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Achtes Kapitel. Das Ding wird gedreht

1

Es ist erstes Februardrittel, Hamburg liegt in Regen und Nebel, nasser Kälte und schnell zergehendem Schnee.

Wenn der Wind nächtlich über die Außen- und Innenalster pfeift, schlagen die Leute den Mantelkragen hoch und machen, daß sie schneller nach Haus kommen. Umsonst strahlen die Luxusgeschäfte am Jungfernstieg im schönsten Glanz, kaum je, daß ein junges Paar, noch warm und belebt vom Theater oder Kino, musternd vor einer Auslage stehenbleibt: »Sieh doch, wie schön der große Aquamarin ist! Nein, da, der in Altsilber gefaßte.«

»Ja, herrlich! – Komm, wir wollen sehen, daß wir nach Haus kommen, diese nasse Kälte kriecht durch die Schuhsohlen!«

Zehn Minuten und der Strom der Theater- und Kinobesucher hat sich verlaufen, die Lichter in den Auslagen erlöschen, Scherengitter schieben sich rasselnd vor, Stahlgitter senken sich auf der Innenseite der Scheiben herab – die Straße verödet, und nur noch die frierenden Mädchen stehen an den Ecken und warten auf Freier.

»Na, Schatzi, was wird mit uns?«

»Keine Zeit, Mädi, keine Zeit«, sagt der junge Mann in Ulster und Melone eilig. »Ein andermal.«

Er geht rasch weiter, auch er hat den Mantelkragen hochgeschlagen, aber Nässe und schneidender Wind scheinen ihm nichts auszumachen. Er pfeift vergnügt vor sich hin und tritt fest mit den Hacken auf, daß der Schneematsch zerknallt.

›Wird sich morgen früh freuen über meine Büxen, die Fleege‹, denkt er flüchtig.

Vor dem Alsterpavillon steht ein Schupo. Er steht dort dunkel und drohend und hat die Straße streng auf dem Kieker, aber der junge Mann pfeift nur um so lauter ...

›Steh' du nur. Du stehst um zweihundert Meter zu weit!‹

Und er biegt ab in die Großen Bleichen.

Nun hat er es nicht mehr so eilig. Er schlendert ganz vergnügt dahin, pfeift auch mal wieder, bleibt vor dem Schaufenster eines Herrenausstatters stehen und läßt sich mit einem Mädchen in ein Gespräch ein. Zum Schluß schenkt er ihr eine Zigarette und verspricht, nächsten Abend um acht am gleichen Laden zu sein. Jetzt hat er leider eine Verabredung.

Nach den Großen Bleichen kommt die Wexstraße.

Es ist, als brennten die Straßenlaternen düsterer hier, es ist auch kaum noch ein Mensch zu sehen. Vom Michel her schlägt es Mitternacht.

Der junge Mann hat zu pfeifen aufgehört, er geht sachter. Düster ragen über ihm die Häuser, unbeleuchtet, ein Dampfer heult vom Hafen her mit dem Nebelhorn: es hallt in der feuchten Luft, als führe der Dampfer an der nächsten Straßenecke.

Als der Mann beim Großen Neumarkt ankommt, bleibt er unschlüssig stehen. Er brennt sich wieder eine Zigarette an, dann geht er rasch in ein Speiselokal, stellt sich an die Theke und läßt sich einen Grog mit doppelter Rumportion geben.

Als er den intus hat, ist die Uhr zwölf Uhr zwanzig geworden. Er zahlt und geht wieder auf die Straße. Er geht nicht weiter, er geht zurück, wieder sucht er die Wexstraße auf.

An der Ecke vom Trampgang steht auch so ein einsames Mädchen. Aber diesmal wartet er nicht ab, daß er angesprochen wird, er spricht sie gleich selber an.

Lang ist seine Ansprache nicht. »Na?« fragt er bloß.

»Er sitzt bei Lütt«, flüstert sie hastig.

»Bestimmt?«

»Heilig und bestimmt! – Krieg' ich meine fünf Mark?«

»Zwei«, sagt der Mann nach kurzem Überlegen. »Hier. – Die andern drei, wenn er wirklich da sitzt.«

»Pass' bloß auf, Ernst«, sagt sie warnend. »Das ist ein Rabe! Die Emma hat er gestern halb tot geschlagen und ihrem Stenz die ganze Marie aus der Tasche geprügelt!«

»Dann hat er also Geld?«

Der Mann ist enttäuscht.

»Ja, zwanzig Mark sicher.«

»Hmmm! Hmmm!« macht er. »Also dann auf nachher.«

»Bestimmt?«

»Heilig und bestimmt!« äfft er ihr nach, lacht und geht weiter.

 

2

Er geht nicht in den Trampgang, er geht geradeaus weiter, beim Rademachergang hält er an, sieht in die dunkle Schlucht, in der eine trübe Gaslaterne brennt, sieht nach rechts, sieht nach links – und taucht ein ins Gängeviertel.

Er geht rechts, noch einmal rechts, überquert wieder die Wexstraße, verschwindet im Langen Gang, geht ein Stück die Düsternstraße und verschwindet wieder im Schulgang.

Er geht immer in der Mitte der schmalen Gänge, manchmal streckt er die Arme aus und versucht, ob er die Hauswände rechts und links fassen kann. Manchmal kann er es, manchmal ist der Gang zu breit.

Bisher ist ihm kein Mensch begegnet. Die alten Fachwerkhäuser stehen still und unbeleuchtet, als seien sie längst ausgestorben, sie neigen ihre Giebel einander zu, als wollten sie vornüberfallen, vom Himmel ist nichts zu sehen.

Manchmal fällt aus einer Kneipe Lichtschein auf die Steine, über die er geht, ein Orchestrion lärmt mit Zimbeln und Schellen, ein Grammophon kreischt. Die Fenster der Kneipen sind gelb oder rot verhängt.

Dem Mann ist nicht mehr nach Pfeifen zumut, so langsam er geht, er schwitzt leicht, einmal faßt er nach seiner Gesäßtasche. Alles in Ordnung, aber – der Entschluß ist doch nicht leicht, wenn man auch noch so sehr vor den Mädels angibt.

Man könnte immer noch nach Haus gehen?

Er ist direkt vor Kugels Ort, er sieht schon den rötlichen Schein aus Lütts Kneipe.

Also nun los!

Zwei Schupos, baumstarke Kerls, den Sturmriemen des Tschakos unterm Kinn, gehen gerade auf ihn zu, feste umgeschnallt, und die Polizeiknüppel am Riemen wippen im gleichen Takt.

Sie mustern den späten Spaziergänger scharf.

»Guten Abend«, sagt der und lüftet höflich seinen schwarzen Steifen.

»Schlechte Nacht«, sagt der eine Schupo überraschend sanft und leise. »Schlechtes Wetter. Schlechte Gegend.«

Der Mann, der an ihm vorüber auf Kugels Ort wollte, muß stehenbleiben. Die beiden Riesen halten vor ihm und sehen auf ihn hinunter wie auf eine Puppe.

»Kann man da rein?« fragt der Mann leicht und deutet mit dem Kopf auf den Lichtschein der Lüttchen Wirtschaft.

»Warum wollen Sie denn da rein?« fragt der Schupo mit der sachten holsteinischen Aussprache freundlich.

»Es würde mich interessieren«, sagt der Mann. »Ich habe so viel vom Gängeviertel gehört.«

»Da gehen Sie man lieber nicht rein«, flüstert der Schupo sacht, aber mit Nachdruck. »Die könnten Ihren Brägen – verkleistern!«

Er lacht sich selbst Beifall.

»Ach!« macht der Mann enttäuscht, »wo kann man denn noch hingehen?«

»Nach Haus!« brüllt überraschend der andere Schupo. »Schleunigst nach Haus. Uns hier noch extra Schwierigkeiten machen –!«

Er will weiterreden, aber der Mann sagt hastig gute Nacht, lüftet wieder den Hut, überquert schnell Kugels Ort, läuft durch den Ebraergang, biegt sofort in den Amidammachergang, taucht zum drittenmal auf der Wexstraße auf. Das Mädchen ist nicht mehr da, er geht rasch die Wexstraße hinunter und ist nur vier Minuten später schon wieder auf Kugels Ort, jetzt von der anderen Seite kommend.

Kugels Ort ist leer, der Schein von Lütts Wirtschaft liegt ruhig und rötlich auf den Kopfsteinen.

Einen Augenblick verpustet der Mann, wischt sich sein schwitzendes Gesicht mit einem Taschentuch ab, faßt noch einmal nach dem Stahlklotz in der Gesäßtasche, steckt ihn in die Manteltasche und drückt dann entschlossen auf die dünngegriffene Messingklinge zu Lütts Wirtschaft.

 

3

Eine Stimme rief schrill: »Achtung Schmiere!«

Tiefe Stille trat ein.

Der Mann hatte die Tür hinter sich zugezogen und sah mit blinzelnden Augen in den Dampf. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet.

Er nahm den Hut ab und sagte: »N'Abend!«

Der breite Wirt mit dem dicken, bläulichen Gesicht, das von einer tollen, blauroten, formlosen Nase entstellt war, sagte breit: »N' Abend, Heidepriem«, und deutete kaum merklich in einen hinteren Winkel seiner Wirtschaft.

»N'Abend, Herr Kriminaler«, sagte ein Bursche. »Schenken Sie mir Ihre Kippe.«

»Selber Rabe!« sagte der Mann forsch und versuchte zu lächeln.

Hinter ihm – er stand nun an der Theke – waren zwei Burschen aufgestanden und schoben sich gegen ihn.

»Hände weg von der Mutter!« befahl der Mann.

»Laßt den Jungen in Ruh', ihr«, kommandiert auch der Wirt »Der ist stiekum.«

Die Burschen standen zögernd.

»Du Seelenverkäufer«, sagte der eine. »Brauchen wir 'ne neue Fresse? Es gibt für die andern schon nichts zu tun.«

»Halt den Rand, setz dich! Sollst dich setzen oder ich schmeiß dich raus. Bin ich Wärmehalle?«

Die Burschen setzten sich, böse miteinander flüsternd.

Der Mann an der Theke hat einen großen Kognak getrunken. Und noch einen.

Die jungen Burschen sahen ihm neidisch zu: der hat's!

Aus dem Hintergrund des Lokals kam jetzt langsam ein großer, düsterer Mann mit schweren Knochen, mit Händen wie Waschhölzer.

Er ging langsam auf den Mann an der Theke los, pflanzte sich vor ihm auf und sah ihn an. Es war ein böser, haßerfüllter Blick, die niedrige Stirn unter dem schwarzen Haar bucklig und faltig, der dicklippige Mund stand halb offen und ließ die schwarzen, verdorbenen Zähne sehen.

»N'Abend, Batzke«, sagte der Mann an der Theke und tippte an seinen Steifen.

Batzke sah den Mann an, sein Mund bewegte sich. Dann hob er langsam die ungeheure Hand ...

»Zwecklos«, sagte der Mann leichthin, aber seine Stimme zitterte etwas. »Kanone!«

Und die Hand in der Manteltasche hob sich an, daß der Lauf durch den Stoff trat.

Batzke lachte auf: »Jungeken – und mit 'ner Kanone! Eh' du schießt, biste bin.«

Seine Hand hob sich wieder.

»Ich habe die vierhundert für dich«, sagte der Mann rasch.

Das Gesicht des andern veränderte sich, die Hand sank herunter. Noch einmal sah Batzke den Mann an.

Dann ging er, die Hände fest in die Jackettaschen gebohrt, wortlos in seine Ecke zurück.

Der Mann sah ihm nach. Dann wischte er sich über die Stirn, die schweißnaß war, und sagte zum Wirt: »Noch 'nen Kognak, ja?«

Er fühlte, daß die Blicke aller vorne im Lokal auf ihm lagen, jetzt mit anderm Ausdruck. Er trank seinen Kognak und sah dabei den Wirt fragend an.

Der bewegte verneinend den Kopf.

»Jetzt nicht«, flüsterte er. »Er hat jemanden da.«

Der Mann trank seinen Kognak aus, bezahlte, tippte an seinen schwarzen Hut und sagte wieder »N'Abend«.

»N'Abend, Heidepriem«, sagte der Wirt, und der Mann schob ab.

 

4

Draußen stand das Mädchen.

»War er da?« fragte sie.

»Hier hast du deine drei Mark«, sagte der Mann. »Du wartest, bis er rauskommt. Sag' ihm keinen Namen, sag' ihm, der Vierhunderter wartet auf ihn. Verstehst du das?«

»Ja«, sagte das Mädchen. »Der Vierhunderter wartet auf dich.«

»Dann bring' ihn zu mir.«

»Und was krieg' ich?« fragte das Mädchen. »Es ist kalt und meine Sohlen sind kaputt.«

»Noch mal drei Mark«, sagte der Mann. »Oder du läßt es.«

»Gemacht«, sagte das Mädchen.

Der Mann trat rasch in die Wexstraße, spähte nach beiden Seiten (er wäre ungerne jetzt den Schupos begegnet) und ging dann rasch die Wexstraße hinunter nach der Fuhlentwiete.

Er ging ein Stück hinein, sah sich aufmerksam um, sie war leer, er schloß rasch eine Haustür auf und trat in das Haus. Sorgfältig schloß er wieder ab. Ohne Licht tastete er sich eine Treppe hinauf, öffnete eine Etagentür, knipste Licht an und sagte halblaut: »Alles in Ordnung, Frau Pastorin. Schlafen Sie weiter.«

Er hörte die Frau im Bett rascheln, dann sagte eine alte, helle Frauenstimme: »Ist gut, Herr Lederer – wie war's im Theater?«

»Schönschön«, sagte der Mann und hängte Ulster und Hut in einen Schrank. »Es ist übrigens möglich, daß ein Kollege mit seiner Frau noch kommt – lassen Sie sich nicht stören, Grogwasser kriege ich allein warm.«

»Danke schön«, sagte die alte Frau. »Schlafen Sie auch gut. Frühstück wie immer?«

»Frühstück wie immer«, sagte der Mann. »Gute Nacht.«

Er knipste das Licht aus auf dem Flur und ging in sein Zimmer. Dort stand er einen Augenblick nachdenklich im Dunkeln.

