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Hendelin

Lieber, hochzuverehrender Freund!

Sie baten mich, Sie über die Ereignisse in unserer Stadt unterrichtet zu halten, und so darf ich Ihnen heute eine Geschichte erzählen, die sich bei uns zugetragen; bei der regen Neugier, welche Sie den Vorgängen des menschlichen und vor allem des weiblichen Herzens entgegenbringen, werden Sie sie nicht ohne Anteilnahme hören.

Sie kannten den kleinen Paul Hendelin, den wir den Abbé nannten, weil er sich immer schwarz trug, boutonné partout, und gerne über erbauliche Sujets sprach, besonders mit den Damen. Wenn man ihn bei seinem langen, an Sommersprossen reichen Gesicht, keineswegs hübsch nennen konnte, so war er doch nicht ohne Geist, im übrigen leidenschaftlich und unentschlossen. Sie wissen wohl auch, daß er Frau von Rhön anbetete, gleich vielen anderen Männern. Niemand kennt das Geheimnis dieser schönen und unglücklichen Frau; niemand begreift, weshalb sie ihrem wenig angenehmen Gatten, mit dem man sie verheiratet hat, eine so zweifellose Treue wahrt, daß trotz allen Huldigungen, die sie umgeben, sich auch nie der leiseste Verdacht an ihren Namen gewagt hat. Vielleicht hegt sie eine geheime unglückliche Neigung in ihrem Herzen für einen Unbekannten; denn von kühlem Temperament kann sie bei diesen großen Augen und dieser Pracht der Glieder unmöglich sein. Sie ist übrigens gut bewacht durch die Eifersucht ihrer vielen Anbeter. Herr von Kettler würde genügen; Sie wissen, wie reizbar und jähzornig dieser sonderbare Mensch ist, und daß er eine verfluchte Klinge führt. Und Hendelin war, naiv und zerstreut, ganz geeignet, den andern Anlaß zu geben. Auch Rhön, so wenig er sich im allgemeinen um seine Frau kümmert, und wenn er überhaupt anwesend ist, nur dasitzt, mit seinem scharfen, spitznäsigen Gesicht und dem dünnen Lächeln auf den Lippen und hie und da eine trockene Bemerkung macht, auch er könnte unangenehm werden.

Dieses Verhältnis war natürlich für Hendelin, sobald der erste Rausch der Bekanntschaft mit der schönen Frau und das Glück des Bewußtwerdens seiner Liebe vorüber war, alles andre als befriedigend. Ich weiß nicht, wer, ich glaube, Obereit, um ihm Abwechslung zu schaffen, hatte ihn hinter die Kulissen unseres Theaters geführt, an dem, wie Sie sich erinnern werden, einige sehr artige Aktricen beschäftigt und recht gute Aufführungen zu sehen sind. Hier schloß er sich der Demoiselle Roca an, einer sehr schönen Person mit einer guten Figur und der sonoresten Stimme, und die wieder ihrerseits unter den Schauspielerinnen sich eines tadellosen Rufes erfreut. Sie ist übrigens ein Bürgerkind, von ehrbaren, wenn auch kleinen Leuten kommend; ihr Vater ist der Akzise-Einnehmer Schneider in Braunschweig. Die beiden schlössen eine Freundschaft miteinander; sie machten gemeinsame Spaziergänge in der Umgebung, er kam oft des Abends zu ihr, wenn sie nicht auf der Bühne beschäftigt war, oder selbst nach dem Theater, ohne daß darüber sonderlich geredet worden wäre. Sie lächeln? Sie wundern sich? Madame Leclerc, die alte französische Tanzlehrerin, – Sie sehen sie sicherlich noch vor sich mit der grauen Perücke von Hängelocken und den immer jungen, lebhaften Augen, – nun Madame Leclerc sagte: »Monsieur Hendelin ist eben Soupirant von Beruf!«

Da um diese Zeit Frau von Rhön unsere Stadt verließ, um den Sommer und Herbst auf dem Gute ihrer Frau Mutter zu verbringen, so war Hendelins Zustand weniger befriedigend denn je. Besonders da ihm auch eine andere Gefahr drohte: ein Oheim in der Provinz, von dem er abhängig ist, verlangte durchaus, daß er ein junges Mädchen aus seiner Nachbarschaft heirate, die, wie Hendelin versicherte, sehr weiß, mit vielen Sommersprossen, ungebildet und langweilig wäre, aber einen vermögenden Gutsbesitzer zum Vater hätte. Die Frucht solch einer Verbindung müßten ja wahre Leoparden sein!

