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Eigen, Eigentum, Eigentumszeichen.

L

 

inks und rechts am Bußalpwege liegt ein vormals einheitliches Heimwesen, am Eigen 1 genannt. In der Nähe breitet sich die Häusergruppe uf der Herrschaft, 2 und abermals unfern erhebt sich der kleine Hügel Burgbïel. Noch zur Stunde will man auf letzterem die Reste eines Grabens und einer Grundmauer erkennen, 3 die dort um ein vermutetes Zwing­herre n­schloß geführt hätten. Ein anderer Burgbïel liegt am Ende des untern Gletschers unfern des Dörfchens Mettenberg. Ferner sollte auf einem Hügel unter dem Rüthihorn ein Jagdschloß gestanden haben, 4 was freilich ungefähr so phantastisch klingt wie die Erhebung der schloßähnlichen «Burg» über Burglauenen zu einer ehemaligen «Burg Schillingsdorf», 5 oder gar die Erhebung des Wildschlosses am Challi zu einem von Menschenhänden gebauten Schloß. Man persifliert solches Vermuten allenthalb bestandener Burgen etwa damit, daß man auch auf die kastellähnliche Höhe über Isenfluh einstige «Herren von Isenfluh» versetzt.

Mehr besagen der Ort uf dem Wartstein zu Wärgistal 6 und der noch durch zwei Hụụsleni markierte Wartenbärg (vgl. S. 3) am gleichbenannten Graben, welcher Grindelwald von Gsteig trennt.

Nun wäre laut Tradition der Burgbïel nahe der Herrschaft eine zeitweilige Residenz der Freiherren von Unspunnen gewesen. 6a 534 Derselbe eignete sich in der Tat trefflich zur Überwachung des schmalen Taleingangs bei der Enge; nur bietet die Geschichte keinen Anhalt zu seiner Zuweisung an die einstigen Herren jener Burg, die noch in ihren Ruinen so malerisch am Rugen sich hinbreitet.

Vielmehr stand in urkundlich frühster Zeit das gesamte Grindelwaldtal unter der Oberhoheit der Herzoge von Zähringen, 7 welche als königliche Reichstatthalter der Westschweiz eine Respekt gebietende Zwischenmacht zwischen der deutschen Krone und dem aufstrebenden Adel darstellen. Um letzterm ein Gegengewicht zu schaffen, verpflanzten die Zähringer die Geschlechter der zürcherischen Edlen von Wädischwyl und von Eschenbach ins Berneroberland, und diese beiden bereicherten nachmals ihre Güter dadurch, daß Rudolf von Wädischwyl († um 1240) durch die Heirat der Erbtochter Ida die Freiherrschaft Unspunnen erbte, nachdem bereits Walter II. von Eschenbach († 1224) durch die Heirat der Erbtochter Ida von Oberhofen diese Herrschaft und damit auch Besitzungen in Grindelwald 8 an sich gebracht. Während nun das Wädischwyler Erbe sich bald verzettelte und Unspunnen teilweise an die Eschenbach überging, 9 hielt sich dies letztere Geschlecht einige Zeit auf der Höhe, um aber mit dem Königsmord von 1308 durch Walter IV. seinen durch Mißwirtschaft vorbereiteten Untergang zu besiegeln.

Den Verfall auch dieses Hauses machte sich die Probstei Interlaken zunutze, und zwar in der sehr weltlichen Weise, in welcher auch andere geistliche Stiftungen jener Zeit zu ihrem mächtigen Grundbesitz gelangten. Mittelst gefälschter 10 Königsdiplome von «1146» und «1173» hatte sie sich in der «Interessen­sphäre» zwischen der Schonegg 11 einerseits, dem untern Gletscher und Wärgistal- Alpiglen anderseits 12 den Grundstock ihres Güterkomplexes geschaffen. Nun ließ sie sich von ihrem erblichen Schutzherrn (Kostvogt) Walther II. († um 1224) und nachmals (1238) von dessen Witwe Güter im Ịịschbŏden schenken; darunter namentlich vier Lehen mit Alphütte an der großen Scheidegg. 13

War hier dem Stifte auch sein Verfügungsrecht über die Kirche Grindelwald 14 zustatten gekommen, so erlangte es dagegen 1246 die «Alp» Mättenberg 15 erst nach erbittertem Kampf mit den Herren von Wädischwyl und gegen Erlegung von 140 Mark. 16 Leichter ging 1252 mit Hülfe Berns die Alp Wärgistal aus dem Besitz der Wädischwyler in den des Klosters über. Die Hörigen durften aber frei fortziehen, 535 wenn sie nicht vorzogen, von der Probstei nach deren Gutdünken versetzt zu werden. 17 Ganz frei dagegen verfügte das Kloster über die Hörigen, welche bis 1275 unter Walter III. von Eschenbach als Reichslehensträger gestanden hatten. Im erwähnten Jahr erwarb nämlich das Stift von dem tief verschuldeten Eschenbach eine große Anzahl Grindelwaldner-Güter: im Moos, zu Horbach, an der Egg, unter der Sulz, auf der Sulz, im Brand, an der Schonegg, in der Steinbillen; am Sampach, im Schwantwald, am Eigen; z’Ịịsch, z’Ịịschbŏden, am Alpwääg; «ze Hofstete», «Vulhalton», «Dürsluchern» ( Dï̦rslï̦chchren).

Notar Heimann.