Der Wind brauste ums Haus, heulte an den Scheiben, dann strich es dagegen wie scharfer Schnee.

»Schlechte Nacht. Schlechtes Wetter. Schlechte Gegend«, wiederholte er und seufzte.

Er steht eine Weile da im Dunkeln, lauscht auf den Wind und Schnee. ›Vielleicht kommt er gar nicht‹, denkt er.

›Auch gut‹, denkt er. ›Kommt er morgen. Kommen tut er. Zwanzig Mark hat er – dann ziehen vierhundert immer.‹

Er macht Licht an.

Es ist ein nettes, anständiges Zimmer, dunkle Eiche, dunkle, große Klubsessel, ein richtiger Gewehrschrank, eine Krone aus Abwurfstangen mit einem Leuchterweibchen. Das Bett steht hinter einem großen grünseidenen Schirm.

Der Mann nimmt aus dem Bibliothekschrank eine Schachtel Zigaretten, ein Kistchen Zigarren und stellt das auf den Rauchtisch. Er holt eine Flasche Kognak, noch eine Flasche Rum aus dem Büfett, stellt sie auch hin. Dann drei Schnapsschalen, drei Teegläser, eine Dose mit Zucker.

Er steht einen Augenblick nachdenkend da, er lauscht ›diese alten Häuser sind zu still‹, denkt er. Dann holt er noch drei Teelöffel.

Er denkt wieder nach und geht langsam gegen die Tür.

Macht wieder kehrt, nimmt seine Brieftasche aus dem Jackett und zählt acht Fünfzigmarkscheine ab. Er knifft sie zusammen, legt sie auf den Rauchtisch und setzt darüber einen großen schweren, marmornen Aschenbecher. Er überzeugt sich genau, daß die Scheine nirgendwo unter dem Aschenbecher hervorsehen.

Wieder denkt er nach. Er verschwindet hinter dem Schirm und taucht auf mit Hausschuhen und in einem Rauchjackett. Die Pistole trägt er offen in der Hand.

Er sieht sich die beiden Klubsessel an, ist aber nicht zufrieden, er rückt noch einen Stuhl aus Rohrgeflecht an den Tisch. Der Stuhl hat Armlehne und im Rücken und auf dem Sitz Kissen, auf das Sitzkissen legt er seitlich die Pistole und deckt ein Taschentuch darüber.

Er nimmt zwei Schritte Abstand und sieht das an. Es sieht richtig aus: von der Pistole ist nichts zu sehen und das Taschentuch liegt da, als sei es vergessen.

Er seufzt leicht auf, schaut nach der Uhr (ein Uhr fünfzehn) und geht in die Küche, wo er auf ganz kleine Gasflamme einen Topf mit Wasser aufsetzt.

Wieder im Zimmer, nimmt er ein Buch und fängt an zu lesen.

Es vergeht eine sehr lange Zeit, es ist totenstill im Haus, der Wind aber scheint stärker zu werden. Er sitzt da und liest, sein blasses, verzogenes Gesicht mit dem schwachen Kinn, dem sinnlichen Mund, ist müde, aber er liest weiter.

Dann sieht er wieder auf die Uhr (zwei Uhr siebenundfünfzig), betrachtet unschlüssig die Anrichtung auf dem Rauchtisch, steht auf, lauscht auf den Flur. Nichts. Er geht leise über den Flur, sieht in die Küche, gießt Wasser in den halb leer gekochten Topf nach, öffnet die Etagentür und lauscht ins Treppenhaus.

Nichts.

Als er ins Zimmer zurückkommt, schaudert er vor Kälte, gießt sich einen Kognak ein, einen zweiten, einen dritten ...

Auch das Buch wird über die Pistole gelegt, der Mann fängt an, hin und her zu gehen. Er geht leise und rastlos, eine Diele knackt, wenn er darauf tritt, und so tief er in Gedanken ist, nach dem dritten Knack weiß sein Fuß Bescheid und vermeidet die Diele.

Draußen auf dem Flur ist ein leises Geräusch, er öffnet die Tür zu seinem Zimmer und sagt halblaut: »Hierher. Bitte recht leise!«

Batzke kommt vor dem Mädchen herein, er scheint aufgeräumter als vorhin.

»Na, altes Haus, Kufalt ...«

»Nicht, keine Namen!« sagt der Mann rasch. »Ilse, hol' das Grogwasser, es muß längst kochen.«

Und als sie draußen ist: »Ich heiße übrigens Ernst Lederer ...«

»Scheibe«, sagt Batzke. »Also gieß' mir 'nen Kognak ein, Lederer. Oder darf ich die Flasche nehmen?«

 

5

Die verwitwete Frau Pastorin Fleege hatte noch nie einen so netten Mieter gehabt, wie den Herrn Schauspieler Ernst Lederer, der seit Ende Januar bei ihr wohnte. Nicht nur, daß er ein großzügiger Mieter war und von selbst erklärt hatte, fünfzig Mark seien viel zu wenig für solch schönes Zimmer, auch noch mit Heizung, auch noch mit Frühstück, er gäbe fünfundsiebzig, nein, er war auch der freigebigste Mann in Blumensträußen, Konfektschachteln, Theaterbillets. Und das alles für eine alte, siebzigjährige Frau!

Aber das schönste war doch, daß er gerne bei ihr saß und mit ihr plauderte. Sie war alt, ihr lieber Mann war nun schon über zwanzig Jahre tot, ihre Tochter oben im nun dänischen Flensburger Land mit einem Gutsbesitzer verheiratet. Sie kam so selten, und die alte Dame hatte keine Freunde mehr, oder die Freunde waren ebenso alt und gebrechlich wie sie und konnten keine Besuchswege mehr machen.

Sie hatte schon so lange allein gesessen in ihrem Zimmerchen und dazu noch hatte sie sich vor ihren jeweiligen Mietern oder Mieterinnen geängstigt. Sie waren laut und roh, zahlten schlecht, verdarben die Sachen, stellten immer neue Anforderungen ... aber nun der Herr Schauspieler Lederer –!

Zuerst hatte er ihr nicht so übermäßig gefallen. Er war laut gewesen und zu vertraulich, als er mietete, er hatte grundlos viel gelacht, hatte sie frech angesehen und war dann plötzlich still und wortkarg geworden ...

Aber dann hatte sie ihn besser kennengelernt. Frau Pastorin Fleege hatte eine kleine, grauschwarze Katze ›Pussi‹, eine ganz gewöhnliche Hauskatze, die ihr einmal als junges Tier halbverhungert zugelaufen war. Sie hatte sich an Pussi gewöhnt, es war ein liebes, zutrauliches Tier, man konnte im Schummern mit ihr sprechen, und sie schnurrte dann so nett, wie zur Antwort ...

Doch was einmal eine Straßenkatze gewesen ist, behält leider diese Neigung, sie war eine Herumstrolcherin, davon konnte sie nicht lassen! Frau Fleege mochte noch so sehr aufpassen, irgendwann entwischte Pussi doch einmal durch ein offenes Fenster, schob sich unten bei ihren Beinen an der Entreetür durch, während sie oben mit dem Milchmann redete – und fort war sie!

Da kamen dann Stunden, oft Tage des Kummers für Frau Pastorin. Soweit es ihr ihre alten Beine erlaubten, lief sie in den Nachbarhäusern umher und erkundigte sich. Aber so viele Leute waren roh, sie lachten sie aus und nannten sie ›verdreihte Olsch‹ oder ›Katzenmadam‹! Sie begriffen nicht, wie sehr sie sich ängstete, es gab so viele böse, große Hunde in der Nachbarschaft. Sie wußte wohl, man sollte sein Herz nicht an die unvernünftige Kreatur hängen, aber wo ihr lieber Mann schon so lange tot war und die Tochter Hete so weit weg wohnte –!

An solchen Tagen weinte sie viel, die klaren, großen Tränen liefen ihr lautlos über das Gesicht, sie schluchzte nicht dabei. Aber das Leben war schwer so allein, und der liebe Gott hätte sich ihrer doch längst erbarmen können.

Herr Lederer wohnte erst drei oder vier Tage bei ihr, als Pussi wieder einmal ausriß. Erst wollte sie ihm gar nichts erzählen, Pussi war ja noch immer wiedergekommen, aber dann, als sie – erschöpft van den ersten Nachfragen – auf ihrem Fenstertritt saß, und ein Auto schrie so schrill draußen und sie war zusammengefahren, weil sie dachte, es sei Pussi gewesen, die so schrie – also dann war sie doch zu ihm gegangen.

Erst hatte er wohl gar nicht recht begriffen, er hatte mit dem Kopf in den beiden Händen, am Schreibtisch gesessen, daß sie dachte, es sei ihm nicht gut ... Aber dann, als er den Kopf hob, hatte sie gesehen, er hatte Kummer. Sie hätte nun gerne gar nichts gesagt, aber er hatte schon genickt und zugestimmt: »Machen wir ...«

Nun wollte sie ihn zurückhalten und hatte gesagt, so sei es doch nicht gemeint gewesen, und der Herr Lederer müsse sich doch sicher noch seine Rolle für den Abend aufsagen ...

Sie trug so ein komisches schwarzes Häubchen auf dem Kopf, ein flaches Ding aus schwarzen Glasperlen, wie es kein Mensch heute mehr trug, darauf mußte Herr Lederer immer sehen. Es war auch verrutscht ...

Also, er ging jetzt sofort suchen!

Er kam wieder zu ihr, alle viertel oder halbe Stunde machte er Bericht. Da hatte er Pussi gesehen, aber nicht gekriegt; jetzt hatte er einen Bückling gekauft, um sie zu locken, traf er sie noch einmal; und nun hatte Frau Lehmann, die Gemüsehändlerin, gesagt, sie habe Pussi bei den Abfalltonnen auf dem Hof gesehen ...

Nun gut, sie, die Frau Pastorin Fleege, hatte ihn daran erinnern müssen, daß es höchste Zeit für ihn war, ins Theater zu gehen. Er war ein komischer Mensch, übereifrig, er hatte die Achseln gezuckt und gesagt: »Ach was, Theater!« – dann aber hatte er sich besonnen und war doch gegangen.

Und war um halb zwölf – sonst war er nie so früh zu Haus – wieder dagewesen und hatte gegen ihre Tür geklopft – sie schlief noch nicht – und hatte nur gesagt: »Ich hab' Pussi!«

Sie war herausgekommen, auf dem kleinen, dünnen, weißen Scheitel saß nun eine Nachthaube aus Spitze, in einer weißen Nachtjacke und in einem Unterrock, so hatte sie zum letzten Male ihr lieber Mann gesehen, aber sie hatte sich nicht geniert, nur die Tränen liefen wieder.

»Nicht, nicht, Frau Pastorin«, hatte er gesagt. »Da ist ja die Pussi. Sie hat übrigens unter der Haustür gesessen. Ich hab' nichts dazu getan.«

Nein, von Dank wollte er nichts wissen, nie. Er nahm ihr den Weg zur Polizeiwache ab und meldete sich selbst an (›die sind oft so grob zu 'ner alten Frau‹), er bestellte Briketts für sie und stand morgens um acht auf, als sie abgeliefert wurden, und zum erstenmal bekam sie ihr volles Quantum und lauter heile, er steckte die Gardinen an und trug den Abfalleimer auf den Hof ...

Und nie etwas von Dank. Nein, wenn sie ihm danken wollte und griff nach seiner Hand, dann wurde er richtig verlegen und ging ohne ein Wort in sein Zimmer. Oder er wurde auch böse und konnte sagen: »Nichts zu danken, Frau Pastorin, danken soll man immer erst am Ende ...«

Und sie überlegte sich lange, ob das bedeuten sollte, daß er bald wieder auszog?

Ja, er war ein gefälliger, stiller, friedlicher Mensch, aber am schönsten war es doch, daß er nachmittags, während es dunkel wurde, bei ihr saß und zuhörte, wenn sie von ihrem Mann erzählte und von der schönen Pfarre in der Wilstermarsch, wo die Hete geboren wurde, wo sie ihre glücklichste Zeit verlebt hatte.

Er saß so still da oder ging auch ganz leise auf und ab und rauchte eine Zigarette. (Sonst mochte sie keine Zigaretten, aber seine Zigaretten, fand sie, rochen gut.) Er konnte' zuhören, es wurde ihm nie zuviel, er fragte auch so verständig zwischen hinein, und in allem waren sie einer Ansicht.

Sie erzählte mit ihrer hellen, hohen Altweiberstimme, die manchmal wie Singen klang, von der Pfarre, zu der auch Land gehört hatte, sechzig Morgen. Wohl hatte ihr lieber Mann nichts von der Landwirtschaft verstanden, aber das hatte ihn doch so glücklich gemacht, den Boden selbst zu bewirtschaften, natürlich mit einem Knecht. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, selbst zu pflügen, und hinterher hatte er, ganz erschlagen aber unendlich glücklich, gesagt: »Hete (sie wurde auch Hete genannt, genau wie die Tochter), Hete, jetzt kann ich ganz anders am Erntedankfest predigen wie früher.«

»Hatten Sie auch Wasser da?« hatte Herr Lederer gefragt.

»Aber natürlich! Wir hatten alles da.«

Und sie erzählte, wie die kleine Hete einmal im Januar, sie war damals grade fünf Jahre alt, in den Teich gefallen war. Und ganz allein und ohne zu weinen, war sie heraus und in den Wagenschuppen gekrochen, hatte sich in den alten, staubigen Landauer gesetzt, sich splitterfasernackt ausgezogen und ihre Sachen Stück für Stück sorgfältig zum Trocknen aufgehängt. Sie hatte nicht eher ins Haus gehen wollen, bis alles trocken war:

»Und sie hatte doch ihr schwarzes Samtkleidchen an, daß so in drei Wochen noch nicht trocken gewesen wäre. Und kein Schnupfen, kein Garnichts. – Jetzt freut sich Hete an ihren eigenen Kindern, sie müssen schon ganz groß sein ... Da ist die Älteste, Ingrid – wie finden Sie den Namen Ingrid? Es sind jetzt Dänen, die Kinder leben in Kopenhagen, verstehen Sie, Herr Lederer?«

Ja, aber manchmal besann sich Frau Pastorin Fleege, daß sie immer nur von sich selbst redete, und sie wurde rot und entschuldigte sich, und nun sollte Herr Lederer berichten.