So war denn jene Freundschaft sein einziges Labsal. Er klagte der mitfühlenden Freundin sein Leid, wobei ich jedoch bemerken muß, daß er zu ihr nie über Frau von Rhön gesprochen, so daß sie von seiner tiefen Neigung für diese Dame nur durch die Indiskretionen anderer Leute gehört hatte. Er redete wohl viel mit ihr über die Liebe im allgemeinen, während Louise Roca über die Treulosigkeit und den Unwert der Männer sprach; er kannte ihre Geschichte, die sie nicht verbarg: sie war verlobt gewesen, und ihr Bräutigam, ein reicher Kaufmannssohn, hatte sie verlassen, als sie zum Theater ging. So waren er und die Roca fast täglich zusammen, und wie es nun kommt, da sie eines Abends als Palmire ungewöhnlich rührend gestorben war, und er sie sehr ergriffen nach Hause begleitete und sie dann, nachdem sie sich flüchtig umgekleidet, über einer Weingeistflamme ein paar Eier weichkochen sah, da glaubte er blind gewesen und an einem Herzenstrost vorübergegangen zu sein. Als sie einander gegenüber saßen, war er erst sehr schweigsam und sah sie mit seinen großen, ein wenig vortretenden Augen lange an, bis er plötzlich sagte: »Louise, ich liebe Sie!«

Sie sah ihn nun ihrerseits betroffen an und erwiderte nach einigem Nachdenken: »Nein, Hendelin, Sie sind im Irrtum, Sie lieben mich nicht. Daß ich gut aussehe, weiß ich; und Sie sind unglücklich und fühlen Sympathie mit meinem Unglück; aber das genügt mir nicht.« Nach dieser Antwort suchte er sie mit Gründen von seiner Liebe zu überzeugen; aber sie müssen wohl schwächlich gewesen sein; jedenfalls verfehlten sie ihr Ziel; und, wie es nun seine Art war, fand er den Abgang nicht, sondern blieb und verzehrte die Eier mit ihr und das kalte Hühnchen, das sie serviert hatte, und sprach gegen Herrn von Voltaire, in dessen Stück sie eben geglänzt und das seinen Zauber wieder verloren hatte. Dann ging er allerdings mit unbehaglichen Empfindungen nach Hause.

Wenn Sie nun glauben, es wäre alles aus gewesen, so irren Sie sehr. Die beiden kamen ganz so häufig wie vordem zusammen, und die Roca behandelte ihn freundlicher als je; denn ein Frauenzimmer wird einem Manne, der ihr einen Antrag gemacht, auch wenn sie ihn nicht erhören will, immer irgendwie gut sein, weil er ihr gezeigt hat, daß er ihren Wert zu schätzen weiß.

So vergingen der Sommer und der frühe Herbst. Hendelin arbeitete an einem biblischen Drama »Jakobs Werbung«, zu dem ihn die lange Wartezeit, in der der Erzvater sich vergeblich sehnen mußte, angeregt haben mochte, und er las die Szenen seiner theatererfahrenen Freundin vor. Mit den Nebeln des Spätherbstes kam Frau von Rhön zurück. Sie war gleichfalls verändert und lebte nunmehr ganz für die Musik, und zwar für geistliche Musik. Das Rhönsche Haus ist ein ehemaliges Klostergebäude, es war eine Expositur der Serviten, und in die noch bestehende Kapelle ist eine alte Orgel eingebaut. Dort saß die schöne blonde Frau mit dem Kantor Rühl von der Apostelkirche, der in der Tat ein vortrefflicher Musikus ist und die Orgel neu gestimmt hatte, und übte mit ihm Choräle und andre fromme Stücke ein. Hier war auch Hendelin in seinem Element; er verschaffte ihr aus der herzoglichen Bibliothek alte Texte und Noten und nahm an diesen erbaulichen Exerzitien eifrig teil. Sie wissen: »quoiqu'on dise, l'amour, c'est l'espérance.« Woran der fromme Hendelin nun immer denken mochte, er hatte wieder entdeckt, daß Frau von Rhön die herrlichste aller Frauen war, und die freundliche lächelnde Miene, die an Stelle der traurigen Gleichgültigkeit im Antlitz seiner Dame getreten war, erwärmte ihm das Herz und erweckte unbestimmte Hoffnungen darin.

Und da er alles, äußerlich wie innerlich, sein säuberlich geordnet und klar liebte, und so wie sein Zimmer, seine Schränke und seine Kleidung, auch seine Gefühle in unzweifelhafter Ordnung hielt, so glaubte er es nötig, etwas ins reine zu bringen, was ungeklärt ihn bedrückte, und eines Tages, da er mit der Roca plauderte, während sie eine Rolle, die sie neu zu lernen hatte, unterstrich und zurechtlegte, begann er unvermittelt: »Übrigens, liebe Freundin, muß ich Ihnen etwas sagen, nämlich, wie sehr recht Sie im vergangenen Frühling hatten ...« – »Inwiefern?« fragte sie zerstreut, »worin war ich im Recht?« – »Daß ich Sie nur zu lieben glaubte, als ich es Ihnen sagte. Heute weiß ich, daß Sie vollkommen im Recht waren und ich mich über meine Gefühle täuschte.« Die Roca machte große Augen. »Hm. So. Darin?« versetzte sie und wurde sehr nachdenklich. Eine Weile sprach sie nichts; zuletzt sagte sie: »Ja, gewiß«, und schwieg wieder.

