willst, so versuche es! Wo du auch hinwillst, ich werde dich heute noch fressen.« Der Jäger sah hinunter. Er sah, wie die schöne Frau sich in eine gewaltige Irri (Schlangenart) verwandelt hatte, die sich um den Fuß des Baumes geschlungen hatte.

Der Jäger sah das. Er schrie! Er schrie die Namen seiner Hunde. Die drei Hunde hießen: Oke Makeren (das war der Abschneider), Osoquako Gwenini (der Zuschnappende) und Ogballe Gbarawes (der Reiniger des Platzes). Als der Jäger schrie, waren die drei Hunde daheim eingeschlossen. Als der Jäger schrie, begann Oke Makeren die Tür des Hauses aufzuschneiden. Alle drei Hunde liefen eiligst durch den Busch. Sie kamen unter dem Baum an, auf dem der Jäger saß. Osoquako Gwenini stürzte sogleich auf die Irri zu, biß ihr den Kopf ab und verschluckte ihn. Die Schlange war tot. Darauf begann Oke Makeren die Schlange in Stücke zu zerschneiden und Ogballe Gbarawe schichtete das Fleisch auf. Dann reinigte er den Platz vom Blut.

Der Jäger kam von seinem Baum herab. Er ging erst zu den Hunden und dankte ihnen. Dann betrachtete der Jäger das Fleisch und sagte: »Soviel Fleisch! Wer wird mir das nach Hause tragen können!« Die drei Hunde sagten: »Versprich uns, daß du nichts darüber sprechen willst, so wollen wir dir das Fleisch nach Hause tragen. Du darfst aber auch deiner Frau nichts davon sagen!« Der Jäger sagte: »Ich verspreche euch, daß ich niemandem, auch meiner Frau nicht, etwas sagen will.« Darauf gingen die drei Hunde in den Busch und holten sich Palmblätter. Sie machten aus dem Fleisch drei Pakete. Sie nahmen die Pakete auf und richteten sich empor. Sie waren nun drei Männer. Als Menschen trugen sie das Fleisch nach Hause und zum Agballa (Hinterhaus) des Jägers. Sie gingen von hinten hinein, während der Jäger von vorn kam. Die drei Männer legten hinten das Fleisch nieder, dann verwandelten sie sich wieder in Hunde. Der Jäger kam von vorn herein. Er begegnete beim Eintritt seiner Frau und sagte zu ihr: »Sieh das Fleisch, das ich dir in das Agballa geschickt habe!« Die Frau sagte: »Du hast mir ins Agballa Fleisch geschickt? Wen hast du mit dem Fleisch geschickt? Wer hat das Fleisch gebracht?« Der Jäger sagte: »Die Leute sind schon wieder fortgegangen. Ich traf sie unterwegs. Ich kannte sie gar nicht. Es waren wohl Fremde.« Die Frau ging in das Haus und sah das viele Fleisch. Die Frau sagte: »Das müssen drei starke Männer gewesen sein!« Am andern Tag ging die Frau zu einem Babalawo und fragte den: »Was waren das für Leute, durch die mein Mann gestern das Fleisch hat heimschicken lassen?« Der Babalawo sagte: »Kaufe Emu (echten Palmwein) und Ogoro (Wein von der Bambuspalme), mache gutes Essen. Setze das deinem Mann vor, dann kannst du es erfahren.« Die Frau des Jägers ging nach Hause. Die Frau kaufte Emu und Ogoro. Sie bereitete gute Speise. Sie setzte dem Mann die gute Speise vor. Als er gegessen hatte, gab sie ihm den Emu und Ogoro. Der Mann trank beides. Der Mann wurde betrunken. Die Frau fragte den Mann: »So sage mir doch, wer neulich das Fleisch heimgetragen hat!« Der Jäger sagte: »Eigentlich kann ich es nicht sagen. Du bist meine Frau. Du wirst nichts darüber sprechen. Ich kann es dir schon sagen. Das Fleisch haben mir meine Hunde heimgetragen. Die drei Hunde verwandelten sich in Menschen. Aber behalte es bei dir.« Die Frau sagte: »Ich will es bei mir behalten.«

Die Hunde lagen jeden Morgen vor dem Zimmer des Jägers. Am andern Morgen wollte die Frau dort auffegen. Sie jagte die Hunde, die dort lagen, fort und sagte: »Macht, daß ihr fortkommt, die ihr weder richtige Hunde, noch richtige Männer seid!« Als die Hunde das hörten, sagten sie zueinander: »Der Jäger hat das seiner Frau aufgeschwatzt.« Darauf liefen die Hunde fort in den Busch.

Die Frau des Jägers war damals schwanger gewesen. Drei Monate später gebar sie ein Kind. Das Kind konnte nicht hören, das Kind konnte nicht sprechen. Der Jäger wandte sich an alle Orisas, an alle Ada-Uschis. Kein Mensch konnte dem Kinde zur Sprache verhelfen. Das Kind blieb stumm. Der Jäger gab viel Geld dafür aus. Kein Mensch konnte helfen. Eines Tages aber kam Akuko (der Haushahn) und sagte: »Sollte ich nicht eurem Kinde das Sprechen lehren können!« Die Mutter sagte: »Wir würden dir viel Geld geben.« Der Jäger sagte: »Wir würden dir viel Geld geben.« Akuko sagte: »Der Vater des Kindes, der Jäger soll mir hundert Peitschen bringen. Bringt die hundert Peitschen in den Busch! Bringt das Kind in den Busch!« Man brachte die hundert Peitschen und das Kind in den Busch. Akuko sagte zu dem Jungen: »Warte, ich werde dir Honig bringen!« Er ging weg und stellte eine leere Kalebasse neben den Jungen. Er sagte: »Laß das! Ich bringe gleich mehr.« Er ging. Akuko kam zurück. Er blickte in die Kalebasse und schrie den Jungen an: »Warum hast du allen Honig aufgegessen?!« Damit fing er an, mit den hundert Peitschen auf das Kind zu schlagen. Als es mit siebenundneunzig Peitschen geschlagen war, stieß es tönende Schreie aus. Als es mit hundert Peitschen geschlagen war, sagte es: »Du lügst ja.« Der Hahn aber sagte: »Siehst du, nun kannst du sprechen.« Von da an konnte der Junge sprechen. Der Hahn brachte ihn nach Hause. Die Mutter gab alles, was sie hatte, dem Hahn. Der Vater gab alles, was er hatte, dem Hahn. – Deshalb spricht der Hahn von allen Hühnern zuerst und trägt außerdem ein großes Ade auf dem Kopfe.

Jäger und Schlangenfrau II

Togo-Tim

Eines Tages ging ein Jäger in den Busch um zu jagen. Am gleichen Tage ging Löwe in den Busch, um zu jagen. Am gleichen Tage ging Dom (Schlange) in den Busch um zu jagen. Jeder ging seinen Weg. Keiner wußte vom andern. Sie kamen an einen Platz, auf dem stand eine Kuhantilope. Der Jäger nahm seinen Bogen und wollte einen Pfeil auflegen. Da sah er, wie Dom aufschnellte und die Antilope totbiß. Löwe sah auch, wie Dom auf die Antilope sprang und sie totbiß. Löwe kam aus dem Busch heraus und sagte zu Dom: »Ich verfolgte diese Antilope. Gib sie mir heraus. Sie kommt mir zu. Ich habe sie gehetzt.« Dom sagte: »Die Antilope kommt mir zu, denn ich habe sie erlegt.« Löwe sagte: »Wir wollen einen andern fragen, was er meint.« Dom sagte: »Es ist mir recht. Wir wollen einen andern fragen, was er meint.« Der Jäger dachte: »Wenn ich der Schlange recht geben würde, würde mich Löwe beißen.« Dom hatte die Fähigkeit, alles zu verstehen, was ein anderer denkt. Dom sagte: »Wir wollen den Jäger fragen, der hinter dem Baum steht.« Dom sagte zu dem Jäger: »Komm nur hervor und sage deine Meinung. Wir werden dir nichts tun.« Löwe sagte: »Nein, wir werden dir nichts tun, wenn du deine Meinung sagst.« Darauf kam der Jäger hinter seinem Baum hervor.

Der Jäger sagte: »Löwe hat mit seiner Forderung nicht recht. Denn Schlange und nicht Löwe hat das Wild getötet. Wenn mehrere Jäger ein Wild verfolgen und erlegen, so teilen sich der, der es zuerst verwundete, und der, der es endlich tötete, darein. Also gehört die Antilope zuerst Dom. Ich denke aber, man kann sich hier ohne Schwierigkeiten einigen. Wir wollen die Antilope teilen.«

Dom sagte: »Ich bin damit einverstanden. Wir wollen die Antilope in drei Teile zerlegen, einen für den Jäger als Richter, einen für den Löwen, einen für mich!« Löwe sagte: »Gut, so bin ich zufrieden.« Danach zerlegten sie die Antilope. Sie teilten das Fleisch und häuften es in drei Teilen auf. Löwe nahm seinen Anteil und ging von dannen.

Dom sagte zum Jäger: »Nimm meinen Teil auch auf. Begleite mich und trage meinen Teil mit in mein Haus.« Der Jäger dachte bei sich: »Die Schlange wird mich in ihrem Hause töten wollen.« Dom wußte sogleich, was der Jäger gedacht hatte, und sagte: »Du hast meine Angelegenheit mit dem habgierigen Löwen gut geregelt. Habe also keine Angst. Ich werde dir sicherlich nichts Böses tun.«

Sie gingen weiter. Nachdem sie weit gegangen waren, kamen sie an einen großen Fluß. Dom sagte: »In dem Fluß liegt meine Stadt. Komm mit in den Fluß.« Der Jäger sagte: »Ich werde im Wasser ertrinken.« Dom sagte: »Du wirst nicht ertrinken. Komm nur!« Sie gingen in das Wasser. Sie kamen unter das Wasser. Unter dem Wasser war eine große Stadt. In der Stadt lag auch das Gehöft Doms.

Sie kamen in das Gehöft Doms. Der Jäger legte sein Fleisch ab. Die Frau und die zwei Kinder Doms nahmen es und trugen es zur Seite. Das eine der beiden Kinder Doms war ein sehr schönes Mädchen. Als der Jäger das Mädchen sah, dachte er bei sich: »Ich möchte einmal mit diesem Mädchen schlafen. Nachher will ich dann gern sterben.« Dom (der immer alle Gedanken sogleich liest) sagte: »Dies Mädchen ist meine Tochter. Schlafe mit ihr nach Herzenslust. Du brauchst deswegen nicht zu sterben.«

Der Jäger dachte bei sich: »Woher weiß nur Dom alles, was ich denke!« Dom sagte: »Gott sagt es mir! Gott sagt mir alles.« Dom gab dem Jäger ein großes Haus. Dom rief dann seine Tochter. Der Name der Tochter war: »Wenn du den Mann gut bedienst, wird Gott dich nicht strafen.« Die Tochter Doms kam. Dom sagte zu seiner Tochter: »Mach das Haus für den Jäger rein!« Das Mädchen tat es.

Am Abend bereiteten die Frauen gutes Essen. Das Mädchen brachte dem Jäger eine Schüssel mit guter Speise in das Haus. Der Jäger aß. Das Mädchen blieb bei ihm. Er schlief mit dem Mädchen. Der Jäger blieb sechs Tage in dem Hause Doms. Der Jäger ging dann zu Dom und sagte: »Nun muß ich nach Hause gehen. Ich möchte dich bitten, mir von der Medizin zu geben, die dir die Eigenschaft gibt, die Gedanken anderer Leute lesen zu können.« Dom sagte: »Ich werde dir von der Medizin geben und ich werde dir auch meine Tochter als Frau mitgeben.« Dom ging und brachte die Medizin herbei. Dom sagte: »Nimm diese Medizin und tue sie daheim auf das Essen. Aber jage die Ziegen nicht weg, wenn sie mit davon essen wollen!« Der Jäger sagte: »Es ist gut!«

Der Jäger nahm seine Medizin, die Tochter Doms und ging von dannen. Er ging mit seiner Frau aus dem Flusse und dann dem Dorfe zu, in dem er wohnte. Als er daheim angekommen war, beschloß er, die Medizin sogleich zu versuchen. Als er die Medizin hervorsuchen und eben auf sein Essen tun und dies zum Munde führen wollte, drängten sich die Ziegen heran. Der Jäger schlug darauf nach den Ziegen. Dabei fiel aber die Medizin herab, und zwar gerade auf den Penis des Jägers.

So kam es, daß die Eigenschaft, die Gedanken anderer lesen zu können, nicht auf den Kopf des Jägers, sondern auf seinen Penis überging. Und seitdem weiß es der Penis sogleich, wenn eine Frau verliebt an den Mann denkt. Und seitdem geht der Penis in die Höhe.

Surro Sanke

Mande

Ein Mann machte in Kaarta mit dem Sohn eines Königs Freundschaft. Sie waren sehr gute Freunde, bis eines Tages der König starb und nun dieser Sohn König wurde. Da war es mit der Freundschaft vorbei, und nun suchte der junge König sich des früheren Freundes auf irgendeine Weise zu entledigen. Der König verfolgte ihn auf alle Art; aber er wußte Surro Sanke nicht beizukommen. Da sagte Surro Sanke: »Das ist sehr einfach. Du willst mich töten. Du kannst mich töten, erstens wenn du mich eifersüchtig siehst, d. h. wenn du mich dabei ertappst, daß ich eifersüchtig auf meine Frau bin. Zweitens kannst du mich töten, wenn ich etwas lüge oder irgend etwas Unwahres sage. Drittens kannst du mich töten, wenn du mir eine Feigheit nachweisen kannst.« Der König sagte: »Gut, das soll gelten!«

Der König beschloß, sogleich seine Maßnahmen zu treffen. Er ließ umgehend einen Dugutigi kommen, dessen Dorf einen kleinen Tagemarsch entfernt lag, und sagte ihm: »Ich werde morgen früh Surro Sanke zu dir senden. Der wird dir sagen, du sollst sofort zu mir kommen. Sage das dann zu und sattle gleich deine Pferde. Laß ihn vorausgehen, weil du ja zu Pferde schnell nachkommen würdest, und wenn er fortgegangen ist, laß wieder abzäumen und komme nicht. Surro Sanke wird bei mir eintreffen und sagen, daß du kämest, und das ist dann eine Unwahrheit.« Der Häuptling sagte: »So werde ich es machen.« Danach ließ der König 100 Soldaten kommen und sagte: »Morgen werde ich Surro Sanke auf dieser Straße zu jenem Häuptling senden. Nehmt ordentlich Pulver mit euch, aber keine Kugeln; wenn nun Surro Sanke des Weges kommt und an nichts Schlimmes denkt, funkt kräftig mit Pulver auf ihn, aber nicht mit Kugeln, damit er ordentlich erschrecke.« Die 100 Soldaten sagten: »So werden wir es machen.«

Danach ließ der König drei Männer kommen und sagte ihnen: »Morgen werde ich Surro Sanke früh zu jenem Häuptling senden. Surro Sanke hat drei Frauen. Sobald er fort ist, gehe ein jeder von euch zu einer der Frauen Surro Sankes und schlafe bei ihr. Ihr müßt so lange bei jeder der Frauen bleiben, bis Surro Sanke zu euch kommt. Dann sorgt dafür, daß Surro Sanke euch bei seinen Frauen in entsprechender Weise sieht. Auf diese Weise wird Surro Sanke eifersüchtig werden.« Die drei Männer sagten: »So werden wir es machen.« Am anderen Morgen ließ der König Surro Sanke kommen und sagte zu ihm: »Geh diesen Weg zu jenem Häuptling und sage ihm, er soll sogleich zu mir kommen.« Surro Sanke sagte: »Es ist gut.« Er ging von dannen. – Als er ein Stück weit gegangen war, fingen an der Stelle, an der sie versteckt waren, die 100 Mann an, mit Pulver nach ihm zu schießen. Surro Sanke blieb sogleich stehen. Er hatte einen Bogen und drei Pfeile bei sich. Als er einen Mann erblickte, legte er einen Pfeil auf und schoß. Sogleich fiel der tot zu Boden. Hierauf schoß er noch einen zweiten und einen dritten Soldaten tot, so daß die anderen von Furcht ergriffen wurden und nach der Stadt zurückkehrten. Die 97 kamen zum König und sagten: »Der Mann Surro Sanke hat drei von uns getötet. Er hat keinerlei Schreck gezeigt, als wir schossen. Du wirst ihn töten lassen. Du wirst ihm aber nie Furcht einjagen können!«

Inzwischen kam Surro Sanke zu dem Häuptling und sagte: »Der König läßt dir sagen, du sollst sogleich zu ihm kommen.« Der Häuptling sagte: »Das soll geschehen.« Er sattelte sein Pferd. Er stieg mit einem Fuß in den rechten Steigbügel, ehe er aber noch den anderen Fuß im Steigbügel hatte, sagte er: »Geh nur voraus. Du bist zu Fuß; ich komme zu Pferde schnell nach.« Surro Sanke sagte: »Es ist gut« und ging von dannen. Der Häuptling stieg aber wieder ab, ließ das Pferd absatteln und blieb daheim. Surro Sanke kam zum König. Der König fragte: »Wird der Häuptling kommen?« Surro Sanke sagte: »Ich weiß es nicht.« Der König sagte: »Wieso weißt du es nicht? Hast du den Auftrag nicht richtig ausgerichtet?« Surro Sanke sagte: »Gewiß habe ich ihn richtig ausgerichtet. Aber deshalb kann ich noch nicht wissen, ob er wirklich kommt. Wenn der linke Fuß in den Steigbügel kam, wie der rechte, dann kommt er vielleicht; ich sah den Häuptling aber nur zur Hälfte aufsteigen.« Der König sagte: »Dann geh nur zu dir nach Hause.«

Surro Sanke kam in sein Gehöft. Er kam auf das Haus seiner ersten Frau zu, öffnete und sah neben seiner Frau einen Mann, der gerade seine Hosen anzog. Darauf machte er gelassen die Tür zu und ging auf das Haus seiner zweiten Frau zu. Gerade als er öffnete, sah er einen Mann herauskommen, der ging an ihm vorbei, hockte sich nieder und urinierte. Darauf schloß er auch diese Tür, ging auf das Haus der dritten Frau zu und öffnete; aber als er eintreten wollte, stieß er mit der Stirn gegen die Stirn eines anderen Mannes, der gerade herausgehen wollte. Somit schloß er ganz gelassen auch diese Tür. Er ging hierauf in die Mitte des Platzes und rief: »Hat mir jemand Essen bereitet? So sagt mir, wo der Teil für mich niedergesetzt ist.« Darauf kamen alle drei Frauen mit den Kalebassen voll Essen heraus, und neben einer jeden ging ein Galan. Die drei Männer wollten gehen. Surro Sanke aber rief: »Ihr werdet doch so nicht gehen wollen? Ich hoffe, daß meine Frauen für uns alle vier genug Essen bereitet haben. Kommt also her und speist mit mir.« Die drei Männer gingen hin und wuschen sich die Hände, und hierauf hockten alle vier zum Essen nieder. Die vier aßen miteinander. Als die drei Männer gehen wollten, sagte Surro Sanke: »Wartet, ich werde euch noch begleiten.« Er begleitete sie bis an das Tor und noch weiter, bis dahin, wo aller dreier Wege sich abzweigten. Surro Sanke reichte noch jedem Tabak zum Schnupfen und einige Kola als Wegzehrung. Er schüttelte jedem die Hand und ging wieder nach Hause. Die drei Männer gingen aber zum König und sagten: »Du kannst diesen Surro Sanke töten, aber eifersüchtig machen kannst du ihn nicht.« – Der König ließ am anderen Tage die drei Frauen Surro Sankes kommen und fragte: »Hat euer Mann Surro Sanke euch irgendwie gescholten, weil ihr gestern drei Männer bei euch hattet?« Alle drei Frauen sagten: »Er hat nichts gesagt und getan.« Der König sagte: »Man kann ihn nicht eifersüchtig machen.«

Der König ließ Surro Sanke rufen. Als er kam, sagte der König zu ihm: »Das, was du sagtest, ist wahr; du fürchtest dich nicht, du bist nicht eifersüchtig und du lügst nicht.« Surro Sanke sagte: »Ich kann dir das auch erklären.« Surro Sanke sagte: »Ich war einmal im Krieg. Wir hatten eine heiße Zeit. Es kam ein Gefecht. Alle meine Kameraden fielen. Ich blieb allein übrig. Ich hatte ungeheuren Durst. Ich dachte, ich müßte vor Durst sterben. Dann kam ich an ein Wasser, in dem lag ein Kaiman neben dem anderen. Es war ganz angefüllt mit Kaimanen. Ich dachte, wenn ich schnell im Vorüberlaufen ein wenig Wasser mit der Hand schöpfen könne, würde ich wohl heil davon kommen. Ich versuchte es. Aber ein großer Kaiman schlug mit dem Schwanz nach mir, so daß ich in das Wasser stürzte. Sofort kamen alle Kaimane herbei, um mit den Schwänzen nach mir zu schlagen und mich zu beißen. Der Kaiman, der mich zuerst geschlagen hatte, nahm mich aber unter seinen Leib und schützte mich vor den anderen. Dann brachte er mich in seine Höhle, die vom Spiegel des Wassers unter der Erde hinführte. In der Höhle saß ich nun. Der Kaiman ging von dannen. Vor dem Eingang der Höhle lagen Kaimane. Ich wußte nicht, wie herauskommen. Da toste über mir ein Rudel großer Antilopen vorbei. Eine trat mit dem Fuß ein Loch in den Boden, so daß Tageslicht hereinschien, und ich sah, daß die Decke über mir hier ganz dünn war. Ich erweiterte die kleine Öffnung und kroch heraus. – Seit dem Tage füchte ich mich nicht mehr.«

Surro Sanke sagte: »Eines Tages brach ich mit guten Kameraden zum Raubzuge auf. Wir waren dreißig Mann. Drei Monate lang zogen wir umher, ohne einen einzigen Fang zu machen. Nichts glückte. Drei Monate waren wir in der Steppe, ohne ein Weib zu sehen. Da eines Tages gelang es uns, einer Frau habhaft zu werden und brünstig, wie wir waren, beschliefen wir sie sogleich alle dreißig einer nach dem anderen. So lebten wir wieder drei Monate lang, und während dieser Zeit beschlief jeder diese Frau jeden Abend. Dann gelang es, eine zweite Frau zu ergattern, und nun beschlossen wir, daß je fünfzehn von uns je eine Frau erhielten. Wir sagten das den Frauen. Dann gingen die beiden Frauen hin, um Wasser zu schöpfen. Als sie am Brunnen waren, stürzte die Frau, die schon drei Monate lang bei uns war, die neuangekommene in den Brunnen hinab. Sie sagte: ›Was, jetzt soll ich nur noch mit fünfzehn Männern schlafen? Das halte ich nicht aus.‹ Seit dem Tage bin ich nicht mehr eifersüchtig.«

Surro Sanke sagte: »Eines Tages war ich auf der Wanderschaft. Weitab vom Dorfe sah ich einen Menschenschädel am Wege liegen. Ich sagte: ›Wie kommt wohl der Menschenschädel dahin, wo es so weit vom Dorfe entfernt ist?‹ Der Schädel sprach: ›Weil ich soviel sprach!‹ Ich fragte: ›Weshalb?‹ Der Schädel sagte: ›Weil ich soviel sprach.‹ Ich fragte: ›Weshalb?‹ Der Schädel sagte: ›Weil ich soviel sprach.‹ Dreimal sprach der Schädel zu mir. Dann ging ich weiter. Ich kam im nächsten Dorfe an. Ich erzählte dem Dugutigi: ›Zwischen deinem und dem vorigen Dorfe liegt ein Schädel, der spricht.‹ Der Dugutigi sagte: ›Du lügst.‹ Ich sagte: ›Nein, ich spreche die Wahrheit.‹ Der Dugutigi sagte: ›Du lügst.‹ Ich sagte: ›Nein, ich lüge nicht, und wenn du es nicht glaubst, so gib mir zwei Menschen mit, denen will ich das zeigen und die mögen es selbst hören.‹ Der Dugutigi sagte: ›Gut, zwei Leute mögen mit ihm gehen. Wenn es wahr ist, daß der Schädel spricht, so mag es gut sein. Sonst soll man ihm sogleich wegen seiner Lügen den Kopf abschlagen.‹ Ich ging mit den beiden Leuten hin. Als wir an den Schädel kamen, fragte ich ihn: ›Weshalb liegst du hier?‹ Der Schädel antwortete nicht. Ich fragte ihn dreimal, aber er antwortete nicht. Darauf banden mich die drei Leute, wie es ihnen befohlen war, und schon hob einer den Säbel auf, um mich zu köpfen. Ich sagte: ›Ach, weshalb hast du gestern gesprochen und weshalb sprichst du heute nicht?‹ Da sagte der Schädel plötzlich: ›Nda, Nda‹ (der Mund, der Mund). Meine Begleiter sagten: ›Ja, er hat gesprochen.‹ Sie banden mich los. Sie brachten mich zum Dugutigi und sagten: ›Es ist wahr, der Schädel spricht.‹ – Seitdem sage ich: Von den beiden Löchern im Menschenleibe, aus denen das Schlechte kommt, ist der Mund das gefährlichere. – Und seitdem lüge ich nicht mehr.«

Der König sagte: »Es ist gut, ich kann dich nicht töten.«

Surro Sanke sagte: »Es gibt ein Mittel für dich, mich zu töten. Ich habe drei Haare auf dem Kopf. Wenn du die Namen dieser drei Haare erfährst, dann kannst du mich töten.« Der König sagte: »Es ist gut.«

Der König war so zornig darüber, daß er Surro Sanke nicht zu töten vermocht hatte, daß er beschloß, jetzt kein Mittel unversucht zu lassen, das Geheimnis der drei Haare zu ergründen. Er ließ also die erste Frau Surro Sankes zu sich kommen und fragte: »Du bist die Frau eines Mannes, der nicht reich ist. Wenn du mir nun sagst, welches die Namen der Haare deines Mannes sind, so will ich dich zu meiner Frau machen und dir viele Kühe schenken.« Die Frau sagte: »Ich kann dir das nicht sagen, denn ich weiß es nicht.« Der König ließ die zweite Frau Surro Sankes kommen und sagte zu ihr: »Du bist die Frau eines Mannes, der nicht reich ist. Ich will dich zu meiner Frau und wohlhabend machen, aber du mußt mir die Namen der drei Haare auf dem Kopfe deines Mannes nennen.« Die Frau sagte: »Ich bin die Lieblingsfrau meines Mannes. Mein Mann hat mich lieber als alle Weiber; ich kann es nicht sagen!« Der König sagte: »Ich kann dir viel Vieh und Schmuck schenken.« Die Frau sagte: »Würdest du mich zu deiner Frau machen?« Der König sagte: »Ich will dir erfüllen, was du willst.« Die Frau sagte: »Das Härchen auf der rechten Seite heißt: Wallidi-tege-mogo-dinje (frei übersetzt: Nicht einmal des Freundes Sohn kann dir deinen Sohn ersetzen). Das Härchen auf der linken Seite heißt: Kani-kono-fo-mussue (frei übersetzt: Erzähle deine Sachen nicht den Frauen). Das starke Haar in der Mitte heißt: Kekorro-ba-kanji-kaphula (frei übersetzt: Es ist gut, wenn ein alter Mann in der Gesellschaft ist). Das sind die Namen der drei Haare auf dem Kopfe meines Mannes.«

Als der König das wußte, wurde er froh und sagte zu seinen Leuten: »Ruft mir Surro Sanke herbei.« Die Boten gingen hin und sagten das dem Surro Sanke. Der war gerade bei einer Arbeit und hatte keinen Überhang. Es war aber ein Bursche da, den hatte eine seiner Frauen mit in die Ehe gebracht. In der Eile nahm Surro Sanke dessen Überwurf, der sehr klein und kurz war, und ging zum König. Der König sagte ihm sogleich: »Das Härchen auf deiner rechten Seite heißt: Wallidi-tege-mogo-dinje. Das Härchen auf deiner linken Seite heißt: Kani-kono-fo-mussue. Das große Haar in der Mitte heißt: Kekorro-ba-kanji-kaphula. Ist es nicht so?« Surro Sanke sagte: »Nun kannst du mich töten.«

Surro Sanke wurde hinausgeführt. Der Henkersknecht mit dem Schwert ging neben ihm. Der König folgte. Da kam der unechte Sohn Surro Sankes hergelaufen und schrie: »O mein Überhang, o mein Überhang, nun wird er vom Blute bespritzt werden.« Der Bursche dachte nicht daran, daß sein Vater nun hingeschlachtet werden sollte, sondern dachte nur an seinen Überwurf. In eiligem Laufe kam der richtige Sohn Surro Sankes an und schrie: »O mein armer Vater, o mein armer Vater. Hier nimm meinen Überwurf für deinen letzten Weg. O mein Vater! O mein armer Vater!« Darauf wurde der Überwurf gewechselt und der Vater erhielt anstatt des kleinen Überwurfes des unechten Sohnes den kleinen Überwurf des rechten Sohnes.

Sie kamen zur Stelle. Surro Sanke kniete nieder. Der Henker hob den Säbel. Surro Sanke beugte das Haupt vor. Da kam ein alter Mann auf den Knien herangerutscht und bat leise Surro Sanke: »Grüß mir meinen alten Vater, grüß mir meine alte Mutter!« Der König, der das sah, rief: »Oho, da will wohl jemand eine Botschaft über mich und mein Leben mit hinübersenden? Ihr wollt Euch wohl drüben über mich beschweren? Nein, dann erlaube ich nicht, daß dieser Mann getötet wird.« Da banden sie Surro Sanke wieder frei.

Der König fragte: »Nun sage mir aber, was die drei Namen deiner Haare bedeuten!« Surro Sanke sagte: »Du hast gesehen, wie vorhin mein Stiefsohn für seinen Überhang Sorge hatte, ohne an mich zu denken. Da hast du den Sinn des Härchens auf der rechten Seite. Du hast durch die Frau, die ich am meisten liebte, die Haarnamen erfahren; da hast du den Sinn des Namens des Härchens auf der linken Seite. Wenn dieser Alte im Kreise nicht gewesen wäre, hättest du mich töten lassen. Das ist der Sinn des Namens des Haares in der Mitte meines Kopfes.«

Mussas Dankbarkeit

Kordofan

Ein Mann namens Mussa war außerordentlich wohlhabend und genoß wegen seines Reichtums einen Namen, der war weithin über das Land bekannt. Es gab weit umher niemand, der so viele Herden und Sklaven und so großen Einfluß im Lande besaß wie dieser Mussa. Dieser Mussa war zudem über alle Maßen stark. Wenn er in die Wüste zur Jagd ritt und einer Hyäne, einem Löwen oder sonst einem wilden Tier begegnete, pflegte er vom Pferd zu springen und das Tier mit den Händen anzugreifen. Er überwand dann das Tier, band es und brachte es mit nach Hause. Daheim aber ließ er es in seiner Seriba in einem Verschlag frei und gab ihm zu fressen. Zuletzt hatte er so viele Tiere der Wüste in seinem Hause, daß die Leute des Ortes, in dem er wohnte, sich vor ihm zu fürchten begannen, und daß sie zu guter Letzt zu ihm kamen und sagten: »Unser Freund Mussa, du bist zwar sehr reich und stark, du bist zwar reicher und stärker als wir alle, du hast aber nun so viele wilde Tiere in deiner Seriba, daß wir uns vor dir fürchten und dich bitten, einen andern Platz aufzusuchen und an einem andern Platz deine Seriba mit den wilden Tieren aufzuschlagen.« Darauf machte sich Mussa auf, bepackte seine Kamele, Ochsen und Pferde und zog an einen fernen Ort in der Wüste. Mussa hatte aber sieben Söhne, die liebte er sehr, und diese halfen ihm bei dem Zug in die Wüste.

Als Mussa seine Seriba aufgeschlagen hatte, ließ er eines Tages sein Pferd satteln, ergriff seine Lanze und sagte: »Meine sieben Söhne, ich ziehe fort zur Jagd. Bewacht ihr die Seriba.« Dann ritt er fort. Als er aber noch nicht lange fortgeritten war, kamen Räuber, schlichen sich an die Seriba, drangen hinein, schlugen die sieben Söhne Mussas tot und trieben alles Vieh von dannen, so daß nichts mehr davon dort blieb und daß, als Mussa endlich von der Jagd heimkam, das Lager schweigend dalag. Mussa war über die Stille sehr erstaunt und sagte: »Ich höre kein Pferd, keinen Esel, kein Kamel, kein Rindvieh, keine Schafe, keine Ziegen und keinen meiner Söhne.« Mussa band sein Pferd draußen an einen Pfahl und ging in seine Seriba. Mussa ging in die Seriba und fand alle Viehhürden leer. Mussa traf auf die Leichen seiner Söhne. Mussa war in großer Wut. Er rief den Namen seiner ersten Frau. Seine erste Frau, die gerade schwanger war, hatte sich aber in ihrer Hütte versteckt und kauerte da am Boden. Sie wagte nicht zu antworten. Mussa rief wieder den Namen seiner ersten Frau, und als sie nicht antwortete, stieß er in noch wachsender Wut seine Lanze durch die Wand.

Das Weib schrie innen auf. Die Lanze hatte ihren Leib getroffen und das Kind in ihrem Leib getötet. Die Frau und das Kind starben in dem Moment, als Mussa hereintrat. In ihrer Todesangst schleuderte die Frau aber ein Holzscheit nach dem Eintretenden, denn sie erkannte Mussa nicht mehr. Das Holzscheit traf Mussa am Kopfe und zerstörte ihm ein Auge. Mussa trat zurück und ging zu dem Hause seiner zweiten Frau. Er traf sie; er rief sie. Er wollte mit seiner zweiten Frau den Platz verlassen und ging zum Eingang der Seriba, an dem er sein Pferd draußen angebunden hatte.

Inzwischen hatte sich aber ein Löwe, angelockt durch den Blutgeruch der getöteten Söhne, an die Seriba herangeschlichen. Er kam zu dem Pferd. Er sprang auf das Pferd und tötete es. Mussa kam gerade in diesem Augenblick. Mussa rannte mit seiner Frau so schnell er konnte von dannen. Er stieg mit seiner Frau auf einen Baum. Der Löwe packte aber die Frau am Bein, riß sie herab und tötete sie. Dann fraß der Löwe unten die Frau, während Mussa oben in den Zweigen hockte. Die ganze Nacht blieb der Löwe unter dem Baum, und erst am andern Morgen konnte Mussa herabsteigen und weiterwandern. Als Mussa weiterging, besaß er nichts mehr als die zerrissenen Kleider, die er auf dem Leibe hatte.

Mussa ging weiter. Er kam an eine Elefantenfallgrube. Da sie mit Zweigen bedeckt war, auf die er trat, stürzte er hinab. Nachdem Mussa einige Zeit auf dem Boden der Elefantenfallgrube gelegen hatte, kamen Elefanten des Weges, und ein Elefant stürzte herab und fiel so auf Mussa, daß Mussa nicht mehr imstande war, sich zu bewegen. So lag Mussa die ganze Nacht. Am andern Morgen kamen aber die Leute, die die Fallgrube angelegt hatten, und sahen den Elefanten unten liegen. Darauf stiegen sie hinab, schnitten den Elefanten auf und nahmen die Fleischstücke heraus. Als sie aber das letzte hinauftrugen, fanden sie einen Mann. Sie zogen den Mann unter dem Fell des Elefanten hervor und brachten ihn nach oben aus der Grube. Als sie nun im Lichte der Sonne den Mann, den sie in seinen Lumpen und von oben bis unten beschmutzt, zerstoßen und zerfetzt durch Wurzeln und Steine, mit einem ausgeschlagenen Auge und verwundeten Gliedern vor sich stehen sahen, riefen sie: »Ist das nicht Mussa? Ist das nicht der reiche und starke, der glückliche Mussa?« Einige Leute sagten: »Seht, wie elend er geworden ist!« Ein Mann sagte: »Dieser Mussa hat mir einmal einen Verwandten getötet. Damals war Mussa reich, und ich konnte ihm nichts anhaben. Jetzt aber, wo er arm und elend ist, will ich ihn wieder töten. Ihr andern! Gebt mir den Mussa als Gefangenen!« Die andern Männer aber wandten sich ab und sagten: »Nimm deinen Gefangenen! Wir werden dich in keiner Weise hindern.«

So ward Mussa zum Sklaven.

Der Mann nahm Mussa mit sich heim. Daheim legte er ihm Ketten an und fesselte einen seiner Füße mit Eisenringen an den Fuß eines andern Gefangenen. Der Mann sagte zu Mussa: »Heute sollst du noch als Kettensklave leben; morgen werde ich dich aber töten.« Als es Nacht war, sagte der andere Gefangene zu Mussa: »Komm und flieh mit mir!« Mussa sagte: »Nein, ich bin noch nie geflohen. Ich fliehe nicht!« Der andere Gefangene sagte: »Ich kann, da ich mit dem Fuß an dich gefesselt bin, nicht fliehen. Also flieh mit mir!« Mussa sagte: »Nein, ich fliehe nicht. Was soll mir daran liegen zu leben, nachdem ich geflohen bin?« Da sagte der andere Gefangene nichts mehr. Als Mussa aber eingeschlafen war, fiel der andere Gefangene nachts über ihn her, band ihm die Hände zusammen und verstopfte ihm den Mund, damit er nicht schreien könnte. Mussa war so schwach geworden durch Blutverlust, Hunger und Durst, daß er sich nicht zu wehren vermochte. Dann nahm der andere Gefangene Mussa auf und hinkte mit ihm von dannen. Sie waren ein gut Stück so weiter gekommen, als eine Löwin mit ihren Jungen durch den Busch kam und auf die aneinander gefesselten Gefangenen zusprang. Sie waren in der Nähe eines Baumes. Der andere Gefangene konnte aber nicht anders hinaufkommen, als indem er Mussa auf die unteren Zweige schob und gleichzeitig mit hinaufklomm. Die Löwin packte aber den andern Gefangenen und begann Arme und Kopf und Teile vom Körper zu reißen. Zuletzt hatte Mussa nur noch den Fuß des Mitgefangenen fest an sein eigenes Bein geschmiedet neben sich. Die Löwin lief dann aber mit den Jungen fort. Jeder von ihnen trug ein Stück des andern Gefangenen.

Als Mussa sah, daß er allein war, begann er die Stricke, mit denen der andere Gefangene ihn an den Händen gefesselt hatte, am Baume durchzuschaben. Sobald er aber die Hände befreit hatte, nahm er den Knebel aus dem Mund, stieg von den Baumzweigen, auf die er gedrängt war, hinab und ging mit dem festgeschmiedeten Fußstumpf des zerrissenen Gefährten von dannen, so weit, bis er zu einem Orte kam, dem ein wohlhabender und angesehener Araber vorstand.

Nun hatte Mussa nichts mehr. Sein ganzes Besitztum war verloren, alle Glieder seiner Familie waren tot. Sein Name war verdorben, und am Fuße hatte er noch den eisernen Ring der Gefangenschaft. Mussa ging zu dem Araber und sagte: »Ich bitte, nimm mich als Wächter und Diener deiner Herden auf. Ich will treu wachen und dir unermüdlich dienen.« Der Araber sah Mussa. Er kannte Mussa nicht, aber er nahm ihn auf und vertraute ihm seine Herden an. Der Araber sah, daß Mussa seine Pflicht treu und redlich erfüllte und seine Herden sorgsam hütete. Als der Araber das aber sah, rief er Mussa eines Tages zu sich und sprach zu ihm: »Mussa, ich sehe, daß du deiner Arbeit so gut vorstehst, als habest du früher selbst einmal große Herden besessen.« Der Araber schwieg. Mussa schwieg aber auch und sagte nichts. Der Araber fuhr fort: »Ich habe zwei mir teure Menschen; der eine ist mein Sohn, der in die Ferne gezogen ist; der andere ist meine Schwester. Ich will dir meine Schwester zur Frau geben, daß du mit ihr Kinder zeugst.« Der Araber gab also Mussa seine Schwester zur Frau, und Mussa nahm sie zu sich und schlief bei ihr, so daß sie bald schwanger war.

Wenige Tage aber, nachdem Mussa mit der Schwester des Arabers verheiratet worden war, kehrte in einer dunklen Nacht der Sohn des Arabers aus der Ferne nach dem Orte zurück, an dem sein Vater wohnte. Im Dunkel der Nacht richtete er sich nach dem Geräusch, das draußen im Busch das Vieh verursachte, und er kam bis nahe zu dem Vieh. Da merkte aber Mussa, der Wächter, der den Sohn des Arabers nicht kennen konnte, daß ein fremder Mann auf die Hürden zukam. Mussa hielt den fremden Mann aber für einen Viehräuber, und deshalb warf er mit der Lanze nach ihm. Der Sohn des Arabers rannte mit der schweren Wunde noch ein Stück weit, dann stürzte er hin und starb.

Am andern Morgen fanden die Bewohner des Ortes den toten Araber. Sie hoben ihn auf und trugen ihn in das Haus des Vaters. Sie sagten zu dem Araber: »Wir bringen dir hier deinen Sohn, wir haben ihn draußen tot gefunden.« Der Araber sagte aber zu den Bewohnern des Ortes: »Das ist nicht wahr! Ihr habt meinen Sohn nicht tot gefunden, sondern ihr habt ihn totgeschlagen!« Die Bewohner des Ortes sagten: »Nein, wir haben nichts Derartiges getan. Es muß irgendein anderer getan haben.« Die Bewohner des Ortes stritten gegen den Araber. Der Araber wollte zwei Leute aus dem Ort töten. Die Bewohner des Ortes sagten aber: »Töte niemand! Wenn wir auch am Tode deines Sohnes unschuldig sind, so wollen wir doch lieber Sühne zahlen, als daß es zu einem Streit komme. Sage nur, was du verlangst!« Der Araber sagte: »Zahlt mir hundert Kühe!« Die Leute sagten: »Wir wollen dir hundert Kühe zahlen, damit Frieden bleibe!« Der Araber war einverstanden. Die Leute zahlten die hundert Kühe, und der Araber rief Mussa. Mussa kam. Der Araber sagte: »Du Mann meiner Schwester und du Freund! Nimm dein Weib, nimm diese hundert Stück Rindvieh und alles, was ich dir sonst geben kann. Ziehe mit allem andern dann fort von hier, schlage eine eigene Seriba auf und sieh zu, was sonst wird.«

Darauf packte Mussa alles zusammen, was er der Freundlichkeit des Arabers verdankte, und zog mit seinem Weibe, das die Schwester des Arabers war, und allem Rindvieh von dannen und baute eine eigene Seriba. Nach einiger Zeit aber gebar seine Frau einen Knaben. Das Vieh Mussas war aber auch fruchtbar, und so vermehrte sich sein Besitz von Tag zu Tag und von Monat zu Monat. Der kleine Sohn, den Mussa von seiner Frau, der Schwester des Arabers, hatte, wuchs heran und wurde ein schöner und starker Jüngling.

Mussa achtete aber darauf, wie groß sein Sohn sei und wie alt. Als er so groß und so alt war, wie der Sohn des Arabers, den er, Mussa, eines Nachts erschlagen hatte, schrieb Mussa einen Brief, in dem stand: »Versehentlich habe ich eines Nachts Deinen Sohn erschlagen, als er groß und stark war, wie der Bursche, der Dir diesen Brief bringt. Damals hatte ich schon Deine Schwester von Dir zur Frau erhalten, daß ich Kinder mit ihr zeuge. Sie hat mir dann den Sohn geboren, der so groß und stark ist wie Deiner war. Somit schicke ich Dir denn den Sohn hiermit zu und bitte Dich, daß Du meinen Sohn tötest, so wie ich einst Deinen Sohn getötet habe.« Diesen Brief schrieb Mussa. Dann rief er seinen eigenen Sohn und sagte zu ihm: »Mache dich auf, bringe diesen Brief dem Araber, der der Bruder deiner Mutter ist.« Der Bursche nahm den Brief und brachte ihn seinem Onkel.