Aber das wurde nicht viel, er hatte nicht viel zu berichten. Er war eben Schauspieler, jeden Abend ging er ins Theater, und hinterher probten sie noch die halbe Nacht. Nein, er war keine große Nummer, so grade noch in der Mitte, sie hatte ihn ja auf der Bühne gesehen ...

Ja, das hatte sie, er schenkte ihr öfter Karten. Sie hatte ihn zuerst gar nicht erkannt, aber das erklärte er ihr, daß das grade die Kunst sei, sich vollkommen unkenntlich zu machen. Einmal war er ein General gewesen und einmal, in einem Märchenstück, ein Wassermann, ein Nickelmann – da war es ja klar, daß er ganz verschieden aussehen mußte und daß sie ihn nicht erkannte, ihre Augen waren ja auch nicht mehr gut. Sein Name, Ernst Lederer, hatte richtig auf dem Theaterzettel gestanden, und sie war sehr stolz auf ihren Mieter und schloß jedes Programm sorgsam weg.

Kufalt aber ...

Kufalt war nicht gleich, als er in Hamburg angekommen war, zu der verwitweten Frau Pastorin Hete Fleege gezogen: das war erst einige Tage später gewesen, als er schon einen festen Plan hatte, und die weltfremde Frau Pastorin war eben auch ein Teil dieses Plans gewesen.

Nein, zuerst war er in einem kleinen, ziemlich unsauberen Hotel abgestiegen und hatte da ein paar Nächte geschlafen. Am Tage aber war er weit umhergelaufen und hatte gegrübelt und sich überlegt, was er nun eigentlich mit seinem Leben anfangen sollte.

Er hatte das letzte Dreivierteljahr, seit er frei geworden war, Revue passieren lassen, und gut waren sie nicht gewesen, diese neun Monate. Keine Stunde gut, keine Stunde! Er hatte sich Mühe gegeben, er hatte sich geduckt, er war feige gewesen und schmeichlerisch, aber er war auch fleißig gewesen – zu nichts nutze!

Nein, das sah er ein, es hatte nicht nur an den andern gelegen, an den Teddy, Jauch, Marcetus, Hilde und so weiter – es hatte auch an ihm gelegen. Eine Weile schien immer alles glattzugehen, aber regelmäßig kam dann etwas dazwischen. Er konnte keinen ruhigen Weg gehen, er spielte sich selbst Streiche, er duckte sich dutzendmal und war feige, wo es gar nicht nötig gewesen wäre, aber plötzlich begehrte er unsinnig auf und gab an und zerschlug alles, wo es wieder gar nicht nötig war.

Warum war er so? War er früher schon so gewesen?

Nein, sagte er, es ist nicht nur, weil ich etwas zu verbergen habe, das ist das wenigste. Nein, weil ich mit etwas noch nicht fertig bin, eigentlich bin ich immer noch im Kittchen. Und immer fühle ich, wie leicht es ist, wieder hineinzukommen.

Er hatte mal gesagt zum Direktor, damals war er noch in Haft, er sei doch jetzt wie ein Mann ohne Hände. Der Direktor hatte das bestritten, aber es war doch so. Fünf Jahre war ihm alles abgenommen, nicht einmal selbständig denken durfte er, er hatte nur zu tun, was ihm befohlen wurde, und nun sollte er alles allein tun ... nein, es wurde nichts, ohne Hände!

Was hatte Arbeiten, Demütigsein, Entbehren für einen Sinn, wenn man doch scheiterte?!

Er dachte an den langen Zug bekannter Gesichter, die er ins Gefängnis hatte zurückkehren sehen während seiner fünfjährigen Haft. Sie kamen wieder, alle kamen sie wieder. Oder sie saßen in andern Gefängnissen oder sie taten grade das, was sie eines Tages wieder ins Gefängnis bringen würde. Batzke hatte tausendmal recht, man mußte etwas anfassen, aber zur rechten Zeit, irgend etwas Großes, daß es sich dann auch wirklich gelohnt hatte, wenn man wieder Knast schob.

Da war der Fall Emil Bruhn. Kufalt wußte jetzt aus den Zeitungen, er würde seinen alten Emil nie wiedertreffen in Hamburg oder sonstwo, nie würde er in die Versuchung kommen, ihn in die Pfanne zu hauen. Emil war mit eingeklopftem Schädel unter dem Brandschutt gefunden und irgendein polnischer Wanderarbeiter war geständig, ihn totgeschlagen und die Fabrik angesteckt zu haben.

Also Emil Bruhn: elf Jahre ducken, immer freundlich, roboten wie ein Tier, kleine, spärliche Ansprüche ans Leben: Kino, ein Mädel, eine Gesellenstelle. Schiefgegangen, wurde nichts draus. Vorbestraft bleibt vorbestraft. Die humanste Strafe war: man richtete alle gleich hin.

Wann hat er sich so recht in seinem Fahrwasser gefühlt, wann ist er in diesen Monaten obenauf gewesen und hat genau gewußt, was er zu tun und zu sagen hatte? Wo war Heimat?

Jawohl, der Herr Kriminalsekretär Specht hat sich über ihn beim Untersuchungsrichter beschwert, der Polizeioffizier hat ihn rausgepfeffert, der Kriminalassistent Brödchen ist vor Wut über ihn zerplatzt.

Als sie ihn wie einen richtigen Ganoven nahmen, da war er wieder zu Haus, da konnte er reden und frech tun, das lag ihm, das hatte er nun gelernt.

Wenn es aber so war, wenn er wirklich ein Ganove geworden war während seiner Strafzeit, wenn er doch wieder hineinkam, dann hatte er sich zusammenzureißen für drei, vier Wochen, bis der große Coup gelandet war. Dann hatte er nicht mehr rumzuzittern an den Grenzen der Anständigkeit, dann hatte er einen großen Coup mit aller Bedachtsamkeit vorzubereiten, solange er noch Geld hatte. Und das hatte er nun noch. Schwer war das auch, seine Feigheit, seine Unentschlossenheit waren ihm auch da hinderlich, von Natur aus war er kein Verbrecher, er war es nur geworden, er hatte Verbrechen gelernt.

Und Kufalt ging dahin, er ging bis in die Walddörfer, er ging in die Vierlande, er stieg auf den Süllberg, er sah Elbe, Schiffe, Dörfer, winterliches Land, er war ein Mensch wie alle, unterschiedlich vom Äußern aus nicht, er war kein Verbrechertyp, aber – mitgefangen, mitgehangen. Nun schmiedete er also seinen Plan.

Da aber wurde er der Schauspieler Ernst Lederer, mietete sich bei dem armen Haubenhühnchen Frau Pastorin Fleege ein, ging nächtlich regelmäßig über den Jungfernstieg und schickte das Strichmädchen Ilse auf die Suche nach Batzke.

 

6

»Schick die Nutte weg, Willi«, sagte Batzke.

»Ist ein nettes Mädchen, heißt Ilse«, antwortete Kufalt.

»Sie vermasselt uns hier alles«, sagte Batzke.

»Habe nichts zu vermasseln«, antwortete Kufalt.

Eine kurze Pause entstand. Batzke musterte eindringlich das Zimmer, dann genehmigte er sich noch einen Kognak.

»Schnafte wohnst du«, erklärte er.

»Geht«, antwortete Kufalt.

»Wie wir damals zum Bunker nach Fuhlsbüttel fuhren, warst du mächtig abgebrannt«, erinnerte sich Batzke.

»Stimmt«, sagte Kufalt.

»Hättest du dir solches Zimmer nicht mieten können.«

»Mieten kann man immer.«

»Aber?«

»Aber die Miete bezahlen!«

»Und der Kognak? Und der Rum? Und die Zigaretten?«

»Kann Sore sein, Batzke.«

»Aber die Vierhundert hast du doch für mich?«

»Vielleicht, Batzke.«

Eine kurze Pause, dann beugte sich Batzke vor und sagte wütend: »Du hast mich kommen lassen, Jungeken, wegen der Vierhundert. Hast du sie oder hast du sie nicht?«

Ihre Gesichter, einander zugeneigt waren nur einen Meter auseinander. Batzkes Augen funkelten in besinnungsloser Wut, Kufalts Gesicht war bleich und zuckte, aber sein Blick hielt Batzkes Blick stand.

»Sieh mal, Batzke!« sagte er.

Er deutete kaum merklich mit der Schläfe auf die Pistole hinunter, in der rechten Hand.

Batzke sah, dann stand er auf, schüttelte die breiten Tischlerschultern, von denen die eine durch das Hobeln stärker entwickelt war. Er ging im Zimmer hin und her, er sagte: »Mit dir ist was los, Kufalt. Du hast dich mächtig verändert.«

Kufalt sagte: »Nimm das Zimmer hier, schnafte, sagst du. Und die Sachen. Und Geld hab' ich auch noch. Und die Vierhundert für dich vielleicht auch – vielleicht, weil ich mir das alles verschafft habe –« Kufalt machte rundum eine Handbewegung – »vielleicht bin ich darum anders.«

Batzke ging wieder auf und ab.

»Also sag' schon, was du von mir willst, denn umsonst wirst du mich schon nicht von der Schneppe haben suchen lassen.«

Das Mädchen kam herein, mit dem Grogwasser.

Kufalt sah sie gedankenvoll an, sah zu Batzke, wieder zum Mädchen und erklärte:

»Nur zwei Gläser. Du kannst nach Haus gehen, Ilse. Hier sind fünf Mark.«

Batzke schielte nach dem Geld, es kam aber nicht mehr zum Vorschein als eben dieses Fünfmarkstück, das entschieden schon in Bereitschaft gehalten worden war.

Unzufrieden sagte er: »'nen warmen Grog könntest du ihr wenigstens geben, wo sie wieder auf die Straße muß. Übertreiben braucht man es auch nicht, Kufalt.«

Kufalt sah ihn an und grinste: »Ach nee! Nicht mehr so eilig? Trink einen Kognak, Ilse, und ab!«

»Wieso Kufalt?« fragte das Mädchen zögernd über dem Trinken. »Ich denke Lederer.«

»Habe ich Kufalt gesagt?« höhnte Batzke. »Wasch deine Ohren. Einfalt heißt er. Und so ist er auch.«

Das Mädchen sah argwöhnisch mit ihren eiligen, huschenden Augen von einem zum andern und erklärte: »Also, dann geh' ich.«

»Trink man noch einen, Mariechen«, sagte Batzke und zwinkerte Kufalt zu.

Aber das Mädchen wollte nicht mehr. Es sprach eilig und beleidigt davon, daß es sich nicht so behandeln lasse, und sie gehe nicht für fünf Mark und einen Kognak ins Kittchen, und außerdem hieße sie nicht Mariechen.

Batzke grinste.

Kufalt sagte: »Also hör' zu, Ilse, wir sehen uns morgen wie immer.«

»Du kannst auch wegbleiben«, sagte sie, »du mit deinem falschen Freund und deinen zwei Namen.«

Dabei blieb sie im Zimmer stehen und sah die beiden immer herausfordernder an.

»Also nun mach' schon«, sagte Kufalt ungeduldig.

»Ich gehe, wenn es mir paßt«, sagte sie immer wütender. »Von solchen wie dir lasse ich mir noch lange nichts sagen. Und wenn ich jetzt zur Polizei gehe ... Ich habe gut gehört, was du von Mieten und Sore gesagt hast ...«

Aber sie kam nicht weiter.

Mit einem Satz war Batzke auf, umfaßte sie mit seinen beiden Armen, sagte wütend: »Mariechen«, und drückte sie so fest, daß sie vor Schmerz aufschrie.

»Hau ab«, sagte er. »Du kennst mich doch, was?!«

Er ließ sie los. Sie stand noch einen Augenblick da, ungewiß, ob sie noch hier zu weinen anfangen sollte, und ging weg.

»Und wenn der Laden klappen soll«, sagte Kufalt, »kann ich mir jetzt eine neue Wohnung suchen. Bloß weil du nicht aufpassen kannst.«

»Welcher Laden klappen soll?« fragte Batzke. »Ich weiß noch von nichts.«

Wie hatte sich die Lage verändert! Kufalt war so schön obenauf gewesen, Batzke hatte nur Fehler gemacht. Und doch war Kufalt, rätselhaft wie, plötzlich der Schwächere. (Bloß, weil der das Mädel angefaßt hatte?)

»Ich habe eine Annonce, Batzke«, sagt er.

»Wird schon eine feine Annonce sein«, höhnte Batzke. »Du kannst doch nicht baldowern.«

»Also hier«, sagte Kufalt wütend, riß den Aschenbecher weg und legte das Häuflein Fünfzigmarkscheine bloß. »Nimm dein Geld und schieb' ab. Mach' ich es eben mit jemand anders.«

Batzke sah das Geld, nahm es, zählte es gemütlich, steckte es in die Tasche und sagte hochzufrieden: »Also, Willi, trink deinen Grog, ehe er warm wird. Und dann erzähl', was du rausgekriegt hast. Wir alten Knastschieber ...«

 

7

Wieder stürmte es, wieder schneite es, wieder war es in der Nacht kurz nach elf.

Batzke und Kufalt kamen Arm in Arm den Jungfernstieg entlanggeschlendert, blieben vor dem und jenem Laden stehen, musterten gemütlich die Schaufenster und hielten schließlich auch vor dem Juweliergeschäft, in dessen Fenster am Abend zuvor das junge Paar den Aquamarinring bewundert hatte.

Kufalt hatte aber keinen Sinn für Aquamarine. Er hatte Sinn für Preise.

»Das Tablett meine ich«, sagte er.

Es war ein ziemlich großes, blausamtenes Tablett, das in der Mitte des Schaukastens dicht hinter der Scheibe stand. Auf ihm war ein Glitzern, Funkeln und Strahlen von vielen Brillantringen.