Von da ab war sie einsilbiger gegen ihn; es kam vor, daß sie unmutige Antworten gab, und sogar, daß sie ihn nicht vorließ, weil sie eine Rolle lernen müßte oder beim Anziehen sei oder Kopfschmerzen hätte und ausruhen müßte. Ihm aber, der ganz von den Musikabenden im Rhönschen Hause erfüllt war, fiel das nicht weiter auf. Bis eines Tags, da sie zu mehreren beisammen waren und sie gerade eine neue Rolle, die der Miß Sara Sampson in dem Stück des Herrn Lessing, des Wolfenbütteler Bibliothekars, übernehmen sollte, Hendelin ihr auseinandersetzte, daß diese Rolle, die eine schmachtende sei, ihrem Talent und ihrer Erscheinung nicht liege. Sie wurde unruhig und er geriet in Eifer. Die andern hörten nur halb auf ihr Gespräch, bis sie die Roca heftig sagen hörten: »Sie sind nicht mein Freund und Sie meinen es nicht ehrlich und haben keine Achtung vor mir, und ich bitte Sie, mein Haus zu verlassen und es nicht wieder zu betreten.« Sie mögen sich die Betroffenheit unseres Hendelin vorstellen, der sich nur der besten Absichten bewußt war. »Mademoiselle,« sagte er und legte die Hand aufs Herz, »Sie verkennen Ihren besten Freund!« Aber mit funkelnden Augen erwiderte sie nur: »Bitte, gehen Sie und setzen Sie den Fuß nicht wieder über meine Schwelle!«, worauf Hendelin, blutrot, da ihm nichts anderes übrig blieb, sich vor der Gesellschaft verbeugte und ging. Die Anwesenden waren sehr verlegen und suchten die Rede auf andre Gegenstände zu bringen, aber da die Schauspielerin sehr mißmutig war und auf nichts recht eingehen wollte, so entfernten sie sich gleichfalls bei erster Gelegenheit.

Es erwies sich übrigens, daß Hendelin recht gehabt; denn die Sara Sampson war kein Erfolg. Wunderlicherweise ward die Roca ihm nun erst recht gram und behauptete, er habe ihr durch seine unangebrachten Bemerkungen die schöne Sicherheit geraubt, so daß sie nun die Melancholie der Rolle übertrieben hätte, wie denn auf dem Theater an einem Mißerfolg immer jemand anderer die Schuld trägt.

Hendelin aber war damals von ihr geradewegs ins Kloster geeilt, wie das Rhönsche Haus oft genannt wurde, und war mit freundlichem Vorwurf, daß er so spät komme, empfangen worden, und in seiner Freude über diese Abende hatte er alles andre sehr bald vergessen.

War man früher bei Tee und kleinen Kuchen im Rhönschen Hause zusammengekommen – denn Sie wissen, Rhön ist karg und gibt seiner Frau, obwohl es ihr Eigen ist, nur wenig Geld, das Haus zu führen, – soviel Geduld, um schweigend dazusitzen und immer wieder nur Musik und noch dazu ernste fromme Musik zu hören, hatten ihre andern Freunde nicht, und ihr Unwille richtete sich gegen Hendelin, der diese Geduld hatte. Herr von Kettler war anfangs in jeder Pause aufgestanden, mit Schnauben und »Hms« und »Ahs«, und hatte, in der Hoffnung, daß der musikalische Teil nun vorüber sei, zu konversieren versucht. Da aber nur von Motetten und Kantaten gesprochen wurde und der Kantor sich aufs neue an die Orgel setzte, war er gegangen. Und es half ihm nicht, wenn er noch so spät kam: der unvermeidliche Hendelin saß da, und nur von Musik oder Poesie war die Rede.

Sie kennen Christian von Kettler: auch er ist ein einsamer Mensch, der viele Enttäuschungen hinter sich hatte, und die Abendgespräche mit Frau von Rhön waren ihm ein Labsal gewesen, wie denn überhaupt in diesem verwunschenen Schloß, das einst ein Kloster war, eine Anzahl enttäuschter Männer sich um eine enttäuschte Frau zusammenfanden. Jetzt saß er einsam und verärgert im Lamm; manchmal nur setzte er sich mit andern an den Tisch. Dabei kam einmal auf Hendelin die Rede, und Obereit, der jedem gefällig war, aber auch alles weitertrug und sich hinter dem Rücken eines jeden über ihn erlustigte, hatte erzählt und vermutlich mit einigem Salz, welche Disgrâce Hendelin bei der schönen Roca begegnet war. Kettler spottete in seiner galligen Art; im Grunde hielt auch er Hendelin für harmlos, und eben das nahm ihn noch mehr gegen ihn ein. Er und Hans von Rhön kannten sich von Jugend auf und waren gute Freunde; er hatte auch Elisabeth von Treysa schon als Mädchen gekannt, ehe sie Rhön geheiratet hatte; sie alle kannten sich und auch die andern Herren und Damen, die gelegentlich ins Rhönsche Haus kamen, seit langem; nur Hendelin war neu hinzugekommen und störte sie, um so mehr, als er in seiner Naivität nicht verbergen konnte, was er begehrte, während er selbst seine Leidenschaft aufs tiefste geheimzuhalten glaubte.

