Emil Ertl
Freiheit die ich meine
Emil Ertl

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Ein undurchdringlicher Morgennebel, wie Waschküchendunst, lag über der Stadt, als Fred mit Ladurner und seinen Mobilen die Jägerzeile hinuntermarschierte. Zeitig früh hatte er vom Muschir und von Poldi Abschied genommen, denen ihre Stellung am Schottenfelder Linienwall angewiesen war. Denn allgemein wurde daran festgehalten, die Bürger in jene Verteidigungsrayons einzureihen, wo ihre Wohnungen lagen, und sie den betreffenden Bezirkschefs zu unterstellen. Jeder sollte das Bewußtsein in sich tragen, Haus und Herd zu verteidigen. Bloß die Stadtfremden, die Proletarier, die überall und nirgends zuhause waren, und die Legionäre, die um der Freiheit willen kämpften, verwendete man da, wo man ihrer gerade am dringendsten zu benötigen glaubte.

In der Hälfte der Jägerzeile ungefähr, da wo die Rote-Sterngasse einmündet und an der Ecke die Johanneskirche steht, stießen sie auf eine mächtige und starke, aus Granitwürfeln aufgebaute Barrikade, die die ganze Breite der Straße absperrte und mit Geschützen armiert war. Ein kleiner häßlicher Mann in weißem Mantel, mit weißen Straußenfedern auf dem Hut, schwang sich eben aus dem Sattel und traf mit schneidender Stimme seine letzten Anordnungen. Es konnte niemand anderer als General Bem sein, schon die Ordonnanzen von der berittenen Polenlegion, die sich in seiner Begleitung befanden, ließen keinen Zweifel darüber. Es waren schöne adlige junge Leute, die mit ihren rotweißen Fähnlein an eschenen Piken, ihren Konfederatkas und flatternden grünen Reitermänteln umso stattlicher aussahen, als sie durchwegs prächtige Vollblutschimmeln ritten, die man ohne viel Federlesens dem kaiserlichen Marstall entnommen hatte.

Als Fred sich meldete, warf der General einen scharfen prüfenden Blick auf ihn, strich sich mit der Hand den am Halse wuchernden angegrauten Bart, der das glattrasierte, breitgequetschte Gesicht umrahmte, und sagte: »Ist ganz rekt, Herr Leodolter, Ihre Namen stehen auf meine Liste. Ik nitt brauchen vieler Mann, aber lauter Elite. Suchen Sie die beste 'Elden aus von Ihre Mobile, ik meinen, was eine gute, kaltblütige Scharfschütze ist, nitt mehr als eine Douzaine, und geben Sie mir Meldung, wenn Sie sein fertig.«

Nachdem Fred mit Hilfe Ladurners und des alten Austerlitzers, der sich wieder eingefunden hatte, die zwölf besten Schützen ausgewählt, wies Bem ihnen ihren Platz an der Barrikade an, die schon von mehr als einem halben Hundert Gardeartilleristen, Legionären und Mobilen besetzt war, und bedeutete hierauf Fred, ihm mit seiner übrigen Mannschaft zu folgen. Sie kletterten über die Brustwehr und schritten den unteren Teil der Jägerzeile herab, die Kompagnie von Freds Mobilen hinterdrein.

»Wir 'aben swei Schanzen nämlik,« sagte General Bem zu Fred. »Den Kirchenbarrikad', wo wir beide bleiben; aber für den ersten Angriff den Sternbarrikad' da unten auf die Praterstern, wo das Jägerzeil' ihre Mund hat.«

Fred bemerkte, daß der General hinkte; der aber machte nichts daraus und erwähnte nur ganz knapp und ohne Ruhmredigkeit, daß ihm zwei Tage vorher im Prater das Pferd unter dem Leibe weggeschossen worden sei. Fred gewann den Eindruck eines überaus entschlossenen und umsichtigen Mannes, der an nichts dachte als an die Sache, der er diente.

Jetzt waren sie an der Sternbarrikade angelangt, die von der Jägerzeile aus den ganzen Praterstern beherrschte. Ein riesiges Halbrund von Granitwürfeln bis zur Brusthöhe, außen von einem Graben umgeben und mit Kugelfängen aus Matratzen und Rasenstücken verkleidet. Nach einer jeden von den Straßen, die strahlenförmig vom Praterstern ausgingen, drohte die Mündung einer Kanone. Fred war nicht wenig überrascht, unter der nicht sehr zahlreichen Besatzung seinen Onkel Edi zu finden, der auf einem Haufen Pflastersteine saß und mit der ungeladenen Muskete, die er in der Hand hielt, Anlegen, Zielen und Feuern übte.

»Da drüben am Nordbahnhof,« sagte er gelassen, mit der Hand in den weißen Nebel hinauszeigend, »da sollen die feindlichen Batterien stehen. Sie werden Bresche schießen und dann vom Prater herauf die Seressaner gegen uns werfen. Viele Hunde sind des Hasen Tod – aber billig verkaufen wir unsere Festung nicht!«

Bem verteilte die Mobilen, die Fred ihm zugeführt hatte, in der Sternbarrikade, die nunmehr reichlich genug bemannt war, überblickte befriedigt sein Werk und kletterte auf die Brustwehr, um eine Ansprache an die Besatzung zu richten. Seine Stimme war scharf und fast krähend, trug aber überraschend weit, und so lächerlich eigentlich das kleine Männlein mit dem großen Kopfe aussah, wie es da im dampfenden Nebel auf der Barrikade stand, das Feuer seines Willens blendete die Leute, daß sie bestrickt an seinem Munde hingen.

»Der Sternbarrikad' sein ein gutes Barrikad'!« sagte er in seiner kurz angebundenen Weise. »Wenn die Feind kommen 'erein, so sein das eine große Sand, und suld daran sein die Mobile. Darum ik 'offen, daß fechten werden wie die Löwen! Wenn aber eine Mann sein feig und laufen davon wie eine 'Ase, so stehen ik dahinten auf die nächste Barrikad', bei die Kirchen, und werden sehen das Feigling. Dann ik lassen es packen und auf'änken ohne Pardon!«

Damit stieg er herab, winkte Fred ihm zu folgen und hinkte die Jägerzeile wieder zurück. Fred drückte seinem Onkel Edi die Hand und schloß sich dem General an.

»Fürchten Sie nicht, General,« sagte er neben ihm hinschreitend, »daß die Sternbarrikade zu vielen Angriffspunkten ausgesetzt ist? Die Sturmkolonnen aus den konzentrisch zusammenlaufenden Straßen treffen sich gerade vor ihr und ergeben eine Übermacht des Anpralls, deren Wucht das Bollwerk über den Haufen rennen muß.«

General Bem kniff die Augen zusammen und sah ihn durchdringend von der Seite an.

»Sie 'aben eine gute Blick und reden nitt wie eine, die nikts verstehen. Der Sternbarrikad' schauen sehr fein aus für die Auge, aber sein wenig wert. Der Sternbarrikad' sein nikt zu 'alten. Der Sternbarrikad' sein nikts als eine Köder, damit die Kaiserliche glauben, sie 'aben schon die ganze Stadt und laufen 'erein in der Mausefalle.«

»Sie geben selbst die Sternbarrikade verloren, General?« rief Fred erschrocken.