Der Araber begrüßte den Burschen, nahm den Brief und las ihn. Dann rief er alle Leute des Ortes zusammen und sagte: »Hört diesen Brief!« Danach las er den Brief Mussas vor und sagte: »Diesen Brief schrieb mir Mussa, dem ich vorher meine Schwester zur Frau gab. Ich weiß also nunmehr, wer damals meinen Sohn, wenn auch versehentlich, getötet hat. Sagt ihr mir nun aber, was ich tun soll. Soll ich den Sohn meines Schwagers Mussa töten oder nicht?« Die Leute des Ortes antworteten aber: »Höre, Hammad Abu Kallam! Diese ganze Sache ist deine Sache, so wie der Wille der Entscheidung dein Wille ist. Bedenke nur, daß, wenn du diesen Burschen tötest, der das Kind deiner Schwester ist, du gewissermaßen dein eigenes Kind tötest.« Der Araber Hammad Abu Kallam hörte das an, erwog es und sagte: »Ich denke, wie ihr denkt. Anstatt den Sohn meiner Schwester und Mussas zu töten, will ich ihm meine eigene Tochter zur Frau geben.«

Dann ließ der Araber ein Schaf schlachten, rief den Sohn Mussas und empfing ihn mit freundlichen Worten. Er gab dem Sohne Mussas seine Tochter zur Frau, schenkte ihm Geld und Schafe und sagte: »Kehre mit all diesem als dem Deinen zu deinem Vater zurück. Grüße deinen Vater und grüße deine Mutter, meine Schwester, und sage, ich würde bald selbst hinterherkommen und mich an ihrem Wohlergehen einige Tage erfreuen.« So kehrte denn Mussas Sohn reich beschenkt mit Weib und Besitz, statt mit dem Tode heim. Und wenige Tage später kam der Araber Hammad Abu Kallam hinter ihm her und schlug sein Lager bei Mussa auf. Er begrüßte Mussa, und als es Nacht wurde, legte er sich vor der Seriba neben seinem Pferd auf die Erde.

Hammad Abu Kallam spielte erst noch ein weniges auf der Rababa. Dann legte er das Instrument zur Seite und schlief ein. Derweilen schlichen sich zwei Diebe heran. Einer derselben stellte sich mit dem Speer über den Kopf des Arabers hin und sagte: »Wenn er sich rührt, werde ich ihn töten.« Der Araber wachte auf. Er sah alles, was vorging. Der Araber sagte: »Ich will nicht schreien. Ich will nur die Rababa spielen.« Während der zweite Dieb nun die Fußgurte des Pferdes löste und der erste den Speer über den Kopf des Arabers hielt, spielte der Araber auf der Rababa: »Meine Schwester Scherifia! Meine Schwester Scherifia! Ein Dieb steht an meinem Kopfe und hält den Speer über mich, um mich zu töten, und ein anderer Dieb ist zu meinen Füßen damit beschäftigt, die Gurte meines Pferdes abzukoppeln und es zu stehlen! Höre das, meine Schwester Scherifia!«

Die Diebe erkannten nicht den Sinn des Gesanges und Spieles auf der Rababa. Scherifia, die Schwester Hammad Abu Kallams, die Frau Mussas, verstand aber den Gesang. Sie weckte Mussa, ihren Mann, und sagte: »Mussa mein Gatte, wache auf! Draußen ist ein Dieb, der will das Pferd meines Bruders rauben, während ein zweiter seine Lanze über seinem Haupte hält, um ihn zu töten, wenn er sich rührt.« Mussa erhob sich. Er nahm den Speer. Er ging zum Seribaeingang. Er warf seine Lanze. Er tötete den, der das Pferd rauben wollte, so daß der tot hinsank, der andere aber, der den Hammad Abu Kallam mit dem Speer bedrohte, erschreckt von dannen lief.

Als das geschehen war, sagte Mussa: »Wie kamen diese Leute hierher? Niemals waren hier Diebe in der Gegend. Das ist etwas, was hier nie vorher geschehen ist.« Hammad Abu Kallam sagte: »Es waren Pferdediebe. Die Pferdediebe ziehen über das ganze Land hin.« Mussa sagte: »Es ist gut, daß einer getötet ist.« Hammad Abu Kallam sagte: »Ja, es ist ein Glück für mich. Du hast mir das Leben erhalten, das diese Hunde hinwegtragen wollten. Ich werde dich aber morgen wieder verlassen.«

Am andern Morgen nahm Hammad Abu Kallam von seiner Schwester und seiner Tochter, von Mussa und dessen Sohn Abschied, um sich wieder zurückzubegeben an seinen Ort.

Als der Araber aber fortgeritten war, sagte Mussa bei sich: »Ich war ganz verarmt und tief elend; da hat dieser Hammad Abu Kallam mich wohlhabend gemacht und hat mir seine Schwester zur Frau gegeben. Als er mich so wieder zu einem angesehenen und glücklichen Manne gemacht hatte, tötete ich seinen Sohn. Er aber ließ mich das nicht entgelten, sondern beschenkte mich nochmals reich, so daß ich wieder Herr meines eigenen Ortes werden konnte. Mein eigener Sohn wuchs heran, und ich sandte den an Hammad Abu Kallam, damit er ihn töte, wie ich seinen Sohn getötet habe. Er hat dies aber nicht getan, sondern er gab mir reiche Geschenke, er gab ihm die eigene Tochter zur Frau und entließ ihn wie ein eigenes Kind. Ich tat ihm Schlechtes, er aber hat es wieder und immer wieder mit Gutem erwidert. Ich weiß nicht mehr, was ich tun kann. Ich kann ihn nicht mehr leben lassen. Ich muß ihm folgen; ich muß ihn töten.«

Mussa bestieg sein Pferd. Mussa nahm seine Lanze. Mussa ritt hinter Hammad Abu Kallam her. Mussa erreichte Hammad Abu Kallam. Mussa rief ihn an und sagte: »Höre mich! Warte auf mich! Du hast mir immer wieder so viel Gutes getan, daß ich dich nicht leben lassen kann. Ich muß dich töten!« Hammad Abu Kallam sagte: »Weshalb willst du mich töten, wo ich dir doch nichts Böses getan habe?« Mussa sagte: »Nein, du hast mir nichts Böses getan! Du hast mir immer nur Gutes getan; du hast mir aber so viel Gutes getan, daß ich es dir nicht vergelten könnte, wenn ich mein ganzes Leben lang als dein Diener arbeiten würde. Deshalb kann ich dich nicht mehr sehen. Deshalb muß ich dich töten.« Und Mussa nahm den Speer auf und warf ihn nach Hammad Abu Kallam. Der bog sich aber zur Seite, und der Speer Mussas flog über ihn weg in den nächsten Busch. Hammad Abu Kallam zog den Speer heraus. Er reichte ihn Mussa zurück und sagte: »Nimm ihn wieder, aber töte mich nicht; denn ich habe dir nichts Böses getan, und ich will dir nichts Böses tun.« Mussa sagte: »Ich kann dich nun nicht mehr leben lassen, denn du hast mir schon zuviel Gutes getan!« Als Hammad Abu Kallam das hörte, warf er sein Pferd herum, floh, und er entrann Mussas Speer.

Hammad Abu Kallam kam an seinen Ort. Er rief die Dorfleute zusammen und sagte: »Jener Mussa, der meinen Sohn getötet hat und an dessen Sohn ich trotzdem meine Tochter gegeben habe, wollte mich heute töten, weil er mich nicht mehr leben sehen kann. Ich aber bin ihm entflohen.« Als die Dorfleute das hörten, sagten sie zu dem Araber: »Dann wollen wir alle unsere Waffen nehmen. Dann wollen wir alle hingehen und diesen Mussa fangen.« Die Dorfleute gingen fort; jeder nahm seinen Speer. Sie kamen alle zusammen und machten sich auf den Weg zu Mussas Seriba. Sie kamen in der Nacht an. Sie umzingelten die Seriba. Sie drangen hinein. Sie fingen Mussa und banden ihn an den Händen und an den Füßen. Dann brachten sie ihn derart gefangen zu Hammad Abu Kallam. Die Frau Mussas folgte dem Zuge mit dem Gefangenen.

Als Mussa so vor Hammad Abu Kallam gebracht wurde, sagte der: »So muß ich dich nun wiedersehen. Habe ich dir nicht dies und das und jenes und alles, was möglich ist, an Gutem angetan? Und muß ich nun das erleben?« Mussa sagte: »Du hast mir so viel, zu viel Gutes erwiesen, daß ich es nicht ertragen kann. Wenn du mich nicht tötest, muß ich dich töten.« Hammad Abu Kallam sagte: »Ich weiß das jetzt auch, und deshalb werde ich dich diese Nacht in diesem Raume gefangen halten, morgen aber dich töten.« Mussa sagte: »Das ist gut!« Als Hammad Abu Kallam nun hinausging, folgte ihm Scherifia, seine Schwester, Mussas Gattin. Sie warf sich draußen vor ihrem Bruder nieder, weinte und sagte: »Mein Bruder, ich bitte dich! Laß meinen Mann am Leben!« Hammad Abu Kallam sagte: »Nein, meine Schwester Scherifia! Ich habe deinem Manne zuviel Gutes getan. Soll ich nun deshalb sterben, weil ich dessen zuviel tat?« Scherifia weinte aber noch heftiger und sagte: »Nein, mein Bruder, so meinte ich es nicht! Du sollst nicht sterben. Mein Mann aber auch nicht, denn er ist der Vater meines Kindes.« Darauf hob Hammad Abu Kallam seine Schwester auf und sagte: »Meine Schwester, weine nicht. Aber ohne einen Toten werden wir nicht weiterleben können. Es ist besser, es sterbe nun einer, als daß zwei und mehr zugrunde gehen. Deshalb muß ich deinen Mann töten, wenn du es nicht anders willst.« Dann verhüllte Hammad Abu Kallam sein Haupt und ging in sein Haus. Er setzte sich auf das Angareb.

Scherifia ging in die Wüste hinaus und weinte und weinte. Als es Nacht ward, kam sie aber in die Seriba zurück und ging in den Raum, in dem ihr Gatte gefesselt lag. Scherifia schnitt alle Fesseln durch, mit denen Mussa an den Füßen und an den Händen gebunden war. Dann sagte sie zu ihm: »Nun komm schnell, Mussa, und flieh mit mir!« Mussa sagte jedoch: »Meine Frau, ich bin noch niemals geflohen. Ich kann nicht fliehen, ob die Löwen an meinem Kettengenossen fressen oder ob die Lanzen deines Bruders mich durchbohren müssen! Ich kann nicht fliehen, und ich kann nicht weggehen von hier, ehe ich nicht deinen Bruder getötet habe; denn er hat mir so viel Gutes getan, daß ich ihn nicht mehr am Leben lassen kann.«

Scherifia warf sich wieder auf die Erde und weinte und bat und bat: »Mussa, du starker Mann! Mussa, du Löwentöter! Mussa, du Vater meines Kindes! Mussa, mein Mussa! Ich bitte dich! Ich bitte dich! Laß meinen Bruder am Leben! Ich bitte dich, komm mit mir fort von hier. Es ist keine Flucht! Sieh, es sind viele am Ort, und du bist nur einer! Mussa, dränge dich nicht in den Tod. Denn meine Kinder sind es, die nach deinem Tode weinen werden! Dein Hengst und deine Stute, deine Hunde und alle deine Tiere werden schreien. Die Löwen werden über die Seriba springen und die Kälber schlagen. Deine Hütten und dein Haus werden verfallen. Deine Kinder werden keinen Vater und kein Land haben, weil du, mein Mussa, mein Mann, zu früh hier sterben willst!«

Mussa sagte: »Scherifia steh auf. Wenn dein Bruder tot ist, wird niemand den Streit fortführen. Und wenn ich sterben muß und all das Meine verfällt, dann ist deines Bruders Güte und die Sitte daran schuld, nicht aber meine Bosheit. Stehe also auf!« Scherifia stand auf. Scherifia sagte: »So warte denn hier. Ich will meinen Bruder rufen. Tragt denn eure Sache aus!« Scherifia ging. Sie ging in das Haus, in dem Hammad Abu Kallam auf dem Angareb saß. Sie sagte: »Mein Bruder, ich bitte dich, komm für einige Worte heraus. Mussa möchte mit dir sprechen.« Hammad Abu Kallam erhob sich. Er seufzte und kam heraus. Hammad Abu Kallam sagte: »Was für ein Wort ist es?« Scherifia sagte: »Ich weiß es nicht!« Hammad Abu Kallam sagte: »Jetzt lügst du, meine Schwester!« Dann ging Hammad Abu Kallam zum Hause hinüber. Scherifia warf sich auf die Erde nieder und weinte. Als Hammad Abu Kallam in das Haus eintreten wollte, stieß Mussa ihm den Speer in die Brust.

Am andern Tag kamen die Dorfleute und schlugen Mussa tot.

Sie nahmen alle Herden und alles andere, was Mussa und Hammad Abu Kallam besessen hatten. Die Kinder Mussas wurden verkauft. Scherifia hüllte sich aber in Lumpen und wanderte von dem Tage an als Bettlerin von einem Ort zum andern, bis an ihr Lebensende.

Heimsuchung eines jungen Mädchens

Togo-Tim

Ein Mann heiratete eine Frau. Die Frau gebar ein Kind. Es war ein Mädchen, ein sehr hübsches Mädchen. Ein junger Mann bewarb sich um das junge Mädchen. Der Vater war damit einverstanden. Der Vater sagte: »Wenn das Mädchen reif ist, kannst du es heiraten.« Der Vater sperrte das junge Mädchen nun ein, damit es mit keinem Mann in Verbindung kommen könne. Die Mutter brachte dem eingeschlossenen Mädchen täglich das Essen. Das Mädchen sollte bei Tage nie die Hütte verlassen.

Einmal bei Nacht kam das junge Mädchen ins Freie, um ein Bedürfnis zu erledigen. Als sie wieder ins Haus trat, erblickte sie einen jungen Mann. Der junge Mann verliebte sich sogleich in das junge Mädchen. Er ging zu seinen Freunden und sagte: »Wer ist das junge Mädchen, das bei Nacht in dies Haus ging?« Die Freunde sagten: »Der Vater hat sie einem jungen Manne versprochen, und sie darf nun nicht mehr das Haus verlassen.« Der junge Mann sagte: »Das ist mir ganz gleich. Ich muß das Mädchen besitzen. Ich kann nicht ohne sie sein.« Die Freunde sagten: »Es geht nicht. Kein Mensch darf aus diesem Hause heraus oder in dieses Haus hinein. Sie ist immer eingeschlossen.«

Darauf sagte der Jüngling zu seinen Freunden: »Wickelt mich in viele Tücher, so daß man nicht mehr erkennt, daß ich ein Mann bin. Dann bringt mich dem Vater des Mädchens und sagt: ›Das ist ein Kissen, das deine schöne Tochter unter den Kopf legen soll, damit sie nicht so hart liegt.‹« Die Freunde taten es. Der Jüngling wurde in viele Tücher eingewickelt. Die Freunde brachten das Paket dem Vater. Der Vater nahm es an. Die Mutter brachte es dem Mädchen und sagte: »Dies Kopfkissen senden dir die jungen Männer des Dorfes, damit du mit dem Kopfe weich liegst.«

Dann ging die Mutter hinaus und ließ das Mädchen mit dem Kopfkissen allein. Als die Mutter hinausgegangen war, legte das Mädchen sich auf das Kopfkissen. Das Mädchen sagte: »Das ist gut.« Dann stand das Mädchen auf und betrachtete das Kopfkissen. Das Mädchen wickelte einen Stoff ab, dann noch einen, dann noch einen. Es fühlte mit der Hand zwischen die Stoffe, um zu sehen, ob das alles Stoffe seien. Sie kam nach innen. Sie bekam dann gerade den Penis des jungen Mannes in die Hand. Das junge Mädchen sagte: »Was ist denn das?« Sie fühlte weiter und griff an den Hodensack. Sie sagte: »Was ist denn das?« Sie drückte den Hodensack, da geriet der Penis des jungen Mannes in Erektion. Das junge Mädchen machte die Stoffe auseinander. Sie sah, daß ein Mensch darin war. Das junge Mädchen erschrak, denn sie hatte noch nie einen Mann gesehen. Der junge Mann aber nahm das Mädchen in seine Arme. Sie wurde ruhig. Das junge Mädchen zeigte auf den Penis des jungen Mannes und fragte ihn: »Was ist denn das?«

Dann beschlief der junge Mann das junge Mädchen. Am andern Morgen sagte er: »Nun wickle mich wieder in die Tücher, damit deine Mutter mich nicht sieht.« Das junge Mädchen tat es. Am Abend aber schlug sie die Tücher wieder auseinander und ließ den jungen Mann bei sich schlafen.

Nach einigen Monaten sagte die Mutter des jungen Mädchens zu ihrem Manne: »Der Leib unserer Tochter schwillt. Sie muß schwanger sein!« Der Vater ließ seine Tochter kommen und fragte sie: »Wer hat dich schwanger gemacht?« Das junge Mädchen sagte: »Das Kopfkissen, das Mutter mir gebracht hat.«

Deshalb schließt man junge Mädchen nicht mehr ein. Man kann doch nichts dagegen machen, wenn die jungen Leute so verliebt sind.

Der Faulpelz

Sahel

In Dogo, südlich von Bandiangara, lebt der Stamm der Binima, der auch aus Mande kam. Ein Kaddo dieses Stammes hatte eine Frau namens Käire geheiratet. Der Mann war über alle Maßen faul und suchte sich vor jeder Arbeit zu drücken. Da Käire sehr fleißig war, schob er ihr alles zu und fand immer neue Wege, sich selbst arbeitsfrei zu erhalten.

Eines Tages steckte er sich eine Kalebasse in die Hose und hinkte zu seiner Frau und sagte: »Sieh, welche fürchterliche Krankheit mich befallen hat. Sieh, ich habe ganz geschwollene Hoden (Elefantiasis). Ach, ich habe solche Schmerzen. Ach, ich habe solche Schmerzen. Und nun muß ich dich allein auf das Feld zur Ackerarbeit gehen lassen. Ach, was bin ich schlecht daran!« Käire sah die starke Schwellung. Sie bereitete eine gute Speise, setzte sie ihrem Manne hin und machte sich sogleich auf den Weg zum Acker. Sie arbeitete den Tag über und kam des Abends wieder. Sobald Käire gegangen war, zog der Mann die lästige Kalebasse aus der Hose, legte sie beiseite, aß und machte es sich den Tag über bequem. Abends steckte er, ehe seine Frau wiederkam, die Kalebasse wieder in die Hose und stöhnte.

So machte der Mann es alle Tage. Er steckte morgens eine Kalebasse in die Hose, klagte, ließ sich von seiner Frau Essen bereiten, ließ seine Frau bis zum Abend allein auf den Acker gehen, zog die Kalebasse dann wieder heraus und steckte sie erst an ihren Platz in die Hose, wenn die Frau des Abends wieder von der Arbeit heimkam. Es lebte aber in einem Seitenhaus auf demselben Hof eine alte Frau. Die ging eines Tages in den Speicher, und als sie oben stand, konnte sie sehen, wie der Mann, kurz nachdem Käire fortgegangen war, die Kalebasse wieder aus der Hose hervorholte. Sie gab nun wohl acht, denn sie hatte nicht viel zu tun; und sie sah, wie der Mann abends, ehe Käire wiederkam, die Kalebasse wieder in die Hose steckte. Die Alte paßte auf, und da sah sie, daß der Mann es alle Tage so machte.

Eines Tages rief die alte Frau Käire und sagte zu ihr: »Weshalb geht dein Mann eigentlich nie mehr mit dir zur Feldarbeit hinaus? Du gehst jetzt alle Tage allein. Warum das?« Käire sagte: »Mein armer Mann ist von einer häßlichen Krankheit befallen. Er hat geschwollene Hoden. Er kann sich kaum bewegen. Er kann nicht mit auf den Acker gehen.« Die alte Frau sagte: »Wenn du morgen früh deinem Mann die Speise bereitet hast, dann gehe auf dem Weg nach dem Acker fort und komme aber schnell hinten herum zu mir.« Die Frau Käire sagte: »Ja, das will ich tun.«

Am anderen Tag setzte Käire ihrem Mann die Schüssel mit Speise hin. Dann begab sie sich auf den Weg nach dem Acker und lief schnell hinten herum zu der alten Frau. Die alte Frau führte sie an den Speicher. Vom Speicher aus konnte Käire nun sehen, wie ihr Mann die Kalebasse aus der Hose nahm, zu essen begann und es sich so bequem wie möglich machte. Käire sagte nichts. Sie ging auf den Acker und arbeitete den Tag über auf dem Felde. Als ihr Mann sie abends vom Felde heimkommen sah, steckte er schnell wieder die Kalebasse in die Hose.

Am anderen Tage sagte der Mann wieder: »Ach, was habe ich mit meinen geschwollenen Hoden für Schmerzen! Ach, wie bin ich krank. Ach, daß ich dir nicht bei der Feldarbeit helfen kann.« Käire sagte: »Du willst mir also bei der Feldarbeit wieder nicht helfen?« Der Mann sagte: »Ich will schon, aber ich kann doch nicht.« Die Frau Käire sagte: »Heute will ich dir zu deiner Arbeit helfen.« Käire stürzte sich unversehens auf ihren Mann und packte ihn in der Hose. Sie zog mit schnellem Griff die Kalebasse heraus und sagte: »Siehst du, nun habe ich dich von deinen geschwollenen Hoden befreit. Nun geh du auf den Acker und arbeite. Von nun an werde ich mir die Kalebasse in mein Kleid binden!«

Der Mann schämte sich und stöhnte. Er sagte: »Ich weiß wohl, wer dir das gesagt hat.« Dann zog er aus zur Feldarbeit.

Seitdem bauen die Habbe die Hütten der Alten seitwärts, so daß sie nicht alles beobachten können, was zu Hause vorgeht.

Weiberlist

Kabylen

Ein Mann hatte eine schwangere Frau. Seitdem die Frau schwanger war, bat sie jeden Tag ihren Mann: »Ich habe starke Lust auf Fleisch. Gehe auf den Markt und kaufe mir ein Stück Fleisch.« Der Mann ging dann auch jeden Tag auf den Markt, aber er brachte ihr nie ein Stück Fleisch mit. Die Frau bat jeden Tag um ein Stück Fleisch. Der Mann erfüllte ihre Bitte nie. Das ging so bis etwa einen Monat vor der Geburt.

Eines Tages traf der Mann auf dem Markt einen Freund. Die beiden Freunde begrüßten sich. Sie sprachen miteinander. Der Mann sagte zu dem Freund: »Komm heute zu mir und iß mit mir.« Der Freund war einverstanden. Der Mann kaufte auf dem Markt zwei Rebhühner. Die Rebhühner nahm er mit, ging nach Hause und sagte zu seiner Frau: »Hier sind zwei Rebhühner, bereite sie zu; ich habe einen Freund eingeladen. Unser Gast soll mit uns die zwei Rebhühner verspeisen.« Die Frau sagte: »Ich werde die Rebhühner kochen.«

Die Frau bereitete die zwei Rebhühner. Sie machte aber weder Kuskus noch Kuchen oder Brot. Der Mann kam mit seinem Freunde; der Mann sagte: »Ist das Essen bereitet?« Die Frau sagte: »Das Essen ist schon bereitet. Aber du weißt, ich bin krank, und das Kochen wird mir schwer. Gehe also noch einmal fort und kaufe einen Kuchen, ein Brot oder so etwas.« Der Mann machte sich sogleich auf den Weg zum Markt.

Die Frau blieb mit dem Freund allein. Sobald der Mann fortgegangen war, begann sie ein großes Messer zu schleifen. Der Freund sah es. Der Freund bekam Angst. Der Freund sagte bei sich: »Will die Frau mich töten?« Als die Frau das Messer geschliffen hatte, sagte sie zu dem Freund: »So, nun komm heran!« Der Freund sagte: »Was willst du?« Die Frau sagte: »Ich will dir nur die Hoden abschneiden. Das ist bei uns so Sitte, wenn der Freund zum erstenmal zu Gast ist.« Der Freund sagte: »Laß mich vorher noch einmal hinausgehen, um mein Wasser abzuschlagen.« Die Frau sagte: »Gewiß, tue dies.« Der Freund ging hinaus. Sobald er vor dem Hause war, begann er fortzulaufen, so schnell er konnte.

Sobald der Freund fort war, begann die Frau, so schnell wie sie nur konnte die beiden Rebhühner zu essen. Sie war gerade damit fertig, da kam der Mann vom Markt zurück. Der Mann fragte die Frau: »Wo ist mein Freund?« Die Frau sagte: »Frage nur auch gleich, wo die zwei Rebhühner sind!« Der Mann sagte: »Hat mein Freund sie beide mitgenommen?« Die Frau sagte: »Überzeuge dich doch selbst! Dort steht noch der Kochtopf.« Der Mann sah in den Kochtopf. Der Kochtopf war leer. Der Mann stürzte aus dem Hause hinaus.

Der Mann lief hinter dem Freund her. Der Mann sah den Freund in der Ferne. Der Mann rief hinter dem Freund her: »Laß uns wenigstens eines.« Der Freund lief so schnell er konnte weiter, rief aber zurück: »Wenn du mich einholst, kannst du sie alle beide haben.«

Der Geizhals

Sahel

Im Orte Maku, im Lande Pignari, lebte ein Kaddo, der hieß Ansige. Er war ein Bastard, aber sein Vater hatte keine anderen Kinder, und so zog er den Ansige auf wie seinen Sohn. Man nannte ihn Ansige Karambe. Als der Vater starb, hinterließ er Ansige alles, und Ansige war nun ein wohlhabender Mann.

Ansige war ein Bastard und hatte den Charakter eines Bastards. Er war sehr geizig. Er war ganz außerordentlich geizig. Dann war er ein nimmersatter Vielesser. Er konnte ganz unendliche Massen vertilgen. Als sein Vater gestorben und er ein reicher Mann geworden war, schaffte er sich drei Frauen an. Alle drei mußten für ihn arbeiten, mußten für ihn Essen besorgen. Alle Tage sagte er zu ihnen: »Ihr arbeitet mir nicht genug. Ihr macht mir nicht genug Essen. Ich will mehr zu essen haben.« Die Frauen sagten unter sich: »Er ist geizig! Er ißt zu viel!« Alle Leute sagten: »Ansige Karambe ist über alle Maßen geizig und gierig.« Als Ansige einige Jahre verheiratet war, kam seine erste Frau zu ihm und sagte: »Ich will mich ein wenig nach meiner Familie umsehen und will verreisen.« Sie ging zu ihrem Vater. Dann kam seine zweite Frau und sagte: »Ich will mich ein wenig nach meiner Familie umsehen und verreisen.« Sie ging zu ihrem Vater. Dann kam seine dritte Frau und sagte: »Ich will mich ein wenig nach meiner Familie umsehen und verreisen.« Sie ging zu ihrem Vater.

Nun war Ansige allein. Er mußte sich das Essen von anderen Frauen herstellen lassen, und da er geizig war und gleichzeitig gierig, so wollte er für kleine Bezahlung immer sehr viel haben. Demnach bekam er sehr schlechtes Essen. Da sagte er eines Tages: »Es ist ganz abscheulich. Ich habe drei Frauen, die sind nun seit zwei Jahren fortgelaufen zu ihren Eltern, und ich muß mir für teure Bezahlung schlechtes und so wenig Essen von anderen Weibern machen lassen, daß ich beinahe Hungers sterbe. Ich werde meine Frauen besuchen und verlangen, daß sie heimkommen.« –

Ansige machte sich auf den Weg und kam nach einer Wanderung zu dem Dorfe, in dem seine erste Frau wohnte, die hieß Paama. Er sagte dem Vater seiner Frau: »Guten Tag.« Der Vater seiner Frau schenkte ihm einen Hammel. Ansige tötete den Hammel, zog ihm die Haut ab, ließ von dem Knaben, der ihn gebracht hatte, ein Gerüst bauen, röstete darauf den Hammel in einem Stück und begann ihn dann auch gleich zu verzehren. Während er gute Stücke abschnitt und diese dann in den Mund schob, hielt der Knabe den Braten. Er gab aber dem Knaben nichts ab.

Einmal fiel ein kleines, schlechtes Stückchen herab. Der Knabe hob es auf und aß es. Ansige sah das, wurde sogleich außerordentlich wütend und schlug auf den Knaben. Er schlug ihn aber so, daß der Knabe sogleich tot hinfiel. – Dann aß Ansige den Hammel auf. Die Frau Paama sagte inzwischen daheim zu sich: »Ich kenne doch meinen Mann. Ich muß doch einmal nach ihm sehen, denn sicherlich hat er inzwischen in seiner Gier eine Sache gemacht!« Sie ging hin. Sie fand den Mann. Sie fand den toten Knaben bei ihm. Sie fragte: »Was ist das?« Ansige sagte: »Du kennst mich doch. Tu doch nicht so, als ob du mich nicht kennst. Ich wollte meinen Hammel doch allein essen. Als ich aber im besten Essen war, nahm der Junge das beste Stück fort, um es zu essen. Da habe ich auf ihn geschlagen, und da war er tot.« Die Frau sagte: »Warte, bis es Abend ist, dann wollen wir das erledigen.«

Abends kam die Frau und brachte das Essen. Ansige wollte zugreifen. Seine Frau sagte: »Warte, erst muß die Sache mit dem Jungen geregelt werden. Mein Vater hat ein sehr wildes Pferd. Da wollen wir den Jungen hinbringen.« Ansige nahm mit seiner Frau den Jungen auf und trug ihn mit ihr im Dunkeln dahin, wo das wilde Pferd angebunden war. Dort legten sie ihn nieder. Dann schrie die Frau. Viele Leute kamen auf den Schrei hin herbei. Die Leute sagten: »Was gibt es?« Die Frau sagte: »Seht das Unglück. Ich wollte meinem Mann das Essen bringen. Ich fand ihn nicht, weil er mit dem Jungen hingegangen war, dem wilden Pferd meines Vaters Futter hinzustreuen. Ich ging nach und kam gerade dazu, wie das Pferd hinten aus- und den armen Jungen totschlug.« Die Leute sagten: »Es ist eben ein Unglück.« Sie trugen den Jungen fort.

Ansige ging zurück dahin, wo seine Frau das Essen hingestellt hatte und aß schnell alles auf. Am anderen Tage vergaß er seiner Frau zu sagen, daß sie zu ihm zurückkommen sollte. –

Ansige machte sich auf den Weg und kam zu seiner zweiten Frau. Er kam im Dorf seines Schwiegervaters an, als alle Leute gerade die Mittagsmahlzeit genossen hatten. Er sagte seinem Schwiegervater guten Tag. Man wies ihm eine Wohnung an. Seine Frau sagte zu ihrem Vater: »Es hat gerade alle Welt gegessen. Wie ich aber meinen Mann kenne, hat er großen Hunger mitgebracht. Kann ich ihm nicht irgend etwas zu essen geben?« Der Vater sagte: »Gewiß, bringe ihm doch etwas jungen, gerösteten Mais. Daran kann er sich sättigen.« Die Frau machte sich sogleich auf, holte einen ganzen Korb voll Mais herbei, röstete ihn und brachte ihn ihrem Mann.

Ansige aß allen Mais, der in dem Korb enthalten war. Es blieb auch nicht ein Körnchen übrig. Sonst hätte man zwanzig Männer damit sättigen können. Aber Ansige hatte durch den Genuß des jungen, frischen Mais die Gier noch mehr befallen. Er ging also auf die Felder, dahin, wo er glaubte, daß wohl Mais stehen müsse. Er fand auch das Maisfeld, brach ein gut Teil Kolben ab und nahm sie mit sich. Inzwischen war es aber dunkel geworden, und da Ansige den Weg nicht kannte, so merkte er es nicht, daß ein alter Brunnen im Weg war. Er ging also mit seiner Maislast auf den Brunnen zu und fiel mit dem Mais in den Brunnen hinein.

Inzwischen dachte seine Frau daheim: »Ich kenne doch meinen Mann! Ich muß doch einmal nach ihm sehen, denn sicherlich hat er in seiner Gier inzwischen eine Sache gemacht.« Sie machte sich auf den Weg. Sie kam dahin, wo Ansige den gerösteten Mais gegessen hatte, und sie fand alle leeren Maiskolben. Sie sagte sich: »Sicherlich hat er Gier nach mehr Mais gehabt. Ich werde mal auf das Maisfeld gehen.« Sie ging dahin. Sie kam an den Brunnen. Sie sah unten im Brunnen ihren Mann. Sie sagte: »Was ist das?« Ansige sagte: »Du kennst mich doch. Tu doch nicht so, als ob du mich nicht kennst! Als ich deinen gerösteten Mais gegessen hatte, bekam ich Lust, noch mehr zu essen. Ich suchte das Maisfeld auf. Ich brach mir einen guten Arm voll Kolben ab. Ich ging zurück und fiel auf dem Rückweg mit den Maiskolben in den Brunnen hier.« Die Frau sagte: »Laß nur; ich will dir heraushelfen.«

Die Frau ging. In der Nähe des Brunnens im Maisfeld waren die Rinder. Die Frau jagte die Kühe ins Maisfeld. Als die Kühe emsig beim Grasen waren, schrie sie laut auf. Auf den Schrei hin kamen viele Leute auf das Maisfeld. Sie fragten: »Was gibt es?« Die Frau sagte: »Ach, das Unglück! Mein Mann ging spazieren und sah die Kühe im Maisfeld. Er sah sie die Kolben abbrechen. Er jagte sie und sammelte die Kolben auf, und da er die Gegend nicht kennt, wußte er nicht, daß ein Brunnen im Maisfeld ist, und er fiel hinab. Nun ist er nur wegen der Maiskolben, die er meinem Vater retten wollte, in den Brunnen gefallen.« Die Leute sagten: »Das ist ja nicht sehr schlimm. Man kann ihn schon wieder heraufholen.« Sie kamen mit Licht und mit Stricken. Sie leuchteten hinunter und holten ihn glücklich wieder heraus.

Dann ging Ansige zurück und aß das Abendessen schnell auf. Am anderen Tage vergaß er seiner Frau zu sagen, daß sie zu ihm zurückkommen sollte. –

Ansige machte sich am nächsten Tage abermals auf den Weg und kam in das Dorf seiner dritten Frau. Er ging zu seinem Schwiegervater, begrüßte ihn und sagte: »Ich möchte nach meiner Frau sehen.« Der Schwiegervater sagte: »Das ist recht.« Dann ließ er ihm einen Platz anweisen und gab den Auftrag, daß die Frau auch etwas zu essen für ihren Mann besorge. Die Frau machte sich sogleich an die Arbeit, stellte ein Gericht her und brachte ihm das, sowie eine große Schale mit Erdnüssen. Ansige aß sogleich das Gericht, und dann begann er mit dem Knaben, der die guten Speisen gebracht hatte, die Erdnüsse zu essen. Der Knabe knackte die Erdnüsse, wie alle Leute, erst auf, und ließ die Schalen zur Erde fallen. Ansige wollte aber dem Jungen möglichst wenig zukommen lassen und aß deshalb die Erdnüsse mit den Schalen. Nachher sagte die Mutter der Frau: »Ich will jemand hinsenden, der die Schalen der Erdnüsse wegfegt, die dein Mann gegessen hat.« Die Frau dachte: »Mein Mann wird, wie ich ihn kenne, nicht viele Erdnußschalen auf die Erde geworfen haben. Du brauchst niemand anders zu senden. Ich werde es selbst machen.« Sie ging hin und fand, daß nur die Schalen der wenigen Erdnüsse da lagen, die der Knabe gegessen hatte.

Nachher sagte der Vater: »Bereite zum Abendessen deinem Mann ein Gericht, das er gerne ißt.« Die Frau sagte: »Ich will ihm Punandi (Klöße) machen.« Der Vater sagte: »Nimm die gute Hirse dazu, die uns heute frisch hereingebracht wurde.« Die Frau sagte: »Ich will es tun.« Dann machte sich die Frau daran, begann das Korn im Mörser zu stoßen und stellte so vier große Mullen Schrotmehl her. Sie tat Wasser dazu und stellte das Gericht her. Alles das sah Ansige von dem Hause aus, das ihm zugewiesen war, und mit Gier blickte er besonders immer auf den Mörser. Dann brachte die Frau das Gericht Punandi, das aus vier Mullen Schrotmehl hergestellt war und für zwanzig gewöhnliche Leute gereicht hätte. Ansige aß das Gericht vollkommen auf. Als Ansige mit dem Gericht fertig war, mußte er immer an den Mörser denken. Er sah zu dem Mörser hin und sagte bei sich: »Vielleicht ist in dem Mörser noch ein wenig Mehl.« Ansige ging hin und sah in den Mörser. Es saß noch ein wenig am Rande. Er steckte den Kopf hinein, um das abzulecken. Als er aber den Kopf wieder herausziehen wollte, konnte er es nicht. Er war vollkommen fest eingekeilt. Er mußte wohl oder übel mit dem Kopf im Mörser stehen bleiben.

Inzwischen dachte seine Frau daheim: »Ich kenne meinen Mann. Ich muß doch einmal nach ihm sehen, denn sicherlich hat er inzwischen in seiner Gier eine Sache gemacht.« Sie machte sich auf den Weg. Sie sah in das Haus, das ihm angewiesen war. Er war nicht darin. Sie sagte: »Er hat die Punandi aufgegessen. Danach war er sicherlich sehr gierig. Ich werde einmal am Mörser nach ihm sehen.« Die Frau ging hin. Sie fand ihren Mann mit dem Kopf in dem Mörser. Sie fragte: »Was ist das?« Ansige sagte: »Du kennst mich doch! Tu doch nicht so, als ob du mich nicht kennst. Als ich deine Punandi gegessen hatte, bekam ich Lust, von dem Schrotmehl zu versuchen. Ich steckte deshalb den Kopf in den Mörser, und nun bekomme ich ihn nicht wieder heraus.«

Die Frau sagte: »Jetzt will ich dir sogleich helfen.« Sie zog einen Ring vom Finger und warf ihn in den Mörser. Dann schrie sie laut. Hierauf kamen viele Leute angelaufen und fragten: »Was gibt es?« Die Frau sagte: »Das Unglück, das Unglück! Ich bin an dem Unglück schuld. Ich sagte zu meinem Mann, er hätte einen dicken Kopf. Er sagte nein, er habe keinen dicken Kopf. Ich fragte ihn, ob er einen Fingerring, den ich in den Mörser werfen wolle, glaube mit dem Mund wieder herausholen zu können. Er sagte ja, das könne er. Er steckte den Kopf hinein. Aber nun bekommt er ihn nicht wieder heraus.« Die Leute sagten: »Wenn es weiter nichts ist, das ist nicht schwierig.« Sie holten eine Axt und zerschlugen den Mörser. Da konnte Ansige wieder den Kopf herausziehen.

Am anderen Tage machte sich Ansige schleunigst auf den Heimweg. Er vergaß aber seiner Frau zu sagen, daß sie heimkommen sollte. – Als er wieder in seinem Dorf ankam, fiel ihm ein, daß er vergessen hatte, seinen drei Frauen zu sagen, sie sollten heimkommen. Er sandte eine Botschaft an jede und ließ ihr sagen, sie solle sogleich zu ihm zurückkommen. Alle drei Frauen antworteten aber dasselbe, nämlich: »Ich kenne dich doch. Tu doch nicht so, als wüßtest du nicht, daß ich dich kenne! Du bist so geizig und gierig, daß ich nicht wieder zu dir komme.« Ansige starb frauen- und kinderlos. Noch heute mögen die Habbefrauen die Geizigen und Gierigen nicht leiden.

Sagate Singo

Sahel

Dio Dama war ein raublustiger Mann. Er stammte aus Massina, wurde jedoch in Kalla erzogen und lernte dieses Land daher sehr genau kennen. Als er erwachsen war, kehrte er nach Massina zurück, warb einige Spießgesellen an und unternahm Raubzüge nach Kalla.

Eines Tages kam er auch auf solche Weise nach Kalla, um in einem Dorf alle Schafe zu rauben und heimzutreiben nach Massina. Mit einigen Gehilfen gelang es, Schafe zusammenzutreiben. Die Leute sagten: »So ist es gut! Nun wollen wir heimkehren.« Dio Dama aber sagte: »Hier, gleich neben dem Ort ist ein angenehmer Platz an einem Gewässer. Da wollen wir uns lagern. Ich verlasse die Gegend nicht, ehe ich nicht einige Bleikugeln gefrühstückt habe.« Also lagerte Dio Dama mit den Spießgenossen und mit den Hammeln an dem Wasser.

Bis gegen Mitternacht wälzte sich die Frau Sagate Singos auf ihrem Lager hin und her. Um Mitternacht fragte Sagate Singo: »Was hast du eigentlich? Du wirfst dich immer hin und her?« Die Frau antwortete: »Ich höre, daß mein kleiner Hammel unten am Wasser schreit. O, ich habe keinen tapferen Mann, der mir den Hammel zurücktreibt.« Sagate Singo sagte: »Ach, wenn es weiter nichts ist. Schlaf nur. Morgen früh werde ich ihn hertreiben. Ich höre, er ist nicht allein, die anderen Hammel des Dorfes sind auch dabei. Es werden sich wohl einige fremde Hirten ihrer angenommen haben, die bis morgen früh auf die Belohnung für den unerbetenen Hirtendienst warten.« Sagate Singo drehte sich um und schlief weiter. Nach einiger Zeit wachte er wieder auf, denn seine Frau weinte neben ihm laut und schluchzte: »Ach, ich bin eine arme Frau, die keinen tapferen Mann hat, der ihr ihren kleinen Hammel zurücktreiben kann. Ich habe keinen tapferen Mann.«

Da stand Sagate Singo von seinem Lager auf und sagte: »So will ich denn einen ›Arbeiter‹ mitnehmen, der mit mir den Hammel heimtreibt.« Er nahm sein Gewehr (der Dialli erklärt, das sei sein »Arbeiter«), einige Kugeln und das Pulverhorn. – Es war in der Nacht sehr kalt und deshalb hatten sich die Räuber am Wasser ein Feuer angezündet, über dem sie die Hände wärmten. Sagate Singo sah einen Mann, der die Hände über das Feuer hielt. Er schoß. Der Mann fiel tot um. Ein anderer sagte: »Diesem Genossen war kalt; nun wird er aber noch kälter werden. Es muß hier viel Wild und gute Jäger geben.« Als er das gesagt hatte, pfiff die zweite Kugel Sagate Singos in seinen Kopf. Dio Dama erhob sich und sah um sich. Er fiel auch todwund hin.

Sagate Singo trieb die Hammel zurück. Alle Leute sagten: »Sagate Singo, Sagate Singo – ach, das ist der Tapferste von allen.« Alle Leute sagten so. Nur Sagate Singos Frau meinte: »Was wollt ihr? Mein Mann soll tapferer sein als andere? Ich habe das nicht gesehen. Ich glaube es nicht. Mein Mann hat nichts Sonderliches vor meinen Augen getan.« Die Frau sagte das, wenn Sagate Singo daneben stand. Sagate Singo sagte: »Entweder du wirst es selbst sagen, daß ich der Tapferste von allen bin, oder es nimmt noch ein schlimmes Ende mit mir vor deinen Augen. Ich werde dir zeigen, was ich kann, und du wirst mir zugeben, daß ich der Tapferste bin.«

Eines Tages sagte die Frau: »Ich will heute nach Sansanding zum Markt gehen.« Sagate Singo fragte: »Was willst du denn dort?« Die Frau sagte: »Ich will auf dem Markt ein Fenkalang (einen Lendenschurz aus gestreiftem Baumwollstoff) kaufen.« Sagate Singo sagte: »Gut, das sollst du haben.« Sagate Singo ging und kaufte mehrere Fenkalang. Er brachte sie seiner Frau und sagte: »Hier hast du sie.« Die Frau sagte: »Ach, die du da gekauft hast, will ich nicht. Ich will die Reise nach Sansanding machen und einen Fenkalang kaufen – das ist es.« Sagate Singo sagte: »Es ist gut.«

Sagate Singo zog einen Tragochsen heran und setzte seine Frau darauf. Er übergab das Reisegerät seiner Frau einem Sklaven, daß er es vor ihr hertrage. Er nahm sein Gewehr, stieg auf sein Pferd und sagte: »Nun können wir reisen.« Er ritt hinter seiner Frau her, um sie zu schützen. – Sie kamen nach Sansanding. Die Frau kaufte ihren Fenkalang. Sagate Singo kaufte sich eine Kalebasse mit Honigbier. Sie begaben sich auf den Rückweg. Voran ging der Sklave, hinter ihm ritt die Frau auf dem Tragochsen, zuletzt folgte Sagate Singo auf dem Pferde.

Nach einiger Zeit kamen sie an eine Wegkreuzung. Von hier aus führte ein weiterer Weg nach Hause, der war viel begangen und deshalb sicher. Es zweigte aber ein weit näherer Weg ab, doch den wagte fast niemand zu bereisen; denn alle Welt wußte, daß hier oft Räuber am Wege lagen. Als sie nun an diese Wegkreuzung kamen, sagte die Frau: »Ja, wenn ich einen tapferen Mann hätte, dann würde ich den kürzeren Weg vorziehen. Mein Mann ist aber kein Tapferer.« Sagate Singo sagte: »Warte!« Darauf nahm er seine Kalebasse mit Honigbier und trank sie aus. Als er das getan hatte, sagte er: »Voran! Wir nehmen den kürzeren Weg!« Der Sklave ging voran, die Frau auf dem Tragochsen folgte, langsam reitend kam dann zuletzt Sagate Singo.