Batzke pfiff durch die Zähne: »Na ja«, meinte er, »das sind ganz hübsche Steinchen.«

»Es wird Zeit«, sagte Kufalt »Komm.« Er ging mit Batzke bis zum Reesendamm, machte kehrt, und nun gingen sie ein Stückchen auf der andern Seite des Jungfernstieges. Dann blieben die beiden, an das Geländer zur Binnenalster gelehnt, etwa schräg gegenüber dem Laden stehen.

»Elf Uhr dreißig«, sagte Kufalt. »Jetzt kommen sie gleich.«

Er unterbrach sich und sagte hastig: »Sieh, das ist der Wächter.«

Ein dicker Mann in Zivil, mit einem hängenden Schnauzbart, tauchte aus den Alsterarkaden auf, ging mit prüfendem Blick auf die Schaufenster an dem Geschäft vorüber, machte kehrt, passierte wieder den Laden und verschwand von neuem in den Arkaden.

»Läßt den Laden nicht aus den Augen«, sagte Kufalt.

»Nicht sehr kräftig«, taxierte Batzke. »Ich denke, ein Tiefschlag und er schnappt nach Luft.«

»Nee, nee«, sagte Kufalt eifrig, »du wirst schon sehen, es kommt noch viel besser.«

Der Jungfernstieg hatte sich belebt. Aus den Kinos, aus den Theatern kamen die Gäste in Abendmänteln, eilig oder langsam, bummelten noch ein paar Schritte, sahen auch in die Läden und verschwanden rasch im Alsterpavillon oder in der Richtung auf Hotel Esplanade oder die Vier Jahreszeiten.

Das Wetter war eben schlecht. Alles verlief sich rasch, wie gestern, und nach zehn Minuten lag der Jungfernstieg kaum belebt da.

»Nun wirst du sehen«, sagte Kufalt.

Er hatte die Uhr gezogen, sagte: »Elf Uhr zweiundvierzig. Da kommt er!«

Aus den Arkaden kam der dicke Wächter, sah die Straße auf und ab, holte langsam aus der Tasche ein Schlüsselbund, schloß die Ladentür auf und verschwand im Laden. Er schloß die Ladentür von innen ab.

Kufalt stand noch immer mit der Uhr in der Hand im fast Dunklen.

»Jetzt ist er im Laden«, sagte er. »elf Uhr vierundvierzig – elf Uhr fünfundvierzig – warte, wir haben noch Zeit, elf Uhr sechsundvierzig – zehn Sekunden, zwanzig Sekunden, dreißig Sekunden – jetzt gleich – vierzig Sekunden – zum Donnerwetter – fünfzig Sekunden – da! Jetzt gehen die Gitter runter. Komm, Batzke!«

Er nahm Batzke unter den Arm und ging mit ihm rasch in der Richtung auf seine Wohnung zu.

»Hast du kapiert«, sagte er eifrig. »Die lassen das Geschäft mit so 'ner Bombenauslage natürlich Tag und Nacht bewachen. Aber an eins haben sie nicht gedacht. An die zweieinhalb Minuten, die der Wächter im Laden ist, um die Gitter herunterzulassen. Die Zeit kann er nicht auf die Auslage aufpassen. In zweieinhalb Minuten kann man schon eine Scheibe einschlagen, das Tablett nehmen und abhauen. Stimmt es nicht, ist das nicht eine glänzende Annonce?«

»Na ja«, sagte Batzke nachdenklich. »Und wo stehen die nächsten Schupos?«

»Weiß ich alles«, prahlte Kufalt. »Einer am Alsterpavillon und einer am Eingang zur Bergstraße. Das ist aber ein Verkehrspolizist.«

»Na schön«, sagte Batzke. »Man kann ja mal über die Sache reden.«

»Wieso reden«, empörte sich Kufalt. »Was ist da noch zu reden? Es sind mindestens für hundertzwanzigtausend Mark Ringe auf dem Tablett.«

»Da denk man vorläufig lieber nich dran«, sagte Batzke. »Vorläufig liegen sie noch im Schaufenster. Und es wird eine Masse Arbeit kosten, eh' wir sie da raus haben.«

 

8

Batzke und Kufalt saßen diese Nacht lange in der Fuhlentwiete beisammen.

Wieder war Batzke der große Mann, und Kufalt mußte einsehen, daß er nichts verstand. Er hatte sich eingebildet, er hätte eine ganz große Entdeckung gemacht, Diese zweieinhalb Minuten schienen ihm ein glänzender Tip zu sein. Nun saß Batzke da und lachte ihn einfach aus.

»Ja, du denkst dir das so. Einfach loslaufen, mit einem Backstein die Scheibe einschlagen, das Tablett nehmen, rum um die Ecke und weg! Als wenn das alles so einfach wäre.«

»Was ist denn daran noch schwierig?« fragte Kufalt ärgerlich. »Natürlich müssen wir ordentlich laufen, aber für hundertzwanzigtausend Mark kann man das auch.«

»Sag' mal, Kufalt«, meinte Batzke gedankenvoll, »du sitzt ja hier so im Fett, das kommt wohl von einer eingeschlagenen Schaufensterscheibe?«

»Nee, das nun grade nich«, wehrte Kufalt ab.

»So. Es müßte ein ziemlich großes Loch werden«, sagte Batzke gedankenvoll, »damit man das Tablett glatt und schnell durchkriegt. Und diese ollen Scheiben – ich weiß nicht, vielleicht kriegt man nur ein kleines Loch mit einem Backstein rein – nur so groß wie der Backstein – und man müßte mit der Hand durchlangen und kriegte höchstens zwanzig, dreißig Ringe zu fassen, nee, das müßte zuerst einmal ausprobiert werden.«

»Wieso ausprobieren«, fragte Kufalt »Willst du erst probeweise die Fensterscheibe einbauen?«

»Dussel«, sagte Batzke. »Es gibt doch genug Neubauten in den Vororten, wo die Läden noch leerstehen. Zwei, drei Nächte losgehen und sich mal 'n bißchen üben, daß der Kram auch klappt.«

»Na, weißt du«, sagte Kufalt, »da ist doch ein ziemliches Risiko bei. Ich möchte nicht wegen 'ner Scheibe von einem leeren Laden gekitscht werden.«

»Ohne Risiko hundertzwanzigtausend Mark gibt es nicht«, sagte Batzke. »Aber nun mal weiter. Woher weißt du denn eigentlich, daß man das Tablett so einfach rausnehmen kann? Vielleicht ist das von unten angeschlossen?«

Kufalt schwieg unzufrieden. Er hatte gedacht, morgen ginge es los. Und nun erfand Batzke Schwierigkeiten über Schwierigkeiten.

»Und dann weiter«, sagte Batzke. »Ohne Auto ist das nicht zu machen. Wie stellst du dir das überhaupt vor, mit einem Tablett, das gut einen halben Quadratmeter groß ist, durch die Straßen zu laufen, nachts um halb zwölf, wo doch noch Menschen genug unterwegs sind? Wenn die Bullen hinter dir her sind und knallen, dann pflückst du womöglich in aller Seelenruhe im Laufen die Brillantringe vom Tablett und steckst sie in die Tasche? So ungefähr hattest du dir das vorgestellt, nicht wahr?«

»Ach, wenn du nur Schwierigkeiten siehst«, sagte Kufalt immer unzufriedener.

»Na, Mensch«, sagte Batzke, »willst du die Ringe haben oder willst du sie nicht haben? Wie du dir das denkst, so macht es ein Amateur, aber kein alter Ganove. Es kann ja auch mal bei Amateuren klappen, aber wahrscheinlich ist es nicht. – Nein, ein Auto müssen wir haben, und das muß denselben Nachmittag erst geklaut werden, damit die auf der Polizei noch nicht die Nummer kennen. Kannst du wenigstens Auto fahren?«

»Nein«, sagte Kufalt und kam sich immer kleiner vor mit seiner schönen Annonce.

»Und dann kommt das Schwierigste«, sagte Batzke. »Wie denkst du dir den Verkauf von der Sore?«

»Na, ich denke«, sagte Kufalt ärgerlich, »es gibt Schwärzer für so was.«

»Gibt es«, bestätigte Batzke. »Aber wenn du dich darum erst kümmern willst, wenn du die Ringe hast, dann gibt er dir höchstens tausend Mark für den ganzen Kitsch, weil er dich in der Hand hat. Und außerdem gibt er dir gar nichts, weil mindestens zehntausend Mark Belohnung ausgesetzt werden, und er nicht so leicht wieder solche Chance hat, sich der Polizei beliebt zu machen.«

»Also lassen wir die Sache«, sagte Kufalt wütend. »Ich sehe schon, du willst nicht.«

»Wieso will ich nicht?« protestierte Batzke erstaunt. »Die zweieinhalb Minuten sind eine feine Sache, die kann man nicht so laufenlassen. So eine Annonce kriegt man nicht alle Jahre. Nein, keinen Kognak mehr. Ich gehe jetzt ein bißchen spazieren und überlege mir die Sache. Morgen früh um zehn bin ich wieder bei dir.«

 

9

Es wurde zehn, es wurde elf, es wurde zwölf, kein Batzke kam.

Kufalt schraubte den Ofen zu und schraubte ihn wieder auf, er goß sich einen Kognak ein und schüttete ihn wieder in die Flasche zurück (›Ich muß einen klaren Kopf behalten‹) – kein Batzke kam.

Schließlich trank er doch seinen Kognak, er trank auch noch einen zweiten und einen dritten, er war wütend.

»Hat mich angeschissen, der Kerl, mit meinen vierhundert Mark über den Harz und versetzt mich! Ich kann es doch nicht allein machen. Oder doch?«

Er kam sich sehr stark vor, einen Augenblick lang. Er würde es allein machen. Batzke würde sehen, mit all seinen lächerlichen Schwierigkeiten, mit dem Gerede von Amateuren, was er, Kufalt, leistete.

Die Ringe erglänzten in einem sanften, verführerischen Schein, er sah sich unterwegs mit ihnen, dunkel und etwas verschwommen tauchten abseitige Lokale auf, in denen er mit Hehlern flüstern würde. Die Polizei war auf seinen Fersen. Er sprang durch ein Fenster und entrann ihr in die Nacht hinaus ...

›Is ja alles Quatsch‹, dachte er. ›Ich werde es nie tun. Vielleicht hätte ich es auch mit Batzke nicht tun können. Ich bin viel zu – ungeeignet dazu, aber ...‹

Plötzlich hatte er die Idee, nein, er wußte ganz klar, daß Batzke seinen Tip ausführen würde, daß er ausgeschaltet sein sollte, daß Batzke mit den hundertzwanzigtausend Mark losgehen würde, und er blieb allein zurück, ohne Geld, ohne Tip, ohne Aussichten auf ein Leben, das sich wenigstens lohnen würde, bei der Frau Pastorin Fleege, wie lange noch ...

Er trank noch mehr Kognak, er warf sich auf sein Bett, er dämmerte ein.

Es war ihm im Halbschlaf, als käme Batzke in sein Zimmer. Er stand einfach plötzlich mitten drin, er sah sich nicht um, mit seinem bösen, finsteren Gesicht setzte er sich, wie der Herr dieses Zimmers, in einen Sessel, griff nach der Flasche und trank, nahm die Zigarrenkiste, eine Zigarre daraus, sah sie ärgerlich an und zerbrach sie, entzündete eine Zigarette.

Kufalt wollte aufstehen von seinem Bett, er wollte sich das verbitten. Eine namenlose Wut und Erbitterung erfüllten ihn, aber er konnte die Müdigkeit nicht abschütteln ...

›Ich träume ja nur‹, sagte er, sich beruhigend.

Batzke war aufgestanden. Er war im Zimmer hin und her gegangen. Dann schob er den grünen Bettschirm, hinter dem hervor ihn Kufalt beobachtet hatte, beiseite und stellte sich schweigend vor Kufalts Bett. Er sah hinunter auf den Schläfer.

Langsam schlug Kufalt die Augen auf. Batzke sah ihn unverwandt an.

»Bist du doch noch gekommen?« fragte Kufalt schwerfällig.

»Bist du etwa besoffen«, fragte Batzke. »So etwas gibt es nicht, hinterher kannst du dich besaufen.«

»Ich denke«, sagte Kufalt und setzte sich auf die Bettkante, »es ist noch nicht soweit.«

»Höre einmal zu«, sagte Batzke. »Ich habe mir die Sache überlegt. Das Ding läßt sich machen. Aber ich möchte es ohne dich machen. Du taugst nicht zu so was.«

»Wieso ohne mich?« sagte Kufalt »Ich habe dir die Annonce gebracht und ich will meinen Teil daran haben. Du hast selbst gesagt, so eine Annonce kriegt man nicht jedes Jahr.«

»Wer redet von der Annonce, du Flachkopf«, sagte Batzke böse. »Davon reden wir später. Ich rede von der Ausführung.«

»Und was ist mit der Ausführung?« sagte Kufalt.

»Das ist mit der Ausführung, daß ich dich nicht dabei haben will. Wenn ich die Sache anfasse, wird es eine ganz große Geschichte. Alle Zeitungen werden davon schreiben. Ich werde 'ne große Nummer werden. Und ich denke nicht daran, mir die Sache von dir vermasseln zu lassen.«

»Aber ich vermassele dir nichts, Batzke«, sagte Kufalt bittend.

»Du vermasselst mir alles«, sagte Batzke. »Ich kenn' dich doch aus dem Kittchen. Immer hintenrum, immer mit dem Direktor zusammenhocken, schmusen – das kannst du. Ich will nicht sagen«, setzte er milder hinzu, »irgend 'ne hübsche Urkundenfälschung oder 'ne Hochstapelei bei Weibern oder hier bei deiner ollen Wirtin, wo man keinen Mut zu braucht und keine Geistesgegenwart, darin bist du vielleicht tüchtig. Sicher bist du jetzt auch so zu Geld gekommen ...«

Kufalt schwieg beschämt. Er wagte nicht zu sagen, daß auch dies Kompliment noch übertrieben war, er konnte nicht gestehen, auf welche ehrliche Weise er zu seinem Geld gekommen war.