Zu dieser Zeit wurde im Theater »Die rote Maske« des Lagrange aufgeführt, ein Stück, in dem ein eifersüchtiger Ehemann seine tugendhafte, von vielen Anbetern umgebene Frau zu Unrecht verdächtigt. Insbesondere ein junger Mann, der auf einem Fest in einer roten Maske erscheint, und der mehreren Frauen nachstellt, bringt ihren Ruf in Gefahr, bis der doppelzüngige Verführer zuletzt entlarvt wird. Der junge Lucidor gab diese Rolle. Frau von Rhön saß in ihrer Loge und klatschte der Roca, die die Heldin gab, vielen Beifall. Sie bemerken, daß die Roca in dem Stück in der Rolle auftrat, die Frau von Rhön mit einigen Unterschieden im Leben spielte. Andere mochten dies auch bemerkt haben. Es war das Benefice des Herrn Delbing, der den Gatten dargestellt hatte. Nachher fand eine Reunion im Lamm statt, und war es Ungeschick, war es Bosheit im Arrangement, als die Roca, die etwas länger Zeit gebraucht hatte, sich abzuschminken und umzukleiden, ihren Platz einnehmen wollte, fand sie ihn neben dem Hendelins, der bereits in eifrigem Gespräch mit seiner Nachbarin saß. Ziemlich laut erklärte sie, daß sie nicht neben ihm sitzen wolle. Eine kleine Unruhe entstand; Hendelin, höflich wie immer, war sofort bereit, seinen Platz zu tauschen, aber andere legten sich ins Mittel, Delbing und Obereit beruhigten die Schauspielerin, die jedoch während der Mahlzeit Hendelin geflissentlich den Rücken zukehrte. Durch den Vorfall war eine gewisse Aufmerksamkeit und Spannung entstanden, bis man genug Wein getrunken hatte und die Gesellschaft laut wurde. Als man sich von der Tafel erhob, die Gruppen und Pärchen in Sophaecken und Fensternischen sich unterhielten, und die kleine Asmus, auf einem Tisch sitzend, zur Laute sang und ihren hübschen Fuß zeigte, ging unser Hendelin, der immer Klarheit suchte, nachdem er eine Weile überlegt, auf die Roca zu mit den Worten: »Sagen Sie mir endlich, meine Freundin, was haben Sie gegen mich? Ich bin mir keiner Schuld bewußt.« Da nahm die Roca flammenden Blicks ein Messer vom Tisch und sagte: »Dies würde ich Ihnen am liebsten ins Herz stoßen!« »St! st!« riefen die andern, die das Lied hören wollten; die Erregten kehrten sich nicht daran. Hendelin war so betroffen, daß ein verlegenes, aber höhnisch scheinendes Lächeln in seine Züge trat, worüber die Schauspielerin noch mehr erzürnt hinzufügte: »Wenn Sie ein Mann wären!« und ihm abermals den Rücken wendet«. »Das wäre nun schlimm, wenn sie ein Mann wäre,« sagte Obereit, der neben der Roca stand, zu Hendelin und dann, zu ihr gewendet: »Aber sagen Sie doch, liebe, vortreffliche Demoiselle, was der arme Hendelin verbrochen hat, daß Sie ihm so unerbittlich zürnen?« Da wurden auch die andern neugierig und näherten sich, gerade als die kleine Asmus ihre Arie aus dem Stück wiederholte:

»Ich dachte, Verräter, dein Herz gehört mir!«

»Wenn er der Verräter in der roten Maske wäre,« fuhr Obereit lächelnd fort, »Sie könnten ihm nicht böser sein.«

»Und der bin doch ich!« rief Lucidor.

»Du hast meine Unschuld verlockt und betrogen!« sang die Asmus; da aber niemand mehr auf sie hörte, glitt sie beleidigt vom Tisch herab, warf ihre Laute aufs Sopha und schmollte. Die Roca sah finster; dann brach sie in Tränen aus. Delbing und seine Frau geleiteten sie aus dem Saal, damit sie sich beruhigen und erholen sollte. Hendelin, den nun alle sonderbar ansahen, glaubte am besten zu tun, wenn er die Gesellschaft gleichfalls verließ. Auch Obereit riet ihm, zu gehen. Im Vorsaal stand die Roca vor dem Spiegel und puderte das vom Weinen gerötete Gesicht. Mit einer tiefen Verbeugung, die sie nur im Spiegel sehen konnte und unbeachtet ließ, schritt er vorüber und ging über den beschneiten Marktplatz und durch die nächtlichen Gassen nach Hause, nicht wenig verstört durch das, was ihm widerfahren war.