Nach einiger Zeit schlug sich der Sklave auf die Seite und rief: »Vor uns sind Reiter auf Pferden!« Die Frau antwortete: »Was findest du daran neu? Hast du noch nie Pferde gesehen? Reitet mein Mann hinter mir vielleicht auf einem Schaf? Geh voran und sieh zu, daß du meine Sachen gut trägst, damit sie nicht herunterfallen! Vorwärts!« Am Wege hielt ein Räuber zu Pferde, der sagte: »Ihr zwei seid Gefangene!« Die Frau antwortete: »Sei ein wenig vorsichtig mit dem, was du redest. Denn hinter mir kommt mein Mann!« Der Räuber fragte: »Wer kommt da hinten?« Die Frau sagte: »Das ist Sagate Singo, mein Mann!«

Sagate Singo war von dem Honigbier träge und schläfrig geworden. Er war nach vorn zusammengesunken und kam vornübergebeugt auf dem Pferde hängend und schlafend angezottelt. Als er den Wortstreit seiner Frau hörte, wachte er auf, ergriff das Gewehr und schoß den Räuber am Wege nieder. Die Frau sagte: »Du bist doch ein Tapferer!« Nach einiger Zeit kamen sie an eine Stelle, da hielt Dio Dama auf einem Pferde am Wege. Dio Dama sagte: »Ich bin Dio Dama, wer bist du?« Sagate Singo sagte: »Ich bin Sagate Singo, ein Freier. Du aber bist ein Räuber, und deine Gesellen liegen im Grase versteckt.« Dio Dama sagte: »Nein, ich bin auch ein Freier und ich habe keine Spießgesellen im Grase. Ich bin auch ein Freier.« Sagate Singo sagte: »Wenn du auch ein Freier bist, so will ich dir zum Tanze in die Hände klatschen.« Er nahm sein Gewehr und schoß in das hohe Gras; da fiel ein Räuber tot zu Boden. Er nahm sein Gewehr und schoß wieder, und wieder fiel ein Räuber. Er nahm sein Gewehr und schoß in das Gras, und wieder fiel ein Räuber. Die anderen rannten von dannen. Sagate Singo sagte: »Wenn ein freier Mann zum Tanze aufspielt, macht er das so.« Weiber und Sklaven klatschten mit den Händen.

Spinne gewinnt Uros Tochter

Togo-Tim

In einem Dorf war ein Häuptling, der hatte eine Tochter, die wuchs heran. Die Tochter des Uro wuchs heran und wurde reif zur Hochzeit. Der Häuptling versammelte alle seine Leute und sagte zu ihnen: »Ich will für meine Tochter einen tüchtigen Mann, der sie auch gut befriedigen kann. Es soll ein Mann mit einem gehörigen Penis sein. Ich werde deshalb meine Tochter dem zur Frau geben, der die sieben Früchte, die an jener Fächerpalme dort oben sind, mit seinem Penis herunterzuschneiden vermag. Dem und keinem andern gebe ich sie zur Frau.« Die Leute hörten es. Keiner von den Leuten, die das gehört hatten, versuchte es. Sie gingen auseinander, jeder in sein Gehöft.

Frau Spinne war in der Versammlung gewesen. Sie ging auch nach Hause. Als ihr Mann nachher von der Farm heimkam, sagte Frau Spinne zu Spinne: »Der Uro hat alle Leute zusammenkommen lassen und hat gesagt: Ich gebe meine Tochter dem zur Frau, der einen sehr starken Penis hat, einen Penis, mit dem er die sieben Früchte von der Fächerpalme herunterzuschneiden vermag.« Spinne hörte zu. Spinne dachte nach. Spinne rief aus: »Die Urotochter werde ich bekommen!«

Spinne wartete ab, bis es dunkel geworden war. Sobald es dunkel war, nahm Spinne ein Beil und eine kleine Kalebasse, die war gefüllt mit dem Rotholzwasser, das die Frauen dazu benutzen, ihre Kleider rot zu färben. Damit ausgerüstet, machte Spinne sich in der Dunkelheit auf den Weg zu der Fächerpalme. Er stieg auf die Fächerpalme. Mit dem Beil schlug er alle sieben Früchte so weit ab, daß sie nur noch ganz locker am Stengel saßen und bei dem kleinsten Anstoß herunterfallen mußten. Dann befestigte er die kleine Kalebasse, die das Rotholzwasser enthielt, zwischen den Blättern. Nun stieg er wieder herab und ging nach Hause. Am andern Tage ging Spinne zu dem Uro und sagte: »Meine Frau erzählte mir gestern, als ich von der Farm heimkam, der Uro habe alle Leute zusammenkommen lassen und habe gesagt: Ich gebe meine Tochter dem zur Frau, der einen sehr starken Penis hat, einen Penis, mit dem er die sieben Früchte von der Fächerpalme herunterzuschneiden vermag! – Rufe nun alle Leute zusammen, daß sie kommen. Ich will die sieben Früchte mit dem Penis abschneiden und du sollst mir dann deine Tochter geben!« Der Uro sagte: »Es ist gut!«

Der Uro rief alle Leute zusammen. Sie kamen alle unter der großen Fächerpalme zusammen. Spinne kam und stieg auf die Fächerpalme hinauf. Als Spinne oben angelangt war, begann er mit dem Penis zu sägen und sägte und sägte mit dem Penis auf dem Fruchtstengel hin. Dabei schrie er fürchterlich. Spinne ließ dabei von dem Rotholzwasser in der Kalebasse auf seine Beine tropfen. Die Leute sagten: »Seht, wie das Blut herabtropft, hört, wie er vor Schmerz schreit! Spinne wird sterben, aber Spinne wird das Mädchen nicht gewinnen.«

Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel eine Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die zweite Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die dritte Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die vierte Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die fünfte Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die sechste Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die siebente Frucht zur Erde.

Dann stieg Spinne vom Baume. Alle sieben Früchte lagen am Boden. Spinne ging mit Stöhnen über den Platz und tat so, als könne er nicht anders gehen als mit gespreizten Beinen. Jedermann sagte: »Wegen eines Mädchens hätte ich mir solche Schmerzen nicht bereitet.« Der Häuptling aber sagte: »Ich habe dem, der mit seinem Penis die sieben Früchte von der Fächerpalme zu schneiden vermag, meine Tochter zur Frau versprochen. Nimm also meine Tochter!« Spinne nahm darauf die Tochter des Uro und ging mit ihr in seine Behausung.

Nach einiger Zeit begab sich Spinne mit seiner neuen Frau, die die Tochter des Uro war, auf die Farm zur Arbeit. Als er einige Zeit gearbeitet hatte, sagte er zu seiner Frau: »Geh' hin und hole mir Wasser vom Fluß. Ich habe Durst!« Die Frau sagte: »Ich habe nichts zum Schöpfen bei mir, gib mir eine Kalebasse!« Spinne sagte: »Ich habe keine Kalebasse.« Die Frau Spinne sagte: »Wie soll ich denn aber Wasser holen, wenn ich nichts habe, es darin zu tragen?« Spinne sagte: »Nun, so hole doch das Wasser in deiner Vagina!« Die Frau Spinne sagte: »Wie soll ich das denn aber machen?« Spinne sagte: »So lege dich doch nur ins Wasser; warte, bis die Vagina voll Wasser gelaufen ist und bring' das Wasser hierher. Das ist leichter, als Palmfrüchte mit dem Penis abzusägen!«

Die Frau des Spinne ging. Sie ging ans Wasser und legte sich hinein. Sie ließ die Vagina voll Wasser laufen. Als sie dann aber aufstand, floß das Wasser wieder heraus. Sie legte sich zum zweiten Male hin, ließ die Vagina wieder voll Wasser laufen. Als sie dann aber aufstand, floß das Wasser doch wieder heraus. Sie legte sich zum dritten Mal hin. Es war das gleiche. Das Wasser lief immer wieder heraus. Die Frau sprang aus dem Wasser. Sie lief von dannen.

Heulend kam sie zu ihrem Vater und sagte: »Spinne verlangt von mir, ich solle Wasser in der Vagina bringen. Aber jedesmal, wenn ich sie fülle, läuft das Wasser wieder heraus. Spinne sagte, das sei einfacher, als Früchte von den Bäumen sägen. Aber ich kann es nicht.« Der Uro verstand, was Spinne damit sagen wollte, und sagte: »Es ist nicht gut, daß jemand seinen Schwiegersohn nach der Kraft des Penis aussucht und von ihm verlangt, daß er Palmfrüchte mit dem Penis von dem Baume schneide! Jeder soll seine Tochter dem zur Frau geben, der sie liebt!«

Spinne und die liebestolle Alte

Togo-Tim

Eine Frau war alt, sehr alt. Aber sie wollte durchaus noch beschlafen sein. Sie fand aber keinen Mann, der noch Lust gehabt hätte, ihr beizuwohnen. Zuletzt nahm sie eine Kuh, band einen Strick um die Hörner, nahm den Strick in die Hand, zog die Kuh hinter sich her und sagte zu jedem: »Ich gebe die Kuh dem als Geschenk, der mich beschläft.«

Die Frau kam mit der Kuh auch bei Spinnes Haus vorbei. Frau Spinne stand gerade vor der Tür ihres Gehöftes. Die Frau sagte: »Ich gebe die Kuh dem, der mich beschläft.« Frau Spinne hörte es. Spinne war gerade auf der Farm. Als er nach Haus kam, sagte Frau Spinne zu ihrem Mann: »Es ist heute eine ganz alte Frau vorbeigekommen, die hatte eine schöne Kuh bei sich. Die Alte sagte: ›Ich gebe die Kuh demjenigen, der mich beschläft.‹« Spinne sagte: »War die Kuh schön?« Frau Spinne sagte: »Es war eine sehr schöne Kuh, aber die Frau war sehr alt und sehr häßlich.« Spinne sagte: »Darauf kommt es ja nicht an.«

Spinne ging am andern Tage nicht auf die Farm zur Arbeit, sondern blieb daheim. Er setzte sich gleichgültig vor die Tür seines Gehöftes auf die Erde. Nach einiger Zeit kam die alte häßliche Frau mit der Kuh hinter sich her und sagte: »Ich gebe die Kuh dem als Geschenk, der mich beschläft.« Spinne betrachtete die Kuh genauer, dann sah er sich die alte Frau an. Die alte Frau sagte: »Nun, willst du mich nicht beschlafen?« Spinne sagte: »Ach, ich möchte dich schon sehr gern beschlafen, und auf die Kuh kommt es mir dabei gar nicht an. Aber was ich unternehme, will ich auch ordentlich machen, und um dich ordentlich zu befriedigen, muß man stark sein. Leider bin ich aber wegen unserer schlechten Nahrung augenblicklich etwas schwach, so daß ich die Kuh erst gegessen haben müßte, um dir recht zu Gefallen sein zu können.« Die alte Frau sagte: »Wenn es sonst nichts weiter ist, so ist es ja ganz recht. Ich lasse dir die Kuh hier und du schlachtest und ißt ordentlich Fleisch, und wenn du dann recht stark bist, beschläfst du mich.« Spinne sagte: »Es ist gut. Ich muß aber erst die ganze Kuh essen, das wird wohl acht Tage dauern.« Die alte Frau sagte: »Es ist gut. In acht Tagen komme ich wieder. Dann kannst du mich beschlafen.« Spinne sagte: »Ja, sobald ich die ganze Kuh aufgegessen habe.« Die alte Frau ging von dannen.

Sobald die alte Frau fort war, schlachtete Spinne sogleich die Kuh. Er legte den Kopf und Blut und Darminhalt beiseite. Das andere wurde gekocht und zubereitet. Spinne und seine Frau und seine Kinder aßen alle Tage Fleisch und waren über die ausgezeichnete Kost sehr froh.

Es waren aber erst wenige Tage verstrichen, da kam die alte Frau schon an und fragte Spinne: »Nun, hast du die Kuh schon aufgegessen? Bist du schon stark genug?« Spinne zeigte auf den Kopf der Kuh und sagte: »Sieh hier, da liegt noch das, was am meisten Kraft gibt. Überhaupt kommt die Kraft nicht so schnell wieder, wenn man vorher so arg geschwächt ist.« Die alte Frau ging. Sie kam am andern Tage wieder und fragte: »Nun, hast du die Kuh schon aufgegessen? Bist du schon stark genug?« Spinne zeigte auf den Kopf der Kuh und sagte: »Sieh hier, da liegt noch das, was am meisten Kraft gibt. Überhaupt kommt die Kraft nicht so schnell wieder, wenn man vorher so arg geschwächt ist.« Alle Tage kam die alte Frau. Alle Tage zeigte Spinne den Kopf der Kuh.

Eines Tages aßen Spinne und seine Frau auch den Kopf der Kuh auf. Als sie sich daran gesättigt hatten, sagte Spinne zu seiner Frau: »Morgen werde ich die Alte also glücklich machen müssen.« Frau Spinne sagte: »Wie du willst. Die Kuh haben wir gegessen.« Spinne sagte: »Mit der Alten werden wir auch fertig werden.« Am andern Morgen rief Spinne seine Frau zu sich und beschmierte ihren Unterleib und ihre Beine über und über mit dem Blut und dem Unrat des Kuhdarmes. Er sagte zu seiner Frau: »So, nun setze dich vor die Tür und warte auf die Alte.« Frau Spinne setzte sich vor die Tür. Nach einiger Zeit kam die alte häßliche Frau. Die Alte sagte zur Frau Spinne: »Nun, was ist denn mit dir geschehen?« Frau Spinne sagte: »Mein Mann hat gestern einen Rinderkopf gegessen. Da ist er furchtbar stark geworden. Dann hat er sich vom Schmied noch einen eisernen Dorn für seinen Penis machen lassen. Heute nacht sagte er zu mir: ›Komm, ich will versuchen, ob ich für die alte hübsche Frau stark genug bin.‹ Dann hat er mich so zugerichtet. – Übrigens wartet mein Mann in seinem Hause auf dich. Er meint, du würdest wohl längere Zeit bei ihm bleiben. Stark genug ist er jetzt.«

Als die alte Frau das hörte, stürzte sie so schnell sie konnte von dannen und floh in eine entfernte Gegend.

Hurenrache

Mande

Die Hure wohnte in einer Stadt, die so weit von Bamako fortliegt wie Mekka. Sie hatte die Gewohnheit, nie auf die Straße zu gehen, sondern empfing jeden Abend alle ihre Freunde bei sich, und da ging es dann sehr vergnügt zu. Diese Hure hatte einen jüngeren Bruder. Eines Tages verbreitete sich das Gerücht, daß er mit einer Frau gehurt habe, und wenn man auch keine Zeugen beibringen konnte, weil das Gerücht nämlich nicht auf wahren Tatsachen beruhte, so verurteilte der Richter den jungen Burschen doch zu 100 Peitschenhieben. Der Bürgermeister, an den der junge Mann sich wandte, bestätigte das Urteil und ebenso der Almami (das religiöse Oberhaupt). Darauf begab sich die Hure zu dem Gericht und sagte: »Es ist an dem Gerücht nichts Wahres, und ihr verurteilt meinen jüngeren Bruder zu Unrecht, aber um ihm die Schande zu ersparen, will ich gern eine Goldbuße zahlen.« Da wurde ihr geantwortet: »Und wenn du bereit wärest, so viel zu zahlen, wie dein Bruder wiegt, so müßten wir ihn doch auspeitschen!« Somit erhielt der Bursche seine hundert Peitschenhiebe.

Die Hure sagte danach zu ihrem Bruder: »Alle drei haben dich verurteilt. Ich werde dir Gelegenheit geben, jedem von den dreien hundert Peitschenhiebe verabfolgen zu lassen.« – Am dritten Tage danach zog sich die Hure sehr schön an und ging dahin, wo der Almami war. Sie schritt an ihm vorüber. Der Almami sagte: »Du sagst mir nicht guten Tag?« Sie sagte: »Ich habe es gesagt, du hast es nur nicht gehört!« Der Almami sagte: »Du gehst heute aus? Das ist doch sonst nicht deine Gewohnheit!« Die Hure sagte: »Du fragst mich nach dem Verwunderlichen und begehst doch selbst das Verwunderliche, daß du nie zu mir kommst, wie die anderen Männer dieser Stadt!« Der Almami sagte: »Ich würde schon kommen, aber es sind immer soviel Männer bei dir.« Die Hure sagte: »Wenn das der Grund ist! Heute um halb sieben Uhr zum Beispiel sind keine Männer bei mir!« Der Almami sagte: »Wirklich?« Die Hure sagte: »Bei deiner Gerechtigkeit!« Der Almami sagte: »Dann werde ich heute um halb sieben Uhr zu dir kommen.«

Die Hure ging weiter. Sie kam am Hause des Richters vorbei. Der richtete an sie die gleiche Frage wie der Almami. Sie unterhielten sich in gleicher Weise und verabredeten, daß der Richter um acht Uhr bei ihr niemand antreffen würde – »bei seiner Gerechtigkeit«.

Die Hure ging weiter. Sie kam am Hause des Bürgermeisters vorbei. Der richtete an sie die gleiche Frage wie der Almami und der Richter. Sie unterhielten sich in gleicher Weise und verabredeten, daß der Bürgermeister um Mitternacht bei ihr niemand antreffen würde – »bei seiner Gerechtigkeit«.

Dann suchte die Hure ihren jüngeren Bruder auf und sagte zu ihm: »Komm heute nacht nach Mitternacht zu mir, dann wirst du Gelegenheit erhalten, mit den Leuten, die dir die hundert Peitschenhiebe geben ließen, abzurechnen.«

Der Almami hatte kaum sein Gebet vor der Gemeinde gesprochen, als er schon, ohne erst zu essen, in das Haus der Hure eilte. Er schleuderte seine bunten Kleider in eine Ecke und kam zu der Hure auf das Bett. Die Hure scherzte mit ihm, ohne ihm Befriedigung zuteil werden zu lassen, bis acht Uhr. Da hörte man Schritte kommen. Der Almami fragte hastig: »Kommt da jemand?« Die Hure sagte: »Ist es denn schon acht Uhr, dann ist es der Richter.« Der Almami fragte: »Kommt der öfter zu dir?« Die Hure sagte: »Nein, er kommt heute zum erstenmal!« Der Almami sagte: »Ach, der darf mich nicht sehen! Verstecke mich!« Es standen drei große Koffer im Zimmer. Die Hure sagte: »Komm hier hinein!« Sie öffnete einen Koffer, und der Almami kroch schleunigst, nackt wie er war, hinein. Die Hure schloß zu, zog den Schlüssel ab und steckte ihn zu sich.

Der Richter kam herein. Er warf seine Amtskleider eilig in einen Winkel und kam zu der Hure aufs Bett. Die Hure scherzte mit ihm, ohne ihm Befriedigung zuteil werden zu lassen, und trieb dies Spiel bis Mitternacht. Da hörte man Schritte kommen. Der Richter fragte hastig: »Kommt da jemand?« Die Hure sagte: »Ist es denn schon zwölf Uhr? Dann ist es der Bürgermeister.« Der Richter fragte: »Kommt der öfter zu dir?« Die Hure sagte: »Nein, er kommt heute zum erstenmal.« Der Richter sagte: »Ach, der darf mich nicht sehen! Verstecke mich!« Die Hure stellte darauf einen zweiten Koffer auf den ersten, in dem der Almami verborgen war. Sie sagte: »Komm hier hinein.« Der Richter kroch, nackt wie er war, hinein. Die Hure schloß zu, zog den Schlüssel ab und steckte ihn zu sich.

Der Bürgermeister kam herein. Er stellte seine Lanze an die Seite, warf seine Kleider eilig in einen Winkel und kam zu der Hure ins Bett. Die Hure scherzte mit ihm, ohne ihm Befriedigung zuteil werden zu lassen, und sie trieb das Spiel, bis draußen Schritte ertönten. Der Bürgermeister fragte hastig: »Kommt da jemand?« Die Hure sagte: »Das wird mein jüngerer Bruder sein!« Der Bürgermeister sagte: »Der, den wir zu hundert Peitschenhieben verurteilten?« Die Hure sagte: »Derselbe.« Der Bürgermeister sagte: »Ach, der darf mich hier nicht sehen! Verstecke mich!« Die Hure stellte darauf einen dritten Koffer auf den zweiten, in dem der Richter war. Sie sagte: »Komm hier hinein!« Der Bürgermeister kroch, nackt wie er war, hinein. Die Hure schloß zu, zog den Schlüssel ab und band ihn mit den anderen beiden zusammen.

Die Hure hieß ihren Bruder hereintreten. Sie sagte: »Ich habe dir versprochen, dir die drei Männer zu überantworten, die dich zu der unwürdigen und unverdienten Strafe verurteilt haben. Hier siehst du nun die Kleider und Abzeichen dieser Männer in den Winkeln liegen. Dort steht die Lanze des Bürgermeisters. In diesen drei Koffern sind die drei Leute selbst. Hier hast du die Schlüssel zu den Koffern!« Der Bruder sagte: »Die Koffer sind zu schwer, die kann ich nicht fortschleppen, ich will aber die Kleider und die Schlüssel zu den Koffern zu mir nehmen, um bei dem Richter einer benachbarten Stadt zu klagen.«

Er nahm die Sachen und ging damit von dannen.

Am anderen Morgen erwartete die versammelte Gemeinde der Gläubigen den Almami, auf daß er das Gebet beginne. Aber er kam nicht. Darauf wurden die Leute unruhig und sagten: »Wir wollen zum Richter gehen, damit der den Almami suchen läßt.« Die Volksmenge strömte zum Richter. Die Leute des Richters sagten: »Seit gestern abend haben wir den Richter nicht mehr gesehen.« Darauf machte sich die Menge auf, und alle Welt lief nun zu dem Quartier des Bürgermeisters. Sie riefen: »Der Bürgermeister muß das regeln! Der Bürgermeister muß den Almami und den Richter suchen lassen.« Im Gehöft des Bürgermeisters waren nur die Frauen daheim. Die sagten mürrisch: »Er war in der letzten Nacht bei keiner von uns.« Als die Menge das hörte, bemächtigte sich ihrer große Angst.

Inzwischen konnte der Bürgermeister, der im obersten Koffer im Hause der Hure war, seine Notdurft nicht mehr anhalten, denn er hatte in der letzten Nacht recht viel getrunken. So begann er denn ordentlich zu pissen, das Wasser lief durch die Ritzen in den zweiten Koffer auf den Richter, und der rief: »Bürgermeister, halt an!« Der Bürgermeister erkannte den Richter an der Stimme und sagte: »Bist du auch da?« Darauf hielt auch der Richter seine Notdurft nicht mehr in Schranken und pinkelte, so daß der Almami im untersten Koffer ein zweites Bad erhielt und rief: »Hör' auf, Richter, hör' auf! Ich, der Almami, bin ja unter euch!« Darauf sagte der Bürgermeister: »Wenn wir alle drei hier sind, dann wollen wir doch schreien!« Der Almami sagte: »Wir wollen nicht schreien!« Der Bürgermeister begann aber aus seinem Koffer heraus zu schreien.

Das Schreien hörte die Menge, die ängstlich durch die Straßen eilte. Einige Leute sagten: »Kommt, bei der Hure prügeln sich zwei Männer!« Alles kam angerannt. Die Leute sahen keinen Menschen im Hause, aber die Pisse, die aus dem Koffer gelaufen war. Sie hörten Stöhnen und Rufen.

Da brachen die Leute die drei Koffer auf und der Bürgermeister, der Richter und der Almami kamen ganz nackt herausgekrochen.

Kallondji und sein Sohn

Mande

Kallondji (= Ndji der Lügner) und Tonjandji (= Ndji der Wahrhaftige, der immer die Wahrheit sagt) gingen zusammen auf Reisen. Tonjandji sagte: »Wer von uns beiden ist Silatigi (der Reisechef)?« Kallondji sagte: »Ich will Silatigi sein!« Tonjandji sagte: »Nein, ich will Silatigi sein.« Kallondji sagte: »Nein, ich will Silatigi sein!« Tonjandji sagte: »Du kannst drei Tage vor mir abmarschieren, und ich werde dich in einer Stunde einholen. Deshalb ist es besser, wenn ich Silatigi bin.« Da sagte Kallondji: »So sei du Silatigi; wir wollen es versuchen.«

Die beiden wanderten ab. Sie kamen am Abend des ersten Tages an ein Dorf, dessen Häuptling begrüßte sie und fragte: »Wo kommt ihr her?« Tonjandji sagte: »Wir kommen aus Tonjadugu« (aus dem Lande der Wahrhaftigen). Darauf sagte der Dorfchef nichts, aber die zwei Wanderer erhielten nichts zu essen. Sie kamen am anderen Tage in ein Dorf. Es war die gleiche Sache. Sie bekamen wieder nichts zu essen. So ging es während drei Tagen, und als sie dann gar zu großen Hunger hatten, sagte Kallondji: »So geht es nicht weiter.« Tonjandji sagte: »Nein, so geht es nicht weiter, jetzt kannst du einmal Silatigi sein.« Kallondji sagte: »Gut!«

Sie kamen wieder in ein Dorf. In diesem Dorfe war gerade der Sohn des Häuptlings gestorben. Es war ein wunderschöner Bursche, und keiner kam ihm im ganzen Lande gleich. Als die beiden in das Dorf kamen, klagten alle Weiber, heulten alle Alten. Kallondji kümmerte sich nicht darum, sondern sagte barsch: »Guten Tag, ich will trinken, gebt mir Wasser!« Tonjandji sagte: »Gib acht, daß du die Leute nicht reizt; sieh, alle klagen!« Kallondji sagte: »Ach was! Was gibt es denn?« Die Leute sagten: »Der Sohn unseres Häuptlings ist gestorben, und das war der schönste Bursche im ganzen Lande!«

Kallondji sagte: »Was? Das ist alles? Könnt ihr ihn denn nicht wiedererwecken?« Die Leute sagten: »Nein, kannst du es denn?« Kallondji sagte: »Nichts einfacher als das. Wenn ihr es wollt, kann ich das ja morgen früh tun. Zunächst gebt mir aber einmal Wasser zum Trinken, denn ich habe Durst.« Die Leute sagten: »Wer so etwas kann, darf nicht Wasser trinken, dem soll man Milch bringen.« Man brachte eine große Schale mit Milch. Alle Leute bemühten sich um Kallondji und Tonjandji. Der Dorfhäuptling kam auch herbei und sagte: »Du kannst meinen Sohn erwecken?« Kallondji sagte: »Nichts ist einfacher. Wenn du es zahlst, will ich es morgen früh ausführen.« Der Dorfchef sagte: »Ich will dir zwei männliche und zwei weibliche Sklaven, zwei Kühe und zwei Pferde geben.« Kallondji sagte: »Gut, also morgen früh!« – Darauf kam nun jeder, der einen teuren Verstorbenen hatte, und setzte sich zu Kallondji. Der eine sagte: »Wenn du mir meinen im vorigen Jahre verstorbenen Vater erwecken willst, werde ich dir eine Kuh schenken.« Ein zweiter sagte: »Wenn du mir meine vor zwei Jahren verstorbene Frau erwecken willst, sollst du von mir einen Sklaven erhalten.« Kallondji sagte: »Gut, ich werde euch alle eure Toten morgen früh erwecken und ihr bezahlt mir das dann.« Die Leute brachten Kallondji und Tonjandji sehr viel gute Speise. – Abends sagte Tonjandji: »Wollen wir nun nachts fliehen?« Kallondji sagte: »Warum denn? Morgen werde ich gut verdienen und wir werden ausgezeichnet essen.«

In der Nacht machte sich Kallondji eine kleine Kalebasse zurecht zu einem Baranikurrukurru. (Dies Instrument besteht aus einer Blasekugel, über deren Löcher Membranen von Spinnweben gezogen sind.) Am anderen Morgen fragte Kallondji: »Habt ihr schon das Grab gegraben?« Die Leute sagten: »Ja, das ist geschehen.« Kallondji sagte: »So bringt den Toten dahin und laßt dort alles Volk zusammenkommen.« Er ging selbst hin, stieg in die Grube und höhlte mit den Händen noch sorgfältig den Seitengraben aus. Dann sagte er: »Legt den Toten hinein und deckt ihn mit einem Tuche zu.« Die Leute taten es. Kallondji kroch dann selbst unter das Loch.

Kallondji wandte nun erst den Kopf nach oben und rief laut durch das Tuch in der Richtung auf das versammelte Volk: »Nakunu« (d. h. »ich erwecke dich«). Dann beugte er sich vor und hinab und sprach gegen den Boden in die Blasekugel: »Nilakunu inam bè kunu« (d. h. »wenn du einen erweckst, dann erwecke uns andere Tote auch«). Das wiederholte er dreimal. Dann fuhr er aber empor: »Ach, das ist dumm!«

Der Dorfhäuptling fragte: »Was ist dumm?« Kallondji sagte: »Es ist nichts Besonderes. Es ist da nur dein älterer Bruder, der vor dir das Dorf regiert hat, der will durchaus als erster und vor deinem Sohne erweckt werden. Wir werden ihm als dem ältesten Mitglied deiner Familie willfahren müssen. Warte also einen Augenblick, er ist sogleich am Leben.« Der Häuptling sagte: »Nein, das will ich nicht. Das will ich auf keinen Fall, das will ich nicht.« Er sagte das, denn der verstorbene ältere Bruder war ein sehr guter und beliebter Dorfchef gewesen, während er selbst rauh und unbeliebt war. Wenn nun der ältere Bruder wieder lebendig geworden wäre, so wäre es mit seiner Macht zu Ende gewesen. Der Häuptling sagte also: »Nein, das will ich nicht.« Kallondji sagte: »Das geht aber nicht anders. Entweder alle oder keinen, denn man kann nicht so unhöflich sein, einem so angesehenen Manne wie deinem ältesten Bruder den Vortritt vor einem so jungen Fant wie deinem gestern verstorbenen Sohn zu verweigern.« Der Häuptling sagte: »So will ich, daß keiner erweckt wird.« Kallondji sagte: »Und wer bezahlt mich dann?« Der Häuptling sagte: »Ich habe die Sache angeregt und werde dir deswegen zahlen, was ich versprochen habe.« Kallondji sagte: »Gut denn!« Er stieg aus der Grube. Er erhielt die Bezahlung vom Häuptling und kehrte als wohlhabender Mann heim.

 

Kallondji starb als wohlhabender Mann. Er hinterließ eine Frau und einen Sohn, den diese Frau ihm geboren hatte. Als der Junge herangewachsen war, hatte er sehr bald sein väterliches Erbteil verschleudert. Es verblieb Mutter und Sohn nichts als eine Stute und ein Ohrring, den die Mutter im Ohr trug. Als der Sohn Kallondjis derart fast alles verbraucht und verschwendet hatte, schalt die Mutter und sagte: »Pfui, schäme dich! Dein Vater hat durch geschicktes Lügen sehr schnell dieses Haus gefüllt und uns zu wohlhabenden Leuten gemacht. Du bist ein Taugenichts, der nichts von der Kunst seines Vaters geerbt hat.« Der Sohn Kallondjis sagte: »Oho, das wollen wir erst einmal sehen.«

Der Sohn Kallondjis sagte zu seiner Mutter: »Leih mir deinen goldenen Ohrring!« Die Mutter gab ihn. Der Sohn ballte ihn in einen Brei und warf den Ballen, wie man eben Pferden Medikamente gibt, dem Pferd in den Hals. Die Stute verschluckte den Ballen. – Am anderen Tage ritt er mit dem Pferd zum König und sagte: »Hier ist ein Pferd, das ist so ausgezeichnet, daß es sich nicht für einen gewöhnlichen Mann schickt. Es ist ein Pferd für einen König. Es macht nämlich, wenn es seinen Mist fallen läßt, immer Gold darin. Willst du es kaufen?« Der König sagte: »Das ist unmöglich. Das ist gelogen.« In dem Augenblick hob das Pferd seinen Schwanz und ließ seine Pferdeäpfel fallen. Der Sohn Kallondjis sagte: »Paß auf!« Er zeigte seine flachen leeren Hände, drückte einen der Mistballen auseinander und – da lag der Goldballen. Der König sagte schnell: »Was kostet das Pferd?« Kallondjis Sohn sagte: »Das Pferd kostet fünf Sklaven und fünf Sklavinnen.« Der König gab dem Burschen die zehn Sklaven, und damit kam der Sohn Kallondjis heim. Die Mutter sagte: »Was, so viel gewinnst du auf einer einzigen Reise?« Der Sohn sagte: »Das ist noch gar nichts. Paß auf, was weiter kommt!«

Der König ließ für die goldmistende Stute nun sogleich einen hohen Stall bauen, der war von einer mächtigen Mauer umgeben. Die Stute war darin. Dazu wurden sieben Pferdejungen hineingesperrt und dann die Türe zugemauert. Futter fürs Pferd und Essen für die Leute wurden von oben durch ein Loch in der Mauer hineingeworfen. Der Mist wurde drinnen auf einen großen Haufen geworfen. Nach drei Monaten rief der König alle seine Sklaven und Sklavinnen zusammen. Sie mußten sich ganz nackt ausziehen, und dann mußte die ganze Reihe mit Schüttelsieben den Mist durchschütteln. Er selbst stand daneben. Aber – es kam nicht ein Krümchen Gold zum Vorschein. Der König wurde nun über alle Maßen wütend und sagte: »Der Sohn Kallondjis hat mich betrogen! Ruft ihn sofort herbei; ich will ihn töten.« Einige Leute gingen hin, um den Sohn Kallondjis zu rufen.

Der Sohn Kallondjis hatte gerade einen Hammel geschlachtet und ihn aufgeteilt, als die Leute kamen. Als er sie aus der Ferne kommen sah, füllte er schnell ein langes Darmende mit Blut und band es zu. Er ging in das Haus, band es seiner Mutter um den Hals und sagte: »Nun tue nur alles, wie ich es will. Verdecke den Darm mit deinem Kleid.« Er ergriff einen Kuhschwanz und steckte ihn in die Tasche. Die Leute des Königs kamen herein und sagten: »Der Sohn Kallondjis soll zum König kommen.« Der Bursche sagte: »Ich komme gern. Mutter, begleite mich!« Sie kamen zum König.

Beim König war große Versammlung. Der Sohn Kallondjis kam mit seiner Mutter herein. Der König sagte: »Du hast mich mit deiner Stute in einer ganz gemeinen Weise belogen. In den Pferdeäpfeln ist kein Gold. Ich will dich töten.« Die Mutter des Sohnes Kallondjis sagte: »Nein, töte ihn nicht! Laß ihn leben!« Darauf aber stürzte sich der Sohn Kallondjis auf seine Mutter, warf sie hin und schnitt den Darm, der um ihren Hals gebunden war, durch. Darauf floß das Blut über die Erde hin und dem König bis vor die Füße. Die Frau blieb aber wie tot liegen.

Der Sohn Kallondjis sagte sehr gelassen zum König: »Nun können wir die Angelegenheit mit dem Pferd erledigen.« Der König sagte: »Nein, erst wollen wir das hier erledigen! Vor meinen Augen hast du deine Mutter getötet.« Der Sohn Kallondjis sagte: »Diese Angelegenheit mit meiner Mutter ist ganz unwichtig, denn die kann ich natürlich jeden Augenblick wieder zum Leben erwecken. Dagegen ist die Sache mit den zehn Gefangenen, die du mir für meine goldmistende Stute gegeben hast, viel schwieriger.« Der König sagte: »Was, du kannst deine Mutter ohne weiteres wieder zum Leben erwecken?« Der Sohn Kallondjis sagte: »Natürlich!« Der König sagte: »So tue das zuerst.«

Der Sohn Kallondjis sagte: »So laß eine Kalebasse mit Wasser kommen!« Das Wasser kam. Der Sohn Kallondjis zog den Kuhschwanz hervor. Er tauchte ihn in das Wasser und sagte: »Mein Kuhschwanz, den ich von meinem Vater Kallondji empfangen habe, der ihn von seinem Vater empfangen hat – wenn du wahrhaftig mein Kuhschwanz bist, so mache diese Frau wieder lebendig.« Damit schlug er auf seine Mutter, sie mit Wasser besprengend. Das wiederholte er dreimal. Dann erhob sich seine Mutter. Sie nieste. Der König fragte sogleich: »Diesen Kuhschwanz muß ich haben. Wieviel forderst du für deinen Kuhschwanz?« Der Sohn Kallondjis sagte: »Der Kuhschwanz ist mir nicht feil. Außerdem ist erst noch die Affäre mit der goldmistenden Stute und den zehn Sklaven, die du dafür gabst, zu erledigen.« Der König sagte: »Die Angelegenheit mit dem Pferd wollen wir vergessen. – Aber der Kuhschwanz! So ein Kuhschwanz ist eine Sache für einen König. Ein König ist sehr oft zornig und tötet dann. Zuweilen tötet er aber in der Hitze Leute, die ihm teuer sind. Alsdann ist es ausgezeichnet, wenn er mit einem solchen Kuhschwanz die Leute wiedererwecken kann! Ich will dir noch zehn Sklaven für den Kuhschwanz geben!« Der Sohn Kallondjis sagte: »Du bist König. Wenn du durchaus willst, so will ich dir den Kuhschwanz für diesen Preis verkaufen.« Dann nahm der Sohn Kallondjis wieder zehn Sklaven und ging mit seiner Mutter und dem neuen Besitz heim. Der König aber erhielt den Kuhschwanz.

Eines Tages nun war der König betrunken. Seine Spielleute waren um ihn und sangen. Er wurde immer betrunkener. Dann rief er seine liebste Frau und sagte zu ihr: »Bring mir schnell Wasser zum Trinken, sonst schlage ich dich tot.« Die Frau sah die Betrunkenheit des Königs und mußte sehr lachen. Darüber geriet der König aber in sehr großen Zorn. Er sprang auf und schlug seine Frau tot. Die Dialli standen bestürzt auf und wollten gehen. Der König sagte aber: »Bleibt! Trinken wir weiter! Das ist nachher schnell geregelt, denn die Frau kann ich jeden Augenblick wieder beleben!« Die Dialli sagten: »Tu es gleich, sonst verläßt uns nicht die Angst!« Der König sagte ärgerlich: »So bringt mir eine Kalebasse mit Wasser und den Kuhschwanz Kallondjis herbei!«

Die Sklaven gingen und brachten den Kuhschwanz Kallondjis und eine Kalebasse mit Wasser. Der König tauchte den Kuhschwanz ins Wasser und sagte: »Mein Kuhschwanz, den ich von dem Sohne Kallondjis empfangen habe, der ihn von seinem Vater Kallondji empfangen hat, der ihn von seinem Vater empfangen hat – wenn du wahrhaftig mein Kuhschwanz bist, so mache die Frau wieder lebendig!« Damit schlug er auf seine Frau, sie mit Wasser besprengend. Das wiederholte er dreimal. Aber die Frau erhob sich nicht. Darauf schlug er wieder und wieder auf die Frau, bis der Kuhschwanz, der ein alter Kuhschwanz war, kurz und klein geschlagen war. Nun wurde der König über alle Maßen wütend. Er schrie: »Bringt mir sogleich den Sohn Kallondjis. Er hat mich betrogen, und ich will ihn totschlagen!«

Die Boten kamen zum Sohne Kallondjis. Der aß gerade Erdnüsse. Sie sagten zum Sohne Kallondjis: »Komm sogleich zum König!« Der Sohn Kallondjis steckte den Rest der Erdnüsse in die Tasche und ging mit den Boten zum König. Er wollte sprechen; der König sagte aber: »Der Bursche darf nicht ein Wort reden! Nicht ein Wort. Sowie er spricht, ist man betrogen. Bringt eine Kuhhaut herbei!« Die Kuhhaut wurde herbeigebracht. Der Sohn Kallondjis wurde hineingewickelt. Die Kuhhaut wurde geschlossen. Dann wurde das Paket noch verschnürt. Während das geschah, schob der Sohn Kallondjis noch eine Handvoll Erdnüsse in den Mund. Als das Paket fertig war, sagte der König: »So, nun kommt; wir wollen den Sohn Kallondjis ins Wasser werfen. Ich werde selbst mitgehen, um zu sehen, ob es richtig geschieht.«

Der König machte sich mit den Leuten auf. Zwei Leute trugen das Paket mit dem Sohn Kallondjis auf dem Kopf. Sie kamen so bis an den Uferwald. Als sie im Uferwald angekommen waren, setzte eine schwer verwundete Antilope über den Weg. Ein Jäger hatte sie angeschossen. Der König rief: »Fangt sie!« Die Leute und der König sprangen sogleich hinterher. Die, die das Paket mit dem Sohn Kallondjis getragen hatten, legten es auch auf den Weg und sprangen mit hinter der Antilope her. – Das Paket lag auf dem Wege. Diulla kamen des Weges; die hatten eben den Fluß überschritten. Als der letzte der Diulla vorbeikam, steckte der Sohn Kallondjis von den Erdnüssen in den Mund und aß. Er knackte im Munde die Erdnüsse. Der Diulla hörte das, blieb erstaunt stehen und sagte:

»Das Paket ißt!« Der Sohn Kallondjis sagte: »O nein, das ist kein Paket, dem man so ausgezeichnete Sachen zu essen gibt. Das ist eine Menschenlast!« Der Diulla sagte: »Was ißt du?« Der Sohn Kallondjis sagte: »Ach, ich habe viel zuviel; mach ein wenig auf, dann gebe ich dir das übrige!« Der Diulla öffnete das Paket. Der Sohn Kallondjis sprang empor. Er war viel stärker. Er stopfte den Diulla in die Kuhhaut und schnürte das Paket wieder zu. Dann ging er von dannen.

Der König kam mit den Leuten von der Antilopenhetze zurück. Die beiden Träger nahmen ihr Paket wieder auf. Der Mann im Paket schrie: »Ich bin ein Diulla; ich bin ein Diulla! Ich bin ein Diulla!« Die Leute sagten: »Daß du ein Kaufmann bist, hat der König wohl bemerkt. Außerdem hast du ihn zu sehr belogen.« Sie kamen an den Fluß. Der König sagte: »Steigt in ein Boot, fahrt in jener Richtung. Werft ihn dort vor dem Strudel, wo es am tiefsten ist, ins Wasser.« Die Leute taten es. Der König paßte genau auf. Als es geschehen war, sagte er: »Nun ist es gut. Kommt heim!« Der König kehrte mit den Leuten in die Stadt zurück.

Der Sohn Kallondjis war inzwischen auch heimgegangen. Er verkaufte sein gesamtes Besitztum und handelte dafür schöne Kleider und Gold ein. Eines Tages war bei dem König große Versammlung. Da begab er sich an den Hof. Er hatte ein herrliches Kleid angelegt, wie man es hier im Lande noch nicht gesehen hatte. Die rechte Hand hatte er gefüllt mit Gold. Er kam in die Halle. Alle Leute, die da waren, murmelten: »Oh, welch schönes Kleid; oh, welcher Reichtum! O wie schön!« Der König selbst hätte beinahe etwas ausgerufen. Der Sohn Kallondjis ging aber direkt auf den König zu. Er reichte kühn die rechte Hand mit dem Gold zum König hinauf und sagte: »Dein verstorbener Vater läßt dir durch mich einen guten Tag sagen. Ich habe etwas von der Erde da unten aufgenommen und bringe es dir als kleines Geschenk. Dort unten ist nämlich alle Erde Gold.« Der König sah das Gold. Der König fragte: »Hat dir mein Vater sonst nichts gesagt?« Der Sohn Kallondjis sagte zögernd: »Ja, er hat gesagt, du möchtest ihn doch einmal dort unten besuchen und sollest mich solange als Stellvertreter hier lassen.« Der König sah das Gold; er sah die herrliche Kleidung; er sagte: »Ja, ich werde mich sogleich fertig machen.« Der Sohn Kallondjis sagte: »Ich bin bereit, dich dahin zu bringen und dich dann hier zu vertreten, wenn du mir versprichst, sehr bald wiederzukommen. Denn ich habe mich da unten gleich angesiedelt und habe 20 junge Frauen zum Geschenk erhalten. Deshalb will ich bald zurück.« Der König sagte: »Ich verspreche es dir.«

Ehe der Sohn Kallondjis den König in die Rinderhaut einwickelte, sagte er: »Paß genau auf den Weg auf! Da, wo du unten im Wasser ankommst, da ist gerade das Tor in die andere Welt.« Der König sagte: »Laß mich nur an der rechten Stelle ins Wasser werfen!« Der Sohn Kallondjis sagte: »Darauf kannst du dich verlassen!«

Der Sohn Kallondjis brachte als Vertreter des Königs das Paket mit dem König hinaus und ließ es an derselben Stelle, an der der Diulla versenkt war, ins Wasser werfen. Als es untergegangen war, nahm er die Axt von seiner Schulter, warf sie auf die Erde und sagte zu den Sklaven des Königs: »Von jetzt ab bin ich euer König!«

So ward Kallondjis Sohn König. Wenn er und sein Vater das Lügen nicht so gut verstanden hätten, wäre das sicher nicht geschehen.