»... Aber«, fuhr Batzke unerbittlich fort, »von dieser Sache mußt du die Finger lassen. Ich geb' zu, du hast 'nen feinen Tipp gepfiffen. Ich will dir was sagen: ich geb' dir für deine Annonce die vierhundert Mark wieder, trotzdem ich grade jetzt für die Sache Geld brauche.«

»Ausgeschlossen«, sagte Kufalt.

»Ich will nicht so sein«, sagte Batzke und seine Stimme nahm einen ganz rührenden Klang an. »Schließlich haben wir ja im Kittchen lange genug zusammen gesessen. Klappt die Sache, sollst du noch mal vierhundert Mark von mir kriegen.«

»Du bist ja verrückt«, sagt Kufalt wütend. »Hundertzwanzigtausend Mark und achthundert Mark für mich, der ich dir die Annonce gebracht habe! Das meinst du doch nicht im Ernst!«

»Wer ist verrückt?« fragte Batzke, nun auch aufgebracht. »Wer quatscht hier von hundertzwanzigtausend Mark? Glaubst du im Ernst, irgendein Schwärzer zahlt uns den Ladenverkaufspreis?!«

»Aber doch mindestens die Hälfte«, sagte Kufalt eindringlich.

»Ich glaube, du hast von gar nichts 'ne Ahnung«, sagte Batzke verächtlich. »Ich habe heute morgen schon rumgehorcht. Brillanten sind sehr schwer zu verkaufen, und noch dazu solch ein Posten auf einmal. Man wird sie ins Ausland bringen müssen. Nach Amsterdam oder London. Die Fassungen sind überhaupt nichts wert. Wenn wir fünftausend Mark im ganzen kriegen, wird das viel sein, und ich brauche mindestens vier Mann zur Hilfe.«

»Und mich brauchst du nicht?«

»Wozu dich? Willst du die Scheibe einschlagen? Willst du das Tablett rauslangen? Willst du in den Laden gehen und erreichen, daß dir das ganze Tablett mit den Ringen vorgelegt wird, ohne daß sie gleich auf den Gedanken kommen, der Käse stinkt? Willst du im Hundertkilometer-Tempo abhauen? Was willst du nun eigentlich?«

»Ich will unter allen Umständen mitmachen«, sagte Kufalt erbittert. »Red nicht, Batzke, ich kenn' dich doch, du willst mich versetzen, an deine fünftausend Mark glaube ich nie im Leben, fünfzigtausend hättest du sagen sollen.«

»Ach was«, sagte Batzke verächtlich, »mit Dummen ist eben nichts zu machen.«

Er wandte sich zum Gehen.

»Lasse ich die Sache also sausen.« Er stand unter der Tür. »Es gibt bessere Tips, das kannst du mir glauben.«

»Schön«, sagte Kufalt, »aber das schwöre ich dir, ich stehe jeden Abend am Laden, und wenn du das Ding drehst, haue ich dich in die Pfanne.«

Batzke drehte sich rasch um. Er sah Kufalt erbittert an und ging rasch mit erhobener Faust auf ihn zu.

»Ja, schlag nur«, schrie der wütend, »schlag mich zusammen. Deswegen kannst du das Ding doch nicht drehen. Oder du mußt mich gleich ganz totschlagen.«

»Also, Willi«, sagte Batzke plötzlich, »wir machen das Ding zusammen. Du gehst heute nachmittag los und besorgst dir erst einmal einen hartgebrannten Ziegelstein. Und dann kannst du noch einen Pflasterstein beschaffen. Überleg dir schon, wie du die Dinger am besten unauffällig verpackst, daß du sie doch immer griffbereit hast. Heute abend um elf treffen wir uns an der Hochbahnhaltestelle Lattenkamp. Da in der Gegend müssen nette neue Siedlungen sein. Da kannst du tüchtig üben.«

Es war nicht so, daß Kufalt von diesem Auftrag entzückt war. Ihm hatte es vorgeschwebt, daß er der Mann sein würde, der durch das Loch ins Schaufenster langte und das Tablett mit den Ringen ergreifen würde. Aber er war müde jetzt, abgekämpft von seinem Streit mit Batzke, froh, daß er wenigstens dies erreicht hatte.

›Hat mich reinlegen wollen‹, dachte er. ›Hat kein Schwein gehabt. Fünftausend Mark. Lächerlich! Zehntausend müssen mindestens allein auf meinen Anteil fallen. Wo kriegt man nur Pflastersteine her? Man kann doch nicht so einfach Pflastersteine von der Straße mitnehmen! Und hartgebrannte Ziegelsteine – gibt es denn auch weiche? Wie soll ich die Dinger denn unterbringen? Das wird doch eine Last ...‹

»Also denn um elf auf Wiedersehen, Kufalt«, sagte Batzke, der ihn die ganze Zeit prüfend angesehen hatte, und grinste über sein ganzes Gesicht.

 

10

In der Baumaterialienhandlung Tiedemann sitzt Herr Priebatsch vor dem großen Verkaufsjournal und macht eifrig Buchungen. Von Zeit zu Zeit hebt er den Blick und sieht auf den großen Stapelplatz hinaus, wo Zehntausende von Mauersteinen, Tausende von Dachziegeln, Hunderte von Kubikmetern Bausand, endlose Stapel von Bauholz, Schuppen voller Zement auf Käufer warten.

Er stellt fest, daß die Gespanne von Maurermeister Gadebusch noch immer aufladen, daß der Kutscher von Zimmermann Lange gleich am Fenster des Verkaufsbüros halten wird, sieht dann gewohnheitsmäßig in den Hintergrund seines Büros und sagt ebenso gewohnheitsmäßig zum Lehrling: »Sie sollen Rechnungen ausschreiben und nicht träumen, Herr Preisach.«

Die Tür zum Verkaufsbüro tut sich auf, aber es ist noch nicht der Kutscher von Lange, sondern ein junger, gut angezogener, etwas blasser Mann, der eintritt, ein Handköfferchen in der Hand.

»Entschuldigen Sie«, sagt der junge Mann etwas verwirrt.

»Bitte, bitte«, sagt Herr Priebatsch. »Was steht zu Diensten?«

»Ich wollte fragen«, sagt der junge Mann, »ob Sie hartgebrannte Mauersteine haben.«

»Aber gewiß doch«, sagt Herr Priebatsch. »Sehen Sie doch nur zum Fenster hinaus. Das Tausend vierundfünfzig Mark.«

»Und haben Sie auch Pflastersteine?« fragt der junge Mann.

»Basalt? Granit? Gegossene? Schlackensteine? Viereckig? Rund?« fragt Herr Priebatsch dagegen.

»Ja, ich weiß nicht genau«, sagt der junge Mann zögernd. »Vielleicht Basalt, viereckig, oder nein, doch besser rund.«

»Wieviel sollten es denn sein? Wir müßten da erst die Preise einholen«, erklärt Priebatsch.

»Ach, vorläufig nicht so viel«, sagt der junge Mann verwirrt und sieht Herrn Priebatsch an.

»Also, wieviel?« fragt der.

»Ja«, sagt der junge Mann zögernd und sieht Herrn Priebatsch verwirrt höflich an.

»Die Mauersteine können sofort geliefert werden«, hilft der Prokurist. »Wegen der Pflastersteine brauchen wir mindestens eine Woche Lieferfrist.«

»Ich müßte aber einen sofort haben«, sagt der junge Mann.

Herr Priebatsch traut seinen Ohren nicht. »Einen?« fragt er gedehnt, und er wiederholt noch einmal ungläubig: »Einen?«

Es ist so still im Büro, daß sogar der Lehrling Preisach aus seinen Träumereien erwacht und den Kunden ansieht.

Der faßt sich.

»Als Muster«, sagt er hastig. Und plötzlich sehr beredt: »Wissen Sie, das ist nämlich so, mein Vater will sich ein Haus bauen, und da möchte er erst Muster von den Steinen haben.«

»Von den Mauersteinen?« fragt Herr Priebatsch sehr gedehnt.

»Auch von den Pflastersteinen«, sagt der junge Mann.

Herr Priebatsch hat plötzlich eine Idee, und infolge dieser Idee wird er zuerst sehr rot.

»Herr«, fängt er ganz sachte an.

»Wir wollen nämlich auch einen Hof pflastern«, sagt der junge Mann eilig.

»Herr«, schreit Herr Priebatsch, »wenn Sie mich hier auf meinem eigenen Büro durch den Kakao ziehen wollen ...«

»Aber ich versichere Ihnen: Muster«, sagt der junge Mann hilflos.

Herr Priebatsch fängt an zu schreien.

»Machen Sie, daß Sie aus meinem Büro kommen! Entweder sind Sie ein Idiot, oder ...«

Der junge Mann ist schon aus dem Büro entflohen.

 

11

Kurz vor sieben sprang Kufalt noch einmal von seinem Sofa auf, auf dem er in einer Mischung von Verdrossenheit und bänglicher Erwartung gelegen hatte, sah in den Bibliotheksschrank, goß sich den Rest des Kognaks in ein Wasserglas, trank ihn herunter und lief zum nächsten Delikatessengeschäft. Mit einer neuen Flasche Kognak in der Manteltasche kam er zurück.

Er wußte, er trank zuviel in diesen letzten Tagen. Aber das war wie eine Krankheit, wie eine Schwäche. Als er eben nach seiner Steinbesorgung auf dem Sofa gelegen hatte, war das Gefühl stark in ihm geworden, von all dem loszukommen, wieder ein sauberes, ordentliches Leben zu führen. Wie gut war das Tippen von Adressen in Friedensheim gewesen, saubere Arbeit, zu der man frisch gewaschen am Morgen ging. Und jetzt –?

Es war geradezu lächerlich. Er sollte in vier Stunden losgehen, um probeweise Scheiben einzuschlagen, probeweise! Alles war sinnlos. Man mußte doch irgendwie herauskommen aus dem. Es wäre denn doch noch tausendmal schlauer, sich allein auf den Jungfernstieg zu begeben und nicht probeweise, sondern endgültig Mut zu haben. Aber heute nacht zur Probe – vielleicht nächste Nacht wieder zur Probe – ganz wie es dieses Schwein Batzke befahl, und dann viele Nächte noch? Und Verhandlungen und Verrätereien, und was kam am Ende?

Er wußte es, aber er wollte es nicht wissen, und so trank er noch einmal und legte sich wieder auf das Sofa.

Kaum war er eingedämmert, kaum hatte er vergessen, so klopfte es an seine Tür, und der alte freundliche Vogelkopf von Frau Pastorin Fleege sah herein und rief: »Höchste Zeit fürs Theater, Herr Lederer!«

Er fuhr hoch aus dem Schlaf, er schrie wütend: »Ach, lassen Sie mich zufrieden mit Ihrem dämlichen Theater!«

Der Kopf zog sich zurück, Kufalt schämte sich für einen Augenblick und trank noch einmal. Er versuchte wieder einzuschlafen, aber es wurde nichts mehr daraus.

So stand er denn auf und ging hin und her in seinem Zimmer, viele Stunden lang. Er hörte die alte Frau auf dem Gang rascheln, er hörte, wie sie an seine Zimmertür schlich, um zu lauschen, er wußte, sie hatte ein Herz, zutraulich wie das eines Kindes, tief erschreckt, aber was war das alles –?

Nein, es war weder Reue noch Bedauern, noch Entschluß, es war gar nichts. Es war Hinundherlaufen von einer Wand zur anderen, das konnte er, das hatte er gelernt. Fünf Schritt in der Zelle, nun gut, hier waren es acht. Hier gab es Gardinen und dort Gitter. Aber das war auch der ganze Unterschied. Zehn Uhr dreißig würde er aus dem Hause gehen. Es war ihm gesagt worden, er hätte um elf da und da zu sein. Also ging er zehn Uhr dreißig aus dem Haus. War es etwa anders, als wenn er zur Freistunde im Kittchen ging? Es war genau dasselbe.

Trinken, jawohl, einen feinen Nebel in sich erzeugen, der die Dinge unklarer machte. Weitertrinken, bis irgendeine strahlend rote Sonne in ihm aufging und alles umlog, es würde gut ausgehen, und er würde zehntausend Mark bekommen, und es würde das letztemal sein, und er würde sich einen kleinen Laden kaufen, irgendwo fern in Süddeutschland, wo ihn keiner kannte, wo ihm nie einer begegnete von jetzt. Er würde eine ordentliche Frau haben und Kinder, und es würde nie einen Streit geben ...

Da läuft er hin! Siehe, er hat ein Ende erwischt, er rollt den ganzen Faden auf, er braucht nicht mehr an das zu denken, was er zu bedenken hat. Er grübelt darüber, wie er sich seine zehntausend Mark einteilt, er überlegt, wie er seine Zigarren am besten lagern wird, er berechnet die Rentabilität von Zigarrengeschäften – das ist es, worauf es ankommt!

Und als die Uhr zehn Uhr dreißig ist, fährt er prompt in seinen Mantel, nimmt sein Köfferchen mit der lächerlichen Last und trabt los.

Heute läßt auch Batzke nicht auf sich warten. Kufalt betrachtet ihn von der Seite, es muß Batzke nicht sehr gut gehen. In einem hellen, viel zu dünnen Sommermantel geht er durch die Kälte neben Kufalt her.

Er redet nichts, er hat nur gesagt: »So, da bist du, machen wir schnell.«

Und ist losmarschiert.

Sie gehen sehr schnell und sehr lange. Die Straßen, in Schneeschmutz ertrinkend, spärlich beleuchtet, sind so gut wie verlassen. Sie sehen auf ihrem ganzen Weg nicht einen Schupo, kaum je einen eilig Vorübergehenden.

Manchmal kommen sie durch Felder, gehen an Laubenkolonien vorüber, dann wird Kufalts Herz leichter und geht ruhiger.

Aber, wenn die Häuserblocks näherrücken, wenn er die Fassaden unterscheiden kann, die Läden, dann klopft das Herz hastiger, jeden Augenblick kann Batzke stehenbleiben und sagen: »Los!«

Und dann wünscht er sich, daß sie noch immer weitergehen, so durch die Nacht, oder daß es vorüber wäre, und sie jetzt schon auf dem Wege nach Haus.