Sie mögen denken, was über den Vorfall und die Ursache gemutmaßt und erzählt wurde. Herr von Kettler hörte die Sache beim Friseur Kiesewetter, als er sich den Zopf flechten und pudern ließ. Das Fest war weiter gegangen und ziemlich ausgeartet; die kleine Asmus hatte zuviel Wein getrunken und war auf dem Wege nach Hause in einem nicht sehr schönen Zustand, als die Nachtwache kam, von ihrem trunkenen Kavalier verlassen worden. Man sprach von den unglaublichsten, den schamlosesten Dingen, und all dies, wobei er gar nicht gewesen, kam mit auf Hendelins Rechnung. Den man für harmlos gehalten, war in den Ruf eines Wüstlings gekommen. Herr von Kettler sprach kein Wort, dachte sich jedoch um so mehr.

Als er aus Kiesewetters Laden trat und sein Hund, der indessen draußen gewartet hatte, ein bissiger schwarzer Pudel, an ihm hochsprang, kam gerade Herr von Rhön mit seinen mageren Pferden auf seinem Jagdwagen, in dem er nie zur Jagd fuhr, vorüber. Niemand wußte genau, was die vielen Gänge und Fahrten Herrn von Rhöns bedeuteten; seine Geschäfte waren so geheimnisvoll wie sein eheliches Leben und die Tugend seiner Frau. Bald war er bei seinem Anwalt, bald beim Notar oder bei seinem Bankier, bald bei einem Kaufmann. Dazwischen suchte er die Pfarrer und Prediger auf und saß, dürr, in seinem abgetragenen Anzug da und erörterte Bibelstellen mit ihnen. Einige behaupteten, daß er Geld auf Zinsen lieh und Güter aufkaufte. Jedenfalls waren der Fuchspelz und die Mütze, die er trug, schäbiger als der Bibermantel Herrn von Kettlers, der sich weder einen Wagen noch einen Diener halten konnte und dem ein halbwüchsiger Junge die Kammer aufräumte und die Stiefel putzte.

Rhön ließ den Wagen halten, Herr von Kettler stieg auf, der Pudel lief nebenher. Sie fuhren durch die Rosmaringasse, in der Hendelin wohnte, dem Stadttor zu.

Hendelin trat eben aus dem Hause und grüßte. Rhön dankte flüchtig, während Herr von Kettler »Guten Morgen!« in so lautem und grobem Tone rief, daß es wie eine Beleidigung klang.

»Was scheint dir von dem Burschen?« fragte Kettler.

»Nichts,« erwiderte Rhön, und sie schwiegen wieder, während Kettler, sobald sie durch das Stadttor gekommen waren, sich seine Pfeife stopfte.

»Wenn er etwas will, kann er es haben!« sagte Kettler nach einer Weile. Rhön erwiderte nichts.

Beim Mühlenwirt, bei dem er einen Schoppen zu nehmen pflegte, stieg Kettler ab.

»Deine Frau ist sehr nachsichtig«, sagte er zu Rhön, der im Wagen saß, während der Kutscher etwas am Riemenzeug der Pferde richtete.

Rhön sah ihn schief an. »Elisabeth war immer eine Träumerin«, sagte er.

»Hm!« machte Kettler, »Schlafe nur du nicht!«

Rhön schlug eine Lache auf. Der Kutscher stieg wieder auf den Bock und nahm die Zügel auf, der Wagen fuhr unter den laublosen Kastanien davon.

Nicht Hendelin, aber Frau von Rhön fiel es auf, daß an einem der nächsten Abende, als Hendelin im Gespräch bei ihr saß, – der Kantor hatte sich entschuldigen lassen, weil er beim Abendgottesdienst in der Dorotheenkirche beschäftigt war, – die Türe sich öffnete und ihr Mann plötzlich eintrat und beide betrachtete. Nach einer Weile verschwand er wieder.

Sie wissen, daß die Fenster des Rhönschen Hauses auf den Wildgraben gehen und der Eingang in einer engen düstern Seitengasse liegt. Am folgenden Abend sprach Herr von Kettler wieder vor, und der Diener sagte ihm, die gnädige Frau empfange nicht. Im trüben Licht der Laterne hatte er zwischen den beiden Säulen, die das Treppenhaus abschlössen, Hendelin hinaufgehen sehen, und gleich darauf hatte das Orgelspiel, das vorher in der Winterstille deutlich zu hören gewesen war, ausgesetzt. Diesmal ging Kettler in der beschneiten Gasse vor dem Hause auf und ab und wartete. Von Zeit zu Zeit pfiff er dem Pudel, dem dies kalt und langweilig vorkommen mochte und der davonsprang, um auch ihn zum Weitergehen zu veranlassen, oder sich in den Schnee setzte und jaulte.