Aber am 6. November 1275 verkaufte Eschenbach dem Kloster auch die achtundzwanzig Grindelwaldner-Familien, welche auf den genannten Gütern saßen, förmlich um 150 Mark. 18 Wie bloße Nachgerichte bei der Hauptmahlzeit erscheinen da noch Erwerbungen an Gütern und Reichslehen wie «an der ußren Schonegg» (1308); 19 «uf den Blatten» (1319); 20 «im Bodme» (1323), 21 zu Tuffbach (1326); 22 « 1/ 9 von 1/ 6» des Lägers ( casalis) genannt Lugibach an Grindel 23 für 40 und für 60 Kühe (1329). 24 Das Jahr 1388 brachte Besitzungen in Gidisdorf, am Alpwääg, im Spi̦i̦s, 25 1345: das Gut vor dem Stääg, 26 sowie «das mahd uffen Schrecke, gelegen uffen Rottenflue zwischent düm Stadelmadd einhalb (einerseits) und düm madd in dür Swendi anderhalb.» 27 1432 ging Bueßalp von Habsburg an das Kloster über. 28

Auch die Güter, Allodien und Reichslehen, welche um die Wende des 13. Jahrhunderts der Berner Schultheiß Lorenz Münzer, die Herren 536 von Weißenburg, der Thuner Bürger Peter von Wichtrach u. a. im Greindelwaldtal, sowie anderwärts besaßen, kamen mit der Zeit zumeist ans Stift Interlaken. 29 1331 fielen demselben die Reichslehen in Gsteig und Grindelwald zu, welche bisher Johann von Ringgenberg besessen; 30 1334 folgte die alte Herrschaft Unterseen, 31 ausgedehnt auf Lütschental und Grindelwald. 32

Amtsrichter und Gemeindeschreiber Häsler.

(1837-1884.)

Damit gehörte der überwiegende Teil Grindelwalds zu dem mächtigen Gebiet hinder Hinder­lachchen, wie man analog die sieben Bergschaften hinder Itramen, hinder Wärgistal usw. ( S. 304) - unterscheidet. Gleicherweise nämlich, wie etwa rière Berne «im Gebiete von Bern» bedeutet, ist das gesamte Territorium Grindelwalds samt seinen Gebäuden und seinen Bewohnern unter die besagten Bergschaften aufgeteilt. Auch die Kirche z. B. steht hinder Grindel ( S. 192), wie der gesamte Schulkreis Burglauenen hinder Bueßalp ụụßert Orts ( S. 16) liegt. Alpwirtschaft dagegen betreibt man an Scheitegg, an Bach usw.; und so unterscheiden ihr «hinter» von ihrem «an» auch die übrigen Bergschaften, also das Holzmatten, das Bueßalp innert Orts usw. Das räumliche «hinter» des gemeinen Sprachgebrauchs steckt insofern auch in diesem spezifischen hinder, als darin im Grund die Vorstellung des Schutzes angedeutet liegt. Was oder wen ich schützen will, nehme ich «hinter» mich, und ich biete ihm Deckung mit meinem Leib. So hat auch bildlich der Vormund das Guthaben seines Mündels, der ehrliche Kassier das Vermögen seines Vereins hinder mŭ̦.

Solch mächtigen Schutz gewährte Bern in besseren Zeiten seinem Gebiet « rière Berne», und auch Interlaken schuf seinen Untertanen freien Rücken und freie Hand in einem Maß, wie niemals im Mittelalter einer der kleinadeligen Grundbesitzer es tat. Zwar mußten Hörige wie Konrad von Horbach (1349), Uolrich z’dem Bache und Walther 537 ab der Halten (1354), Chuonrat am Alpweg (1361), Jans Frieso (1365), Cuontze zem Sambach (1370) und sein Sohn Jakob (1372) für wiederholten Abfall Bußen von hundert bis dreihundert Pfund (oder auch Gulden) erlegen und in langen «eigenhändigen» Erklärungen «Hulde thun»; allein wir sehen auch z. B. 1302 sechs Gotteshausleute auf einmal die Lehen under Eiger, an der Halten, im Ritt, zu Gumbach erwerben. 33

Amtsrichter u. Gemeindeschreiber Häsler, Sohn.

Daß hierbei unter «Interlaken» immer die Probstei verstanden ist, ergibt sich aus dem Sachverhalt von selbst. So zähe haftet denn auch die Bezeichnung Chloster noch an dem seit 1528 als Amtssitz dienenden Gebäudekomplex, daß bis zur Stunde ein dort zu erledigendes Rechtsgeschäft, zumal es (e n) Brŏzä́ß, eine Chloostre̥ta (wenn nicht eine Richtre̥ta oder Schlosse̥ta) geheißen wird. Mụ chloost’red oder richt’red dort etwa so, wie die Emmentaler auf die hochgelegenen Schlösser zu Burgdorf und Trachselwald als auf ihre «Brozidierhö̆ger» «göö n ga n schlosse n».

An die einstigen Chorherren aber erinnern Bezeichnungen wie Chlooster, 33a wie Pfaffenegg ( S. 158) und Pfaffe ntĭ̦ri. Mit letzterem ist der enge Durchlaß am Eingang des Grindel-Unterlägers gemeint, der beim Bänzen ụụszieh’n ( S. 348) zur Kontrolle dient. Die Lägerpartie selbst, zu welcher der Einfang gehört, ist die Stifte̥rra 538 ( S. 312); die Hüttengruppe liegt unmittelbar über den beiden Vorsassen, welche ebenfalls d’Stifte̥rri genannt werden. («Stift» ist religiöse Widmung.)