»Der Sternbarrikad' sein perdü,« sagte Bem trocken.

»Und die Mannschaft, die sie verteidigt?«

»Sein auch perdü.«

»Wie konnten Sie die Leute auf einen von vornherein verlorenen Posten stellen?«

»Sie werden sich 'alten swei bis drei Stund und werden viele Tode machen für die Feind. Die Feind werden sein ersöpft und ersreckt, bevor sie kommen in das Jägerzeil'. Aber sie werden glauben an Sieg und werden laufen 'erein. Dann werden krachen die Musketen aus die Fenster, und was nicht erschossen wird aus die Fenster, das werden sich totschlagen die Schädel an unsere Schanze.«

»Also nur um ein paar Stunden zu gewinnen,« rief Fred entsetzt, »wird die ganze Besatzung der Sternbarrikade dem sichern Verderben preisgegeben?«

»Que voulez-vous, c'est la guerre!«

»Nur um ein paar Stunden Zeit zu gewinnen!« wiederholte Fred bekümmert.

»Wien sein perdü, wenn nikt rektzeitig kommen der 'Ilfstrupp von die Magyaren,« sagte der General. »Swei bis drei Stund gewonnen können sein der Sieg. Swei bis drei Stund verloren können sein der Tod für die Freiheit, der Galgen für Sie, für mich und für alle 'Elden, was fechten gegen die Windischgrätz.«

Sie waren an die Kirchenbarrikade zurückgekehrt und Fred nahm die ihm zugewiesene Stellung ein, an der Seite Ladurners und des alten Austerlitzers. Noch immer verhinderte der Nebel jeden Ausblick.

»Mir stehen noch die entsetzlichen Kriegsbilder von vorgestern in frischer Erinnerung,« sagte Fred. »Es wird heute vielleicht noch schlimmer werden, da wir Geschütze haben und die Stürmenden die Jägerzeile heraufmüssen, eingeschlossen zwischen den Häusern.«

»Das ist einmal nicht anders im Krieg,« versicherte der alte Haudegen von Austerlitz. »Man gewöhnt es nach und nach, wenn es eine Weile dauert. Aber wenn man eine Zeitlang nicht bei dem Handwerk war, so muß man es doch wieder von frischem durchmachen. Ich weiß es noch wie heute, wie sie dem Zeugmacher Bargetti, der Bürgerhauptmann war. beide Beine wurz abgeschossen haben, droben auf der Löwelbastei. Das war anno neun, in der Nacht, wie die Franzosen die Stadt bombardiert haben.«

»Sind Sie 1809 auch mit dabeigewesen?«

»Freilich! Das will ich glauben! Aber nicht mehr als eigentlicher Soldat; halt bloß mit der Aufgebotsfahne gegangen ... Sie kennen mich nicht, junger Herr,« sagte er; »ich kenn' Sie schon von klein auf.«

»Wie heißen Sie?« fragte Fred.

»Ich bin Werksgesell gewesen bei Ihrem Urgroßvater im ›Blauen Guguck‹ in der Zieglergasse. Das war ein Herr, Gott hab' ihn selig! No, und jetzt ist der alte Vinzenz Einberger freilich schon zu wacklig für einen Werksgesellen ... Aber im ›Blauen Guguck‹ wohnt er noch immer, so in einer Art Austragstübel, das hat der junge Herr ihm erlaubt. Steht auch ein Webstuhl darin.«

»Welcher junge Herr?« wunderte sich Fred.

»Ich sag' halt ›der junge Herr‹, weil ichs so gewöhnt bin. Jetzt ist er freilich auch schon alt; Ihren Herrn Großvater mein' ich. Der ist auch mit dabeigewesen anno neun. Aber leichter war es dazumalen, weil man halt gewußt hat, es sind die Parlez-vous und der Napoleon!«

»Jetzt weiß man, es sind die Seressaner und die Kamarilla,« sagte Ladurner.

»Das schon, ... « meinte Vinzenz, der Austerlitzer; »aber so oft einer sagt ›Die Kaiserlichen‹, gibt es mir halt doch einen Stich.«

Es war allmählich eine gewisse Bewegung in die träge, feuchte Nebelmasse gekommen, aus der Höhe schien stellenweise das Blau des Himmels nieder wie durch Schleier. Schließlich brach gar ein Strahl Sonne hervor, da verzehrte sich der Dunst, und ein prachtvoller Herbsttag stand über der Jägerzeile, daß man von der Kirchenbarrikade klar und deutlich bis zur Sternbarrikade hinuntersehen konnte. Und kaum hatte die Laune des Wetters den Vorhang weggezogen von dem Häusermeer der Stadt, so setzte auch schon wieder rings im weiten Umkreis der Donner der Geschütze ein.

Ein Polenreiter von der Adjutantur Bems trat heran und fragte nach dem Legionär Leodolter. Als Fred sich meldete, empfing er den Auftrag, da es klar geworden sei, sich sofort auf den Stephansturm zu begeben, die Bewegung der Truppen zu beobachten und insbesondere die Gegend der Leitha zu durchforschen, ob sich keine Staubentwicklung wahrnehmen lasse, aus der man auf das Herannahen des ungarischen Entsatzheeres schließen dürfe. Zwei Stunden würde es mindestens dauern, bevor die Kirchenbarrikade ins Feuer käme. Bis dahin könne er leicht zurückgekehrt sein, um dem General Bericht zu erstatten.

Fred machte sich sogleich auf den Weg. Er erreichte über die Ferdinandsbrücke die innere Stadt und stand bald darauf in der Glockenstube des Turmes von St. Stephan, wo er die Vollmacht vorweisen wollte, die der Adjutant ihm eingehändigt hatte. Es befand sich aber außer dem Türmer nur ein Optiker in der Glockenstube, der mit den Observationsinstrumenten hantierte. Man bedeutete ihm, der Oberstkommandierende sei »oben«. Was unter diesem »Oben« gemeint sei, begriff er erst, als er auf die Galerie hinaustrat, die für gewöhnlich die höchsterreichbare Staffel des Turmes bildete. Zur Ausbesserung der Steinblumen unter der Turmspitze hatte man ein Baugerüst aufgeführt, zu dem freistehende Leitern emporführten. Vorsichtig hinanklimmend sah Fred zwischen den Leiterstufen hindurch das Dächergewirre unter sich tiefer und tiefer sinken, während weiter hinaus ins Unendliche das bläuliche Bergland auf der einen, das unübersehbare Flachland auf der andern Seite sich auftat.

Auf einer hölzernen Plattform, nicht weit mehr vom Turmknauf, fand er drei Männer im Gespräch, in deren einen er nach Abbildungen, die er gesehen hatte, sogleich Messenhauser erkannte. Er trug Nationalgardeuniform, eine pompöse Feldbinde und einen weißen Reiher auf dem Tschako. Der zweite von den Herren war in Zivil und glich mit seinem großen Vollbart und dem mächtig abstehenden Schnurrbart einem würdig frisierten Löwen. Auch ihn erkannte Fred sogleich nach einem Holzschnitt, den eine Zeitung gebracht hatte; es war der polnische Reichstagspräsident Dr. Smolka. Der dritte, der Freds Vollmacht in Empfang nahm, mochte zu Messenhausers Feldadjutantur gehören. Er führte den Legionär dem Kommandierenden zu und präsentierte ihn als Abgesandten Bems.