Schließlich mußte es auch seinem Herrn zu kalt werden; er schritt, fester in seinen Mantel gehüllt, davon; da stieß er auf Herrn von Rhön, der eben, von seinem Bedienten mit einer Laterne geleitet, nach Hause kam. Da es die Zeit war, in der die Leute sich nach dem Lamm begaben, sah man die beiden Herren auf und ab gehen und miteinander reden. Sie gingen über den ganzen Wildgraben durch die Marktgasse und wieder zurück, und wenn Herr von Kettler mehr als seine magere Pension besessen hätte, so hätte niemand bezweifelt, daß die beiden ein Geschäft miteinander vorhatten. Einige Zeit später kam Herr von Kettler selbst ins Lamm, wo er zur Nacht speiste und noch lange saß und mit seinem Hunde spielte oder Bekannten zutrank.

Um Mitternacht ging er nach der Rosmaringasse, aber alle Fenster, auch die Hendelins, waren dunkel. Alles lag in nächtlichem Schweigen, nur der lange Mann, den Dreispitz auf dem Kopf und den Degen unter dem Pelzmantel, stand allein im Mondlicht zwischen den alten Häusern und sah empor, während der schwarze Hund mit seinem schnellen Schatten über den Schnee lief oder an den Ecken schnüffelte.

Oben aber lag Hendelin, der von dem Wächter unten nichts ahnte, schlaflos und fieberisch in den Kissen. An diesem Abend hatte er mit Frau von Rhön, wie vordem mit der Roca, von seiner frommen Dichtung und von aller geistlichen Musik abschweifend, von der Liebe gesprochen, was man ihm nicht verübeln dürste, da von der Liebe reden, zu allen Zeiten ein erprobter Weg zu ihr selber gewesen ist.

Was dann vorgegangen, weiß man nicht genau; er hatte mit Rührung und Begeisterung geredet, und die Dame mag etwa erwidert haben, ›solches lögen die Dichter, solches träume man in der Jugend: in der Welt sei es nicht so‹; denn ihre traurige Geschichte hatte sie mit Mißtrauen und Kälte erfüllt. Hendelin aber hatte verlangt, daß sie an die Liebe glaube, und während über dem Kamin das Bild eines alten Priors aus der Klosterzeit streng auf ihn herabsah, ihr bebend gesagt, daß sie die Liebe vor sich sähe, daß er sein Leben für ihr Glück lassen würde, und dergleichen mehr. Und mochte seine Leidenschaft Eindruck auf sie gemacht haben: als er ihre Hand mit Küssen bedeckte, entzog sie sie ihm nicht unfreundlich.

Ich bitte Sie, mich nicht mißzuverstehen, mein Freund. Ich sage kein Wort gegen Frau von Rhön, deren Tugend unzweifelhaft ist. Sie mag ihn auf die Bahn der Freundschaft verwiesen haben. Ich möchte schwören, sie hat dies getan. Sie sah ihn öfters an, als messe und wäge sie ihn. Es kann ja, wie ich zu Anfang schrieb, kein Zweifel sein, daß diese schöne Frau ein Bild in ihrer Erinnerung trägt, von dem er sie, und mochte es ein Trugbild sein, mit seinen Worten nicht lösen, das er nicht durch seine Liebesgewalt ersetzen konnte. Jedenfalls nicht an diesem Tag; vielleicht hätte er es nie gekonnt. Ich lasse es dahingestellt. Sie hat über diese Vorgänge nur mit einer einzigen Person gesprochen. Als er ihre Hand wieder ergreifen wollte und dabei ihre Knie berührte, rückte sie zurück, der Berührung ausweichend ... Jedenfalls stürzte Hendelin zuletzt, einem Wahnsinnigen gleich, davon.

Sicher ist, daß, als der Bediente eintrat, das Teeservice und die Kuchen abräumte und die Stühle zurechtstellte, Frau von Rhön, um ihre Bewegung nicht merken zu lassen, den Salon verließ. Sie schritt allein durch die stillen Zimmer, die nur das Mondlicht und der weiße Schein der Winternacht von draußen erleuchtete, und stand sinnend am Fenster, als ihr Gatte eintrat. »Wie, Sie haben kein Licht?« fragte er und rief dem Bedienten, daß er die Kerzen, die im Salon noch brannten, herüberbrächte. »Denn dort brennen sie umsonst,« sagte er, »und das Wachs ist teuer.«

»Elisabeth,« bemerkte er dann, »ich ersuche Sie, diesen Herrn Hendelin nicht mehr zu empfangen!«

Die Dame zog die Brauen hoch. Sie führte seit langem ihr eigenes Leben und war nicht gewohnt, Gebote und Verbote anzunehmen. Sie war noch erregt von dem, was soeben vorgefallen war, und als ihr Mann zu erzählen begann, wurde sie abwechselnd rot und bleich. Hendelin erschien ihr um so doppelzüngiger, als sie begonnen hatte, sich für die schöne junge Schauspielerin zu interessieren, deren Tugend ebenso gerühmt wurde, wie ihre Kunst. Er schien durchaus die Rolle des verräterischen Liebhabers in der roten Maske zu spielen.