Der bekehrte Räuberhauptmann

Kordofan

Ein armer Mann namens Said war verheiratet. Er hatte zwei kleine Kinder, und es wurde ihm schwer, jeden Tag das Nötige zu verdienen. Der Mann hatte einen Ochsen. Eines Tages hatte der Mann nichts Rechtes zum Essen finden können. Da sagte seine Frau zu ihm: »Mein Said, wir haben diesen Ochsen, der uns nichts nütze ist. Ein Ochse kann unsern Kindern nicht täglich etwas zur Nahrung bieten wie Ziegen oder Schafe. Ich rate dir also, den Ochsen zu verkaufen und dafür einige Ziegen oder Schafe zu erstehen.« Said sagte: »Du hast recht; ich will den Ochsen forttreiben und einen Käufer suchen.« Said machte sich mit dem Ochsen auf den Weg, um den nächsten Marktplatz aufzusuchen. Als er aber ein Stück weit gekommen war, kamen ihm vierzig Räuber mit ihrem Schech an der Spitze entgegen. Der Räuberhauptmann sagte: »Du kommst uns gerade zu recht in den Weg; denn da ich heute abend meinen Leuten ein Essen geben soll, brauche ich ein Schaf. Dein Schaf ist mir nun sehr geeignet!« Said sagte: »Verzeih Herr, es ist ein Ochse!« Der Räuberhauptmann sagte: »Schweige; wenn ich dir sage, daß es ein Schaf ist, dann ist es so! Ich werde dir also den Preis für ein Schaf dafür zahlen.« Said sagte: »Herr, bedenke, daß ich ein armer Mann bin und Kinder habe. Zahle mir also den Ochsen.« Der Räuberhauptmann aber sagte: »Welches ist denn der Beweis, daß es ein Rind ist? Ich sehe nur ein Schaf!« Said sagte: »Herr, sieh doch nur den Schwanz an!« Der Räuberhauptmann lachte und sagte: »Wenn das alles ist, so soll dir schnell geholfen werden.« Er schnitt den Schwanz des Ochsen ab, warf ihn Said zu, zahlte vierzig Piaster als Preis für ein Schaf und ritt mit seinen vierzig Räubern und dem Ochsen von dannen.

Said nahm die vierzig Piaster und den Ochsenschwanz und machte sich auf den Heimweg. Nachdem Said ein Stück weit gegangen war, sagte er bei sich: »Es wird besser sein, ich sehe mich nach dem Wege um, den mein armes Schaf gegangen ist, damit ich nachher Bescheid weiß.« Er wandte sich also um und suchte die Fährte der Räuber. Er sah nun, daß sein Ochse infolge des Schwanzschnittes viel Blut verloren und so eine gute Spur gezeichnet hatte. Er folgte ihr, bis er in der Ferne das Haus des Räuberhauptmannes sah; dann kehrte er zu seiner nicht allzu entfernten eigenen Behausung zurück.

Als er daheim angekommen war, sagte er: »Zunächst habe ich unsern Ochsen verkauft, aber nur die Anzahlung im Preise eines Schafes erhalten.« Die Frau sagte: »Hast du denn von dem Käufer eine Sicherheit dafür erhalten, daß er auch den Rest zahlt?« Said sagte: »Gewiß, eine solche Sicherheit habe ich.« Dabei zog er den Schwanz des Ochsen heraus und zeigte ihn. Die Frau sagte: »Das ist eine merkwürdige Sicherheit.« Said sagte: »Warte nur! Du wirst schon sehen, daß der Mann gern ganz außerordentliche Summen zahlen wird. Komm nur heute abend mit mir.«

Als es Abend geworden war, zog Said die schönsten Kleider seiner Frau an, band sich aber darunter den Ochsenschwanz um den Leib. Dann sagte er: »Nun komm mit mir. Wir sind jetzt beide Frauen.« Die Frau begleitete ihren Mann, und als sie in die Nähe des Gehöfts des Räuberhauptmanns gekommen waren, sagte Said: »Mein Frau, nun halte dich hier versteckt. Du siehst dort drüben die große Seriba (Ansiedlung) mit dem großen Haus. Ich werde dort hineingehen und werde längere Zeit brauchen, um die zweite Zahlung für unsern Ochsen einzustreichen. Warte hier auf mich und hilf mir dann, das Geld heimzutragen.« Die Frau blieb also zurück.

Said ging aber in seinen Frauenkleidern bis zur Seriba des Räuberhauptmanns. Dort setzte er sich in der Stellung einer bittenden Frau am Tore nieder. Der Räuberhauptmann war gerade damit beschäftigt, das Fleisch des geschlachteten Ochsen unter seine Leute zu verteilen. Als er damit fertig war und sein Blick auf die fremde schöne Frau, als die Said sich verkleidet hatte, fiel, sagte er: »Frau, wer bist du? Was willst du?« Die Frau (Said) sagte: »Ich bin aus einer andern Gegend und wollte heimkehren. Ich verlor die Spur meines Mannes und finde mich im Dunkeln nicht mehr zurecht. Ich bin mit jedem Lager zufrieden, das du mir etwa für die Nacht anweisen kannst.« Der Räuberhauptmann sagte: »Wenn du still sein und kein Geräusch machen willst, so daß meine Frau nichts von deiner Anwesenheit hört, dann will ich dich wohl mit in meine Kammer nehmen.« Die fremde Frau sagte: »Ich werde sicher kein Geräusch machen, wenn du keines machst.« Darauf brachte der Räuberhauptmann die fremde Frau in die Kammer, in der er zu schlafen pflegte und in der außer seinem Angareb auch die Truhe mit seinen Schätzen stand und ging dann hinaus.

Der Räuberhauptmann ging zu seiner Frau hinüber und sagte: »Meine Gattin, schlafe du nur heute allein; ich werde dich nachts nicht besuchen können, da ich noch auswärts eine Sache einzurichten habe.«

Dann ging der Räuberhauptmann wieder in seine Kammer zu der fremden Frau zurück. Said hatte sich inzwischen umgesehen. Er hatte die eiserne Truhe betrachtet und hatte einen starken Strick entdeckt, der von der Decke ziemlich weit herabreichte und in einer Schleife endigte, die man heraufziehen konnte. Said setzte sich dann auf das Bett. Der Räuberhauptmann kam herein und sagte: »So, nun wird uns niemand mehr stören. Nun können wir ein wenig miteinander spielen.« Die fremde Frau sagte: »Das ist gut.« Dann zog Said das Tuch vom Gesicht. Said hatte aber ein schönes Gesicht. Der Räuberhauptmann wollte sich zu der fremden Frau auf das Angareb setzen. Die fremde Frau aber sagte: »Ich denke in einem fort darüber nach, wozu dieser Strick ist, der dort von der Decke herabhängt und in einer Schleife endet.« Der Räuberhauptmann sagte: »Dieser Strick ist dazu da, meine Leute, wenn sie einen Fehler machen, an den Beinen aufzuziehen und dann zu züchtigen.« Die fremde Frau sagte: »Das ist merkwürdig. Ich verstehe das nicht. Ziehe mich doch einmal daran empor.« Der Räuberhauptmann sagte: »Nicht doch! Du bist eine Frau. Aber wenn du es einmal sehen willst, so ziehe doch mich hinauf.« Die fremde Frau sagte: »Strafen dich deine Leute denn nicht auch, wenn du einen Fehler machst?« Der Räuberhauptmann lachte und sagte: »Nein, das wagt kein Mensch, mich zu strafen. Ich mache auch keine Fehler.« Die fremde Frau sagte: »Ich kann mir das nicht vorstellen.« Der Räuberhauptmann sagte: »Zieh mich nur ruhig einmal hinauf, dann siehst du die Sache.«

Da stand die fremde Frau auf. Der Räuberhauptmann legte sich auf die Erde und steckte die Füße in die Schlinge. Der Räuberhauptmann sagte: »Nun braucht nur ein starker Mensch den Strick in die Höhe zu ziehen. Du bist aber als Frau nicht stark genug.« Die fremde Frau ergriff aber den Strick und zog den Räuberhauptmann mit einem Ruck in die Höhe, so daß er in der Luft hing. Der Räuberhauptmann erschrak und sagte: »Langsam, das schmerzt.« Die fremde Frau sagte: »Und dann bekommen die, die einen Fehler begangen haben, auch noch Streiche?« Der Räuberhauptmann sagte: »So ist es!« Said warf die Frauenkleidung weg und zog den Ochsenschwanz heraus. Der Räuberhauptmann erschrak. Said sagte: »Etwa hiermit? Etwa so?« Der Räuberhauptmann erkannte Said und schrie: »Laß doch! Ich bitte dich! Laß doch! Ich will dir den Ochsen ja voll bezahlen.« Said aber schlug mit dem Ochsenschwanz, daß dem Räuberhauptmann der Schweiß und das Blut herabliefen.

Als der Räuberhauptmann nun so baumelte und sich an dem Strick hin und her wand, fiel aus seiner Brusttasche der Schlüssel zu der eisernen Truhe. Said sah es. Said nahm den Schlüssel auf und sagte: »So so! Du willst mir also meinen Ochsen gut bezahlen.« Said ging zur eisernen Truhe und schloß sie auf. Der Räuberhauptmann sagte: »Es war ja nur ein Ochse, und vierzig Piaster habe ich dir schon gezahlt.« Said sagte: »Mein Freund, du hast keine klare Vorstellung:

Heute morgen sagtest du, es sei ein Schaf. Heute abend sagst du, es sei ein Ochse. Morgen wirst du sagen, es sei eine Ochsenherde, übermorgen, es seien zwei Ochsenherden gewesen. Du weißt also nicht so genau damit Bescheid, und es ist einfacher, ich greife deiner Meinung von morgen vor und nehme gleich das Geld für die ganze Ochsenherde!« Damit nahm Said einen ganzen Sack voll Gold und hob ihn auf die Schulter. Er trug ihn aus dem Hause. Als er aus der Türe war, rief der hängende Räuberhauptmann ihm Schimpfworte nach. Said aber sagte bei sich: »Diese letzten Worte bezahlt er mir morgen.«

Said trug den Goldsack und seine Kleider zur Seriba hinaus. Er traf seine Frau. Seine Frau sagte: »Ich hörte einen Mann schreien.« Said sagte: »Das war mein Freund, der mir den Ochsen abgekauft hat und nun bezahlte. Beim Zahlen segnete er aber seine Münze und ich dankte ihm. Das machte einiges Geräusch, wie es bei allen Geschäftsverhandlungen mit dieser Art Leuten üblich ist. – Merke dir übrigens den Weg. Du mußt morgen früh hierher zurückgehen und hören, was die Leute sprechen.« Dann gab Said seiner Frau die Kleider zu tragen, nahm selbst das Gold und den Ochsenschwanz über die Schulter und ging mit seiner Frau nach Hause.

Am andern Morgen war die Frau Saids früh an der Seriba des Räuberhauptmanns. Es waren schon viele Leute zusammengekommen und standen um das Haus. Sie banden ihren Schech los und sagten: »Wer tat das nur? Wie konnte das nur geschehen?« Der Räuberhauptmann sagte: »Das hat der Mann getan, dem ich gestern den Ochsen als Schaf abkaufte und der sich mit dem Ochsenschwanz gleich für eine ganze Herde bezahlen ließ.« Die Leute banden den Schech los. Der Schech war so zerschlagen, daß er kaum stehen konnte. Der Schech sagte: »Legt mich auf mein Angareb, und wenn ein Arzt vorbeikommt, ruft ihn herein und bittet ihn, nach mir zu sehen.« Die Frau Saids hörte das. Die Frau Saids ging heim und erzählte alles ihrem Manne.

Said kaufte sich in aller Eile im Basar die Kleidung eines Arztes. Dann machte er sich auf den Weg und ging am Hause des Räuberhauptmanns vorbei. Said hörte den Räuberhauptmann im Hause wimmern. Er trat mit einem Gruß herein und sagte: »Ich hörte hier einen Menschen klagen, und da er nun anscheinend leidend ist, ich aber Arzt bin, so will ich ihm helfen.« Der Räuberhauptmann sagte: »Komm her und sieh nur meine Wunden und Striemen.« Said besah sie und sagte: »Ich sehe, die Sache will ernst behandelt sein. Ich will nach Hause gehen und Medikamente bereiten. Mit Dunkelheit will ich wieder hier sein und kann dich dann dem Wesen der Sache entsprechend behandeln.«

Der Räuberhauptmann sagte: »Tu das, lieber Arzt. Wenn du mich so behandelst, wie es mein Zustand wünschenswert macht, will ich dich meinem Besitztum entsprechend bezahlen.« Said ging.

Said ging nach Hause. Er band sich den Ochsenschwanz unter den Rock, nahm einige Flaschen mit sich und ging zu dem kranken Räuberhauptmann zurück. Er trat bei ihm ein und sagte: »So, nun will ich dich deinem Zustand entsprechend behandeln. Vorher aber erzähle mir, wie diese Striemen und Wunden entstanden, denn je nachdem ob sie durch Stock oder Schnur oder Peitsche oder Kette entstanden sind, muß ich das Heilmittel auswählen.« Der Räuberhauptmann sagte: »Ich hatte mit meinen Genossen einem armen Mann seinen Ochsen weggenommen und ihn nur als Schafbock mit vierzig Piastern und dem abgehackten Schwanz des Ochsen bezahlt. Da kam der Mann gestern abend, hing mich auf und schlug mir die Wunden mit dem Ochsenschwanz!« Said riß den Ochsenschwanz unter den Kleidern hervor und sagte: »Ist es der hier?« Der Räuberhauptmann schrie auf. Der Räuberhauptmann sagte: »Ja, das ist er! Jetzt erkenne ich dich! Laß mich! Laß mich!« Said aber begann den Räuberhauptmann mit festen Streichen zu behandeln und sagte: »Warte, mein Freund, erst will ich dich behandeln, wie es dein Zustand wünschenswert macht. Außerdem hast du gestern hinter mir hergeschimpft.« Der Räuberhauptmann schrie: »Laß mich! Laß mich! Ich habe ja deine Ochsenherde bezahlt. Laß mich! Laß mich!« Said schlug aber weiter auf den Räuberhauptmann und sagte: »Wenn du genügend behandelt bist, sage es, dann kannst du mich deinem Vermögen entsprechend bezahlen!« Der Räuberhauptmann riß den Schlüssel zur Truhe aus der Tasche und sagte: »Nimm deine Bezahlung und geh!« Said sagte: »Endlich kommst du zur Vernunft! Ich habe mich auch ganz müde gearbeitet. Wenn du nun still liegst, wird dir bald Gesundheit werden.« Dann band sich Said wieder den Ochsenschwanz unter den Rock, ging zur Truhe, öffnete sie, nahm einen Beutel mit Gold heraus und sagte: »So, mein Freund, nun wird dir leichter ums Herz werden.« Said ging. Als er aus der Türe herausgegangen war, rief der Räuberhauptmann Schimpfworte hinter ihm her. Said sagte: »Diesem Manne muß noch viel Blut abgezapft werden, ehe er gesund wird!«

Said ging nach Hause, übergab seiner Frau das Gold zur Verwahrung und sagte: »Der Mann will morgen noch einmal mit mir sprechen. Gehe also in der Frühe hin und höre, was es gibt.«

Am andern Morgen ging die Frau Saids schon früh zu dem Hause des Räuberhauptmanns. Seine Kameraden drängten sich um ihn und fragten: »Wer hat das nur wieder getan? Wie hat das nur wieder geschehen können?!« Der Räuberhauptmann sagte: »Der Mann, dem ich den Ochsen weggenommen habe, ist gestern als Arzt wiedergekommen und hat mich mehr geschlagen. Seht nur, daß keine Frau und kein Arzt wieder in meine Nähe kommen. Bringt mich auf meinem Bett draußen hinter dem Garten ins Freie und stellt mein Angareb unter den Palmen auf, wo kein Mensch außer den Hirten vorbeikommt. Unter mein Kopfkissen legt aber den Beutel mit Edelsteinen, den wir als Preis für den Listigsten unter uns ausgewählt haben und der mir hier im Hause jetzt nicht sicher genug scheint.« Die Leute taten wie befohlen. Sie brachten den Räuberhauptmann auf seinem Angareb weit hinaus, stellten das Lager mit dem Kranken unter den einsamen Palmen auf und legten ihm den Beutel mit Edelsteinen unter den Kopf.

Die Frau Saids ging aber heim und erzählte ihrem Manne alles. Said ging darauf zu einem Freunde, der Schafhirt war, und sagte: »Leih mir nur heute für diesen Tag deine Kleider, deine Herde und deine Arbeit. Heute abend will ich dir alles wiedergeben und außerdem noch für ein gutes Geschenk sorgen.« Der Freund war damit einverstanden. Said nahm die Kleider des andern, band den Ochsenschwanz unter und trieb dann seine Herde dahin, wo der Räuberhauptmann auf dem Angareb unter den Palmen lag.

Als Said in die Nähe des Räuberhauptmanns kam, hörte er jenen wimmern. Said aber tat so, als ob er es nicht hörte. Er ging langsam mit der Herde weiter und sang: »Welcher Hirte kennt nicht die Kräuter, die die blutenden Wunden der Liebe heilen! Welcher Hirte kennt nicht die Kräuter, die die klaffenden Wunden der Faris (Krieger) heilen! Welcher Hirte kennt nicht die Kräuter, die den Schmerz der sterbenden Könige stillen!« Der Räuberhauptmann hörte den Gesang. Der Räuberhauptmann rief: »Du, Hirte, komm! Raï (Hirte), komm doch!« Said tat so, als ob er es nicht höre; er ging hinter seiner Herde her und sang: »Welcher Hirte kennt nicht die Kräuter, die die blutenden Wunden der Liebe heilen! Welcher Hirte kennt nicht die Kräuter, die die klaffenden Wunden der Faris heilen! Welcher Hirte kennt nicht die Kräuter, die den Schmerz der sterbenden Könige stillen!« Der Räuberhauptmann schrie: »Raï! Raï, so komm doch!« Said sagte: »Wer ruft da?« Der Räuberhauptmann sagte: »Komm hierher unter die Palmen!« Said sagte: »Ich fürchte mich!« Der Räuberhauptmann sagte: »Wie kannst du dich vor mir krankem Manne fürchten, wo du jung und stark, ich aber elend und zerschlagen bin!«

Said kam näher und sagte: »Was willst du? Ich kann meine Herde nicht lange allein lassen!« Der Räuberhauptmann sagte: »Ich bin zerschlagen. Ich bin ganz wund. Kannst du mir Kräuter auf die Wunden legen, daß sie heilen?« Said sagte: »Herr, ich bin jung und unerfahren.« Der Räuberhauptmann sagte: »Du hast selbst eben anders gesungen. Hilf mir. Es soll dir auch vergütet werden.« Said sagte: »Ich kann nur die rechten Kräuter bringen, wenn ich weiß, wie du zu den Wunden kamst.« Der Räuberhauptmann sagte: »Das kann ich dir nicht sagen.« Said sagte: »Siehst du, ich wußte, daß ich dir nicht helfen kann, weil du kein Vertrauen zu mir haben kannst, wo ich so jung bin.« Said wandte sich ab.

Der Räuberhauptmann rief hinter Said her: »Raï, bleib! Ich will dir alles erzählen. Ich hatte einem armen Manne einen Ochsen weggenommen; da hat er mich zweimal mit einem Ochsenschwanz geschlagen.« Said riß seinen Ochsenschwanz heraus und sagte: »Mit einem solchen?« Der Räuberhauptmann schrie: »Er ist es wieder. Nun muß ich sterben!« Said aber schlug heftig auf den Räuberhauptmann ein und brachte ihm eine große Reihe guter Schläge bei. Der Räuberhauptmann schrie zuletzt: »Laß sein! Laß sein! Nimm mir, was du willst, aber laß mich am Leben. Ich habe dir schon all deine Ochsenherden bezahlt, was willst du noch mehr!«

Said sagte: »Was ich noch mehr will? Vor allem, daß du nicht hinter mir herschimpfst, wenn ich gehe; dann, daß du zu einem ehrlichen Lebenswandel zurückkehrst, und endlich den Preis, den ihr für den Listigsten unter euch ausgesetzt habt.« Der Räuberhauptmann stöhnte. Er sah aber den Ochsenschwanz, zog also den Beutel mit Edelsteinen hervor und sagte: »Du bist wirklich der Listigste. Willst du mich nun aber in Frieden lassen?« Said nahm den Beutel und sagte: »Wenn du nicht mehr hinter mir schimpfst und zu einem ehrlichen Lebenswandel zurückkehrst, habe ich nichts mehr mit dir zu tun.« Danach band Said seinen Ochsenschwanz um, steckte den Beutel mit Edelsteinen in die Kleider und trieb seine Herde wieder nach Hause.

Erst brachte Said seinem Freund die Herde zurück, danach brachte er seiner Frau den Sack mit Edelsteinen und sagte: »Nun gehe morgen noch einmal hin, höre, was es gibt und berichte mir. Wenn der Räuberhauptmann jetzt noch einmal abgestraft wird, dürfte es genügen.«

Am andern Morgen ging die Frau in aller Frühe hin. Sie traf die Räuber, die ihren Schech umgaben und immer wieder fragten: »Wie kann das nur immer wieder geschehen? Wer hat das nun wieder getan?« Der Räuberhauptmann sagte: »Es ist immer wieder derselbe Mann, dem ich den Ochsen abnahm.« Dann beschimpfte der Räuberhauptmann Said und sagte: »Er hat mich gestern als Hirt überfallen. Dieser Mensch verlangt nun von mir, ich solle einen ehrlichen Lebenswandel anfangen. Wenn er aber hört, daß ich das nicht vorhabe, wird er mich wieder zu schlagen wissen. Sagt also aller Welt, daß ich gestorben sei und bringt mich und meine Schätze in eine Höhle, die hier in der Nähe ist, die als Grabkammer dienen und die man verschließen kann. Stellt mir Essen und Wein herein, daß ich einige Tage darin leben kann, und dann wird alle Welt, also auch der Mann mit dem Ochsenschwanz, glauben, ich sei gestorben.« Die Freunde sagten: »Es ist recht. So wollen wir es tun.« Die Frau Saids hörte das, lief nach Hause und erzählte alles ihrem Mann. Said ging darauf schnell hin, kaufte sich das Kleid eines Priesters und ein heiliges Buch. In dem Kleid mit dem Ochsenschwanz darunter und dem heiligen Buch in der Hand ging er dann zu dem Hause des Räuberhauptmanns. Die Leute hatten den Räuberhauptmann auf sein Angareb gelegt. Sie hatten ihn mit wertvollen Kleidern bedeckt. Sie hoben ihn auf und trugen ihn hinaus. Einige Leute hatten die goldenen Leuchter und die goldenen Schalen genommen, die der Räuberhauptmann einst erobert hatte. Andere schleppten die Truhe, in der das Gold des Schechs war, und wieder andere brachten Körbe mit Speise und Krüge mit Wein. Die Leute schrien alle: »Unser Schech ist tot! Unser Schech ist tot!« Es waren auch Weiber dazu gekommen, die klagten und schrien nach der Sitte.

Als alle Leute aufbrachen und den Schech forttrugen, kam Said im Priesterkleid mit dem heiligen Buch. Er sagte: »Dies ist ein Toter. Ich will für ihn lesen!« Einige Männer sagten: »Er braucht wohl keinen Priester!« Die Frauen schrien aber: »Was? Keinen Priester? Gewiß muß er einen Priester haben!« Der Priester trat also an die Spitze des Zuges, und der wanderte nun den Bergen zu. Am Berge wurde der Fels vom Eingang einer Höhle zurückgeschoben und das Angareb mit dem Räuberhauptmann hineingetragen. Das Angareb wurde niedergesetzt und die goldenen Schalen und Leuchter wurden rund herum gestellt und die Truhe mit Gold zur Seite und die Körbe mit Speise und Trank in die Nähe. Die Leuchter wurden angezündet, der Priester setzte sich auf die Truhe und schlug eine Stelle seines Buches auf und las.

Die Männer sagten: »Nun wollen wir Abschied nehmen und hinausgehen.« Sie gingen alle an dem Angareb vorüber und schritten hinaus. Die Männer sagten: »Der Priester muß auch herauskommen.« Die Frauen sagten: »Nein, laßt den Priester beten!« Die Männer sagten: »Der Fels muß aber vorgeschoben werden, damit die wilden Tiere nicht hinein können.« Die Frauen sagten: »Die wilden Tiere kommen erst nachts. Laßt die Höhle tagsüber offen und den Priester bei dem Räuberhauptmann.« Es gingen alle nach Haus.

Nachdem alle gegangen waren, blieb der Priester noch einige Zeit auf der Truhe über das Buch gebeugt sitzen. Dann aber richtete er sich auf und sagte: »Ich habe nun nachgerade Hunger und Durst. Die guten Leute haben, wie mir schien, allerhand Speise und Trank mit hereingebracht. Der arme Tote kann das nun nicht mehr genießen. Deshalb will ich mich ein wenig stärken.«

Der Piiester schlug sein Buch zu und legte es auf die Truhe. Dann ging er zu den Körben und nahm von den besten Speisen und vom Wein heraus. Er ging zur Truhe zurück, setzte sich neben den zugedeckten Räuberhauptmann hin und begann zu speisen und zu trinken. Der Priester sagte: »Diese Hammelkeule, dies Kisra und dieser Wein sind ausgezeichnet. Wie traurig ist es, daß der arme Mann hier das nun nicht mehr genießen kann!« Dann aß er wieder und trank eine Weile und sagte: »Die armen Toten haben es doch zu schlecht, daß sie an solchen Dingen keinen Genuß mehr haben.« Dann aß er wieder und trank eine Weile und sagte: »Dafür haben sie aber auch bei Mangel keinen Hunger und Durst. Die Toten leiden nicht, wenn sie einen guten Lebenswandel führten. Ich will nachher wieder lesen! Wie schmeckt das aber gut!«

Dann nahm der Priester noch einen Bissen, den er schmatzend verzehrte, und trank von dem Wein, so daß man es hörte. Der Räuberhauptmann hatte es am Morgen in der Eile unterlassen, gründlich zu speisen, hatte das vielmehr für die lange Zeit in der Höhle aufgespart. Außerdem lag er schon lange Zeit unter den wertvollen dicken Decken, und so ward ihm schwül und er hatte Durst und Hunger. Als der Priester nun laut und vernehmlich neben ihm eine Zeit gegessen und getrunken und die Trefflichkeit der Speisen gelobt hatte, konnte er sich nicht mehr versagen, einmal laut zu seufzen. Als er derart laut seufzte, setzte der Priester die Flasche, die er gerade zum Munde geführt hatte, ab und sagte: »Dieser Tote seufzt anscheinend über den schlimmen Lebenswandel, den er geführt hat. Wenn dem so ist, werde ich mehrere Tage an seiner Bahre lesen müssen, um ihm den Frieden im Jenseits zu erwirken. Es ist gut, daß die Leute so viel Speise und Trank hereingesetzt haben, daß es einige Tage für mich reicht!« Dann trank der Priester wieder.

Der Räuberhauptmann dachte: »Was? Dieser Priester will mehrere Tage hier bleiben? Dann werde ich vor Hunger und Durst sterben! Das ist unmöglich!« Der Räuberhauptmann erschrak. Der Räuberhauptmann warf die dicken wertvollen Stoffe von sich und richtete sich auf. Der Priester sagte: »Oho! Der Tote bewegt sich. Er muß eine große, schlimme Sache begangen haben, daß er nicht Ruhe im Tode finden kann. Sage mir, Toter, was dich bedrängt!« Der Räuberhauptmann fühlte nach der Bewegung die Schmerzen in den Gliedern. Er sagte: »Wie das schmerzt! Gib mir zu trinken!« Der Priester sagte: »Was schmerzt dich? Sage mir, Toter, was dich bedrängt! Denke, daß ich ein Priester bin.«

Der Räuberhauptmann sagte: »Ein Armer, den ich bestahl, schlug mich mit einem Ochsenschwanz!« Said riß den Ochsenschwanz unter dem Priesterkleid hervor und sagte: »Etwa mit dem da?« Als der Räuberhauptmann das sah, schrie er vor Angst auf. Said aber zog ihm einige harte Schläge über. Er sagte: »Hast du mich heute morgen nicht etwa wieder beschimpft? Nennst du diesen Betrug vielleicht den Anfang eines ehrlichen Lebenswandels?« Darauf stürzte der Räuberhauptmann vor Said auf die Knie und sagte: »Nimm mich mit dir. Teile mit mir alles, was ich habe und lehre mich einen ehrlichen Lebenswandel!«

Darauf hob Said den Räuberhauptmann auf. Er legte den Ochsenschwanz beiseite, führte ihn zu seinem Angareb und reichte ihm Speise und Trank. Dann rief er Leute aus der Nachbarschaft, die den Räuberhauptmann und alle seine Schätze in Saids Behausung trugen, so daß die Räuber, als sie abends zurückkamen, die Höhle leer und verlassen fanden. Der Räuberhauptmann ward von Said verbunden und von ihm und seiner Frau gepflegt, bis er gesund war. Said gründete mit ihm einen Handel und gewann ihn mehr und mehr zum Freund. Sie hatten sich zuletzt so aneinander gewöhnt, daß sie beide gemeinsam im hohen Greisenalter an einem Tage starben.

Räuber unter sich

Kordofan

Ein Harami (Räuber, Dieb) wurde häufig bei seinen Unternehmungen ergriffen und dann jedesmal drei oder vier Monate eingesperrt. Zuletzt wurde der Harami ganz traurig und sagte: »Bei dieser Sache kommt für mich nichts Gutes mehr heraus. Ich werde also das, was ich als Harami gelernt habe, in einem andern Beruf auszunutzen versuchen und werde ein Segelboot mieten. Auf den Segelbooten wird viel geraubt, und nun wird es sich ja zeigen, ob ich das, was ich als Räuber zum besten meiner Erwerbungen lernte, zur Erhaltung des Gutes anderer und somit zur Ernährung in anderer Weise nützlich anwenden kann.«

Der frühere Harami kaufte sich also ein Segelboot. Ein Kaufmann gab ihm viele Gefäße mit Butter, daß er sie weit weg auf dem Nil an einem fernen Hafenort abliefere. Der neue Raïs (Kapitän) belud sein Schiff und fuhr dann ab. Eines Nachts schliefen alle Leute des Raïs, nur er allein nicht. Es kamen fünf Harami. Die Harami besahen das Schiff und sahen nach allen Leuten. Der Schech der Harami sagte: »Die Leute schlafen alle. Wir können uns an die Arbeit machen.« Der Raïs dachte: »Nun werde ich sehen, ob ich etwas gelernt habe.« Der Raïs stellte sich auch schlafend.

Die Räuber stiegen also in das Schiff, hoben geräuschlos eine ganze Reihe Butterfässer heraus und trugen sie ans Land. Mit den fünf Lasten machten sie sich dann auf den Weg nach dem Hause ihres Hauptmanns. Der Raïs aber folgte ihnen leise, und als der Räuberhauptmann aufgeschlossen hatte und alle hineingingen, folgte er ihnen. Die Räuber stellten ihre Lasten nieder und gingen wieder. Der Raïs blieb aber im Hause des Hauptmanns in einem dunklen Winkel hinter der Tür. Als die andern Räuber gegangen waren, sagte der Hauptmann zu seiner Frau: »Frau, nimm den Schlüssel zu der kleinen Kammer hinten und leuchte mir. Ich will die Buttergefäße wegstellen.« Die Frau nahm die Schlüssel, und der Mann trug die Buttergefäße hinaus. Sie waren beide herausgegangen, und es war nun außer dem Raïs nur noch das ganz kleine Kind des Hauptmanns im Hause, das schlief. Der Raïs nahm das schlafende Kind, ging mit ihm von dannen und trug es in sein Schiff.

Nachdem der Räuberhauptmann mit seiner Frau die Buttergefäße in der kleinen Kammer weggestellt und den Raum verschlossen hatten, kamen sie wieder in das vordere Haus zurück und legten sich nieder. Dabei sah die Frau des Räuberhauptmanns nach ihrem Kind. Sie fand es aber nicht. Die Frau schrie auf. Der Räuberhauptmann fragte: »Was hast du?« Seine Frau sagte: »Unser Kind ist verschwunden.« Der Mann stand auch auf. Der Mann und die Frau suchten. Sie konnten nichts von dem Kind finden. Das Kind war nicht mehr im Hause. Die Frau weinte aber die ganze Nacht hindurch.

Am andern Morgen ging der Räuberhauptmann zu einem Freund und sagte: »Höre, mein Freund! Du mußt mir in einer ernsten Sache helfen.« Der Freund sagte: »Was ist es?« Der Räuberhauptmann sagte: »Gestern abend ist uns unser Kind gestohlen worden.« Der Freund sagte: »War denn deine Frau nicht bei dem Kind?« Der Räuber sagte: »Sie war nicht bei dem Kind. Sie war nur für kurze Zeit mit mir zu der kleinen Kammer gegangen, die hinter dem Hause ist.« Der Freund sagte: »Was habt ihr da in der Nacht gemacht?« Der Räuber sagte: »Das hat nichts damit zu tun.« Der Freund sagte: »Wenn du mir nicht alles sagst, was hiermit in Verbindung steht, kann ich dir auch nicht raten. Sage also genau, was ihr in der Zeit getan habt. Dann finden wir vielleicht, wo dein Kind zu suchen ist.« Der Räuber sagte: »Wenn du es denn wissen willst, werde ich dir also sagen, was wir taten. Du mußt aber als mein Freund die Sache für dich behalten.« Der Freund sagte: »Natürlich werde ich als dein Freund nicht weiter darüber sprechen. Du mußt mir aber sagen, was sich ereignet hat, damit ich den Zusammenhang finde.«

Der Räuber sagte: »Ich war mit einigen Freunden in der Nacht ausgegangen und habe auf einer Barke einige Gefäße mit Butter gefunden. Diese brachten wir in mein Haus. Nachdem meine Freunde gegangen waren, trugen meine Frau und ich die Buttergefäße in die kleine Kammer, und genau in der Zeit, während der meine Frau und ich in der kleinen Kammer waren, ist unser Kind gestohlen worden.« Der Freund sagte: »Ich kann an der Sache nichts Merkwürdiges finden.« Der Räuber sagte: »Mein Freund, weißt du, wo mein Kind ist?« Der Freund sagte: »Hat denn der Kapitän geschlafen, als er euch die Buttergefäße in der Nacht gab, oder hat er gewacht?« Der Räuber sagte: »Ich denke, er hat geschlafen.« Der Freund sagte: »Ich denke, er hat nicht geschlafen.« Der Räuber sagte: »Wie meinst du das?« Der Freund sagte: »Wenn der Kapitän im Schlafe die Buttergefäße gegeben hat, hat er euch vielleicht im Schlafe dafür das Kind genommen. Geh also, wenn du glaubst, daß der Kapitän jetzt wach ist, zu dem Kapitän und sprich mit ihm über die Buttergefäße und das Kind.« Der Räuberhauptmann sagte: »Ich will sehen.« Der Räuber ging.

Der Kapitän hatte das Kind in sein Schiff gebracht und hatte sich, als die Sonne aufging, von seinen Leuten eine Matte ans Ufer legen lassen und trank da eine Schale Kaffee. Der Räuberhauptmann kam, begrüßte ihn und setzte sich zu ihm.

Der Kapitän ließ dem Räuber eine Schale Kaffee reichen. Der Räuber trank ihn. Der Räuber sagte: »Ich habe heute nacht mein Kind verloren.« Der Kapitän sagte: »Das ist schlimm. Ist das Kind gestorben?« Der Räuber sagte: »Nein, es ist nicht gestorben; es ist gestohlen.« Der Kapitän sagte: »Das ist eigenartig. Uns ist in der gleichen Nacht ein gleiches Schicksal geworden. Mir ist in der Nacht ein Teil meiner Butterladung gestohlen.« Der Räuber sagte: »Wenn das Schicksal uns so gleichmäßig behandelt hat, wollen wir zusammen Freundschaft schließen.« Der Raïs sagte: »Du schlägst mir Freundschaft vor. Was willst du mir als Zeichen der Freundschaft erweisen?« Der Räuber fragte: »Was soll ich dir als Zeichen der Freundschaft erweisen?« Der Raïs sagte: »Denke einmal nach!« Der Räuber sagte: »Ich will versuchen, dir deine Buttergefäße wieder zu beschaffen.« Der Raïs sagte: »Siehst du, du verstehst mich!« Der Räuber fragte: »Was willst du mir denn als Freundschaftszeichen bieten?« Der Raïs sagte: »Wenn du mir meine Buttergefäße wieder beschaffen könntest, könnte ich dir vielleicht dein Kind wiederbringen!« Der Räuber sagte: »Das würde allerdings sehr gut sein. Ich bin damit einverstanden.« Der Raïs sagte: »Also gut! Da du die Freundschaft angeboten hast, bringst du erst die Butter. Erst die Buttergefäße, dann das Kind!« Der Räuber sagte: »Ich bin einverstanden.« Der Raïs sagte: »Mach aber schnell, denn ich will weiterfahren!«

Der Räuber brachte dem Raïs die Buttergefäße zurück. Der Raïs händigte dem Räuber das Kind aus. Der Räuber sagte: »Wie hast du nur mein Kind wiederfinden können?« Der Raïs sagte: »Wie hast du nur meine Buttergefäße wiederfinden können?« Der Räuber sagte: »Ja, ich will es nur sagen: ich bin ein Harami.« Der Raïs sagte: »Siehst du, mein Freund, und ich war früher der größte Harami am Nil.« Der Räuber sagte: »Dann verstehe ich es!« Seitdem wagte nie wieder ein Harami dem Raïs etwas zu stehlen.

Dabarinkaba

Mande

In alten Zeiten konnten die Frauen die Männer schlagen, und kein Mann konnte sich dem entziehen. Eine Frau machte alle Tage Reis und Fleisch für ihren Akakamale (Buhlen), aber nur schlechten Baschi für ihren Adje (Mann). Das ging so in einem fort, ohne daß der Adje etwas dazu tun konnte, die Verhältnisse zu ändern.

Eines Tages kaufte der Mann einen Sklaven mit Namen Dabarinkaba. Er sagte zu Dabarinkaba: »Alle Tage kocht meine Frau Reis und Fleisch für ihren Akakamale und für mich nur Baschi. Der Liebhaber hat es gut. Der Mann aber hat es schlecht.« Dabarinkaba sagte: »Warte, das werde ich ändern. Übermorgen wirst du schon Reis zu essen bekommen.« – Die Frau gab Dabarinkaba den Reis und das Fleisch, damit er es zum Liebhaber hinaustrage, und gab dem Manne den Baschi. Der Bursche Dabarinkaba tat in den Reis eine Kleinigkeit, die Magenschmerzen macht, und brachte ihn so dem Liebhaber. Als er am zweiten Tage wieder Reis brachte, jammerte der Liebhaber, daß er krank sei und den Reis nicht essen könne. Dabarinkaba sagte: »Ach, ich habe einen Freund, der versteht das gut zu arrangieren.« Der Akakamale seiner Herrin ging mit. Dabarinkaba brachte ihn zu einem Freund. Die beiden schnitten dem Mann den Arm auf, taten eine Kleinigkeit Gift hinein, und dann war der Mann sehr schnell tot. Dabarinkaba ging zurück und brachte seinem Herrn den Reis. Dazu sagte er: »Die Leute werden dir noch mehr bringen.«

Dabarinkaba stellte alsdann einen Sack aus Geflecht her. Er tat den Toten hinein und band ihn recht fest zu. Alsdann nahm er den Sack mit dem Toten auf die Schulter und trug ihn in den Busch. Er trug ihn zu einem großen Hause, das einsam draußen im Busch lag. In dem Hause wohnte ein Räuber mit seiner Frau. Die Frau hieß Naninamina (d. h. »Komm! Nimm das!«). Der Bursche kam in der Dämmerung mit seinem Paket zu dem Hause.

Der Bursche kam mit seinem großen Sack herbei und rief die Frau: »Naninamina!« Die Frau kam heraus, nahm den großen Sack und sagte: »Ach, das ist schwer, was mag das Gutes sein!« Sie stellte den Sack beiseite. Dabarinkaba versteckte sich im Busch. Dann kam der Räuber mit einer großen Kiste herbei und rief: »Naninamina!« Die Frau kam heraus, nahm die große Kiste und sagte: »Ach, das ist schwer, was mag das Gutes sein!« Sie stellte die Kiste beiseite. Dann kam der Räuber nochmals mit einem Ballen Stoff herbei und rief seine Frau: »Naninamina!« und dann brachte er noch andere Ballen. Der Bursche versteckte sich nun im Hause. Der Räuber und seine Frau gingen zu Bett.

Am anderen Morgen sagte der Räuber: »Nun wollen wir sehen, was wir gestern gewonnen haben.« Der Räuber öffnete die Ballen. Es waren schöne Stoffe und Kleider darin. Der Räuber öffnete einen zweiten Ballen. Es waren schöne Stoffe und Kleider darin. Der Räuber öffnete die Kiste. Es waren Gold, geschliffene Steine und Silber darin. Der Räuber öffnete den Sackkorb, da war die Leiche darin. Der Räuber sagte zu seiner Frau: »Wer hat das gebracht?« Die Frau sagte: »Du hast es gebracht mit den anderen Sachen.«

Dabarinkaba kam herbei. Er tat, als komme er zufällig des Weges. Dabarinkaba trat herbei und rief entsetzt: »Oh, du hast den Sohn des Königs ermordet. Du hast den Sohn des Königs ermordet.« Der Räuber sagte: »Nein, ich habe ihn nicht ermordet.« Dabarinkaba sagte: »Oh, du hast den Sohn des Königs ermordet, ich muß es anzeigen!« Der Räuber sagte: »Du willst es anzeigen?« Dabarinkaba sagte: »Ja.« Der Räuber fragte: »Du willst es anzeigen?« Dabarinkaba sagte: »Ja.« Der Räuber fragte: »Du willst es anzeigen?« Dabarinkaba sagte: »Ja.«

Der Räuber fragte: »Kann ich dich nicht bezahlen, daß du schweigst?« Dabarinkaba sagte: »Nimm alles, was du in diesem und im vorigen Jahr gestohlen hast und bringe es zu meinem Herrn. Wenn du das ehrlich tust, will ich dich nicht verraten, sondern will dir die Leiche des Sohnes des Königs wegschaffen.« Der Räuber sagte: »Es ist mir recht.«

Der Räuber trug alles Gut, das er in diesem und im vorigen Jahre gestohlen hatte, zu dem Herrn Dabarinkabas. Dabarinkaba nahm die Leiche, steckte sie in den Sack und trug sie von dannen. Er trug die Leiche ein gutes Stück weit in den Busch hinein.

 

Dabarinkaba kam mit seinem schweren Sack ziemlich weit in den Busch hinein. Er sah zwei Jäger, die stiegen auf einen Baum und suchten oben nach Honig. Dabarinkaba stellte seinen Sack beiseite und trat an den Baum. Er rief hinauf: »Was macht ihr da oben?« Der eine Jäger antwortete: »Wir sammeln Honig!« Dabarinkaba rief: »Gebt mir ein wenig von dem Honig ab!« Der eine Jäger antwortete: »Nein, wir geben nichts ab.« Dabarinkaba rief: »Gebt mir von dem Honig ab oder ich werde sterben!« Der eine Jäger rief: »Nein, ich gebe dir nichts ab.«

Da ging Dabarinkaba an seinen Sack, nahm den toten Mann heraus und lehnte ihn an den Stamm des Baumes. Der andere Jäger sah hinab. Er rief: »Was machst du da unten?« Der Tote antwortete nicht, und Dabarinkaba hatte sich versteckt. Der andere Jäger fragte nochmals: »Was machst du da unten?« Der Tote antwortete nicht. Darauf stieg der andere Jäger herab, stieß den Toten stark mit dem Fuß an, daß er umfiel, und fragte: »Was machst du da?« Der Tote antwortete nichts.