Wie anders die heutige Namensgeltung! Die beiden volkstümlichen Formen Hinderlachchen und Inderlachchen lassen nicht vermuten, daß in ihnen die ganz vage ursprüngliche Bezeichnung des Gebietes inter lacus: «zwischen den Seen» oder älter deutsch: «under (den) Sewen» 34 stecke. Erst Underseewwen (alt emmentalisch: «Un͜dersööje n») gelangte als uralte Ansiedlung zu erster eigentlicher Ortsbenennung und zwar aus Gründen, die in eigener Abhandlung zu erörtern wären, unter der lange Zeit ausschließlichen Form Hinderlappen, Inderlappen. 35 Im Umschwung der Stadt Inderlappen lag das «Kloster» Interlaken, welcher Name also ebenfalls mit der Zeit zu spezieller Ortsbezeichnung sich zuspitzte. Und zwar geschah dies in einer Geltung, wie der alte Grindelwaldner sie noch bei Menschengedenken verstund. Demselben war Hinder­lachchen immer noch lediglich das Chloster samt der Herberge (dem heutigen «Hotel Interlaken» oder dem Gasthụụs der ältern Sprache) und übrigen Umschwung. Als dritter Name aber kam «Aarmühle» auf. Um die Klostermühle nämlich, deren Stelle heute das Postgebäude Interlaken einnimmt, entstund eine Ansiedlung, welche bis vor wenigen Jahrzehnten zu Matten gehörte und dann als eigene Gemeinde links der Aare (neben dem bloß noch rechts der Aare seinen Namen behauptenden Unterseen) sich konstituierte. Mit der Zeit aber, und schließlich auch offiziell, überwucherte und verdrängte der durchs Kloster gehobene Name «Interlaken» den von «Aarmühle». Doch der ältere Grindelwaldner geht immer noch nach dem alten «Aarmühle», dem «Amüli» von 1364, 36 «găn Aarme̥lli» oder ga n Rraame̥lli, ga n Rraame̥lli z’Märt, begibt sich auch sonst anstatt nach Interlaken ga n Raame̥lli ụụsi oder ahi. 37 Nach Underseewwen aber, oder schlechtweg in d’s Stedtli reist er auf den Chräämmermärt. Auch über den obligaten Knabenstreit zwischen Ráme̥lle̥rren und Stẹdtle̥rren weiß er sich seinen Vers zu machen.

Ein Burger von Interlappen, «der Bangartner», 38 hatte von Österreich drei Lehen inne: an der Spilstatt, uf der Halten und «ze 539 Rusach». Als andere habsburgische Lehen erscheinen Güter oder Gütchen «nit dem weg», im Dï̦rrenbärg, an Anggistalden, an Rothenegg. Am Lehn 39 zu Itramen hausten 1345 drei Brüder; 40 am Chị̈ị̈schlehn hatte ein Asket 41 als Lä̆che nmaan, Lehensmann vom Lehnherr oder Lehner e̥s Lä̆hen e mpfangen.

Die österreichische Lehensherrschaft aber machte alle Stufen der Strenge und Milde durch vom taglen 42 an, welches jeden Tag den Inhaber auf die Gasse setzen konnte, bis zum erblichen Lehen 43 und faktischen Besitz. Zu den Übergangsstufen gehört namentlich das Mannlehen, welches auf die männlichen Erben überging. Solcher Mannlehen gab es besonders viele im Simmental, 44 nicht wenige aber auch in Grindelwald. Zwei davon haben sich verewigt in den Namen Maa nlä̆hen und Männlichen. 45 Eins liegt auf dem Anggistalden; das andere ist der berühmte Aussichtsberg, der noch 1349 als «Berg und Horn Menlicha» 46 figuriert, dann aber mit seiner Bedeutung als «oberster Mannlehen-Berg» 47 auch diesen Namen verlor und bis in neuere Zeit «Thunertschuggen», wohl auch «Tuplouina» heißen mußte. Aus dieser Zweiheit erklärt sich die Stelle im Alpenkatalog des Landbuchs von 1657: «Mannlehen, unbekannt auf welcher Alp». 48 Auch unterhalb Mürren gibt es eine Örtlichkeit «Männlichen». An übrigen Grindelwaldner-Mannslehen hat Jakob von Brandis, Schultheiß zu Unterseen, im Jahr 1363  49 neune von Österreich empfangen. Es sind dies: das Mannlehen « uf dem Buol, daß Hofwalthers was; das gut vor dem Stege; ein güetli uf der Tuftfluo; daß lehen in der Schluecht; ein guet am Bigenstoße und zer Balme; ein guet in Zingelberg, (Tschingelbärg), dem man sprichet der Buellusse; ein guet uf dem Ritte; ein güetli an der Blatten, was Risensteins seligen.»

Einen weitern Schritt zur Lockerung des straffen Lehensverbandes bedeuten die Kunkellehen: auf Töchter wie Söhne vererbbare Lehen. 50

Wie nun heute der Lehenmann gleich dem Schuldenbauer sehr gut weiß, was zịịsen heißt, und wie vor der eidgenössischen Post der Zịịstre̥ger seine gewichtigen, mitunter selbst gefährlichen Botengänge alljährlich im November vollführte, so mußten die habsburgischen Schuldner ihren census, ihre «Schatzung» nach genau aufgesetztem Urbar 51 entrichten. 540 Da hieß es nach alter Formel: Entweder Pfand oder Pfenning! d. i. Naturalleistung oder Geld. An jene als Einsatz erinnern noch das Pfand östlich des Schwarzhorns und das Underpfand im heutigen Dorf. 52 Durch die Leistug ( giselschaft, obstagium) wurde der Schuldner zu voller Schuldentrichtung gezwungen. Unerbittlich wurde ferner durch den Zehnder, an welchen noch der Ort bi’m Zehnderhụụs 53 erinnert, der ursprünglich rein kirchliche Zehnten erhoben. Denn daß Habsburg je etwas «geschänkt und verehret» hätte, 54 das schickd si ch nịịd! Um aber de n Chosten, die Chësten eines noch so einfachen Haushalts unter österreichischer Herrschaft noch größer zu machen, erhob auch der Zoller seine Gefälle.

Großsohn Häsler.

