Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

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Drittes Kapitel

Offen, ehrbar und stark, wie sich Alethes in Wien betragen hatte, ging er seine Bahn fürder, an allen Punkten, wo er auf Yolandens verlockenden Wink Netze angeknüpft hatte, diese Fäden zerreißend, und sich als den ankündigend, der er jetzt wieder war. Er hatte schon Mondenlang so umhergeeilt, der Herbst begann bereits die Blätter zu gelben, als er folgenden Brief von Yolanden erhielt:

»Ich that, wie Du gebotest, Alethes, denn ich liebe Dich fast zu kindisch. Ueberbiete Dich aber dennoch nicht in Deinem Trotz, weil er eben so eigenwillig thorenhaft, als weichlich ist. Denn der, den ich so unwiderstehlich liebe, ist ja der weitberühmte, hochfliegende Graf von Lindenstein. Falls etwa ein Schäfer aus ihm würde, oder ein Molkenpächter, oder etwas dem Aehnliches, könnte sich doch meine Liebesgluth in Zornesgluth verwandeln, und Alles, was Dir so überlieb ist, zum Tode treffen; ja ich könnte wohl gar in wilder Verzweiflung das holde Bild, welches ich noch voll schmeichelnder Sehnsucht mit dem Namen Alethes grüße, zerschmettern. Alethes, zwinge mich dazu nicht. Noch erwarte ich Dich in hoffender Ergebung auf meinem Schloß, aber es flammt schon bisweilen sehr furchtbar in mir auf.«

»Yolande.«

Alethes fürchtete wenig oder nichts mehr für sich auf dieser Welt. Desto mehr aber lag ihm die gute Sache, der er sich auf so lange entfremdet hatte, am Herzen, und er wußte, was Yolande vermochte, und wozu sie in ihrem Ingrimm fähig war. Vollends aber wenn er an Emilien dachte, und an eine mögliche Gefahr für sie, bebte ihm das ganze Herz. Sein Geschäft des Auflösens und Abwendens war vollbracht. In rastloser Eile trat er den Heimweg an.

Weit voraus seinem Gefolge, ritt er endlich auf einem schon müde gespornten Postklepper einsam zur Nachtzeit ein Thal bergab, daß ihm trotz der tiefen Finsterniß in mannigfach bekannten Formen die Nähe von Yolandens Schloß verkündete. Die Vergangenheit in all' ihren reichen Freuden und Schmerzen und Verwirrungen trat gewaltig in seinen Sinn herein. Er gönnte dem müden Pferde das sachte Fortschleichen; einzle Thränen rollten ihm aus tiefwehmüthiger Seele über die Wangen.

Da flackerte zu seiner Linken ein rothes, wildes Licht über das Felsgestein herunter. Aufblickend erkannte er deutlich, es komme von der Burg der wahnsinnigen Alten; ein ungeheures Entsetzen kam über ihn; schon drückte er die Sporen seinem Gaul an, wie zur schnellsten Flucht, –

Aber eben der Gedanke: »Flucht!« ergriff beschämend seinen ritterlichen Muth. Daß ihm so etwas auch nur im Träumen ankommen sollte! Fest zog er die Zügel an, sprang ab, und band den Klepper an einen Baum. Dann schritt er eilig, das entsetzliche Grausen in sich bekämpfend, den Felsenpfad hinan, denn gut gemacht mußte ja so eine schlimme Regung vor ihm selbst wieder seyn. – »Die Furcht hat's so an der Art, sagte er in sich selbst hinein, daß sie sich fortmacht, wo rechte Leute ihr entgegen ringen;« und immer stärker und freier und ruhiger schlug ihm, je näher er der schauerlichen Burg kam, sein Herz.

Jetzt stand er an der Zugbrücke. Hinüberzuschreiten hielt er für unnöthig, aber indem er sich umwandte, schlug das verwilderte Singen der tollen Alten an sein Ohr, und das Grauen, welches von neuem in ihm aufwallte, faßte, wie strafend und herausfordernd, sein ritterliches Herz. Abermals ging er entschlossenen Muthes den unheimlichen Erscheinungen der Veste entgegen.

Am Thore war es stumm und still. Von der Seite indessen, wohin er ehemals mit Yolanden geschritten war, hallte der tolle Sang immer vernehmlicher, und kam ein Leuchten, wie von einer hochgeschwungnen, rothsprühenden Fackel, heran. Alethes wandte seine Tritte eilig und besonnen dorthin. Schon stand er an dem aus der Mauer aufgeschoßnen Lindenbaum. Da sang die tolle Alte ganz dicht über ihm:

»Der Reihen,
Der Reihen,
Der tanzte sich sonst gar einsamlich!
War hier,
War hier
Manch häßlicher Spuk, manch furchtsam Thier,
Und sonst nur ich und immer wieder ich;
Nun tanz' ich aber nicht so allein,
Mit tanzt mein flammendes Töchterlein; –
Zu Zweien,
Zu Zweien,
Tanzt sich der gräßliche Reihen!«

Und, wehe! der Alten nach schritt, die Fackel schwingend, hoch und furchtbar ihr wildes Gelock umherfliegend, wie in verhexter Gräuelschönheit eine nur allzu wohl bekannte Gestalt. – »Eumenide!« rief der entsetzte Alethes aus, nach jener Erscheinung im Park zu Fontainebleau wie mit Flammenseilen zurückgerissen. Aber nicht fiel wie damals die gräßliche Verkappung von einem Engelsangesichte ab; vielmehr wildlachend sah ein verzerrtes Antlitz in den blendenden Fackelkreis hinein, und sang:

»Die Eumenide wandelt,
Die Eumenide singt,
Und hu! das Menschlein handelt,
Und hu! sein Mordschwerdt klingt.
Und handelt es nicht, und klingt es nicht,
Da kommt das Eumenidengericht. –«

Sie hielt inne, dann bog sie sich weit über die Mauerzinnen, und flüsterte hohl und dumpf: »Hüt' Dich, Graf Lindenstein, hüte Dich; denn ein- für allemal bist Du ja doch der Eumenide angetraut.« – Dann sprang sie mit gellendem Gelächter hinter der Alten her, und verschwand in's Dunkel der Nacht. Alethes aber konnte nicht länger zweifeln: dieser wahnsinnige Spuk war wirklich und in der That Yolande. Voll grausiger Gedanken, aber doch das einzig Wahre und Rechte ganz unzerstörbar im Herzen fühlend, eilte er seines Weges fort.


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