Der andere Jäger leuchtete dem Toten ins Gesicht und rief dann: »Er ist gestorben. Er rief dir ja hinauf, du sollest ihm Honig abgeben, sonst würde er sterben. Nun ist er gestorben.« Der eine Jäger kam herab und sagte: »Was sagst du da! Ich habe gesehen, wie du ihn mit dem Fuß anstießest, so daß er umfiel. Du hast ihn getötet.« Der andere sagte: »Nein, du hast ihn getötet.« Der eine sagte: »Nein, du hast ihn getötet.« Die beiden Jäger stritten hin und her, wer den Mann getötet habe.

Dabarinkaba kam durch den Busch herbei. Er sagte von weitem: »Na, was habt ihr denn da zu streiten?« Die Jäger riefen entsetzt: »Du darfst nicht näher kommen!« Dabarinkaba sagte: »Weshalb soll ich denn nicht näher kommen! Ihr habt wohl etwas Schlechtes getan?« Dabarinkaba kam näher. Dabarinkaba sah den Toten. Er sagte: »Oh, ihr habt den Sohn des Königs getötet! Deshalb soll ich nicht näher kommen! Oh, ihr habt den Sohn des Königs getötet! Oh, ihr seid schlechte Leute. Oh, ich muß euch anzeigen!« Der eine Jäger rief: »Ich habe ihn nicht getötet, der andere hat ihn getötet! Er hat ihm einen Fußtritt gegeben!« Der andere Jäger sagte: »Nein, ich habe ihn nicht getötet, der dort hat ihn getötet. Der Mann rief: ›Gebt mir Honig oder ich sterbe!‹ Mein Kamerad hat ihm das abgeschlagen. Da ist er gestorben. Als ich herunterkam, war er schon tot. Der Kamerad dort hat ihn getötet.«

Dabarinkaba sagte: »Jedenfalls habt ihr den Sohn des Königs getötet. Ich muß es anzeigen.« Die Jäger fragten: »Du willst es anzeigen?« Dabarinkaba sagte: »Ja!« Die Jäger fragten: »Du willst es anzeigen?« Dabarinkaba sagte: »Ja.« Die Jäger fragten: »Du willst es anzeigen?« Dabarinkaba sagte: »Ja.« Die Jäger sagten: »Können wir dich nicht bezahlen, daß du schweigst?« Dabarinkaba sagte: »Nehmt allen Honig zusammen, den ihr in diesem und im vorigen Jahr gewonnen habt, und bringt ihn zu meinem Herrn. Wenn ihr das ehrlich tut, will ich euch nicht verraten, sondern will euch auch noch die Leiche des Königssohnes wegschaffen.« Die Jäger sagten: »Es ist uns recht.«

Die Jäger trugen allen Honig, den sie in diesem und im vorigen Jahr gestohlen hatten, zu dem Herrn Dabarinkabas. Dabarinkaba nahm aber die Leiche, steckte sie in den Sack und trug sie von dannen. Er trug die Leiche aus dem Busch in die Stadt zurück.

Dabarinkaba nahm die Leiche des Sohnes des Königs und einen Löffel voll Honig und brachte die Leiche vor die Türe des Hauses, in welchem die Frauen des Königs lebten. Der König konnte Dabarinkaba nicht gleich sehen, er hörte aber seine Schritte und er sah, als er oben zum Fenster herausblickte, jemand an die Tür seines Frauenhauses gelehnt stehen, der unbedingt ein Mann war.

Der König ergriff Bogen und Pfeil und schoß einen Pfeil nach dem Mann. Dabei sagte er: »Wer wagt es, nachts in das Frauenhaus eines so großen Königs, wie ich es bin, zu gehen?« Der König schoß einen zweiten Pfeil. Er sagte: »Wer wagt es, nachts in mein Frauenhaus einzudringen?!« Er schoß einen dritten Pfeil ab. Unten am Tor fiel der Körper des Toten um.

Am anderen Morgen ging der König selbst hinab, um zu sehen, wer da seinen Pfeilen erlegen war. Er sah, daß es sein eigener Sohn war. Da begann er zu klagen: »Ich unglücklicher Mann! Ich hatte nur einen Sohn, der war mein Liebling, und den habe ich selbst erschossen. Oh, ich bin ein unglückseliger Mann!« Alles Volk in der Stadt sagte: »Der König hat heute seinen eigenen Sohn erschossen. Jetzt ist kein Mensch mehr seines Lebens sicher.«

In der Stadt war ein kleiner, sehr kluger Knabe. Der sagte zum König: »Höre, du warst es ja gar nicht selbst, der deinen Sohn erschossen hat. Ein anderer hat deinen Sohn getötet. Warte bis morgen, so will ich dir den zeigen, der es gewesen ist.« Der König sagte: »Ich habe meinen Sohn selbst erschossen. Wenn du aber irgendeinen Sinn darin siehst, so versuche es festzustellen, ob nicht vielleicht ein anderer die Tat begangen hat.«

Am anderen Tage nahm der Bursche sein Kulilan u sirife (Rasiermesser). Er tat seine Zaubermittel darauf und warf es in die Luft, damit es die Hälfte des Schädels desjenigen rasiere, der den Sohn des Königs getötet hatte. Das Messer flog auf Dabarinkaba zu und rasierte dem die rechte Hälfte des Schädels.

Dabarinkaba erkannte aber den Sachverhalt. Er fing das Messer mit der Hand auf, behandelte es mit seinen Zaubermitteln. Darauf flog es über das Land hin und rasierte allen Burschen in der Stadt die rechte Hälfte des Schädels. Die Burschen der Stadt bekamen einen Schreck. Sie machten sich sogleich alle miteinander Mützen und stülpten diese über. Am anderen Morgen ließ der König die Burschen zusammenkommen. Alle kamen, nur Dabarinkaba sagte: »Was soll ich da, es ist ja doch nutzlos.«

Die Burschen saßen rund herum. Der Berater des Königs trat in die Mitte und nahm dem ersten die Mütze ab. Der Bursche war halb geschoren. Der Berater sagte: »Da ist er ja schon!« Der König sagte: »Laß auch die anderen die Mützen lüften!« Alle Burschen lüfteten die Mützen. Sie waren alle halb geschoren. Der König sagte: »Es nützt nichts; glaube mir, ich habe es selbst getan!« Der Berater sagte: »Laß es mich noch einmal versuchen.« Der Knabe nahm wieder sein Kulilan u sirife, tat seine Zaubermittel darauf und schleuderte es in die Luft. Das Messer schnitt in das linke Ohr Dabarinkabas einen tiefen Schnitt. Dabarinkaba fing aber das Messer auf, tat seine Zaubersprüche dazu und warf es wieder in die Luft. Das Messer schnitt in alle linken Ohren der sämtlichen Burschen der Stadt dieselbe Lücke. Die Burschen wurden wieder zusammen berufen, und der König sah wieder, daß alle gleich gezeichnet waren. Darauf sagte er zu seinem Ratgeber: »Laß jetzt alles Weitere! Ich weiß jetzt bestimmt, daß ich meinen Sohn selbst getötet habe. Wenn du so fortfährst, dann wirst du uns alle noch töten.«

Seit dieser Zeit stammt die Sitte der Leute, Mützen zu tragen. Früher war das nicht so. Seitdem wollen aber schon die kleinsten Buben Mützen haben.

Des Häuptlings Söhne

Togo-Bassari

Ein großer und sehr reicher Häuptling hatte sechs Frauen, von denen er je einen Sohn hatte, und eine ganz junge Frau, die sehr schön war. Die sechs Söhne des Häuptlings waren erwachsen. Sie hüteten jeden Tag die Ochsen und Kühe des Häuptlings. Eines Tages hüteten sie draußen bei den Farmen die Kühe. Sie hatten Jams gegessen. Sie sprachen miteinander.

Der älteste Sohn sagte: »Ich möchte einmal während sechs Tagen alle Kühe meines Vaters haben. Ich würde sie mir dann alle jeden Tag vorführen lassen, würde täglich einige schlachten, würde das Fleisch verteilen und alles verbrauchen. Am siebenten Tage würde ich dann meinetwegen mich selber töten. Aber während der sechs Tage möchte ich das einmal ganz nach meinem Kopf betreiben.«

Der zweite Sohn sagte: »Ich möchte einmal während sechs Tagen alles Korn und allen Jams meines Vaters haben. Ich würde mir dann alle Tage alle Frauen der Dörfer zusammenkommen lassen, würde jeden Tag viel, sehr viel Speise machen und Bier brauen lassen, und so alles in sechs Tagen verbrauchen. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich das einmal ganz nach meinem Kopf betreiben.«

Der dritte Sohn sagte: »Ich möchte einmal während sechs Tagen auf dem Ledersitz meines Vaters sitzen. Ich würde alle Leute zu mir kommen lassen, würde Geschenke verteilen, würde mir alle Angelegenheiten vortragen lassen, würde Menschen töten und einmal alles so ordnen, wie es nach meinem Kopf einem großen Häuptling geziemt. Ich würde reiten und Krieg führen und Gefangene machen. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich es einmal ganz nach meinem Kopf betreiben.«

Der vierte Sohn sagte: »Ich möchte einmal während sechs Tagen alles Fleisch haben, das in meines Vaters Dorf zu schlachten ist. Ich würde während der sechs Tage alles schlachten, kochen lassen und verteilen. Ich würde essen, was mir schmeckt und alles vertun. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich es einmal ganz nach meinem Kopf betreiben.«

Der fünfte Sohn sagte: »Ich möchte einmal während sechs Tagen über alle jungen Leute meines Vaters gebieten. Einige würde ich um mich versammeln und tanzen lassen. Einige würde ich auf die Jagd senden. Einige würde ich auf die Felder schicken. Einige würde ich in den Krieg schicken. Einige würde ich verkaufen und jeden, der mir nicht paßt, würde ich töten lassen. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich es einmal ganz nach meinem Kopf betreiben.«

Der sechste Sohn sagte: »Ich möchte einmal während sechs Tagen mit der jungen Frau meines Vaters in einer Hütte leben. Ich würde morgens mit ihr schlafen, mittags mit ihr schlafen, nachts mit ihr schlafen. Ich würde sie nicht aus den Armen lassen, und wenn sie darüber stürbe. Am siebenten Tage würde ich dann meinetwegen mich selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich das Weib so beschlafen, daß ich darüber alle meine Kraft verlöre!«

Ein Mann belauschte das Gespräch der sechs Brüder. Er ging hin und sagte dem Häuptling, was er gehört hatte. Der Häuptling ließ seine Söhne zu sich kommen und sagte zum ersten: »Nimm du alle meine Kühe.« Er sagte zum zweiten: »Nimm du all mein Korn und meinen Jams!« Er sagte zum dritten: »Nimm du Platz auf meinem Ledersitz!« Er sagte zum vierten: »Nimm du alles Fleisch!« Er sagte zum fünften: »Nimm du alle jungen Leute!« Er sagte zum sechsten: »Nimm du das junge Weib hin!«

Die sechs Söhne nahmen alles an sich, so wie der Vater es nach ihren Wünschen erlaubt hatte. Während sechs Tagen lebte jeder nach seinem Sinne. Alle Kühe und Ochsen des Häuptlings wurden getötet, alles Korn und Jams verbraucht, alles Fleisch gekocht und geröstet, alles Bier getrunken. Alle Leute zogen aus und ein, in den Krieg, auf Jagd, zum Tanz. Viele Leute wurden getötet, verkauft, verjagt. Es wurde alles durcheinander gebracht. Der sechste Sohn aber hatte sich mit der jungen Frau des Häuptlings eingeschlossen und hielt sie ständig umschlungen, und die junge Frau sagte: »Dein Penis ist süß! Dein Penis ist süß! Dein Penis ist süß!«

Nach sechs Tagen war aller Besitz des Häuptlings zerstört, alle Mannschaft versprengt und der Friede mit den Nachbarn beendet. Der Häuptling aber holte inzwischen sechs Löwen. Die stellte er vor den Gehöften der Söhne auf. Die sechs Löwen sollten die sechs Söhne, wenn sie am siebenten Tage herauskamen, verschlingen. Nach sechs Tagen kam der erste Sohn heraus; er wurde verschlungen. Nach sechs Tagen kam der zweite Sohn heraus; er wurde verschlungen. Nach sechs Tagen kam der dritte Sohn heraus; er wurde verschlungen. Nach sechs Tagen kam der vierte Sohn heraus; er wurde verschlungen. Nach sechs Tagen kam der fünfte Sohn heraus: er wurde verschlungen.

Am siebenten Tage sagte auch der sechste Sohn: »Heute ist der siebente Tag. Heute will ich sterben.« Die junge Frau sagte: »Nein, du sollst nicht sterben. Wir werden entfliehen. Ich werde dir den Weg zeigen.« Die junge Frau hob an der Hinterseite der Hütte die Grasdecke (die Dachkappe) vom Mauerwerk empor. Sie sagte: »Komm mit mir hier heraus.« Der junge Mann stieg mit der jungen Frau heraus. Der junge Mann ging mit der jungen Frau ein Stück weit. Die junge Frau sagte: »Wir wollen hier eine Kuh töten und die vier Beine mitnehmen. Wir werden die Beine gebrauchen können.« Der junge Mann tötete die Kuh. Sie schnitten die Beine ab und nahmen sie mit sich.

Als sie ein Stück weit gegangen waren, kam der Löwe hinter ihnen her. Er kam ganz dicht bis an die Flüchtlinge. Da warfen sie ihm einen Kuhfuß hin. Der Löwe stürzte sich auf den Kuhfuß und begann ihn zu zermalmen. Inzwischen liefen die Flüchtlinge weiter. Aber nach einiger Zeit hatte der Löwe seinen Kuhfuß verzehrt und kam wieder ganz dicht hinter ihnen angejagt. Da warfen sie ihm einen zweiten Kuhfuß hin. Der Löwe stürzte sich auf den Kuhfuß und begann ihn zu zermalmen. Inzwischen liefen die Flüchtlinge weiter. Aber nach einiger Zeit hatte der Löwe den zweiten Kuhfuß verzehrt und kam wieder ganz dicht hinter ihnen angejagt. Da warfen sie ihm den dritten Kuhfuß hin. Der Löwe stürzte sich auf den Kuhfuß und begann ihn zu zermalmen. Inzwischen liefen die Flüchtlinge weiter. Aber der Löwe hatte nach einiger Zeit auch den dritten Kuhfuß verzehrt und kam wieder ganz dicht hinter ihnen angejagt. Da warfen sie ihm den vierten Kuhfuß hin. Der Löwe stürzte sich auf den vierten Kuhfuß und begann ihn zu zermalmen.

Inzwischen kamen die Flüchtlinge an einen Fluß, über den konnte man nicht hinüber, denn er war breit und tief, und es gab da keine Boote. Auf der andern Seite ging aber ein junges Mädchen, das war die Tochter Unji-bugaras. Das Mädchen rief über den Fluß zu dem jungen Mann herüber: »So kommt ihr nicht auf diese Seite. Wenn du mich aber heiraten willst, so will ich euch helfen.« Der junge Mann sagte: »Ja, ich will dich heiraten.« Das Mädchen lief fort. Es holte seinen Onkel, der hatte einen langen, langen Bart. Der Mann warf den Bart hinüber. Das Ende des Bartes wurde von dem jungen Mann aufgefangen. Der junge Mann und die junge Frau, die er aus seines Vaters Haus entführt hatte, kamen auf die andere Seite hinüber. Kaum waren sie drüben angelangt, so kam auch der Vater des jungen Mannes mit seinen Leuten an. Er hatte sich selbst aufgemacht, als er gehört hatte, daß sein Sohn mit seiner jungen Frau dem Löwen entronnen. Aber nun war der junge Mann mit seiner Frau auf der andern Seite, und sein Vater konnte mit seinen Leuten nichts anfangen.

Das junge Mädchen sagte zu dem jungen Mann (als er an dem Bart des Alten hinübergekommen war): »Du hast also versprochen, mich zu heiraten.« Der junge Mann sagte: »Ich will es sehr gerne tun.« Das Mädchen sagte: »Dann will ich euch in das Gehöft meines Vaters bringen. Mein Vater ist ein großer Häuptling. Er bringt oft Menschen um. Du mußt dir also folgendes merken. Mein Vater heißt Unji-bugara. Er hat zehn Frauen, von denen neun gut sind. Unjankann aber ist schlecht. Mein Vater fragt jeden, welche Frau schlecht ist. Wenn du sie ihm nun nennen und zeigen kannst, so bist du der Gefahr entronnen.« Der junge Mann kam in das Gehöft. Das junge Mädchen zeigte auf eine Frau und sagte: »Siehst du, das ist Unjankann, die schlechte zehnte Frau meines Vaters!«

Sie kamen zu Unji-bugara. Unji-bugara gab den Auftrag, ihnen eine Hütte bereiten zu lassen, Speise und Trank zu machen. Nachher sandte er zu dem jungen Mann und ließ ihm sagen: »Wir wollen zusammen auf dem Jworra (Brettspiel) spielen.« Der junge Mann kam und spielte mit Unji-bugara. Unji-bugara sagte: »Ich habe zehn Frauen. Eine davon ist schlecht. Wenn du mir die nicht herausfindest, schneide ich dir den Kopf ab. Findest du sie aber heraus, so schneide du mir den Hals durch.« Der junge Mann sagte: »Es ist gut.« Unji-bugara sagte: »Alle meine Frauen sollen kommen.« Die zehn Frauen kamen. Unji-bugara sagte: »Welche ist es?« Der junge Mann betrachtete sie der Reihe nach; dann zeigte er auf die zehnte und sagte: »Das ist Unjankann, die schlechte unter deinen Frauen.« Unji-bugara sagte: »Du hast es getroffen. Schneide mir den Hals ab.« Der junge Mann schnitt Unji-bugara den Hals ab.

Der junge Mann heiratete, wie er versprochen hatte, die Tochter Unji-bugaras. Er erbte außerdem alle Frauen und die tausend Kühe Unji-bugaras. Er war nun ein reicher Mann und ein sehr großer Häuptling. Seine Kühe waren sehr groß und weiß. Es war eine Kuh darunter, die war so groß wie ein Berg und ganz, ganz weiß.

Die Tochter Unji-bugaras wurde schwanger und gebar ihrem Mann ein Kind. Die erste Frau des jungen Mannes wurde auch schwanger und gebar ein Kind. Beide Kinder wuchsen heran. Sie konnten laufen. Sie spielten miteinander. Das Kind der Tochter Unji-bugaras sagte: »Der Schwanz der weißen Kuh gehört mir.« Das andere Kind sagte: »Wie kommst du dazu! Ich will den Schwanz haben.« Das erste Kind sagte: »Nein, der Schwanz ist mein.« Das andere Kind sagte: »Nein, der Schwanz gehört mir.«

Der Vater der Kinder hörte das. Er gab Auftrag, die weiße, große Kuh zu schlachten. Er ließ den Schwanz abschneiden. Er ließ den Schwanz auf der der Quaste entgegengesetzten Seite mit buntem Leder umflechten (nach Art der Dagombalederarbeiten). Dann nahm er ihn und rief die beiden Kinder. Er sagte zu ihnen: »Ihr habt euch um den Schwanz dieser weißen Kuh gestritten. Ihr sollt euch nicht streiten. Nun werde ich den Schwanz in die Luft werfen. Wer ihn auffängt, der kann ihn behalten.« Die beiden Kinder stellten sich sprung- und laufbereit hin. Der Vater warf den Schwanz der großen, ganz, ganz weißen Kuh in die Luft. Der Schwanz flog hoch und höher. Aus dem Schwanz wurde der Mond und aus den Haaren wurden die Sterne.

Seitdem sind die Kühe nicht mehr so groß wie früher.

Der Bursche den alle Mädchen liebhaben

Muntschi

Ein Mann heiratete eine Frau. Die Frau gebar zwei Kinder. Das eine war ein Mädchen, das andere war ein Junge. Die Kinder wuchsen heran. Als das Mädchen groß war, beschlief der Vater seine eigene Tochter. Als der Sohn groß war, gab er ihm eine Frau.

Der Mann hatte eine große Farm. Sein Sohn und sein Sklave arbeiteten auf der Farm. Ein kleiner Junge lag in der Nähe und hörte, was sie sprachen. Der Bursche und der Sklave wußten es nicht. Der Bursche hatte nichts zu essen. Er sagte zu dem Sklaven: »Ich bin hungrig; ich möchte heute gern Bohnen essen.« Der Sklave hatte auch nichts zu essen. Er sagte zu dem Burschen: »Ich bin hungrig; ich möchte heute Hühner essen!« Der Junge hörte das. Er lief nach Hause zum Vater des Burschen und sagte: »Dein Sohn hat sich ein Gericht Bohnen gewünscht. Dein Sklave hat sich ein Gericht Hühner gewünscht.« Der Vater sagte: »Es ist recht.« Der Vater ließ eine Schüssel mit Bohnen und eine Schüssel mit Hühnern kochen.

Als der Bursche und der Sklave ihre Farmarbeit beendet hatten, machten sie sich auf den Heimweg. Sie kamen zu dem Mann nach Hause. Der Mann hatte zwei zugedeckte Kalebassen stehen. Der Mann fragte seinen Sohn: »Was willst du heute gern essen?« Der Sohn sagte: »Ich möchte heute gern Bohnen essen.« Der Vater gab dem Sohn eine Kalebasse. Der Sohn öffnete sie. Es waren Bohnen darin. Der Mann fragte den Sklaven: »Was möchtest du heute essen?« Der Sklave sagte: »Ich möchte heute Hühner essen.« Der Mann gab dem Sklaven die andere Kalebasse. Der Sklave öffnete sie. Es waren Hühner darin.

Der Bursche sagte zu seinem Vater: »Mein Vater, du erfüllst heute alle Wünsche. Ich habe noch einen Wunsch!« Der Vater fragte: »Was ist das?« Der Bursche sagte: »Ich möchte einmal meine Schwester beschlafen!« Der Vater sagte: »Das tut man nicht. Man beschläft nicht seine eigene Schwester!« Der Bursche sagte: »Es geschieht auch anderes, was man nicht tun darf. Du beschläfst auch deine eigene Tochter.« Der Vater sagte: »Ich lasse es nicht zu, daß du deine Schwester beschläfst.« Der Sohn sagte: »Ich will aber meine Schwester beschlafen.«

Der Vater sagte: »Das wirst du nicht tun!« Der Vater packte den Burschen und brachte ihn in ein Haus. Der Vater schloß das Haus hinter ihm ab. Als der Vater wieder zurückging, kam ihm seine Tochter entgegen. Die Tochter sagte: »Vater, ich möchte einmal mit meinem Bruder schlafen!« Der Vater sagte: »Ich lasse es nicht zu, daß mein Sohn meine Tochter beschläft!« Die Tochter sagte: »Ich will aber von meinem Bruder beschlafen werden!«

Der Vater sagte: »Wenn es so ist, dann werde ich euch gleich in dasselbe Haus einsperren.« Darauf nahm der Vater seine Tochter, brachte sie zu dem Haus, in dem schon sein Sohn war, und schloß beide Kinder miteinander ein.

Hingaga war der Freund des Burschen. Hingaga kam, um seinen Freund zu besuchen. Hingaga lief im Gehöft umher und fand seinen Freund nicht. Hingaga lief zu dem Vater des Burschen und fragte ihn: »Wo ist mein Freund? Ich suche ihn und kann ihn nicht finden.« Der Vater sagte: »Deinen Freund habe ich mit seiner Schwester zusammen in das Haus dort eingesperrt.« Hingaga sagte: »Darf ich meinen Freund einmal besuchen?« Der Vater sagte: »Du kannst ihn noch einmal besuchen.« Der Vater ließ das Haus für Hingaga aufschließen. Hingaga ging hinein.

Hingaga fragte seinen Freund: »Was ist das mit dir?« Der Bursche sagte: »Ich wollte meine Schwester einmal beschlafen. Meine Schwester wollte einmal mit mir schlafen. Ich sagte es meinem Vater. Mein Vater sperrte uns hier ein. Morgen wird mich mein Vater töten.« Hingaga sagte: »Ich denke nicht, daß du sterben mußt. Ich will dir zeigen, wie du mit deiner Schwester weggehen kannst.« Hingaga fing an in der Hütte zu graben. Hingaga grub erst einen Schacht. Dann grub Hingaga unter der Erde einen Weg, der weit wegführte, durch den ganzen Ort, und erst auf der andern Seite führte er wieder zur Erdoberfläche hinauf.

Als Hingaga damit fertig war, lief er den Weg zurück in die Hütte, in der der Bursche mit seiner Schwester eingeschlossen war. Hingaga sagte zu dem Burschen: »Komm nur. Nun wollen wir zusammen weggehen. Ich gehe voran. Komm mit deiner Schwester hinter mir her!« Hingaga ging in dem Schacht und dann in dem Gang unter der Erde entlang. Der Bursche und seine Schwester folgten ihm. Hingaga kam außerhalb des Ortes aus dem Gang heraus. Der Bursche und seine Schwester kamen außerhalb des Ortes zum Gang heraus.

Der Bursche und seine Schwester liefen so schnell sie konnten. Als sie ein Stück weit im Busch gelaufen waren, biß eine Schlange den Burschen. Er fiel hin und starb. Das Mädchen schrie und weinte. Nach einiger Zeit kam ein Jukummädchen durch den Busch. Es fragte die Schwester: »Was weinst du? Was schreist du?« Die Schwester sagte: »Ich ging mit meinem Mann durch den Busch. Da hat ihn eine Schlange gebissen und nun ist er gestorben.« Das Jukummädchen sagte: »Ich habe Medizin bei mir. Ich will den jungen Mann wieder lebend und gesund machen. Aber er muß mich nachher auch als seine Frau mitnehmen!« Die erste Frau sagte: »Mache ihn nur lebend und gesund, dann soll ja alles recht sein.« Das Jukummädchen nahm seine Medizin hervor. Es hielt die Medizin dem Burschen unter die Nase.

Der Bursche wachte auf. Er sah um sich. Der Bursche sagte: »Was ist hier?« Die erste Frau sagte: »Du warst von einer Schlange gebissen. Du warst tot. Ich saß hier und weinte. Da kam dieses Jukummädchen. Das Jukummädchen hatte Medizin bei sich. Das Jukummädchen sagte: ›Ich will den jungen Mann wieder lebend und gesund machen. Aber er muß mich nachher als seine Frau mitnehmen!‹ Dann machte sie dich wieder lebend und gesund.« Der Bursche sagte: »Es ist gut, dann gehe ich eben mit zwei Frauen weiter.«

Der Bursche machte sich mit seinen beiden Frauen auf den Weg. Er ging mit den beiden immer weiter durch den Busch. Sie gingen weit, weit weg. Sie kamen an einen Fluß. Sie konnten keine Stelle finden, an der sie über den Fluß gehen konnten. Sie liefen am Ufer auf und ab. Die Jukumfrau sah endlich einen Fischerkahn, in dem war ein Mädchen. Die Jukumfrau sagte: »Setze uns doch über.« Das Fischermädchen kam mit dem Kahn näher und sagte: »Wen soll ich denn übersetzen?« Die Jukumfrau sagte: »Wir sind drei; der Bursche hier und wir, seine Frauen.« Das Fischermädchen sah den Burschen. Das Fischermädchen sagte: »Ich will euch übersetzen, aber der Bursche da muß mich nachher auch als seine Frau mitnehmen.« Der Bursche sagte: »Es ist recht! Dann gehe ich eben mit drei Frauen weiter!«

Das Fischermädchen setzte den Burschen und seine zwei Frauen über. Nachher ging der Bursche dann mit seinen drei Frauen weiter. Sie gingen weit weg und kamen in eine große Stadt. Der Toro der Stadt sah den Burschen und seine drei Frauen. Der Toro sagte zu seinen Leuten: »Dieser Bursche hat drei schöne junge Frauen. Ich will sie ihm alle drei wegnehmen.« Der Toro sagte: »Bringt einen großen Topf Bier für die Frauen des Burschen und einen kleinen für den Burschen. In das Bier im kleinen Topfe tut Gift.« Die Leute taten das. Die Leute brachten den großen Topf mit gutem Bier den Frauen des Burschen. Sie brachten den kleinen Topf mit vergiftetem Bier dem Burschen selbst. Als das Bier ankam, versuchte die Jukumfrau das Bier in dem großen Topf. Die Jukumfrau sagte: »Dieses Bier ist gut.« Die Jukumfrau versuchte das Bier in dem kleinen Topf. Sie spie es aus und sagte: »Dieses Bier ist vergiftet. Der Toro der Stadt will unsern Mann vergiften. Wir wollen das Bier aus diesem großen Topf trinken.« Sie goß darauf das Bier aus dem kleinen Topf weg und sie tranken alle vier aus dem großen Topf. Die Boten kamen zum König und sagten: »Die Frauen haben das vergiftete Bier weggegossen. Sie trinken mit ihrem Manne das gute Bier.«

Der Toro rief am andern Tag den Burschen und sagte zu ihm: »Wenn du mir nachher meine erste Frau nennen kannst, will ich dich nicht töten. Wenn du es aber nicht kannst, töte ich dich.« Alle Leute kamen zusammen. Der Toro rief alle seine Frauen. Alle Frauen des Toro standen in einer langen Reihe. Als alle Leute und Frauen da waren, sagte der Toro: »Kannst du mir nun sagen, welche meine erste Frau ist, oder nicht?« Der Bursche sah die lange Reihe der Frauen. Er wußte nicht, welches die erste sei. Die erste Frau des Königs sagte bei sich: »Toro wird diesen Burschen töten wollen. Es wäre mir lieber, ich wäre die Frau dieses Burschen als die des Toro. Ich werde dem Burschen ein Zeichen geben!« Die erste Frau des Toro machte ein Zeichen mit der Hand. Der Bursche sah es. Der Bursche ging auf die erste Frau zu und sagte: »Dieses ist die erste Frau des Toro!«

Die Leute riefen: »Der Bursche hat recht! Der Bursche hat recht! Tötet nicht den Burschen! Tötet den Toro, denn der ist schlecht.« Alle Leute liefen auf den Toro zu. Sie fingen den Toro. Sie brachten den Toro in den Busch. Sie töteten den Toro.

Dann machten sie den Burschen zum Toro.

Das Muttersöhnchen

Muntschi

Ein Mann heiratete. Die Frau wurde schwanger. Die Frau gebar ein Kind; das war ein Knabe. Die Frau nahm das Kind mit auf die Farm hinaus. Das Kind wuchs auf der Farm auf. Es arbeitete immer mit der Mutter. Das Kind wurde ein starker Bursche. Die Mutter machte dem Burschen immer Essen und der Bursche arbeitete immer auf der Farm. Der Bursche wurde ein großer und starker Gesell, und die Mutter gab dem Gesellen immer Essen und er arbeitete immer auf der Farm der Mutter.

Es kamen Leute auf die Farm. Die Leute sahen den Burschen. Die Leute sagten: »Was ist das für ein großer und strammer Bursch!« Die Leute fragten den Burschen: »Willst du dir denn nicht eine Frau nehmen?« Der Bursche sagte: »Nein, ich will nur mein Essen haben, und das habe ich bei meiner Mutter gut und genug.«

Eines Tages kam der Vater auf die Farm, in der der Bursche mit seiner Mutter lebte. Der Vater sagte zu dem Burschen: »Willst du denn nicht eine Frau nehmen, damit du einen Jungen zeugen kannst? Komm, wir wollen zusammen in den Ort gehen!« Der Vater nahm den Burschen mit in seinen Ort. Der Vater schor seinem Sohn das Haupt. Nachdem er damit fertig war, gab er ihm schöne Perlen. Er hängte ihm Perlenketten um den Hals. Er hängte ihm Perlenketten um die Zehen und Knöchel. Er zog ihm schöne Ringe über die Arme. Er rieb ihm den Leib mit roter Farbe ein. Er schenkte ihm einen neuen Lendenschurz. Dann sagte der Vater: »Nun geh hin und suche dir eine Frau, mit der du ein Kind zeugen kannst.«

Der Bursche ging. Der Bursche ging umher und sah sich die Mädchen an. Der Bursche fand eine, die ihm gefiel. Er nahm das Mädchen und brachte es zu seinem Vater ins Haus. Er sagte zu seinem Vater: »Dieses Mädchen möchte ich heiraten!« Der Vater sagte: »Das ist gut.« Der Vater brachte den Sohn mit dem Mädchen in eine Hütte. Der Vater sagte: »Das ist deine Hütte. Geh da mit dem Mädchen hinein und beschlafe es, damit es schwanger wird.« Der Bursche ging mit dem Mädchen hinein. Als er das Mädchen aber auf das Bett gelegt hatte, kam er heraus und lief auf die Farm seiner Mutter. Er sagte zu seiner Mutter: »Meine Mutter, ich bin hungrig, mache mir gutes Essen.« Die Mutter machte dem Burschen Essen. Da blieb er bei ihr.

Das verheiratete Mädchen lief aus seiner Hütte. Das Mädchen lief zum Vater des Burschen und sagte: »Dein Sohn hat mich nicht beschlafen. Er hat mich in die Hütte gebracht und dann ist er weggelaufen!« Der Vater machte sich auf. Er ging zu seiner Frau auf die Farm. Er fragte seine Frau: »Ist mein Sohn hier?« Die Mutter sagte: »Ja, dein Sohn ist hier. Er kam gestern nacht und sagte: ›Meine Mutter! Ich bin hungrig! Mache mir ein gutes Essen!‹ Dann habe ich ihm ein gutes Essen gemacht. Er hat es gegessen und ist hiergeblieben.«

Der Vater sagte: »Mein Sohn hat gestern geheiratet. Er hat aber die Nacht nicht seine Frau beschlafen. Er ist zu dir gelaufen und hat Essen verlangt. Das ist eine Sache, die geändert werden muß. Ich denke also, du gibst ihm, wenn er wieder Essen verlangt, nur noch schlechtes oder kein Essen. Dann wird er zu seiner Frau zurücklaufen.« Die Mutter sagte: »Das will ich tun.« Der Vater ging in die Stadt.

Nach einiger Zeit kam der Bursche zu seiner Mutter und sagte: »Meine Mutter! Ich bin hungrig! Mach mir ein gutes Essen!« Die Mutter sagte: »Hast du gestern nicht eine Frau geheiratet?« Der Bursche sagte: »Ja, ich habe gestern eine Frau geheiratet.« Die Mutter sagte: »Wenn du eine Frau geheiratet hast, dann geh zu deiner Frau und laß dir von ihr Essen machen.« Der Bursche ging. Der Bursche ging zu seinem Vater und sagte: »Meine Mutter will mir kein Essen mehr geben!« Der Vater sagte: »Hast du denn nicht gestern geheiratet? Hast du denn gestern deine Frau beschlafen?« Der Bursche sagte: »Nein, ich habe meine Frau nicht beschlafen.« Der Vater sagte: »Dann geh zu deiner Frau und beschlafe sie. Dann sage ihr, sie soll dir ein gutes Essen bereiten. Dann wird deine Frau dich auch satt machen.«

Der Bursche ging heim. Er beschlief seine Frau. Danach wusch sich die Frau und machte ein gutes Essen. Der Bursche sah ihr zu. Die junge Frau brachte ihm das Essen. Der Bursche aß es. Als er fertig gegessen hatte, sagte er zu seiner Frau: »Komm in das Haus! Ich will dich noch einmal beschlafen.« Bald darauf war die junge Frau schwanger. Sie gebar einen Sohn.

Der Vater soll seinen Sohn zum Mann und Ehemann erziehen; denn bei der Mutter lernt er nur das Essen.

Bestrafte Eifersucht

Muntschi

Ein Mann heiratete eine Frau. Die Frau war sehr schön. Der Mann konnte es nicht sehen, daß ein anderer Mann seine Frau ansah. Der Mann stand immer in ihrer Nähe und achtete darauf, daß andere Männer sie nicht ansähen. Der Mann sagte: »Es muß geändert werden. Alle Männer sehen meine Frau. Ich werde mit meiner Frau in den Busch gehen, wohin kein anderer Mann kommt, und dort werde ich mir ein Haus und eine Farm bauen.« Der Mann sagte zu seiner Frau: »Packe deine Sachen! Wir gehen zusammen in den Busch!« Die Frau packte ihre Sachen.

Der Mann ging mit seiner Frau in den Busch. Im Busch baute er sich ein Haus. Im Busch legte er sich eine Farm an. Er sagte: »Hier wird kein anderer Mann meine Frau sehen. Hier habe ich sie ganz allein. Ich kann ruhig meine Arbeit machen.« Der Mann nahm seine Hacke und ging damit auf die Farm hinaus.

Die Frau saß vor der Tür des Hauses. Der Mann war noch nicht lange fortgegangen, da kam ein Antilopenbock in der Nähe vorbei. Als die Antilope nahe dem Haus vorbeikam, fragte die Frau: »Wohin willst du gehen?« Der Bock sagte: »Ich gehe nur bis nach da vorne, um zu sehen, ob jemand kommt.« Die Frau sagte: »Das ist gut. Komm nachher nur wieder vorbei.«

Der Antilopenbock ging nach vorne und sah, ob niemand von dort käme. Als der Bock sah, daß niemand kam, kehrte er zurück. Als er in der Nähe der Hütte war, sagte die Kurru (Vagina) der Frau zu dem Antilopenbock: »Mein Bock, willst du mich nicht einmal beschlafen?« Der Bock sagte: »Das will ich sehr gerne tun!« Die Kurru sagte: »Dann komm schnell in die Hütte.« Der Bock kam in die Hütte. In der Hütte beschlief der Bock die Kurru der Frau. Als er das getan hatte, lief er hinaus. Die Frau rief dem Bock nach: »Wohin willst du gehen?« Der Bock sagte: »Ich gehe nur bis nach da vorne, um zu sehen, ob jemand kommt!« Die Frau sagte: »Das ist gut! Komm nachher nur wieder hier vorbei!« Der Bock ging nach vorn und sah, ob niemand dort käme. Als der Bock sah, daß niemand kam, kehrte er zurück. Als er wieder bei der Hütte war, sagte die Kurru zu dem Antilopenbock: »Mein Bock, willst du mich nicht noch einmal beschlafen?« Der Bock sagte: »Das will ich sehr gerne tun!« Die Kurru sagte: »Dann komm schnell in die Hütte!« Der Bock kam in die Hütte. In der Hütte beschlief der Bock die Kurru der Frau. Als er das getan hatte, lief er hinaus.

Die Frau fragte den Bock dann wieder, wo er hinlaufe. Die Kurru rief ihn dann wieder herein und ließ sich von ihm beschlafen. Und so ließ sich die Kurru von dem Antilopenbock fünfmal beschlafen. Als der Antilopenbock die Kurru das fünfte Mal beschlafen hatte, lief er wieder hinaus und sagte: »Laß mich gehen, nun bin ich müde!« Danach lief der Antilopenbock wieder in den Wald und legte sich nieder, um zu schlafen.

Der Mann kam nach einiger Zeit von der Farm nach Hause. Er aß zu Abend. Dann legte er sich auf das Bett. Seine Frau lag neben ihm. Als es dunkel war, sagte die Kurru seiner Frau zu ihm: »Es war heute ein Antilopenbock hier. Von dem habe ich mich fünfmal beschlafen lassen.« Als der Mann das hörte, sprang er vom Bett auf. Er weckte seine Frau und sagte zu ihr: »Frau, steh auf! Pack deine Sachen! Wir gehen wieder in den Ort, wo wir vorher mit den andern Menschen wohnten. Wenn dich da ein anderer Mann beschläft, kann ich ihn wenigstens verprügeln!«

Der Mann zog mit seiner Frau wieder in den Ort.

Die Schwester mit dem Penis

Muntschi

Ein Toro hatte eine Tochter. Die Tochter hatte einen Beischläfer. Der kam immer in das Haus ihrer Mutter und blieb die Nacht über bei ihr. Es kamen Männer und wollten das Mädchen heiraten. Das Mädchen sagte: »Ich will nicht heiraten.« Das Mädchen wollte keinen Mann nehmen. Der Vater sagte aber zu dem Mädchen: »Ich will, daß du heiratest!«

Es kam ein Mann, der hieß Bogo. Der Bogo sagte zu dem Toro: »Ich möchte deine Tochter heiraten.« Der Vater fragte die Tochter: »Willst du diesen Bogo auch wieder nicht nehmen?« Das Mädchen sagte: »Ja, ich will den Bogo heiraten.« Bogo heiratete das Mädchen und nahm es dann mit an seinen Ort. Die junge Frau lebte kurze Zeit mit Bogo an seinem Orte. Die junge Frau sagte (bei sich): »Mein Beischläfer war anders als mein Mann. Ich möchte einmal wieder mit meinem Beischläfer zusammen sein.«

Die junge Frau kam zu Bogo und sagte: »Ich möchte einmal wieder meine Mutter besuchen.« Bogo sagte: »Nein, bleib hier und mach deine Arbeit!« Die junge Frau sagte: »Ich möchte nur einmal für einen Abend hingehen.« Bogo sagte: »Nein, du bleibst zunächst noch hier. Du hast alles, was du brauchst.« Der Beischläfer der jungen Frau sagte: »Ich möchte wohl wissen, wie es meinem Mädchen geht. Ich möchte wohl einmal wieder mit meinem Mädchen zusammen schlafen.« Der Beischläfer der jungen Frau sagte: »Ich werde einmal in das Dorf Bogos gehen. Vielleicht kann ich mein Mädchen sprechen.« Der Beischläfer machte sich auf den Weg. Er kam in Bogos Dorf. Der Beischläfer wartete ab, bis Bogo einmal wegging.

Als Bogo das Haus verließ, um auf die Farm zu gehen, kam der Beischläfer zu der jungen Frau und begrüßte sie. Die junge Frau sagte ihm: »Ich wollte gern einmal wieder mit dir schlafen. Ich sagte meinem Mann, ich wollte meine Mutter wieder sehen. Mein Mann sagte, ich solle bei ihm bleiben und meine Arbeit verrichten.« Der Beischläfer sagte: »Bitte deinen Mann noch einmal. Er wird es dir dann vielleicht erlauben.« Die junge Frau sagte: »Ja, ich will meinen Mann noch einmal bitten.« Der Beischläfer ging.

Am andern Tage sagte die junge Frau zu ihrem Mann: »Mein Bogo, ich möchte einmal meine Mutter besuchen!« Bogo sagte: »Nein, bleib hier!« Die junge Frau sagte: »Ich möchte nur einmal für einen Abend hingehen!« Bogo sagte: »Nein, du bleibst hier. Sieh dich nur danach um, daß du als Frau alles findest, was du brauchst!«

Nach einigen Tagen kam der Beischläfer der jungen Frau wieder in das Dorf Bogos. Er wartete ab, bis Bogo das Haus verließ. Als Bogo das Haus verlassen hatte, kam der Beischläfer zu der jungen Frau und begrüßte sie. Die junge Frau sagte zu ihm: »Ich wollte gerne einmal wieder mit dir im Hause meiner Mutter schlafen. Ich sagte meinem Manne wieder, ich wollte meine Mutter einmal sehen. Mein Mann sagte, ich solle bei ihm bleiben und sehen, daß ich als Frau alles fände, was ich brauche!« Der Beischläfer sagte: »Bitte deinen Mann noch einmal; er wird es dir dann vielleicht erlauben.« Die junge Frau sagte: »Ja, ich will meinen Mann noch einmal bitten.« Der Beischläfer ging.

Am andern Tage sagte die junge Frau zu ihrem Manne: »Mein Bogo, ich bitte dich! Ich möchte meine Mutter besuchen.« Bogo sagte: »Nein, bleib hier!« Die junge Frau sagte: »Ich möchte nur einmal für einen Abend hingehen!« Bogo sagte: »Nein, du bleibst hier! Denke nicht soviel an deine Mutter. Tu alles was du kannst, um selbst Mutter zu werden.«

Nach einigen Tagen kam der Beischläfer der jungen Frau wieder in das Dorf Bogos. Er wartete ab, bis Bogo das Haus verließ. Als Bogo das Haus verlassen hatte, kam der Beischläfer zu der jungen Frau und begrüßte sie. Die junge Frau sagte zu ihm: »Ich wollte gern einmal wieder mit dir im Hause meiner Mutter schlafen. Ich sagte meinem Manne noch einmal, ich wolle meine Mutter sehen. Mein Mann sagte, ich solle bei ihm bleiben und alles tun, was ich könne, um selbst Mutter zu werden.« Der Beischläfer sagte: »Ich werde sehen, ob ich hierbei helfen kann. Warte einen Tag, dann hole ich euch ab.« Der Beischläfer ging.