Sodann forderte der Fronvogt herrschaftliche Dienste sowohl mit der Hand, als mit Wagen und Zugtieren. Sowohl «die Mĕni» ( S. 182) für herrschaft­lichen Zugdienst, als auch das Verbum mĭ̦nen: mit über­menschlicher Anstrengung arbeiten, gehört dahin. Im Waldkapitel aber haben wir ebenso «die Mĕni» und das «Mĕne̥lli» ( S. 182) auseinander­gesetzt; und auch vom froonen, von der Froon als einer guete n Moden, als einem wirklichen «Ehre n-Tagwan» ist dort ( S. 179 f.) die Rede. Ja das froonen dehnt seinen Begriff von der arbeitsreichen Holzzï̦̆gi eines halben oder ganzen Tages auf andere gemeinsame Hülfeleistung aus, wie z. B. winterliches Heimschaffen von Bergheu aus der provisorischen Unterbringung.

Zu den gelegentlichen Abgaben gehörten der Ehrschatz, das Loob ( laudemium) beim Wechsel des Lehensherrn und Lehenmannes. An diese Auflagen erinnern das Lobmedli, das Löbersmaad, die Lobhörner bei Interlaken und vielleicht unser Loiberhoren. (Die alte Ablautgruppe lub liub loub umfaßt die Wörter Lob, lieb, loib = loub (artig), glauben, 541 erlauben, Urlaub, und so auch geloben und Gelübde, gg’lŏben und glï̦̆bden.) 55

Großtochter Häsler.

Solche und noch andere Ausdrücke zeigen, wie tief das feudale Verwaltungs­wesen sich in das spätere freie Gemeindeleben gleichsam eingeätzt hat. Die unerbittlich stramme Gesetzlichkeit drückte schwer — allein sie lehrte Or dnug; und nachdem Bern an Habsburgs Stelle das Kloster Interlaken sich einverleibt, bekam unter dessen ausgedehnten Besitzungen auch Grindelwald die Regierungskunst Berns dessen bessern Zeiten wohltätig zu spüren. 56 Wie im Begriff des «Regierens» als des Gegensatzes zum Herrschen, zum ’herrsche̥llige n (s̆s̆) Wä̆sen die eingehende und gewissenhafte Sorge für das Kleine und Kleinste enthalten ist, zeigt sehr schön der grindel­waldnische Sprachgebrauch. Danach soll die Hausfrau zu gewissen Zeiten wie z. B. des Vollmondes gẹng eppḁs a’n Ärbsen old a’ n Zĭ̦be̥lle n regie̥rren: sich wohltätig mit ihnen zu schaffen machen. Oder sie kümmert sich um das leibliche Befinden des Mannes oder Sohnes auf der Alp und geid mu̦ eppa ei ns i n d’Hï̦tta ga n chochchen u nd rregierren: ihm Gerät und Gewand, Speisezeug und Getränkvorrat in Ordnung bringen, dies und das i n d’Grĕdi 542 rï̦cken. Sie bedenkt dabei, daß sie zwei Hände und zwei Füße, aber nur einen Mund hat.

Von Bern aber ging solche Kunst des Regierens mehr und mehr auf seine Gemeinden über, und das Armenwesen erhielt sie darin in fortschreitend vermehrter Übung. Für Bewältigung der Armenlast in erster Linie mues d’G’meind schaffen (die Kosten auf sich nehmen), und zu diesem Hauptzweck muß sie de n Täll sorgfältig ordnen. Jeder Steuerfähige muß tällen, sị ns Sachchli vertällen; und Rechenschaft über Einnahmen und Ausgaben legt alljährlich der Verwalter des Seckels ab. Wie der Kassier jeder Alpgemeinde derselben die Tällrächnug vorlegt, so der Tălseckelmeister der Einwohnergemeinde die Taalrächnu̦g oder die (allerdings nur noch altertümelnd so geheißene) Polizeirächnug. 57

Erst die Gemeinde als Republik im Kleinen machte auch den Einzelnen zum wirklichen Nachfolger des von ihm beerbten Freiherrn alter Zeit: zum Freien und zum Herrn. Der Sprache des Volkes freilich prägten beide Ausdrücke sich nicht mehr ein. «Frei» im politischen Sinn ist bloß in schriftdeutscher Form geläufig, und das alte moralische frî ist als mechanisierte Versicherungs­formel (eigentlich: «um es frei heraus zu sagen») mit «fịịn» (fein) zusammengefallen. (Es hed mi ch f rịị n ḁ lsó ’tschụ’red.) 58 Vollends aber den «Herrn» will der echte Bauersmann aus der Anrede an ihn ausgeschaltet wissen. Den Heer laan i ch daheimmen! lautet seine höflichste Ablehnungsformel, und die wendet er nur an, wenn er überzeugt ist, daß mu̦ n en nid will fŭ̦xen. Nie wird daher ein Bäuerlicher selbst den erstmals ihm Begegnenden, in welchem er seinesgleichen erblickt oder vermutet, als «Herr» anreden. Um so inhaltsvoller bleibt das Her r NN., womit eine gesellschaftliche Überlegenheit frei und freundlich eingeräumt wird. ( S. 27.) Bloß in stillschweigender innerer Wertung unterscheidet der im Verkehr geschärfte Blick den wirklich vornehmen, weil gediegen einfachen Herrn von einem, der augenscheinlich über seinen Stand hinaus herrsche̥llig tued oder ’s nŏbel gi bd. Da bleibt überall in Bernerlanden, ja in der ganzen echt demokratischen Schweiz die spöttische Unterstellung: mier sịịn nid rịch, aber schrecke̥lli ch fï̦rnä̆hm, nicht lange aus. Wie wenig der schlichte Republikaner sich vollends auf monarchische Rangstufen versteht, beweisen die selbst im Namensschatz erloschenen Graafle̥ni und die 543 Benennung Grääfihụụs für das heutige Gasthaus zum «Adler», welches die Mutter des um 1850 regierenden Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen sich zu dem so lieblichen Wohnsitz hatte herrichten lassen.