»Sehen Sie sich nur um,« sagte Messenhauser, mehr in die Ferne als auf den neuen Ankömmling blickend; »es ist ein hochdramatisches Schauspiel von hier oben, wie im ganzen Umkreis der Stadt der Angriff einsetzt. Schade, daß man so etwas nicht auf die Bühne bringen kann! Man müßte ein Kolosseum bauen wie das in Rom, wenn man den Zuschauern auch nur annähernd den Begriff eines solchen Kampfes geben wollte. Vielleicht kommt es noch einmal dazu, wenn dem Volk der Sinn für echte dramatische Kunst aufgeht. Vorderhand ziehen freilich nur die Zaubermärchen.«

Er lächelte schwach, wobei seine nicht großen und etwas stechenden Augen, die unter auffallend buschigen Brauen standen, einen fast schwermütigen Ausdruck annahmen. Das ganze Wesen des etwa fünfunddreißigjährigen, zartgebauten und etwas hochschultrigen Mannes machte auf Fred eher den Eindruck scheuer Zurückhaltung, als den der Entschlossenheit. Sein stark gebräuntes, gleichsam gegerbtes Gesicht war schmal und von einem kurzgehaltenen schwarzen Bart umrahmt; die Haltung, lässig und temperamentlos, verriet in nichts den einstigen Truppenoffizier. Er schwieg jetzt, brachte das Fernrohr, das er in der Hand hielt, vors Auge und spähte nach dem Südosten der Stadt.

Auch Fred hielt Auslug. Da entrollte sich, wirklich in einem Amphitheater, wie die Welt noch keines gesehen, ein Schlachtenbild von großartigem Umfang. Im Süden Geschützfeuer gegen die Belvedere-, Favoriten- und Matzleinsdorfer-Linien, ein heftiger Kampf um den Brucker- und Gloggnitzer-Bahnhof, während Rauchwölkchen, die aus dem protestantischen Friedhof aufstiegen, ein daselbst stattfindendes Musketengefecht anzeigten. Im Westen ein hartnäckiges Ringen um den Meidlinger Bahnhof, die Gegend um Gaudenzdorf von den Kaiserlichen anscheinend bereits besetzt, ebenso die Vororte vor der Mariahilferlinie: Fünf- und Sechshaus und auch Braunhirschen. Die Linien selbst schienen sich noch gut zu halten; wenigstens spielte von den Wällen ein heftiges Geschütz- und Gewehrfeuer gegen die Kaiserlichen. Im Norden waren auf den Höhen um Währing und Nußdorf die feindlichen Batterien in voller Tätigkeit. Indessen hielten in diesem ganzen riesigen Umkreis des Südens, Westens und Nordens die Kräfte sich noch annähernd das Gleichgewicht; dagegen ließ sich leicht erkennen, daß im Osten eine erdrückende Übermacht stand. Dort blitzte es von Kürassier- und Grenadierregimentern und von metallenen Feuerschlünden, und Fred gewahrte mit Schrecken, daß die Marxerlinie des Bezirks Landstraße sich bereits in den Händen des Feindes befand. An der Erdbergerlinie wurde um das große Gasometer gekämpft, das in Brand geschossen war und dicken Qualm ausströmte, und den Donaukanal hinauf, gegen die Sophienbrücke, rückte bereits eine dunkle Truppenmasse vor, das waren die Seressaner des Ban Jellachich. Am wüstesten sah es um die Leopoldstadt aus, über der dicker Pulverdampf lag und der Donner der Kanonen am heftigsten rollte. Im Augarten stand sogar schweres Geschütz postiert, das seinen mächtigen Brummbaß in den Chor mischte, und am Nordbahnhof und in der Hauptallee des Nobelpraters unterschied Fred deutlich die Feuerblitze der Batterien, die gegen die Sternbarrikade und die dahinterliegende Jägerzeile wüteten.

»Sehen Sie dort, Herr Präsident!« rief Messenhauser, das Fernrohr am Auge. »Hinter Schwechat – die Staubwolke! Ist es nicht ein größerer Truppenkörper, der sich nähert?«

Dr. Smolka, gleichfalls durch ein Fernrohr blickend, spähte angestrengt in die Ferne, lange, gründlich, sehnsüchtig. Fred bemerkte, wie das Glas in seiner Hand leise bebte.

»Es ist nichts,« sagte er endlich, offenbar tief enttäuscht. »Wo bleibt die Ehre der ungarischen Nation? Hat nicht Kossuth selbst es ausgesprochen, daß sie es gebieterisch erheische, den Wienern zu Hilfe zu eilen?«

»General Moga ist ein gewissenhafter Soldat,« versetzte Messenhauser. »Er fühlt den Konflikt der Pflichten als kaiserlicher Offizier und ungarischer Patriot.«

»Es stünde anders um uns, wenn Kossuth zugleich Truppenführer wäre!« sagte Smolka mit einem Seufzer. »Das ist der Tatmensch, den wir jetzt brauchen könnten.«

»Die eigentlich tragischen Naturen sind mir interessanter,« meinte Messenhauser ruhig. »Geben sie acht, der Moga wird seinen Entschluß erst fassen, bis es zu spät ist.«

»Der Teufel soll ihn holen, ich finde nichts Interessantes an derartigen Charakteren!«

In der Ferne, auf dem Wienerberg, glaubte Fred eine Ansammlung von Truppen zu bemerken. Er machte Smolka darauf aufmerksam.

»Dort hält Windischgrätz mit seinem Stabe,« sagte dieser, indem er ihm sein Fernrohr reichte.

Fred blickte hindurch und sah eine Versammlung grüner Federbüsche und glänzender Uniformen zu Pferde und Meldereiter, die ab und zu ritten. Fast glaubte er die Gestalt des Fürsten selbst zu erkennen inmitten seines goldblitzenden Stabes.

»Ich will in die Glockenstube gehen,« sagte Messenhauser, »und eine Proklamation schreiben. Die Bevölkerung verdient zu erfahren, wie tapfer die Verteidiger der Stadt sich zur Wehre setzen.«

Fred empfahl sich.

»Sagen Sie dem General, er soll Munition sparen,« mahnte Messenhauser.

»Munition sparen?« rief Fred erstaunt. »Wenn man gegen eine solche Übermacht kämpft?«

Messenhauser zuckte die Achsel und schickte sich an, die Leiter hinabzuklettern. Bald darauf verließ auch Fred den Auslug, ziemlich herabgestimmt und innerlich grollend. Auf der Turmtreppe traf er mit Sturz zusammen, der ebenso wie Tauß als Vertreter der Legion dem Hauptquartier Messenhausers zugeteilt war.

»Was macht der Wenzel Caesar?« fragte ihn der.

»Mir kommt vor, er dichtet,« antwortete Fred noch immer gereizt.

»Ja – Proklamationen und Manifeste schüttelt er nur so aus dem Ärmel. Ob man ihm trauen darf?«

»Du meinst? ...«

Sturz zuckte die Achsel.