Der Beischläfer ging. Der Beischläfer zog sich Frauenkleider an. Er band sich ein Kopftuch um. Der Beischläfer band sich schöne Perlen um den Hals. Dann kam der Beischläfer zurück in Bogos Dorf. Der Beischläfer im Frauenkleid ging zu Bogo. Er begrüßte Bogo und sagte: »Ich bin die Schwester deiner Frau. Ich will dich und deine Frau abholen, damit wir im Dorfe der Mutter ein Fest feiern. Es ist auch ein Ochse geschlachtet worden. Wir können gleich gehen, dann könnt ihr heute abend bei mir schlafen und morgen bei unserer Mutter ankommen.« Bogo sagte: »Es ist mir recht!« Bogo machte sich zurecht. Seine Frau machte sich zurecht. Sie machten sich auf den Weg.

Als es dunkel war, kamen sie in den Ort des Beischläfers. Der Beischläfer führte sie in sein eigenes Haus und sagte: »Es ist nur ein Bett hier im Hause. Willst du nun woanders schlafen?« Bogo sagte: »Nein, schlaft ihr Schwestern nur auf diesem Bett. Ich selbst lege mich dann vor die Tür und schlafe vor der Tür. Dann weiß ich, daß kein Mann zu euch hereinkommt.« Der Beischläfer ging darauf mit der jungen Frau in das Haus. Sie legten sich zusammen auf das Bett. Bogo lag draußen vor der Tür.

Als der Beischläfer und die junge Frau nun glaubten, daß Bogo eingeschlafen sei, erhob sich der Beischläfer und legte sich zwischen die Beine der jungen Frau. Dann tat er so, wie die beiden es früher im Hause der Mutter der jungen Frau gemacht hatten. Als die junge Frau nun fühlte, daß es ebenso war wie in alter Zeit, und als sie merkte, daß dieser Beischlaf bald zu Ende sei, sagte sie stöhnend vor sich hin: »Oh, das ist anders als Bogo! Oh, das ist anders als Bogo! Oh, das ist anders als Bogo!« Danach verließ der Beischläfer die junge Frau und legte sich an ihre Seite.

Bogo, der draußen vor der Tür schlief, wachte davon auf, daß seine Frau gestöhnt und seinen Namen genannt hatte. Er erhob ein wenig den Oberkörper und fragte durch die Tür hinein: »Was sprichst du da, meine junge Frau?« Die junge Frau sagte: »Ich träumte. In Träumen sagte ich: ›Ich will meine Arbeit schon verrichten, mein Bogo! Ich will meine Arbeit schon verrichten, mein Bogo!‹« Bogo sagte: »Schlafe nur ruhig. Wenn du in meinem Dorf arbeitest, dann ist es genug!« Dann legte sich Bogo wieder auf die andere Seite und schlief ein.

Als der Beischläfer und die junge Frau nun glaubten, daß Bogo eingeschlafen sei, erhob sich der Beischläfer und legte sich zwischen die Beine der jungen Frau. Dann tat er so, wie es die beiden früher im Hause der Mutter der jungen Frau gemacht hatten. Als die junge Frau nun fühlte, daß es ebenso war wie in alter Zeit, und als sie merkte, daß auch dieser Beischlaf bald zu Ende sei, sagte sie stöhnend vor sich hin: »Ach, wenn mein Bogo doch auch so könnte! Ach, wenn mein Bogo doch auch so könnte! Ach, wenn mein Bogo doch auch so könnte!« Danach verließ der Beischläfer die junge Frau und legte sich an ihre Seite.

Bogo, der draußen vor der Tür wieder eingeschlafen war, wachte davon auf, daß seine Frau gestöhnt und seinen Namen genannt hatte. Er erhob ein wenig den Oberkörper und fragte durch die Tür hinein: »Was sprichst du da, meine junge Frau?« Die junge Frau sagte: »Ich träumte. Im Traum sagte ich: Mein Bogo, ich will alles zu finden suchen, was ich als Frau brauche! Mein Bogo, ich will alles zu finden suchen, was ich als Frau brauche!« Bogo sagte: »Schlafe nur ruhig! Wenn du in meinem Dorfe als Frau alles findest, ist das genug!« Dann legte sich Bogo auf die andere Seite und schlief wieder ein.

Als der Beischläfer und die junge Frau nun glaubten, daß Bogo wieder eingeschlafen sei, erhob sich der Beischläfer und legte sich zwischen die Beine der jungen Frau. Dann tat er so, wie es die beiden früher im Hause der Mutter der jungen Frau gemacht hatten. Als die junge Frau nun fühlte, daß es ebenso war wie in alter Zeit, und als sie merkte, daß auch dieser Beischlaf bald zu Ende sein würde, sagte sie stöhnend vor sich hin: »Bogo ist schwach, du aber bist stark! Bogo ist schwach, du aber bist stark! Bogo ist schwach, du aber bist stark!« Danach verließ der Beischläfer die junge Frau und legte sich an ihre Seite.

Bogo, der draußen vor der Tür wieder eingeschlafen war, wachte davon auf, daß seine Frau gestöhnt und seinen Namen genannt hatte. Er erhob ein wenig den Oberkörper und fragte durch die Tür hinein: »Was sprichst du da, meine junge Frau?« Die junge Frau sagte: »Ich träumte. Im Traum sagte ich: Mein Bogo, ich will alles tun, was ich kann, um bald Mutter zu werden. Mein Bogo, ich will alles tun, was ich kann, um bald Mutter zu werden.« Bogo sagte: »Schlafe nur ruhig, meine junge Frau! Du wirst schon Mutter werden!« Die junge Frau sagte: »Ja, das denk ich jetzt auch!« Dann legte sich Bogo wieder auf die andere Seite und schlief ein.

Als der Morgen nahe war, erhob sich die junge Frau. Ihr Beischläfer schlief noch. Die junge Frau machte die Tür auf und ging über Bogo hinweg mit einem Topf zum Bach, um sich zu waschen und Wasser zu bringen. Als sie weg war, erwachte Bogo. Bogo sah die Tür offen stehen. Bogo blickte in das Haus hinein. Bogo sah, daß nur eine Person auf dem Bett lag. Bogo trat in das Haus.

Im Schlafe war dem Beischläfer das Kleid heruntergefallen und sein Djoa (Penis) lag offen da. Bogo sah den Penis. Bogo sagte: »Diese Schwester hat ja einen Penis! Was mache ich mit dem Penis!« Bogo zog sein Messer heraus. Bogo sagte: »Ob ich diesen Penis der Schwester abschneide?« Bogo sagte: »Ich will warten, bis es heller ist.« Bogo ging aus dem Hause. Er steckte das Messer wieder ein.

Bogo saß vor dem Hause und sagte: »Ich muß der Schwester den Penis abschneiden!« Bogo sagte: »Nein, ich muß die Schwester töten!« Bogo zog das Messer wieder heraus. Bogo trat zu dem Beischläfer. Bogo sagte: »Ich muß diese Schwester töten.« Bogo betrachtete den Beischläfer und sagte: »Ich muß warten, bis es noch etwas heller ist.« Bogo ging aus dem Hause. Draußen steckte er das Messer wieder ein.

Nach einiger Zeit kam die junge Frau vom Wasser zurück. Bogo kam seiner Frau entgegen und sagte: »Deine Schwester hat ja einen Penis!« Die junge Frau schrie auf! Die junge Frau rief: »Was sagst du, meine Schwester soll einen Penis haben? Das habe ich noch nicht gesehen! Das habe ich noch nicht gehört!« Die junge Frau warf den Topf mit Wasser hin. Sie schrie. Alle Leute kamen aus den Häusern. Die junge Frau schrie: »Hört nur, ich habe eine Schwester mit einem Penis!« Die Leute sagten: »Das ist unangenehm, daß deine Schwester einen Penis hat. Schicke sie weg!« Andere Leute sagten: »Ja, es gibt Frauen, die auch einen Penis haben. Aber sie können nichts damit machen.«

Der Beischläfer war aufgewacht. Er hatte sein Kleid umgenommen. Bogo fragte ihn: »Kannst du, meine Schwägerin, mit dem Penis etwas machen?« Der Beischläfer sagte: »Nein, ich kann mit diesem Penis nichts machen, denn er ist niemals stark.« Bogo sagte: »Dann ist es gut. Dann können wir zusammen weiterreisen.«

Der Beischläfer besuchte die junge Frau oft. Die junge Frau gebar bald zwei Kinder. Es waren ein Junge und ein Mädchen.

Der Blutschänder

Nupe

Eine junge Frau ward schwanger. Sie gebar einen Sohn. Er war bei der Geburt ein ausgewachsener Mann. Der Sohn sagte zu seiner Mutter: »Hier gebe ich dir 3000 Kauri. Gehe hin und rufe mir eine Frau, daß ich mit ihr schlafe.« Die Mutter nahm die 3000 Kauri. Sie wollte eine Frau rufen. Sie begegnete einem Mann. Sie schuldete dem Manne 3000 Kauri. Der Mann sah das Geld in ihrer Hand. Der Mann nahm ihr die 3000 Kauri ab und sagte: »Du schuldest mir diese 3000 Kauri. Ich nehme das Geld.« Die Frau sagte: »Nimm das Geld nicht. Laß mir das Geld. Das Geld gehört nicht mir. Es gehört meinem Sohn. Mein Sohn sandte mich, daß ich eine Frau für ihn suche, die mit ihm schlafe.« Der Mann sagte: »Es ist mir gleich.« Der Mann behielt das Geld. Der Mann ging mit dem Geld fort.

Die Mutter kam nach Hause. Der Sohn fragte sie: »Hast du die Frau?« Die Mutter sagte: »Die Frau wird in fünf Tagen kommen, um mit dir zu schlafen.« Als fünf Tage verstrichen waren, fragte der Sohn: »Wo ist die Frau, die mit mir schlafen will?« Die Mutter sagte: »Die Frau wird heute abend zu dir kommen.« Die Mutter selbst hatte die Menstruation gehabt. Die Mutter wusch sich am Abend gut. Sie zog sich gewaschene Kleider an. Abends legte sich der Sohn auf sein Bett. Als es Nacht geworden war, kam die Mutter zu ihm herein. Der Sohn fragte: »Wer ist da?« Die Mutter antwortete nicht. Der Sohn wollte das Feuer anblasen. Die Mutter ergriff den Wasserkessel und goß Wasser über das Feuer. Dann legte sich die Mutter auf eine Matte neben der Tür nieder.

Nach Mitternacht stand der Sohn auf und ging zu der Frau, die in seinem Hause nahe der Tür lag. Er beschlief die Frau. Er beschlief seine Mutter. Dann ging er zurück und legte sich wieder auf sein Lager. Als es gegen Morgen war, erhob sich die Frau. Sie ging aus dem Haus. Sie ging hinaus. Der Sohn folgte ihr. Die Frau wußte es nicht. Die Frau ging auf ihre Hütte zu. Der Sohn sah, das war die Hütte seiner Mutter. Der Sohn rief: »Mutter! Mutter!« Die Frau schrie! Der Sohn sah, es war seine Mutter! Der Sohn sagte: »Ich habe meine Mutter beschlafen!«

Als es Tag war, ging der Sohn zu seinem Freund. Er sagte zu seinem Freund: »Ich gab meiner Mutter 3000 Kauri. Meine Mutter sollte mir eine Frau besorgen, mit der ich schlafen wollte. Meine Mutter brachte keine Frau. Ich wurde ungeduldig. Ich fragte meine Mutter gestern, wo die Frau bliebe, mit der ich schlafen wolle. Meine Mutter sagte, ich solle sie abends haben. Nachts kam eine Frau zu mir. Die Frau sprach nicht. Sie goß Wasser auf die glimmende Asche meines Feuers. Sie schlief in meinem Hause. Gegen Morgen beschlief ich die Frau. Gegen Tagesanbruch ging die Frau hinaus. Ich folgte ihr. Die Frau ging auf die Hütte meiner Mutter zu. Ich rief die Frau an. Sie lief fort. Ich sah, daß sie meine Mutter war. Ich habe meine Mutter beschlafen. Sage es niemand. Du bist mein Freund. Dir mußte ich es sagen. Sage es niemand. Niemand darf es wissen.« Der Freund sagte: »Ich will es niemand sagen.«

Der Sohn hatte seine Mutter beschlafen, als die Menstruation gerade vorüber war. Nach drei Monaten war die Mutter schwanger, so daß ihr Leib schwoll. Die Leute sagten: »Die Frau ist schwanger. Mit wem hat sie geschlafen?« Die Leute fragten den Freund des Sohnes: »Die Frau ist schwanger. Mit wem hat sie geschlafen?« Der Freund sagte zu den Leuten: »Der Sohn hat seine Mutter beschlafen. Ihr dürft es aber niemand sagen.« Nach einigen Tagen ging der Sohn durch die Stadt. Er besuchte einen Mann. Der Mann sagte: »Geh fort von hier! Du hast deine eigene Mutter beschlafen!« Der Sohn ging fort. Er kam an einem anderen Mann vorbei. Der Mann sagte: »Geh fort von mir! Du hast deine eigene Mutter beschlafen!« Der Sohn lief weg. Er traf auf einen Freund. Der Freund sagte: »Geh fort von mir! Du hast deine eigene Mutter beschlafen!« Der Sohn schämte sich.

Der Sohn lief nach Hause. Er packte seine Sachen. Er lief aus dem Hause. Er lief aus der Stadt. Der Sohn lief durch das Nupeland. Der Sohn lief in das Haussaland. Der Sohn kam nach Kano. In Kano ging der Sohn zu einem Mallem. Der Sohn sagte zu dem Mallem: »Ich bitte dich! Sei mein Vater; sei meine Mutter. Laß mich bei dir!« Der Mallem sagte: »Es ist gut.« Der Mallem sagte zu seiner ersten Frau: »Dieser Bursche bat mich, ihm Vater und Mutter zu sein. Sorge für ihn!« Die Frau sagte: »Es ist recht.« Der Sohn blieb bei dem Mallem.

Neun Monate, nachdem der Sohn bei seiner Mutter geschlafen hatte, gebar die Mutter ein Kind. Das Kind war ein Mädchen. Das Kind wuchs heran. Das Mädchen spielte mit anderen Kindern. Als das Mädchen herangewachsen war, sagten die Freundinnen zu ihr: »Geh weg! Ehe du geboren wurdest, schlief dein Bruder bei deiner Mutter!« Das Mädchen schämte sich. Am anderen Tag sagten die Freundinnen zu dem Mädchen: »Geh weg! Ehe du geboren wurdest, schlief dein Bruder bei deiner Mutter!« Das Mädchen schämte sich. Am anderen Tag sagten die Freundinnen zu dem Mädchen: »Geh weg! Ehe du geboren wurdest, schlief dein Bruder bei deiner Mutter!« Das Mädchen schämte sich. Das Mädchen packte seine Sachen. Das Mädchen ging von Hause fort.

Das Mädchen wanderte in das Haussaland. Das Mädchen kam nach Kano. Das Mädchen kam nach Kano auf den Markt. Auf dem Markt war die Frau des Alfa, der den Sohn der Mutter aufgenommen hatte. Das Mädchen sagte zu der Frau des Alfa: »Willst du mir eine Mutter sein?« Die Frau sagte zu dem Mädchen:

»Was ist es mit dir?« Das Mädchen sagte: »Als meine Mutter meinen Bruder gebar, war er schon groß. Meine Mutter hatte keine Frau für ihn. Der Sohn meiner Mutter gab ihr 3000 Kauri, daß sie ihm eine Frau verschaffe. Er wollte mit einer Frau schlafen. Die Mutter ging mit dem Gelde fort. Sie traf einen Mann, dem sie 3000 Kauri schuldete. Der Mann nahm ihr das Geld fort. Mein Bruder wurde ungeduldig. Nachts kam die Mutter zu meinem Bruder. Der Sohn beschlief die Mutter. Die Mutter hatte die Menstruation gehabt. Die Mutter ward schwanger. Ich wurde geboren. Alle Freundinnen riefen mir nach: ›Geh weg! Ehe du geboren wurdest, schlief dein Bruder bei deiner Mutter!‹ Ich schämte mich. Ich packte meine Sachen. Ich lief fort. Ich kam hierher. Ich bitte dich, meine Mutter zu sein!« Die Frau des Alfa sagte: »Es ist gut. Komm mit zu mir.« Die Frau des Alfa nahm das Mädchen mit heim. Sie sagte zu dem Alfa: »Heute kam ein junges Mädchen zu mir. Das Mädchen bat mich, seine Mutter zu sein. Ich nahm das Mädchen mit mir.« Der Alfa sagte: »Es ist gut!«

Nach einiger Zeit sagte der Alfa zu seiner Frau: »Ich habe da den jungen Mann, der mich seinerzeit bat, ihm Vater und Mutter zu sein. Du hast das Mädchen, das zu dir kam und dich bat, ihm Mutter zu sein. Ich habe keine Frau für diesen Mann. Du hast keinen Mann für dein Mädchen. Wollen wir sie nicht miteinander verheiraten?« Die Frau sagte: »Es ist mir recht.« Darauf verheirateten der Alfa und seine Frau den Sohn der Mutter und das Mädchen.

Zwei Monate nachdem der Sohn der Mutter mit dem Mädchen verheiratet war, sagte der Sohn der Mutter zu dem Mädchen: »Als meine Mutter mich geboren hat, war ich schon groß. Meine Mutter hatte keine Frau für mich. Ich gab meiner Mutter 3000 Kauri, daß sie mir eine Frau verschaffe. Ich wollte mit einer Frau schlafen. Die Mutter ging mit dem Geld fort. Sie traf einen Mann, dem sie 3000 Kauri schuldete. Der Mann nahm ihr das Geld fort. Ich wurde ungeduldig. Nachts kam meine Mutter zu mir. Ich beschlief meine Mutter. Meine Mutter hatte die Menstruation gehabt. Meine Mutter wurde schwanger. Alle Leute riefen mir nach: ›Geh fort! Du hast deine eigene Mutter beschlafen!‹ Da schämte ich mich, da lief ich fort! Da kam ich hierher. Ich bat den Alfa, mein Vater, meine Mutter zu sein. Der Alfa nahm mich auf. Der Alfa gab mir dich zur Frau. So ist es.«

Die junge Frau erzählte: »Als meine Mutter meinen Bruder gebar, war er schon groß. Meine Mutter hatte keine Frau für ihn. Der Sohn meiner Mutter gab ihr 3000 Kauri, daß sie ihm eine eigene Frau verschaffe. Er wollte mit einer Frau schlafen. Die Mutter ging mit dem Geld fort. Sie traf einen Mann, dem sie 3000 Kauri schuldete. Der Mann nahm ihr das Geld fort. Mein Bruder wurde ungeduldig. Nachts kam die Mutter zu meinem Bruder. Der Sohn beschlief die Mutter. Die Mutter hatte die Menstruation gehabt. Die Mutter wurde schwanger. Ich wurde geboren. Alle Freundinnen riefen mir nach: ›Geh weg! Ehe du geboren wurdest, schlief dein Bruder bei deiner Mutter!‹ Ich schämte mich. Ich packte meine Sachen. Ich lief fort. Ich kam hierher. Ich traf die Frau des Alfa. Ich bat die Frau des Mallem, mir Mutter zu sein. Die Frau des Alfa nahm mich auf. Der Alfa machte mich zu deiner Frau. So ist es!«

Der Sohn der Mutter fragte seine Frau: »Aus welcher Stadt kommst du?« Die Frau nannte den Namen der Stadt, aus der er kam. Der Sohn der Mutter wußte, daß er die Tochter seiner Mutter geheiratet hatte. Der Sohn der Mutter wußte, daß er seine eigene Tochter geheiratet hatte. Seine Frau schlief ein. Der Sohn der Mutter packte alle seine Sachen. Der Sohn der Mutter öffnete leise die Tür. Der Sohn der Mutter lief von dannen.

Der Sohn der Mutter lief weit fort. Er lief weiter und weiter. Der Sohn der Mutter kam nach Mekka. Der Sohn der Mutter lief zum Imam. Der Sohn der Mutter sagte zum obersten Imam: »Meine Mutter hat mich als erwachsenen Mann geboren. Ich gab meiner Mutter Geld, daß sie mir eine Frau bringe. Ein Mann nahm der Mutter das Geld. Die Mutter kam nachts in mein Haus. Ich beschlief meine Mutter. Ich sah, daß ich meine Mutter beschlafen hatte. Ich sagte es meinem Freund. Die Leute hörten, daß ich meine Mutter beschlafen hatte. Die Leute beschimpften mich. Ich schämte mich. Ich lief fort. Ich floh nach Kano zu einem Mallem. Der Mallem nahm mich auf. Ich hatte meine Mutter nach der Menstruation beschlafen. Meine Mutter wurde schwanger. Sie gebar ein Mädchen. Das Mädchen wuchs heran. Die Leute beschimpften das Mädchen. Das Mädchen schämte sich. Das Mädchen lief fort. Das Mädchen floh nach Kano zu der Frau des Mallem. Die Frau des Mallem nahm das Mädchen auf. Der Mallem gab mir das Mädchen zur Frau. Ich heiratete das Mädchen. – Ich habe meine Mutter beschlafen. Ich habe die Tochter meiner Mutter beschlafen. Was wird aus mir?«

Der oberste Imam sagte: »Es kann dir nicht geholfen werden. Wenn du gestorben sein wirst, kommst du in das große Feuer.« Der Sohn der Mutter sagte: »Kann mir nicht geholfen werden?« Der oberste Imam sagte: »Nein, dir kann nicht geholfen werden.« Der Sohn der Mutter sagte: »Kann es nicht noch anders werden?« Der oberste Imam sagte: »Wenn ein alter Baumast, der drei Jahre schon kein Blatt mehr trug, wieder Blätter und Zweige hervorbringt, dann wird es anders kommen.« Der Sohn der Mutter hörte das. Der Sohn der Mutter ging hinaus.

Der Sohn der Mutter sagte zu sich: »Wenn ich gestorben sein werde, komme ich in das große Feuer. Es kann nicht anders kommen. Ein Baumast, der drei Jahre keine Blätter mehr trug, kann nicht Blätter und Zweige hervorbringen. Es kann nicht anders kommen.« Der Sohn der Mutter ging in den Busch. Der Sohn der Mutter schnitt sich aus einem harten, abgestorbenen Holz eine Stange. Der Sohn der Mutter ging auf den Weg, der von Kano nach Mekka führt. Der Sohn der Mutter versteckte sich neben dem Weg. Es kam ein Kaufmann mit Waren von Kano nach Mekka. Der Sohn der Mutter sprang hervor und schlug den Mann mit seiner Stange tot. Der Sohn der Mutter nahm die Last des Erschlagenen und trug sie in sein Haus. Der Sohn der Mutter ging an die Straße. Er versteckte sich an der Straße. Er schlug viele Leute tot, die mit Lasten von Kano nach Mekka kamen. Der Sohn der Mutter trug alle ihre Waren in sein Haus. Drei Jahre lebte der Sohn der Mutter an der Straße von Kano nach Mekka. Drei Jahre schlug er die Wanderkaufleute mit seiner Stange tot.

In Kano war ein reicher Madugu. Der hatte eine sehr schöne junge Frau. Der Madugu wollte mit seinen Waren nach Mekka gehen. Ein junger Mann in Kano sah die Frau. Er wollte die Frau besitzen. Er ging zu dem Madugu: »Kannst du einen Träger gebrauchen, der dir deine Lasten nach Mekka trägt?« Der Madugu sagte: »Gewiß kann ich einen Träger brauchen, der meine Last nach Mekka trägt.« Der junge Mann sagte: »Ich gehe als dein Träger mit dir.« Der Madugu sagte: »Es ist mir recht!«

Der Madugu, die schöne junge Frau und der Träger machten sich auf den Weg nach Mekka. Sie kamen an die Stelle, an der der Sohn der Mutter mit seiner Stange versteckt lag. An dieser Stelle fiel die junge, schöne Frau des Madugu um und war tot. Der Madugu sagte zu dem Träger: »Bringe meine Last in die nächste Ortschaft. Dann komme zurück und hilf mir, meine junge Frau zu begraben. Ich will solange bei ihr bleiben.« Der junge Mann sagte: »Ich bin nur dein Träger geworden, um bei deiner jungen, schönen Frau bleiben zu können. Trage deine Last nun selbst weiter. Ich gehe nicht mehr mit dir. Ich bleibe bei der Leiche.« Der Madugu sagte: »Ich bitte dich! Trage meine Last in das Dorf und hilf mir nachher!« Der Träger sagte: »Ich tue es nicht! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.« Der Madugu sagte: »In diesem Busch sind schon viele Lasten geraubt. Hilf mir, meine Last fortzubringen!« Der junge Mann sagte: »Hilf dir selbst!« Der Madugu nahm seine Last auf den Kopf. Er lief mit seiner Last in das nächste Dorf.

Als der Madugu mit seiner Last fortgegangen war, warf sich der junge Mann neben der Leiche der jungen, schönen Frau auf die Erde. Er warf sich auf die junge schöne Frau. Er beschlief sie. Der junge Mann beschlief die Leiche der jungen, schönen Frau. Der Sohn der Mutter lag mit seiner Stange im Busch. Der Sohn der Mutter sprang aus dem Busch. Der Sohn der Mutter sprang auf den jungen Mann zu. Der Sohn der Mutter rief: »Wie kannst du die Leiche einer toten Frau beschlafen!«

Der Sohn der Mutter ergriff seine Stange. Der Sohn der Mutter schlug den jungen Mann tot. Danach begrub der Sohn der Mutter die Leiche der jungen, schönen Frau. Die Leiche des jungen Mannes begrub er nicht.

Der Sohn der Mutter ging nach Hause. In seinem Hause legte er sich hin. Er schlief ein. Als er eingeschlafen war, kamen die Leute der Umgebung zusammen. Sie kamen in sein Haus. Sie traten um den Sohn der Mutter. Sie sagten: »Das ist der Mann, der die Leute auf dem Wege von Kano nach Mekka erschlug. Wir wollen ihn gefangen nehmen. Wir wollen ihn zu dem obersten Imam nach Mekka bringen.« Die Leute nahmen ihn gefangen. Sie brachten ihn nach Mekka. Sie brachten ihn zu dem obersten Priester.

Der oberste Imam sah den Sohn der Mutter. Der oberste Iman sagte: »Dieser Mann hat seine eigene Mutter beschlafen. Dieser Mann hat die Tochter seiner Mutter geheiratet. Dieser Mann hat seine eigene Tochter geheiratet. Dieser Mann hat viele Leute, die von Kano nach Mekka reisen wollten, totgeschlagen und beraubt. Tötet ihn!« Der oberste Imam hatte gesprochen. Die Leute kamen herbei, um den Sohn der Mutter zu töten. Da flatterte ein Blatt vom Himmel. Das Blatt fiel vor dem Imam nieder. Der Imam hob das Blatt auf. Das Blatt war beschrieben. Der Imam las, was auf dem Blatt stand. Auf dem Blatt stand geschrieben: »Der Sohn seiner Mutter hat seine Mutter beschlafen. Der Sohn seiner Mutter wußte nicht, daß es seine Mutter war. Der Sohn seiner Mutter floh. Der Sohn seiner Mutter heiratete die Tochter seiner Mutter. Er beschlief die Tochter seiner Mutter. Er wußte nicht, daß es die Tochter seiner Mutter war. Der Sohn seiner Mutter heiratete seine eigene Tochter. Er beschlief seine eigene Tochter. Er wußte nicht, daß es seine eigene Tochter war. Der Sohn seiner Mutter floh. Der Sohn seiner Mutter kam nach Mekka. Er kam zum obersten Imam. Der oberste Imam sagte ihm: ›Dir kann nicht geholfen werden. Wenn du gestorben sein wirst, kommst du in das große Feuer.‹ Der Sohn seiner Mutter sagte: ›Kann es nicht anders werden?‹ Der oberste Imam sagte: ›Wenn ein alter Baumast, der drei Jahre schon keine Blätter mehr trug, wieder Zweige und Blätter hervorbringt, dann wird es anders kommen!‹ Der Sohn der Mutter ging in den Busch. Er schnitt sich aus hartem, abgestorbenem Holz eine Stange. Er ging an den Weg, auf dem die Leute von Kano nach Mekka kommen. Er schlug mit der Stange viele Leute tot. Er begrub sie. Es kam ein junger Mann, der beschlief die Leiche einer jungen Frau am Wege. Der Sohn der Mutter schlug ihn tot. Der Sohn der Mutter begrub die Leiche der jungen Frau. Geht hin und seht seine Stange, die drei Jahre lang keine Blätter trug!«

Die Leute liefen hin. Sie sahen die Stange. Die Stange hatte Blätter und Zweige. Der oberste Imam sagte: »Dem Sohne seiner Mutter ist geholfen worden.« Der Sohn seiner Mutter ward frei gelassen. Alle Leute beglückwünschten den Sohn seiner Mutter. Der Sohn seiner Mutter blieb in Mekka. Drei Monate nachher starb der oberste Imam. Da machten die Leute den Sohn der Mutter zum obersten Imam.

Die bestraften Buhlen

Nupe

Ein kluger Mann sagte zu einem anderen klugen Mann: »Alle Frauen betrügen ihre Männer und schlafen mit anderen.« Der andere kluge Mann sagte: »Alle anderen Frauen tun das vielleicht. Meine Frau tut das nicht.« Der eine kluge Mann sagte: »Versuche es doch einmal!« Der andere kluge Mann sagte: »Ich werde es einmal versuchen.«

Der Mann verklebte seine Augen, so daß man glaubte, er könne nicht sehen, so daß er selbst aber doch alles sehen konnte.

Dann kam er mittags nach Hause und sagte zu seiner Frau: »Frau, meine Augen schmerzen mich sehr, ich kann nicht sehen.« Die Frau sagte: »Was ist das? Heute morgen konntest du doch alles noch gut sehen.« Der Mann sagte: »Es muß bei der Farmarbeit gekommen sein.« Die Frau führte den Mann auf seine Matte.

Der Mann saß auf seiner Matte. Die Frau lief schnell von dannen. Die Frau lief zu ihrem Njetschi (Buhlen). Sie sagte zu ihrem Buhlen: »Mein Mann ist erblindet, komm, iß heute abend bei mir.« Der Buhle sagte: »Ich komme sogleich mit.« Der Buhle ging mit der Frau. Die Frau machte Essen. Der Buhle ging ganz dicht bei dem Ehemann vorbei. Der Ehemann sagte nichts. Die Frau setzte ihrem Mann das Essen hin. Der Mann griff in die Schüssel und aß. Der Buhle streckte die Hand aus und nahm aus der Schüssel. Der Ehemann sagte nichts. Der Buhle sagte bei sich: »Der Mann ist ganz blind.« Der Buhle aß mit. Der Ehemann kam dann mit seiner Hand an die Hand des Buhlen. Der Ehemann sagte: »Du, Usuma! Jage doch den Hund weg. Ich sehe jetzt schon so schlecht, daß ich es nicht einmal abwehren kann, wenn die Hunde von der Straße kommen und mit aus meiner Schüssel fressen!«

Am anderen Tage ging die Frau weg. Usuma hatte nicht nur einen Buhlen. Usuma hatte zwei Buhlen. Usuma ging zu dem zweiten Buhlen und sagte: »Mein Mann ist völlig erblindet. Komm heute nacht zur Stelle, wo man sich wäscht, über die Mauer. Ich hole dich dann da ab. Wenn mein Mann auch da vorbeikommt, sage nur nichts und rühre dich nicht. Mein Mann sieht nichts mehr.« Der Buhle sagte: »Es ist gut.« Der Buhle kam an die Mauer, stieg über die Mauer an der Wasch- und Pißstelle und wartete. Der Ehemann sah es vom Sauri aus durch die verklebten Augen. Der Ehemann stand auf, tastete sich bis zur Waschstelle und pißte da. Der Buhle bewegte sich nicht. Beim Aufstehen berührte der Ehemann mit seiner Hand die Hand des Buhlen auf der Mauer. Der Ehemann rief: »Usuma, meine Frau! Jag' die Hühner in den Hof. Die sitzen hier auf der Mauer. Ich fühlte eines, aber ich kann es nicht sehen.« Am anderen Abend sagte der Mann zu seiner Frau: »Ich war beim Boschi (Orakelmann). Der Boschi hat mir gesagt, ich soll mir einen großen Ochsenschenkelknochen auf das Essen legen lassen, und wenn ich ihn vor dem Abendessen immer bei mir behielte, dann würde meine Blindheit wohl in einem Jahr vergehen.« Die Frau kaufte einen großen Knochen und legte ihn abends auf das Essen. Der Mann nahm den Knochen, dann aß der Mann. Als er gegessen hatte, ging der Ehemann wieder zu der Pißstelle, den Ochsenschenkelknochen nahm er mit. An der Pißstelle stand wieder der Buhle und wartete, bis die Frau ihn rufen würde. Der Ehemann tat so, als wolle er sich zum Pissen hinhocken. Er nahm aber den Ochsenschenkelknochen und schlug auf den Buhlen. Er schlug den Buhlen tot. Der Buhle fiel tot hin.

Danach ging der Mann mit dem Ochsenschenkelknochen wieder in das Haus. Im Hause kam gerade der andere Buhle an. Der Buhle drückte sich an die Wand. Der Ehemann tastete sich nahe an ihm vorbei; er faßte den Knochen fest, und als er ganz nahe bei dem Buhlen war, hob er den Knochen auf und schlug damit dem Buhlen über den Kopf. Der Mann lief mit gespaltenem Schädel davon. Danach wartete der Ehemann, bis es tief in der Nacht war, und in der Nacht hob er den toten Buhlen auf und trug die Leiche auf den Markt. Er ließ die Leiche auf dem Markt und ging wieder nach Hause.

Am anderen Tage fanden die Leute den Leichnam auf dem Markt. Alle Leute kamen auf dem Markte zusammen. Einige Leute liefen hin und erzählten dem König: »Auf dem Markt hat man einen toten Mann gefunden, dem der Schädel zerschlagen ist.« Der König ließ alle Leute kommen. Der König fragte alle Leute. Niemand konnte etwas über die Sache sagen. Ein alter Mann sagte: »Es wohnt ein Mann hier dicht bei, der ist seit einigen Tagen erblindet. Der Mann hat nachts solche Schmerzen, daß er nicht schlafen kann. Wenn irgend jemand, dann muß dieser Mann etwas davon gehört haben.« Der König sandte zu dem Ehemann. Der blinde Ehemann wurde herbeigeführt. Der König fragte: »Hast du in der Nacht etwas von einem Streit gehört?« Der blinde Ehemann sagte: »Ich habe diese Nacht einen Mann schreien hören: ›Du hast mir den Kopf verwundet, nun werde ich dich töten.‹ Danach habe ich etwas hinfallen gehört. Wenn nun wirklich in der Stadt jemand getötet ist, dann muß man nach dem Manne suchen, dem der Schädel verwundet ist.« Der König sagte: »Es ist gut.« Der König ließ alle Leute in der Stadt zusammenkommen. Der König sagte: »Nehmt eure Mützen ab.« Alle Leute nahmen die Mützen ab. Nur ein Mann wollte die Mütze nicht abnehmen. Es war der Buhle der Frau. Der König sagte: »Weshalb will der Mann die Mütze nicht abnehmen? Nehmt ihm die Mütze weg.« Man nahm dem Manne die Mütze ab. Man sah die Wunde.

Der König sagte: »Das ist der, der den anderen totgeschlagen hat. Tötet ihn.« So wurde auch der zweite Buhle getötet.

Nach einigen Tagen sagte der Ehemann zu seiner Frau: »Der Ochsenschenkelknochen hat mir geholfen, ich kann jetzt wieder sehen.« Nach einigen Tagen kam der erste kluge Mann zu dem anderen und sagte: »Ich hörte, du seist blind?« Der kluge Ehemann sagte: »Ja, ich bin blind gewesen. Ich sehe jetzt aber besser als früher!«

Zu weit getriebene Eifersucht

Nupe

Ein Mann heiratete eine Frau. Er wollte nicht, daß seine Frau einen anderen Mann ansehe. Deshalb nahm er seine Frau und versteckte sie in einer Hütte seiner Farm. Die Frau durfte nie aus der Farm in die Stadt kommen.

Die Frau hatte, ehe sie heiratete, einen Freund gehabt. Der Freund sagte: »Ich möchte meine Freundin einmal wieder sprechen. Wenn der Ehemann mich daran hindern will, so will ich ihn dafür strafen.« Der Freund nahm die Frucht vom Baobab. Er machte am Nabel ein kleines Loch hinein; er holte allen Samen heraus; er füllte sie mit kleinen Kaurimuscheln; er schloß das Loch mit einem kleinen Holzstift. Als es Nacht war, trug er die Frucht hinaus, in die Farm des Mannes seiner Freundin. Auf dieser Farm stand ein außerordentlich hoher und kaum besteigbarer Baobab. Er versteckte die ausgehöhlte und mit Kauri gefüllte Frucht unter den Büschen am Fuße des Baobab. Dann ging er wieder nach Hause.

Am anderen Tage ging er in die Farm des Mannes seiner Freundin. Der Ehemann rief ihn an: »Was willst du hier? Was machst du hier? Ist dies deine Farm? Wen suchst du hier?« Der Freund sagte: »Ich habe einen Weg gemacht und die Richtung verloren. Ich bin lang unterwegs. Kann ich mir in der Hütte etwas Wasser nehmen?« Der Ehemann sagte: »Laß das! Ich gehe selbst hinein und hole dir etwas Wasser. Bleib hier stehen!« Der Ehemann ging hinein und holte etwas Wasser. Der Freund trank. Der Ehemann sagte: »Nun geh!« Der Freund sagte: »Könnte deine Frau uns nicht etwas Essen machen?« Der Ehemann sagte: »Nein, geh jetzt. Ich will dich nicht wieder auf dieser Farm sehen! Das ist kein Weg! Ich will hier ungestört sein!« Der Freund sagte: »Also so meinst du es!«

Der Freund sagte: »Dann habe ich, ehe ich gehe, noch eine Bitte zu sagen. Gib mir eine der Früchte dieses Baobab!« Der Ehemann sagte: »Der Baum ist zu hoch. Man kann nicht hinauf. Was willst du auch damit?« Der Freund sagte: »Ich will es dir sagen: die Früchte dieses Baobab haben keine Samen inwendig, sondern Kaurimuscheln, die eine 200, die andere 300.« Der Ehemann sagte: »Das lügst du!« Der Freund sagte: »Weshalb soll ich das lügen? Wir wollen sehen, ob wir nicht unter den Büschen eine herabgefallene Frucht finden. Du kannst sie dann selbst öffnen und nachsehen!« Der Freund ging umher unter den Büschen. Er sagte: »Hier liegt eine Frucht!« Er hob die Frucht auf und brachte sie dem Ehemann. Es war die Frucht, die er selbst nachts hierhergebracht hatte. Der Ehemann nahm die Frucht. Er warf sie gegen den Boden. Die Frucht sprang auf; alle Kauri sprangen auseinander.

Der Ehemann sah die Kauri. Der Ehemann sagte: »Es ist wahr. Ich habe viel Geld auf meiner Farm. Du hast es mir aber erst gezeigt.« Der Ehemann nahm einige Kauri auf. Er sagte: »Es sind Kauri!« Der Ehemann besah die Kauri und sagte zu dem Freunde: »Bleibe du hier unter dem Baum. Ich will schnell in das Farmhaus gehen und eine Leiter herausholen.« Der Ehemann ging hinein in das Haus. Er holte eine Leiter. Der Freund blieb unter dem Baum. Der Ehemann kam mit der Leiter. Der Ehemann lehnte die Leiter an den Baum. Der Freund sagte: »Ich will nach oben gehen und pflücken!« Der Ehemann sagte:

»Nein, ich werde auf den Baum gehen und pflücken!« Der Freund bat: »Laß mich doch auf den Baum gehen!« Der Ehemann sagte: »Jetzt sehe ich, weshalb du hierher gekommen bist. Du wolltest mir meine Früchte mit Kauri stehlen! Nein, ich werde hinaufsteigen!« Der Ehemann stieg die Leiter hinauf und in die Krone des Baumes.

Der Baum bewegte sich. Der Ehemann stieg in die Zweige. Die Zweige schüttelten sich. Einige Früchte fielen herab. Der Freund hob sie auf und betrachtete sie. Der Ehemann sah das. Der Ehemann schrie: »Frau! Frau! Komm aus dem Hause! Paß auf den Freund auf. Wenn niemand auf ihn aufpaßt, wird er die Früchte aufnehmen und damit fortlaufen!« Die Frau hörte es. Die Frau rief: »Soll ich zum Freund hinausgehen?« Der Freund legte sich auf den Boden. Der Ehemann schrie: »Frau, komm heraus. Lege dich zu dem Freunde auf den Boden und bleibe bei ihm, daß er nicht mit den Früchten wegläuft.« Die Frau kam heraus. Sie brachte eine Matte mit und sie sagte: »Ich soll mich zum Freund legen?« Der Ehemann schrie: »Ja, tu es! Halte ihn!« Die Frau legte die Matte neben den Freund. Der Freund gab der Leiter einen Tritt. Die Leiter fiel um. Der Freund legte sich mit auf die Matte. Der Freund sagte zu der Frau: »Nun halte mich!« Dann beschlief er sie.

Der Ehemann sah die Leiter fallen. Der Ehemann sah den Freund auf der Matte. Der Ehemann konnte nicht von seinem Baum herab. Der Ehemann schrie: »Gott helfe mir! Gott helfe mir! Gott helfe mir!« Der Freund beschlief die Frau fünfmal. Dann sagte er: »Es war nur meine Absicht, mit dir zu sprechen. Das andere ist Sache deines Mannes.«

Man soll seine Frau nicht einsperren wie einen Hund!

Der schäbige Liebhaber

Nupe

Ein Mann heiratete eine Frau. Die Frau hieß Mamuna. Der Mann hatte einen Freund, der hieß Goschi. Mamuna war sehr schön. Goschi war viel im Gehöft seines Freundes. Goschi wollte gern Mamuna besitzen. Goschi ging zu einem Boschi (Schamanen) und bat ihn, es zu machen, daß sein Freund für einige Zeit verreise. Der Boschi machte es, daß der Ehemann eines Tages die Sachen packte und in ein anderes Land ging. Als der Ehemann in ein anderes Land gegangen war, kam Goschi zu Mamuna und sagte: »Mamuna, ich möchte dein Freund sein. Mamuna, laß mich bei dir schlafen!« Mamuna sagte: »Du bist der Freund meines Mannes. Da kann ich nicht deine Freundin werden und bei dir schlafen.« Goschi bat Mamuna. Goschi schenkte Mamuna 20 000 Kauri. Mamuna hatte nun schon mehrere Tage ihren Mann nicht gesehen. Mamuna sagte zu Goschi: »Komm heute Nacht zu mir!« Abends kam Goschi zu Mamuna. Goschi schlief bei Mamuna. Goschi beschlief nun Mamuna alle Tage.

Freunde kamen in das Land, in das Mamunas Mann gegangen war. Freunde sagten zu Mamunas Mann: »Dein Freund Goschi kommt alle Abende in dein Haus und beschläft deine Frau Mamuna.« Mamunas Ehemann packte seine Sachen. Er ging sogleich nach seinem Ort zurück. Er kam nachts in seinem Ort an. Er ging nach seinem Gehöft. Mamuna hörte ihn kommen. Mamuna hörte ihren Mann kommen. Goschi lag bei ihr. Mamuna sagte: »Goschi, steh auf, mein Mann kommt! Ich will dich verstecken.« Mamuna versteckte Goschi in dem Speichertopf (Edo), in dem sie ihre Sachen hatte. Sie deckte ihn mit ihren Decken und Kleidern zu.

Der Ehemann kam herein. Der Ehemann setzte seine Sachen hin und sagte:

»Ich höre, Mamuna, daß du nicht allein schläfst!« Der Ehemann untersuchte das Bett. Der Ehemann sah in alle Winkel. Der Ehemann fand nichts. Er blieb bei seiner Frau. Am anderen Tage sagte der Ehemann zu Mamuna: »Morgen werde ich deinen Edo nehmen und ihn ins Haussaland tragen und verkaufen. Wir werden viel Geld damit verdienen.« Mamuna sagte: »Wieviel Geld willst du denn von den Haussaleuten dafür haben?« Der Ehemann sagte: »Ich will dafür 200 000 Kauri haben.« Mamuna sagte: »Ich habe immer alle meine Sachen darin, mein Korn, meine Decken, meine Kleider. Ich möchte ihn behalten und dir dafür 200 000 Kauri geben.« Der Ehemann sagte: »Es ist mir recht.« Nachher ging der Ehemann hinaus.