So entschieden jede förmliche Ehrung ablehnend, fühlt der heutige freie Bauersmann, der Pụụr sich als wirklicher Herr und Herrscher «auf seinem eignen Erbe». Als wirklicher Erb, und zwar nach dem alten Vorrecht des jüngsten Sohnes, hat er das Erb b’hendiged oder g’handsamed. Eine zweite Erwerbsart ist der Choif; eine dritte, welche mit der Landesverteilung der ersten alemannischen Ansiedler in Verbindung steht und noch in die Verteilung von Nutzen und Pflichten der Alpgenossen­schaften hinaufreicht, ist die durch Lëëßer. Die begreifliche Spannung, welche das Zufallsspiel solcher Lose für den Ernst des Daseinskampfes mit sich bringt, spiegelt sich in der Sprache verschiedentlich ab. Will man z. B. seine Hoffnung auf das Gedeihen eines Unternehmens, auf die Rettung eines Schwerkranken u. dgl. als eine geringe hinstellen, so sagt man: i ch looße n ’mu̦ schlächt! oder mit dem Wesfall des hinweisenden «es»: i ch looße n ’mu̦ ’s schlächt! Abgeschwächt, heißt looßen einfach voraussagen: «Ym 1606. yahr loset die Bratug einen starken wind, der kam (denn auch) 3mahl.» 59

So oder anders erworben, weist ein Heimwesen als schätzbarsten Vorzug den auf, daß es «außer gemeinen Herrschaftsrechten gantz Frey, Ledig und Eigen» sei (1724 und häufig). Noch bei dem heutigen Geldmarkt gehört es in Grindelwald zum Nachruf eines guten Hausvaters, er habe sị̈ị̈ ns Land lĭdigs g’machd (Grund und Boden aller Hypotheken entlastet). In solchem Sinn haben sich aus alter Zeit die Eigen 60 (1275  61 , 1349  62 ), der «Eigen» zu Lützelflüh, das «Eyenthal» am Pilatus, der «Eiget» im Wallis wenigstens im Namen fortgeerbt. Der entsprechende Ausdruck der Gegenwart ist aber Gued (z. B. Stei nmaa nnsgued 63 ) oder Gïetli. 64 Mit letzterem fangen wohl zwei junge Leutchen an, die ganz mittellos zusammengekommen sind — wa nịịd wa n vier blu̦tti Chnew z’säame nchoo n sịịn —, aber durch Fleiß und guten Haushalt bald ze ’nem Sachchli chë̆men. Und indes ein anderer e̥s Sachchli g’hä̆ben heed, es aber verliederlichte und verlor, gelangen jene mit der Zeit zu einem hübschen Heimwesen, ze ’ner tolle n Sach oder ze ’nem scharmante n Wä̆se̥lli. Aus diesem kann ein stattlicher Grundbesitz werden: f rịị n e n chlịịn e̥s Wä̆sen. Wenn nur nicht einst das kinderlose und halb arbeitsunfähige Alter zwingt, d’s Landwä̆se n mid sannt dem Vehwä̆se n z’verchoïffen! 544 Aber eben: die Rheumatismen der spätern Jahre sind ein schlimmer Lohn für frühere Überanstrengung. O, das ist es Wä̆sen! Und die Lohnarbeiter stellen so vieles verkehrt, ungeschickt an: sie reise n f rịị n e̥s Wä̆sen aan! Unwetter droht Abend um Abend im schwülen Hochsommer; gleichwohl geht die Arbeit im alten Tripptrapp fort, und da lịịd no ch e̥s grị̈ị̈sli chß Wä̆sen Hew am Bŏden, das längst eingetragen sein sollte. Da geraten auch «Hauswesen» und «Finanzwesen» in Krebsgang, wenn nicht das «Leidwesen» ein baldiges Ende findet.

Doch die der Arbeit Gewöhnten gehen erst mit dem Tod zur Ruhe: mier chënnen de n llang gnueg dert bi der Chilhe n llĭ̦gen! Noch erwerben die Alten mit ihrem Davongebrachten ein ganz kleines Gütchen: e̥s Aa nwäärde̥lli, vielleicht e̥s Ii nschleï̆ffe̥lli (Unterschlüpfchen), verbunden mit einer Aa nspraach oder auch nur einem Aa nspraachli Wald ( S. 176). Dazu werden sie Aa nteiler oder (S. 322) Aa nteilen (Anteilhaber), Bärgteilen an der Bergschaft, zu der ihr Wohnort gehört.

Alles ist nach erhaltenem Oberländerbrauch umhegt ( S. 253). Nur im offenen Dorfumschwung schützt vor unliebsamen Betreten die neuere Verbottafel, der alte Strohwisch.