Er wechselt häufig den Koffer von der Rechten zur Linken. Eine Zeitlang redet er sich in Wut, daß Batzke sich nicht erbietet, den Koffer auch einmal zu tragen. Aber dann denkt er wieder an andere Dinge. Es fällt ihm plötzlich ein, daß Batzke recht hatte, an einem tatenlosen Vormittag nach Fuhlsbüttel zu fahren, um sich den Bunker anzusehen. Wenn man dagegen nimmt, wie man jetzt in der Nacht durch Kälte und Nässe läuft, war das doch eigentlich keine schlechte Zeit. Licht aus und Zelle warm, man kroch unter die Decken.

»Ich hab' mir das überlegt«, sagt Batzke. »In so 'nem Ding, so 'ner großen Scheibe muß 'ne ziemliche Spannung stecken. Du mußt zuerst mal sehen, daß du den Stein nicht wirfst, sonst fliegt er einfach in die Auslage und kann uns grade das Tablett runterschlagen. Oder es gibt vielleicht nur ein kleines Loch. Du mußt den Stein möglichst kurz anfassen und von oben schlagen, möglichst weit nach unten durch. Verstehst du das?«

»Ja«, sagt Kufalt gehorsam, aber es ist ihm nicht gut zumute.

»Natürlich mußt du aufpassen, daß du nicht mit deinen Fingern in die Nähe von Glas kommst, sonst gibt's Blut und Fingerspuren und du hast die Schmiere gleich auf dem Hals. Vielleicht kann es auch sein, daß die ganze Scheibe runterrasselt. Ich weiß das nicht, habe keine Erfahrung darin. Man weiß immer zu wenig.«

Er ist unzufrieden und brummelt dumpf vor sich hin. Schließlich sagt er: »Na, wir werden ja gleich sehen.«

Kufalt wird es sehr übel. ›Habe zu viel getrunken‹, denkt er, wie sein Magen so weich zu werden anfängt und sich langsam dreht.

Sie gehen immer weiter. Eine Weile sind sie auf so etwas wie einer richtigen Landstraße, mit Bäumen rechts und Bäumen links. Aber nun kommen sie wieder zu Häuserblocks, langen, weißen Blocks mit flachen Dächern. Kufalt weiß: jetzt gleich ist es soweit.

Und wirklich sind sie kaum zwanzig Schritt weiter, da kommen sie an eine Straßenecke, da ist dort ein Laden. In der einen Straße zwei Scheiben, in der andern Straße eine Scheibe, und Batzke sieht die Straßen auf und ab, und plötzlich schreit er: »Also los!«

Es ist wie Zwang, nein, es ist Zwang. Blitzschnell setzt Kufalt sein Köfferchen in den Schnee, hat es schon offen, nimmt den Ziegelstein (›Kurz fassen, ganz kurz fassen, daß ich mir die Finger nicht schneide!‹) und schlägt zu.

Den Bruchteil einer Sekunde war es, als seufzte die Scheibe auf. Dann klirrt es unerträglich hell, seine Hand scheint von ihm sich loszulösen, der Schlag wird immer schwerer, reißt die Hand, die den Mauerstein hält, mit sich ...

Und dann steht er da, starrt auf die Scheibe, in der ein großes, sicher halbmetergroßes Loch klafft

»Nicht schlecht, Jungeken«, sagt Batzke, »für den Anfang und für ein so verdammt feiges Aas wie dich wirklich nicht schlecht. Aber etwas tiefer hättest du schlagen können. Das Tablett steht nicht so hoch – los die nächste!«

»Aber Batzke«, will Kufalt protestieren, denn ihm klingt noch das helle Klirren in den Ohren und ihm ist, als hätte dort und dort und dort eben noch kein Licht gebrannt.

»Willst du losmachen!« schreit Batzke. »Nimm den Pflasterstein, schmeiß, aber so, daß er durch die Auslage in den Laden fliegt!«

Und schon tut es Kufalt.

Es klirrt wieder, es prasselt, man hört, wie der Stein dumpf hinten im Dunkel des Ladens irgendwo aufschlägt, noch einmal kollert, und es ist still.

»Dacht' ich mir«, sagt Batzke. »Zu klein das Loch.«

Plötzlich schreit eine Frauenstimme über ihnen: »Hilfe! Diebe! Hilfe!«

»Los, Mensch«, sagt Batzke, »nimm deinen Koffer. Ab! Willst du mal nicht laufen. Wir haben alle Zeit, die Gott werden läßt, bis die aus ihren Betten auf der Straße sind.«

Sie gehen wieder nebeneinander. Nun ist der Koffer leicht, nun ist es auch Kufalt leicht. Der Häuserblock liegt hinter ihnen, Batzke führt. Es scheint immer noch weiter von Hamburg wegzugehen, in die Felder hinaus.

Jetzt sind sie nicht mehr still. Jetzt reden sie miteinander. Ja, Batzke ist zufrieden. Der große Batzke hat zugegeben, er hätte das nicht von Kufalt gedacht. Kufalt wäre am Ende doch ganz brauchbar. Man könnte das Ding vielleicht zusammen drehen.

Kufalt ist glücklich. Sicher auch über Batzkes Lob. Aber vor allem darum, weil es hinter ihm liegt. Weit ab noch ist jene Nacht, in der er das, was er heute tat, am Jungfernstieg wird wiederholen müssen. Bis dahin ist er noch frei, bis dahin kann er unbesorgt sein, Batzke wird alles regeln, Batzke wird sich um alles kümmern.

Und er lädt in überströmender Freude Batzke zu einem Glas Grog ein.

 

12

Am nächsten Vormittag gab der Frau Pastorin Fleege ihr Mieter keinen neuen Anlaß zu Besorgnis. Diesmal schlief Herr Lederer brav wie sonst immer bis zwölf Uhr, erschien dann vergnügt und munter, bat um sein Frühstück und plauderte während des Frühstücks freundlich mit ihr, wie sie es sonst auch gewohnt war.

Kurz danach ging er fort. Und nun hatte Frau Fleege doch wieder Kummer oder mindestens erfuhr sie den Grund, warum er sie gestern so angefahren hatte. Die eine Kognakflasche stand leer in der Ecke, und eine neue im Schrank war schon wieder zu einem Drittel geleert.

Es war sicher, ihr Mieter hatte Sorgen. Darum trank er. Darum hatte er sie angefahren. Darum saß er plötzlich in der Unterhaltung da, als hörte er nichts mehr.

Die Frau Pastorin Fleege war vielleicht das weltfremdeste Hühnchen im großen Vogelhaus Hamburg, aber das wußte sie, daß dieser grobknochige dunkle Kollege mit dem bösen Blick ihrem Mieter nichts Gutes brachte. Und sie beschloß, heute nachmittag ganz vorsichtig und zart das Gespräch auf diesen Kollegen zu bringen und Herrn Lederer vor der Bank zu warnen, auf der die bösen Buben sitzen.

Aber leider blieb der Mieter am Nachmittag aus. Er kam nicht wie sonst wieder, zu seinem gewohnten Nachmittagsschlaf, und Frau Pastorin hätte ein Grauen bekommen, wenn sie ihn in dem schäbig eleganten Zimmer am Steindamm hätte hocken sehen, am Bett des Mädchens Ilse.

Ja, nachdem Kufalt geschlafen hatte, nachdem er sich gefreut hatte, daß die Probenacht vorüber war und gut vorüber war, war ihm plötzlich eingefallen, daß er doch noch Grund hatte, sich zu fürchten.

Er hatte sich erinnert, daß das Mädchen Ilse im bösen von ihm gegangen war, daß sie Drohungen ausgestoßen hatte und, wenn sie auch nichts Richtiges wußte, gefährlich konnte jetzt alles werden. Gefährlich konnte ihm immer alles werden.

So saß er denn neben ihrem Bett, und das Mädchen Ilse war jedenfalls nicht so dumm, daß sie nicht gewußt hätte, was ihn hierherführte. Und weil sie das wußte, vermied sie ständig, auf das, was ihm am Herzen lag, einzugehen. Sie hatte so viel zu erzählen, vom Café Steinmarder und von der mangelnden Marie und von den Kolleginnen, die alle mehr Geld einnahmen als sie und weniger verdienten, und: »Nicht wahr, Ernstel, heute schenkst du mir zehn Mark? Ich habe bei Klockmann so eine schöne Tasche gesehen.«

Kufalt war nicht für zehn Mark ohne Äquivalent.

»Du könntest aber versuchen«, meinte er vorsichtig, »rauszukriegen, wo der Batzke eigentlich wohnt.«

»Gibst du mir zehn Mark, wenn ich dir sage, wo er wohnt?«

»Weißt du es denn?«

»Sonst könntest du mir doch keine zehn Mark geben.«

»Also schön. Aber nur fünf.«

»Für fünf Mark kriege ich die Tasche nicht.«

»Sagst du mir auch seine richtige Adresse?«

»Wenn ich es dir doch sage!«

»Also meinethalben. Hier hast du. Und wo wohnt er?«

Sie lehnte sich zurück und lachte. »Gar nicht wohnt er.«

»Wieso wohnt er gar nicht?« fragte Kufalt und fing an, böse zu werden.

»Sei doch nicht so dumm«, lachte sie ihn aus. »Er hat eben gar keine Bleibe. Jede Nacht muß ihn eine andere mitnehmen. Und wenn sie Geld verlangen, schlägt er los.«

»Gib mir meine zehn Mark wieder«, sagt Kufalt wütend. »Du hast gesagt, du weißt seine Adresse.«

»Ich hab' gesagt, ich weiß, wo er wohnt. Und das hab' ich dir erzählt.«

»Mein Geld sollst du wiedergeben.«

Nun, es gab natürlich neuen Streit. Nichts von Versöhnung, nichts davon, daß die Furcht aus dem Weg geräumt war. Zehn Mark los und neuen Zank. Damit ging er nach Haus.

Und als er nach Haus kam, sprach ihn die alte Fleege auf dem Flur an und flüsterte: »Ihr Kollege sitzt wieder drin, er trinkt Ihren guten Kognak – ach, Herr Lederer ...«

Sie sah ihn flehend an.

»Gut, gut, Frau Pastorin«, sagte Kufalt eilig. »Wir sehen uns noch nachher.«

Und er ging in sein Zimmer. Da saß Batzke, finster wie die Nacht, daß einem das Wort im Halse steckenblieb und man alle Mühe hatte, harmlos zu sagen: »Na, Batzke, was Neues?«

»Ja, was Neues«, sagte Batzke. »Da, lies.«

Und er reichte ihm ein Zeitungsblatt und deutete mit dem Finger. Kufalt las:

»Im Stadtteil Lokstedt wurden in der letzten Nacht von zwei Männern die beiden großen Schaufensterscheiben eines Neubauladens mit einem Ziegelstein und einem Pflasterstein eingeschlagen. Die Täter sind unerkannt entkommen. Interessant ist bei diesem Fall die Bekundung des Prokuristen einer Baustoffgesellschaft, daß am Nachmittag des gestrigen Tages ein junger Mann bei ihm erschienen sei, der unter dem Vorgeben, er wolle Muster haben, einen Ziegelstein und einen Pflasterstein verlangte. Die Polizei weiß noch nicht, ob diese beiden Vorfälle in Zusammenhang stehen, verfolgt aber eine bestimmte Spur.«

Kufalt hatte längst zu Ende gelesen, sah aber immer noch auf das Zeitungsblatt.

»Na«, hörte er Batzke fragen, und es klang wie der nahende Donner eines sehr kräftigen Gewitters.

»Ja?« fragte Kufalt dagegen und versuchte, Batzke anzusehen. Es gelang ihm aber nicht ganz.

»Erzähl mir doch mal«, sagte Batzke, »erzähl mir doch mal, Kumpel, wo hast du denn die Steine für gestern nacht besorgt?«

»Am Hafen«, sagte Kufalt schnell. »Bei den Schuten.«

»So«, sagte Batzke, »und du bist nicht der berühmte junge Mann, der sich Muster holen will?«

Jetzt war dem Blick nicht mehr auszuweichen. Sie sahen sich an, einen Augenblick, noch einen Augenblick. Trotz kam in Kufalt hoch, Widerstand, und verging. Der andere starrte, ohne zu blinzeln, Kufalt wich dem Blick aus, lachte töricht und sagte:

»Ich werd' doch nicht so dumm sein ...«

»So«, sagte Batzke langsam. »Wirst du nicht so dumm sein?«

Eine lange Pause entstand.

Dann sagte Batzke ganz ruhig: »Ich werde nämlich auch nicht so dumm sein. Schluß, Kufalt!«

Er stand auf, nahm ruhig, und ohne Kufalt anzusehen, noch eine Zigarette aus der Schachtel auf dem Tisch, brannte sie an – Kufalt folgte ihm gespannt mit dem Blick. Ihm war, als müßte er aufspringen und etwas sagen – aber schon ging Batzke zur Tür, faßte die Klinke – und drehte sich noch einmal um.

»Scheiße«, sagt er, spuckte aus und ging.

Kufalt sah die Tür an.

 

13

›Die Polizei verfolgt eine bestimmte Spur.‹

Man kann sich überlegen, was man will, es bleibt ein hartnäckiger Satz. Man kann sich hundertmal sagen, daß es für die Polizei ausgeschlossen ist, in der Millionenstadt Hamburg einen jungen Mann zu finden, der einmal drei Minuten in einem Baubüro gestanden und ein paar dumme Fragen gestellt hat. Man kann sich immer wieder sagen, daß man nicht daran denkt, aus dem gemütlichen Quartier bei der Fleege fortzuziehen, und wacht doch nachts auf und horcht auf den Wind vor dem Fenster und horcht nach der Tür und glaubt, Wispern zu hören und Rascheln, und der Satz ist wieder da: ›Die Polizei verfolgt eine bestimmte Spur.‹

Ja, man wohnt noch immer bei der Fleege, aber man müßte irgend etwas Vernünftiges zu tun haben, damit man über einen solchen Satz fortkommt. Man hat zuviel Zeit zu grübeln, unbeschäftigt zu sitzen, sich Sorgen zu machen und zu trinken.