Mamuna machte sogleich den Edo auf. Goschi kam heraus. Mamuna sagte: »Ich habe meinem Mann dafür 200 000 Kauri bezahlt. Ich muß die 200 000 Kauri leihen. Du gibst sie mir doch wieder.« Goschi sagte: »Du wirst das Geld schon wieder erhalten.« Goschi lief aus dem Hause. Nach einiger Zeit begegnete Mamuna Goschi auf der Straße. Mamuna sagte zu Goschi: »Du hast mir die 200 000 Kauri noch nicht wiedergegeben, die ich für dich bezahlt habe!« Goschi sagte: »Warum hast Du denn die 200 000 Kauri bezahlt? Ich habe nicht von dir verlangt, daß du sie zahltest. Hättest du mich nicht versteckt, so hätte ich mich mit deinem Mann geschlagen und alles wäre erledigt gewesen.« Mamuna sagte: »Es ist gut!«

Mamuna kam nach Hause. Sie sagte zu ihrem Mann: »Packe morgen deine Sachen. Sage, du gingst in ein anderes Land. Geh weg und verstecke dich im Nachbarhaus; dann werden wir einen Dieb fangen.« Der Mann sagte: »Es ist recht.« Der Mann packte am anderen Morgen seine Sachen. Am Mittag kleidete Mamuna sich sehr schön und ging weg. Sie traf Goschi. Sie sagte zu Goschi: »Heute verreist mein Mann für drei Monate in ein anderes Land.« Goschi sah Mamuna an. Mamuna war schön gekleidet. Mamuna hatte schöne Kleider. Mamuna hatte Perlen um. Mamuna war schön.

Goschi sagte: »Laß mich heute zu dir kommen. Laß mich bei dir schlafen!« Mamuna sagte: »Nein, ich lasse dich nicht zu mir kommen. Ich habe 200 000 Kauri für dich bezahlt und du hast mir das Geld nicht wiedergebracht.« Goschi sagte: »Ich werde dir das Geld morgen bringen. Ich verspreche es dir. Aber laß mich heute abend bei dir schlafen.« Mamuna sagte: »Es ist gut! Komm dann heute abend zu mir!«

Am Abend ging Goschi zu Mamuna. Er kam in Mamunas Hof. Mamuna stand am Reibstein und mahlte Korn. Mamuna hatte alle Kleider abgelegt. Mamuna war nackt. Mamuna war sehr schön. Goschi sagte zu Mamuna: »Komm herein auf die Matte; wir wollen beieinander liegen; ich will dir beiliegen!« Mamuna sagte: »Laß mich erst die Arbeit fertigmachen. Setze dich solange da hinter mich!« Goschi setzte sich. Goschi sah Mamuna zu. Mamuna war sehr schön. Mamuna war nackt.

Mamuna sagte: »Mein Mann sagt, ein Mann, dessen Füße in Fußeisen geschlagen sind, kann nicht eine Frau beschlafen.« Goschi sagte: »Der Mann kann es doch!« Mamuna sagte: »Nein, der Mann kann es sicher nicht!« Goschi sagte: »Hast du Fußeisen da, so lege sie mir um und ich will es dir zeigen!« Mamuna sagte: »Ich will doch erst meine Arbeit fertigmachen.« Goschi sagte: »Nein, hole die Fußeisen. Wir wollen es gleich machen.« Mamuna sagte: »Es soll mir recht sein.« Mamuna ging hinein. Goschi folgte ihr. Mamuna nahm die Fußeisen und legte sie Goschi an. Als Goschi die Fußeisen anhatte, schrie Mamuna: »Ein Dieb! Ein Dieb! Ich habe einen Dieb!« Goschi rief: »So sei doch still!« Der Ehemann Mamunas kam herein. Er packte Goschi. Goschi wurde zum König geschleppt. Goschi mußte viel Geld zahlen und wurde geschlagen.

Die gewarnte Buhlerin

Nupe

Ein Ehemann dachte: »Meine Frau hat einen Freund. Ich will der Buhlerei ein Ende machen.« Der Mann kam zu seiner Frau und sagte: »Ich gehe für drei Tage in die Farmen.« Der Mann ging aus dem Sauri. Nach einiger Zeit kam die Frau heraus. Als die Frau fort war, schlich sich der Ehemann wieder in das Gehöft und versteckte sich im Hause seiner Frau auf dem Sinsarra (d. i. das Gestell, auf dem Töpfe usw. aufbewahrt werden).

Nach einiger Zeit kam die Frau wieder. Die Frau hatte ihrem Buhlen gesagt, daß ihr Mann auf die Farm ginge. Einige Zeit nach der Frau kam der Buhle. Die Frau sagte: »Mein Buhle, was willst du?« Der Buhle sagte: »Ich muß erst Wasser haben zum Trinken, ich möchte dann essen. Ich will dreimal in deine Sussoko gehen. Ist das so recht?« Die Frau sagte: »Ja, es ist recht so!« Der Buhle bekam sein Wasser und trank es. Der Buhle bekam das Essen und aß es. Die Frau legte sich hin. Der Buhle beschlief sie dreimal. Die Frau sagte: »Mein Buhle, was willst du?« Der Buhle sagte: »Ich will mich waschen. Dann will ich nach Hause gehen.« Die Frau gab dem Buhlen Wasser. Der Buhle wusch sich. Der Buhle ging. Die Frau brachte den Buhlen hinaus. Der Mann kam vom Sinsarra herab und ging weg.

Nach drei Tagen kam der Mann am Abend nach Hause zurück. Der Mann aß zu Abend. Dann legte der Mann sich aufs Bett. Die Frau legte sich auf das Bett. Nachts hörte die Frau ihren Mann sprechen. Der Mann sagte: »Also erst hat die Frau gefragt: ›Mein Buhle was willst du?‹ und der Buhle hat gesagt: ›Ich muß erst Wasser haben zum Trinken. Ich möchte dann essen. Ich will dann dreimal in deine Sussoko gehen. Ist das recht?‹ und sie hat gesagt: ›Ja es ist recht so, gut!‹ – Und nachher hat der Buhle erst Wasser bekommen und trank, dann hat er Essen bekommen und aß. Gut. – Und dann hat die Frau sich hingelegt. War es so? – Soso. Wie oft? Also dreimal ist er bei dir hineingegangen? Dreimal?«

Die Frau hörte, wie der Mann das sagte. Die Frau begann sich zu fürchten. Die Frau sagte: »Mein Mann, mit wem sprichst du?« Der Mann sagte: »Ich spreche nur mit deiner Sussoko. Deine Sussoko erzählt mir Geschichten.«

Die Frau ließ sich nie wieder mit einem Buhlen ein. Und seitdem sagen die Frauen auf dem Markt, wenn die Männer mit ihnen ein Verhältnis anknüpfen wollen: »Laß es lieber! Meine Sussoko könnte es meinem Mann erzählen!«

Die Lehrmeisterin

Nupe

Ein Mann heiratete eine Frau. Die Frau gebar ein Kind. Das war ein Knabe. Der Knabe wuchs heran. Der Knabe wurde groß. Als der Bursche erwachsen war, sagte der Vater zu ihm: »Ich will dir ein Mädchen zur Frau geben, denn du bist im Alter zu heiraten.« Der Bursche sagte: »Ich will nicht heiraten!« Der Vater sagte: »Du bist alt genug dazu.« Da nahm der Bursche Bogen und Pfeil und ging fort. Er ging in den Busch; er ging in ein anderes Land. Fünf Jahre blieb er so im Busch und wurde ein Jäger.

Als die fünf Jahre um waren, gingen der Vater und die Mutter in die Stadt und fragten allenthalben: »Wer will in den Busch gehen, meinen Sohn zurückzurufen? Wer will in den Busch gehen, meinen Sohn zurückzurufen!« Eine Frau kam und sagte: »Weshalb ist dein Sohn in den Busch gelaufen?« Der Vater sagte: »Mein Sohn ist in den Busch gelaufen, weil ich ihm ein junges Mädchen zur Frau geben wollte.« Die Frau fragte: »Ist das alles?« Der Vater sagte: »Ja, das ist alles.« Die Frau sagte: »Dann will ich hingehen und ihn suchen.«

Die Frau legte ihre Frauenkleider ab. Sie zog Hosen an; sie zog einen Burnus über; sie hing eine Tasche um; sie nahm Bogen und Pfeil. Sie ging in den Busch, dahin, wo der Bursche sich aufhielt. Sie fand den Burschen. Der Bursche sah sie. Er wußte nicht, daß sie eine Frau war. Er hielt sie für einen Mann. Die Frau schloß Freundschaft mit dem Burschen. Sie gingen zusammen zur Jagd.

Sie waren zusammen auf der Jagd. Die Frau rief: »Ich habe auf einen Eja-Büffel geschossen.« Der Bursche kam und sagte: »Was, du hast auf einen Eja geschossen?« Die Frau sagte: »Ja.« Der Bursche sagte: »So müssen wir folgen. Geh du links, ich gehe rechts.« Die Frau ging links. Der Bursche ging rechts. Nach einiger Zeit schrie die Frau: »Der Eja hat mich hingestoßen. Hilf mir.« Die Frau warf ihre Kleider ab, warf die Tasche darauf und legte sich selbst nackt mit ausgebreiteten Beinen daneben. Sie schrie. Der Bursche kam zu ihr. Er sagte: »Was ist?« Die Frau sagte: »Der Eja hat mich arg gestoßen.« Der Bursche fragte: »Wo hat er dich gestoßen?« Die Frau sagte: »Er hat mich nicht am Kopf gestoßen. Er hat mich nicht an diesem Arm gestoßen. Er hat mich nicht an jenem Arm gestoßen. Er hat mich nicht an diesem Bein gestoßen. Er hat mich nicht an jenem Bein gestoßen. Er hat mich dazwischen gestoßen. Er hat alles hineingedrückt.« Der Bursche sah, daß die Stelle anders war als bei ihm. Er sagte: »Das ist schlimm!« Die Frau sagte: »Geh dort zu meiner Tasche. Es ist eine Flasche mit Tschigbe (Medizin) darin. Reibe mir die Stelle ein.« Der Bursche ging zu der Flasche. Es war eine Flasche mit Öl darin. Er nahm das Öl. Er rieb die Stelle der Frau ein. Die Frau sagte: »Wenn die Medizin gut ist, muß es erst bei dir wachsen.« Der Bursche rieb die Vagina der Frau ein. Da schwoll sein Glied an. Die Frau sagte: »Hat es bei dir eine Wirkung?« Der Bursche sagte: »Ja, es hat bei mir gewirkt.« Die Frau sagte: »So reibe deinen weiter. Wenn der Versuch gelingt, so kommt mein Eingedrücktes auch wieder heraus.«

Der Bursche legte sich nun auf die Frau. Er steckte seine Rute in ihre Scham. Er beschlief sie wohl fünf Minuten lang, dann fragte er die Frau: »Woher kommst du?« Die Frau sagte: »Ich komme hier aus dem Busch!« Der Bursche sagte: »Gut, wenn du irgendwohin gehst, muß ich mit dir gehen, um dir immer die Medizin machen zu können.« Die Frau sagte: »Ich muß fortgehen; ich muß in die Stadt.« Der Bursche sagte: »Soll ich dir denn nicht mehr Medizin machen?« Die Frau sagte: »Ich muß unbedingt in die Stadt.« Der Bursche sagte: »Gut, dann werde ich dir folgen!« Die Frau ging voraus in die Stadt. Sie ging zu dem Vater des Burschen und sagte: »Guten Tag.« Der Vater sagte: »Ich danke dir! Guten Tag!« Die Frau sagte: »Dein Sohn wird auch bald kommen; er folgt mir.« Der Vater war sehr glücklich. Er sagte: »Ich will dir danken!« Die Frau sagte: »Es ist gut; aber gib deinem Sohn, sobald er kommt, nur schnell eine Frau, denn sonst läuft er wieder in den Busch zurück, um eine Medizin zu suchen!« Der Vater sagte: »Das soll geschehen!«

Der Bursche kam. Der Vater gab ihm sogleich eine junge Frau. Der Bursche war sehr froh und blieb von nun an daheim.

Der König Edegi belohnt die Klugheit

Sudan

Es kam ein Mann zu Edegi und sagte: »Gib mir eine Frau!« Edegi fragte: »Bist du klug?« Der Mann sagte: »Versuche es!« Edsu Edegi sagte: »Wenn du siebenmal Streit hervorgerufen hast, ohne daß du bestraft wirst, will ich dir eine Frau geben!« Der Mann sagte: »Es ist gut! Ich werde es versuchen!«

Der Mann machte sich auf den Weg nach Lapai. Kurz vor der Ankunft in Lapai traf er am Flußufer auf eine Frau, die hielt da Schnupftabak feil. Der Mann sagte: »Kann ich ein wenig von dem Schnupftabak bekommen?« Die Frau sagte: »Nimm dir nur selbst!« Der Mann sagte: »Ich werde mir doch nicht nehmen. Wenn du mir gibst, so bin ich froh darüber!« Die Frau gab ihm. Der Mann schnupfte. Den Rest steckte er in die Tasche. Er sagte: »Ich danke!« Dann ging er nach Lapai. Die Frau ging auch in die Stadt und ging zum Edsu: »Der Mann hat meinen Tabak genommen, ohne ihn zu bezahlen!« Der König ließ ihn rufen. Er sagte zu ihm: »Du bist ein Dieb. Du hast der Frau den Tabak genommen!« Der Mann sagte: »Nein, ich bin kein Dieb. Die Frau hat mir erst gesagt, ich soll den Tabak nehmen. Ich habe das abgelehnt. Dann hat sie mir den Tabak selbst gegeben. Ich schnupfte ein wenig und steckte den Rest in die Tasche.« Der König fragte die Frau: »War es so?« Die Frau sagte: »Es war so.« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging weiter. Er begab sich auf den Weg nach Agaye. Auf dem Wege nach Agaye traf er drei Mädchen, die trugen Wasser. Der Mann sagte zu einem der Mädchen: »Gib mir ein wenig Wasser zu trinken!« Das Mädchen gab ihm. Der Mann nahm. Er trank. Er ging weiter. Als er ein Stück weitergegangen war, rief das Mädchen ihn zurück und sagte: »Komm noch einmal!« Der Mann kehrte um und kam zurück. Er sagte: »Was soll ich?« Das Mädchen sagte: »Auf meinem Rücken ist eine schlechte Fliege. Schlage sie tot!« Der Mann sagte: »Sieh, ich habe hier einen Ring am Finger. Wenn ich damit nun deinen Rücken treffe, so kann ich dich vielleicht totschlagen. Deshalb will ich es lieber nicht tun. Verscheuche nur die Fliege!« Das Mädchen sagte: »Nein, du bist mir verpflichtet, denn ich habe dir auch Wasser gegeben. Nun schlage mir die Fliege tot. Das andere ist meine Sache.« Der Mann sagte: »Wenn du darauf bestehst, so ist es deine Sache!« Der Mann schlug. Die Fliege war tot und fiel herab. Das Mädchen fiel aber auch hin und war tot. Darauf liefen die andern beiden Mädchen nach Agaye hinein. Sie liefen zum König und sagten: »Ein Fremder hat am Fluß ein Mädchen erschlagen.« Der König ließ den Mann kommen. Der König sagte: »Der Mann hat ein Mädchen erschlagen. Tötet ihn!« Der Mann sagte: »Töte mich nicht, sondern höre mich erst!« Der König sagte: »So sprich!« Der Mann sagte: »Ich traf am Fluß drei Mädchen. Ich war durstig. Die Mädchen hatten Wasser geschöpft. Ich bat um Wasser. Das eine Mädchen gab mir Wasser. Ich dankte und ging weiter. Das Mädchen rief mich zurück. Sie verlangte von mir, daß ich ihr eine Fliege auf dem Rücken totschlagen sollte. Ich sagte, daß ich es töten könne, weil ich diesen Ring am Finger trüge. Das Mädchen sagte, ich sei ihm verpflichtet, weil es mir Wasser gereicht habe. Ich solle also die Fliege totschlagen, das übrige sei seine Sache. Ich schlug die Fliege tot. Das Mädchen fiel hin und war auch tot.« Der König fragte die andern beiden Mädchen: »War es so?« Die Mädchen sagten: »Es war so!« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging weiter. Er kam nach Bida. Er ging zu einem Sohn des Königs, der zwei junge hübsche Frauen hatte. Der Sohn des Königs gab ihm ein Haus. Als es Abend war, kam der Mann zu dem Sohn des Königs und sagte: »Gib mir einen Strick!« Der Sohn des Königs sagte: »Was willst du haben?« Der Mann sagte: »Gib mir einen Strick!« Der Sohn des Königs sagte: »Ich habe keinen Strick. Was willst du denn mit dem Strick?« Der Mann sagte: »Ich will damit mein Glied festbinden. Denn mein Glied geht nachts im Gehöft, in dem schöne Frauen sind, immer umher und will die Frauen beschlafen. Damit nun nichts geschieht, will ich es festbinden!« Der Sohn des Königs sagte: »Ich kann jetzt nicht nach einem Strick suchen. Schlafe diese Nacht einmal ohne ihn!« Der Mann ging fort. Als es dann Nacht wurde, ging der Sohn des Königs in das Haus einer seiner Frauen, um mit ihr zu schlafen. Gleich darauf kam der Mann auch in das Haus. Er sagte: »Siehst du, das kommt davon, daß mein Glied nicht aufgebunden ist. Nun richtet es Unheil an. Das ist deine Sache!« Der Sohn des Königs sprang auf, um den Mann zu schlagen. Der Mann packte ihn aber und warf den Sohn des Königs hinaus. Dann beschlief er die junge schöne Frau. Am andern Morgen ließ der König den Mann zu sich kommen und fragte ihn: »Was hast du diese Nacht für eine schlechte Sache gemacht?« Der Mann sagte: »Wenn eine schlechte Sache geschehen ist, so ist dein Sohn daran schuld. Ich hatte bei ihm Wohnung. Abends kam ich zu ihm und bat ihn um einen Strick, damit ich mein Glied festbinden könne. Mein Glied geht in Gehöften, in denen schöne Frauen sind, immer umher. Dein Sohn wollte mir keinen Strick geben. Er sagte, ich solle diese Nacht ohne Strick schlafen. Dann ging nachts mein Glied herum und beschlief eine Frau. Es war nicht meine Schuld. Das ist alles.« Der König fragte seinen Sohn: »War es so?« Der Sohn des Königs sagte: »Es war so.« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging weiter. Er ging auf Lafiagi zu. Als er ganz dicht bei Lafiagi war, begegnete er einem Reiter. Der Reiter sagte: »Halte mit der Hand mein Pferd!« (und zwar Ladogo-bagoa, das heißt sowohl »Halte mit der Hand« als »Schneide mit der Hand«). Der Mann sagte: »Nein, das tue ich nicht! Nachher habe ich nur Unannehmlichkeiten davon!« Der Reiter sagte: »So halte doch nur mit der Hand mein Pferd. Ich will absteigen, ich muß mich entleeren!« Der Mann sagte: »Du zwingst mich also?« Der Reiter sagte: »Es muß sein!« Der Mann sagte: »Dann steige ab.« Der Reiter stieg ab und ging in den Busch. Kaum war der Reiter im Busch, so zog der Mann das Messer heraus und schlug dem Pferd die vier Füße ab. Der Reiter kam zurück. Er sah sein zerschnittenes Pferd. Er sprang auf den Mann zu. Der Mann schlug wieder. Andere Leute kamen dazu. Sie schleppten den Mann in die Stadt zum König. Der Reiter sagte: »Dieser Mann hat meinem Pferd die Füße abgeschlagen!« Der König sagte: »Was hast du dazu zu sagen?« Der Mann sagte: »Der Reiter hat es selbst von mir verlangt. Er sagte zu mir: ›Ladogo-bagoa!‹ Ich lehnte es ab und sagte, ich hätte nachher nur Unannehmlichkeiten davon. Dann zwang er mich dazu und sagte: ›Es muß sein!‹« Der König fragte den Reiter: »War es so?« Der Reiter sagte: »Es war so.« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging weiter. Er ging auf die Stadt Zunga zu. Unterwegs fing er am Flusse eine Eschi. (Das ist eine Art Ratte, die am Flußufer haust. Der Scherz dieses Abschnittes beruht darin, daß mit Eschi nicht nur die Rattenart, sondern auch der Koitus bezeichnet wird.) Der Mann steckte die Eschi in seine Tasche. Er ging dann zur Stadt hinein und suchte im Gehöft des Königs Wohnung. Der König gab ihm ein Haus. Er sagte zu einer seiner Frauen: »Gehe hin und bring dem Fremden eine Schüssel mit Essen!« Die Frau bereitete das Essen. Dann brachte sie dem Mann eine Schüssel mit Essen in sein Haus. Sie stellte ihm die Schüssel hin. Der Mann fragte die Frau: »Kannst du Eschi (also doppelsinnig, sowohl Rattenart als Koitus) gebrauchen?« Die Frau sagte: »Laß den König nicht dieses Wort hören! Wenn er es hört, wird er dich töten!« Der Mann sagte: »Ich verstehe dich nicht. Ich weiß nicht, was du meinst. Sage mir lieber, ob du eine Eschi gebrauchen kannst. Du kannst sogleich in diesem Hause eine Eschi von mir haben. Willst du es?« Die Frau schrie. Sie lief hinaus. Sie lief zum König. Sie sagte zum König: »Der Fremde, den du in dein Haus genommen hast, hat mich soeben gefragt, ob ich von ihm beschlafen sein wollte.« Der König sagte zu seinen Leuten: »Bringt mir den Mann her!« Die Leute gingen und holten den Mann. Der König sagte zu ihm: »Du hast soeben meine Frau verführen wollen.« Der Mann sagte: »Das weiß ich nicht. Das muß wohl ein anderer gewesen sein.« Der König sagte: »Du hast ihr soeben einen Eschi angeboten.« Der Mann sagte: »Also das ist es. Auf dem Wege nach Zunga fing ich am Flusse eine Eschi. Als die Frau zu mir kam, fragte ich sie, ob sie sie gebrauchen könne. Ich könne sie ihr sogleich im Hause geben. Die Frau hat etwas anderes gedacht, als ich gesagt habe. Hier ist die Eschi!« Der Mann nahm die Eschi aus der Tasche und legte sie vor den König hin. Der König sagte zu dem Mann: »Das ist ein Mißverständnis. Nimm deine Eschi. Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen.«

Der Mann ging weiter. Er ging auf die Stadt Worin zu. Er ging durch die Farmen der Stadt Illorin. Er kam an eine Farm, auf der hackten die Leute Jams aus der Erde. Er sagte zu den Leuten: »Könnt ihr mir ein wenig von eurem vielen Jams abgeben?« Die Leute gaben ihm fünf Jamsknollen. Der Mann sagte: »Ich danke euch. Womit kann ich mir nun ein Feuer anzünden, um meinen Jams zu rösten?« Die Leute sagten: »Du kannst alles nehmen, was um die Farm herumliegt, um dein Feuer zu machen.« Der Mann sagte: »Ich danke euch.« Der Mann kam an das Ende der Farm. Da hatten die Leute ihre Schuhe hingelegt. Er nahm die Schuhe. Die Leute hatten da ihre Kleider abgelegt. Er nahm ihre Kleider. Die Leute hatten da ihre Hüte hingelegt. Er nahm ihre Hüte. Die Leute hatten da ihre Hacken hingelegt. Er nahm ihre Hacken. Die Leute hatten da ihre Körbe hingelegt. Er nahm ihre Körbe. Die Leute hatten da ihre Kalebassen hingelegt. Er nahm ihre Kalebassen. Die Leute hatten da ihre Stöcke hingelegt. Er nahm ihre Stöcke. Der Mann legte die Schuhe, die Kleider, die Hüte, die Hacken, die Körbe, die Kalebassen, die Stöcke auf einen großen Haufen. Er zündete das alles an und legte seine fünf Jamsknollen darauf. Er röstete sie. Die Leute auf der Farm sagten: »Was ist das für ein Geruch?« Sie gingen hin. Sie sahen, daß alle ihre Schuhe, Kleider, Hüte, Hacken, Körbe, Kalebassen, Stöcke verbrannt waren. Der Mann saß daneben und aß seinen gerösteten Jams. Die Leute packten und nahmen ihn mit zur Stadt. Sie führten ihn zum König und sagten: »Wir haben diesem Mann fünf Jamsknollen geschenkt. Darauf hat er uns alle unsere Schuhe, Kleider, Hüte, Hacken, Körbe, Kalebassen und Stöcke genommen und hat sie verbrannt.« Der König sagte: »Was hast du dazu zu sagen?« Der Mann sagte: »Die Leute schenkten mir fünf Jamsknollen. Ich fragte sie: ›Womit kann ich nun mein Feuer anzünden, um meinen Jams zu rösten?‹ Die Leute sagten mir: ›Du kannst alles nehmen, was um die Farm herumliegt, um dein Feuer zu machen.‹ Sie sagten mir nicht, daß ich Feuerholz nehmen solle. Sie sagten mir, ich solle alles nehmen, was um die Farm herumliegt. Da sammelte ich alle Schuhe, Kleider, Hüte, Hacken, Körbe, Kalebassen, Stöcke auf und machte mein Feuer damit. Mit Feuerholz hätte ich weniger Arbeit gehabt.« Der König fragte die Leute: »War es so?« Die Leute sagten: »Es war so.« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging weiter. Er ging auf die Stadt Saragi zu. Er kam nach Saragi. Er ging auf den Markt und kaufte bei einer Frau für hundert Kauri Jams. Dann ging er zu einer andern Frau, die hatte einen ganzen, großen Topf voll Öl da. Der Mann wollte etwas Öl zu seinem Jams kaufen. Der Mann fragte die Frau: »Kann ich etwas von dem Öl bekommen? Willst du mir etwas Öl zu meinem Jams verkaufen?« Die Frau vor dem großen Öltopf antwortete: »Eloloschi!« (Eloloschi hat wieder doppelten Sinn. Es soll heißen »alles zusammen«, d. h. also, die Frau wollte nur das ganze Öl en gros verkaufen. Eloloschi kann aber auch heißen »Hineingehen«.) Der Mann fragte: »Was? Eloloschi?« Die Frau sagte: »Ja, Eloloschi!« Der Mann sagte: »Das kann ich ja auch tun!« Er zog seine Kleider aus, legte sie beiseite und setzte sich mit einem Sprung mitten in den Öltopf. Der Topf zerschellte sofort und das Öl floß nach allen Seiten auseinander. Die Frau schrie. Die Frau lief sogleich zum König und sagte: »Ein fremder Mann ist auf dem Markt mitten in meinen Öltopf gesprungen, hat ihn zerbrochen und all mein Öl vertan!« Der König ließ den Mann kommen. Er sagte zu dem Mann: »Diese Frau sagt mir, daß du ihren Öltopf zerbrochen und ihr Öl verschüttet hättest.« Der Mann sagte: »Ich habe nichts Unrechtes getan, denn ich habe nichts anderes getan, als was die Frau selbst gewollt hat. Ich kam von Illorin. Ich war hungrig. Ich ging auf den Markt. Ich kaufte bei einer Frau für hundert Kauri Jams. Ich ging zu dieser Frau, um dazu ein wenig Öl zu kaufen. Ich fragte die Frau, ob sie mir von dem Öl verkaufen wolle. Sie sagte, ich solle mich hineinsetzen. Ich fragte nochmals, ob ich richtig verstanden habe. Sie wiederholte ›Eloloschi‹. Da habe ich meine Kleider ausgezogen und habe mich mit einem Sprung hineingesetzt. Wenn sie dabei etwas verloren hat, so ist sie doch selbst für den Verlust verantwortlich.« Der König fragte die Frau: »War es so?« Die Frau sagte: »Es war so.« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging. Er ging zur Stadt Edegis. Er ging zu Edsu Edegi und sagte: »Du hast zu mir gesagt: Wenn du siebenmal Streit hervorgerufen hast, ohne daß du bestraft wirst, will ich dir eine Frau geben. Ich war in Lapai, habe eine Frau um ihren Tabak betrogen und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Agaye, habe ein junges Mädchen totgeschlagen und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Bida, habe den Königssohn hinausgeworfen, seine Frau beschlafen und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Lafiagi, habe dem Pferde eines Reiters die Füße abgeschlagen und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Zunga, habe einer Frau des Königs den Beischlaf angeboten und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Ulorin, habe den Farmleuten ihre Schuhe, Kleider, Hüte, Hacken, Stöcke verbrannt und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Saragi, bin mitten auf dem Marktplatz in den großen Ötopf einer Frau gesprungen, so daß der Topf zersprang und alles Ö auseinanderfloß und wurde vom König freigesprochen. Ich habe also siebenmal Streit angefangen und wurde nicht bestraft. Ehe ich dich aber um meine Frau bitte, will ich noch einmal etwas im Haussaland anrichten!«

Der Mann ging. Er ging in das Haussaland. Auf der Straße traf er einige Haussa. Die sagten ihm den Gruß der Haussa: »Sanu! Sanu!« (Sanu heißt soviel als Gruß wie Heil! Segen! Andererseits heißt »Sanu« aber auch »langsam, bequem«.) Der Mann sprang auf die Haussa zu. Er rief: »Was, ihr wollt mich einen Langsamen, einen Faulen nennen? Was, ihr wollt mich beschimpfen?« Die Haussa schrien: »Sanu! Sanu!« Der Mann nahm darauf seinen Stock und schlug auf die Haussa drein. Die Haussa liefen in die Stadt und sagten zum König: »Ein Nupemann hat uns geschlagen!« Der Haussakönig ließ den Mann zu sich kommen und sagte zu ihm: »Du hast mit meinen Leuten Streit angefangen!« Der Mann sagte: »Sie sagen, ich habe Streit angefangen? Haben sie mir nicht zugerufen, ich sei ein Langsamer, ein Fauler? Habe ich nicht aufbegehrt? Haben sie mich da nicht wieder beschimpft und gerufen: ›Sanu! Sanu!‹ Ich bin aber nicht faul. Ich bin fleißig. Ich lasse mich nicht beschimpfen und mir sagen, ich sei ein träger Mann! Deshalb bin ich zornig geworden, weil sie mich einen Faulen geschimpft haben.« Der König fragte die Leute: »War es so?« Die Haussa sagten: »Wir haben nur Sanu! Sanu! gerufen.« Der Mann sagte: »Ja, sie haben mich einen Langsamen genannt.« Der König sagte: »Ich kann kein Unrecht an dem Mann finden. Es ist ein Mißverständnis. Der Mann kann gehen.«

Der Mann ging zu Edsu Edegi. Edsu Edegi sagte zu ihm: »Du bist ein ordentlicher, kluger Mann. Ich werde dir die Frau geben.« Edsu Edegi gab dem Mann ein Mädchen und sagte: »Nimm sie! Gehe aber nicht mit dieser Frau in das Land Sauadji. Wenn da einer deine Frau beschläft, oder wenn sie sie dir da wegnehmen, so ist das deine Sache.« Der Mann sagte: »Es ist gut!« Der Mann heiratete das Mädchen.

Dann ging der Mann mit seiner jungen Frau nach dem Lande Sauadji und sagte: »Dieses Land Sauadji, vor dem mich Edsu Edegi so warnt, muß ich doch kennen lernen. Sollten die Leute mich an Klugheit übertreffen?« Der Mann ging mit seiner Frau nach dem Lande Sauadji.

Der Mann kam mit seiner Frau in der Stadt Sauadji an. Die Leute von Sauadji suchten immer nach Frauen. Sie konnten nie genug bekommen. Als der Mann ankam, gaben sie ihm ein Haus für sich, seine Frau aber schickten sie zur Sonja (Frauenrichterin und Aufseherin). Am andern Tag ging der Mann mit den jungen Leuten baden. Er kam zurück zu seiner Frau. Die Frau sagte: »Warum warst du fort? Warum hast du nicht mit mir geschlafen?« Der Mann sagte: »Ich wollte die Penisse dieser jungen Leute sehen. Deshalb war ich mit ihnen baden. Jeder von ihnen hat nicht wie ich einen, sondern sieben Penisse und jeder einzelne ist scharf wie ein Messer. Deshalb haben sie auch so viele Frauen nötig, weil so viele sterben.«

Der Saba (Thronfolger) der Stadt hatte die Frau des Mannes gesehen. Er sagte zu seinen Leuten: »Seht euch nach der jungen Frau aus Edegis Stadt um. Ich will mit ihr schlafen.« Die jungen Leute kamen zu dem Mann. Der Mann sagte zu ihnen: »Seht meine Frau an. Sie hat fünf Männer vor mir gehabt. Ich bin der sechste. Jedem der ersten fünf hat sie mit einem einfachen Handstrich Penis und Skrotum abgeschnitten.« Als die jungen Leute das hörten, bekamen sie Angst. Sie gingen zum Saba und sagten es ihm. Der Saba aber sagte: »Ich muß diese Frau haben, ehe sie geht, und wenn sie mir auch alles abschneidet.« Der Saba nahm siebentausend Kauri und schickte sie der Frau. Er ließ ihr sagen, daß er sie besitzen wolle. Die Frau sagte zu dem Boten: »Ich bin bereit. Mein Mann ist aber schlecht. Er beginnt mit jedem Streit. Gebt also meinem Mann erst vielen Palmwein, ehe wir zusammenkommen.« Der Saba sandte vielen Palmwein. Der Mann trank ihn. Der Mann wurde betrunken. Dann nahmen ihn die Leute, trugen ihn in ein Haus und schlossen das Haus hinter ihm zu.

Der Saba rief die Frau nun zu sich. Die Frau ging hin. Der Saba sagte zu ihr: »Setze dich!« Die Frau setzte sich. Die Frau dachte an die sieben Penisse, die scharf wie Messer waren, und hatte Angst. Der Saba dachte an den Handstrich, mit dem fünf Männer schon Penis und Skrotum verloren hatten, und hatte Angst. Der Saba ging hinaus und rief vier Segi (Pagen). Von diesen Segi sagen die Nupe, früher seien sie dem Edsu zuerteilt worden, daß er sie wie Frauen von hinten beschlafe. Die Haussa sagen, solches sei heute nicht mehr in den Koareländern Sitte, wohl aber in Bornu. Er sagte zu ihnen: »Je zwei von euch stehen hinter je einer Tür. Wenn ich schreie, kommt herein und reißt die Frau von mir, so daß sie mir nicht Penis und Skrotum abschneiden kann.« Dann ging der Saba wieder hinein.

Beide lagen auf dem Lager. Der Saba dachte: »Ob das mit dem Handstrich wahr ist?« Die Frau dachte: »Ob das mit den sieben Penissen, die scharf wie Messer sind, wohl wahr ist?« Die Frau dachte, der Saba schliefe. Die Frau dachte: »Ich muß einmal nachfühlen.« Sie führte die Hand zu dem Saba hin. Der Saba fühlte den Handstrich. Der Saba dachte: »Jetzt schneidet sie!« Der Saba schrie. Die vier Segi kamen herein, rissen die Frau vom Lager und warfen sie zur Tür hinaus.

Die Leute gingen hin und öffneten das Haus, in dem der Mann lag. Sie nahmen den Mann heraus. Am andern Morgen wachte er auf. Er ging zu seiner Frau und sagte: »Pack die Sachen. Nun können wir wieder gehen.« Sie gingen. Wo sie durch die Straßen kamen, liefen die jungen Männer weg. Der Mann lachte.

Der Mann kam zu Edsu Edegi zurück. Edsu Edegi sagte: »Du bringst deine Frau wieder mit? Erzähle mir!« Der Mann erzählte alles. Edsu Edegi schenkte ihm zwei Sklaven und zwei Pferde, damit er bei ihm bliebe. Edsu Edegi sagte: »Ich danke dir; ich habe einen klugen Mann kennengelernt.«

Ainichthem

Kabylen

Ainichthem wörtlich: »was er gemacht hat«

Das wird von Simoa dem Sohne Abids (Simoa ben Abid) erzählt und dieses soll wahr sein.

Man sagt, daß Simoa, der Sohn Abids, als er achtzehn Jahre alt war, so schön war wie sonst kein Mann. Bis zu diesem Alter war er immer daheim, hatte noch nichts erlebt und wußte nicht, welche unbezwingliche Stärke er in seinen Geschlechtsteilen hatte. Als aber Simoa achtzehn Jahre alt war, sagte er: »Nun werde ich wandern.« Simoa ben Abid nahm also Abschied und verließ seinen Ort.

Simoa wanderte. Als er am ersten Abend seiner Wanderschaft sich gerade am Wege zum Schlafen niederlegen wollte, hörte er Musik. Die Musik kam aus einer Stadt, die ganz nahebei lag. Als Simoa das sah, legte er sich nicht nieder, sondern ging bis in die Stadt.

Simoa kam in die Stadt. In der Stadt war ein Fest. Die Leute tanzten. Simoa mischte sich unter die Tanzenden. Alle Tanzenden traten zur Seite. Noch niemals hatte jemand in dieser Stadt einen so schönen Mann so schön tanzen gesehen. Die jungen Mädchen stießen einander mit den Ellbogen an und kicherten. Die jungen Frauen flüsterten einander zu: »Daß er mit uns schliefe.« Die alten Frauen sagten (vor sich hin): »Daß wir doch nicht schon so alt wären!«

Simoa hielt im Tanze an. Die Leute riefen: »Hör' nicht auf! Tanze weiter!« Simoa sagte: »So bringt mir den Fußring für den Fuß! Bringt mir Armringe für die Arme! Bringt mir den Stirnschmuck für die Stirne! Bringt mir Brustschmuck für die Brust! Bringt mir Frauenkleider aus Seide! Wenn ihr mich hiermit kleidet, will ich euch einen Tanz aufführen, wie ihr ihn noch nicht gesehen habt!«

Die Leute brachten ihm seidene Frauenkleider. Sie brachten Brustschmuck, Stirnschmuck, Armschmuck, Fußschmuck, Simoa ben Abid legte alles an. Simoa legte von allem das Schönste an. Die jungen Mädchen kicherten. Die jungen Frauen blickten ihn an. Die alten Weiber gingen vorüber und stießen ihn mit den Ellbogen an. Simoa ben Abid war schöner als irgendeine Frau im ganzen Orte.

Simoa ben Abid rief: »Ich bin fertig. Spielt jetzt meine Melodie. Singt mein Lied. Singt das Lied: ›Simoa ben Abid läuft fort. Gott segne dafür Simoa ben Abid!‹« Die Geiger strichen über die Fiedeln, die Trommler schlugen auf die Tamburins. Die Leute sangen alle im Kreise: »Simoa ben Abid läuft fort! Gott segne dafür Simoa ben Abid! – Simoa ben Abid läuft fort! Gott segne dafür Simoa ben Abid!«

Simoa ben Abid tanzte. Simoa tanzte rechts. Simoa tanzte links. Simoa tanzte. Die Frauen schrien ihm gellend zu. Die jungen Mädchen trippelten auf der Stelle und preßten die Hände zusammen. Die jungen Frauen preßten die Beine zusammen und die Hände gegen die Brust, die alten Weiber wackelten mit den Hintern. Alle blickten auf Simoa ben Abid und sangen: »Simoa ben Abid läuft fort! Gott segne dafür Simoa ben Abid.«

Simoa tanzte, Simoa sprang auf, Simoa sprang durch die Straßen in den Busch. Simoa riß die Kleider hoch und sagte (bei sich): »Alle diese haben mein Entlaufen gesegnet. Gebe nun Gott, daß ich durch schnellen Lauf mir diesen schönen Schmuck rette!« Die Leute liefen hinter Simoa her. Simoa verschwand ihnen im Busch. Die Leute sagten untereinander: »Wenn wir ihn auf freier Straße im ersten Lauf schon nicht einholen konnten, so wird das im Busch und nachher überhaupt nicht möglich sein.« Die Leute gaben die Verfolgung auf und kehrten in ihre Stadt zurück.

Simoa ben Abid setzte seinen Weg fort. Simoa kam in eine andere Stadt. Er ging durch die Straßen. Alle Männer und Frauen sahen Simoa an. Alle Männer sagten: »Eine so schöne Frau habe ich noch nicht gesehen.« Alle Frauen sagten: »Eine so schöne Frau habe ich noch nicht gesehen.« Simoa ging durch die Straßen. Es regnete. Simoa fror, Simoa sah sich nach einer Unterkunft um. Er kam an einem großen Hause vorbei.

Simoa sah zu dem Hause empor. Aus dem vergitterten Fenster des Hauses sahen einige sehr schöne Mädchen heraus. Die Mädchen sahen auf Simoa. Simoa sah die Mädchen. Simoa blieb stehen. Simoa setzte sich auf den Stufen des Hauses nieder.

Das Haus gehörte dem Kadi der Stadt. Nach einiger Zeit kam der Kadi aus seinem Hause. Der Kadi sah Simoa ben Abid auf den Stufen seines Hauses in dem vollen Schmuck des reichen Frauenkleides sitzen. Der Kadi sagte (bei sich): »Eine so schöne Frau habe ich noch nicht gesehen!« Der Kadi fragte Simoa: »Was tust du hier? Was wünschst du, junge Frau?« Simoa sagte: »Mein Kadi! Ich bin eine junge Frau; ich habe mich vorgestern verheiratet. Gestern aber hat mich mein Mann geschlagen. Da bin ich fortgelaufen. Denn ich will nicht mehr bei ihm bleiben und schäme mich doch, zu meinen Eltern zurückzukehren.« Der Kadi sagte: »Junge Frau! Wenn es so ist, so wollen wir die Sache überlegen. Ich will sehen, dir zu helfen.«

Der Kadi sagte (in seinem Innern): »Ich möchte dieser jungen Frau beischlafen.« Der Kadi schämte sich, es auszusprechen. Der Kadi sagte: »Ich habe eine Frau und sieben Töchter. Willst du als Dienerin meiner Frau und meiner Töchter bei mir bleiben?« Simoa sagte: »Es ist mir recht. Ich will als Dienerin deiner Frau und deiner Töchter bei dir bleiben.« Der Kadi sagte: »Komm mit mir; ich will dich zu meiner Frau führen.« Der Kadi ging voran. Simoa folgte ihm.

Der Kadi brachte Simoa ben Abid zu seiner Frau und sagte: »Hier habe ich eine junge Frau als Dienerin für meine sieben Töchter aufgenommen. Sorge, daß meine Töchter freundlich zu ihr sind, denn die junge Frau hatte kein Glück mit ihrem Mann und sie verdient unser Mitleid.« Die Frau des Kadi sagte: »Ich werde für die gute Aufnahme der jungen Frau sorgen.« Der Kadi ging. Die Frau des Kadi sagte zu Simoa ben Abid: »Komm mit mir in die Kammern der Töchter. Folge mir durch diesen Gang.«

Die Frau des Kadi führte Simoa durch den Gang. Sie führte Simoa an der Hand. Die Frau des Kadi drückte die Hand des Simoa und sagte: »Wenn du auch eine Frau bist, so spüre ich doch das Verlangen in mir, mit dir zu schlafen. Ich habe nie verstanden, wenn Männer bei Männern liegen, aber heute fühle ich, daß eine Frau auch an einer Frau ihre Lust haben kann.« Die Frau des Kadi drückte Simoa an sich. Die Frau des Kadi tastete an Simoas Körper entlang. Simoa wurde erregt. Simoa sagte aber: »Nicht doch; sage mir doch aber: wie kann denn ein Mann an einem Mann eine Lust haben?« Die Frau des Kadi lachte und sagte: »Wenn man den Körper eines Mannes herumdreht, kann man sich sehr wohl einbilden, auch das Geschlecht verdreht und einen natürlichen Eingang in das Paradies des Frauenkörpers gefunden zu haben. Die Männer sind glücklich. Die Männer können auf solche Weise sogar Esel in Frauen verwandeln. Uns Frauen ist das versagt.« Simoa sagte: »Über das habe ich noch nicht nachgedacht. Aber sage mir, was ist denn so Schönes und Erstrebenswertes bei alledem?« Die Frau des Kadi sagte: »Bist du denn nicht verheiratet? Ich denke, du seiest eine junge verheiratete Frau.« Simoa sagte: »Ich habe an all dem noch keine Freude gehabt.« Die Frau des Kadi sagte: »Dein Mann muß ein schlechter Lehrer sein. Hüte dich vor meinem Mann, der ist ein sehr guter. Aber es ist mir sehr lieb so, denn nun weiß ich, daß du meine Töchter nichts Schlechtes lehren wirst.«

Die Frau des Kadi führte dann Simoa in die Kammer der ältesten Tochter. Die älteste Tochter war sehr schön. Die älteste Tochter begrüßte Simoa und hieß ihn neben sich niederzusitzen. Die Mutter ging. Die älteste Tochter ergriff Simoas Hand und sagte: »Du bist eine Frau und doch fühle ich Liebe zu dir.« Simoa sah die älteste Tochter und er sah, daß sie sehr schön war. Simoa dachte an alles, was die Frau des Kadi gesagt hatte. Simoa sagte: »Komm auf das Lager!« Die älteste Tochter des Kadi streckte sich mit Simoa auf dem Lager aus. Die älteste Tochter des Kadi und Simoa umarmten sich.