»Ich will nichts gesagt haben. Sicher paßt er zum Oberkommandanten wie die Kuhdirn zum Diplomaten. Mit Stilübungen besiegt man kein geschultes Kriegsheer. Bei der ersten Gelegenheit beantrage ich seine Absetzung.«

»Wer soll an seine Stelle treten?«

»Fenneberg!«

»Wäre mir auch lieber!« sagte Fred. »Für einen Verräter halte ich den Messenhauser nicht; aber ich habe den Eindruck, als betrachte er, was er da erlebt, als merkwürdiges Rohmaterial, das sich vielleicht einmal zu einer Novelle verwerten ließe.«

»Wenn es darauf ankommt,« sagte Sturz, »so zähle ich auf dich!«

Als Fred an die Kirchenbarrikade zurückkehrte, merkte er sogleich, daß ein Kampf stattgefunden hatte. Bem fand er seitlich auf einem Feldsesselchen sitzend, ganz ruhig anscheinend und fast heiter.

»Was sein mit die Magyaren?« rief er ihm erwartungsvoll entgegen.

Fred meldete, was er gesehen und erfahren hatte; da verdüsterte sich die Miene des Generals.

»Die Magyaren sein noch immer nikt in Sikt? Was nützen uns ihre Fahne?« sagte er, auf den ungarischen Wimpel weisend, der neben den deutschen Farben an einem Laternenpfahl inmitten der Barrikade flatterte. »Mit die Fahne allein wir maken keine Sieg! Wenn die Magyaren nikt bald uns schicken eine 'Jlfskorps, wir sein perdü!«

»Die Ungarn können uns nicht im Stiche lassen!« beteuerte Fred. »Durch die Weigerung, deutsche Truppen gegen sie zu entsenden, ist Wien in diese entsetzlichen Wirren gestürzt worden. Die Magyaren sind eine ritterliche Nation, sie werden Treue mit Treue vergelten!«

»Mit schöne Worte kann ik mir nit trösten. Vielleikt tun die Ungarn sich denken: Was geht uns Wien an mit die swarzrot-goldene Fahn? Das ist die Unglück von die Österreik, daß sie keine Volk wollen lassen ihre Nation! Schauen Sie mik an, mit meine vertrakte Sprak! An mir Sie sehen die Beispiel von eine Mann, dem sie 'aben genommen die Vaterland! Ik 'aben müssen fliehen aus die schönen Polenland und leben fast meine ganze Leben in die Fremde. Jetzt ik 'aben fast verlernt die polnische Sprak', aber ein andere Sprak nikt 'aben ordentlich erlernt außer die französische.«

»Die Freiheit, um die wir kämpfen,« sagte Fred, »wird alle Völker zu Brüdern machen und zu einem großen herrlichen Österreich unter Führung des deutschen Volkes zusammenschließen!«

Der General lachte auf.

»So schauen Ihre Freiheit aus vielleikt«, sagte er, das Gespräch abbrechend; »für die polnische Patriot sie 'aben wieder eine ganz andere Gesicht!«

Fred eilte jetzt zu seinen Leuten, in gespannter Erwartung, was sich inzwischen zugetragen haben mochte. Über die Brustwehr lugend, sah er die Häuser am Ausgang der Jägerzeile in Flammen stehen; die Straße selbst war besät mit gefallenen Grenadieren.

»Die Sternbarrikade ...?«

»Überrannt! Wie die Helden haben sie sich gewehrt, aber die Übermacht war zu groß.«

»Die Sternbarrikade überrannt? ...«

»Kein Mann ist davongekommen! Aber an unserer Barrikade sind sie gescheitert.«

Schmerzlich bewegt dachte Fred an seinen Onkel Edi.

Der alte Vinzenz Einberger sagte: »Der Bem macht es genau so, wie wir von der alten Schule es gemacht haben, ich vorgestern am Schmelzerfriedhof und der Erzherzog Karl seinerzeit bei Aspern: Ruhig herankommen lassen und erst im letzten Augenblick feuern. Er hat seine Kanonen und Musketen in der Hand wie ein einziges gut gearbeitetes Taschenterzerol!«

Männer mit der gelben Binde des freiwilligen Samariterdienstes gingen jenseits zwischen den gefallenen Gegnern umher, lasen auf, was sich noch rührte, und hoben manchen schwerverwundeten Soldaten über die Barrikade herein, der mit verglasten Augen um sich sah und sich wundern mochte, daß er Hilfe und Rettung bei den Wienern fand, die seine Offiziere ihm als gottlos, als Auswurf der Menschheit geschildert hatten. Aus der Johanneskirche kam ein Priester im Chorhemd, das Allerheiligste in den Händen. Den Meßnerbuben mit dem Glöcklein voraus, stieg er unbekümmert über die Brustwehr und schritt die Jägerzeile entlang, den Sterbenden, die ihn anriefen oder sehnsüchtig nach ihm aufblickten, das Sakrament zu spenden. Es tat not, daß er rascher arbeitete als sonst, zu viele arme Seelen begehrten noch mit heißem Verlangen nach der Wegzehrung, bevor sie sich entschließen konnten, sich loszureißen und die weite Wanderung anzutreten. Aber so eilig er sein heiliges Amt versah, die meisten mußte er ohne Trost ziehen lassen; denn schon wurde auf dem Praterstern ein Signalschuß gelöst. Die Krankenpfleger flüchteten in die Tore der Häuserzeilen, und auch der Priester war genötigt sich zurückzuziehen. Im nächsten Augenblick gellerten wieder die Bomben mit Klirren und Krachen über das Straßenpflaster.

Die Angreifer hatten sich am Ausgang der Jägerzeile eingenistet, die frühere Sternbarrikade zu ihrer eigenen Deckung notdürftig hergerichtet und schweres Geschütz dahinter angefahren. Die ganze Länge der Straße bis zur Kirchenbarrikade wurde mit Vollkugeln, Granaten und Kartätschen bestrichen. Es war ein rasender Höllenlärm, daß die Häuser zitterten. Aber General Bem saß, einen Stadtplan in der Hand, in den er Einzeichnungen machte, ruhig auf seinem Feldsessel, als ob die ganze Sache ihn nichts anginge. Er wußte, daß sein Bollwerk fest genug war, dem Bombardement stand zu halten, und wartete auf den Sturm, der diesem folgen würde. Erst als die Beschießung nach einiger Zeit wirklich aussetzte und neue Sturmkolonnen die Jägerzeile heraufzogen, hob er den Kopf und sagte in schrillem Diskant: »Wer mir losschießt, bevor ik kommandieren Feuer, den ik lassen auf'änken!«

So schlug die Kirchenbarrikade Sturm um Sturm zurück und hielt sich vom Morgen bis zum Abend.

Lange, kühle Schatten fielen durch die Jägerzeile, als Ladurner zu Fred sagte: »Hilf m'r von der Barrikad', es ischt m'r schwach.«

Fred erschrak über sein Aussehen, er war bleich geworden, der linke Arm hing ihm schlapp herunter, und aus dem Ärmel tropfte Blut.