Sie wissen, wie tugendhaft man in unserer Stadt ist. Vielleicht wäre man gegen einen andern milder gewesen, aber Hendelin erschien ein Tartuffe, von dem sich alle genarrt fühlten. Ich habe noch weit später einen ehrlichen Mann erzählen hören, daß er die Roca verführt und in die Hoffnung gebracht und ein anderes armes Mädchen mit einem Kinde sitzen lassen. Sein Oheim schrieb Briefe an den Stadtpfarrer, um den Dingen auf den Grund zu kommen, wobei sich denn die völlige Grundlosigkeit der Gerüchte herausstellte, und Hendelins alte Mutter, die selbst eine Predigerswitwe war, sich wenigstens darüber beruhigen konnte. Aber das war viel später.

Den ganzen nächsten Tag war Hendelin in großer Erregung durch die winterlichen Wälder und Hügel um die Stadt gestreift und hatte sich zuletzt im Zwielicht so verirrt, daß er beinahe nicht mehr durch das Stadttor gekommen wäre. Als er dann noch seinen Besuch machen wollte und in bebenden Hoffnungen nach langem unschlüssigem Zaudern auf der Straße ans Tor pochte, wurde er nicht vorgelassen und ihm gesagt, daß Frau von Rhön für ihn nicht mehr zu Hause sein werde.

Sie mögen sich seine Bestürzung vorstellen. Er konnte die Ursache nur in seiner unbedachten Erklärung sehen. Er schrieb. Auf den ersten Brief kam keine Antwort, den zweiten erhielt er uneröffnet zurück.

Es ist in unserer kleinen Stadt nicht möglich, jemanden auf die Dauer zu vermeiden. Aber als Hendelin endlich am vierten oder fünften Tage Frau von Rhön auf der Straße begegnete, da war sie von ihrer Kammerfrau und von einem Bedienten begleitet; zudem wendete sie ihm, als sie ihn erblickte, den Rücken, genau wie es die Roca getan hatte. Da im gleichen Augenblick auch der Kantor mit seiner Frau die Straße herabkam, sprach Frau von Rhön beide sehr liebenswürdig an, und Hendelin blieb nichts übrig, als sich mit vernichteter Seele zurückzuziehen.

Zwei Abende später wurde im Theater »Die rote Maske« wiederholt; das Stück hatte sehr gefallen, und das Theater war bis auf den letzten Platz gefüllt. Frau von Rhön saß in ihrer Loge. Selbst Herr von Kettler, der sonst nur Schwanke zu besuchen pflegte, war anwesend. Im Zwischenakt erschien er bei Frau von Rhön, die ihn mit freundlichem Lächeln begrüßte und zum Sitzen einlud. Rhön geht, wie Sie wissen, nie in ein Theater. Hendelin wurde zunächst nicht gesehen; er hatte sich als Habitué einen Platz im Dunkel eines Pfeilers ausgesucht, von dem er möglichst unbemerkt zu Frau von Rhön hinaufstarren konnte.

Von Anfang an fiel bei dieser Vorstellung auf, daß die Roca Frau von Rhön merkwürdig glich, der sie im Leben sonst nicht so ähnlich sah, besonders als sie im dritten Akt in einer silbergrauen Robe auf der Bühne erschien, wie Frau von Rhön sie in ihrer Loge trug. Bei dem Takt der Demoiselle Roca war eine bewußte Absicht kaum anzunehmen. Auch glich Delbings stattliche Testalt der dürren Herrn von Rhöns in keiner Weise. Dagegen hob Lucidor, was bei der Roca halb unbewußt sein mochte, dadurch ins Licht, daß er sichtlich als Hendelin auftrat, dessen schwarze Kleidung, dessen Züge, Bewegungen und Unschuldsmiene er nachahmte, während er, sobald er mit der roten Maske auftrat, zu einem wahren Teufel wurde.

Obwohl nur die wenigen Wissenden das Spiegelbild der Vorgänge völlig erkannten, so mußten doch alle Lucidors Absicht erkennen, und eine lebhafte Bewegung von Heiterkeit und Entrüstung ging durch die Zuschauer, eine Spannung, die die des ersten Abends weit übertraf. Als der Verführer zuletzt entlarvt wurde, klatschte das Publikum mit wütendem Gelächter Beifall; man brüllte, schrie und stampfte mit den Füßen; immer wieder mußte der Vorhang in die Höhe gezogen werden, die Roca und Lucidor immer wieder erscheinen und danken.