Ein paar Tage hat man es noch aufrechtgehalten vor der Wirtin und ist abends fortgegangen, als ginge man zum Theater. Man hat in irgendeinem Kino gesessen, und dann ist man wieder den Jungfernstieg entlanggegangen und hat vor den Ringen haltgemacht und hat sie angesehen. Und sie waren, als seien sie ein Stück von einem selbst. Sie waren da mit ihrem Schimmer und ihrem starken Licht, als hätte man ein Recht auf sie erworben, in all den vielen Nächten, in denen die Gedanken um sie kreisten, doch dann verblaßte auch das. Und man wurde müde.

Das war vorbei. Selbst Batzke würde es nicht wagen. Da stand der Satz: ›Die Polizei verfolgt eine bestimmte Spur.‹ Und wenn es der eine doch wagte, war der andere parat zum Verrat – nein, das war vorbei.

Man war müde geworden und man sagte der alten Pastorin eines Tages etwas zögernd, man habe sein Engagement im Theater verloren und müsse nun sehen, was würde. Aber: »Um Ihr Geld brauchen Sie deswegen noch keine Angst zu haben. Ich habe noch Geld genug.«

»Aber Herr Lederer«, hatte die alte Frau gesagt »Ich habe gar nicht an Geld gedacht Es tut mir leid, daß Sie arbeitslos sind, und wenn Sie mal in Verlegenheit kommen, ein bißchen Erspartes habe ich auch noch. Ich helfe gern einem so ordentlichen Menschen.«

Und sie hatte ihn in ihr Zimmer mitgenommen und hatte ihm von ihrem dünnen Pfefferminztee gegeben und von den komischen Aniskuchen, die es nirgendwo mehr gab, die immer irgendwie nach Kinderzeit schmeckten, und hatte ihm erzählt, wie ihr Mann als junger Vikar auch allen Mut verloren hatte, weil er bei drei Probepredigten hintereinander steckengeblieben war. Und wie es dann doch ganz anders gekommen war, und er diese schöne Pfarre in der Wilstermarsch bekommen hatte. Sicher würde es ihm auch so gehen, und er würde ein viel besseres Engagement bekommen und er sollte doch nur Geduld haben.

Ja, die alte Fleege, sie war so rührend und so leicht verängstigt, er mußte sich direkt in acht nehmen, am Tage zu viel zu trinken, damit er sie nicht erschreckte.

So gewöhnte er sich daran, den ganzen Tag über lange Wege zu machen. Für jeden Tag nahm er sich etwas anderes vor. Den einen Tag ging er in die Apfelstraße und sah das Friedensheim an. Er ging oft daran vorüber, aber er sah niemand hinter den Scheiben. Er spielte mit dem Gedanken, zu Wolle-Teddy zu gehen und sich vor ihm zu demütigen, um wieder in Gnaden angenommen zu werden und ewig Adressen zu schreiben.

Sicher würde irgendein Beerboom im Haus wohnen, ein noch Schwächerer, noch Beschädigterer als er. Und er würde nicht mehr der Letzte aller Menschen sein, in der äußersten, ausweglosesten Einsamkeit.

Aber am nächsten Tage ging er dann doch nicht zum Friedensheim, sondern vor die Schreibstube des Herrn Jauch und schwankte wieder, ob er nicht da hinaufgehen sollte, patzig und ein großer Mann, und dann jemand zum Stenogramm nehmen, die Stunde für vier Mark. Er hatte sich in der Nacht die fabelhaftesten Geschäftsbriefe ausgesucht. Er würde Verfügungen und Überweisungen und Bestätigungen und Reklamationen diktieren und sie sollten alle staunen auf der Schreibstube, wie weit er es gebracht hatte.

Aber er ging nicht hinauf. Mit seinen schmerzenden, müden Füßen tappte er durch den Schneeschlamm, in irgendein kleines Lokal, in eine Fischbraterei, eine Kartoffelpufferküche und aß hastig etwas für sechzig, achtzig Pfennig und rechnete sich dabei aus, daß er noch mindestens drei oder vier Monate zu leben hatte, bis er etwas anfassen mußte.

Aber auch dies billige Essen war nur noch Spielerei. Das Rechnen war Spielerei, es saß keine richtige Lebensangst mehr in ihm. Alles war gleichgültig geworden, alles war grau, trübe, trostlos und alles war zu Ende. Oh, du mein lieber Herrgott, jawohl, man konnte noch mal in die kleine Stadt fahren und der Hilde Harder aufpassen und ihr alles, alles sagen, aber wozu –?

Es gab ja nichts mehr zu sagen. Es gab für ihn nichts mehr zu tun, und eine heisere, versoffene Stimme flüsterte: ›Die Trehne entspringt bei Rutendorf, unterhalb des Galgenberges ...‹

Eine Zeitlang ging es dann wieder besser. Kufalt entdeckte eine Leihbibliothek und las und trank die Nächte durch in seinem Bett und verschlief fast den ganzen Tag. Und stand erst gegen Abend kurz vor sieben auf, raste in die Bibliothek, um noch vor Ladenschluß seine zwei, drei neuen Bände zu bekommen.

Aber dann entzündete sich sein Hirn nicht mehr an diesen Geschichten. Er nickte über ihnen ein. Er konnte sich nicht mehr als ihr Held träumen, und er ging wieder ziellos durch die Straßen, immer durch Straßen und Anlagen, und ließ es Nacht werden und trank eilige Schnäpse in kleinen Kaschemmen, eilig, als hätte er wirklich Eile, und rannte los: ›Heute nacht gehe ich noch um die Binnen- und Außenalster, damit ich richtig müde werde.‹ Aber er wurde nicht richtig müde.

Und doch war es nicht bei solch einem Spaziergang durch verlassene, nächtliche Anlagen, daß er zum erstenmal wieder in diesen unheilvollen Wochen etwas tat. Nein. Es war in den richtigen Straßen, wo man jede Sekunde einem Menschen, einem Schupo gar, begegnen konnte.

Es kam ganz überraschend. Er war sich hinterher ganz sicher, daß er nie vorher daran gedacht hatte. Vielleicht hatte er ein bißchen viel getrunken. Vielleicht lag es daran. Er war irgendwo in Eilbek gewesen oder in Hamm. Er erinnerte sich später nicht mehr genau, wo es das erstemal gewesen war.

Es war spät in der Nacht. Vor ihm ging irgendeine Frau oder ein Mädchen und die Straße war einsam. (Aber darauf hatte er nicht einmal sehr geachtet.)

Plötzlich war er neben dem Mädchen gewesen und hatte flüsternd zu ihr gesagt: »Na, Fräulein, wie ist es denn mit uns?«

Sie hatte ihn wütend von der Seite angesehen und irgend etwas Albernes gesagt wie: »Lassen Sie mich zufrieden oder ich schreie.«

So etwas.

»Na, schrei doch«, hatte er gesagt und sie plötzlich mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Und mit einem Ruck hatte er die Handtasche an sich gerissen und war um die Ecke.

Wie sie schrie.

Ach was, sie schrie eben! Aber das hatte ihn wenig zu kümmern. Er hatte im Bunker schon ganz anders schreien gehört. Da hatte er auch nicht helfen können.

Jeder helfe sich selbst. Darum war er auch längst gemütlich um die nächste Ecke. Es war ihm warm und wohl, als er in einen Autobus stieg und nach Haus fuhr. Er hatte endlich wieder etwas getan, und in dieser Nacht schlief er ausgezeichnet.

Zweifellos, eine ärmliche Tasche, diese erste Tasche. Aber war es ihm denn um die Tasche zu tun gewesen? Sieben Mark zwanzig, zwei Schlüssel, ein zerknülltes Taschentuch, ein gesprungener Spiegel. Er aber hatte noch fünfhundert Mark im Haus. Was gingen ihn Taschen an!

Ihn ging an: der angstvolle Blick, die fliehende Gestalt, das schmerzliche Schreien; ihn ging an, daß er nicht mehr der Letzte, der Getretenste von allen war, sondern daß auch er noch treten und Schmerzen bereiten konnte.

Ja, sieh einmal, du brauchst wahrhaftig nicht jeden Abend loszugehen und eine Tasche zu klauen und einem Mädchen ins Gesicht zu schlagen. Das hast du nicht nötig. Aber wenn dir so ist, dann wirst du es tun. Und wenn die Welt grau vorher war und zerschlagen, so ist sie hell von neuem, wenn du den Schlag führst und heil, weil auch andere Schmerzen leiden.

Du kannst jetzt sitzen. Willi Kufalt, im Zimmer deiner Frau Pastorin, du kannst mit ihr plaudern über den Kuhstall, und wie es war, als Pastor Fleeges ihr erstes Kalb kriegten und keiner wußte recht Bescheid, und dann war's doch da und taumelte auf seinen Beinchen und zog ganz richtig am Euter. Aber wenn es während solcher Erzählung draußen klingelt und der Gasmann kommt und die alte Frau muß bezahlen, so siehst du zu, wie sie einen Schlüssel aus ihrem Schlüsselkorb nimmt, und es ist ein kleiner, einzelner, glatter Schlüssel mit einem gezackten Bart, das merkst du dir. Und sie schließt damit das Vertiko auf und holt daraus einen Nähkasten hervor. Den Einsatz aus dem Nähkasten nimmt sie hoch. Merke dir weiter, darunter liegt das Bargeld, das sie im Haus hat, und daneben ein Sparkassenbuch.

Während sie aber draußen mit dem Gasmann spricht, stehst du ruhig und leise auf, und dein Herz klopft nicht schneller und du siehst nach: es ist nicht viel Bargeld, an die hundert Mark nur, aber auf dem Sparkassenbuch stehen vierzehnhundert Mark. Und die Kontrollmarke zum Sparkassenbuch liegt hübsch darin.

Ja, dann kommt die Alte wieder herein und packt ein und schließt ab, und du plauderst weiter mit ihr und du denkst ruhig daran, daß du irgendwann einmal, nächste Woche etwa, oder in zwei Monaten, dies Geld und das Sparkassenbuch nehmen wirst.

Und wenn du das hast und bist weg, und sie findet die leere Wohnung und sie entdeckt das Fehlen des Geldes, dann wirst du dich, fünfzig Straßen weiter in deinem neuen Zimmer, bei einer andern Wirtin, freuen und finden, daß die Welt wieder einmal in Ordnung ist.

 

14

Die Stadt ist dunkel und trübe. Es war nicht hell am Tage, es wird nicht dunkel in der Nacht. Immer schleicht irgendwie der Mond dazwischen und die Büsche haben Zweige, die wie Arme deuten, und du bist nicht allein, so einsam du auch gehst, und jeder Zweig deutet hin auf das Handwerk, das du auszuüben hast.

Hinter deinem Bett steht ein Handkoffer. Er ist nicht Vulkanfiber, er könnte aber beinahe Vulkanfiber sein. Und in diesem Handkoffer liegen vierzehn Handtaschen. Du nimmst sie manchmal in die Hand und versuchst, dich zu erinnern. Aber was hat Erinnern für einen Sinn? Es ist immer dasselbe gewesen und es ist umsonst, daß du am frühen Morgen, wenn du alt und müde bist, in deinem Bett liegst und du nimmst die Taschen zur Hand und du versuchst: das war dieses Gesicht und das jener fein gemalte Mund und du hast zugeschlagen mit aller Kraft und die feine Nase zerplatzte und wurde dumm, roh. Umsonst, umsonst, du mußt heute abend noch einmal gehen. Verschollen, verblichen. Noch einmal und noch einmal und dir ist doch schon, als tauchte immer die gleiche Schiebermütze auf über irgendeinem Dummen-Jungengesicht, dummen Achtgroschengesicht, wenn du das Haus verläßt.

Und das Gesicht latscht dir nach unter der Schirmmütze, und du gehst listige Wege. Aber du weißt ganz gut, du hast immer denselben Überzieher an und immer den gleichen Hut auf, und es gibt vierzehn Beschreibungen von dir auf der Polizei, und heute abend und morgen abend und übermorgen abend und vierzehn Tage Abend wirst du eine Pause einlegen müssen, weil sie dir auf der Spur sind. Schirmmütze mit einem Achtgroschengesicht darunter ...

Da sitzt du in deinem Bett. Da ist dein offener Handkoffer. Und die alte Pastorin Fleege mit ihren süßlichen Aniskuchen wirtschaftet auf dem Flur. Du hast den Koffer aufgemacht. Du hantierst mit deinen Handtaschen. Die meisten sind aus Kunstleder, aber eine Krokodilledertasche ist doch dabei und auch eine aus grauweißem Eidechsenleder. An denen riechst du gern, Sie haben dir eigentlich nicht viel eingebracht, diese vierzehn Taschen. Hundertsiebenundachtzig Mark sechzig in summa. Aber was will das heißen? Man kann sich für dies Geld einen neuen Mantel und einen neuen Hut kaufen und die Schirmmütze wird abhauen. Und was will das nun wieder sagen?

Da sind die Mädchen und die Frauen, und sie gehen ihren Weg nach Haus. Und sie stammen aus den gesicherten Heimen, wo man die Zeitungen liest wie aus Welten, wo fern die Völker die Waffen zusammenschlagen. Und nun kommst du und schlägst ihnen ins Gesicht. Und nimmst die Handtasche. Und die fernen Welten kommen rübergerutscht nach Hamburg und sind hart und heiß und trostlos.

Eine Klingel geht – warum geht immer eine Klingel? Er hört sie schusseln auf dem Flur, die alte Pastorin. Eine Stimme fragt, eine Stimme antwortet, und dann kommen leichte Schritte über den Gang, und er stopft die Taschen weg. Aber nicht ganz schnell genug, eine Tasche bleibt zurück, und dann tut die Tür sich auf.

Und wer ist es, der eintritt –?

Ilse. Niemand weiter als Ilse.

»Na, Ilse«, sagte Kufalt.

»Guten Tag, Willi«, sagte Ilse.

»Wieso Willi?« sagte Kufalt. »Ich heiße Ernst.«

»Meinethalben auch Ernst«, sagte Ilse fügsam und setzte sich in einen Sessel. »Hast du Kognak da?«

»Nein, ich habe keinen Kognak da.«

Pause. Sehr lange Pause.

»Du bringst mir sicher meine zehn Mark vom letztenmal?« fragte Kufalt schließlich.