Die älteste Tochter des Kadi betastete Simoa. Simoa enthüllte die Brüste des Mädchens. Das Mädchen rief: »Was hast du hier? Du besitzest etwas, was mir fehlt. Schnell zeige es mir!« Simoa sagte: »Auch ich finde etwas, was ich noch nicht kenne. Ich hörte von deiner Mutter allerhand. Komm laß uns beginnen.« Das Mädchen schrie. Simoa sagte: »Soll ich aufhören?« Das Mädchen sagte: »Nein, fahre fort, es war doch gut!« Simoa fuhr fort. Das Mädchen sagte: »Es wird immer besser!« Simoa fuhr fort. Das Mädchen sagte: »Oh, du junge Frau, meine Freundin, das ist besser als jede Speise, die ich bis jetzt genoß.« Simoa sagte: »Ja, deine Mutter hat mich auf gute Dinge hingewiesen.« Simoa fuhr fort. Das Mädchen seufzte und sagte: »Ach, wenn ich dich doch immer so bei mir behalten könnte. Aber ich will nicht habsüchtig sein. Ich habe noch sechs Schwestern. Bleibe bei jeder einen Tag.«

Die älteste Tochter des Kadi nahm Simoa ben Abid an der Hand und führte ihn in das Nebenzimmer. Sie rief ihre Schwestern. Die sechs Schwestern kamen. Eine jede war schöner als die andere. Die älteste Tochter sagte: »Hier, meine Schwestern, ist eine junge Frau, die unser guter Vater uns als Dienerin gesandt hat. Diese junge Frau besitzt etwas anderes als wir. Unsere Mutter hat sie gelehrt, es anzuwenden, und sie hat mir damit heute schon eine Freude bereitet, die süßer war als jede Speise, die ich bisher gekostet habe. Heute wird sie nun noch bei mir bleiben. Morgen aber kommt sie zu dir, der zweiten, übermorgen zu dir, der dritten. An jedem Tage der Woche soll eine von uns die Gabe dieser jungen Frau genießen und so glücklich werden.«

Alle sieben Mädchen umringten nun Simoa ben Abid. Alle betrachteten und betasteten ihn. Alle riefen aus: »Ach, was ist diese junge Frau schön!« Dann kehrte die Älteste mit Simoa zu ihrem Lager zurück und genoß mit ihm das Glück der Verschiedenartigkeit bis zum andern Morgen. Am andern Morgen ging Simoa in die Kammer der zweiten Tochter des Kadi und lag bei ihr, bis es wieder Morgen war. Die zweite Tochter des Kadi sagte: »Meine Schwester hat von dem Glück gesprochen, das du, junge Frau, ihr bereitet hast. Aber sie hätte uns noch mehr davon sagen sollen. Es gibt sicher nichts zwischen Himmel und Erde, was dieser Lust gleichkommt.« Am dritten Tage ging Simoa zur dritten Tochter des Kadi, am vierten zur vierten, am fünften zur fünften, am sechsten zur sechsten, am siebenten zur siebenten Tochter des Kadi. Eine jede Tochter war schöner als die andere, eine jede war glücklicher als die andere.

An jedem Tage sandte der Kadi zu Simoa und ließ ihm sagen: »Komm zu mir, ich will dich heiraten.« An jedem Tage antwortete die Tochter des Kadi, bei der Simoa gerade war: »Heute muß die junge Frau noch bei mir bleiben. Ich habe sie liebgewonnen. Jede von uns Schwestern will sie einen Tag lang bei sich haben. Wir alle haben sie lieb gewonnen. Wenn die Woche um ist, kann die junge Frau zu unserem Vater gehen und mit ihm sprechen.«

Als Simoa den siebenten Tag bei der siebenten Schwester verbracht hatte, rief er sie alle zusammen. Alle umarmten ihn und sagten: »Komm bald wieder. Du bist unser Glück.« Simoa umarmte alle sieben Schwestern. Dann ging er zum Kadi. Der Kadi empfing Simoa ben Abid und sagte zu ihm: »Meine junge Frau, seitdem ich dich gesehen habe, können meine Gedanken nicht mehr von deiner Schönheit lassen. Ich habe in den sieben Tagen nicht schlafen können, weil du mir nicht aus den Gedanken kamst. Ich bitte dich nun, mir deine Liebe nicht zu versagen. Ich bitte dich nun, meine Frau zu werden. Ich werde dir ein angenehmes Leben bereiten.« Simoa sagte: »Ich bin bereit, deine Frau zu werden. Du weißt aber, daß mein erster Mann mich geschlagen hat, sobald er meine Liebe genossen hatte. Ich fürchte, alle Männer sind gleich roh und grausam. Ich verlange also von dir, daß du dich jedesmal, wenn ich bei dir liegen soll, dich von mir an Händen und Füßen binden und die Schlingen am Holzbalken festmachen läßt. Nur so werde ich mich sicher fühlen. Wenn du diese Bedingung in den Ehevertrag aufnehmen willst, bin ich bereit, dich zu heiraten.« Der Kadi sagte: »Da du so schlechte Erfahrungen gemacht hast, bin ich bereit, auf diese Bedingung einzugehen.« Simoa sagte: »Dann setze den Vertrag auf und rüste die Hochzeit!«

Der Kadi setzte den Ehevertrag auf. Dann rüstete er das Hochzeitsfest. Während der Zeit blieb Simoa in den Kammern der sieben Töchter des Kadi und schlief bei jeder noch einen Tag und eine Nacht. Dann wurde das Hochzeitsfest begangen. Das Fest dauerte sieben Tage. Am siebenten Tage wurde Simoa dem Kadi zugeführt.

Der Kadi umschlang Simoa und sagte: »Nun liege mir bei.« Simoa sagte: »Warte bis zum Morgen. Ich bin so ermüdet.« Der Kadi sagte: »Es ist mir recht!« Als es Morgen war, sagte der Kadi: »Nun liege mir bei.« Simoa sagte: »Es ist mir recht. Erst wollen wir aber die Bedingungen des Vertrages erfüllen.« Der Kadi sagte: »Wenn du darauf bestehst, soll es mir recht sein.« Simoa nahm starke Stricke. Er band den Kadi an Händen und Füßen fest zusammen. Dann schlang er die Stricke um die Balken. Der Kadi konnte sich nun nicht mehr bewegen. Simoa drehte den Kadi herum, so daß er auf dem Bauch lag. Der Kadi sagte: »Meine junge Frau, was tust du? So geht es nicht!« Simoa sagte: »Hab keine Sorge. Es wird gehen. Seit ich deinen Töchtern dienen durfte, ist mir große Kraft erwachsen und deine erste Frau hat mich gelehrt, wie Männer es machen, ihre Lust auch an Männern zu stillen, indem sie den Körper und damit auch das Geschlecht umdrehen.« Der Kadi sagte: »Was sagst du?« Simoa sagte: »Schweig still, von nun an brauchst du nichts mehr zu sagen.«

Simoa zog dem Kadi die Hosen herab. Der Kadi stöhnte. Simoa brachte den Kadi in kniende Stellung. Der Kadi stöhnte. Simoa hockte hinter dem Kadi. Simoa vergewaltigte den Kadi. Der Kadi stöhnte. Simoa ruhte eine Weile. Dann begann er von neuem. Der Kadi stöhnte. Simoa fuhr fort, bis es Tag war. Dann kleidete er sich an, nahm das Gold des Kadi und sagte: »Leb wohl, mein Kadi, und sage deiner Frau meinen Dank für ihren Ratschlag, den ich allen Männern anempfehle, die nichts Besseres haben.« Der Kadi stöhnte. Simoa ben Abid ging mit dem Gold aus dem Hause und verließ die Stadt.

Simoa ben Abid ging auf der Straße hin. Nach einiger Zeit kam er an einigen Hirten vorbei. Simoa sagte zu den Hirten: »Hört, meine Hirten! Wenn jemand hinter mir herkommt und fragt, ob hier jemand vorbeigekommen sei, so sagt: ›Hätu ben Hätu ikari Kadi thewa itith!‹« Die Hirten lachten und sagten: »Es ist gut; wir werden sagen, daß Hätu ben Hätu, der den Kadi und seine sieben Töchter beschlafen hat, hier vorbeigekommen ist.« Simoa ben Abid ging weiter.

Inzwischen suchten die Leute in der Stadt den Kadi. Endlich fanden sie ihn auf seinem Lager. Seine Hose war heruntergezogen. Seine Hände und Füße waren festgebunden. Der Kadi stöhnte. Die Leute banden den Kadi los. Der Kadi sandte Reiter hinter Simoa ben Abid her, daß diese ihn fingen und zurückbrächten. Die Reiter machten sich auf den Weg.

Nach einiger Zeit kamen die Reiter an einigen Hirten vorbei. Sie fragten die Hirten: »Habt ihr nicht jemand hier vorbeilaufen sehen?« Die Hirten sagten: »Ja, wir haben jemand hier vorbeilaufen gesehen. Es war Hätu ben Hätu, der den Kadi und seine sieben Töchter beschlafen hat. Es war eine Person in Frauenkleidern.« Die Reiter sagten: »Seid stille! Ihr dürft zu niemanden davon sprechen, daß eine Person den Kadi und seine sieben Töchter beschlafen hat! Wenn der Kadi das Gerede hört, wird er sehr böse werden und euch bestrafen.« Die Reiter sagten untereinander: »Wir wollen zurückkehren und das dem Kadi berichten.« Die Reiter kehrten um.

Die Reiter kamen zurück und sagten zum Kadi: »Wir ritten den Weg entlang und kamen zu den Hirten, die sprachen nur von einer Person in Frauenkleidern, die dort entlanggegangen sei. Sie sagten, das sei Hätu ben Hätu gewesen, der den Kadi und seine sieben Töchter beschlafen hätte.« Der Kadi wurde zornig und sagte: »Seid stille und sprecht zu niemand davon. Macht, daß ihr fortkommt!« Der Kadi rief seine Frau und sagte: »Was hat die junge Frau bei meinen sieben Töchtern gemacht.« Die Frau des Kadi sagte: »Ich weiß es nicht. Ich werde sie fragen.« Die Frau des Kadi ging. Die Frau des Kadi sprach mit ihren sieben Töchtern. Die Frau des Kadi kam zum Kadi zurück und sagte: »Deine sieben Töchter sind schwanger von der jungen Frau.« Der Kadi wurde zornig. Die Frau des Kadi sagte: »Weshalb wirst du zornig? Hast du nicht deine Lust an dieser Person gehabt? Ihr habt alle seine Kraft genossen, nur ich nicht, die ich ihm doch alle Ratschläge gab und der ihr die Freude verdankt. Ihr Männer seid undankbar.« Die Frau des Kadi ging böse hinweg.

Die Frau des Kadi ging in ihre Kammer und schloß sich ein. Die Frau des Kadi weinte und sprach zu sich: »Ich habe dieser Person alles gesagt. Ich habe diese Person erweckt. Ich wußte es, welche Lust diese Person bereiten kann. Ich habe mir diese Lust gewünscht. Gerade mir ist sie nicht zuteil geworden.«

Simoa ben Abid ging weiter. Simoa ben Abid sagte bei sich: »Die sieben Töchter des Kadi waren sehr schön. Sie haben meine Kraft erweckt. Das Lager des Kadi war nicht schlecht. Die Frau hat mir gut geraten. Ich danke der Frau des Kadi. Sie hat mich in ein neues Leben geführt. Simoa ist nicht mehr Simoa. Simoa ist ein anderer Simoa geworden. Simoa wird nun alles versuchen, was die Frau des Kadi ihm geraten.«

Simoa kam in einen Ort. Simoa kaufte sich Männerkleider. Er legte die Frauenkleider ab. Dann kaufte sich Simoa eine Eselin. Simoa ritt auf der Eselin aus dem Ort. Als er ein Stück weit geritten war, sagte er: »Ich spüre von der Eselin eine angenehme Wärme.« Simoa stieg ab. Simoa trat hinter die Eselin. Simoa sagte: »Nun werde ich sehen, ob die Eselin ebenso angenehm ist wie eine Kaditochter oder nur so brauchbar wie ein Kadi.« Simoa zog die Hose herunter und begann die Eselin zu begatten. Alle Leute, die auf der Straße vorbeikamen, sahen, wie Simoa die Eselin beschlief.

Ein Mann mit einer schönen Frau kam auf einem Maulesel vorbei. Die schöne Frau sah Simoas Handlung und sagte zu ihrem Mann: »Was macht der Mann mit der Eselin?« Der Mann rief Simoa zu: »Schämst du dich nicht, auf der Straße vor allen Leuten die Eselin zu beschlafen? Gibt es denn vielleicht nicht genug Frauen?« Simoa fuhr in seiner Handlung fort und rief: »Ja, du hast gut reden! Du weißt nicht, wie das arme Tier unter der Krankheit Luetha leidet und wie schwer es mir wird, ihm diese Medizin zu verabfolgen.« Simoa führte seine Arbeit weiter fort. Der Mann und die Frau ritten auf ihren Mauleseln weiter. Die Frau konnte Simoa nicht vergessen. Sie sprach ununterbrochen: »Der schöne Mann! Die glückliche Eselin! Der schöne Mann! Die glückliche Eselin!«

Der Mann ritt mit der Frau auf dem Maulesel bis in den nächsten Ort. Die Frau sagte immer: »Der schöne Mann! Die glückliche Eselin! Der schöne Mann! Die glückliche Eselin!« Als sie im Orte an der Moschee vorbeiritten, schrie die Frau auf und ließ sich vom Maulesel fallen. Ihr Mann rief: »Was hast du? Was fehlt dir?« Die Frau sagte: »Ich kann nicht weiter. Ich bin von der Krankheit Luetha befallen. Schnell, besorge mir ein Heilmittel!« Der Mann sagte: »Wie soll ich ein Heilmittel besorgen? Ich weiß nicht, was man gegen die Krankheit Luetha tun kann.« Die Frau rief: »Hilf mir doch! Hilf mir doch! Weshalb kannst du mir nicht helfen? Andere Männer wissen Bescheid.«

Der Mann sagte: »Warte ein wenig. Mir ist etwas eingefallen. Ich will den Mann herbeiholen, der vorhin auf der Straße der Eselin die Medizin eingab.« Die Frau sagte: »Ja, tue das. Biete ihm Gold! Zahle ihm viel! Sorge nur, daß er mir ebenso hilft wie vorhin der Eselin!« Der Mann eilte den Weg zurück. Er traf Simoa, der mit seiner Eselin einherkam. Er sagte zu Simoa: »Meine Frau ist soeben auch von der Luetha befallen. Komm und hilf ihr!« Simoa sagte: »So so! Vorher hast du mich beschimpft. Jetzt bin ich gut zum Helfen.« Der Mann sagte: »Komm nur; ich bitte dich. Ich will dir auch Gold geben.« Simoa sagte: »Es soll mir recht sein.« Simoa ritt mit dem Mann zu der Stelle, wo die Frau lag.

Simoa stieg vom Esel. Simoa betrachtete die Frau und die Stelle, wo sie erkrankt war. Simoa sagte: »Hier muß in der Tat sogleich gründlich geholfen werden.« Simoa sagte zu dem Mann: »Ich werde mich niederhocken. Du setze dich hinter mich und halte deine Hände fest unter meine Hinterbacken. Dann werde ich deine Frau auf mich nehmen und die Medizin in ihre erkrankten Teile führen.« Der Mann hielt seine Hände unter Simoas Hinterbacken. Simoa hockte sich nieder. Er nahm die Frau auf sich. Er sagte zu der Frau: »Lege deinen Kopf auf die Erde. Lehne deinen Rücken auf meine Knie, schlage deine Beine über meine Schultern. Ich werde dann gründlich und schnell die Medizin einführen.«

Die Frau tat, wie ihr geheißen. Der Mann hielt seine Hände unter Simoas Hintern. Simoa stieß mit heftigen Stößen die Medizin in die erkrankten Teile der Frau. Die Frau stöhnte: »Ja, das ist gut! Stoß! Stoße! Stoße tiefer! Was ist das gut! Das ist die beste Medizin! Ach, wenn du, mein Mann, es doch auch so gut könntest! So, nun ist es für heute genug. Hab' Dank! Hab' Dank! Mein Mann, zahle dem freundlichen Arzt ein Goldstück!« Simoa ging weiter.

Simoa kam in einen andern Ort. Er verkaufte seine Eselin und wollte weiter gehen. Er sah einen Ölhändler. Der Ölhändler trieb seinen Esel vor sich her, der Esel war auf jeder Seite mit zwei Ölsäcken und dann noch hinten mit zwei Ölsäcken beladen. Simoa trat zu dem Ölhändler und sagte: »Laß mich das Öl sehen und sage mir, was es kostet.« Der Ölhändler öffnete einen Ölsack auf der linken Seite und sagte: »Das Öl kostet zwölf Kupferstücke.« Er schloß ihn wieder, öffnete einen Ölsack auf der rechten Seite und sagte: »Dieses Öl kostet vierzehn Kupferstücke.« Simoa sagte: »Und was kostet das Öl auf der Rückseite?«

Der Ölhändler öffnete beide Ölsäcke auf der Rückseite und sagte: »Dies ist das beste Öl, das auf der linken Seite kostet sechzehn, das auf der rechten Seite achtzehn Kupferstücke.« Der Ölhändler hatte beide Hände an den offenen Ölsäcken. Simoa trat hinter den Ölhändler, zog ihm von hinten die Hose herunter und sagte: »Stehe still, sonst fließt dir dein bestes Öl aus.« Der Ölhändler schrie: »Was machst du, mein Öl läuft hinten heraus!« Simoa sagte: »Gut, ich will das Loch verstopfen, aber halte still.«

Simoa verstopfte dem Ölhändler das Loch. Simoa sagte: »Warte; so, nun ist der Keil bald fest genug eingetrieben.« Der Ölhändler stöhnte. Simoa verstopfte des Ölhändlers Hintern. Simoa sagte: »So, nun kann aus dieser Öffnung kein Öl mehr herauslaufen.« Der Ölhändler stöhnte: »Laß mich!« Simoa sagte: »Atphithiph (halte dein Öl) ababuthiph (Ölkaufmann) mulesch (ohne daß – auch wohl – ularph) achiroa (du verlierst) rasselmäll (Verdienst).« Der Ölhändler mußte stillhalten. Simoa führte seine Sache zu Ende. Dann sagte er: »Hier fließt fürs erste kein Öl mehr heraus. Ich kann den Keil wieder herausziehen. Du aber, mein Ölhändler, schließe deine Ölsäcke und deine Hosen.« Simoa ben Abid ging weiter.

Simoa ben Abid kam in eine andere Stadt. Er kaufte sich blaue, rote und weiße Farbe. Mit den Farben bemalte er sein Glied. Die Spitze bemalte er blau, die Mitte färbte er rot, das Ende zum Körper hin weiß. Dann ging er mit entblößtem Unterkörper auf den Markt, so daß alle Leute sein buntes Glied sehen konnten. Einige Frauen sagten zu Simoa: »Pfui, schämst du dich nicht, so herumzulaufen und diese Sache aller Welt zu zeigen?« Simoa sagte: »Weshalb soll ich mich schämen? Das hat Gott so gemacht. Dem Priester gab Gott Weisheit und er darf sie überall zeigen. Dem Schmied gab Gott Geschicklichkeit und er kann sie überall zeigen und anwenden. Mir gab Gott die blaue Spitze, damit ich mit ihr Feldwächter zeuge, die rote Mitte, damit ich so weit stoßend Kaids (Dorfvorsteher) zeuge, das weiße Ende, damit ich weiß, wie weit ich einführen muß, um Kadis zu zeugen.«

Die Frauen sahen das bunte Glied an. Die Frauen sahen, daß Simoa schön war. Die Frauen sagten: »Wem zeugst du denn Feldwächter, Kaids und Kadis?« Simoa sagte: »Es ist mein Beruf. Für ein Goldstück verwende ich nur die Spitze und zeuge damit einen Feldwächter. Für zwei Goldstücke verwende ich den roten Teil und zeuge damit einen Kaid. Für drei Goldstücke verwende ich auch das weiße Ende und zeuge so einen Kadi. Dazu verlange ich natürlich noch eine sehr gute Nahrung.«

Unter den Frauen war die Schwiegermutter des Ölhändlers, dessen Hinterloch er in der vorigen Stadt gründlich zugekeilt hatte. Die Schwiegermutter des Ölhändlers trat nachher zu Simoa und sagte zu ihm: »Ich habe eine junge und sehr schöne Tochter. Die ist mit einem Ölhändler verheiratet. Meine Tochter ist aber sehr unglücklich, denn ihr Mann ist nicht imstande, sie zur Mutter zu machen. Willst du meiner Tochter helfen? Nach dem, was ich vorhin gesehen und gehört habe, bist du hierzu sehr wohl imstande.« Simoa sagte: »Ich bin bereit, dir zu helfen. Es kommt nur auf den Preis an.« Die Schwiegermutter des Ölhändlers sagte: »Der Preis hängt davon ab, was meine Tochter verträgt.«

Die Schwiegermutter des Ölhändlers führte Simoa zu ihrer Tochter, der Frau des Ölhändlers. Die Frau des Ölhändlers sagte: »Sei so gut und zeuge mir einen Sohn. Es wird nicht so leicht sein, denn mein Mann sagt, sein Eisen sei zu weich, mein Holz aber zu hart.« Simoa sagte: »Wir werden es versuchen. Ich habe die sieben Töchter des Kadi gespalten. Ich werde auch dein Tor des Paradieses aufbrechen können. Lege dich nur nieder.« Die Frau des Ölhändlers sagte: »Laß mich erst deinen Nagel sehen!« Simoa zeigte ihr sein buntes Glied. Die junge Frau des Ölhändlers schrie: »Ach, was bist du stark und schön! Schnell, brich mich auf!«

Die junge Frau des Ölhändlers legte sich nieder. Simoa hockte sich zu ihr und nahm ihr eines Bein um die Lende. Die junge Frau schrie: »Das schmerzt!« Simoa sagte: »Das ist schlimm für dich. Denn nun kann ich dir nicht einmal den Sohn geben, der Feldwächter wird.« Die junge Frau sagte: »Doch! Fahre fort! Ich halte aus! Gib mir den Sohn!« Simoa stieß stark zu. Die junge Frau schrie vor Schmerz! Simoa sagte: »Es ist schade; ich kann dir also den Kaid nicht geben.« Die junge Frau sagte: »Doch! Doch! Ich halte schon aus! Gehe nur hinein bis zum Kaid!« Simoa trieb seinen Nagel weiter in die junge Frau. Die junge Frau schrie. Simoa sagte: »Wirklich, dies ist Eichenholz. Mit dem Kadi kann es so nichts werden.« Die junge Frau schrie: »Doch! Doch! Doch! Hinein damit!« Sie stieß den Hintern stark vor und rief: »Hinein mit dem Kadi!« Simoa schlug seinen Nagel bis zum Kopf hinein.

Die junge Frau des Ölhändlers gab ihm drei Goldstücke und sagte: »Komm nur bald wieder. Heute bin ich müde. Aber Schmerzen habe ich nicht mehr und ich spüre jetzt schon Lust, beizeiten für einen zweiten Kadi zu sorgen.«

Simoa ben Abid ging auf den Markt und kaufte ein kleines Lamm. Das Lamm malte er mit dem Rest der Farben an, die er noch besaß. Das Lamm war sehr schön anzusehen. Dem Lamm hängte er eine Glocke um den Hals. Er fütterte das Lamm. Das bunte Lamm lief nun immer hinter ihm her.

Simoa ben Abid ging mit seinem bunten Lamm vor die Tore der Stadt. Eine Frau mit einer sehr schönen Tochter begegnete ihm. Die Tochter sagte zur Mutter: »Sieh doch das schöne bunte Lamm, das hinter dem schönen Mann herläuft. Meine Mutter, kaufe mir das bunte Lamm!« Die Mutter ging auf Simoa zu und sagte: »Ich möchte das bunte Lamm für meine Tochter kaufen. Wieviel willst du für das bunte Lamm haben?« Simoa sagte: »Für das bunte Lamm will ich kein Geld, kein Haus, kein Feld.« Die Frau sagte: »Was willst du für das Lamm haben?« Simoa sagte: »Ich will einen guten Beischlaf für das Lamm haben!«

Die Mutter ging zu der Tochter zurück und sagte: »Der Mann will für sein Lamm kein Geld, kein Haus, kein Feld. Er will es nur für einen guten Beischlaf hergeben. Der Mann ist übrigens sehr schön und stark.« Die Tochter sagte: »Ach Mutter, laß dich schnell von ihm beschlafen. Das ist eine Sache von wenigen Minuten und wir haben dann das Lämmchen. Du sagst ja selbst, daß der Mann sehr schön ist.« Die Mutter sagte: »Ich will es tun, damit du dein Lämmchen erhältst.« Die Mutter ging zu Simoa zurück.

Die Mutter kam zu Simoa. Sie sagte zu Simoa: »Es ist recht. Nimm deinen guten Beischlaf.« Simoa sagte: »Lege dich hin!« Die Mutter legte sich hin. Simoa führte den Beischlaf aus. Simoa stand auf. Simoa zog eine Nadel mit Faden aus der Tasche. Die Mutter sagte: »Was hast du vor?« Simoa sagte: »Das war noch kein guter Beischlaf. Das war etwas zu weit, das will ich erst zunähen!« Die Mutter erschrak. Die Mutter sprang auf. Die Mutter sagte: »Warte, ich werde dir meine Tochter schicken!« Die Mutter lief zur Tochter zurück.

Die Mutter sagte zur Tochter: »Meine Tochter, der Mann ist stark und schön. Aber ich war ihm zu weit für einen guten Beischlaf. Geh du zu ihm. Du wirst dein Lamm mit Freuden erwerben.« Die Tochter sagte: »Mir ist es recht.« Die Tochter kam zu Simoa. Die Tochter sagte: »Was soll ich tun?« Simoa sagte: »Lege dich hin!« Die Tochter legte sich hin. Simoa führte den Beischlaf mit der Tochter aus. Simoa stand auf. Simoa zog ein scharfes Rasiermesser hervor. Die Tochter erschrak. Die Tochter fragte: »Was hast du vor?« Simoa sagte: »Das war etwas zu eng, das will ich erst aufschneiden.« Die Tochter sprang auf. Die Tochter lief fort, so schnell sie konnte.

Simoa blieb mit seinem bunten Lamm allein zurück.

Simoa ben Abid verkaufte sein Lamm. Dann machte er sich wieder auf den Weg und kam in eine andere Stadt. Simoa fragte die Leute: »Wem gehört diese Stadt?« Die Leute sagten: »Die Stadt gehört einem Agellid. Er ist ein sehr kluger Richter. Der Agellid hat zwei sehr schöne Töchter, die beide noch nicht verheiratet sind.« Simoa ließ sich das Haus des Agellid zeigen. Simoa setzte sich unter dem Fenster der Töchter des Agellid hin. Simoa ging drei Tage lang nicht von dem Platz fort. Die ältere Tochter des Agellid sah Simoa unter dem Fenster sitzen. Sie sah, daß er sehr schön war. Sie sah, daß er nicht von seinem Platz ging. Die ältere Tochter des Agellid konnte es nicht unterlassen, immer wieder zum Fenster hinauszuschauen. Sie sah immer besser, wie schön Simoa war. Am dritten Tage sah die ältere Tochter des Agellid wieder zum Fenster hinaus. Sie sah Simoa. Sie rief Simoa zu: »Wie heißt du?« Simoa antwortete: »Zwölfmal in einer Nacht!« Die ältere Tochter des Agellid sagte: »Du nennst dich zwölf mal in einer Nacht?« Simoa sagte: »Ja, so nenne ich mich.« Die Tochter des Agellid sagte: »Und du vermagst das wirklich? Willst du mit mir um 100 Goldstücke wetten? Ich wette, daß du es nicht zwölfmal vermagst.« Simoa sagte: »Ja, ich bin zu der Wette bereit. Zeige mir die hundert Goldstücke.« Die Tochter des Agellid zeigte ihm die hundert Goldstücke und sagte: »Hier lege ich die hundert Goldstücke hin. Heute abend werde ich meine Haare zum Fenster heraushängen lassen. Klettere dann an ihnen empor und komm zu mir herein. Morgen früh hat dann einer von uns dem andern hundert Goldstücke abgewonnen.« Simoa sagte: »So soll es sein.«

Am Abend hing die ältere Tochter des Agellid ihre Haare zum Fenster hinaus. Simoa kletterte an den Haaren empor. Die Tochter betrachtete Simoa. Sie sah, daß dieser schön und stark war. Sie umschlang ihn. Sie zog ihn auf ihr Lager. Simoa begann. Simoa vollendete es einmal nach dem andern. Als es hell war, hatte er es elfmal vermocht. Als er das zwölfte Mal anfing, begann die Tochter des Agellid zu bluten. Simoa stand auf. Die Tochter des Agellid sagte: »Du hast es nicht zwölfmal vermocht. Ich bekomme von dir die hundert Goldstücke.« Simoa sagte: »Es ist nicht meine Schuld, daß du zu bluten begannst. Aber ich werde den Streit morgen dem Agellid, deinem Vater, unterbreiten. Der soll entscheiden, wer von uns beiden dem andern hundert Goldstücke zu zahlen hat.« Die älteste Tochter des Agellid erschrak und sagte: »Tu das nicht. Mein Vater wird uns beide töten.« Simoa sagte: »Sorge dich nicht. Dein Vater wird den Streit entscheiden, ohne zu wissen, um was es sich handelt.«

Am andern Tage saß der Agellid zu Gericht. Simoa trat vor und sagte: »O Agellid, entscheide einen Streit, der zwischen zwei Freunden ausbrach. Der eine Freund wettete, daß er hintereinander zwölf Apfelsinen zu essen imstande sei. Der andere wettete, daß dieser Freund das nicht vermöge. Der Apfelsinenesser erhielt von dem andern zwölf Apfelsinen. Als er elf gegessen hatte und die zwölfte öffnete, zeigte es sich, daß diese nur Blut enthielt. Wer von den beiden hat die hundert Goldstücke gewonnen, um die sie gewettet haben?« Der Agellid sagte: »Der Apfelsinenesser hat die hundert Goldstücke gewonnen. Der Freund hätte ihm nicht eine Apfelsine mit Blut geben sollen. Denn kein Mensch kann Blut essen.«

Als es Abend war, ließ die ältere Agellidtochter wieder ihre Haare zum Fenster hinaushängen. Simoa kletterte an ihnen empor. Er kam in das Zimmer der Tochter des Agellid. Neben der älteren Tochter des Agellid stand deren jüngere Schwester. Die ältere Tochter des Agellid sagte: »Ich habe von unserem Vater schon gehört, daß er unseren gestrigen Streit in der Weise entschieden hat, daß ich die hundert Goldstücke zu geben habe. Nimm also hier die hundert Goldstücke. Nun sollst du mir aber Gelegenheit geben, die hundert Goldstücke zurückzugewinnen. Deshalb schlage ich dir eine zweite Wette vor. Ich wette, daß du nicht eine einzige Nacht zwischen meiner Schwester und mir schlafen kannst, ohne uns beiden beizuliegen. Bist du mit meinem Vorschlag einverstanden?« Simoa sagte: »Ihr seid beide sehr schöne Mädchen. Aber ich wette dennoch, daß ich, wenn ihr mich nicht vergewaltigt, zwischen euch eine Nacht lang liegen kann, ohne euch beizuliegen.« Die beiden Töchter des Agellid entkleideten sich und legten sich auf das Lager. Simoa zog sein Obergewand aus. Sein Glied band er aber unter der Hose fest. Danach legte er sich zwischen die beiden Töchter des Agellid.

Die beiden Töchter des Agellid legten sich neben Simoa. Sie legten Simoas Hände auf ihre Brüste. Simoa lag still. Sie legten Simoas Hände auf ihre Beine. Simoa lag still. Sie umspannten Simoas Beine mit ihren Armen. Simoa lag still. Sie umschlangen Simoas Beine mit ihren Beinen. Simoa lag still. Sie wälzten sich auf Simoa und stießen ihn. Simoa lag still. Sie öffneten Simoas Hose und streiften sie herab. Simoa lag still. Sie küßten Simoa. Simoa lag still. Sie banden die Schnur von Simoas Glied.

Da sprang Simoa auf und beschlief erst die eine und dann die andere. Die ältere Tochter des Agellid sagte: »Du hast die Wette verloren, denn du hast nicht eine Nacht zwischen uns schlafen können, ohne uns zu beschlafen. Du mußt mir meine hundert Goldstücke zurückgeben.« Simoa sagte: »Ihr habt mich vergewaltigt, und deshalb bist du mir weitere hundert Goldstücke schuldig. Aber wir wollen uns nicht streiten. Ich werde morgen den Agellid, deinen Vater, fragen, wer von uns die hundert Goldstücke zu erhalten hat.«

Am andern Tage saß der Agellid zu Gericht. Simoa trat vor und sagte: »0 Agellid, ein Freund wettete mit mir um hundert Goldstücke, daß mein Pferd nicht einen Tag lang mit einem Korb voll Gerste zur Rechten und einem Korb voll Weizen zur Linken stehen könne, ohne von der Gerste und von dem Weizen zu fressen – und ohne daß einer gewaltsam eingreifen dürfte. Ich war mit der Wette, die er vorgeschlagen hatte, einverstanden. Ich band mein Pferd mit dem Kopf an der Krippe fest und stellte ihm zur Rechten einen Korb voll Gerste, zur Linken einen Korb voll Weizen hin. Mein Pferd stand, ohne von der Gerste und dem Weizen zu fressen, vom Morgen bis zum Abend. Am Abend aber schnitt mein Freund die Schnur durch, mit der mein Pferd angebunden war. – Sage mir nun, mein Agellid, wer von den beiden hat nun dem andern die hundert Goldstücke zu bezahlen?« Der Agellid sagte: »Dein Freund, der gewaltsam eingegriffen hat, indem er die Schnur zerschnitt, mit der das Pferd angebunden war, hat die hundert Goldstücke zu zahlen.« Simoa sagte: »O Agellid, ich danke dir.«

Am Abend gab die älteste Tochter des Agellid dem Simoa zum zweiten Male hundert Goldstücke.

Simoa ben Abid war nun reich. Er lud sein Gold auf, verließ die Stadt und wanderte weiter. Simoa wollte in eine andere Stadt wandern. Als er aber durch einen kleinen Ort kam, sah er da ein junges Mädchen am Brunnen stehen, die so schön war, daß Simoa bei sich sagte: »Ich kenne jetzt viele schöne Mädchen und Frauen. Aber ein so schönes Mädchen wie dieses habe ich noch nicht gesehen. Wenn es mir gelingt, ihrer habhaft zu werden und wenn ich sehe, daß sie mir an Klugheit nicht überlegen ist, will ich mein Wanderleben aufgeben, will sie heiraten und an diesem Ort wohnen bleiben.« Simoa näherte sich dem Mädchen, das Mädchen wollte aber nichts von ihm wissen. Simoa sagte (bei sich): »Ich muß eine besondere Weise erfinden, um dieses Mädchen zu gewinnen.«

Das schöne Mädchen ging eines Tages zu dem Brunnen. Simoa ben Abid folgte ihr. Er trat nahe zu ihr in die Sonne. Er zog seine Hose herunter und streckte den Hintern so, daß ihn die heißen Sonnenstrahlen beschienen. Das schöne Mädchen sah, was Simoa tat. Das schöne Mädchen sagte: »Pfui! Du bist unanständig wie ein Hund.« Simoa sagte: »Du magst schön reden und bei euch ist es vielleicht anders. In meiner Heimat ist aber im Sommer viel Wärme und im Winter viel Kälte. In meiner Heimat kann man im Winter erfrieren, wenn man nicht im Sommer genügend Wärme eingesammelt hat; nun tue ich nichts anderes, als daß ich in meinem Hintern für den Winter Wärme aufsammle. Wenn du klug bist, tust du es auch. Ich habe schon die Hälfte der notwendigen Wärme eingesammelt.« Das schöne Mädchen sagte: »Du bist klug. Bei uns ist es im Winter auch kalt. Ich will auch Wärme einsammeln.« Darauf entblößte das schöne Mädchen auch seinen Hintern, trat neben Simoa und streckte ihn auch in die Sonne.

Nach einiger Zeit sagte das schöne Mädchen zu Simoa: »Fühlst du denn, daß du schon viel Wärme im Hintern aufgesammelt hast? Ich fühle nichts davon.« Simoa sagte: »Ich bin schon reichlich aufgefüllt. Bei euch Frauen ist das aber anders. Denn wir haben nur das eine Loch hinten, durch das die Wärme hereinkommt, und wenn sie einmal darin ist, kommt sie nicht wieder heraus. Ihr Frauen habt aber unglücklicherweise zwei Öffnungen und wenn die Wärme glücklich zu der einen hinteren Öffnung hereingekommen ist, schlüpft sie zur vorderen wieder heraus. Deshalb müßt ihr euch die vordere Öffnung zustopfen lassen. Dann kann die einmal aufgesammelte Wärme so leicht nicht wieder entfliehen.« Das schöne Mädchen sagte: »Wer kann mir aber meine vordere Öffnung zustopfen?« Simoa sagte: »Ich will es schon gerne tun, wenn du es wünschst.« Das schöne Mädchen sagte: »Ich bitte dich, tue es! Verstopfe der Wärme den vorderen Ausgang.«

Simoa trat vor das Mädchen. Simoa sagte: »Hier ist der Propfen. Öffne mir ein wenig die Schenkel, daß ich ihn gut einsetzen kann!« Das schöne Mädchen öffnete ein wenig die Schenkel. Simoa stieß seinen Pfropfen in ihren Wärmeausgang. Das schöne Mädchen stöhnte und seufzte. Das schöne Mädchen sagte: »Oh, das ist gut, pfropfe weiter. Das ist gut. Aber die Wärme kommt nicht von hinten. Jetzt fühle ich sie. Jetzt kommt sie. Jetzt ist die Wärme in mir. Oh, nun ist viel Wärme darin. Aber die Wärme ist nicht von hinten gekommen. Die Wärme kam von vorne.«

Simoa sagte: »Mein schönes Mädchen, das kommt wohl daher, daß wir beim Pfropfeneinsetzen gestanden haben. Wenn es dir recht ist, wollen wir den Pfropfen einmal in der Hocke in deinen Ausschlupf setzen. Dann wirst du die Wärme noch mehr spüren.« Das Mädchen sagte: »Ich bin es sehr wohl zufrieden.« Simoa hockte sich zur Erde. Er schlang die Beine des schönen Mädchens über seine Schultern und verschloß ihr die Vordertür zum zweiten Male, mit noch stärkeren Stößen. Das schöne Mädchen stöhnte: »Oh, die Wärme! Oh, dein Pfropfen! Schließ die Öffnung! Stoße die Wärme hinein. Stoße sie tief hinein. Oh, wie tief innen ist nun die Wärme! Aber mein Hinterer ist immer noch kalt!«

Simoa sagte: »Mein schönes Mädchen, daß dein Hinterer noch kalt ist; das kommt wohl daher, daß diese Lage noch nicht die beste ist. Wenn du es willst, können wir die Sache noch anders versuchen.« Das schöne Mädchen sagte: »Mir ist es recht. Je mehr ich daran denke, wie kalt es im Winter ist, desto mehr steigt mir die Sorge auf, daß ich bis dahin nicht genug Wärme gesammelt habe.« Simoa sagte: »So knie dich hin. Ich will diese unersättliche Öffnung von hinten zuzumachen versuchen.« Das schöne Mädchen kniete sich hin und stützte sich auf die Ellbogen. Simoa beugte sich von hinten über sie und drückte seinen Keil fest in den Spalt. Mit aller Gewalt schlug er mit dem Hintern gegen den Keil, so daß er weit in das schöne Mädchen hineindrang. Das schöne Mädchen stöhnte und seufzte: »Schlag zu! Schlag auf den Keil! Treibe den Keil vor! Treibe ihn vor, weiter vor. Oh, jetzt trifft mich der Keil ans Herz! Oh, diese Wärme, gib mehr Wärme, gib viel Wärme! Oh, wie warm mir jetzt ist! Jetzt ist mir auch der Hintere warm geworden. Das kam wohl, weil du mit deinem Leib darauf riebst. Aber diesmal ist mein Magen kalt geworden. Du glaubst nicht, wie ich mich vor dem kalten Winter immer fürchte, je länger ich darüber nachdenke. Kann man die Wärme noch anders einfangen?«

Simoa sagte: »Mein schönes Mädchen, man kann es auch noch anders machen. Am meisten Wärme gewinnt man aber, wenn man das Geschäft auf dem Bett ausführt, weil dann der Hintere gleich nachher auf einer warmen Decke liegt. Das kann man aber nur, wenn man verheiratet ist und zusammen in einem Haus wohnt. Du hast die gleichen Wünsche für den Winter wie ich. Diese Wünsche können wir am besten gemeinsam erfüllen. Denn ich habe schon viele schönen Frauen und Mädchen kennengelernt, aber keine war für mich das, was du mir bist. Gott hat die Menschen verschieden gemacht, die Frauen sowohl als die Männer. Sie sind nicht alle füreinander geeignet. Du, mein schönes Mädchen, und ich, wir sind aber geeignet füreinander und werden uns deshalb viele Wärme und viele Kinder geben können. Sage mir, was du hierzu meinst.« Das schöne Mädchen lachte und sagte: »Simoa, du bist klug. Ich bin einverstanden. Gib du mir immer deine Wärme, dann will ich dir Kinder geben.«

Simoa ben Abid ging mit dem schönen jungen Mädchen in das Dorf. Simoa ben Abid heiratete das junge Mädchen. Er ging nicht wieder auf die Wanderschaft, sondern zeugte mit ihr vier Mädchen und drei Knaben, von denen der jüngste bekannt ist unter dem Namen Nsäni.

Simoa ben Abid hatte vielerlei erlebt und zog viel umher. Zuletzt blieb er aber nur bei der einen Frau. Er hatte das gefunden, was Gott wenigen beschert: nämlich eine Frau, die ganz zu ihm paßt. Gott gebe, daß euch allen dies große Glück zuteil werde. Gott wird das Glück aber nur denen bescheren, die eifrig danach suchen und vieles erleben, wie Simoa ben Abid, der so viel vermochte.

Worterklärungen

Agellid vornehme Kaste des besitzenden Adels (Kabylen)

Ahun die kluge Schildkröte, die in Afrika Reineke Fuchs entspricht

Angareb das Ruhelager (arab.)

Baudi das Heldenbuch der Fulbe, eines der großen Spielmannsepen der Sahel; sein Sänger ist der Mabo

Dialli Kaste der Spielleute im Gebiet der Sahel

Dimadio Kaste der Hörigen (bei den Fulbe)

Dugutigi Dorfchef (bei den Mande)

Fulbe altes Hirtenvolk, dessen feinrassiger Wuchs und Klugheit berühmt waren. Wanderte in früher Zeit durch Westafrika von Senegal bis zum Tschadsee

Kabylen hellhäutiges Berbervolk in Nordafrika (Marokko)

Kordofan mohammedanisches Königreich zwischen Khartum, Darfor und Weißem Nil

Mabo Kaste der Sänger und Weber (bei den Fulbe), Träger der überlieferten mündlichen Literatur

Mande Volksstamm am Nordrand des Futa Djalon-Gebirges, das Gebiet des früheren Königreichs Mali

Marabut islamischer Geistlicher, Wanderprediger

Muezzin islamischer Gebetsrufer

Muntschi Urwaldvolk an den Ufern der Benue (Kamerun), von den benachbarten sudanischen Kulturvölkern als räuberisch und barbarisch angesehen

Numu Kaste der Schmiede (bei den Mande)

Nupe hochentwickeltes Volk des Zentralsudan, das dem Ansturm des Islam kulturell widerstand. Am linken Ufer des Niger ansässig, zwischen den Yoruba im Westen und den Haussa im Norden

Pui das Heldenbuch der Soninke, das die Heldentaten der Leute aus Kalla besingt – berühmtestes und in ganz Senegambien populäres Werk

Sahel Grassteppe zwischen Sahara und Sudan, das alte Reich Gana, dessen Heldentaten die ›Spielmannsgeschichten der Sahel‹, Baudi, Dausi und Pui, wiedergeben

Seriba Ansiedlung, Gehöft, Zeltplatz (arab.)

Sufa Diener, zum Haus (= su) Gehörige (bei den Fulbe)

Yoruba altes Stadtvolk, am rechten Ufer des unteren Niger ansässig, mit Ibadan als erster schwarzer Großstadt des Kontinents. Hier ist das ›Atlantis‹ Leo Frobenius' zu suchen.


 << zurück weiter >>