»Du bist verwundet!«

»Ein Granatsplitterle ischt mir vor einer halben Stund' ins Fleisch gefahren; aber das Laden und Schießen bringt ein T'roler auch mit einer Hand z'wegen.«

Fred stützte den Wankenden und führte ihn zum Notspital, das hinter der Johanneskirche eingerichtet war. Am Eingang zum Verbandplatz mußte Fred zurückbleiben, da nur Blessierten der Eintritt gestattet wurde. Eben im Begriffe umzukehren, sah er eine Frau mit leicht verbundener Stirn heraustreten, die eine Patrontasche um die Mitte geschnallt und eine Doppelpistole in der Hand trug. Ein Ausruf des Staunens entrang sich seinen Lippen: »Anna –!«

Sie reichte ihm die Hand. Wie ein Aufleuchten flog es über ihre Züge.

»Bist du es, Fred! Das war alles, was ich mir wünschte: Dich noch einmal zu sehen!«

Sie gingen langsam nebeneinander her, ergriffen und die Augen voll Tränen.

»Du kämpfst für die Freiheit, Anna?« sagte er endlich.

»An der Barrikade dort drüben, gegen die enge Fuhrmannsgasse. Ich hoffte, daß die Kroaten von dieser Seite kommen würden. Aber es ist nicht die Freiheit, für die ich kämpfe, Fred! Nur ein einziges Ziel suchen meine Kugeln ...«

»Du denkst an Rache, Anna, in diesem heiligen Kampf? Du setzest dein Leben aufs Spiel – aus Haß?«

»Ich setze mein Leben nicht aufs Spiel. Es weichen mir alle Kugeln aus; sie wollen nichts zu tun haben mit mir, bevor ich mich der Aufgabe nicht entledigt habe, die mir noch zu erfüllen bleibt.«

Es befand sich eine Bank auf dem kleinen Grasplatz hinter der Kirche, sie setzte sich und blickte zu ihm auf. Er sah, daß ihr Gesicht noch immer schön war, obgleich Gram und Kummer ihre Spuren darin zurückgelassen hatten. In ihrem großen Auge stand etwas Verklärtes, und unwillkürlich dachte er still bei sich: »Edles Blut! ...«

»Ich suche nicht die Rache, Fred!« sagte sie langsam den Kopf bewegend; »und ich kämpfe nicht aus Haß. Ich weiß jetzt alles, was man mir früher verheimlichte. Und in gewissen, Sinne hat es sogar etwas Tröstliches für mich. Ich kann jetzt ohne Groll an Bela denken. Aber, daß wir beide nicht mehr leben können, das wirst du mit mir fühlen.«

»Wer beging die Rohheit, dich einzuweihen?«

»Das war jener ehmalige Leibjäger des Freiherrn. Er hoffte mit meiner Hilfe Geld zu erpressen.«

»Der Polizeiagent Pluderer? Der Schurke!«

»Ich bin ihm dankbar dafür. Ich bin jetzt so ruhig und versöhnt! Was kann noch über mich kommen? Was sollte mir noch zustoßen können? Ich fühle mich so frei und wie losgelöst von der Erde. So aufrichtig bereit zu sterben! ... Siehst du, das ist meine Freiheit, Fred, die ich mir errungen habe.«

Fred weinte.

»Du mußt nicht weinen über mich, Fred!« sagte sie. »Wenn ich im Haß von hinnen müßte, als eine Verschmähte und Getäuschte – das wäre hart. Aber nun darf ich verzeihen. Ich liebe ihn noch, ich liebe ihn! Graut dir vor mir? Ich liebe ihn! Das ist mein Glück, und das ist meine Schuld! Nun fühlst du doch, Fred, daß wir beide sterben müssen?«

Fred konnte nichts erwidern, er schluchzte, als ob ihm das Herz brechen sollte.

»Willst du mir noch etwas versprechen, Fred?« fragte sie.

Er nickte und war unfähig etwas zu sagen.

»Du bist mir immer ein treuer und guter Freund gewesen, Fred! Das eine sollst du mir noch versprechen – gerade du! Es ist leicht möglich, daß ich ihn nicht finde. Viel eher kann es der Zufall wollen, daß er dir entgegentritt, an irgend einem Punkte der Stadt, an der Spitze seiner Kroaten. Dann tu' mir die Liebe und vergönn ihm dein Blei. Aber ziel' gut, daß er nicht leidet! Hörst du, Fred? Ziel' gut! ... Willst du mir das versprechen?«

Fred zögerte und stand wie vernichtet.

»Die letzte Liebe, Fred, um die dich Anna bittet ... Weißt du noch, wie wir zusammen auf der Himmelswiese saßen? ... Die letzte, allerletzte Bitte, Fred!«

Da streckte er ihr seine Hand hin. Sie schlug ein.

»Ich danke dir! Leb wohl für immer!«

Und sie eilte von ihm in der Richtung gegen die Fuhrmannsgasse. Fred blieb auf der Bank sitzen, er wußte nicht wie lange. Die Dämmerung sank nieder. Plötzlich schreckten gellende Trompetenstöße ihn auf. Sich seiner Pflicht erinnernd faßte er die Muskete und lief gegen die Jägerzeile. Da wogte der Straßenkampf, die Kirchenbarrikade war gefallen. Ein Knäuel von Menschen wälzte sich nach dem Donaukanal. Fechtend zog die tapfere Schar Bems sich gegen die Ferdinandsbrücke, aber aus allen Seitengassen stürmte der Feind. Mitten auf der Brücke sah Fred plötzlich den alten Vinzenz, den Austerlitzer, neben sich im Halbdunkel. Der half eine Kanone schieben.

»Den Achtzehnpfünder haben wir gerettet,« sagte er mit Genugtuung. »Es ist eine ehrenvolle Retirade!«

Und da tauchte auch Ladurner wieder auf, den linken Arm in der Schlinge. Der erzählte ihm, daß schon am Nachmittag der Bezirk Landstraße gefallen sei, wie man jetzt erfahre; dadurch sei es dem Feinde möglich geworden, der Kirchenbarrikade auf dem Weg über die Weißgärber-Vorstadt in die Flanke und in den Rücken zu fallen.

»Von vorn hätte die Festung nicht einmal der Napoleon genommen!« sagte Vinzenz Einberger. »Von hinten – da ist es freilich keine Hexerei!«

»Wir besetzen die Biberbastei!« rief Ladurner. »Die innere Stadt ischt noch lange niacht verloren!«

Flüchtende Bevölkerung mit Mobilen, Garden und Legionären untermischt, drängte über die Brücke und zum Rotenturmtor hinein. Die ganze Leopoldstadt befand sich bereits in den Händen der Kaiserlichen, die indessen am Donaukanal Halt machten und die Verfolgung nicht aufs rechte Ufer fortsetzten.

In der Menschenmenge, die sich in der Auffahrt ober dem Tor staute, gewahrte Fred den General Bem, der zu Pferde saß. Er eilte auf ihn zu und fragte, wo die Mannschaft sich sammeln solle?

»Gar nikts sammeln!« versetzte der General. »Musketen in Donau schmeißen, Uniform verbrennen, Angströhren aufsetzen!«

»Die innere Stadt kann sich noch lange halten, die Basteien sind sturmfrei! Sie werden uns jetzt nicht im Stiche lassen, General?«

»Die Stadt sein nikt länger zu 'alten – da kann die General Bem auch nikts maken. Die Ungarn 'aben lassen stecken Wien in die Dreck, jetzt sein es zu spät, und jede Widerstand eine Wahnsinn. Die General Bem sein eine Stratege und keine Phantast, sie müssen schauen, daß die Windischgrätz sie nikt tun auf'änken, weil die polnische Vaterland noch werden brauchen die General Bem!«

Er gab dem Pferd die Schenkel und ritt die Rotenturmstraße hinauf, so rasch das Gedränge es erlaubte.