Letzterem entspricht der Eigentumsschutz für die dem Verkehr ausgesetzte Fahrhabe in den uralten Eigentumszeichen. Es gibt deren wesentlich dreierlei. Allbekannt ist der eiserne Hụsbrand mit den aufgegossenen oder aufgeschmiedeten Namens-Initialen der Eigentümerfamilie. Uns beschäftigen einzig das Hụszeihen und das Vehzeihen, und auch diese nur um der Formen willen, welche für den geschichtlichen Zusammenhang der Lütschinentäler mit dem Oberwallis und dessen anderweitigen Kolonien so außerordentlich charakteristisch sind. Denn Hauszeichen (um zunächst von diesen zu reden) gibt es, wie im ganzen Berneroberland, so auch in vielen Gebieten Deutschlands, in Großbritannien, in Norwegen. 65 Sehr ungleich ist aber der Grad ihrer bis heute erhaltenen Geltung. Im Oberwallis, zumal im Lötschental, haben sie so entschieden offiziellen Charakter, daß z. B. zum reihenweisen Stundengebet am eidgenössischen Bettag durch Familien­bezeichnung lediglich mittelst der Hauszeichen auf dem Anschlag am Gemeindehaus aufgeboten wird. Ja, in Oberwallis und Graubünden sehen wir die Hauszeichen einer 545 Gemeinde zu stabförmigen Teßlen ( tesserae) kombiniert, welche sowohl als Pflichtenhefte wie als «hölzerne Grundtitel» volle Rechtskraft besitzen. 66

Hauszeichen (1-80) und Viehzeichen (a-u). Darunter sind in Grindelwald immer noch benannt: 1-11 « Driiangel», und zwar 1 und 2 «mit Stupf» in verschiedener Anordnung, 3-6 «mit Strichlinen» dito; 39 und 40: Haspelli; 48-50: Härz; 59: Breitax; 60: Schääri; 69: Halbmond; 71: Hasesprung. — a: graada Hick; b: Schaarhick; c: d’s Gibelli (Giebelchen); d: d’s Jochmaal; e: d’s Looch; f: d’s Hosezeihen; g: der Spalt; h: der Viertel; i: d’s Ohr vorab (d. h. vorn ein Stückchen des Ohrs abgeschnitten); k-u: Kombinationen dieser Elemente; z. B.. k: graada Hick und Schaarhick usw.

In Grindelwald blieb es bei den isolierten Zeichen, deren Hauptvorzug in ihrer Durchsichtigkeit und für jedermann leichten Herstellbarkeit besteht. Sie erinnern ganz unwillkürlich an die altgermanischen Runen (und die mit ihnen zusammengelegten Runenstäbe). Wie aber diese (nach Wimmer u. a.) aus dem lateinischen Alphabet hervorgegangen sind, so gibt es auch Buchstaben wie T, als T’hee benannt, oder H, als Haa bezeichnet, unter den Hauszeichen. Viel häufiger jedoch als die Laut-, ist die Bilderschrift vertreten. Wir erkennen sofort «dä n rächt» und «dä n lätz» (verkehrten) «Bŏhaaggen» (Bundhaken) der ursprünglichen Zimmermanns­familie; die Pflegel des Landmanns; den dem Schiffer entlehnten Anker; das Rŏsịịsen U des ursprünglichen Hufschmieds und die Chesse̥llihienna des Älplers. Wie aber die Hauszeichen als Verhüter von Eigentums­schädigung «Fried und Ruh» schaffen sollen, zeigt die Eingabe eines Bußalper-Hausvaters, welcher die Zeichengruppe 546 der Jahrzahl ΦCCCCCCLXXXI (1681) in folgenden Versen kommentierte:

Eine Schuehringga ohne Doren,
Sechs Rŏsịịsen auserkoren,
Eine Zimmerax, drei Chrịịz darzue,
Ein Schrootịịsen schafft Fried und Ruh.

Auch der Stuehl , der Tä̆gel, der Hammer, kurz jedes Gerät, welches wenigstens andeutungsweise si ch laad maalen (zeichnen; denn von färben, d. h. malen, ist ja keine Rede), eignet sich zum Hauszeichen. An das Geheimnisvolle der «Runen» erinnern dann aber die Sonne oder der Planeeten , der Gedritt- und Geviertschein und des Kalenders u. dgl. Wie, wenn diese (gleich dem Pentalpha der Druiden auf deren Türschwelle) Tür und Fenster, Tisch und Bett, Groß- und Kleinvieh, die Bäume in Feld und Wald, die Tannen und Pfähle und Steine der March vor unheilbringenden Geistern schützen sollten! Heute in ihrer selbständigen Gruppierung unverstanden, geben diese geometrischen Zeichen ihre Elemente der zu erstaunlich mannigfaltiger Variation der übrigen behufs Garantie der Eindeutigkeit. Der Stri̦i̦ch (Strich, gerade Linie) und der Stu̦pf (Punkt) ergeben je für sich oder zusammen Kombinationen wie diese: Fị̈ị̈f Stï̦pf im Hăse nsprung ; der Driangel linear oder punktiert oder mit drịị Stï̦̆pfe̥llinen i n jelhem Eggen. Die «graadi und die tschä̆bi Scheita» des Lötschentalers kombinieren sich ihm zum «Hennu̦tritt mit Scheiten» , Die «gerade» allein zum «Wịịhelmääß» ; nennt sich «Scheita und zwee n Stï̦pf». Großer Wandlungen sind fähig das «Tachchli» mid Chrị̈ị̈z und Stu̦pf, das Schwärt oder die Schwerter. Die Bogenlinie ergibt einen «Wasserschrăgen» usw. Diese elementaren Übungen in Permutation und Variation gestatten namentlich die Symbolisierung vom väterlichen Haus abgezweigter neuer Familien. Das der Kanzel abgeguckte Bild der verrinnenden Zeit konnte auch vom Sohn als Glückbringer ins Haus geschafft werden, wenn er behufs weiterer Rechtsgültigkeit ihm einen Stu̦pf in den Unterteil beibrachte.