»Welche zehn Mark?« fragte sie dagegen.

»Die von der falschen Adresse«, sagte er.

»Ich hab' dir nie eine falsche Adresse gegeben«, sagte sie.

Und die beiden versanken wieder in Stillschweigen.

»Was willst du eigentlich?« fragte er schließlich.

»Du hast da eine hübsche Handtasche«, sagte sie.

»Willst du sie haben?« fragte er.

»Du bist reizend, Schatz«, sagte sie und versuchte, ihn zu küssen. Aber er wollte nicht und so wurde nichts daraus.

»Warum bist du eigentlich hier?« fragte er wieder.

»Ich wollte mal wissen, ob du überhaupt noch lebst.«

»Du hast dir Zeit gelassen«, sagte Kufalt.

»Man traut sich ja gar nicht«, sagte sie. »Wo du so böse von mir fortgegangen bist.«

»Und jetzt bin ich nicht mehr böse?« fragte er.

Wieder eine lange Stille.

»Zigaretten hast du auch nicht?« fragte sie schließlich.

»Ich glaube nein«, sagte er und brannte sich eine an.

»Na ja«, sagte sie. »Jeder muß wissen, wie er's treibt.«

»Wie bitte?« sagte er, eine Spur gereizt.

»Jeder muß wissen, wo er bleibt«, sagte sie schließlich und schlug ihre langen Beine übereinander, so daß er über den Strümpfen einen Finger Fleisch und dann den Ansatz der fraisefarbenen Schlüpfer sah.

»Ich verstehe immer Bahnhof«, sagte er.

»Bahnhof ist gar nicht so schlecht«, sagte sie, »wenn einer türmen muß.«

»Wer muß türmen?« fragte er.

»Wenn einer«, sagte sie.

Kufalt sah gedankenvoll auf die Bettdecke vor sich, auf der noch immer die Handtasche lag.

»'ne ganz hübsche Handtasche«, sagte er einladend.

»Was macht eigentlich dein Freund?« fragte sie.

»Welcher Freund?« fragte er.

»Na, der schwarze, lange, finstere«, sagte sie.

»Wieso?« fragte er.

»Ich frag' ja bloß«, sagte sie.

»Ach so«, sagte er.

»Na also?« fragte sie.

»Ja«, sagte er.

»Also, dann kann ich ja gehen«, sagte sie sehr beleidigt.

»Wieso?« fragte er und tat sehr erstaunt. »Habe ich dich beleidigt?«

»Beleidigt?« fragte sie. »Mich kann so leicht keiner beleidigen.«

»Warum bist du denn so komisch?« fragte er.

»Ich bin doch nicht komisch«, sagte sie, »du bist komisch!«

»Ist denn Batzke nicht komisch?« fragte er.

»Wer Batzke?« fragte sie.

»Ach, den kennst du nicht?« fragte er. »Schickt er jetzt Achtgroschenjungens aus?«

»Ich verstehe nicht, von was du redest«, sagte sie.

»Das schadet auch nichts«, sagte er. »Wenn ich nur meine eigenen Worte verstehe.«

»Na, also, denn gehe ich«, sagte sie.

Aber sie ging nicht.

»Guten Abend«, sagte er.

»Guten Abend«, sagte sie. »Und wie ist es mit den Brillantringen?« Sie lachte.

Es war, als hätte er einen Stoß vor den Magen bekommen.

»Mit welchen Brillantringen?« fragte er.

»Als wenn es viele solcher Dinger gäbe!«

»Ohne Interesse«, sagte er. »Flau«, sagte er. »Dein Batzke hatte ja Angst«, sagte er. »Zittre bloß ab«, sagte er. »Wenn du denkst, ich drehe für euch den Kram«, sagte er. »So blau«, sagte er. »Ausverkauft, Mariechen«, sagte er. »Andere Tour«, sagte er. »Grüß den Stenz«, sagte er. »Sein Stubben wär' ich nicht«, sagte er. »Würde ich auch nicht«, sagte er. »Guten Abend, Ilse«, sagte er. »Gib mir auch einen Kuß«, meinte er. »Nein, die Tasche ist viel zu mies für dich«, erklärte er. »Also denn auf Wiedersehen«, meinte er. »Schluß«, meinte er.

Und war sauwütend und trank vielen scharfen Kognak aus Deutschland.

 

15

Im Jahre 1904 hatte der landwirtschaftliche Bauernverein in Wilster eine Ausstellung veranstaltet, auf der mehr als dreihundert Haupt Rindvieh vorgeführt worden waren. Durch irgendeinen Zufall hatte Herr Pastor Fleege, damals noch im blühenden Leben befindlich, einen ersten Preis für sein Bullenkalb Jaromir aus der Thekla vom Eldoradosucher bekommen.

Dieser erste Preis stellte sich in Bronze in Gestalt eines aufbäumenden Bullen dar.

Frau Pastorin Fleege hatte ein sehr ausgesprochenes Gefühl dafür, eine wie große Ehrung die Verleihung dieses Kunstwerks darstellte. Trotzdem war ihr in all den vielen Jahren seitdem der auf seinen Hinterbeinen sich aufbäumende, den Kopf mit den klobigen Hörnern in ein unsichtbares Hindernis bohrende Bulle nicht sympathischer geworden.

Unter allen Dingen in ihrer Wohnung – und es waren viele Dinge in ihrer Wohnung – behandelte sie diesen Bullen ausgesucht stiefmütterlich. So penibel sie war, hier wurde erst abgestaubt, wenn die Not am höchsten war. So sanft der Flederwisch über alle Dinge in diesem Haushalt ging, hier klopfte und schlug er ein wenig. So ein Tier und sich aufbäumen ...

Manchmal erinnerte sie sich erst spät abends um neun oder zehn Uhr daran, unter welcher Staubschicht er seufzte.

Jedenfalls war es an diesem Abend, sie erinnerte sich später genau daran. Herr Lederer hatte Besuch von der Frau seines unsympathischen Kollegen gehabt und hatte dann noch ungewöhnlich lange geschlafen. Er war erst um acht oder halb neun abends aus dem Bett aufgestanden, als die Frau des Freundes längst weggegangen war, und eigentlich hatte sie gehofft, Herr Lederer würde nach einem so stummen Tage wenigstens noch für zehn Minuten zu ihr hereinkommen.

Aber er war über den Flur gegangen und wortlos verschwunden. Und da hatte sie entdeckt, daß der Bulle mit dem Silberschild ganz voller Staub lag und hatte sich an ein Klopfen und Abstäuben gemacht ...

Unterdessen war Lederer in die Straßen heruntergestiegen, ein wenig müde, ein wenig hungrig, ein wenig sehr durstig nach Alkohol.

Na also schön, na also gut. Die Ilse war mal wieder bei ihm gewesen. Sie hatte zärtlich werden wollen. Fünf oder zehn Mark hatten ihr sicherlich gefehlt – wie hatte sie übrigens gefragt? ›Was macht dein Freund Batzke?‹

Nein, nicht so. Sie hatte ganz anders gefragt. Was interessierte sie übrigens Batzke?

Übrigens sind die Nachtstunden eine unübersichtliche Einrichtung. Es kann um acht in den Alsteranlagen dunkler und verlassener sein als um Mitternacht. Aber immerhin müssen trotzdem Mantel und Hut umgehend gewechselt werden. Warum sie eigentlich noch nicht gewechselt sind, kann niemand verstehen. Nicht einmal Kufalt.

Das Geld liegt doch zu Haus! – – – Es ist ein Motorradfahrer mit Beiwagen, der von einer kurzen Fahrt mit seiner Frau nach Haus kommt. Unten im Haus, in dem er wohnt, ist eine Kneipe. Diese Februarnachtfahrt war ziemlich frisch. Sie trinken beide einen Grog in der Wirtschaft, ehe sie das Motorrad mit Beiwagen durch die noch verschlossene Torfahrt auf den dritten Hof in die Garage vom Taxifahrer Scholtheiß schieben.

Nein, dazu kommt es dann doch nicht. Als sie wieder nach ihrem Grog aus der Wirtschaft auf die Straße kommen, ist das Motorrad mitsamt dem Beiwagen verschwunden. Es gibt nun natürlich einiges Gerenne. – – – Frau Pastorin Fleege freilich stört solches Gerenne nicht. Pussi ist zu Haus. Die Tür ist gesichert. Herr Lederer schwatzt gern mit seinen ehemaligen Berufskollegen und kommt selten vor zwei, drei nach Haus. So zieht sie unter der eng mit Haken versehenen Taille das Korsett schon aus und die Nachtjacke an. Und dann nimmt sie die Bibel vor. Sie liest ihren Tagesabschnitt und versucht, wie es ihr lieber Mann vor vielen, vielen Jahren tat, darüber Gedanken zu haben. Aber das ist nicht ganz einfach. Viel leichter ist es zu entdecken, daß dem vor anderthalb Stunden abgestäubten Bullen das linke Hinterbein noch immer nicht ordentlich abgestäubt ist.

›Verstehest du auch, was du liesest‹, liest sie und überlegt, ob sie den Flederwisch noch im Zimmer oder schon in der Küche hat. – – – Wenn man eine Stunde geht, kann man in einer Stadt schon eine weite Strecke gegangen sein. Viele Gesichter, auch Mädchengesichter. Auch zärtliche Mädchengesichter, auch alleingehende zärtliche Mädchengesichter haben indessen Kufalt angeschaut. Was geht ihn das an? Ist er ein Handtaschenmarder? Er geht hier, damit er schlafen kann, wenn er müde ist. Es ist doch nicht so, daß er etwa darauf angewiesen wäre. Er kann sie laufen lassen, alle, alle, die besten Bürgerstöchter, und kann die letzte Nutte nehmen, mit nichts in der Tasche als einem Lippenstift. Ist er etwa zu irgendwas verpflichtet?

Es ist neun Uhr zehn – gibt es etwa Leute, die an solchem Zeitticker sitzen und zählen die Zeit? Zeit ist bedeutungslos. Es gibt viele Zeit, die verrinnt, und für kaum einen hat sie Wert.

Der Wächter vom Goldwarengeschäft steht meistens hinter einer Säule an den Alsterarkaden. Er hat sehr viel Zeit. Er hat zwölf Stunden Dienst. Er hat seit zweiundzwanzigeinhalb Jahren zwölf Stunden Dienst und nie ist irgend etwas geschehen. Er hat kaum noch ein Gefühl dafür, daß er unaussprechliche Kostbarkeiten bewacht. Er steht eben da, zwölf Stunden von vierundzwanzig. Jeden Tag, den Gott werden läßt, und dafür darf er die anderen zwölf Stunden zu Haus sein und Kinder ziehen und sich mit seiner Frau zanken. Er steht da, hinter einer Säule, und kiekt. Aber er kiekt nicht die Spur, denn er hat nichts zu kieken, denn es passiert nichts. Denn es ist alles bestens organisiert.

Wenn man nun auf der anderen Seite wieder Ilse nimmt, so ist Ilseken nichts wie eine Strunze. Sie nimmt mit den geringsten Beträgen vorlieb und sie versteht nichts, als daß sie irgend etwas haben möchte. Eine neue Tasche etwa oder drei Paar Seidenstrümpfe oder das schicke Straßenkleid von Robinson. Aber von diesen Wünschen erfüllt, von diesen Wünschen getrieben, geht sie dahin und erzählt dem Batzke dies und das und jenes. Und Willi weiß von nichts und ein Bengel mit einer Schirmmütze taucht auf, und der sagt auch, Kufalt weiß von nichts, und dann knattert es vor der Haustür – aber wie bringt man in einem Beiwagen zwei Mann unter? Und wie lange fährt man bis zum Jungfernstieg? Wenn alle Verkehrsampeln rot brennen, fünfunddreißig Minuten, aber wenn alle Verkehrsampeln grün brennen, zwanzig Minuten. Und elf Uhr zweiundvierzig ist die Zeit, und auffallen darf man um keinen Preis.

Die Zeit macht tick und tick und tick, und das ist aller Schade. Und das ist aller Vorteil. Sie halten die Köpfe gesenkt und sie halten die Köpfe erhoben und zwischen der Binnen- und Außenalster geht eine Brücke. Sie heißt die Lombardsbrücke. Und die Bahn fährt dort lang. Und es ist eigentlich eine recht belebte Straße. Und keine drei Minuten Luftweg vom Jungfernstieg. Und ein junger Mann sagt dort:

»Fräulein, wie ist es denn mit uns?«

Und ehe der Schlag fällt und ehe sich das zage, zärtliche Gesicht entstellt, hat längst ein Motorrad geklappert und eine Scheibe ist zerklirrt und ein alter Mann mit einem Seehundsbart ist verzweifelt und die uralte, hühnchenhafte, sagenhafte Fleege ist in ihre Federbetten zwischen Unterbett und Oberbett gestiegen und ein Sternenfall von hunderteinundfünfzig Brillantringen im Verkaufswerte von einhundertdreiundfünfzigtausend Mark hat über die Straße geglänzt – aber das zarte, zärtliche Gesicht hat sich verändert, alle Lampen haben trüber gebrannt ...

War nicht einer, war nicht eine, die sich aufgesetzt hat in ihrem Bett? Und die Zeit ging hervor, und der Regulator an der stummen, dunklen Wand machte so laut und eindringlich tick-tack, tick-tack?

War nicht einer, war nicht eine? Es sind viele Wohnungen, es sind unzählige Betten, aber wer denkt an die, die draußen sind, die nicht schlafen können, die es umtreibt in der Nacht?

Wieder ein Mädchen zerschlagen: sie wird nie wieder so schlafen können wie dermaleinst, als sie noch glaubte, sie sei geborgen. Geh heim mit deiner Tasche du, du wirst doch nicht schlafen können wie dermaleinst, als du noch zu Haus warst und hattest eine Mutter.

Das Motorrad geht und geht und geht. Es knattert wie das Herz der Stadt. Es trägt fort. Es trägt fort und dann ist es plötzlich, als sei sein Geräusch ausgelöscht. Von dem Wind, der von irgendwo kommt. Vom Lande etwa, wo die Seen sind und die Wälder. Es ist so still.

Nun ruhen alle.


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