Fred bemerkte, daß die Häuser am linken Ufer des Donaukanals vom Feind besetzt wurden. Er billigte Ladurners Vorschlag, sich auf der Biberbastei zu sammeln, die knapp ans rechte Ufer vorgeschoben war. Sie lag nur einen Steinwurf vom Rotenturmtor entfernt und beherrschte die Ferdinandsbrücke. Als er sie erreichte, hatte sich bereits eine Handvoll Mobiler unter Führung Ladurners daselbst eingefunden, während der alte Vinzenz mit einem Häuflein Entschlossener daran arbeitete, den von der Kirchenbarrikade mitgenommenen Achtzehnpfünder heraufzuschaffen. Alle waren sie einig darin, daß die Ferdinandsbrücke nicht preisgegeben werden dürfe und die innere Stadt gehalten werden müsse.

»Der Bem läßt uns sitzen,« sagte Fred. »Er sucht das Weite und bringt sich in Sicherheit.«

»Pfuitausend!« machte Ladurner. »Polaken und Magyaren – gehört alles in einen Topf.«

»Und hält man uns die Treue nicht, so wollen wir sie doch der Freiheit halten!« ...

In der Nacht, als Fred in seinen Mantel gewickelt lag und vergeblich Schlaf ersehnte für sein gemartertes Herz, da sah er den Himmel wie eine riesige rotglühende Halbkugel sich über der Biberbastei wölben: Es loderte rings um den äußeren Umkreis der Stadt ein Kranz lohender Brände.

Mießrigel ging um: Ob man wisse, daß der Messenhauser dem Volk schon wieder ein großes Fest gegeben habe? Die Leute wunderten sich.

»Ein Mani-Fest nämlich,« sagte er lachend.

An Manifesten und hochklingenden Proklamationen ließ es Messenhauser in der Tat nicht fehlen. Aber Mießrigel hatte sich diesmal mit fremden Federn geschmückt, was sonst seine Gewohnheit nicht war; in der innern Stadt ging es jetzt so wirbelig zu wie in der Welt vor dem ersten Schöpfungstage, da vertrocknete sogar ihm bisweilen der Witz. Das schwache Bonmot stammte eigentlich von Prinz Schöps, dem Seidenmakler, der sich sogleich von seiner Cholera erholt hatte, als die Kaiserlichen in Schottenfeld und Mariahilf einmarschierten. Für die Vorstädte war der Krieg zu Ende. An demselben Abend, an dem die Kirchenbarrikade in der Leopoldstadt gefallen war, oder schon am Nachmittage selbst, hatten die Kaiserlichen einige der südlichen Linien im Sturm genommen und die betreffenden Bezirke besetzt. Da sahen auch die westlichen und nördlichen Vorstädte in ihrer harten Bedrängnis die Nutzlosigkeit weiteren Widerstandes ein, zogen die weiße Fahne auf den Linienwällen auf und kündigten durch ihre Bezirksvorsteher eine nach der andern ihre Bereitwilligkeit an, die Waffen abzuliefern und sich bedingungslos zu unterwerfen.

»Eigentlich bin ich froh, daß die Metten ein End' hat,« sagte der Muschir. »Wenn die Bürger hinter der Trommel laufen und auf einmal Bombardiere werden wollen – das sind schließlich doch nur Extremitäten!«

Mit einem gewissen Argwohn wartete er darauf, ob die Seressaner jetzt kommen würden, sein Haus zu plündern. Man hörte viel von argen Ausschreitungen des Militärs erzählen, aber die Gerüchte wurden wohl übertrieben. Dem »Goldenen Stuck« geschah gar nichts, es ließ sich kein Soldat auch nur blicken.

»Die kaiserliche Armee bleibt halt doch die kaiserliche Armee!« meinte der Muschir. »Zuchtlosigteit hat man ihr nie nachsagen können. Ich weiß nicht, warum die Leut' so dumm daher geredet haben? Sicherer als früher haben wir es jetzt!«

»Aber eine Ungesetzlichkeit ist es doch,« sagte Poldi fest. »Ein Gewaltstreich über die Köpfe des Ministeriums und des Reichstages hinweg.«

Er hatte ebenso wie alle andern seine Waffen im Gemeindehause abliefern müssen. Aber er bereute es nicht, sie ergriffen zu haben.

»Wir sind unterlegen, aber es war unsere Pflicht, daß wir nicht ohne Kampf unterlagen. Die Konstitution ist unser gutes verbrieftes Recht. Und ich muß schon sagen, ohne gewisse freiheitliche Einrichtungen, in vernünftigen Grenzen natürlich, kann ich mir ein gesundes Gemeinwesen heute wirklich nicht mehr vorstellen.«

»Mein Gott, diese ewige Konstitution – fängst du auch damit an?« eiferte der Muschir. »Hat uns die Konstitution vielleicht zur Freiheit verholfen? Ich war' froh, wenn der Metternich wieder da wär' und wir endlich Ruh' hätten! Schöne Freiheit das, wenn sie es machen wie mit dem Edi, daß sie einen aus dem Hause holen und unter die Mobilen stecken!«

»Wenn man nur endlich in die innere Stadt könnte,« sagte Poldi bekümmert, »daß wir über Fred und Onkel Edi etwas erführen! Aber es heißt, die Ganzscharfen hoffen noch immer auf das Eintreffen der Ungarn. Sie wollen es auf einen Kampf um die Stadttore und Basteien ankommen lassen, obgleich sogar Messenhauser selbst für die Kapitulation sein soll ... Geschehe was immer – wir haben uns unterworfen, die Pflicht ruft uns zur Arbeit zurück. Ich will die Zeit nützen und die Fabrik in Braunhirschen wieder einräumen lassen ...«

Die Tore der inneren Stadt waren verrammelt, niemand wußte recht, was dahinter vorging. Fürst Windischgrätz hatte achtundvierzigstündige Waffenruhe gewährt, um den leitenden Männern Gelegenheit zu bieten, sich zu beraten und ihre Entscheidung zu treffen. Die Hauptmasse des Heeres lag beobachtend um den Außengürtel des Linienwalles herum.

Am Morgen des vorletzten Oktober hatte sich Sturz bei Fred und Ladurner auf der Biberbastei eingefunden. Es fiel ihnen sogleich sein seltsames Gehaben auf; wie verstört und verloren blickte er um sich, sah die Herbstsonne auf den roten Ziegelmauern der Bastionen liegen und am linken Ufer des Donaukanals die Schanzen um die Brücke herum, mit schwerem Geschütz armiert, das gegen die Stadt drohte, und die lange Vorpostenkette des Feindes den Lauf des Wassers entlang, so weit das Auge reichte. Er faltete die Hände zusammen, als ob er sich wunderte, daß er dies alles sah, er ließ sich auf die Lafette des Achtzehnpfünders nieder, schlug sich vor die Stirn und starrte wie ein Verzweifelnder auf den grauen Kies, der den Boden bedeckte. Jetzt fingen sie zu ahnen an, was es zu bedeuten hätte, bis er endlich seine Sprache fand, es ihnen in Worten zu sagen: Die Kapitulation war so gut wie beschlossene Sache! Das also sollte das Ende sein? Kapitulation –! Waren denn die Verpflegsmagazine nicht gefüllt, daß man sich gut noch eine Woche hätte halten können? Lag denn das Eintreffen des ungarischen Entsatzheeres nicht immer noch im Bereich der Möglichkeit? Und dennoch Kapitulation –? Dafür also die Arbeit, Not und Gefahr? Dafür die Ströme vergossenen Bluts?