»Hendelin! Hendelin!« riefen viele, denen der Spaß noch nicht groß genug war. Als der Vorhang sich endgültig gesenkt hatte und es im Zuschauerraum lichter wurde, sah man an dem Pfeiler ein verzerrtes Gesicht. Hendelin hatte plötzlich erkannt, wer er in der Meinung der Menschen war, was zum mindesten ebensoviel bedeutet, als wer einer wirklich ist. Er hob den Kopf mit einer schmerzlichen Bewegung und sah zur Loge empor: sie war leer. Er verschwand durch einen kleinen Seitenausgang.

Die Menschen strömten aus dem Theater. Frau von Rhön, die das Gedränge nicht liebte, hatte im Hintergrund der Loge gewartet und kam jetzt aus dem Korridor; sie war etwas schneller gegangen, während Kettler und der Bediente mit ihrem Opernglas, Pelz und Fächer folgten, und sie schien allein, als Hendelin auf sie zutrat. Mit einer schönen stolzen Bewegung wendete sie sich ab. Es scheint, – nur ein Theaterdiener hat den Auftritt beobachtet, – daß er sie beschwor, ihn anzuhören, daß er ihre Hand, ihr Kleid festzuhalten suchte, als Herr von Kettler hinzukam und mit den Worten: »Der Umgang mit solchen Buben ist den Damen untersagt!« ihn mit beiden Händen vor die Brust stieß und wegdrängte. Dann war er Frau von Rhön, die die Treppe hinabgeeilt war, zu ihrem Wagen gefolgt.

Eine Stunde später saßen die Schauspieler sehr vergnügt »m Lamm und beglückwünschten Lucidor zu seinem Einfall, als die Türe aufging und Hendelin eintrat. Alle verstummten. Er schritt auf Lucidor zu. »Sie haben die Frechheit gehabt, mein Herr,« sagte er mit bebender Stimme, »mich auf der Bühne zu verhöhnen. Aber mit Ihresgleichen läßt man sich nicht ein, und was Sie getan haben, verstehen Sie nicht. Es ist auch jetzt gleichgültig. Obereit!«

Er winkte ihm, und Obereit sprang sogleich auf und folgte ihm aus dem Saal.

Lucidor, den ein schlechtes Gewissen zuerst hatte verstummen lassen, schimpfte heftig. Die andern verkündeten ihm eine Herausforderung, die er nicht zu fürchten erklärte.

»Ich wollte doch, das wäre nicht geschehen!« sagte die Roca. Obereit kam nicht wieder; die Gesellschaft kam nicht mehr in eine gute Stimmung und ging früh auseinander.

Die Nacht verging und ein Heller Wintermorgen brach an. Die rote Sonne schien erst durch das Stadttor und dann über die runden Tortürme in die Rosmaringasse; das Kreuz auf der Dorotheenkirche und die Kuppel leuchteten, und der Marktplatz lag in weißem Licht.

Nach zehn Uhr sah man Herrn von Kettler, in einiger Erregung, wie es schien, in seine Haustüre treten. Sein Pudel, der davor gesessen und jeden Eintretenden angeknurrt hatte, begrüßte ihn mit tollen Freudensprüngen.

Eine halbe Stunde später erschien Obereit, von Männern gefolgt, die den toten Hendelin über den Marktplatz trugen. Da eben ein Offizier der Wache kam, mußten sie die Bahre niedersetzen; ein Verhör begann; Leute sammelten sich; mehrere der Schauspieler, die keine Probe hatten, kamen aus dem Lamm dazu.

Hendelin lag blaß, mit einem alten Mantel bedeckt, eine tiefe Stichwunde in der Brust. Die Roca, die gleichfalls hinzugetreten war, sah auf ihn, sah, daß er tot war, sah das getrocknete Blut und fiel ohnmächtig hin. Als sie wieder zu sich kam, hatte sie ein Gespräch mit Obereit, der ihr kein Wort ersparte. Darauf ging sie in den Gasthof zurück und schrieb ein Billett an Frau von Rhön; eine halbe Stunde später kam ein Diener aus dem Kloster, der sie zu seiner Herrin bat. Von dem, was die beiden Frauen miteinander gesprochen, hat später dies und jenes verlautet. Jedenfalls sind beide beim Begräbnis des armen Hendelin gewesen und haben sein Grab mit Blumen geschmückt. Auch Herr von Rhön, der trotz seinem Geiz ein Edelmann ist, war bei der Beerdigung.

Hendelin hatte wohl von alledem nichts mehr; aber warum wollte er auch so geradlinig mit den Frauen umgehen, die dies keineswegs lieben noch danken?

Herrn von Kettler werden Sie vielleicht in R. getroffen haben. Er hat sich für einige Zeit von hier zurückgezogen, dürfte aber bald wiederkommen. Frau von Rhön ist ernster als je bei ihrer frommen Musik und liest nun auch geistliche Schriften, worüber ihr Gatte sehr erfreut ist.

Leben Sie wohl, liebster Freund, und beglücken Sie uns hier durch Ihren Besuch. Bis auf den Tod unseres kleinen Abbe hat sich nichts verändert.

Ihr
Wittenau

*


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