Aber auch inmitten der Initialen des Hausbrandes leisten Elemente von Hauszeichen oder ganze solche den Dienst absoluter Eindeutigkeit. Was kann HA nicht alles bedeuten! Gibt es doch der HAns und Heiri die Myriade! Aber unter ihnen bezeichnet den einzigen Hans Anneler, Stationsvorstand in Burglauenen. Denn dies sein Zeichen war lange vor der eidgenössischen Eigentumsgarantie gesetzlich geschützt, und «vor Nachahmung wird gawarnt». Selber ein Eigentum, ging das Eigentumszeichen (im Wallis samt dem Haus, dem Pfundwäägli und 547 der großen Kuhschelle) auf den jüngsten Sohn als Stammerben über und wurde beim Erlöschen des Mannsstamms versteigert. Der Neuerwerber trug zu dem ịị ng’choïften Heiligtum neuerdings Sorge. Er wußte warum. Wie oft mußte er zur Beurkundung eines Eigentums- oder Nutzungsrechtes feierlich d’s Hụszeihe n fï̦rha nähn! Und wie oft kam er vor Einführung der obligatorischen Schulpflicht in den Fall, statt der erst noch als echt zu bezeugenden drịị Chrị̈ị̈z sein Hauszeichen in aller Form Rechtens unter einen wichtigen Akt zu setzen!

So trägt z. B. ein Horbacher-Schuldbrief von 1787 das Zeichen als vollgültigen Stellvertreter der Namens­unterschrift. Es spiegelt sich hierin zugleich die alte patriarchalische Solidarität des Familienverbandes, rechtlich vertreten im Hausvater oder in gleicher Geltung durch ein anderes Farmilienglied. Zu solch weittragender Rechtsgültigkeit mußten aber die Hauszeichen auf der Landschreiberei (der jetzigen Amtsschreiberei) Interlaken in beglaubigtem Doppel deponiert sein, und die kleinste eigenmächtige Änderung an ihnen war straffällig. Heute ist die unbedingte Rechtskraft der Hauszeichen in Grindelwald erloschen.

Humane Kleinviehbesitzer brennen oder graben ihr Hauszeichen mit oder ohne Initialen nun auch auf hölzerne oder blecherne Täfelchen und bringen diese an ’em Bẹndli am Hals der dem Hirten übergebenen Schafe an. Das Wiedererkennen verunglückter Ziegen und Rinder würde durch derartige Zeichen auch an diesen Tieren sehr erleichtert. Gleichwohl unterläßt man an ihnen in Betracht ihrer auffälligen Individualität solche Kenntlichmachung und schützt mittelst ihrer eher etwa Lieblingskatzen vor Entwendung. Am nötigsten macht das Bänzen ụụsziehn ( S. 348) die Eigentumsbezeichnung mittelst der genannten Täfelchen oder Beiglen. («Die Beigla» hängt indirekt zusammen mit Bị́liee ( billet) und ist eigentlich dessen gutdeutsche Form. 67 ) Häufig indes werden bis zur Stunde solche Beigli, Tï̦̆tschle̥ni, Tëtzle̥ni (Klötzchen) ersetzt durch eigene Ohrzeihen, Vehzeihen, Tierzeihen. Solch 548 quälerische und mitunter auch arg entstellendes Zerschlitzen der Ohren mußte immerhin bereits als Ersatz gelten für das frühere Aufbrennen des Hausbrandes auf Wange oder Hörner der Schafe, Ziegen, Jungrinder. So kam es, daß die Vehzeihen ihre eigene offizielle Geltung neben den Hụszeihen erlangten, den Wert der Währschaft bekamen und in ganz besonderm Maße die Kunst der Kombination zahlreicher Einzelzeichen aus ganz wenigen Motiven hervorriefen. Aus den Motiven I und II unserer Tafel allein lassen sich 64 Zeichen zusammenstellen. Da wird z. B. im Lötschental das rechte Ohr «hau pthalb geschnu̦tzt» (auf der Kopfseite, d. i. nach vorn gestutzt), und es erhält «obenab und hau pthalb zwee n Leghi̦cken»; ans linke Ohr kommen «lịịbschhalb (auf der Rumpfseite, also nach hinten) der Viertel und hau pthalb ein Leghick». Den Ausdrücken entsprechen die grindelwaldnischen Hi̦cka: der grad Hick (senk- oder waagrecht zur Achse des Ohrs), und der schaar Hick (vgl. S. 255) oder Schaarhick: schräg geführter Einschnitt. Solches zeichnen (d. i. bezeichnen) 68 a’n Ohrnen erfordert ungemeine Aufmerksamkeit, damit der Operator nicht etwa z. B. durch falsche Einstellung zum Tier verzeichni. Für den Schäfer aber ist das richtige Behalten und Wiedererkennen — hiṇgään — dieser zahllosen feinen Unterscheidungen eine wahre Probe seiner Tĭ̦fĭ̦gĭ̦.