Und Messenhauser – was sagte der dazu?

»Er verkündet in einem pompös stilisierten Manifest, die Munition sei ausgegangen,« berichtete Sturz schäumend vor Wut ... »Mußte er das nicht früher wissen, wenn es wahr wäre? War es nicht gewissenlos, uns den verhängnisvollen Kampf überhaupt aufnehmen zu lassen – wenn es wahr wäre? Und sind nicht die Tausende von Leichen, die das Straßenpflaster decken, leichtsinnig hingeopfert – wenn es wirklich wahr wäre? Aber es ist nicht wahr, ich bin sicher, daß es erlogen ist! Es steckt nichts als seine Feigheit dahinter, die uns jetzt klein kriegen möchte, damit wir nicht mehr an Widerstand denken sollen!«

Und der Reichstag? Der Gemeinderat?

Der Reichstag war vom Kaiser vertagt und für halben November nach Kremsier in Mähren einberufen; die Gemeinderats-Deputation aber, die dem Fürsten die Unterwerfung der Stadt ankündigen sollte, vielleicht in dieser Stunde schon in Hetzendorf eingetroffen.

Sie konnten noch immer nicht recht daran glauben.

»Also wirklich Kapitulation? Volle, unbedingte Unterwerfung?«

»Bedingungslose Unterwerfung!«

»Auch die Legion ans Messer geliefert, die durch wiederholte kaiserliche Erklärungen ausdrücklich in ihrem Bestande garantiert ist?«

»Auch die Legion!«

Bitter lachte Sturz auf.

»Diese Rotzbubenwirtschaft müsse ein Ende nehmen, soll der Fürst einer Abordnung geantwortet haben, die um freien Abzug für die Legion bat.«

»Aber die Nationalgarde, die Korps der Mobilen, die Aula – die können sich doch nicht willenlos den Bedingungen des Fürsten unterwerfen?« rief Fred mit blutendem Herzen.

»Ihre Vertrauensmänner haben in einer Versammlung, in der sie beinahe handgemein miteinander geworden wären, sich schließlich mit großer Mehrheit für die Unterwerfung entschieden.«

»Und das Studentenkomitee?«

»Hat sich aufgelöst.«

Schlag auf Schlag wie die Botschaften Hiobs waren die Antworten aus Sturzens Munde gekommen. Trostlos saßen die Freunde beisammen. Unter solchen Umständen wäre es freilich Wahnsinn gewesen, noch länger an Widerstand zu denken! ...

Gegen Mittag, als Sturz sich entfernt hatte und auch Ladurner weggegangen war, ihn zu begleiten und nähere Weisungen einzuholen, sah Fred, von der Brustwehr der Biberbastei auslugend, Ohm Schinackel durch das Roteturmtor gehen, der Umschau hielt. Er rief ihn an und winkte ihm zu, heraufzukommen. Schinackel war außer sich vor Freude, als er ihn gewahrte, und galoppierte nur so.

»Da bist du, Herzensjunge, und wohlbehalten, wie ich sehe!«

Er schloß ihn in seine Arme und drückte ihn an sich. Fred berichtete, daß Onkel Edi auf der Sternbarrikade gefallen sei. Betrübt horchte Schinackel auf.

»Ich hätte mein Plänchen mit ihm gehabt,« sagte er enttäuscht, »nun kommt es zu spät. Ich wollte Edi bereden, mit uns nach Amerika zu kommen. Dort hätte er, wenn schon nicht ordentlich arbeiten, wenigstens sich ordentlich amüsieren gelernt; er hat das eine so wenig verstanden wie das andere.«

»Denkt ihr denn wirklich an Amerika?« wunderte sich Fred.

»Der Reichstag ist vertagt. Es kehren sich zwar viele nicht daran und halten noch immer Sitzungen. Aber dabei tu' ich nicht mit, ich stehe auf legalem Boden.«

»Was sagt Tante Susann dazu?«

»Sie hat keine Zeit mehr, etwas zu sagen, sie packt die Koffer.«

»Du bist aber doch noch immer Deputierter?«

»Dem Namen nach, wenigstens können sie mir nichts anhaben; aber nach Kremsier gehe ich ihnen nicht in die Falle. Lieber gleich nach Amerika! ... Übrigens ist es Zeit, Junge, daß du die Waffen ablegst und deine Mobilen heimschickst. Die Kapitulation dürfte bereits rechtskräftig geworden sein.«

»Ich warte nur noch die Weisungen ab, die Ladurner bringt,« sagte Fred traurig.

»Das ist garnicht notwendig. In der ganzen Stadt liegen die Waffen umher, wie die Leute sie weggeschmissen haben. Man sieht fast keine Uniform mehr – nichts als Angströhren. Auf der Aula keine Seele, nur schweigsame Berge übereinander geworfener Musketen. Na – gräme dich nicht. Junge. Eure Aufgabe habt ihr deswegen doch erfüllt. Es wird eine Zeit kommen – sagen wir in zwanzig Jahren – wo man sich an die Ideen der Achtundvierziger wieder erinnern wird. Dann steigen sie wie der Phönix aus der Asche, verjüngt und auch ein bißchen besser frisiert vielleicht, und man wird euch danken, daß ihr doch so eine Art Grundstein gelegt habt. Bis dahin freilich – ade Freiheit! Es muß eben alles seine Entwicklung haben ... Du erlebst es noch, Fred, bei mir ist es zweifelhaft. Leb wohl!«

Die Tränen standen ihnen beiden in den Augen, als sie sich zum Abschied küßten.

»In dem einen bleib dir treu, Fredl,« sagte Schinackel noch: »Wenn du überzeugt bist, daß die Nachtigallen nicht am Tage singen, so weigere dich es nachzuplappern, und wenn es hundertmal gedruckt steht!«

Um die erste Nachmittagsstunde kam Ladurner aus der Richtung der Dominikanerbastei gelaufen. Fred sah ihn schon von weitem, mit fliegendem Haar, den Stürmer hoch in der Luft schwingend: »Die Ungarn kommen!«

Ach – wer konnte daran glauben? Man war an falsche Gerüchte gewöhnt. Wie oft hatte es geheißen, die Ungarn seien im Anmarsch!

Aber nein, diesmal war es keine Täuschung. Atemlos stieß Ladurner hervor: »Man sieht sie vom Stephansturm! Ganz deutlich! Ein ganzes Heer! Eine große Armee! Die Vortruppen marschieren von Schwechat heran!«

Fred übergab das Kommando dem alten Vinzenz Einberger, sie liefen, was sie laufen konnten, die Bastei entlang, die Rotenturmstraße hinauf. In den Straßen war alles auf den Beinen: »Die Ungarn kommen! Die Ungarn kommen!«

Vom Lichtensteg bog ein bewaffneter Volkshaufe in den Haarmarkt ein: »Eljen Kossuth! Eljen die Magyaren!«

Aus allen Häusern stürzten Nationalgarden, die auf einmal ihre Waffen wieder gefunden hatten. Schon wimmelte es neuerdings von Uniformen auf dem Stephansplatz. In den Gassen gegen den Donaukanal wurde bereits daran gearbeitet, die halb abgetragenen Barrikaden wieder aufzubauen. Fred und Ladurner eilten um den Dom herum gegen den Turm, an dessen Fuß eine aufgeregte Menschenmenge sich drängte. Vom Baugerüst unter der Spitze des Turmes sah man deutsche und ungarische Fahnen schwenken, um Zeichen zu geben und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Menge fieberte vor Ungeduld, die uniformierten Garden, die den Aufgang bewachten, hatten harte Arbeit die Leute zurückzuhalten, die Miene machten, die enge Pforte zu stürmen, um selbst auf den Turm zu steigen und den Anmarsch der Ungarn mit eigenen Augen zu sehen. Leb Pinkas, den während des Kampfes niemand erblickt hatte, war auf einmal wieder da, warf die Arme in die Luft und hielt Ansprachen an die Proletarier.

Ein Legionär trat aus der Turmpforte und schwang einen Zettel in der Hand. Sogleich erhob sich Zischen, und lautlose Stille trat ein. Mit weithintönender Stimme las der Legionär: »Vom Stephansturm! Man sieht deutlich ein Gefecht hinter Kaiser-Ebersdorf. Die Kanonenblitze sind so gut zu erkennen, daß wir die Anzahl der Batterien fast danach beurteilen können. Bis jetzt scheinen die Ungarn im siegreichen Vorschreiten begriffen zu sein. Im Fall ein geschlagenes Heer sich den Mauern der Stadt nähern sollte, so wird es Pflicht aller Wehrkörper sein, sich auch ohne Kommando unter das Gewehr zu stellen! Messenhauser.«

Ein unbeschreiblicher Jubel brauste durch die Menge. Alles lief auseinander, zu den Waffen rufend und die Botschaft durch die Stadt verbreitend. Bewaffnete Trupps zogen gegen die Basteien, die Bürgerartillerie requirierte Bespannung, das Rasseln der Alarmtrommel ging durch die Straßen. Fenneberg stürzte aus der Turmpforte und eilte auf die Legionäre zu, die sich mit Fred und Ladurner um Sturz gesammelt hatten.

»Man kann vom Turme beobachten, wie große Militärabteilungen und ganze Batterien die Vorstädte räumen und sich in der Richtung gegen Inzersdorf in Bewegung setzen. Jetzt wäre der Augenblick gekommen, einen begeisterten Ausfall zu machen und den Feind zu einem Kampf mit zwei Fronten zu zwingen!«

»Es muß auch geschehen, es muß sofort geschehen!« schrie Tauß, von Kampfwut glühend. »Sagen Sie dem Messenhauser, daß wir uns zum Ausfall rüsten!«

»Mein Gott, der Messenhauser –!« lachte Fenneberg auf. »Was heißt das: Die Wehrkörper sollen sich auch ohne Kommando unter das Gewehr stellen? Das heißt: Wasch mir den Pelz und mach mich nicht naß!«

Alles schrie durcheinander: »Übernehmen Sie den Oberbefehl! Führen Sie uns! Setzen wir den Messenhauser gefangen! Der Messenhauser ist ein Verräter! Er spielt doppeltes Spiel! Umzingeln wir den Turm! Fenneberg ist unser Kommandant!«

»Es müßte erst die Zustimmung des Gemeinderates eingeholt werden,« suchte Fenneberg, nun selbst zögernd, zu beschwichtigen. »Einstweilen bitte ich die Herren Legionäre: Eilen Sie an die Ihnen anvertrauten Punkte, sammeln Sie die Mobilen, die unter Ihrem Befehl stehen, und halten Sie sich bereit!«

Fred verließ sofort den Domplatz und eilte gegen die Biberbastei. An der Ecke der Bischofsgasse sah er den alten Herrn Beywald stehen, der wollte ihn aufhalten und rief ihm zu: »Fred! Junge! Mach keine Torheiten! Die Kapitulation ist abgeschlossen!«

Aber er hörte nicht auf ihn und stürmte weiter. Auf der Biberbastei angelangt, hieß er sein Häuflein Mobiler sich fertig machen und unters Gewehr treten. Bald standen die Leute bereit. Jetzt bedurfte es nur noch einer Weisung. Weshalb wurde ewig kein Befehl zu einem allgemeinen Angriff gegeben? Warum ließ man die Magyaren im Stich? ... In aufreibender Ungewißheit verstrich Stunde um Stunde, ohne daß der ersehnte Befehl eintraf. Gegen Abend erschien Mießrigel. Ob er wisse, was vorgehe? fragte Fred ihm entgegen.

»Der Messenhauser hat schon wieder ein Fest gegeben, ein Mani-Fest nämlich: Die Ungarn sollen nicht gesiegt haben, steht darin. Seit drei Uhr sieht man nichts mehr von einer Fortsetzung des Kampfes. Aber Wenzel Cäsar hat sich ein paar Stunden lang nicht getraut, es zu sagen.«

Fred hieß seine Mobilen abtreten und sichs bequem machen.

»Ja siehst du,« sagte Mießrigel, »die Magyaren, die werden es halt auch nur so ein bissel probiert haben. Sie sind mit der kaiserlichen Armee selbst noch auf eine große Ecossaise engagiert, die eine Menge Touren haben wird, da wollen sie sich nicht vorzeitig müde machen ... «

Fred saß auf der Lafette und schwieg.

»Gehen wir heim, Bruderherz, und legen wir uns schlafen! Schließlich bleibt es sich ja ganz gleich, ob der Windischgrätz uns tyrannisiert, oder der Pöbel. Wir wissen es jetzt endlich, daß die Freiheit nicht einmal eine geschminkte Dirne ist, mit der man sich allenfalls eine halbe Stunde unterhalten könnte; sie ist bloß ein Kleiderstock, auf dem ein incroyables Theaterkostüm hängt und eine bemalte Larve aus Pappe statt des Kopfes. Aber dahin kommt man schließlich, siehst du, wenn man eine sogenannte Überzeugung hat! Die Überzeugung ist wie die Liebe, sie machen beide dumm, und man wird kapabel, sich in einen Kleiderstock zu vernarren! ... «

Noch immer gab Fred keine Antwort. Er barg die Augen in der aufgestützten Hand und verharrte stumm und schweigend. Es dämmerte der frühe Herbstabend, und aus dem traurig ziehenden Wasser des Donauarmes stieg leise die Dunkelheit auf. Ab und zu fiel ein Schuß: Ein kleines Geplänkel zwischen den Basteien und den Grenadieren und Kroaten, die in den Häusern am linken Ufer hinter verbarrikadierten Fenstern lagen. Aus der Stadt drang Lärm und Geschrei herüber, von herumziehenden Mobilen oder aufgeregten Volksmassen ...

»Jetzt fressen sich die Freiheitswölfe gegenseitig auf,« sagte Mießrigel belustigt.

*


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