 
1  D 2.   2  E 2.   3   Jahn KB. 325; Wyß 631.   4   Wyß 436.   5   GL. 1, 396; vgl. Wyß 432; Jahn KB. 326.   6  E 4.   6a  Über Unspunnens «Geschichte» handeln besonders ausführlich: Band VIII des « Geschichts­forschers» (s. Quellenregister), und Jahns «Kanton Bern»; die schöne Sage von der Erbtochter Ita lese man in BOB. (s. d.). Den Namen selbst sucht Gatschet zu erklären, indem er an ein rätisches a(lla) spuonda denkt, was nach Maßgabe von lat. sponda etwa «im Ruhesitz» bedeuten könnte. So wenig einwandfrei diese hübsche Deutung ist, so hoch steht sie über der landläufigen Verlegenheits­auskunft, welche «Unspunnen» von «Uspunni» ( S. 477) herzuleiten sucht.   7   Tat. 6.   8  Ebd. 2. 177.   9  Berchtold II. († um 1296) erhielt als Gemahl der Lucardis von Wädischwyl (in heutiger Aussprache: Wätteschwiil) Teile von Unspunnen; vgl. Tat. 177.   10   Font. 1, 392; Tat. 3, 5, 174 ff.   11  G 2; vgl. Gschf. 8, 3.   12   Font. 1, 422, 471; 2, 283.   13  J 1; Font. 2, 176.   14   Tat. 2. 24.   15   Font. 2, 279. 283.   16  Nach Tat. 25 = 42,000 Franken unseres Geldwerts.   17   Font. 2, 351 f.; Tat. 26-38.   18   Font. 3, 144 ff.; Tat. 28 f.   19   F. 4, 326.   20   F. 5, 105.   21   F. 5, 429.   22   F. 5, 513.   23   F. 5, 572.   24   Reg. 62; Interlakner Dokumentenbuch 4, 200.   25   F. 6, 396.   26   F. 7, 104.   27   F. 7, 137.   28   Reg. 90.   29   Tat. 29.   30   Font. 5, 818. 820. 845.   31   F. 6, 1938-142; 163 f.   32   Reg. 64.   33   Font. 4, 109.   33a  W 1 (Chl).   34   Schöpf 1, 118 b; vgl. Unterwalden, unterweilen, underlauffen ( Lf. 117) u. dgl.   35  Man liebt dies als (freilich nur zu läppische) Entstellung aus «Hinderlachchen» zu deuten. Wyß u. a. denken an « inter lapides», was allerdings erst noch einer zutreffenden Deutung hart.   36   Font. 8, 574. 623.   37  So unterlag auch der mächtigen Klosterstiftung und dem jetzigen Amtsitz Fraubrunnen in Sache und Namen das alte dortige «Mülinen» (Kib.-Urb. 2 a, 15; Font. 2, 274), ohne doch im Volksmund völlig zu erlöschen.   38   Font. 5, 492.   39  C 3.   40   F. 7, 104 f.   41  Keusch, kiusche ( mhd. WB. 1, 823) ist «enthaltsam» in jeder Beziehung, namentlich rituell «rein» ( Kluge 194) und erinnert damit sachlich an jüdisches kôscher, kouscher (althebr. kaschér: sich geziemen).   42   Habsb. 1, 141 f.   43  Vgl. Muoth 1, 8.   44  Geiser Ldw. 8.   45   Gatschet 21.   46   Spruchbr.   47  Vgl. Gusset 49-51.   48   Ök. Q. 30, A 3.   49   Font. 8, 357.   50  Kunkel wie Spille (Spindel) symbolisieren die Weiblichkeit, wie das Schwert die Mannheit; vgl. Lf. 553.   51  S. « Habsb.» im Quellenregister.   52  F 3.   53  D 2.   54   Cronegg 1785.   55  Vgl. Kluge 240 und so auch Huldigung mit Huld und hold; ebenso «feudal» mit fides und foi, fidelis und fidèle.   56  Vgi. Dr. Mühlemann in Stat. 05, 2, 19.   57   «Polizei» noch im alten Sinn von «Gemeinwesen», durch römische Vermittlung herübergeerbt aus gr. politeia = Staat und dies aus polis = Stadt und Staat, insbesondere Freistaat. Drum Paul Gerhards Gebet: «Regier die Polizeien von deinem höchsten Thron». Die Verengerung des Begriffs «Staat» zum «Polizeistaat» erzeugte die heutige kleinliche Fassung des großen Worts.   58  Unterbernisch: f(r)ei esoo, fei e chlii.   59   Cronegg im GlM. 167.   60  D 1.   61   Font. 3, 145.   62   F. 7, 406.   63  A 2.   64  B 1.   65   Eivisch 34 f.; Homeyer, die Haus- und Hofmarken (Berlin, 1870). Für das Wallis: Goms 45 ff.; ferner von Stebler die Aufsätze in der Schweiz 1, 45-49; 461 bis 464; Lötsch 71. 81 ff. 95. Im Lötschental verhalf uns Herr Posthalter und Friedensrichter (Kastellan) Eduard Bellwald als vortrefflicher Führer auch zur Kopie der interessantesten dortigen Hauszeichen. Der nämliche Dank wie ihm gebührt der Lehrerschaft von Grindelwald für entgegenkommende Beihülfe für die hiesige Sammlung.   66  Vgl. die Milch-, Alp-, Sennhütten-, Heimkuh-, Schaf-, Bock-, Stuffelweid-, Legenen-, Schär-, Fahnen-, Nachtwächter-, Kaltkreuzgang- usw. -Teßlen als Zeugen übertrieben demokratischer Ämterverwaltung bei Stebler a. a. O. O.   67  Mhd. ( WB. 1, 49) bil und billig ist: gemäß, entsprechend; ebenso unbil oder unbillich: nicht gemäß. Aus bil entstanden biladi ( Graff 3, 97) und « bilida» ( Kluge 399): Bild. Wie mannolîch und «mäniglich» konstruierte man mannes bild, wîbes bild: alles was von der Art des Mannes, des Weibes ist; später sagte man «ein» oder «das» Mannsbild, Weibsbild (vgl. «Kamerad» und «Frauenzimmer») und entwertete letzteres Wort. («Laß nie des Weibes Bild zum Weibsbild werden». Nebelspalter.) Der Begriff des «Entsprechenden» aber wurde zu dem des «Gehörigen», des «Rechten», z. B. in «Weichbild»: Ausübung und Bereich der Gerichtsbarkeit eines Ortes (ahd. wîch = vicus, oikos). Altes bil erweiterte sich ferner zu engl. bill, zu fz. billet, zu süddentscher Beile (Kaufbeile), vgl. auch den «Ambeiler» ( schwz. Id. s/v). Wie ferner Meier in «Meiger», sîen in sigen (seien, sint) usw., findet auch «Beigla» in g seine Vokalstütze.   68  Nichts anderes bebeutet auch das zu «zeigen» und «zeihen» gehörende alte zeichanen, zeichenen.  
 

Kellertüre mit ausgesägten Verzierungen.


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